Multiple Sklerose (MS): Familie, Partnerschaft, Freunde
Multiple Sklerose (MS): Familie, Partnerschaft, Freunde
Multiple Sklerose (MS): Familie, Partnerschaft, Freunde
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Familie, Partnerschaft
und Freunde mit MS
2
Diagnose MS – ein neues Leben
Bei Ihnen wurde die Diagnose Multiple Sklerose – kurz MS – gestellt. Eine Diagnose, die
Ängste hervorruft, weil Sie nicht wissen, wie Ihre Zukunft damit aussieht. Gute und sachgerechte
Information räumt Ängste aus. Sie zeigt auf, wie man heute Einfluss auf den
Krankheitsverlauf nehmen kann, z.B. durch geeignete Ernährung, angepasste Lebensweise
und die Möglichkeiten moderner Medizin.
Als MS-Patient und auch als Angehöriger steht man bisher nicht gekannten psychischen
Belastungen gegenüber. Alle müssen sich auf die neue Situation einstellen und lernen,
richtig damit umzugehen. Mit dieser Broschüre möchten wir Ihnen dabei helfen, die
Krankheit Schritt für Schritt zu bewältigen. Vom ersten Gespräch mit dem Partner bis hin
zur sinnvollen Gestaltung des Alltags mit MS.
Sie werden sehen, die Diagnose MS heißt nicht Rückschlag oder Stillstand. Wenn Sie erst
einmal gelernt haben die Krankheit zu akzeptieren und offensiv damit umzugehen, dann
ist es möglich ein weitgehend normales, erfülltes Leben zu führen.
Inhalt
1. Diagnose MS – ein neues Leben .......................................................................................................................................................... 3
Wie sag ich es meinen Lieben? ................................................................................................................................................................................... 4
Gespräch mit Familie und Partner ..................................................................................................................................................................... 6
Gespräch mit Freunden ............................................................................................................................................................................................................ 7
Gespräch mit Arbeitgeber und Arbeitskollegen ..................................................................................................................... 7
2. Multiple Sklerose – die Krankheit mit den tausend Gesichtern ..................................................... 8
Der Krankheitsverlauf .................................................................................................................................................................................................................. 8
Sichtbare und unsichtbare Symptome ...................................................................................................................................................... 8
Welche neurologischen Symptome treten bei MS auf? ........................................................................................ 9
Multiple Sklerose – der „Stille Partner“ ................................................................................................................................................... 11
3. Alltag neu organisieren – Aufgaben verteilen ........................................................................................................... 11
Bedürfnisse aller Beteiligten anerkennen –
so werden Überlastungen vermieden ........................................................................................................................................................ 11
Freunde sind oft die besten Ratgeber ....................................................................................................................................................... 13
Multiple Sklerose in der Partnerschaft ................................................................................................................................................... 15
Ganz wichtig: Zeit zu zweit ............................................................................................................................................................................................ 15
4. MS und der Einfluss auf die körperliche Liebe .......................................................................................................... 17
Wie kann man damit umgehen? ........................................................................................................................................................................ 17
Wie verhüte ich richtig? ....................................................................................................................................................................................................... 19
5. MS und Kinderwunsch ..................................................................................................................................................................................... 21
Ist MS vererbbar? ............................................................................................................................................................................................................................... 22
Welche Chancen und Risiken für eine Schwangerschaft gibt es? .................................................. 22
Schwangerschaft und Geburt planen und erleben ..................................................................................................... 24
Elternsein von Anfang an genießen ........................................................................................................................................................... 26
Welchen Einfluss hat Stillen auf den weiteren Verlauf der MS? ....................................................... 27
Kinderbetreuung – ein Plan B muss her ............................................................................................................................................. 28
6. „Coping“ – Strategien zur Krankheitsbewältigung ....................................................................................... 29
Hilfe annehmen, da wo sie nötig ist .......................................................................................................................................................... 30
Nicht vergessen: mal aus dem Alltag ausbrechen .......................................................................................................... 31
7. Wo finde ich Hilfe? ................................................................................................................................................................................................ 34
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Diagnose MS
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Wie sag ich es meinen Lieben?
Die erste Hürde ist für alle Beteiligten nicht einfach. Sie müssen einen Weg finden, Ihre Familie
und Freunde, eventuell auch Berufskollegen über Ihre Krankheit zu informieren. Dabei
hängt es ganz von Ihrer Persönlichkeit ab, wie offen Sie mit der Diagnose MS umgehen und
was Sie Ihrem Umfeld erzählen möchten. Auch dann, wenn es Ihnen schwer fällt: Machen
Sie unbedingt möglichst bald diesen ersten wichtigen Schritt. Darüber reden hilft.
Positive Kommunikation –
die richtige Atmosphäre schaffen
Damit das Gespräch den gewünschten Verlauf nimmt, ist es wichtig im Vorfeld einige
Überlegungen anzustellen:
• Was ist der richtige Ort und der richtige Zeitpunkt für ein Gespräch?
•
Was möchte ich meinem Gesprächspartner mitteilen?
• Wie vermittele ich, abhängig vom Gesprächspartner, meine Probleme und Ängste,
ohne dass es mein Umfeld gleich abschreckt?
Je nach Gesprächspartner sollte man überlegen, was und wie viel man sagt. Nicht jeder
ist in der Lage, das Gehörte richtig einzuordnen und angemessen damit umzugehen.
Manchmal ist es ratsam, etwas zurückhaltender zu sein. Wie macht man das am besten?
Tipps für eine positive Kommunikation
• Bestimmen Sie Ort und Zeitpunkt für ein Gespräch so, dass alle Beteiligten
möglichst entspannt und ohne Zeitdruck miteinander reden können
•
Schaffen Sie eine angenehme Atmosphäre
• Informieren Sie sich im Vorfeld über die Erkrankung, damit Sie erste Fragen
beantworten und Ängste verhindern können
• Führen Sie das Gespräch mit einer möglichst positiven Grundhaltung und
sprechen Sie offen über Ihre Ängste und Gefühle
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Gespräch mit Familie und Partner
Die Ersten, die außer Ihnen mit der Erkrankung konfrontiert werden, sind Personen aus
Ihrem engsten familiären Umfeld. Vertrauen Sie sich so früh wie möglich einem Familienmitglied
an. Meist wird dies ihr Partner oder Ihre Partnerin sein. Teilen Sie mit, was Sie
bisher über die Diagnose MS erfahren haben und welche Ängste Sie verspüren.
Bitten Sie ihn bzw. sie eventuell auch darum, Sie bei den nächsten Arztbesuchen zu begleiten.
So erhalten Sie beide objektive Informationen, die für den weiteren Umgang mit
Krankheit und Behandlung wichtig sind. Bereiten Sie sich unabhängig voneinander auf
das Gespräch vor und notieren Sie genau was Sie den Arzt fragen wollen. Für jeden von
Ihnen ist möglicherweise etwas anderes wichtig. In dieser Situation kann der Partner eine
wichtige Stütze sein: Gemeinsam ist vieles leichter!
