Kapitel 1 Theorie des Konsumenten (Teil c: Einkommens
Mikroökonomik
Claus-Jochen Haake
SS 2008
Mikroökonomik ’SS08 – slide 1
Preis- und Einkommenseffekte
Mikroökonomik ’SS08 – slide 2
Einkommenseffekte
Wir wollen untersuchen, wie sich die (Marshallsche) Nachfrage ändert, wenn
sich Einkommen oder Preis ändern.
Dazu wollen wir die Nachfrage des Konsumenten nach einem Gut in
Abhängigkeit des Einkommens (❀ Engel-Kurve) bzw. in Abhängigkeit des
Preises (❀ Nachfrage-Kurve) darstellen.
Definition Seien Präferenzen und Preis p gegeben. Der
Einkommensexpansionspfad ist die Menge aller Güterbündel x ∗ , zu denen
es ein Einkommen gibt, so dass x ∗ bei diesem Einkommen nachgefragt wird,
d.h. die Menge
x ∈ R l + | ∃m ≥ 0 : x = x M
(p, m) .
Daraus können wir einen funktionalen Zusammenhang zwischen Einkommen
und nachgefragter Menge eines Gutes konstruieren. Die so erhaltene
Abbildung heißt Engel-Kurve.
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Homothetische Präferenzen
Unter welchen Umständen bekommen wir eine lineare Engelkurve, d.h. das
Verhältnis zwischen Einkommen und nachgefragter Menge, also die
Ausgabenquote pi xM i (p, m)/m für dieses Gut, bleibt unverändert.
Definition
Eine (Nutzen-) Funktion u : R l + −→ R heißt homothetisch, wenn sie als
Komposition einer streng monoton steigenden Funktion f : R −→ R und einer
linear homogenen Funktion w : R l + −→ R geschrieben werden kann, also
u(x) = f(w(x)) für alle x ∈ R l + richtig ist.
Eine Präferenzrelation heißt homothetisch, wenn sie durch eine
homothetische Nutzenfunktion repräsentiert werden kann.
Insbesondere können also homothetische Präferenzen durch eine
Nutzenfunktion dargestellt werden, die homogen vom Grad 1 ist (etwa
Cobb-Douglas, lineare NF, Leontief, ...).
Wie sieht die Engel-Kurve dazu aus?
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Quasilineare Nutzenfunktionen
Definition
Eine (Nutzen-) Funktion u : Rl + −→ R heißt quasilinear, wenn es eine
Funktion w : R l−1
+ −→ R gibt, so dass
gilt.
u(x1, . . .,xl) = w(x1, . . .,xl−1) + xl
Eine Präferenzrelation heißt quasilinear, wenn sie durch eine quasilineare
Nutzenfunktion repräsentiert werden kann.
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Einkommenselastizität
Wie misst man nun Einkommenseffekte?
Die partielle Ableitung ∂xMi (p, m) gibt an, mit welcher Rate die Nachfrage
∂m
nach Gut i mit dem Einkommen steigt, misst also den Einkommenseffekt.
Oft nimmt man die Einkommenselastizität (von Gut i). Sie sagt aus, um
wieviel Prozent die Nachfrage bei einer 1-prozentigen Erhöhung des
Einkommens steigt und ist durch
ηi = ηi(p, m) := ∂xM i
∂m
definiert. Also
ηi =
(p, m) ·
x M i
m
(p, m)
prozentuale Änderung der nachgefragten Menge von Gut i
prozentuale Änderung des Einkommens
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Normale u. inferiore Güter
Die Analyse des Einkommenseffektes (part. Ableitung der Marshallschen
Nachfrage nach dem einkommen) erlaubt uns, Güter zu unterscheiden.
Definition
Das Gut i heißt an einer Stelle (p, m) normal, falls ∂xM
∂m (p, m) ≥ 0 gilt, der
Einkommenseffekt also nicht negativ ist.
Das Gut i heißt an einer Stelle (p, m) inferior, falls ∂xM
∂m (p, m) < 0 gilt, der
Einkommenseffekt also negativ ist.
Gut i heißt normal (bzw. inferior), falls es an jeder Stelle (p, m) normal
(bzw. inferior) ist.
