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pdf katalog weites feld - Milena Meller

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<strong>weites</strong> <strong>feld</strong><br />

<strong>Milena</strong> <strong>Meller</strong><br />

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<strong>weites</strong> <strong>feld</strong> - Erklärung & Dank<br />

„<strong>weites</strong> <strong>feld</strong>“ ist ein Projekt, in dem es um die künstlerische<br />

Untersuchung eines städtischen Gebietes geht. Es geht um die<br />

„Haller Straße“ (bis zur Stadtgrenze von Innsbruck) mit ihrem<br />

Hinterland, eine Einzugs-und Durchzugsstraße am Rande der<br />

Stadt, eine ganz spezifische und zugleich exemplarische urbane<br />

Zone und ein Gebiet, das ich seit meiner Kindheit unzählige Male<br />

durchfahren und dessen Veränderungen ich verfolgt habe.<br />

Die Arbeit daran besteht in einer längerfristigen Erforschung des<br />

Gebietes mittels verschiedener künstlerischer Medien, ausgehend<br />

von Fotografie. In der Gewissheit, diese Gegend keineswegs<br />

vollständig erfassen zu können, wird hier zunächst ein erster Abschnitt<br />

des Projektes präsentiert. Ermöglicht wurde dies durch die<br />

Auswahl als eines der Siegerprojekte beim Ideenwettbewerb der<br />

Stadt Innsbruck „stadt_potenziale 2011“.<br />

Das vorliegende Fotobuch bietet eine Auswahl aus mehreren<br />

tausend Fotografien (davon ca. 20 % analog), die im Laufe eines längeren<br />

Zeitraumes auf Streifzügen in das Territorium entstanden sind.<br />

Ergebnisse der Arbeit werden aber auch in das Gebiet rückgeführt<br />

- ein Versuch, durch subtile Interventionen temporär vor Ort<br />

präsent zu sein, zu spiegeln und zu verdoppeln:<br />

Für gewisse Zeit werden die Leuchtkästen („Citylights“) der<br />

Bushaltestellen an der Strecke u. a. mit Fotografien zu „<strong>weites</strong><br />

<strong>feld</strong>“ bespielt. Zeitgleich gibt es in insgesamt sieben Gebäuden<br />

ortsansässiger Betriebe Ausstellungen (mit Fotografien, Malereien<br />

und überarbeiteten Fotografien der Malereien). Zusätzlich werden<br />

(auf Initiative von und ermöglicht durch die Innsbrucker Verkehrsbetriebe)<br />

einige „Citylights“ im Zentrum ebenfalls von mir bespielt<br />

und weisen so auf das Projekt und in die Peripherie.<br />

Mein großer Dank gilt, abgesehen von jenen Menschen, die<br />

meine künstlerische Arbeit schon lange begleiten, speziell einigen<br />

Personen und Institutionen, die auf vielfältige Weise zur Realisierung<br />

beigetragen haben: insbesondere Andrea Klapper (Grafik), Ulrike<br />

Mair (Text), Erika Wimmer, Cornelia Reinisch (Tiroler Künstlerschaft),<br />

Arno Ritter (aut.tirol), Martin Baltes und Magdalena Rüf<br />

(IVB), Ivana Vötter und Gregor Schranz (epamedia), Stephan<br />

Elsler (Scans) sowie den beteiligten Firmen, insbesondre Andreas<br />

Rauch (Rauch Mehl), Martin Fiegl (Alpina Druck), Gerhard Hauser<br />

(Architekturbüro Hauser/Coaching Bauer/ Messebau Auer), Peter<br />

Bäumler (bitbau Dörr), Claudia Prantl (Hotel Gasthof Dollinger),<br />

Margit Held-Bargehr (starline Lichtdekorationen) und Wilfried<br />

Hanser (Ho&Ruck); dem Kulturamt der Stadt Innsbruck,der Jury<br />

von stadt_potenziale 2011 (Andrea Maria Dusl, Hans Oberlechner<br />

und Jürgen Tabor), sowie der Kulturabteilung des Landes Tirol.<br />

<strong>Milena</strong> <strong>Meller</strong>, Herbst 2012<br />

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Rand-Zonen und Nicht-Orte.<br />

