Noch ein weiterer Reifenrückruf? Eine unendliche ... - Reifenpresse.de

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Markt + Marketing Der Reifen-Rückruf und einige Folgen Fast täglich gibt es neue Erkenntnisse über den Ford Explorer und die auf dem Modell montierten Reifen, tauchen andererseits aber auch gänzlich andere Fragen auf, die – wenigstens auf den ersten Blick – gar nichts oder nur indirekt mit dem Rückruf von Firestone-Reifen zu tun haben. Eine aktuelle Auswahl. Autohersteller Ford hat im Rahmen der Firestone-Affäre einige neue Testverfahren für Erstausrüstungsreifen entwickelt und will mit deren Hilfe auf Ford- Modellen verbaute Reifen selbst überprüfen, zum Beispiel hinsichtlich Laufflächentemperatur, der für Laufflächenablösungen notwendigen Kräfte und der Laufleistung bei extremen Einsatzbedingungen. Eine weitere Nachricht zum Autohersteller: Der Ford-Konzern ist hauptsächlich wegen der Kosten für den Reifenrückruf im zweiten Quartal diesen Jahres in die roten Zahlen abgerutscht. Und die schlechten Nachrichten beim zweitgrößten Autohersteller der Welt wollen nicht abreißen: Die Liste der Auto- Rückrufe wird wegen fehlerhafter Sitzgurte um 1,4 Millionen Autos verlängert. Bei allem Zwist zwischen Ford und Firestone kommt es aber auch mal zu einer Million Reifen zu Reklamationen Anlass gegeben haben und in sechs Fällen sei es zu (der Behörde bekannt gewordenen) Unfällen gekommen. Die Reaktion von Ford ist relativ eigenartig: Ab sofort darf dieser Reifen beim Umtausch gegen Firestone-Reifen nicht mehr berücksichtigt werden, er wird aber weiter in die Erstausrüstung geliefert und auf Ford-Fahrzeugen montiert. Einen Rückruf wollte die Behörde nicht anordnen noch – derzeit – einen Rückruf anregen, und zwar mit dem Argument, dass der Reifen 1998 überarbeitet worden sei und seither viel weniger Ausfälle zu verzeichnen habe als zuvor. Dahingegen hat Firestone Reifen auch aus den frühen 90er Jahren zurückgenommen. 26 einer gemeinsamen Einschätzung: In den Vereinigten Staaten hatte ein Gericht den Antrag eines Anwaltes zurückgewiesen, das Ford-Modell Explorer und Firestone-Reifen zurückzurufen. Das Gericht verwies darauf, dass nur die nationale Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA (National Highway Traffic Safety Administration) berechtigt sei, solch einen Rückruf anzuordnen. Auto- wie Reifenhersteller begrüßten übereinstimmend diese Entscheidung. Dass andere Reifenhersteller von dem Rückruf profitieren wollen, überrascht nicht. Von einer Hinwendung zu bekannten Markenreifen sollten eigentlich vor allem die von Ford für den Reifenaustausch ausgewählten Fabrikate Goodyear, Michelin und General profitieren. Goodyear setzt sogar seine Flotte an Luftschiffen, die „Blimps“, ein und schickt sie über amerikanische Städte auf „Safety Tour“, um die Verbraucher zusätzlich auf die Problematik der Reifensicherheit aufmerksam zu machen. Gleichzeitig werden aber auch die von Ford ausgewählten Austauschreifen skeptisch beäugt. Der NHTSA ist dabei vor allem der General-Reifen Ameri*550 AS besonders aufgefallen, von dem Continental bisher mehr als 2,7 Millionen Stück hergestellt hat. Dieser Reifen wird von Ford im Rahmen des Austauschpro- Sprecher des Continental-Konzerns haben alle Anschuldigungen vehement zurückgewiesen. Der deutsche Reifenhersteller bezeichnet sich als Hersteller, dem die Sicherheit von