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Eigenschaften homoth. Präferenzen
Satz Folgende Aussagen sind äquivalent:
1. Die Präferenzen sind durch eine homogene Nutzenfunktion darstellbar.
2. Alle Engel-Kurven sind für jedes p linear.
3. Der Einkommensexpansionspfad ist für jedes p linear.
4. Die Einkommenselastizitäten ηi(p, m) sind für jedes Gut i an jeder Stelle
(p, m) gleich 1.
Bemerkung
1. Es gilt für jeden Preisvektor p ∈ Rl ++ und m > 0 (mit Eulers Theorem):
l ∂x
pj
M l
j
x
(p, m) = pj
∂m M j (p, m)
= 1.
m
j=1
j=1
2. Im homoth. Fall gilt für jedes Gut i: Grenzausgaben=Ausgabenquote
∂x
ηi = 1 ⇐⇒ pi
M i
∂m
x
(p, m) = pi
M i
(p, m)
m
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Preiseffekte
Analog zum Einkommensexpansionspfad können wir auch verfolgen, welche
Änderungen der Nachfrage durch eine Änderung der Preise hervorgerufen
wird.
Definition Seien Präferenzen, Einkommen m und alle Preise pj (j = i) außer
pi fixiert. Der Preisexpansionspfad (auch offer-curve) ist die Menge aller
Güterbündel x∗ , zu denen es einen Preis pi gibt, so dass x∗ bei diesem Preis
pi und fixierten Preisen p−i und Einkommen m nachgefragt wird, d.h. die
Menge
x ∈ R l + | ∃pi > 0 : x = x M
(p, m) .
Daraus können wir einen funktionalen Zusammenhang zwischen Preis pi und
nachgefragter Menge eines Gutes konstruieren. Die so erhaltene Abbildung
heißt Nachfragekurve.
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Preiselastizitäten
Analog zu Änderungen des Einkommens misst
● ∂xM i
∂pi
(p.m) den direkten Preiseffekt, und
● εii = εii(p, m) := ∂xM i
∂pi
● ∂xM i
∂pj
pi
(p.m) ·
xM i (p, m)
die direkte Preiselastizität der Nachfrage (nach Gut i bei (p, m)), sowie
(p.m) den indirekten Kreuzpreiseffekt, und
● εij = εij(p, m) := ∂xM i
∂pj
(p.m) ·
x M i
pj
(p, m)
die Kreuzpreiselastizität der Nachfrage (nach Gut i bei Änderung von pj
an der Stelle (p, m)).
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Giffen-Güter
Definition
Ein Gut i, für das an der Stelle (p, m) gilt, dass der direkte Preiseffekt positiv
ist, also
∂x M i
∂pi
(p.m) > 0
gilt, heißt Giffen-Gut (an der Stelle (p, m)).
Also: Leitet man bei einem Giffen Gut die nachfragefunktion ab, so hat diese
an der Stelle entsprechenden Stelle eine positive Steigung.
Wir wollen später sehen, ob (dass) das Gesetz der fallenden Nachfrage
(Law of Demand) gültig ist:
“Steigt der Preis eines normalen Gutes, so fällt dessen Nachfrage.”
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Eigenschaften von x M (·, ·)
Satz (Euler Theorem)
Sei f : R n −→ R n diff’bar und homogen vom Grad k ≥ 0. Dann gilt für alle x:
n ∂f
(x)xi = k f(x).
∂xi
i=1
Satz Für die Marshallsche Nachfrage gilt:
1. x M i ist für jedes i = 1, . . .,l homogen vom Grad 0.
2. Engel-Aggregation:
l
i=1 pi x M i (p, m) = m =⇒ l
i=1
3. Cournot-Aggregation:
l
i=1 pi x M i (p, m) = m =⇒ l
i=1
4. l
j=1 εij = −ηi.
pi x M i (p,m)
m
pi x M i (p,m)
m
ηi = 1.
εij = − pj xM j (p,m)
m .