„Umwelten sind unsichtbar.<br />

Ihre Grundregeln,<br />

durchgängigen Strukturen<br />

und umfassenden Muster<br />

entziehen sich<br />

einer oberflächlichen Wahrnehmung“<br />

Marshall McLuhan<br />

Denkt man Stadt als Ort, so denkt man vor allem einmal an<br />

Wohngebäude, Geschäfte, Kaufhäuser, Shopping-Malls, Restaurants<br />

und Cafés. An Kirchen, Plätze, Parks oder an Sehenswürdigkeiten.<br />

Stadt scheint etwas mit Wohnen und mit der Organisation<br />

von Wohnen zu tun zu haben. Kommunikation scheint eine Rolle<br />

zu spielen: Dort, wo Menschen wohnen, wo sie sich treffen,<br />

dort wo sie ihren Alltag aber auch ihre Freizeit gestalten, dort ist<br />

Stadt. Stadt als Ort im kollektiven Bewusstsein der Stadtbenutzer,<br />

seien es Einheimische, die hier ihren ständigen Lebensmittelpunkt<br />

gewählt haben oder Menschen, die Stadt für unterschiedliche<br />

Zwecke über längere oder kürzere Zeiträume nur vorübergehend<br />

beanspruchen wie etwa Studenten oder Touristen – Stadt als Ort<br />

im kollektiven Bewusstsein all jener Stadtbenutzer weist bestimmte<br />

Codes auf. Codes, mittels derer eine Gemeinschaft Stadt als<br />

Ort markiert, Zeichen, die sie ihr einschreibt und die somit jenen<br />

Wiedererkennungsfaktor garantieren, mit dem Stadt als Ort für<br />

alle Beteiligten identifizierbar ist. Mit welchen subjektiven Gefühlen<br />

der oder die Einzelne diese Zeichen konnotiert, spielt dabei keine<br />

vordergründige Rolle.<br />

Während die Tourismuswerbung etwa ausschließlich die<br />

„schönen“ und damit verkaufbaren Codes bemüht und dabei<br />

immer dieselben signifikanten Zeichen von Stadt als Ort wiederholt,<br />

wird mancher Nutzer negative Assoziationen zu Settings wie<br />

etwa Amts- Gerichts- oder Klinikgebäuden pflegen. Außer Zweifel<br />

steht dabei jedoch, dass die kollektive Übereinkunft auch diese,<br />

mögen sie noch so negativ besetzt sein, Stadt als Ort zurechnet.<br />

Der Unterschied liegt einzig in der Sinnhaftigkeit der Wiederholung.<br />

Während markant typische Innen- wie Aussenansichten im Laufe<br />

der Geschichte bereits hunderte Male gemalt und wahrscheinlich<br />

millionenfach abfotografiert und damit als Code verfestigt wurden,<br />

so wird man eher selten – und dies gilt für städtische Museen<br />

oder Galerien genauso wie für abertausende Erinnerungsalben in<br />

aller Welt – das Abbild eines Krankenbettes aus einer Klinik oder<br />

der Fassade eines Gerichtskomplexes vorfinden. Dabei sind zwar<br />

sowohl Kunstorte wie städtische Museen oder Galerien als auch<br />

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private Fotoalben so etwas wie ein kollektiver Erinnerungsspeicher<br />

dessen, wie die Gemeinschaft von unterschiedlichsten Stadtnutzern<br />

Stadt als Ort über die Zeit hinweg definiert.<br />

Bei näherer Betrachtung fällt auf, dass die Sinnhaftigkeit der Wiederholungen<br />

darauf abzielt, immer wieder jene Codes und Zeichen<br />

zu verwenden, welche geeignet sind, die Einzigartigkeit einer<br />

gewissen Stadt als Ort hervorzuheben um sie unterscheidbar zu<br />

machen gegenüber einer anderen.<br />

Auch wenn das kaum jemanden bewusst ist, so ähnelt diese<br />

Vorgangsweise in gewisser Weise jener, wie sie Feldherren seit<br />

jeher angewendet haben: das Abstecken und Markieren eines an<br />

sich fremden Territoriums als das eigene und in weiterer Folge<br />

natürlich dessen immer währende stete Verteidigung. Hier täte<br />

sich ein <strong>weites</strong> Feld auf um die Frage zu beantworten: wem gehört<br />

