Bericht der 4. KatNet-Tagung: Paradigmenwechsel in der ...
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Frank Oberholzner: „Das bißchen Hagel...“ Wahrnehmung und Bewätigung von Naturgefahren<br />
im Agrarbereich seit <strong>der</strong> frühen Neuzeit<br />
Im Bereich <strong>der</strong> Landwirtschaft zählen Hagelstürme mit zu den größten Risiken, kann doch <strong>in</strong>nerhalb<br />
weniger M<strong>in</strong>uten die Arbeit e<strong>in</strong>es ganzen Jahres vernichtet werden. Trotz <strong>der</strong> Anwendung mo<strong>der</strong>nster<br />
Techniken ist <strong>der</strong> Mensch immer noch nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, die Bildung von Hagelunwettern zu verh<strong>in</strong>-<br />
<strong>der</strong>n, so dass Mittel und Wege gefunden werden mussten, um <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e die ökonomischen Fol-<br />
gen bewältigen zu können. Um 1800 entstanden daher die ersten Hagelversicherungsgesellschaften<br />
<strong>in</strong> Deutschland. Doch wie war dies möglich? Ohne Zweifel kam es <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong> <strong>der</strong> zweiten Hälfte<br />
des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts zu e<strong>in</strong>em bedeutenden Wirtschaftswachstum. Jedoch galt <strong>der</strong> Hagel bis <strong>in</strong> die<br />
Frühe Neuzeit als e<strong>in</strong>e Strafe Gottes, die man demütig zu ertragen hatte. Warum fand quasi e<strong>in</strong>e<br />
Entmystifizierung von Hagelstürmen statt, gegen die man sich nun auf rationaler Grundlage versichern<br />
konnte?<br />
Das Projekt beschäftigt sich daher <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em ersten großen Teil mit den H<strong>in</strong>tergründen, die für die Ent-<br />
stehung dieses <strong>in</strong>novativen Risikovorsorge<strong>in</strong>struments verantwortlich waren. Dabei wäre es allerd<strong>in</strong>gs<br />
zu kurz gegriffen, alle<strong>in</strong>e auf die sozioökonomischen Rahmenbed<strong>in</strong>gungen im 18. und frühen 19.<br />
Jahrhun<strong>der</strong>t abzustellen. Ohne Zweifel kam es damals zu tief greifenden Verän<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> Wirtschaft,<br />
Gesellschaft und v.a. <strong>der</strong> Landwirtschaft, man denke nur an die Reformmaßnahmen, die im Zuge <strong>der</strong><br />
so genannten Bauernbefreiung durchgeführt wurden. Was <strong>in</strong> früheren Arbeiten zur Geschichte <strong>der</strong><br />
Hagelversicherung allerd<strong>in</strong>gs fast gänzlich vernachlässigt wurde, s<strong>in</strong>d wahrnehmungsgeschichtliche<br />
Aspekte. Dazu zählen die sich wandelnden Perzeption von Unwettern, aber auch <strong>der</strong> Diskurs h<strong>in</strong>sicht-<br />
lich <strong>der</strong> Gründung von mo<strong>der</strong>nen Assekuranzen.<br />
Im zweiten großen Teil des Projektes steht <strong>der</strong> Aspekt <strong>der</strong> Bewältigung im Mittelpunkt. Konkret wird<br />
die weitere Entwicklung <strong>der</strong> Hagelversicherung auf <strong>der</strong> Makroebene (Hagelversicherungsbranche)<br />
und <strong>der</strong> Mikroebene (ausgewählte Unternehmen) untersucht. In Anlehnung an den Stakehol<strong>der</strong>-<br />
Value-Ansatz wurden vier Bereiche identifiziert, welche auf die Entwicklung <strong>der</strong> Branche und <strong>der</strong> e<strong>in</strong>-<br />
zelnen Unternehmen bee<strong>in</strong>flusst haben: politische und makro-ökonomische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, die<br />
Geschehnisse im Agrarsektor wie Innovationen aber auch die Agrarkonjunktur, die Mitwettbewerber<br />
und das Naturereignis selbst, das beispielsweise mit zu Produktweiterentwicklungen beigetragen hat.<br />
Methodisch werden dabei v. a. ökonomische Analyse<strong>in</strong>strumente wie die Pr<strong>in</strong>cipal-Agent-Theorie<br />
verwendet, um die Effizienz <strong>der</strong> neu geschaffenen Institutionen zu zeigen. Was die Quellen betrifft, so<br />
wird für den kulturgeschichtlichen Teil bzw. die Diskursanalyse auf e<strong>in</strong>e Auswahl von religiösen, öko-<br />
nomischen und frühen naturwissenschaftlichen Traktaten aus dem 17. und 18. Jahrhun<strong>der</strong>t zurückge-<br />
griffen. Für den branchen- und unternehmenshistorischen Teil erfolgt e<strong>in</strong>e Auswertung diverser Fir-<br />
menarchive und weiterer Bestände (Bundesarchivs, Bayerisches Hauptstaatsarchiv o<strong>der</strong> Rhe<strong>in</strong>isch-<br />
Westfälisches Wirtschaftsarchiv). B<strong>in</strong>deglied zwischen den großen Teilen <strong>der</strong> Studie ist das Konzept<br />
<strong>der</strong> Wahrnehmung und Deutung von Naturkatastrophen bzw. <strong>der</strong>en Bewältigung. Methodisch gese-<br />
hen kommen <strong>in</strong> dem Projekt kultur-, umwelt- und wirtschaftsgeschichtliche Ansätze zum Tragen. So<br />
entsteht e<strong>in</strong> komplexes Bild <strong>der</strong> Risikowahrnehmung von Hagelschlägen und die Entwicklung von<br />
<strong>in</strong>novativen Vorsorge<strong>in</strong>stitutionen, wie es bisher nicht vorhanden ist.<br />
Kontakt: Frank.Oberholzner@tum.de<br />
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