Wenn Sie Kinder haben, dann sollten Sie sie altersentsprechend informieren und einbeziehen.
Auch relativ kleine Kinder können verstehen, dass ein erkrankter Elternteil manchmal
mehr Ruhe benötigt oder nicht so belastbar ist. Versuchen Sie möglichst viel Zeit mit
ihnen zu verbringen und auf ihre Fragen und Ängste und auf ihre speziellen Probleme
einzugehen. Vermeiden Sie es, Kinder zu sehr durch Ihre Sorgen zu belasten und sie dadurch
zu überfordern.
Gespräch mit Freunden
Gute Freunde braucht man vor allem dann,
wenn es einem nicht so gut geht. Doch nicht
jede Freundschaft ist so stabil, dass sie solche
Belastungen verträgt. Überlegen Sie sorgfältig,
wem Sie wie viel erzählen.
Gelegentlich müssen Sie von Fall zu Fall entscheiden,
ob Sie einem Sportkameraden erklären
möchten, warum Sie nicht mehr so leistungsfähig
sind wie früher, oder einer Freundin
im Tanzkurs, warum schwierige Schritte Ihnen
nicht mehr so leicht fallen.
Bitten Sie Ihre Freunde, falls es nötig ist, Ihnen
behilflich zu sein und Sie ansonsten ganz normal
zu behandeln.
Gespräch mit Arbeitgeber und Arbeitskollegen
Bevor Sie mit Ihrem Arbeitgeber sprechen, sollten Sie sich über die gesetzlichen Bestimmungen
für Behinderte informieren. Beschränken Sie die Informationen zunächst auf die
Fakten zur MS und die aktuellen Beschwerden. Weniger hilfreich ist es, Spekulationen
über die zukünftige Entwicklung anzustellen.
Bedenken Sie, dass niemand den Verlauf der MS voraussehen kann. Es kann sein, dass Sie
über lange Zeit kaum beeinträchtigt sein werden. Um sich Chancengleichheit im Beruf zu
sichern, müssen Sie daher abwägen, was Sie von Ihrer Krankheit erzählen möchten bzw.
was sinnvoll ist. Eine generelle Informationspflicht bei bestehenden Arbeitsverhältnissen
gibt es nicht. In manchen Fällen ist es jedoch von Vorteil, wenn Ihr Vorgesetzter weiß,
dass Sie zeitweise weniger leistungsfähig sein können.
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Multiple Sklerose –
die Krankheit mit den tausend Gesichtern
Damit Sie gut gerüstet für die Gespräche sind, möchten wir Ihnen kurz die besonderen
Aspekte der MS darstellen:
Der Krankheitsverlauf
Der Krankheitsverlauf ist individuell unterschiedlich. Meist beginnt die MS in der Jugend
oder im jungen Erwachsenenalter, Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Zunächst
kommt es zu so genannten Krankheitsschüben, in denen sich unterschiedliche neurologische
Symptome entwickeln können. Ursache für diese Störungen sind örtlich begrenzte
Entzündungen im Zentralnervensystem (ZNS).
Die Art der Störung hängt davon ab, im welchem Bereich des ZNS die Entzündung gerade
abläuft. Diese akuten Schübe heilen gewöhnlich zunächst wieder vollständig aus.
Anschließend kann es sehr lange Phasen subjektiver Gesundheit geben, bis der nächste
Schub auftritt. Bei manchen Patienten folgen die Schübe sehr rasch aufeinander und die
MS geht dann von der so genannten schubförmigen MS in ein Stadium mit langsam fortschreitender
Verschlechterung über (chronisch-progrediente MS). Die große Vielfalt der
Symptome und des Krankheitsverlaufes hat der MS auch den Namen „Krankheit mit den
tausend Gesichtern“ eingebracht.
Sichtbare und unsichtbare Symptome
Bei den Symptomen muss man zwischen denen im akuten Schub und den chronischen
Folgeerscheinungen unterscheiden.
Ein Schub ist charakterisiert durch das plötzliche Auftreten neurologischer Ausfallerscheinungen,
die mindestens 24 Stunden anhalten und im Verlauf von Tagen oder Wochen
wieder abklingen. Je mehr Schübe man hat, desto wahrscheinlicher wird es, dass neurologische
Funktionseinschränkungen zurückbleiben.
Welche neurologischen Symptome treten bei MS auf?
Die wichtigsten sind in der folgenden Tabelle beschrieben. Meist treten die verschiedenen
Symptome sowohl im akuten Schub als auch dauerhaft in unterschiedlichen Kombinationen
auf. Wichtig für Sie zu wissen ist, dass man im Einzelfall nicht vorhersehen kann, wie
der individuelle Verlauf sein wird.
Körperliche Symptome
Motorische Störungen • Gehstörungen durch Muskelsteifigkeit (Spastik) der Beine
Gleichgewichtsstörungen
Koordinationsstörungen
• Störungen der Feinmotorik der Hände durch Spastik
• Muskelschwäche oder Lähmungserscheinungen einzelner Gliedmaßen
• Gestörte Bewegungskoordination (Ataxie), häufig zusammen mit
Sehstörungen
• Zielunsicherheit bei Bewegungen (Dysmetrie)
• Zittern (Tremor), vor allem bei zielgerichteten Bewegungen
Empfindungsstörungen • Missempfindungen, wie Kribbeln oder Taubheitsgefühle, können auch
Störungen der Feinmotorik hervorrufen
• Störungen der Wärme- oder Kälteempfindung
• Empfindungsstörungen im Genitalbereich, verbunden mit sexuellen
Störungen
Störungen der
Hirnnerven
• Sehstörungen, z. B. Doppelbilder, Gesichtsfeldausfälle („schwarzer
Fleck“), abnehmende Sehschärfe
• Schluck-, Sprachstörungen
Organfunktionsstörungen • Blasenstörungen (häufiger oder unkontrollierter Harndrang /
Inkontinenz)
• Verstopfung
• Erektionsstörungen beim Mann
Psychische Symptome
Fatigue • Ungewöhnlich gesteigerte Ermüdbarkeit durch körperliche oder
geistige Anstrengung
Kognitive Störungen • Verlangsamung im Denken, Störungen von Aufmerksamkeit und
Konzentration
• Die Intelligenz wird nicht beeinträchtigt
Depressive Verstimmungen
/ Depressionen
• Reaktion auf die Diagnose MS bzw. phasenhafte Verschlechterungen
• Eigenständiges, organisch bedingtes Krankheitsbild
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Multiple Sklerose – der „Stille Partner“
Anfangs werden alle sehr unsicher sein und sich die Frage stellen, wie sich das zukünftige
Zusammenleben gestalten wird. Viele Gespräche werden sich um die MS und ihre Folgen
drehen. Aber mit der Zeit nimmt die MS einen normalen Platz in Ihrem (Familien)Leben
ein. Insbesondere, wenn die Symptome des ersten Schubes abgeklungen sind und Sie Ihre
Rolle im Familienleben nahezu unverändert wieder einnehmen können.
