0 Sternklasse 2007/2.. - Maison de la porte fortifiée
Leben wie Gott
in Südfrankreich
Genuss in der Gascogne
statt Krise in Köln:
Mit seinem „Maison de
la porte fortifiée“ schuf der
Designer Klaus Köhler
eine Oase für Reisende,
die Ruhe, Individualität
und Gaumenfreuden
zugleich suchen
Ein Gasthaus wie geschaffen für Paare,
die im geschäftigen Alltag wenig Zeit
füreinander haben, und doch gerade
aus der gemeinsamen Beziehung
ihre Kraft schöpfen
Wohlstand
„Wohlstand bedeutet nicht automatisch Wohlbefinden.
Gerade diejenigen, die es beruflich
weit gebracht haben, können ihren Lebensstandard
häufig nicht genießen.“ Klaus Köhler
weiß, wovon er spricht. Er surfte selbst am
Abgrund entlang, zielstrebig zum Burnout,
hatte das Gefühl, die innere Mitte zu verlieren
und seine Seele auszubeuten. Wie für viele
Manager ist auch für ihn inzwischen Zeit das
größte Luxusgut geworden. Oft geht die Zeitknappheit
gestresster Manager mit sozialer
Isolation einher. Je höher einer die Karriereleiter
erklimmt, desto einsamer wird es um ihn
herum. Bisweilen ist das Kloster dann die letzte
Zuflucht, um zu sich selbst zu finden. „Mit der
‚Maison de la porte fortifiée’ wollte ich einen
gastlichen Ort des Wohlbefindens, eine Oase
des Genusses, des sich Besinnens auf sich
selbst und auf den Lebenspartner schaffen“ sagt
Köhler. „Besonders für Paare, die im geschäftigen
Alltag wenig Zeit füreinander haben und
doch gerade aus ihrer gemeinsamen Beziehung
Kraft schöpfen.“
Köhler weiß, was Rastlosigkeit ist. Der gefragte
Designer, der u.a. für den italienischen Möbelhersteller
Saporiti und in Israel mit der dort
Klaus Köhler
berühmten Malerin Gaja Silber gearbeitet hat,
hielt nach zwanzigjähriger Hetzfahrt rund um
den Globus erst inne, nachdem sein Körper
ihm mehrere Male die „Gelbe Karte” gezeigt
hatte. Mit „Köhler Unikat“, so hatte er sein
Unternehmen 1986 genannt, wollte er Einrichtungskonzepte
entwickeln, die sich – losgelöst
von Standards – ausschließlich an den ganz
persönlichen Bedürfnissen und dem Lebensumfeld
des einzelnen Kunden orientieren
sollten. Die Planung eines privaten Traumhauses
für Deutsche in Tokio bedurfte ebenso
wenig eines großen Teams wie der Entwurf
einer Geschirrserie. Beim Versuch einer
Zwischenbilanz war er Mitte vierzig. „Welche
Projekte dienen dazu, die gewachsene Firma
und seine zig Mitarbeiter am Leben und
Laufen zu halten“, überprüfte er sich und
seine Lebensziele, und: „Welche davon tragen
tatsächlich zur Steigerung der allgemeinen
und meiner persönlichen Lebensqualität bei?“
Köhler stellte fest, dass er sich von seinen
Zielen und sich selbst entfernt hatte.
Seine Chambres d´hôtes in der Gascogne,
unmittelbat hinter der Kirche von Montesquiou,
sind ein Schritt zurück nach vorn. Seit vier
Jahren verbringt Köhler so viel Zeit wie möglich
in diesem selbst geschaffenem Paradies
der Gastlichkeit. An das denkmalgeschützte
Haus geriet er durch Zufall, als er auf der
Suche nach einem neuen Wohnsitz war –
einem zweiten Wohnsitz, denn „ein echter
Kölner verlässt seine Heimat nie ganz.“ Er
war auf der Suche gewesen nach einem kleinen
Schlösschen oder einem Landsitz in mildem,
sonnenreichen Klima – abseits vom Massen-
Tourismus. Und das möglichst in Frankreich,
weil hier „Lebensmittel für Lebensqualität
Je höher einer die
Karriereleiter erklimmt,
desto einsamer wird es
um ihn herum
sorgen“, Lebensmittel in ihrer ureigenen
Wortbedeutung, die noch mit Liebe und Würde
erzeugt werden und mit denen respektvoll
umgegangen wird. Ein Kleinod sollte es sein,
in einer möglichst ursprünglichen Gegend, mit
den genussreichen Gaben einer intakten
Natur. Mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen
gelang es „dem fremden Deutschen” mit
schlechten Französischkenntnissen, die Stadtväter
zum Verkauf des in der mittelalterlichen
Wehrmauer gelegenen Hauses und der benachbarten
Backstube zu überreden.
