07.03.2013 Aufrufe

Werkvertrag Menschenhandel Änderung und Erweiterung der ... - KOK

Werkvertrag Menschenhandel Änderung und Erweiterung der ... - KOK

Werkvertrag Menschenhandel Änderung und Erweiterung der ... - KOK

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

<strong>Werkvertrag</strong><br />

<strong>Menschenhandel</strong><br />

<strong>Än<strong>der</strong>ung</strong> <strong>und</strong> <strong>Erweiterung</strong> <strong>der</strong> Strafrechtsparagraphen<br />

Ergänzte Fassung 20. März 2005<br />

Herausgeberin:<br />

<strong>KOK</strong>- B<strong>und</strong>esweiter Koordinierungskreis gegen Frauenhandel <strong>und</strong> Gewalt an Frauen im<br />

Migrationsprozess e.V.<br />

Kontakt:<br />

Behlertstr. 35<br />

14467 Potsdam<br />

Tel.: 0331 / 280 33 00<br />

Fax: 0331 / 280 33 07<br />

e-mail : office@kok-potsdam.de<br />

Autorin:<br />

Regina Kalthegener<br />

Rechtsanwältin<br />

Albrechts. 11a, 10117 Berlin (Mitte)<br />

kalthegener@t-online


2<br />

Nachfolgend werden die internationalen <strong>und</strong> europäischen Verpflichtungen <strong>und</strong> die<br />

Voraussetzungen für die <strong>Än<strong>der</strong>ung</strong>en <strong>der</strong> Straftatbestände zu <strong>Menschenhandel</strong> im deutschen<br />

Strafgesetzbuch zum 19. Februar 2005 dargestellt. In einer Synopse werden die textlichen<br />

<strong>Än<strong>der</strong>ung</strong>en <strong>der</strong> alten <strong>und</strong> <strong>der</strong> neuen Strafrechtsparagraphen gegenübergestellt. Einzelaspekte<br />

<strong>der</strong> Strafrechtsreform werden dargestellt, die sowohl für potentielle Opferzeuginnen <strong>und</strong> –<br />

zeugen, wie auch bei <strong>der</strong> Strafverfolgung von Bedeutung sind.<br />

Bezüglich <strong>der</strong> Diskussion innerhalb des <strong>KOK</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Ergebnisse verweise ich<br />

insbeson<strong>der</strong>e auf die ausführliche Stellungnahme des <strong>KOK</strong> vom 22. Juni 2004, die von<br />

Nivedita Prasad in Rücksprache mit den Mitgliedsorganisationen erstellt wurde <strong>und</strong> allen<br />

vorliegt bzw. in <strong>der</strong> Geschäftsstelle des <strong>KOK</strong> noch angefor<strong>der</strong>t werden können müsste.<br />

Gr<strong>und</strong> <strong>der</strong> Strafrechtsän<strong>der</strong>ung<br />

Am 19. Februar 2005 trat das „Sieben<strong>und</strong>dreißigstes Strafrechtsän<strong>der</strong>ungsgesetz - §§ 180b,<br />

181 StGB – (37. StrÄndG) vom 11. Februar 2005 (BGBl. I v. 18.02.2005, S. 239-241) in<br />

Kraft (Artikel 4 des Gesetzes).<br />

Der B<strong>und</strong>estag stimmte bereits am 28. Oktober 2004 im breiten Konsens den <strong>Än<strong>der</strong>ung</strong>en des<br />

Strafgesetzbuches zu, mit denen <strong>der</strong> <strong>Menschenhandel</strong> effektiver bekämpft werden soll.<br />

Ziel <strong>der</strong> <strong>Än<strong>der</strong>ung</strong>en ist es, die Täter härter zu bestrafen <strong>und</strong> die Opfer besser zu beschützen,<br />

so B<strong>und</strong>esjustizministerin Brigitte Zypries. „Es ist nicht nur strafbar, Menschen in die<br />

Prostitution zu treiben, son<strong>der</strong>n auch, sie in Peep-Shows o<strong>der</strong> für pornographische<br />

Darstellungen unwürdig auszunutzen. Die heute schon strafbare Zwangsverheiratung wird<br />

zukünftig als beson<strong>der</strong>s schwerer Fall <strong>der</strong> Nötigung bestraft“ (aus <strong>der</strong> Pressemitteilung des<br />

BMJ vom 19.02.2005). Laut BMJ sollen zudem die neuen Regelungen übersichtlicher sein als<br />

die alten <strong>und</strong> umfassen<strong>der</strong> als bislang den <strong>Menschenhandel</strong> bestrafen, <strong>der</strong> die Ausbeutung <strong>der</strong><br />

Arbeitskraft verfolgt. Für Opfer von <strong>Menschenhandel</strong> sei es nun einfacher, Strafanzeige<br />

gegen ihre Peiniger zu erstatten. Strafrechtliche Ermittlungen, die sich auf mögliche<br />

auslän<strong>der</strong>rechtliche Verstöße des Opfers selbst beziehen, könnten leichter als bisher<br />

eingestellt werden. „Nun kommt es darauf an“, so B<strong>und</strong>esjustizministerin Zypries, „das neue<br />

rechtliche Instrumentarium auch in <strong>der</strong> Praxis zur Bekämpfung des <strong>Menschenhandel</strong>s<br />

wirkungsvoll einzusetzen.“


Mit den <strong>Än<strong>der</strong>ung</strong>en <strong>der</strong> bisherigen Straftatbestände zu <strong>Menschenhandel</strong> (§ 180b<br />

<strong>Menschenhandel</strong> <strong>und</strong> § 181 Schwerer <strong>Menschenhandel</strong>) <strong>und</strong> weiterer, damit im<br />

Zusammenhang stehen<strong>der</strong> redaktioneller <strong>Än<strong>der</strong>ung</strong>en von Paragraphen des StGB <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Strafprozessordnung (StPO) setzt Deutschland seine Verpflichtungen aus internationalen<br />

Übereinkommen auf UN- <strong>und</strong> EU- Ebene um. Die erweiterte strafrechtliche Definition des<br />

<strong>Menschenhandel</strong>s basiert auf<br />

3<br />

1. <strong>der</strong> Vereinbarung im Zusatzprotokoll zur Verhütung, Bekämpfung <strong>und</strong> Bestrafung des<br />

<strong>Menschenhandel</strong>s, insbeson<strong>der</strong>e des Frauen- <strong>und</strong> Kin<strong>der</strong>handels (sog. „Palermo-<br />

Protokoll“) zum Übereinkommen <strong>der</strong> Vereinten Nationen gegen die<br />

grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, das die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland<br />

im Dezember 2000 gezeichnet hat, <strong>und</strong><br />

2. dem Rahmenbeschluss des Rates <strong>der</strong> Europäischen Union vom 19. Juli 2002 zur<br />

Bekämpfung des <strong>Menschenhandel</strong>s (ABl. L 203 vom 1. August 2002, S.1), <strong>der</strong> am<br />

1. August 2002 in Kraft trat.<br />

<strong>Menschenhandel</strong>: UN-Definition im EU-Rahmenbeschluss<br />

Der EU-Rahmenbeschluss, den Deutschland mit dem 37. StrÄndG umsetzt, knüpft an die<br />