Jetzt ist die MS Ihr „Stiller Partner“, der Sie ihr Leben lang begleitet und auf den Sie Rücksicht
nehmen müssen.
Alltag neu organisieren – Aufgaben verteilen
In welchem Ausmaß Änderungen in Ihrem Alltag notwendig sind, hängt in erster Linie
von Ihrem gesundheitlichen Befinden ab. Versuchen Sie, die Situation möglichst realistisch
einzuschätzen.
Fühlen Sie sich wohl und haben Sie keine körperlichen oder geistigen Beschwerden?
Dann sollten Sie den Alltag weitgehend wie gewohnt gestalten. Planen Sie aber bei Ihren
üblichen Beschäftigungen regelmäßige Ruhepausen ein und überfordern Sie sich nicht.
Lernen Sie „energiesparend“ zu arbeiten. Das heißt zum Beispiel, dass Sie möglichst für
den Tag und die Woche vorausplanen, die Tätigkeiten in mehrere kleine Aufgaben aufteilen
und Prioritäten setzen. Versuchen Sie auch, sich von übertriebenem Perfektionismus
zu verabschieden, mit dem Sie sich selbst unter Druck setzen.
Bedürfnisse aller Beteiligten anerkennen –
so werden Überlastungen vermieden
Gemeinsam Lösungen finden, den Alltag neu organisieren und flexibel auf mögliche
Veränderungen zu reagieren, das ist keine leichte Aufgabe. Mit der nötigen neuen Rollen-
und Aufgabenverteilung müssen alle auf Dauer klar kommen. Überbelastungen von
Einzelnen führen häufig zu Streitigkeiten, die weder gut für die Beziehung noch für die
Gesundheit sind.
11
Alltag
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Wenn Sie ausgeprägtere Funktionsstörungen haben, die Ihnen die Verrichtung einzelner
Tätigkeiten erschweren oder unmöglich machen, dann sollten Sie gemeinsam überlegen,
wie man die Aufgaben neu verteilen kann. Haben Sie Vertrauen in die anderen. Auch sie
können lernen, bisher ungewohnte alltägliche Aufgaben zu erledigen und Verantwortung
zu übernehmen.
Sie sollten sich, soweit es Ihre Gesundheit zulässt, an allen Aktivitäten in Freizeit und
Haushalt beteiligen und überlegen, welche Pflichten Sie jetzt übernehmen können.
Das entspannt nicht nur die familiäre Situation, sondern hilft Ihnen auch ein weitgehend
normales Leben zu führen. Untätigkeit führt oft dazu, dass man sich nutzlos fühlt und
depressiv wird.
Auf die Bedürfnisse von Kindern muss besonders eingegangen werden. Kinder möchten
sich engagieren und ihren erkrankten Eltern helfen, soviel es geht. Sie sind jedoch, je nach
Alter, schon sehr von Schule oder Ausbildung gefordert. Beziehen Sie sie in Ihren Alltag
ein, aber achten Sie auch darauf, dass sie genug altersgerechte Kontakte und Beschäftigungen
haben. Dieses ist für eine gesunde Entwicklung notwendig.
Achten Sie auch darauf:
Jeder braucht seinen
Freiraum für eigene
Interessen, Hobbys und
Freunde, um sich abzulenken.
Daraus kann
man unendlich viel Kraft
für den Alltag schöpfen
und niemand sollte ein
schlechtes Gewissen
haben, weil er sich ein
wenig Freude und Spaß
gönnt. Wenn man sich
Möglichkeiten schafft,
das Leben zu genießen,
hilft es dabei, Überlastungen
zu vermeiden.
Freunde sind oft die besten Ratgeber
Die Familie ist wichtig und bietet idealerweise einen sicheren Rückzugsraum für alle. Jeder
aber kennt das aus eigener Erfahrung: es gibt Dinge, die kann man mit den nächsten
Angehörigen schwer besprechen. Und sei es auch nur, weil die Familie „zu nah dran“ ist.
Objektive, wertfreie Diskussionen sind oft nicht möglich, weil zu viele Emotionen mitspielen.
Jetzt braucht man Freunde. Sie kennen das häusliche Umfeld genau, blicken aber
dennoch aus einer anderen Perspektive auf die Gesamtsituation. Freunde sind deshalb oft
die besten Ratgeber.
Insbesondere für Singles ist es ohne den Rückhalt einer Familie sehr viel schwerer mit den
neuen Anforderungen der MS umzugehen. Die größte Gefahr besteht darin, dass sie sich
abkapseln und aus dem aktiven sozialen Leben zurückziehen. Jetzt ist es besonders wichtig
Freunde zu haben, auf die man sich verlassen kann.
13
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Mit einem wahren Freund kann man über alles reden, auch über schwierige oder peinliche
Dinge. Und er wird einem auch dann die Wahrheit sagen, wenn sie unangenehm ist.
Gute Freunde zeichnen sich dadurch aus, dass sie nach Möglichkeit helfen und auch verschwiegen
sein können. Aber man kann mit Ihnen auch tolle Sachen unternehmen, sich
entspannen und Spaß haben. Freunde sind deshalb sehr kostbar.
Pflegen Sie Ihren Freundeskreis und Ihre Hobbys. Sie brauchen sie jetzt vielleicht
noch mehr als vorher. MS-Selbsthilfegruppen oder das Internet können wertvolle
Unterstützung beim Knüpfen neuer Kontakte geben.
Multiple Sklerose in der Partnerschaft
Denken Sie nicht, Sie müssten jetzt alles auf den Kopf stellen und die gesamte Lebensführung
nur noch auf die MS ausrichten. Das hält niemand lange durch. Solange Sie sich
wohlfühlen und nur geringe Einschränkungen durch die MS haben, können Sie Ihr Leben
so weiterführen wie bisher. Falschen Vorstellungen und Missverständnissen, wie etwa,
dass man mit MS unweigerlich schwerbehindert im Rollstuhl enden muss, können Sie
durch gute Information vorgebeugen. Sie werden rasch erkennen, dass Sie mit etwas
Geduld und Anpassungsfähigkeit viele Ihrer früheren Wünsche und Vorstellungen verwirklichen
können.
Ganz wichtig: Zeit zu zweit
Die Diagnose MS stellt die Partnerschaft zunächst auf eine harte Probe. Ob das Leben
tatsächlich, so wie es gemeinsam geplant war, noch möglich ist, weiß am Anfang keiner.
Gelingt es, sich zusammen den neuen Herausforderungen zu stellen und möglicherweise
neue Wege zu gehen?