die Stadt? Darüber mag jeder und jede der Nutzer und Nutzerinnen<br />

eine eigene Befindlichkeit haben, je nach eigenem Lebensumstand<br />

und dem Grund ihrer Teilnahme. Es ist hier nicht der Ort, diese<br />

Frage weiter zu vertiefen, mir geht es um etwas anderes:<br />

Mir geht es um die Frage: Wo und warum hört Stadt als Ort im<br />

kollektiven Bewusstsein plötzlich irgendwo auf? Jedenfalls scheint<br />

die rein topografische Tatsache einer Stadtgrenze dafür keinen<br />

schlüssigen Parameter zu liefern.<br />

Viele Stadtnutzer werden auch Vororte, speziell wenn sie dort<br />

tatsächlich wohnen oder in Sichtweite gelegene Ausflugsziele und<br />

Aussichtspunkte zu dem, was sie in ihrer Stadt als Ort empfinden,<br />

dazu zählen, selbst wenn sich diese weit ausserhalb der kartografisch<br />

und damit juristisch gelegenen eigentlichen Stadtgrenze befinden.<br />

Speziell in den Bergen, wo seit jeher die Hänge hinauf gebaut<br />

werden konnte und somit der Blick oder um es anders zu formulieren<br />

die Möglichkeit einer vertikalen Horizonterweiterung in der<br />

Natur der Sache liegt.<br />

In jeder Stadt gibt es aber auch innerhalb der juristischen<br />

Stadtgrenze Zonen, bei denen kein Mensch, geschweige denn<br />

eine Imageinstitution wie ein Tourismusverband oder eine Stadtregierung<br />

auf die Idee käme, diese unter einem der offiziellen<br />

Zeichencodes von Stadt als Ort zu subsumieren. Diese Zonen<br />

sind austauschbar. Es sind Orte, die deshalb keine Orte sind,<br />

weil sie sich überall auf der Welt befinden könnten, weil sie keine<br />

Namen haben, keine Geschichte, kein Gesicht. Sie werden, wenn<br />

überhaupt, als Rand wahrgenommen, als lästige notwendige<br />

Durchzugsstrecken, die es zu überwinden gilt, um von einem Ort<br />

zu einem anderen zu gelangen, in Kauf genommen bestenfalls<br />

als flüchtig transitorisch wahrgenommene Erscheinung. Ähnlich<br />

wie Tankstellen und Autobahnraststätten, wo es egal ist, welchen<br />

Namen der Bezirk oder die zugehörige Gemeinde trägt, logistische<br />

Zentren hinter Bahnhöfen und Flughäfen, ja eigentlich Bahnhöfe<br />

und Flughäfen an sich. Internationale Hotels ebenso wie Casinos.<br />

Sie beginnen, sich in ihren Ausstattungen zunehmend auf der ganzen<br />

Welt anzugleichen, sodass dem flüchtigen User durch möglichst<br />

einheitliche Benutzeroberflächen das Switchen zwischen den<br />

Orten erleichtert wird. Er muss nicht wissen wo er ist, er muss nur


die Standards kennen. Kommunikationsmittel dabei sind möglichst<br />

einheitliche Währungen und Kreditkarten und allfällig eine vereinfachte<br />

Sprache, nötigenfalls mit international verständlichen<br />

Bilderzeichen. Diese reduzieren sich dann ohnehin lediglich nur<br />

mehr auf Dinge wie Eingang und Ausgang, Toiletten für Mann,<br />

Frau und Kleinkind oder diverse Verbote wie von Diebstahl,<br />

Hunden oder das Rauchen von Zigaretten. Ansonsten gibt es<br />

keine Notwendigkeit, weitere Identitätsgaranten zu schaffen, diese<br />

würden lediglich zur Verwirrung beitragen und die Abwicklung<br />

derartiger Durchgangsschleusenlogistik – oder besser gesagt:<br />

Schnittstellenmultiplikation – empfindlich stören. Die Entwicklung<br />

zeichnete sich spätestens seit der Erfindung der Eisenbahn schon<br />

lange in der Geschichte ab und ist in Wahrheit nichts als eine logische<br />

Weiterentwicklung im Zuge der sogenannten<br />

Globalisierung und eigentlich ein anschauliches Beispiel für<br />

Zunahme von Geschwindigkeit. Was letztlich eine Folge des<br />

internationalen Waren- und Personenverkehrs ist, davon kann man<br />

sich allerorts überzeugen, dafür gibt es überall urbane Zeugen:<br />

Irgendwo hört ein Ort auf und wird zum Nicht-Ort.<br />

Um auf meine Ausgangsüberlegungen zurück zu kommen,<br />

würde es einem Stadtnutzer einer relativ kleinen Stadt in den<br />

Bergen wie beispielsweise Innsbruck, einfallen, in seine Wahrnehmung<br />

von Stadt als Ort eine Industriezone und die zugehörige<br />

Durchzugsstraße mit ein zu beziehen, selbst wenn sie innerhalb der<br />

Stadtgrenze liegt? Würde er überhaupt an eine Straße denken?<br />

<strong>Milena</strong> <strong>Meller</strong> setzt bei dieser Fragestellung an und untersucht in<br />

ihrem umfangreichen Projekt mit dem Titel „<strong>weites</strong> <strong>feld</strong>“ mit künstlerischen<br />