Begriffsbestimmung des <strong>Menschenhandel</strong>s in Artikel 3 Buchstabe a des UN Zusatzprotokolls<br />

an, wonach <strong>Menschenhandel</strong> definiert ist als<br />

die Anwerbung, Beför<strong>der</strong>ung, Verbringung,<br />

Beherbergung o<strong>der</strong> den Empfang von Personen<br />

durch Androhung o<strong>der</strong> Anwendung von Gewalt<br />

o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Formen <strong>der</strong> Nötigung,<br />

durch Entführung, Betrug, Täuschung, Missbrauch<br />

von Macht o<strong>der</strong> Ausnutzung beson<strong>der</strong>er Hilflosigkeit, o<strong>der</strong><br />

durch Gewährung o<strong>der</strong> Entgegennahme von Zahlungen o<strong>der</strong> Vorteilen,


um das Einverständnis einer Person zu erlangen,<br />

die Gewalt über eine an<strong>der</strong>e Person hat,<br />

zum Zweck <strong>der</strong> Ausbeutung.<br />

4<br />

Ausbeutung umfasst mindestens die Ausnutzung <strong>der</strong> Prostitution o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>er Formen<br />

sexueller Ausbeutung, Zwangsarbeit o<strong>der</strong> Zwangsdienstbarkeit, Sklaverei o<strong>der</strong><br />

sklavenähnliche Praktiken, Leibeigenschaft o<strong>der</strong> Entnahme von Körperorganen.<br />

Artikel 5 Nr. 1 des UN-Zusatzprotokolls verpflichtet jeden Vertragsstaat, die vorgenannten<br />

Handlungen, wenn sie vorsätzlich begangen werden, unter Strafe zu stellen. Die konkrete<br />

textliche Umsetzung in nationales Strafrecht bleibt den Vertragsstaaten vorbehalten.<br />

Bis zum 1. April 2004 sollte das deutsche Strafrecht entsprechend angepasst werden. Das<br />

Gesetzgebungsverfahren dauerte länger <strong>und</strong> konnte erst mit dem 37. StrÄndG vom<br />

11. Februar 2005 abgeschlossen werden. Die neuen Regelungen traten am Tag nach <strong>der</strong><br />

Verkündung im B<strong>und</strong>esgesetzblatt in Kraft. Sie gelten seit dem 19. Februar 2005.<br />

Zusammenfassen<strong>der</strong> Begriff „<strong>Menschenhandel</strong>“<br />

Obwohl das deutsche Strafgesetzbuch bisher schon eine Vielzahl von Strafvorschriften<br />

enthielt unter denen Handlungen nach <strong>der</strong> oben genannten Definition strafbar waren, handelte<br />

es sich sprachlich <strong>und</strong> nach ihrer systematischen Einordnung im Strafgesetz nicht um<br />

Tatbestände des <strong>Menschenhandel</strong>s. Es waren an<strong>der</strong>e Delikte. Das hatte Auswirkungen auf die<br />

polizeilichen Statistiken, so auch auf das jährlich veröffentlichte Lagebild <strong>Menschenhandel</strong><br />

vom B<strong>und</strong>eskriminalamt <strong>und</strong> auf die Statistiken <strong>der</strong> Gerichte in den B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n. Bestand<br />

ein Anfangsverdacht von <strong>Menschenhandel</strong>, konnte es wegen <strong>der</strong> Beweislage letztlich zu einer<br />

Verurteilung wegen an<strong>der</strong>er Delikte kommen, wie zum Beispiel Einschleusen von Auslän<strong>der</strong>n<br />

gemäß § 92a Auslän<strong>der</strong>gesetz (AuslG), sexuelle Nötigung, Vergewaltigung gemäß § 177<br />

StGB, Ausbeutung von Prostituierten gemäß § 180 a StGB o<strong>der</strong> Zuhälterei gemäß § 181 a<br />

StGB. Deshalb kam in <strong>der</strong> Gerichtsstatistik die Verurteilung wegen <strong>Menschenhandel</strong> gemäß<br />

§ 180b o<strong>der</strong> § 181 StGB relativ selten vor. Damit aber <strong>der</strong> Unrechtsgehalt von<br />

<strong>Menschenhandel</strong> <strong>und</strong> das Ausmaß in Deutschland deutlicher sichtbar werden, wurden die


5<br />

einzelnen Strafvorschriften so weit wie möglich unter dem Begriff „<strong>Menschenhandel</strong>“<br />

zusammengefasst. Nach kontroverser politischer Diskussion während des<br />

Gesetzgebungsverfahrens einigte sich das Parlament auf eine Zweiteilung <strong>der</strong> Straftatbestände<br />

in „<strong>Menschenhandel</strong> zum Zweck <strong>der</strong> sexuellen Ausbeutung“ <strong>und</strong> „<strong>Menschenhandel</strong> zum<br />

Zweck <strong>der</strong> Ausbeutung <strong>der</strong> Arbeitskraft“. Gegner/innen <strong>der</strong> Zweiteilung sahen die<br />

Straflosigkeit von Prostitution als gefährdet an <strong>und</strong> verwiesen auf Artikel 3 des UN-<br />

Zusatzprotokolls, in dem alle Formen von <strong>Menschenhandel</strong> in einem Zusammenhang erwähnt<br />

werden. Letztlich führte die Diskussion zu dem Ergebnis, dass die bisherigen §§ 180b, 181<br />

StGB in dem neuen § 232 StGB als Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Qualifikationstatbestand aufgehen <strong>und</strong> die<br />

weiteren, nach dem EU-Rahmenbeschluss als <strong>Menschenhandel</strong> deklarierten Handlungen unter<br />

die neu eingefügten §§ 233 (Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Qualifikationstatbestand), 233a StGB (neuer<br />

Tatbestand <strong>der</strong> För<strong>der</strong>ung von <strong>Menschenhandel</strong>) gefasst wurden. Die jeweiligen<br />

Qualifikationstatbestände, § 232 Abs. 3 <strong>und</strong> § 233 Abs. 3 StGB, die erfüllt sind, wenn z.B.<br />

das Opfer noch ein Kind ist o<strong>der</strong> schwer misshandelt wurde o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Täter gewerbsmäßig<br />

handelte, machen mit ihrer Einstufung als Verbrechen den beson<strong>der</strong>en Unrechts- <strong>und</strong><br />

Schuldgehalt <strong>der</strong> Taten deutlich.<br />

Strafrechtliche Begriffe<br />

Ein Opfer im strafrechtlichen Sinn ist eine Person, an <strong>der</strong> ein Vergehen o<strong>der</strong> ein Verbrechen<br />

verübt wurde. Opfer von <strong>Menschenhandel</strong> können Menschen sein ohne Unterscheidung nach<br />

Frau o<strong>der</strong> Mann, Deutsche o<strong>der</strong> Nichtdeutsche.<br />

Verbrechen sind rechtswidrige Taten, die im Mindestmaß mit Freiheitsstrafe von einem Jahr<br />

o<strong>der</strong> darüber bedroht sind (§ 12 Abs. 1 StGB). Dagegen sind sog. Vergehen rechtwidrige<br />

Taten, die im Mindestmaß mit einer geringen Freiheitsstrafe o<strong>der</strong> mit Geldstrafe bedroht sind<br />

(§ 12 Abs. 2 StGB).<br />

Systematik <strong>der</strong> neuen Regelungen<br />

Die bisherigen Straftatbestände des <strong>Menschenhandel</strong>s, §§ 180b, 181 StGB, standen im<br />