Verbrauchern über alles gehe, grammes zwar jetzt nicht mehr auf dem Explorer, aber weiterhin in der Erstausrüstung auf dem Ford-Pick-up F-150 montiert. Auch andere Reifentypen, nicht nur der Marke General, werden untersucht. Zeitgleich rückt ein ganz anderes Problem ins Blickfeld: Wohin mit all den aussortierten Reifen (6,5 Millionen durch Bridgestone/Firestone, 13 Millionen durch Ford)? Schon gibt es Stimmen, die mahnen, die einmal eingesammelten Reifen könnten auf obskuren Wegen zurück auf die Straßen rollen. Eigentlich sollten die Firestone-Reifen ja aus dem Verkehr gezogen werden. Ford hat zum Zweck der Sammlung und des Recyclings von sechs Millionen Reifen einen Vertrag mit der Recovery Technologies Group (RTG) geschlossen, die wiederum mit diversen (kaum kontrollierbaren) Subunternehmen zusamenarbeitet. Die derzeitige RTG- Shredder-Kapazität wird mit 500 Reifen täglich beziffert, was bedeuten würde, dass das Unternehmen 32 Jahre (!) bräuchte, um sechs Millionen Reifen zu zerkleinern. Was gegebenenfalls mit dem ohnehin schwer absetzbaren Rohstoff Reifengranulat geschehen soll, steht in den Sternen. detlef.vogt@reifenpresse.de und er zeigte sich sehr enttäuscht über eine offensichtlich politisch motivierte Entscheidung. Auf Fakten beruhe die Untersuchungsentscheidung jedenfalls nicht. Dennoch ist der Schaden für Continental bereits NEUE ReifenZeitung 8/2001
jetzt erheblich, und er wird weitaus schlimmere Ausmaße annehmen, sofern es zu einem Rückruf kommen sollte. Reifen können ausfallen und Reifen fallen aus den unterschiedlichsten Gründen aus. Wer zu lange mit zu wenig Luftdruck unterwegs ist, erhöht das Risiko beträchtlich. Wer über Stock und Stein fährt, dazu sind Fahrzeuge wie der Ford Explorer ja durchaus geeignet, erhöht sowohl das Risiko von Anprallverletzungen als auch das Risiko, dass Verletzungen des Reifens zunächst gar nicht bemerkt werden. Kommt es dann zum Ausfall, liegt es nach landläufiger Meinung in den USA immer am Reifen. Anwälte werden tätig und mit Hilfe von Marketingexperten und Öffentlichkeitsarbeitern, oft sogar in den Diensten der Kanzlei (Law Firm) stehend, wird Propaganda betrieben. Die Manager betroffener Firmen werden als vaterlandslose Gesellen gebrandmarkt, denen die Sicherheit der Verbraucher nichts und der Profit alles bedeute. Da darf mit Spekulationen und Unterstellungen nahezu grenzenlos gearbeitet werden, Schmähungen bleiben an der Tagesordnung. Nur das angegriffene Management hat sachlich zu bleiben und darf aus rechtlichen Gründen nicht mit gleicher Münze heimzahlen. Dass inzwischen das Rechtssystem der USA, insbesondere was Pro- duzentenhaftunganbelangt, völlig außer Kontrolle geraten ist, glauben inzwischen selbst immer mehr Amerikaner. Änderun- NEUE ReifenZeitung 8/2001 ... An John Lampe geht derzeit kein Weg vorbei. Er ist die (!) Schlüsselfigur im Bridgestone- Konzern. gen wird es vermutlich nicht geben, denn der Einfluss der Juristen auf den Kongress in Washington ist überwältigend. Das Management von Bridgestone sieht inzwischen auch durchaus politische Motive, denn etwas besseres hätte Ford kaum passieren können als dass sich die NHTSA öffentlich auf die Seite von Ford stellt. Die Ford- Manager sehen hier einen willkommenen Anlass, sich ggf. bei Bridgestone/Firestone finanziell erholen zu können, und schon weisen Bankanalysten darauf hin, dass dies denkbar sei und die Ford-Aktien