Mitteln ausgiebig und exemplarisch einen solchen Nicht-<br />

Ort am Rande der Stadt Innsbruck: die Haller Straße. Folgerichtig<br />

steckt sie das Territorium ihrer Feldforschungsarbeit dort ab, wo<br />

die Stadt Innsbruck topologisch aufhört, Stadt als Ort zu sein:<br />

Einerseits nach der letzten (innerstädtischen) Brücke – dort, wo<br />

die Haller Straße anfängt – und andererseits dort, wo die Stadt es<br />

topografisch juristisch tut: an der Stadtgrenze.<br />

Nicht-Orte zeichnet aus, dass niemand dort zu wohnen scheint.<br />

Nicht-Orte haben keine Namen, wollen offenbar auch keine haben,<br />

und Nicht-Orte zeigen sich so konstruiert, dass sie nicht zum<br />

Verweilen einladen. Falls sie Namen haben, sind diese offenbar<br />

beliebig – oder doch nicht?<br />

Dem aufmerksamen Betrachter fällt auf, dass eine selbstbewusste<br />

Stadt wie Innsbruck ihr Selbstbewusstsein offenbar dort<br />

aufhören lässt, wo sie einstmals mit einem, damals durchaus weltbeachteten<br />

Projekt, nämlich dem Bau der Hungerburgbahn 1906<br />

ihren eigenen Endpunkt als Ort markierte. Wie sonst würde sich<br />

erklären, dass sie sich den Namen einer noch gut drei Kilometer<br />

langen Straße bis zur Stadtgrenze nicht sichert, und das, obwohl<br />

ausgerechnet dort wichtige Betriebe wie Mehlmühlen,<br />

Lodenfabriken, Bäckereien und sonstige Lieferanten für den täglichen<br />

Bedarf der Stadt angesiedelt waren und teilweise noch sind,<br />

die nicht zuletzt einträgliche Steuern eintrugen?<br />

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Vielleicht hat das ja auch nur mit der uralten Rivalität der Städte<br />

Innsbruck, Hall und Schwaz zu tun? Salz und Silber gegen eine<br />

Sommeresidenz der Kaiserfamilie? Jedenfalls liess die Stadt<br />

Innsbruck sich selbst als Ort dort enden, wo sie dachte, dass sie<br />

ihren letzten symbolträchtigen Markierungsakt setzen könne: mit<br />

einer technischen Innovation einer der weltweit ersten Standseilbahnen<br />

und einem gemalten Schaupanorama für eine im Weltgeschehen<br />

vergleichsweise kleine Schlacht in den napoleonischen<br />

Kriegen.<br />

Wie auch immer, <strong>Milena</strong> <strong>Meller</strong> klinkt sich mit ihrem Projekt genau<br />

dort ein, wo die Stadt Hall als Ort, dem Namen nach zumindest<br />

offenbar anfängt: nach der letzten innerstädtischen Innbrücke.<br />

Als mich <strong>Milena</strong> <strong>Meller</strong> bat, ihr Projekt theoretisch und textlich<br />

zu begleiten, fiel mir als erstes ein, wie oft ich selbst diese Straße<br />

entlang gefahren bin, jahrelang tagein tagaus von Innsbruck<br />

nach Hall und wieder zurück. Außer ein paar sonderbaren Namen<br />

von Haltestellen, wie „Arbeiterbäckerei“, „Coca Cola Fabrik“ oder<br />

„Grenobler Brücke“, über die ich mich immer gewundert habe,<br />

ist mir von dieser Strecke nichts Nennenswertes nachhaltig in<br />

Erinnerung geblieben. Außer natürlich jene unendliche Zeit, die ich<br />

damit verbringen musste, und um die es mir immer schon schade<br />

war. Wenigstens haben also diese Nicht-Orte doch einen Namen –<br />

zumindest den von Haltestellen – und so könnte man eigentlich den<br />

Namen nachgehen, um ihnen ein Gesicht zu geben. <strong>Milena</strong> <strong>Meller</strong><br />