13. Abschnitt des Beson<strong>der</strong>en Teils des StGB als „Straftaten gegen die sexuelle<br />

Selbstbestimmung“. Schutzzweck war ausschließlich die sexuelle Selbstbestimmung des


6<br />

Menschen, d.h. die Freiheit <strong>der</strong> Person über Ort, Zeit, Form <strong>und</strong> Partner sexueller Betätigung<br />

frei zu entscheiden. Nach den internationalen Vereinbarungen musste <strong>der</strong> weiter gefasste<br />

Tatbestandsrahmen des <strong>Menschenhandel</strong>s berücksichtigt werden. Es sollte nicht mehr nur die<br />

zwangsweise Zuführung in die Prostitution bestraft werden, son<strong>der</strong>n auch Straftaten, die über<br />

die Verletzung des sexuellen Selbstbestimmungsrechts hinaus die Einschränkung <strong>der</strong><br />

persönlichen Freiheit betreffen. Deshalb beschloss <strong>der</strong> B<strong>und</strong>estag eine an<strong>der</strong>e systematische<br />

Zuordnung unter den 18. Abschnitt des Beson<strong>der</strong>en Teils des Strafgesetzbuches zu den<br />

„Straftaten gegen die persönliche Freiheit“. Rechtsgut ist nunmehr die persönliche Freiheit.<br />

Dies ist nach einer juristischen Definition (vgl. Tröndle/Fischer Kommentar zum StGB, 18.<br />

Abschnitt, § 234 StGB, Rn. 2) <strong>der</strong> „Zustand eines Menschen, in dem er seine natürliche<br />

Fähigkeit zur Selbstbestimmung körperlich ungehin<strong>der</strong>t zur Geltung bringen kann.“ Diese<br />

Definition ist viel weiter, als die juristische <strong>der</strong> sexuellen Selbstbestimmung, d.h. die Freiheit,<br />

über Ort, Zeit, Form <strong>und</strong> Partner sexueller Betätigung frei zu entscheiden.<br />

Die persönliche Freiheit soll mit den nachfolgenden Straftatbeständen geschützt werden soll:<br />

§ 232 StGB <strong>Menschenhandel</strong> zum Zweck <strong>der</strong> sexuellen Ausbeutung<br />

§ 233 StGB <strong>Menschenhandel</strong> zum Zweck <strong>der</strong> Ausbeutung <strong>der</strong> Arbeitskraft<br />

§ 233a StGB För<strong>der</strong>ung des <strong>Menschenhandel</strong>s<br />

§ 233b StGB Führungsaufsicht, Erweiterter Verfall.<br />

§ 240 Abs. 1 Nr. 1 n.F. StGB Nötigung zur Eheschließung (Zwangsheirat)<br />

<strong>Erweiterung</strong> <strong>der</strong> Definition des <strong>Menschenhandel</strong>s um<br />

Sklaverei, Leibeigenschaft <strong>und</strong> Schuldknechtschaft<br />

In § 233 Absatz 1 n.F. StGB wurden tatbestandlich neu die Begriffe „Sklaverei“,<br />

„Leibeigenschaft“ <strong>und</strong> „Schuldknechtschaft“ aufgenommen. Diese Begriffe werden nach dem<br />

UN-Zusatzübereinkommen über die Abschaffung <strong>der</strong> Sklaverei, des Sklavenhandels <strong>und</strong><br />

sklavereiähnlicher Einrichtungen <strong>und</strong> Praktiken (vom 7. September 1956 BGBl. 1958 II S.<br />

205) wie folgt definiert:


7<br />

Sklaverei ist die Rechtsstellung o<strong>der</strong> Lage einer Person, an <strong>der</strong> einzelne o<strong>der</strong> alle <strong>der</strong> mit dem<br />

Eigentumsrecht verb<strong>und</strong>enen Befugnisse ausgeübt werden, <strong>und</strong> Sklave eine Person in einer<br />

solchen Lage o<strong>der</strong> Rechtsstellung (Art. 7 Buchst. A des Zusatzübereinkommens).<br />

Das bedeutet, ein Mensch wird wie ein Gegenstand, wie Ware, wie ein Tier von einer Person,<br />

die sich wie ein Eigentümer dieses Menschen verhält, verkauft <strong>und</strong> von einer an<strong>der</strong>en Person<br />

gekauft.<br />

Schuldknechtschaft ist eine Rechtsstellung o<strong>der</strong> eine Lage, die dadurch entsteht, dass ein<br />

Schuldner als Sicherheit für eine Schuld seine persönlichen Dienstleistungen o<strong>der</strong> diejenigen<br />

einer seiner Kontrolle unterstehenden Person verpfändet, wenn <strong>der</strong> in angemessener Weise<br />

festgesetzte Wert dieser Dienstleistung nicht zur Tilgung <strong>der</strong> Schuld dient, o<strong>der</strong> wenn diese<br />

Dienstleistungen nicht sowohl nach ihrer Dauer wie auch nach ihrer Art begrenzt <strong>und</strong><br />

bestimmt sind (Art. 1 Buchst. a des Zusatzübereinkommens).<br />

Schuldknechtschaft kann zum Beispiel vorliegen, wenn eine Person nach Deutschland<br />

verbracht wird <strong>und</strong> sie eine willkürlich festgesetzte Summe für Visa, Fahrtkosten <strong>und</strong><br />

Unterbringung durch sexuelle o<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e Dienstleistungen abbezahlen soll, aber nie<br />

abbezahlen kann, da die Summe willkürlich immer wie<strong>der</strong> von dem „Gläubiger“ erhöht wird<br />

(z.B. kurzfristig weiter steigende Unterkunftspreise) <strong>und</strong> somit eine Tilgung nicht möglich ist.<br />

Leibeigenschaft ist die Lage o<strong>der</strong> Rechtsstellung eines Pächters, <strong>der</strong> durch Gesetz,<br />

Gewohnheitsrecht o<strong>der</strong> Vereinbarung verpflichtet ist, auf einem einer an<strong>der</strong>en Person<br />

gehörenden Gr<strong>und</strong>stück zu leben <strong>und</strong> zu arbeiten <strong>und</strong> dieser Person bestimmte entgeltliche<br />

o<strong>der</strong> unentgeltliche Dienste zu leisten, ohne seine Rechtsstellung selbständig än<strong>der</strong>n zu<br />

können (Art. 1 Buchst. b des Zusatzübereinkommens). Das bedeutet, mit dem Ertrag <strong>der</strong><br />

Arbeit aus dem gepachteten Gr<strong>und</strong>besitz kann dieser nicht gekauft werden. Der Ertrag reicht<br />

regelmäßig nicht aus, sich aus dem Verpflichtungsverhältnis freizukaufen. Je nach<br />

Rechtssituation ist eine Loslösung von dem Verpflichtungsverhältnis auch überhaupt nicht<br />

vorgesehen, so dass Pächterfamilien bereits seit Generationen in Leibeigenschaft leben.<br />

Zwangsheirat<br />

Die Nötigung zur Eingehung <strong>der</strong> Ehe, auch Zwangsheirat genannt, ist nunmehr gemäß § 240<br />

Abs. 4 Nr. 1 StGB strafbar. Der Tatbestand <strong>der</strong> Nötigung wurde um eine entsprechende


8<br />

Regelung erweitert. Es liegt ein beson<strong>der</strong>s schwerer Fall <strong>der</strong> Nötigung vor, wenn eine Person<br />

zu einer sexuellen Handlung „o<strong>der</strong> zur Eingehung <strong>der</strong> Ehe“ genötigt wird. Strafbar ist auch<br />