Ganz wichtig für eine Partnerschaft ist jetzt: Zeit zu zweit. Und das heißt keineswegs, sich
gemeinsam vor den Fernseher zu setzen. Gemeint ist Zeit, um gemeinsam die neue Situation
zu verarbeiten. Dazu gehören sowohl entspannende Momente, als auch konstruktive
Gespräche – unabhängig von der Krankheit. Gönnen Sie sich hin und wieder ein schönes
Essen, einen Abend im Kino oder auch einen Spaziergang ohne Familie oder Freunde.
Hier sollte das Thema MS in den Hintergrund treten – Sie als Paar stehen im Mittelpunkt.
Genießen Sie die vertraute Zweisamkeit und lassen Sie die Krankheit in diesen Momenten
außen vor.
Natürlich ist es auf der anderen Seite auch wichtig, sich regelmäßig die Zeit zu nehmen,
um gemeinsam Ängste mit Bezug auf die MS anzusprechen und Lösungen zu finden.
Gegenseitige Unterstützung und ein liebevoller Umgang miteinander kann beiden Partnern
die Kraft und Energie geben, mit den zu erwartenden Aufgaben fertig zu werden.
Schafft man das gemeinsam, wird die Partnerschaft ungemein gestärkt.
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MS und der Einfluss auf die körperliche Liebe
Liebe und Wertschätzung sind die Grundlage jeder Partnerschaft. Die Sexualität ist ein
wichtiger Teil dieser Beziehung. MS-Patienten klagen sehr häufig über Probleme.
Dabei ist es tatsächlich meist nicht einmal die MS und ihre neurologischen Folgeschäden,
die die Schwierigkeiten verursachen. Oft handelt es sich um psychogene Störungen, das
heißt, dass keine organischen Schäden zugrunde liegen, sondern die Ursache eher in
psychischen Faktoren, wie Stress und der MS-typischen Müdigkeit zu suchen ist. Manche
Patienten haben Sorge, dass sexuelle Aktivität sich negativ auf die MS auswirken könnte.
Diese Angst ist völlig unbegründet.
Um herauszufinden, ob Ihre Probleme organische Ursachen haben oder nicht, sollten Sie
sich zunächst vertrauensvoll an Ihren Neurologen, Frauenarzt oder Urologen wenden.
Die MS kann auf verschiedene Weise Störungen der Sexualität hervorrufen. Neben den
psychischen Auswirkungen der Erkrankung können auch die Nervenschädigungen im
Rückenmark einen direkten Einfluss nehmen. Symptome wie Spastik oder Sensibilitätsstörungen
können die sexuelle Reaktions- und Ausdrucksfähigkeit verändern. Außerdem
können erschwerend Störungen der Blasen- und Darmfunktion hinzukommen. Diese Probleme
treten meist nur im akuten Schub auf und bilden sich anschließend wieder zurück.
Wie kann man damit umgehen ?
Es gibt auch MS-Medikamente, die die Sexualfunktion negativ beeinflussen. Hierzu gehören
vor allem Arzneimittel gegen Depressionen und Spastik. Lassen Sie sich in diesem Fall
von Ihrem Arzt beraten, welche Alternativen es gibt. Setzen Sie Ihre Medikamente jedoch
niemals selbstständig ab. Organische Funktionsstörungen der Sexualität wirken sich bei
Männern und Frauen zum Teil unterschiedlich aus. Typische Störungen und Möglichkeiten
zur Behandlung sind in der folgenden Tabelle aufgeführt.
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Körperliche Liebe
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Typische Störungen der Sexualfunktionen und Möglichkeiten zur Behandlung
Typische Störungen bei Männern und Möglichkeiten zur Intervention
Störung oder Verlust der Erektionsfähigkeit
(erektile Dysfunktion)
Verringerte Empfindungsfähigkeit im
Penisbereich
Störung oder Verlust des Ejakulationsvermögens
(Unfähigkeit zum Orgasmus)
Tabletten (verschreibungspflichtig):
Sildenafil, Tadalafil, Vardenafil, Yohimbin
Injektion in den Penis (verabreicht sich der Patient selbst):
Alprostadil, Papaverin
Mechanische Hilfsmittel: Vakuumpumpen, Penisimplantate
Keine Standardbehandlung bekannt
Alternative Sexualpraktiken erproben (gegenseitige Masturbation,
Oralsex) zur Befriedigung des sexuellen Appetits
Libidoverlust Schaffung einer geeigneten Atmosphäre ohne Erfolgsdruck,
zärtliche gegenseitige Stimulation, ggf. auch Stimulation
durch erotische Bilder oder Filme
Typische Störungen bei Frauen und Möglichkeiten zur Intervention
Trockenheit der Scheide, Scheidenkrämpfe
Verringerte Empfindungsfähigkeit im
Bereich der Scheide und der Klitoris
Wasserlösliche Befeuchtungsmittel
Gleitcremes
Spezielle Übungen zur Stärkung der Beckenbodenmuskulatur
können helfen
Scheidenkrämpfe (Vaginismus) Vaginaltraining, z. B. mit Vibratoren
Orgasmusstörungen Alternative Sexualpraktiken erproben (gegenseitige Masturbation,
Oralsex) zur Befriedigung des sexuellen Appetits
Libidoverlust Schaffung einer geeigneten Atmosphäre ohne Erfolgsdruck,
zärtliche gegenseitige Stimulation, ggf. auch Stimulation
durch erotische Bilder oder Filme
Sie & Er – geschlechtsunabhängige Störungen
Muskelkrämpfe (Spastik) im
Oberschenkel
Krampflösende Medikamente
(nach Rücksprache mit dem Arzt)
Muskelschwäche Neue Positionen ausprobieren
Blasen- und Darmstörungen
(Inkontinenzprobleme)
Bewusst vorher weniger trinken, Toilettengang vor
dem Zusammensein
Verwendung eines Kondoms
Sex lieber vor dem Essen als danach
Eventuell Beckenbodentraining
Wie verhüte ich richtig?
Da die Empfängnisfähigkeit bei Frauen mit MS oder die Zeugungsfähigkeit bei Männern
nicht eingeschränkt ist, müssen sich Paare mit einem MS-kranken Partner genauso Gedanken
über Verhütung machen wie alle anderen Paare auch, sofern kein Kinderwunsch
besteht. Grundsätzlich gilt, dass alle gängigen Methoden auch für MS-Patienten mehr
oder weniger gut geeignet sind.
Beachten Sie, dass eine Schwangerschaft unbedingt vermieden werden muss, wenn
Frauen mit immunsuppressiven Arzneimitteln (zur Unterdrückung des Immunsystems)
behandelt werden, um das Kind vor möglichen negativen Auswirkungen dieser Medikamente
zu schützen. Diese müssen vor einer geplanten Schwangerschaft rechtzeitig
abgesetzt werden (bis zu 9 Monate vorher, je nach Wirkstoff).