Mit Demut, Fingerspitzengefühl und Erfahrung
vereinte der Designer die beiden Häuser aus
dem 15. und 19. Jahrhundert und schuf daraus
ein Refugium, in dem Tradition und Zeitgeist
harmonisch miteinander leben. Er paarte
Zweckmäßigkeit mit Komfort, Designermöbel
mit Antiquitäten, altes Silber mit modernem
Feinporzellan. Stilsicher glückte die kontrastreiche
Symbiose zum unlangweiligen
Wohlfühl-Ambiente. Wie ein Chamäleon kann
sich das Gebäude wandeln, wahlweise in ein
offenes Gästehaus für eine homogene Gruppe
von bis zu zehn Gästen, oder zu vier Kokons
für Ruhe suchende Einzelreisende und ein
Pilgerzimmer – man hat den Jakobsweg vor
der Tür.
Das Örtchen Montesquiou liegt zwischen
Toulouse im Osten, Bordeaux und dem
Atlantik im Westen. Es schmiegt sich, mit
Gascogne
Blick auf die stolzen Pyrenäen, an einen
Hügel im Department Gers im Südwesten
Frankreichs. Das 500-Seelen-Dörfchen wird
erstmalig 1045 erwähnt. Das Geschlecht der
Grafen von Montesquiou hat in seiner langen
Geschichte nicht nur große Feldherren hervorgebracht.
Auch im Zusammenhang mit dem
berühmten Namen d´Artagnan hat man ihren
Eine Aufmerksamkeit, die viele
Menschen heute weder gewohnt
sind auszuüben, noch sie mit
Wohlbehagen einfach dankbar
anzunehmen
Namen schon gehört: Die Mutter des legendären
Helden, dem Alexandre Dumas in seinem
Roman „Die drei Musketiere“ Unsterblichkeit
verlieh, war eine geborene de
Montesquiou. Für eine andere Romanfigur
diente Generationen später ein anderes
Familienmitglied als Vorlage: Aus dem
Lebemann Robert de Montesquiou machte der
Schriftsteller Marcel Proust in seinem
Jahrhundertwerk „Auf der Suche nach der verlorenen
Zeit“ den Baron Palmèd de Charlus.
Auch Josephine Baker wurde zu einer
Berühmtheit des Ortes: Sie lebte von 1931 bis
1936 in einem herrschaftlichen Landhaus mit
wunderschönem Park – direkt am Fuße des
Köhlerschen Hauses. Heute ist das Baker-
Anwesen Ruhesitz wohlhabender kultivierter
Amerikaner.
Industrie und Umweltverschmutzung sind
noch nicht bis ins Departement Gers vorgedrungen.
Wilde Orchideen im Frühling, ein
unendlich scheinendes Meer von Sonnenblumen
im Sommer und veilchenbedeckte Wiesen im
Herbst bestimmen das Landschaftsbild. In
Freiheit schnattern vielerorts in der Gascogne
Tausende von Enten und Gänse, die freudig
neugierig auf jeden Zaungast zu watscheln.
Foie gras und Rilettes von Gans oder Ente
zählen zu den typischen Regionalgerichten.
Blonde Kühe (Blonde d´Aquitaine) säumen die
Wegränder, im Baskenland grüßen den
Wanderer die berühmten schwarzen Schweine
und jene Schafe, deren Brebis (Käse) mancher
als köstlichen und nahrhaften Proviant im
Rucksack mit sich trägt. Jeden Tag im Jahr
könnte man einen anderen köstlichen Käse
von Kuh, Schaf oder Ziege direkt vom
Erzeuger probieren, ohne sich je zu wiederholen.
Der Bäcker von Montesquiou ist berühmt
Carsten Lutterbach
und vielfach ausgezeichnet für seine
Baguettes; alle Teige für seine Backwaren bereitet
er (hoffentlich noch lange) traditionell zu.
Woran erkennt man ein wirklich gutes
Gasthaus? An Belobigungen in Reiseführern?