<strong>der</strong> Versuch <strong>der</strong> Zwangsverheiratung. Obwohl diese Regelung nun in Kraft ist, mehren sich in<br />

<strong>der</strong> politischen Diskussion die Stimmen, die einen beson<strong>der</strong>en Straftatbestand als Signal<br />

gegen Zwangsverheiratung for<strong>der</strong>n. Das B<strong>und</strong>esland Baden-Württemberg hat im Oktober<br />

2004 beim B<strong>und</strong>esrat den Entwurf eines Zwangsheirats-Bekämpfungsgesetzes eingebracht.<br />

Es sieht ausdrücklich strafrechtliche Regelungen zur Zwangsverheiratung sowie verschiedene<br />

<strong>Än<strong>der</strong>ung</strong>en zur zivilrechtlichen Aufhebung von Zwangsehen vor. Das B<strong>und</strong>esland Berlin<br />

unterstützt die Initiative.<br />

Ausbeutung statt Vermögensvorteil<br />

Im Gr<strong>und</strong>tatbestand <strong>der</strong> §§ 232 Abs. 1, 233 Abs. 1 StGB wurde auf das Tatbestandsmerkmal<br />

„seines Vermögensvorteils wegen“ (bisher in § 180b Abs. 1 StGB) verzichtet. Der Nachweis<br />

des Vermögensvorteils war häufig in Strafprozessen in objektiver <strong>und</strong> subjektiver Hinsicht<br />

(Wissen <strong>und</strong> Wollen des Täters) nur schwer zu erbringen. Konnte aber <strong>der</strong> Nachweis nicht<br />

erbracht werden, lag zumindest kein <strong>Menschenhandel</strong> vor. Mit Wegfall des<br />

Tatbestandsmerkmals erhöht sich die Chance <strong>der</strong> Verurteilung von Tätern wegen<br />

<strong>Menschenhandel</strong>. Alternativ zu dem bisherigen Tatbestandsmerkmal des Vermögensvorteils<br />

wurde jetzt ein an<strong>der</strong>es, opferbezogenes eingefügt. Es muss eine Handlung sein, durch die das<br />

Opfer „ausgebeutet“ wird. Der Begriff <strong>der</strong> Ausbeutung ist hier im Sinne einer wirtschaftlichen<br />

Ausbeutung zu verstehen, wie sie bereits in an<strong>der</strong>em Zusammenhang (§ 291 StGB, Wucher)<br />

nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH 11, 187) definiert wurde. Es handelt sich um<br />

das bewusste, missbräuchliche Nutzen <strong>der</strong> Schwächesituation des Opfers zur Erlangung<br />

übermäßiger Vorteile. Dies kann schon gegeben sein, wenn Leistung <strong>und</strong> Gegenleistung in<br />

einem krassen Missverhältnis stehen. Im Gesetzgebungsverfahren wurde dabei in erster Linie<br />

an sexuelle Handlungen zur Herstellung pornographischer Schriften gedacht, die Ausbeutung<br />

von Frauen in Peep-Shows o<strong>der</strong> beim so genannten Heiratshandel. Weitere<br />

Fallkonstellationen sind denkbar, zum Beispiel die Ausbeutung von Reinigungskräften o<strong>der</strong><br />

Haushaltshilfen.


9<br />

Weitere notwendige textliche Anpassungen<br />

Im Zuge <strong>der</strong> <strong>Än<strong>der</strong>ung</strong>en wurden textlich verschiedene Paragraphen redaktionell angepasst<br />

(u.a. §§ 6 Nr. 4, 126 Abs. 1 Nr. 4, 138 Abs. 1, 140 StGB), sowie einige Regelungen in <strong>der</strong><br />

Strafprozessordnung (StPO) <strong>und</strong> in an<strong>der</strong>en Gesetzen. Dies bedeutet, wo auf die bisherigen<br />

§§ 180b, 181 StGB für <strong>Menschenhandel</strong> Bezug genommen wurde, stehen jetzt die neuen<br />

§§ 232 ff. StGB.<br />

Synopse Straftatbestände <strong>Menschenhandel</strong><br />

Fassung gültig bis 18.02.2005 Regelungen gültig seit 19.2.2005<br />

§ 180b<br />

<strong>Menschenhandel</strong><br />

(1) Wer auf eine an<strong>der</strong>e Person seines<br />

Vermögensvorteils wegen einwirkt, um sie in<br />

Kenntnis einer Zwangslage<br />

zur Aufnahme o<strong>der</strong> Fortsetzung <strong>der</strong> Prostitution<br />

zu bestimmen,<br />

wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren o<strong>der</strong><br />

mit Geldstrafe bestraft.<br />

Ebenso wird bestraft, wer auf eine an<strong>der</strong>e Person<br />

seines Vermögensvorteils wegen einwirkt,<br />

um sie in Kenntnis <strong>der</strong> Hilflosigkeit, die mit ihrem<br />

Aufenthalt in einem fremden Land verb<strong>und</strong>en ist,<br />

zu sexuellen Handlungen zu bringen, die sie an<br />

o<strong>der</strong> vor einer dritten Person vornehmen o<strong>der</strong> von<br />

einer dritten Person an sich vornehmen lassen soll.<br />

(2) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu<br />

zehn Jahren wird bestraft, wer<br />

1. auf eine an<strong>der</strong>e Person in Kenntnis <strong>der</strong><br />

Gr<strong>und</strong>tatbestand:<br />

§ 232<br />

<strong>Menschenhandel</strong> zum Zweck <strong>der</strong><br />

sexuellen Ausbeutung<br />

(1) Wer eine an<strong>der</strong>e Person unter Ausnutzung<br />

einer Zwangslage o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Hilflosigkeit, die<br />

mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land<br />

verb<strong>und</strong>en ist,<br />

zur Aufnahme o<strong>der</strong> Fortsetzung <strong>der</strong><br />

Prostitution o<strong>der</strong> dazu bringt, sexuelle<br />

Handlungen, durch die sie ausgebeutet wird,<br />

an o<strong>der</strong> vor dem Täter o<strong>der</strong> einem Dritten<br />

vorzunehmen o<strong>der</strong> von dem Täter o<strong>der</strong> einem<br />

Dritten an sich vornehmen zu lassen,<br />

wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten<br />

bis zu zehn Jahren bestraft.<br />

Ebenso wird bestraft, wer eine Person unter<br />

ein<strong>und</strong>zwanzig Jahren zur Aufnahme o<strong>der</strong><br />

Fortsetzung <strong>der</strong> Prostitution o<strong>der</strong> zu den sonst<br />

in Satz 1 bezeichneten sexuellen Handlungen<br />

bringt.


Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in<br />

einem fremden Land verb<strong>und</strong>en ist, o<strong>der</strong><br />

2. auf eine Person unter ein<strong>und</strong>zwanzig<br />

Jahren<br />

einwirkt, um sie zur Aufnahme o<strong>der</strong> Fortsetzung<br />

<strong>der</strong> Prostitution zu bestimmen, o<strong>der</strong> sie dazu<br />

bringt, diese aufzunehmen o<strong>der</strong> fortzusetzen.<br />

(3) In den Fällen des Absatzes 2 ist <strong>der</strong> Versuch<br />

strafbar.<br />

§ 181<br />

Schwerer <strong>Menschenhandel</strong><br />

(1) Wer eine an<strong>der</strong>e Person<br />

1. mit Gewalt, durch Drohung mit einem<br />

empfindlichen Übel o<strong>der</strong> durch List zur<br />

Aufnahme o<strong>der</strong> Fortsetzung <strong>der</strong><br />

Prostitution bestimmt,<br />

2. durch List anwirbt o<strong>der</strong> gegen ihren<br />

Willen mit Gewalt, durch Drohung mit<br />

einem empfindlichen Übel o<strong>der</strong> durch<br />

Liste entführt, um sie in Kenntnis <strong>der</strong><br />

Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in<br />

einem fremden Land verb<strong>und</strong>en ist, zu<br />

sexuellen Handlungen zu bringen, die sie<br />

an o<strong>der</strong> vor einer dritten Person<br />

vornehmen o<strong>der</strong> von einer dritten Person<br />

an sich vornehmen lassen soll, o<strong>der</strong><br />

3. gewerbsmäßig anwirbt, um sie in<br />

Kenntnis <strong>der</strong> Hilflosigkeit, die mit ihrem<br />

Aufenthalt in einem fremden Land<br />

verb<strong>und</strong>en ist, zur Aufnahme o<strong>der</strong><br />

Fortsetzung <strong>der</strong> Prostitution zu<br />

bestimmen,<br />

10<br />

(2) Der Versucht ist strafbar.<br />

Qualifikationstatbestand<br />

(3) Auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu<br />

zehn Jahren ist zu erkennen, wenn<br />

1. das Opfer <strong>der</strong> Tat ein Kind (§ 176 Abs. 1)<br />

ist,<br />

2. <strong>der</strong> Täter das Opfer bei <strong>der</strong> Tat körperlich<br />

schwer misshandelt o<strong>der</strong> durch die Tat in<br />

die Gefahr des Todes bringt o<strong>der</strong><br />

3. <strong>der</strong> Täter die Tat gewerbsmäßig o<strong>der</strong> als<br />

Mitglied einer Bande, die sich zur<br />

fortgesetzten Begehung solcher Taten<br />

verb<strong>und</strong>en hat, begeht.<br />

(4) Nach Absatz 3 wird auch bestraft, wer<br />

1. eine an<strong>der</strong>e Person mit Gewalt, durch<br />

Drohung mit einem empfindlichen Übel<br />

o<strong>der</strong> durch List zur Aufnahme o<strong>der</strong><br />

Fortsetzung <strong>der</strong> Prostitution o<strong>der</strong> zu den<br />

sonst in Absatz 1 Satz 1 bezeichneten<br />

sexuellen Handlungen bringt o<strong>der</strong><br />

2. sich einer an<strong>der</strong>en Person mit Gewalt,<br />

durch Drohung mit einem empfindlichen<br />

Übel o<strong>der</strong> durch List bemächtigt, um sie<br />

zur Aufnahme o<strong>der</strong> Fortsetzung <strong>der</strong>


wird mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu<br />

zehn Jahren bestraft.<br />

(2) In min<strong>der</strong> schweren Fällen ist die Strafe<br />

Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf<br />

Jahren.<br />

(wie bisher)<br />

§ 181 a Zuhälterei<br />

11<br />

Prostitution o<strong>der</strong> zu den sonst in Absatz 1<br />

Satz 1 bezeichneten sexuellen<br />

Handlungen zu bringen.<br />

(5) In min<strong>der</strong> schweren Fällen des Absatzes 1<br />

ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu<br />

fünf Jahren,<br />

in min<strong>der</strong> schweren Fällen <strong>der</strong> Absätze 3 <strong>und</strong><br />

4 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis<br />

zu fünf Jahren zu erkennen.<br />

(Gr<strong>und</strong>tatbestand):<br />

§ 233<br />

<strong>Menschenhandel</strong> zum Zweck<br />

<strong>der</strong> Ausbeutung <strong>der</strong> Arbeitskraft<br />

(1) Wer eine an<strong>der</strong>e Person unter Ausnutzung<br />

einer Zwangslage o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Hilflosigkeit, die mit<br />

ihrem Aufenthalt in einem fremden Land<br />

verb<strong>und</strong>en ist,<br />

in Sklaverei, Leibeigenschaft o<strong>der</strong><br />

Schuldknechtschaft o<strong>der</strong> zur Aufnahme o<strong>der</strong><br />

Fortsetzung einer Beschäftigung bei ihm o<strong>der</strong><br />

einem Dritten zu Arbeitsbedingungen, die in<br />

einem auffälligen Missverhältnis zu den<br />

Arbeitsbedingungen an<strong>der</strong>er Arbeitnehmerinnen<br />

o<strong>der</strong> Arbeitnehmer stehen, welche die gleiche<br />

o<strong>der</strong> eine vergleichbare Tätigkeit ausüben, bringt,<br />

wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu<br />

zehn Jahren bestraft.<br />

Ebenso wird bestraft, wer eine Person unter<br />

ein<strong>und</strong>zwanzig Jahren in Sklaverei,<br />

Leibeigenschaft o<strong>der</strong> Schuldknechtschaft o<strong>der</strong> zur


12<br />

Aufnahme o<strong>der</strong> Fortsetzung einer in Satz 1<br />

bezeichneten Beschäftigung bringt.<br />

(2) Der Versuch ist strafbar.<br />

Qualifikationstatbestand:<br />

(3) § 232 Abs. 3 bis 5 gilt entsprechend.<br />

§ 233a<br />

För<strong>der</strong>ung des <strong>Menschenhandel</strong>s<br />

(1) Wer einem <strong>Menschenhandel</strong> nach § 232 o<strong>der</strong><br />

§ 233 Vorschub leistet, in dem er eine an<strong>der</strong>e<br />

Person anwirbt, beför<strong>der</strong>t, weitergibt, beherbergt<br />

o<strong>der</strong> aufnimmt,<br />

wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu<br />

fünf Jahren bestraft.<br />

(2) Auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu<br />

zehn Jahren ist zu erkennen, wenn<br />

1. das Opfer <strong>der</strong> Tat ein Kind<br />

(§ 176 Abs. 1) ist,<br />

2. <strong>der</strong> Täter das Opfer bei <strong>der</strong> Tat körperlich<br />

schwer misshandelt o<strong>der</strong> durch die Tat in<br />

die Gefahr des Todes bringt o<strong>der</strong><br />

3. <strong>der</strong> Täter die Tat mit Gewalt o<strong>der</strong> durch<br />

Drohung mit einem empfindlichen Übel<br />

o<strong>der</strong> gewerbsmäßig o<strong>der</strong> als Mitglied<br />

einer Bande, die sich zur fortgesetzten<br />

Begehung solcher Taten verb<strong>und</strong>en hat,<br />

begeht.<br />

(3) Der Versuch ist strafbar.