Nachfolgend haben wir Ihnen die verschiedenen Methoden zur Empfängnisverhütung
kurz zusammengestellt. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt gegebenenfalls über Vor- und Nachteile
der einzelnen Methoden und vor allem über ihre Sicherheit. So sind zum Beispiel
keine Wechselwirkungen zwischen der „Pille“ und den MS-Medikamenten bekannt und
man kann sie unbesorgt einnehmen, sofern keine anderen Gegenanzeigen bestehen
(Alter, Rauchen, bestimmte Vorerkrankungen). Die „Pille“ sollte nur nicht verwendet werden,
wenn es zyklusabhängig zur Besserung der MS-Symptome kommt. Da MS-Medikamente
einen Einfluss auf die Körpertemperatur haben können, werden Methoden, die auf
einer Messung der Körpertemperatur beruhen, nicht empfohlen.
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Methoden zur Empfängnisverhütung
Methoden zur Empfängnisverhütung für …
… Sie … Ihn
Antibabypille: sicher, zuverlässig
Hormon-Depotspritze: sehr sicher,
empfohlen für Frauen über 40
„Spirale“: sehr sicher, vor allem zur längerfristigen
Kontrazeption geeignet
Diaphragma: ohne Spermizide geringe Sicherheit,
Handhabung schwierig bei
Störungen der Feinmotorik der Hände
Temperaturmessung: wegen der geringen Sicherheit
nicht zu empfehlen
Sterilisation: nur bei abgeschlossener
Familienplanung zu empfehlen, da sie nicht rückgängig
gemacht werden kann
Kondom: sicherer mit Spermiziden,
Handhabung schwierig bei Störungen der Feinmotorik
der Hände oder bei erektiler Dysfunktion
Koitus interruptus: wegen der geringen Sicherheit
nicht zu empfehlen
Sterilisation: nur bei abgeschlossener
Familienplanung zu empfehlen, da
sie nicht bzw. nur schwer rückgängig
gemacht werden kann
MS und Kinderwunsch
Sie sind jung, haben vielleicht gerade den Partner
für das Leben gefunden – und nun die Diagnose
MS. Leider kommt dies sehr häufig vor,
da viele jüngere Menschen von MS betroffen
sind. Heißt das nun, dass man die gewünschte
Familienplanung ganz über Bord werfen und
auf Kinder verzichten muss? Nein, zum Glück
ist das nicht so. Auch mit MS kann man eine
eigene Familie gründen.
Männer mit MS fragen sich häufig, ob
• sie trotz MS ein Kind zeugen können
• und welche Auswirkungen MS-Medikamente auf die Zeugungsfähigkeit und die
Spermien haben
• sie in Zukunft in der Lage sein werden, ein Kind aufzuziehen und die Familie
versorgen können
Frauen mit MS hingegen haben Sorge, dass
• die Schwangerschaft sich ungünstig auf den Verlauf der MS auswirken könnte
• die MS während einer Schwangerschaft nicht richtig behandelt werden kann,
weil Medikamente das Kind schädigen
• die Geburt durch die MS erschwert wird und das Neugeborene nicht gestillt
werden kann
• die Belastungen durch einen Säugling zu groß sind
Beiden gemeinsam ist die Angst, dass die MS vererbt werden könnte.
Auf diese Fragen möchten wir Ihnen hier Antwort geben.
21
Kinderwunsch
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Ist MS vererbbar?
Nein, direkt erblich ist die MS nicht. Allerdings kann die Veranlagung dazu, MS zu bekommen,
vererbt werden. Das Risiko steigt an, wenn beide Partner MS haben. Dies heißt aber
wiederum nicht, dass jeder, der die Veranlagung hat, auch wirklich MS bekommt. Dafür
spielen auch Umweltfaktoren, wie zum Beispiel chronische Virus-Infektionen, eine Rolle.
Die genauen Wechselbeziehungen zwischen ererbter Anlage und Umwelt sind noch nicht
aufgeklärt.
Welche Chancen und Risiken für eine
Schwangerschaft gibt es?
Männer und Frauen mit MS können genauso Eltern werden wie Gesunde. Es gibt keine
speziellen Risiken, weshalb MS-kranke Männer keine Kinder zeugen oder MS-kranke
Frauen nicht schwanger werden könnten.
Entscheidend für eine als positiv und glücklich erlebte Schwangerschaft scheint das
private Umfeld zu sein, mit ausreichend Unterstützung und Hilfsangeboten für die
werdende Mutter während der Schwangerschaft und im Wochenbett.
Deshalb sollten Sie sich frühzeitig bei Ihrem Frauenarzt über eine enge Betreuung durch
eine Hebamme oder eine Familienhelferin informieren.
Hier einige Fakten:
• MS-Medikamente haben bei Männern – mit wenigen Ausnahmen – keine Auswirkungen
auf die Zeugungsfähigkeit oder die Qualität der Spermien (manche Medikamente
sollten vorher abgesetzt werden, siehe dazu den nächsten Abschnitt).
• Männer, die unter einer erektilen Dysfunktion oder dem Verlust der Ejakulationsfähigkeit
leiden, können alternative Methoden in Betracht ziehen, wie zum Beispiel
die künstliche Befruchtung.
• Frauen mit MS bekommen genauso häufig ein gesundes Kind wie Frauen ohne MS
(ca. 95 %).
• Die Schubhäufigkeit scheint während der Schwangerschaft eher abzunehmen.
Die meisten Frauen fühlen sich in dieser Zeit sogar ausgesprochen wohl.
• Auch wenn nach der Entbindung die Schubhäufigkeit vorübergehend etwas zunehmen
kann, so scheinen doch Schwangerschaften einen insgesamt eher günstigen
Einfluss auf den weiteren Verlauf der MS zu haben.
•
Allgemeine Schwangerschaftsprobleme, wie zum Beispiel Blasenbeschwerden,
treten auch bei gesunden Frauen auf, wenn bei fortgeschrittener Schwangerschaft
das Kind auf die Blase drückt. Dies kann bei Frauen, die schon vorher eine Blasenschwäche
hatten, ausgeprägter sein.
• Frauen mit Sensibilitätsstörungen im Unterleib müssen sich besonders gut selbst
beobachten und auch am Ende der Schwangerschaft eng vom Frauenarzt überwacht
werden, da sie eventuell den Beginn der Wehentätigkeit nicht so gut spüren.
• Bei Frauen ohne größere Funktionseinschränkungen verläuft die Geburt meist
ganz normal.
Bei Frauen mit ausgeprägter Muskelschwäche oder Spastik in den unteren Extremitäten
kann die Geburt erschwert sein. In diesen Fällen kann ein Kaiserschnitt
geplant werden.
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24
Schwangerschaft und Geburt planen und erleben
Nicht jeder Zeitpunkt ist günstig für eine Schwangerschaft. Es ist ratsam, eine geplante
Schwangerschaft mit Ihrem Frauenarzt und Ihrem Neurologen zu besprechen. Nehmen
Sie auch vor der Schwangerschaft Kontakt mit anderen betroffenen Frauen auf.