dadurch wieder zum „Kauf“ werden könnten. Die Reifenindustrie hat sich sehr lange aus dem „Privatkrieg“ Firestone/Ford herausgehalten. Es werde einen „Flight to Quality“ geben und die beiden großen Firestone- Konkurrenten Goodyear und Michelin sollten die Gewinner werden. Es gehe um nicht weniger als eine grundsätzliche strukturelle Änderung des Reifenmarktes, meint die Fi- nanzwelt. Doch deren Weissagungen gehen nicht immer auf. So hat der Goodyear- Konzern, der ja am meisten vom Firestone-Desaster profitieren sollte, sein Halbjahresergebnis vorgelegt; und wer dies als enttäuschend beschreibt, hat maßlos untertrieben. Wie schlecht stünde Goodyear erst ohne das Zusatzgeschäft dank des Firestone-Rückrufs da? Auch Spitzenmanager der Continental AG haben sich in gelegentlichen öffentlichen Stellungnahmen dazu hergegeben, eine strukturelle Änderung (von der das deutsche Unternehmen natürlich profitieren werde) zu beschreiben. Genützt hat es nichts, wie man weiß. Seit aber Ford sich anschickt, darüber befinden zu wollen, ob ein Reifen gut oder schlecht ist, sind wenigstens die meisten Reifenhersteller sehr viel nachdenklicher geworden und haben erkannt, dass hier eine Entwicklung beginnt, die weder im Interesse der Reifenindustrie im Allgemeinen noch im Interesse der Hersteller wirklicher Spitzenmarken im Besonderen liegen kann. Und es mehren sich die Anzeichen, dass hinter den Kulissen derzeit viele „Informationsgespräche“ geführt werden, an welchen lediglich – so heißt es – bisher Goodyear nicht teilgenommen habe. Wie in der Juni-Ausgabe der NEUE REIFEN- ZEITUNG bereits nachzule- ... Die Reifenindustrie denkt um. sen war, wird der US- Hersteller Cooper mit Ansprüchen belästigt. Es war zu einem Unfall mit Todesfolge gekommen, dessen Ursache ein bzw. mehrere Cooper-Reifen gewesen sein sollen. Allerdings ging unter, dass es sich um Reifen handelte, die älter als acht Jahre waren, Drähte schon aus der Lauffläche hervorlugten und die Reifen im Übrigen gleich mehrfach unfachmännisch nach Stichverletzungen repariert worden waren. Aber so schlimm kann es im Land der unbegrenzten ... Goldader für Rechtsanwälte? Markt + Marketing Mit dieser Anzeigenkampage will Firestone das Vertrauen der Verbraucher wiedererlangen Möglichkeiten nun auch wieder nicht kommen, dass beauftragte Rechtsanwälte nicht doch die Ursache in den Reifen als solchen sehen und den Produzenten zur Ader lassen möchten. Für andere vergleichsweise Regelungen hatte Cooper allein im zweiten Quartal diesen Jahres einen hohen zweistelligen Millionenbetrag in Dollar aufbringen müssen, um noch größere Schäden vom Unternehmen fernhalten zu können. Es geht also nicht mehr um Schadensersatzfragen, die einen Produktfehler kompensieren sollen. Inzwischen geht es in allzu vielen Fällen nur noch darum, für jeden noch so abenteuerlich herbeigeführten und selbst verschuldeten Unfall Geld vom Hersteller zu bekommen. Einen Haftungsausschluss wegen gröbster Fahrlässigkeit des Verunglückten kennt die amerikanische Rechtsprechung nicht. Derzeit spricht wenig dafür, dass die unendliche Reifen-Saga bald beendet werden könnte. Ganz im Gegenteil. Man wird sich auf viele unappetitliche Vorgänge noch einzustellen haben. Wer den längeren Atem hat, weiß niemand. klaus.haddenbrock@reifenpresse.de 27
Seite 1: Der von Bridgestone/Firestone im Vo

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