§ 234<br />

Menschenraub<br />

(1) Wer sich eines Menschen mit Gewalt, durch<br />

Drohung mit einem empfindlichen Übel o<strong>der</strong><br />

durch List bemächtigt, um ihn in hilfloser Lage<br />

auszusetzen, in Sklaverei o<strong>der</strong> Leibeigenschaft zu<br />

bringen o<strong>der</strong> dem Dienst in einer militärischen<br />

o<strong>der</strong> militärähnlichen Einrichtung im Ausland<br />

zuzuführen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter<br />

einem Jahr bestraft.<br />

(2) In min<strong>der</strong> schweren Fällen ist die<br />

Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf<br />

Jahren.<br />

§ 240<br />

Nötigung<br />

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt<br />

o<strong>der</strong> durch Drohung mit einem empfindlichen<br />

Übel zu einer Handlung, Duldung o<strong>der</strong><br />

13<br />

§ 233b<br />

Führungsaufsicht, Erweiterter Verfall<br />

(1) In den Fällen <strong>der</strong> §§ 232 bis § 233a kann das<br />

Gericht Führungsaufsicht anordnen (§ 68 Abs. 1).<br />

(2) In den Fällen <strong>der</strong> §§ 232 bis § 233a ist § 73d<br />

anzuwenden, wenn <strong>der</strong> Täter gewerbsmäßig o<strong>der</strong><br />

als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur<br />

fortgesetzten Begehung solcher Taten verb<strong>und</strong>en<br />

hat.<br />

§ 234<br />

Menschenraub<br />

(1) Wer sich einer an<strong>der</strong>en Person mit Gewalt,<br />

durch Drohung mit einem empfindlichen Übel<br />

o<strong>der</strong> durch List bemächtigt, um sie in hilfloser<br />

Lage auszusetzen o<strong>der</strong><br />

dem Dienst in einer militärischen o<strong>der</strong><br />

militärähnlichen Einrichtung im Ausland<br />

zuzuführen, wird mit Freiheitsstrafe von einem<br />

Jahr bis zu zehn Jahren bestraft.<br />

(2) In min<strong>der</strong> schweren Fällen ist die Strafe<br />

Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf<br />

Jahren.<br />

§ 240<br />

Nötigung<br />

(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt<br />

o<strong>der</strong> durch Drohung mit einem empfindlichen<br />

Übel zu einer Handlung, Duldung o<strong>der</strong>


Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis<br />

zu drei Jahren o<strong>der</strong> mit Geldstrafe bestraft.<br />

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung<br />

<strong>der</strong> Gewalt o<strong>der</strong> die Androhung des Übels zu dem<br />

angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.<br />

(3) Der Versuch ist strafbar.<br />

(4) In beson<strong>der</strong>s schweren Fällen ist die Strafe<br />

Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf<br />

Jahren. Ein beson<strong>der</strong>s schwerer Fall liegt in <strong>der</strong><br />

Regel vor, wenn <strong>der</strong> Täter<br />

1. eine an<strong>der</strong>e Person zu einer sexuellen Handlung<br />

nötigt,<br />

2. eine Schwangere zum<br />

Schwangerschaftsabbruch nötigt o<strong>der</strong><br />

3. seine Befugnisse o<strong>der</strong> seine Stellung als<br />

Amtsträger missbraucht.<br />

14<br />

Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis<br />

zu drei Jahren o<strong>der</strong> mit Geldstrafe bestraft.<br />

(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung<br />

<strong>der</strong> Gewalt o<strong>der</strong> die Androhung des Übels zu dem<br />

angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.<br />

(3) Der Versuch ist strafbar.<br />

(4) In beson<strong>der</strong>s schweren Fällen ist die Strafe<br />

Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf<br />

Jahren. Ein beson<strong>der</strong>s schwerer Fall liegt in <strong>der</strong><br />

Regel vor, wenn <strong>der</strong> Täter<br />

1. eine an<strong>der</strong>e Person zu einer sexuellen Handlung<br />

o<strong>der</strong> zur Eingehung <strong>der</strong> Ehe nötigt;<br />

2. eine Schwangere zum<br />

Schwangerschaftsabbruch nötigt o<strong>der</strong><br />

3. seine Befugnisse o<strong>der</strong> seine Stellung als<br />

Amtsträger missbraucht.<br />

Eine <strong>der</strong> <strong>Än<strong>der</strong>ung</strong>en in <strong>der</strong> Strafprozessordnung<br />

(StPO): neuer Absatz 2 in<br />

§ 154c StPO<br />

Opfer einer Nötigung o<strong>der</strong> Erpressung<br />

(1) … (bisheriger Text des § 154 c)<br />

(2) Zeigt das Opfer einer Nötigung o<strong>der</strong><br />

Erpressung (§§240, 253 des Strafgesetzbuches)<br />

diese an (§ 158) <strong>und</strong> wird hierdurch bedingt ein<br />

vom Opfer begangenes Vergehen bekannt, so<br />

kann die Staatsanwaltschaft von <strong>der</strong> Verfolgung<br />

des Vergehens absehen, wenn nicht wegen <strong>der</strong><br />

Schwere <strong>der</strong> Tat eine Sühne unerlässlich ist.


15<br />

Auswirkungen <strong>der</strong> <strong>Än<strong>der</strong>ung</strong>en<br />

Nach Auffassung des Gesetzgebers wird die Strafrechtsreform den Schutz von Frauen <strong>und</strong><br />

Mädchen verbessern. Fraglich ist jedoch, was mit „Schutz“ gemeint ist. Die tatsächliche<br />

Situation von Opfern von <strong>Menschenhandel</strong> än<strong>der</strong>t sich nach Einschätzung <strong>der</strong> Verfasserin<br />

durch die neuen Regelungen zunächst einmal nicht. Stattdessen wird es zu mehr<br />

Strafverfolgung <strong>der</strong> Täter/innen kommen, da es sich um sog. Offizialdelikte handelt, die bei<br />

Kenntnis von Verdachtsmomenten von Amts wegen verfolgt werden müssen.<br />

Strafanzeige <strong>und</strong> Absehen von Strafverfolgung<br />

Nach Verlautbarungen des B<strong>und</strong>esministeriums <strong>der</strong> Justiz vom 28. Oktober 2004 soll es für<br />

Opfer von <strong>Menschenhandel</strong> mit dem neuen Recht einfacher sein, eine Strafanzeige gegen ihre<br />

Peiniger zu erstatten. Strafrechtliche Ermittlungen, die sich auf mögliche auslän<strong>der</strong>rechtliche<br />

Verstöße des Opfers selbst beziehen, könnten leichter eingestellt werden. Bei Opfern einer<br />

Nötigung o<strong>der</strong> Erpressung – das ist bei Opfern von <strong>Menschenhandel</strong> regelmäßig <strong>der</strong> Fall –<br />

bietet <strong>der</strong> neu eingefügte Absatz 2 in § 154c StPO <strong>der</strong> Staatsanwaltschaft die Möglichkeit,<br />

von <strong>der</strong> Verfolgung eines, vom Opfer selber begangenen Vergehens, abzusehen. Dazu<br />

gehören zum Beispiel Verstöße gegen auslän<strong>der</strong>rechtliche Regelungen (nicht legaler<br />

Aufenthalt in Deutschland mangels gültigem Visum o<strong>der</strong> Aufenthaltsgenehmigung o<strong>der</strong><br />

abgelaufenem Pass). Diese Regelung soll den Entschluss stärken, Strafanzeige gegen<br />

Menschenhändler <strong>und</strong> <strong>der</strong>en Gehilfen zu erstatten. Hier empfiehlt es sich, dass<br />

Mitarbeiter/innen <strong>der</strong> Fachberatungsstelle frühzeitig Klientinnen auf die Regelung<br />

aufmerksam machen. Dennoch ist das Risiko einer Ermittlung gegen das Opfer nicht völlig<br />

ausgeschlossen. Von <strong>der</strong> Strafverfolgung wird nur abgesehen, „wenn nicht wegen <strong>der</strong><br />

Schwere <strong>der</strong> Tat eine Sühne unerlässlich ist“ (§ 154c Abs. 2 StPO n. F., Artikel 2 Nr. 4 des<br />

37. StrÄndG). Der Gesetzgeber lässt <strong>der</strong> Staatsanwaltschaft damit weiterhin ein<br />

Beurteilungsermessen. Zudem ist es fraglich, ob <strong>und</strong> wie ausführlich Opfer von<br />

<strong>Menschenhandel</strong> überhaupt von dieser Amnestiemöglichkeit Kenntnis erlangen <strong>und</strong> nicht<br />

mehr den Gang zur Polizei fürchten.