Diese können Ihnen am besten über ihre persönlichen Erfahrungen und die Vielzahl der
Unterstützungsmöglichkeiten Auskunft geben.
Bevor Sie jedoch ernsthaft über eine Schwangerschaft nachdenken, machen Sie sich klar,
welche Belastungen durch den „Familienzuwachs“ auf Sie zukommen werden. Sie sollten
sich ganz sicher sein, dass Sie ausreichend Unterstützung und Rückhalt von Seiten der
Familie haben. Vor einer Schwangerschaft sind weitere Punkte zu beachten:
• Der letzte Schub sollte längere Zeit zurückliegen. Frauen mit einer sehr hohen
Schubfrequenz sollten zunächst lieber abwarten, ob sich diese durch geeignete
Medikamente verringern lässt, da sonst die Gefahr eines Schubes in der Schwangerschaft
zu groß ist.
• Während eines Schubes sollte man auf keinen Fall schwanger werden.
•
Medikamente in der Schwangerschaft:
Da einige Substanzen, die in der MS-Behandlung eingesetzt werden, das Ungeborene
schädigen können, müssen manche Medikamente längere Zeit vor Beginn
einer Schwangerschaft abgesetzt werden.
Allgemein gilt:
– Immunsuppressiva wie z.B. Azathioprin oder Cyclophosphamid sollten von
Männern und Frauen mindestens 9 Monate vor der geplanten Schwangerschaft
abgesetzt werden. Bei ungeplanter Schwangerschaft wird ein Abbruch empfohlen.
– Beta-Interferone und Glatirameracetat sind zwar wahrscheinlich nicht fruchtschädigend,
werden aber vor einer Schwangerschaft in den meisten Fällen trotzdem
abgesetzt. Unter Interferonen kann es zu frühen Fehlgeburten kommen.
– Immunglobuline gelten als ungefährlich, der Einsatz erfolgt aber nur in besonderen
Fällen.
– Die medikamentöse MS-Therapie wird in der Schwangerschaft meist unter-
brochen. Tritt trotzdem ein Schub ein, kann dieser im 2. oder 3. Schwangerschaftsdrittel
mit Kortison behandelt werden.
Schwangerschaft und Geburt planen
• Planen Sie für den Geburtstermin gut voraus. Lassen Sie eventuell die Notwendigkeit
einer vorbeugenden Schubbehandlung nach der Entbindung in Ihren Mutterpass
eintragen.
• Nehmen Sie unbedingt alle Vorsorgetermine wahr und setzen Sie sich frühzeitig
mit der geburtshilflichen Klinik in Verbindung, in der Sie entbinden wollen.
Von einer Hausgeburt wird Frauen mit MS abgeraten.
• Informieren Sie den Arzt und die Hebamme, die Sie während der Geburt betreuen
werden, über Ihre MS. Hinterlegen Sie bei Ihrem Frauenarzt und in der Klinik auch
die Kontaktdaten Ihres Neurologen.
• Besprechen Sie in der Klinik auch die Möglichkeiten der Schmerzbehandlung bei
einer natürlichen Geburt. Insbesondere eine Periduralanästhesie (Rückenmarks-
betäubung) sollte vermieden werden, da sie mit MS-Schüben in Verbindung gebracht
wird.
• Planen Sie außerdem Maßnahmen, die eventuell notwendig werden, wenn Sie
während der Entbindung vorzeitig ermüden und nicht mehr pressen können.
• Wenn Sie unter einer ausgeprägteren Muskelschwäche oder Spastik leiden, sollten
Sie auch einen Kaiserschnitt einplanen.
• Nach der Entbindung kann es vorübergehend zu einer Erhöhung der Schubrate
kommen. Experten nehmen dafür die hormonelle Umstellung als Ursache an.
Idealerweise sollte daher sofort nach der Entbindung die Behandlung mit Ihrer
bisherigen Erhaltungstherapie wieder beginnen. Allerdings sollten Sie dann Ihr
Baby nicht stillen.
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Elternsein von Anfang an genießen
Freuen Sie sich auf Ihr Kind – es ist wunderbar, ein kleines Menschenkind dabei zu beobachten,
wie es sich Tag für Tag verändert und das Leben der ganzen Familie bereichert.
Damit Sie das Elternsein von Anfang an genießen können, sollten Sie einige Dinge schon
im Vorfeld beachten:
• Knüpfen Sie sich schon früh ein enges Netzwerk aus Helfern, die Sie während der
Schwangerschaft und danach begleiten. Dies können Familienangehörige, Freundinnen
und Nachbarinnen, eine Hebamme oder eine Familienhelferin (z. B. von der
Caritas oder Diakonie) sein.
• Lassen Sie sich nicht stressen, gönnen Sie sich ausreichend Ruhe und Entspannung.
Übergeben Sie die Verantwortung für das Kind auch einmal für ein paar
Stunden einer Vertrauensperson, damit Sie sich entspannen können.
• Wichtig ist eine ausgewogene Ernährung mit vielen Vitaminen und Ballaststoffen,
damit sich Ihr Körper nach der Hormonumstellung rasch erholt. Dies gilt vor allem
dann, wenn Sie Ihr Kind auch stillen wollen.
Welchen Einfluss hat Stillen auf den
weiteren Verlauf der MS?
Die Meinungen der Experten über das Stillen gehen auseinander. Unbestritten ist, dass
für die Mutter-Kind-Beziehung das Stillen unschätzbare Vorteile hat. Auch bekommt das
Kind viele wertvolle Stoffe über die Muttermilch, so dass es in den ersten Lebensmonaten
vor Infektionen und im späteren Leben vor Allergien besser geschützt ist.
Welchen Einfluss das Stillen auf den weiteren Verlauf der MS selbst hat, ist bislang unbekannt.
Negative Auswirkungen sind wohl nicht zu befürchten. Deshalb plädieren Ärzte
auch bei MS-Patientinnen eher für das Stillen, sofern sie einen relativ milden Verlauf der
MS haben und Medikamente zur Schubprophylaxe nicht zwingend einnehmen müssen.
Natürlich bedeutet das Stillen auch eine zusätzliche Belastung für den Körper der Mutter.
Es muss also jeder für sich selbst entscheiden, ob die Ernährung mit der Flasche eventuell
weniger anstrengend und kräftezehrend ist.
In den ersten 6 Monaten nach der Entbindung nimmt die Schubhäufigkeit vorübergehend
zu. Dies ist kein Grund zur Sorge, da gewöhnlich die Aktivität der MS dann wieder auf das
Niveau von vor der Schwangerschaft zurückgeht. Wenn Sie schon vor der Schwangerschaft
Medikamente zur Schubvorbeugung eingenommen haben, dann bietet sich die
Möglichkeit, mit der Schubprophylaxe unmittelbar nach der Entbindung wieder zu beginnen.