Das „Maison de la portifiée“ ist vielfach ausgezeichnet.
Es trägt die erreichbare Höchstbewertung
für chambres d´hôtes und wurde
von „Madame Cartier“ (Ehefrau von Alain
Dominique Perrin, CEO von Richemont
International) als eines der gastlichsten
Häuser im Land besonders geadelt. Madame
Perrin besucht hierfür alle in Frage kommenden
Häuser persönlich – vom einfachen
Landgasthaus bis zum feinsten Grandhotel.
Die passionierte Testerin gibt sich nie zu
erkennen; erst die später telefonisch geäußerte
Bitte ihres Büros um die Erlaubnis, für
Madame und ihren Guide einige Fotos
machen zu dürfen, signalisierte Köhler, dass
sie zu Besuch gewesen war. Wie beim Guide
Michelin fallen bei Madame keine Kosten für
das beurteilte Haus an – die Auszeichnung ist
weder beeinflussbar noch käuflich: Nur
Häuser mit subjektiv von ihr erlebter, tiefer
Gastfreundschaft finden Aufnahme. Jedoch:
Wie fast jede Auszeichnung in Reiseführern,
basiert auch diese auf einem Einmalerlebnis.
Gers
Das Gers ist die Wiege der Gascogne. Hier haben die
mutigen Gascogne-Kadetten ihre Adelsbriefe erhalten.
Von Alexandre Dumas verewigt, verlieh d´Artagnan
(Charles de Batz) ihnen unsterblichen Ruhm.
Seit dem 9. Jahrhundert ist das Departement Gers mit
der Entdeckung des Grabes des heiligen Jakob in
Compostela eine Pflichtetappe für Tausende von Pilgern.
Zahlreiche Zeugnisse von Pilgerreisen der vergangenen
Jahrhunderte lassen sich in den Kapellen und Abteien
rechts und links des Jakobsweges entdecken.
Zum Weltkulturerbe gehörende Denkmäler sind die
Kollegialkirche La Rimieu, die romanische Brücke von
Artigues und die Kathedrale Sainte Marie d´Auch.
Das Gers hat zu wahren gewusst, was den Reiz seines
Landes ausmacht: die Freude am Genuss.
Anreise: Direktflug mit Lufthansa von Düsseldorf,
Frankfurt und München ab 99 Euro. Leihwagen am
Flughafen – Wochenmiete ab 180 Euro.
Die Fahrzeit vom Flughafen zur
„Maison de la porte fortifiée“ beträgt 90 Minuten.
Woran man ein wirklich gutes Gasthaus
erkennen kann? Beispielsweise daran, wie
viele Dankesbriefe seine Gastgeber erhalten.
Carsten Lutterbach erhält wöchentlich mindestens
einen. Fast immer ist es ein von Hand
Der Franzose zollt seinen
besten Handwerksmeistern
große Bewunderung.
Wer große Qualität erzeugt,
genießt hohes Ansehen.
geschriebener Brief, aus dem schon die Vorfreude
auf das Wiederkommen des Verfassers
spricht. Lutterbach ist Gastgeber, Geschäftsführer,
Gärtner und Garçon in einem. Von
Anfang an dabei, weiß er genau, wann etwa
welche Blume im Garten aufblühen wird. Die
meisten hat er selbst gepflanzt; er beobachtet
jede Pflanze und jeden Baum liebevoll und
aufmerksam, keine noch so kleine Veränderung
über Nacht entgeht ihm. Mit der gleichen
Hingabe widmet er sich seinen Gästen. Eine
Aufmerksamkeit, die viele Menschen heute
weder gewohnt sind auszuüben, noch sie mit
Ehemaliges Wohnhaus von Josephine Baker
Wohlbehagen einfach dankbar anzunehmen.
Das „Maison de la portifiée“ ermöglicht vier
Gästen bzw. Gästepaaren jede Intimität eines
persönlichen Domizils. Drei kleine Salons stehen
zum privaten Speisen oder zum Lesen
bereit. Ebenso ist der Garten mit verschiedenen
Terrassen auf unterschiedlichen Niveaus
so angelegt, dass jeder jederzeit einen
Rückzugsort finden kann. Lutterbach ist für
jeden im Haus wie ein persönlicher Butler verfügbar.