16<br />

Anwaltlicher Opferbeistand<br />

Wie schon nach <strong>der</strong> alten Rechtslage, können Opfer von <strong>Menschenhandel</strong> sich bei allen, d.h.<br />

auch bei neuen, erweiterten Tatbeständen von <strong>Menschenhandel</strong> eine Anwältin o<strong>der</strong> einen<br />

Anwalt für die Dauer <strong>der</strong> Vernehmung als Beistand beiordnen lassen (§ 68b Abs. 1 Nr. 1 <strong>und</strong><br />

Nr. 2 StPO, Artikel 2 Nr. 1 des 37. StrÄndG).<br />

Opfer von allen Formen von <strong>Menschenhandel</strong> haben ein Recht zur Nebenklage, § 395 Abs. 1<br />

Nr. 1. d) StPO <strong>und</strong> können eine Rechtsanwältin o<strong>der</strong> einen Rechtsanwalt als Beistand <strong>der</strong><br />

Nebenklage bestellen <strong>und</strong> ggfs. auch beiordnen lassen, § 397a StPO.<br />

Bild-Ton-Aufzeichnung einer Zeugenvernehmung<br />

Die Möglichkeit, im Strafprozess frühere richterliche Vernehmungen <strong>der</strong> Zeugin o<strong>der</strong> des<br />

Zeugen, die audiovisuell aufgezeichnet wurden, anstelle <strong>der</strong> persönlichen Vernehmung bei<br />

<strong>der</strong> mündlichen Verhandlung im Gerichtssaal vorzuspielen, wurde auf die Straftaten von<br />

<strong>Menschenhandel</strong> ausgeweitet (§ 255a Abs. 2 Satz 1 n.F. StPO, Artikel 2 Nr. 5 des 37.<br />

StrÄndG). Voraussetzung ist aber, dass <strong>der</strong> o<strong>der</strong> die Angeklagte(n) <strong>und</strong> <strong>der</strong> Verteidiger o<strong>der</strong><br />

die Verteidigerin Gelegenheit hatten, bei <strong>der</strong> Aufzeichnung <strong>der</strong> Vernehmung mitzuwirken.<br />

Die neue Regelung durchbricht den im Strafverfahren vorrangigen Gr<strong>und</strong>satz <strong>der</strong><br />

Unmittelbarkeit <strong>und</strong> wird deshalb wahrscheinlich in <strong>der</strong> Anwendung eine Ausnahme bleiben.<br />

Strafverfolgung von <strong>Menschenhandel</strong> <strong>und</strong> Beihilfedelikten<br />

Mit <strong>der</strong> <strong>Erweiterung</strong> <strong>der</strong> Tatbestände von <strong>Menschenhandel</strong> wurden einige Strafbarkeitslücken<br />

geschlossen. Mit dem § 223a StGB, För<strong>der</strong>ung des <strong>Menschenhandel</strong>s, werden selbständige<br />

Beihilfetätigkeiten unter Strafe gestellt. Die Mitglie<strong>der</strong> des Rechtsausschuss des Deutschen<br />

B<strong>und</strong>estages dachten hier zum Beispiel an folgende Fälle:<br />

Die Haupttat <strong>Menschenhandel</strong> gelangt noch nicht einmal in das Stadium des Versuchs<br />

<strong>und</strong> wäre somit noch nicht strafbar o<strong>der</strong><br />

die Beihilfehandlung zu <strong>Menschenhandel</strong> gelangt nicht über das Stadium des Versuchs


hinaus.<br />

Strafbar sind danach Anwerber/innen vor Ort im Heimatland, Busunternehmer/innen, die<br />

potentielle Opfer von <strong>Menschenhandel</strong> im Transit o<strong>der</strong> bis zum Bestimmungsort<br />

transportieren.<br />

17<br />

Schutzaltersgrenze<br />

Die Schutzaltersgrenze wurde auf ein<strong>und</strong>zwanzig Jahre festgelegt, weil meistens junge Frauen<br />

bis zu <strong>der</strong> Altersgruppe betroffen sind <strong>und</strong> deshalb beson<strong>der</strong>en strafrechtlichen Schutzes<br />

bedürfen.<br />

Abhörmaßnahmen bei Verdacht von <strong>Menschenhandel</strong><br />

Das Mindestmass <strong>der</strong> Freiheitsstrafe von einem Jahr o<strong>der</strong> darüber bestimmt, welche<br />

rechtswidrige Tat als Verbrechen eingestuft wird im Unterschied zu Vergehen, die mit einer<br />

geringeren Freiheitsstrafe o<strong>der</strong> mit Geldstrafe bedroht sind (§ 12 StGB). Diese<br />

Unterscheidung hat bei <strong>der</strong> Einordnung <strong>der</strong> verschiedenen Tatbestände des <strong>Menschenhandel</strong>s<br />

hat zum Beispiel Auswirkungen darauf, ob bei Verdacht von <strong>Menschenhandel</strong> eine<br />

Überwachung <strong>der</strong> Telekommunikation o<strong>der</strong> das Abhören nicht öffentlicher Gespräche in <strong>der</strong><br />

Wohnung richterlich angeordnet werden kann (§ 100a bzw. § 100c Abs. 1 Nr. 3 StPO, vgl.<br />

Artikel 2 Nr. 2 <strong>und</strong> 3 des 37. StrÄndG). Dies ist nur möglich, soweit es sich um ein<br />

Verbrechen handelt, was aber nur für die sog. Qualifikationstatbestände des<br />

<strong>Menschenhandel</strong>s, <strong>der</strong> § 232 Abs. 3, 4 o<strong>der</strong> 5 <strong>und</strong> § 233 Abs. 3 StGB zutrifft. Die<br />

Gr<strong>und</strong>tatbestände von <strong>Menschenhandel</strong> sind Vergehen (§232 Abs. 1 <strong>und</strong> 2, sowie § 233 Abs.<br />

1 <strong>und</strong> 2), Abhörmaßnahmen nicht erlaubt. Besteht nur <strong>der</strong> Verdacht des Vorliegens <strong>der</strong><br />

Gr<strong>und</strong>tatbestände von <strong>Menschenhandel</strong> o<strong>der</strong> <strong>der</strong>en Versuch (§§ 232 Abs. 1 <strong>und</strong> Abs. 2 o<strong>der</strong><br />

§ 233 Abs. 1 <strong>und</strong> Abs. 2 StGB) sind die vor bezeichneten Abhörmaßnahmen nicht zulässig.<br />

Hierzu sei angemerkt, dass in <strong>der</strong> Praxis <strong>der</strong> Ermittlungsverfahren Abhörmaßnahmen zur<br />

Überführung von Menschenhändlern eine wesentliche Rolle spielen <strong>und</strong> zum Beispiel in<br />

verschiedenen, <strong>der</strong> Verfasserin als Verfahrensbeteiligte bekannte Verfahren die Erkenntnisse<br />

aus den Maßnahmen eine Gr<strong>und</strong>lage für eine spätere Razzia bildeten.