Gewöhnlich erhalten Sie die gleichen Präparate, die Sie auch vorher hatten.
In diesem Fall können Sie das Kind nicht stillen und müssen mit der Flaschennahrung beginnen.
Die Babymilch ist heute so ausgereift, dass Sie sich keine Sorgen machen müssen.
Das Kind wird auch mit Fläschchen gut ernährt. Besteht die Gefahr, dass Ihr Baby allergieanfällig
ist, ist eine so genannte HA-Milch / HA-Nahrung (hypoallergene Milch / Nahrung)
eine gute Lösung.
In diesem Fall ziehen Sie bitte erst den Kinderarzt zu Rate.
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Kinderbetreuung – ein Plan B muss her
Was aber tun, wenn Sie doch einen Schub bekommen und ins Krankenhaus müssen?
Nicht nur für Neugeborene, sondern auch für größere Kinder sollte für den Notfall ein
Betreuungsplan organisiert werden. Omas, Nachbarinnen, Tagesmütter oder auch professionelle
Familienhelferinnen können hier eingebunden werden. Das „soziale Netz“, das sie
während der Schwangerschaft geknüpft haben, ist jetzt sehr wichtig. Leider ist es heute
oft so, dass die eigenen Eltern oder Geschwister nicht in der Nähe wohnen und kurzfristig
als Kinderbetreuer einspringen können. Dann benötigen Sie gute Kontakte, um rasch
jemanden zu finden, wenn Not am Mann ist.
Haben Sie keine Sorge, dass eine vorübergehende Fremdbetreuung dem Kind schaden
könnte. Es gibt viele Angebote mit geschulten Betreuern, die sensibel auf die individuellen
Bedürfnisse von Kindern eingehen können und dafür sorgen, dass der Tagesablauf
im normalen Rhythmus bleibt. Falls es Ihnen möglich ist, versuchen Sie, dass
die betreuende Person dem Kind möglichst schon vor dem Notfall vertraut ist.
Wie viel fremde Hilfe Sie benötigen, wird auch entscheidend davon abhängen, wie sehr
sich Ihr Partner neben dem Beruf noch um die Kinder kümmern kann. Nicht immer ist es
möglich, vorübergehend die Arbeitszeit zu reduzieren, um mehr für die Kinder da zu sein.
Zur Vorbereitung einer solchen Ausnahmesituation sollten Sie sich zunächst über die
Möglichkeiten der Kinderbetreuung informieren.
Möglichkeiten zur Kinderbetreuung
• Krippenplätze für unter 3-jährige in Ihrer Nähe, Betreuung von Kindern außerhalb
der Kindergarten-Öffnungszeiten oder nach der Schule. Ganz wichtig ist das in den
Ferienzeiten, wenn die öffentlichen Einrichtungen geschlossen sind.
• Tagesmütter, Nachbarinnen und Freundinnen, die sich um die Kinder kümmern
können, solange Sie im Krankenhaus sind.
• Nutzen Sie auch die Kontakte aus der „Krabbelgruppe“ zu anderen jungen
Müttern, die zeitweise einspringen könnten.
• Wenn Ihr Krankenhausaufenthalt länger andauert, müssen Sie wahrscheinlich
professionelle Hilfe in Anspruch nehmen. Erkundigen Sie sich schon im Vorfeld bei
Ihrer Krankenkasse, wie die Familienhilfe im Notfall organisiert werden kann.
„Coping“ – Strategien zur Krankheitsbewältigung
Es gibt Strategien, die dabei helfen, die krankheitsbedingten Belastungen besser zu
meistern. Dabei spielt eine wichtige Rolle, dass man sich aktiv mit der Situation auseinandersetzt.
Das Leben hat viele schöne Seiten – auch mit MS.
Positive Strategien zur Krankheitsbewältigung nennt man „Coping“. Dabei sollen durch
Krankheit ausgelöste Stresssituation konstruktiv gemeistert werden. Grundvoraussetzung
ist zunächst, dass der Betroffene die Erkrankung annimmt und einen möglichen
Verlust von Leistungsfähigkeit akzeptiert. Erst dann kann er neue individuelle und soziale
Kraftquellen aufbauen, die sich der jeweiligen Situation und den geänderten Fähigkeiten
anpassen. Es gibt viele wichtige Aufgaben, die man auch mit MS übernehmen kann.
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Coping
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Günstige Verhaltensweisen, die dabei helfen, dieses Ziel zu erreichen, können sein:
• Über seine Sorgen und Gefühle in Bezug auf die Krankheit sprechen
• Aktiv Informationen über die Krankheit einholen und nach Hintergründen der
Behandlungsmaßnahmen fragen
• Das Verhalten auf die Krankheit ausrichten, aber dennoch soziale Aktivitäten
soweit wie möglich beibehalten
• Einfluss auf die Gestaltung der Lebenswelt nehmen und aktiv bleiben, bewusst
mit den Grenzen umgehen
• Positiv denken und seinen Sinn für Humor nutzen
• Kontakt aufnehmen mit anderen Betroffenen (Selbsthilfegruppen)
• Ziele setzen und aktiv daran arbeiten
• Vorausschauend den möglichen Krankheitsverlauf in die Lebensplanung mit
einbeziehen und neue soziale Rollen erproben
• Ein dem Gesundheitszustand angemessenes Maß von Unabhängigkeit im Alltag
bewahren, aber Hilfe suchen, wenn es nötig ist
Diese Regeln gelten natürlich nicht nur für den an MS-Erkrankten selbst, sondern auch für
seine Angehörigen. Wenn Sie dies beherzigen, dann können auch Sie in eine glückliche,
zufriedene Zukunft blicken und ein erfülltes, abwechslungsreiches Leben führen.
Hilfe annehmen, da wo sie nötig ist
Es ist viel Fingerspitzengefühl nötig, um die richtige Balance zwischen der Annahme
von Hilfsangeboten seitens der Familie und eigenem Streben nach Unabhängigkeit und
selbstbestimmtem Leben zu finden. Nehmen Sie Hilfe an, wo sie nötig ist, aber zeigen Sie
auch Grenzen auf. Interpretieren Sie nicht jedes Unterstützungsangebot als übervorsichtiges
Einmischen und mangelndes Vertrauen in Ihre Leistungsfähigkeit. Aber auch ihre
Angehörigen müssen lernen, dass Ablehnung von Hilfe keine Zurückweisung ist. Sprechen
Sie offen über die Bedürfnisse und Wünsche aller Beteiligten und versuchen Sie, die persönlichen
Eigenheiten aller zu respektieren.