Morgens serviert er das Frühstück
nach den speziellen Wünschen der jeweiligen
Gäste, unterbreitet individuelle Vorschläge für
die Gestaltung des Tages – die Region,
Sehenswürdigkeiten und
Einkaufsmöglichkeiten (zum Beispiel beim
Weltmeister der Konfitüren in Pau) kennt er
wie kaum ein Zweiter – und bespricht das
Abendessen. Sobald die Gäste das Haus verlassen
haben, beginnen schon die Vorbereitungen
für deren Wiederkehr. Die dreigängigen
Abendmenüs bereitet Klaus Köhler in seiner
selbstentworfenen, und auf seine Bedürfnisse
maßgeschneiderten, Küche zu, mit dem
hohen Anspruch eines fein schmeckenden
Ästheten. Beste Produkte der Region kauft er
direkt bei den Erzeugern ein, fügt sie mit
Fischen und Krustentieren vom Atlantik, feinsten
Ölen, Salzen und Gewürzen zu köstli-
chen Menüs zusammen. Anregungen holt er
sich bei Könnern wie Stéphane Carrade (s.
nebenstehenden Kasten rechts), deren elaborierte
Sprache er in eine kulinarische Mundart
übersetzt. Passend zu seinen Menüs taucht
die Sonne die sanften Hügel der Gascogne an
lauen Sommertagen in wildromantische
Abendröte; an kühleren Abenden knistert das
Holz im Kamin seine Melodie des
Wohlgefühls, zu den Weinen von Madiran, der
„Côtes de Saint-Mont“ und der „Côtes de
Gascogne“. Wenn Carsten Lutterbach am
Ende eines jeden Tages sorgfältig die
Fensterläden schließt, gleicht das einer
Zeremonie. Ein Ritual, mit dem er sein
Tagwerk jeden Abend erfüllt, bewusst dankbar
und glücklich beschließt.
Maison de la porte fortifiée
F-32320 Montesquiou
Fon: 00 33-(0)562-70 97 06
www.porte-fortifiee.de
Chez Ruffet
Übernachtung inklusive Frühstück
Doppelzimmer ab 89 Euro
Einzelzimmer ab 70 Euro
3-Gang-Menü am Abend
nach Absprache und
nur für Hausgäste 29 Euro.
Das Örtchen Jurançon ist knapp 55 km von Lourdes und 105 km
von Montesquiou entfernt. In Deutschland ist es vornehmlich für
seine Süßweine bekannt, in Frankreich ebenso für die geniale
Küche von Stéphane Carrade, dessen „Chez Ruffet“ der Guide
Michelin mit zwei Sternen auszeichnet. Sonntagabends und am
Montag ist das Restaurant geschlossen; ansonsten mittags wie
abends fast immer ausgebucht. Reservieren Sie deshalb in jedem
Fall telefonisch; in der Regel reichen ein bis zwei Wochen im
Voraus aus. Man kann zwischen zwei Räumen – einem größeren
mit zwölf Tischen und einem kleineren mit fünfen – wählen, die
beide im romantisch eleganten Landhausstil eingerichtet sind.
Details unterstreichen die Lust am Genuss. Dazu gehören die als
Platzteller eingedeckten Schiefertafeln, die sich fast jeder Gast mit
den bereitgelegten Kreidestücken verschönt und auf denen mancher
Gast dem Chef sein Lob oder seine Kritik hinterlässt. Dazu
zählt auch die leicht zu handhabende Speisenkarte, die auf etwa
20 cremefarbigen Kartonstreifen – 2,5 cm breit und 30 cm lang,
gelocht und mit einer Klammer zu einem Fächer gebunden –
gesondert die Speisen der „Les menus“ und der „La carte“ anbietet.
Und, last but not least, zählt dazu, dass zu den Leckereien,
die später mit dem Kaffee gereicht werden, ein kleines Schälchen
mit einer Tablette, etwa ein Zentimeter dick und von der Größe
einer Zwei-Euro-Münze, serviert wird. Wenn die dann mit heißem
Wasser übergossen wird, „erwächst“ daraus ein erfrischendes
Tuch mit einem Duft von Zitronenminze
Wir wählen das dreigängige Mittagsmenü vom Markt, das inklusive
zwei Glas Wein der Region (gute Qualität) für 25 Euro pro Person
angeboten wird – und das uns am Ende seufzen lässt: „Ach, lebten
wir doch in Jurançon!“
Chez Ruffet
3 avenue Charles Touzet, 64110 Jurançon, Fon: 05 59 - 06 25 13,
www.restaurant-chezruffet.com