tut das nicht. Sie erforscht auf andere Weise den Nicht-Ort, um der<br />

Stadt etwas zurückzubringen, was ihr eigentlich gehört: den Rand.<br />

Und sie bringt damit nichts in Unordnung. Genau, diskret,<br />

verantwortungsvoll und mit viel Zeit. Ihre Vorgangsweise ist vielschichtig<br />

und erschliesst sich nicht auf den ersten schnellen Blick.<br />

Es scheint, als hätte sich <strong>Milena</strong> <strong>Meller</strong> vorgenommen, die Zeit<br />

zwischen dem Switchen durch die Orte einfach einzufrieren, um<br />

die Aufmerksamkeit für deren Wahrnehmung aufzubewahren für<br />

einen passenden Augenblick. Einen, den sie künstlerisch akribisch<br />

inszeniert, und einen, von dem sie sich selbst nicht auslässt.<br />

Sie geht oft vor Ort, streunt, unternimmt zwei Jahre lang zu jeder<br />

Tages- und Nacht-, zu jeder Jahreszeit ausgedehnte Streifzüge um<br />

dem Objekt ihrer Forschungsbegierde auf die Schliche zu<br />

kommen, nicht aufdringlich, nein, sie stalkt nicht, sie lässt den<br />

Rand in Ruhe. Sie fotografiert ihn wie er sich darstellt. Poetisch<br />

zwar, mit dem Blick einer Malerin, aber niemals mit der Absicht, zu<br />

stören.<br />

Dem eher flüchtigen und schnellen Akt des Fotografierens lässt<br />

<strong>Milena</strong> <strong>Meller</strong> einen intensiven langsamen Akt der Annäherung an<br />

den Nicht-Ort folgen: Sie malt Ausschnitte der Fotografien<br />

detailgenau auf Leinwand. In einem weiteren Schritt fotografiert sie<br />

diese Malereien ab, lässt davon große Abzüge machen, um diese<br />

wiederum zu übermalen. Auf diese Weise entstehen Arbeiten, die<br />

immer mehr ins Abstrakte übergehen. Die Vorgangsweise selbst<br />

ermöglicht der Künstlerin, dem Gegenstand ihrer Untersuchung<br />

immer noch einen Schritt weit näher zu kommen. Dabei spielen<br />

Parameter wie Schärfe und Unschärfe sowie Nähe und Distanz<br />

eine Rolle. Es geht ihr aber vor allem auch um den Faktor Zeit, um


das Ausreizen verschiedener Untersuchungsgeschwindigkeiten.<br />

Die Ergebnisse der einzelnen Arbeitsschritte entstehen gleichwertig,<br />

gleichzeitig und nebeneinander, sie wollen weder End- noch<br />

Ausgangsprodukt sein, vielmehr sind sie Ausdruck eines Prozesses.<br />

Eines sich jedes Mal aufs Neue und mittels jeweils anderer Methode<br />

an das Thema Herantastens.<br />

<strong>Milena</strong> <strong>Meller</strong> agiert dabei wie eine Schatzgräberin, die das<br />

Geheimnis des Schatzes zwar mit der Akribie einer Forscherin zu<br />

lüften trachtet, dies jedoch nicht mit der Absicht, ihn jemals endgültig<br />

zu bergen. Sie begnügt sich mit einem genauen Blick von<br />

außen, um nicht zuletzt auch für den Betrachter das eigentliche<br />

Geheimnis des Nicht-Ortes offen zu lassen.<br />

Was allerdings auffällt, ist, dass sich in <strong>Milena</strong> <strong>Meller</strong>s Arbeiten<br />

immer wieder kehrende Strukturen finden lassen. Leicht geöffnete<br />

Jalousien, Fenster, Balkone, Stühle und Bänke, Satellitenschüsseln.<br />

Was verbirgt sich hinter den Fenstern, den Jalousien? Spuren<br />

eines doch vielleicht städtischen Wohnens? Doch Spuren einer<br />

Geschichte? Doch zumindest erahnbare Gesichter von Menschen<br />

an einem Nicht- Ort? Spuren eines einstmals blühenden<br />

Industriezeitalters, eines blühenden Handels? Was hat sich hier in<br />

der Vergangenheit abgespielt? Was spielt sich jetzt hier ab? Wird<br />

in den Fabriken noch gearbeitet? Wohnt hier irgendwer? Deuten<br />

teils halb vergilbte Schriften von Firmenschildern darauf hin, dass<br />

die Produktionsstätten schon längst verlassen wurden? Zeugen<br />

sie nur mehr von einer Glanzzeit, als dieser Nicht-Ort noch Stadt-<br />

Ort war. War er es jemals? Wird er es vielleicht einmal sein?<br />

<strong>Milena</strong> <strong>Meller</strong> macht sich auf die Spur.<br />

Ulrike Mair<br />

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<strong>Milena</strong> <strong>Meller</strong><br />