18<br />

Strafbarkeit <strong>der</strong> Freier<br />

Im Rahmen dieser Ausarbeitung wird auszugsweise auch auf die Diskussion eingegangen, ob<br />

Freier, die wissentlich Zwangsprostituierte or<strong>der</strong>n, strafrechtlich verfolgt werden sollen. Nicht<br />

zuletzt durch den <strong>Menschenhandel</strong>sprozess in Berlin Ende 2003 bis Frühjahr 2004, bei dem<br />

bekannt wurde, dass Prominente aus Fernsehen <strong>und</strong> Sport Freier von Zwangsprostituierten<br />

waren, intensivierte sich die bereits seit Jahren bestehende Diskussion. Fraktionsübergreifend<br />

for<strong>der</strong>ten Parlamentarier/innen Konsequenzen. Die Meinungen aber sind geteilt, auch unter<br />

Mitarbeiter/innen von Nichtregierungsorganisationen <strong>und</strong> Fachberatungsstellen. Nicht alle<br />

sprechen sich für eine Strafbarkeit aus. So spricht gegen eine Strafbarkeit <strong>der</strong> Freier die<br />

Gefahr kontraproduktiver Wirkungen für den Schutz von Opfern von <strong>Menschenhandel</strong>. In<br />

Schweden führte die Einführung <strong>der</strong> generellen Strafbarkeit des Kaufs sexueller<br />

Dienstleistungen zu einer Verlagerung von <strong>der</strong> Straßenprostitution in geheim gehaltene<br />

Wohnungen. Die Frauen sind stärker auf Zuhälter angewiesen. Inzwischen werden Stimmen<br />

in Schweden – auch aus Polizeikreisen – laut, das Gesetz zurück zu nehmen. In Deutschland<br />

könnte eine Strafverfolgung dadurch erschwert werden, dass aus Sicht von Freiern kaum zu<br />

unterscheiden ist, welche Frau Opfer von <strong>Menschenhandel</strong> geworden ist. Die Bereitschaft von<br />

Freiern, Opfern zu helfen, könnte zurückgehen. Mitarbeiterinnen <strong>der</strong> Dortm<strong>und</strong>er<br />

Mitternachtsmission befürchten zum Beispiel die Zerstörung positiver Arbeitsansätze <strong>der</strong><br />

letzten Jahre (Kooperation zwischen Bordellbetreibern, Beratungsstellen, Polizei,<br />

Auslän<strong>der</strong>amt, Ordnungsamt gegen Zwangsprostitution).<br />

Für eine Strafbarkeit spricht, dass sich Freier zumindest dann strafwürdig verhalten, wenn sie<br />

die Zwangslage <strong>der</strong> Frauen eindeutig erkennen. Rechtliche Überlegungen gehen zum Beispiel<br />

dahin, ob eine Strafbarkeit nach § 177 Abs. 1 Nr. 3 StGB wegen sexueller Nötigung unter<br />

Ausnutzung einer schutzlosen Lage gegeben ist. Hier könnte aber problematisch sein, dass<br />

nach <strong>der</strong> bisherigen Rechtsprechung dazu erfor<strong>der</strong>lich ist, dass <strong>der</strong> Täter einen aktuell<br />

entgegenstehenden Willen des Opfers bricht. Das ist bei Zwangsprostituierten, die sich in ihr<br />

Schicksal gefügt haben, meistens nicht <strong>der</strong> Fall. Rechtsprechung kann sich aber<br />

fortentwickeln. Der Juraprofessor Dr. Renzikowski empfiehlt eine neue Strafvorschrift im<br />

Sexualstrafrecht, die generell sexuelle Handlungen unter Ausnutzung einer bestehenden<br />

Zwangslage unter Strafe stellt, ähnlich <strong>der</strong> bereits bestehenden, auf Opferseite auf die<br />

Altergruppe zwischen 16 <strong>und</strong> 18 Jahren beschränkten Regelung des § 182 Abs. 1 Nr. 2 StGB.


19<br />

Strafbar ist jetzt schon Gewaltanwendung <strong>und</strong> Drohung durch den Freier selber. Je nach<br />

Handlung kann u.a. Körperverletzung, Vergewaltigung o<strong>der</strong> Nötigung vorliegen. Mit <strong>der</strong><br />

gesetzlich verankerten Klarstellung, dass die Ausnutzung <strong>der</strong> Situation von Opfern von<br />

<strong>Menschenhandel</strong> strafbar ist, könnte eine Signalwirkung ausgehen mit generalpräventiver<br />

Wirkung auf Freier (u.a. Strafanzeige, Verlust von Anonymität, bekannt werden im Rahmen<br />

von Prozessen, Erklärungsnot gegenüber seiner Familie). Befürworter/innen einer Bestrafung<br />

von Freiern hält dies auch vereinbar mit den Zielen des Prostitutionsgesetzes. Das<br />

Prostitutionsgesetz räumt <strong>der</strong> sexuellen Selbstbestimmung von prostituierten einen hohen<br />

Stellenwert ein <strong>und</strong> stellt ihre Ausbeutung unter Strafe.<br />

Quellenhinweis<br />

B<strong>und</strong>esrat Drucksache 767/04 vom 6.10.2004, Gesetzesantrag des Landes Baden-<br />

Württemberg , Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung <strong>der</strong> Zwangsheirat <strong>und</strong> zum besseren<br />

Schutz von Opfer vor Zwangsheirat (Zwangsheirat-Bekämpfungsgesetz)<br />

Deutscher B<strong>und</strong>estag Drucksache 15/3045 vom 4.5.2004, Entwurf eines ...<br />

Strafrechtsän<strong>der</strong>ungsgesetzes - §§ 180b, 181 StGB (... StrÄndG)<br />

Deutscher B<strong>und</strong>estag Drucksache 15/4048 vom 27.10.2004 Beschlussempfehlung <strong>und</strong> Bericht<br />

des Rechtsausschusses zu dem Gesetzesentwurf Drucksache 15/3045<br />

Meyer-Goßner, Lutz, Strafprozessordnung, 47. Auflage, München 2004<br />

Rahmenbeschluss des Rates <strong>der</strong> Europäischen Union vom 19. Juli 2002 zur Bekämpfung des<br />

<strong>Menschenhandel</strong>s, ABl. L 203 vom 1. August 2002, S.1<br />

Sieben<strong>und</strong>dreißigstes Strafrechtsän<strong>der</strong>ungsgesetz - §§ 180b, 181 StGB – (37. StrÄndG) vom<br />

11. Februar 2005 (BGBl. I v. 18.02.2005, S. 239-241)<br />

Tröndle,Herbert/Fischer, Thomas, Strafgesetzbuch <strong>und</strong> Nebengesetze, 51. Auflage,<br />

München 2003<br />

Vereinte Nationen Generalversammlung A/55/383, Bericht des Ad-hoc-Ausschusses für die<br />

Ausarbeitung eines Übereinkommens <strong>der</strong> Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende<br />

organisierte Kriminalität, Protokoll gegen <strong>Menschenhandel</strong> (Anhang II)

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!