Nicht vergessen:
mal aus dem Alltag ausbrechen
Leben mit MS heißt nicht ein „Leben für MS“. Nehmen Sie die MS als Teil Ihres Lebens
an und richten Sie Ihren Alltag darauf ein. Lassen Sie nicht zu, dass die MS Ihr Leben
bestimmt. Auch mit MS gibt es unendlich viel, was das Leben bereichert, Ihnen Freude
und Glück bringt und Sie vor allem davor bewahrt, dass Sie sich zu sehr mit der Krankheit
beschäftigen.
Jeder aus Ihrer Familie und Ihrem Freundeskreis kann Ihnen dabei helfen, die MS und ihre
Folgen besser zu bewältigen. Motivieren Sie sich gegenseitig immer wieder, einmal aus
dem Alltag auszubrechen und Entspannung und Spaß bei gemeinsamen Aktivitäten zu
suchen. Möglichkeiten gibt es viele. Alles was Sie dazu brauchen, ist ein wenig Mut und
Offenheit. Machen Sie das, was Ihnen Spaß macht, pflegen Sie Ihre Hobbys und Ihren
Freundeskreis, verbringen Sie Zeit mit Ihrer Familie und nehmen Sie am sozialen Leben
teil.
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• Machen Sie mit Ihrer Familie oder Freunden hin und wieder kleine Ausflüge, ein
Picknick, einen Zoobesuch oder Spielabend mit den Kindern. Oder wie wäre es mal
wieder mit einem Besuch im Museum, im Kino oder im Theater? Auch für Behinderte
im Rollstuhl sollte das heute kein Hindernis mehr sein, da die die meisten
öffentlichen Einrichtungen einen barrierefreien Zugang ermöglichen. Viele Tipps
finden Sie auch in unserer neuen Broschüre „Freizeit, Sport und Reisen mit MS“.
• Sport, angepasst an Ihre körperlichen Möglichkeiten, ist eine gute Freizeitbeschäftigung.
Sie können sich einem normalen Sportverein oder einer Sportgruppe
speziell für Behinderte anschließen. Dort finden Sie sicherlich auch neue Freunde
und Bekannte, mit denen Sie Ihre Freizeit aktiv gestalten können. Informationen
finden Sie zum Beispiel bei dem Deutschen Behindertensportverband e.V. und in
der Broschüre der DMSG „MS und Sport“.
• Natürlich können Sie auch weiterhin mit Ihrer Familie in den Urlaub fahren.
Zahlreiche Tipps zu Urlaubsmöglichkeiten auch für Behinderte finden Sie u. a.
im Internet unter www.dbs-npz.de, www.bsnw.de und www.handicap.de.
Damit Sie die Unternehmungen richtig genießen können, sollte alles immer gründlich geplant
werden. So wird das „aus dem Alltag ausbrechen“ eine garantiert gelungene Aktion.
In diesem Sinne wünschen wir Ihnen und allen, die Ihnen am Herzen liegen, alles Gute für
die Zukunft.
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Wo finde ich Hilfe?
Was tun, wenn Ihnen alles über den Kopf wächst und Sie glauben, dass Sie es alleine nicht
schaffen können? Auch solche Zeiten wird es geben, und dann ist professionelle Hilfe angezeigt.
Wo findet man die?
• Klinik / Rehabilitationsklinik, Physio- und Ergotherapeuten
•
MS-Zentren, MS-Schwerpunktpraxen, MS-Beratungsstellen
• Neurologen, Psychologen, Partner- und Familienberatungsstellen
• MS-Selbsthilfegruppen
Weiterführende Literatur
Broschüren der DMSG:
1. Diagnose MS – Seelische Probleme & Krankheitsbewältigung
2. Sexualität und Partnerschaft
Bezug: Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e.V.,
Küsterstraße 8, 30519 Hannover; www.dsmg.de
Shapiro:
Multiple Sklerose: Symptome aktiv lindern. TRIAS Verlag Stuttgart 2004
Krämer, Besser:
Multiple Sklerose: Antworten auf die häufigsten Fragen. TRIAS Verlag Stuttgart 2006
Maida:
Der große TRIAS-Ratgeber Multiple Sklerose. TRIAS Verlag Stuttgart 2005
Henze:
Multiple Sklerose: Symptome besser erkennen und behandeln:
Ein Buch für Menschen mit MS. Zuckschwerdt Verlag München 2008
Fuchs, Fazekas:
Diagnose Multiple Sklerose: Unser gemeinsamer Weg zu
Lebensqualität mit MS. Springer Verlag Wien 2009
Jasper:
Familie, Partnerschaft und Sexualität bei Multipler Sklerose.
dmv Deutscher Medizin Verlag Münster 2004
Schipper:
Langzeit-Immuntherapie der Multiplen Sklerose. dmv Deutscher
Medizin Verlag Münster 2007
Bethke, Schipper:
Ganzheitliche Therapie der Multiplen Sklerose.
dmv Deutscher Medizin Verlag Münster 2008
Wichtige Kontaktadressen
Novartis Pharma GmbH, 90327 Nürnberg
EXTRACARE-Servicehotline: 0 800-987 00 08
(gebührenfrei Mo. bis Fr. von 8.30 bis 18.30 Uhr)
www.ms-und-ich.de: Informationen rund um das Thema MS.
Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft, Bundesverband e. V., Küsterstr. 8,
30519 Hannover, Telefon 0511 96834-0, www.dmsg.de
www.msif.org: Internationale Multiple Sklerose Gesellschaft bietet unabhängige
Information von MS-Experten aus der ganzen Welt.
PRO FAMILIA-Bundesverband, Stresemannallee 3, 60596 Frankfurt / Main,
Tel. 069 / 63 90 02, Fax: 069 / 63 90 52, E-Mail: info@profamilia.de,
www.profamilia.de
Informationszentrum für Sexualität und Gesundheit e. V. (ISG)
Geschäftsstelle Universitätsklinikum Freiburg, Abteilung Urologie
Hugstetter Str. 55, 79106 Freiburg im Breisgau Tel. 0180 / 555 84 84
(Montag bis Freitag von 15 bis 20 Uhr) E-Mail: ISG@ch11.ukl-freiburg.de,
www.isg-info.de
Institut für Lebens- und Sexualberatung der Deutschen Gesellschaft
für Sozialwissenschaftliche Sexualforschung – DGSS
Gerresheimer Str. 20, 40211 Düsseldorf, Tel. 0211 / 35 45 91, Fax: 0211 / 360 777,
E-Mail: sexualberatung@sexologie.org, www.sexologie.org
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Hilfe
Weitergehende Informationen
finden Sie im Internet unter:
www.ms-und-ich.de
Falls Sie Fragen haben, steht Ihnen unser
Berater-Team gerne zur Verfügung.
EXTRACARE-Servicehotline:
0 800-987 00 08
(gebührenfrei
Mo. bis Fr. von 8.30 bis 18.30 Uhr)
EXTRACARE-Sevicecenter:
info@extracare.de
Novartis Pharma GmbH
90327 Nürnberg
www.novartis.de
05 / 2011 312193