Geboren 1964 in Innsbruck. Ab Jugendalter bildnerische Tätigkeit sowie musikalische Ausbildung (ab 1983 Auftritts- und Unterrichtstätigkeit<br />

als Flötistin).<br />

Ab ca. 1990 kontinuierliche fotografische und malerische Arbeit, Workshops für künstlerische Fotografie im Rahmen vom „Salzburg College“<br />

(bei Roger Palmer und Helen Underwood).<br />

Studium der Musikwissenschaft und Philosophie an der Universität Innsbruck (Diplomarbeit über Zeitgenössische Musik).<br />

Diverse wissenschaftliche und essayistische Veröffentlichungen in Zeitschriften und Büchern hauptsächlich zu Neuer Musik, Kultur und Kunst.<br />

Mitkuratorin der Zeitschrift „Quart“ ab Gründung.<br />

Seit 2009 Mitglied der Tiroler Künstlerschaft.<br />

Ausstellungen<br />

1993 Ein-Tages-Präsentation „projekt fennerkaserne“, privater Kunstraum, Innsbruck<br />

Dez. 2008/Jan. 2009 Einzelausstellung „blasser schimmer“ Galerie Fotoforum West, Innsbruck<br />

Jänner 2010 Einzel-Präsentation „ruhige lage“ im Rahmen v. „open space“, Stadtturmgalerie, Innsbruck<br />

April 2010 Einzelausstellung „klare sicht“, Galerie Sechzig, Feldkirch<br />

Mai 2010 Einzelausstellung „langer gang“, Kunst im Gang, Kath.-Theolog. Fakultät Universität Innsbruck<br />

Nov./Dez 2010 Einzelausstellung „stilles ufer“, Galerie kooio, Innsbruck<br />

Mai 2011 Einzelausstellung „heller tag“,Galerie im Andechshof (Galerie d. Stadt Innsbruck), Innsbruck<br />

Ab Nov. 2011 Fixe Installation eines Komplexes von 12 Bildern als „projekt rupertusplatz“ in Ord. Dr. Kohrgruber, 1170 Wien<br />

Juni 2012 – Mai 2013 Langfristige Installation „verortungen“ in Kanzlei Atzl/Pertl, Wörgl<br />

Oktober 2012 Teilnahme Jubiläumsausstellung Andechsgalerie, Innsbruck, Stadtarchiv Innsbruck<br />

Kataloge Jahresrückblick Tiroler Künstlerschaft 2010<br />

Jahresrückblick Andechsgalerie 2011<br />

20 Jahre Andechsgalerie 2012<br />

Info/Kontakt www.milena-meller.com


Impressum<br />

<strong>Milena</strong> <strong>Meller</strong><br />

<strong>weites</strong> <strong>feld</strong><br />

Innsbruck 2012<br />

Kunst<strong>katalog</strong> im Rahmen des Projektes <strong>weites</strong> <strong>feld</strong><br />

gefördert vom Kulturamt der Stadt Innsbruck im Rahmen von stadt_potenziale 2011<br />

und der Kulturabteilung der Tiroler Landesregierung.<br />

Konzept, Idee, Bilder: <strong>Milena</strong> <strong>Meller</strong><br />

Grafik und Layout: frauklapper<br />

Scans: Stephan Elsler<br />

Text: Ulrike Mair<br />

Druck: Alpina Druck, Innsbruck<br />

Die Inhalte sowie einzelne Elemente sind urheberrechtlich geschützt.<br />

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gefördert von stadt_potenziale 2011<br />

- die Magie des Lichtes Hallerstraße 125a · 6020 Innsbruck<br />

Beratung vor Ort<br />

Visualisierung<br />

Direktverkauf<br />

Sofortversand<br />

www.weihnachtsbeleuchtung.at<br />

Tel: 0512 / 587 587 Fax: - 4<br />

office@weihnachtsbeleuchtung.at


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