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Eigenschaften von x H (·, ·)
Satz Für die Hickssche Nachfrage gilt:
1. xH i ist für jedes i = 1, . . . , l in p homogen vom Grad 0,
d.h. xH i (λp, ū) = xHi (p, ū).
2. Ist die Ausgabenfunktion zweimal stetig differenzierbar, so gilt für alle
Güter i, j:
∂x H i (p,ū)
∂x H i
(p, ū)
∂pj
= ∂2 e(p, ū)
∂pi∂pj
= ∂2 e(p, ū)
∂pj∂pi
= ∂xH j (p, ū)
.
∂pi
misst den Substitutionseffekt bei Preisänderung von Gut j. Die
∂pj
Indifferenzkurve (zu ū) wird dabei festgehalten.
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Zerlegung der Nachfrageänderung
Wir wollen folgende Situation untersuchen:
Nach einer Änderung des Preises für Gut i ändert sich die Nachfrage des
Konsumenten. Wir wollen diesen Gesamteffekt zerlegen.
Nach einem Anstieg von pi kann sich zum einen der Konsument
(möglicherweise) das ursprünglich nachgefragte Bündel nicht mehr leisten,
bzw. kann er nicht mehr die ursprüngliche Indifferenzkurve erreichen. In
diesem Sinne ändert sich sein Einkommen.
Zum anderen möchte der Konsument wegen Änderung der relativen Preise
(Grenzraten der Transformation) lieber ein anderes Bündel nachfragen (im
ursprünglichen Bündel gilt ja nicht mehr MRS = MRT).
Zusammengenommen zerlegen wir die Nachfrageänderung in einen
Substitutionseffekt und einen Einkommenseffekt.
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Slutsky-Gleichung (Version Hicks)
Aus der Dualität von NMP und AMP wissen wir, dass die Marshallsche
Nachfrage nach Gut i zu Preisen p und Minimalausgaben für ū gleich der
Hicksschen Nachfrage zu p und ū ist, also
x M i (p, e(p, ū)) = x H i (p, ū).
(ū = u(x M (p, m)) = v(p, m)).
Für x ∗ = x M (p, m) und ū = u(x ∗ ) heißt die Abbildung c H mit c H (p) := x H (p, ū)
auch Hicks kompensierte Nachfrage (zu x ∗ ).
Differenzierenbeider Seiten (oben) nach dem Preis von j liefert die
Slutsky-Gleichung
∂x M i
∂x M i
(p, m)
=
∂pj
∂xHi (p, ū)
− x
∂pj
M j (p, m) ∂xMi (p, m)
∂m .
(p, m)
∂pj
Gesamteffekt
=
∂x H i
(p, ū)
∂pj
Substitutionseffekt
−x M j (p, m) ∂xMi (p, m)
.
∂m
Einkommenseffekt
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Slutsky-Gleichung (Version Slutsky)
In dieser zweiten Version kompensieren wir den Konsumenten so, dass er sich
das ursprünglich nachgefragte Bündel (genau) leisten kann. Definiere dazu:
s(p, x ∗ ) := x M (p, px ∗ ).
Differenzieren beider Seiten nach dem Preis von j liefert:
∂x M i
(p, m)
∂pj
= ∂si(p, x ∗ )
∂pj
− x M j (p, m) ∂xMi (p, m)
∂m .
Im Folgenden arbeiten wir mit der Hicksschen Version der Slutsky Gleichung.
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Satz
∂x M i
Folgerungen aus der Slutsky-Gl.
(p, m)
=
∂pj
∂xHi (p, ū)
− x
∂pj
M j (p, m) ∂xMi (p, m)
∂m .
1. Für die Substitutionseffekte (im eigenen Preis) gilt ∂xH i (p,ū)
∂pi
(etwa: e(p, ū) ist konkav in p; benutze Shepards Lemma)
≤ 0.
2. Ist Gut i normal, so ist die Nachfrage nach Gut i im eigenen Preis pi
schwach monoton fallend.
3. Ist Gut i ein Giffen-Gut, so ist es auch inferior.
4. Ist Gut i “extrem inferior”, d.h. ∂xM i (p,m)
Giffen-Gut.
∂m xMi (p, m) < ∂xH (p,ū)
∂pi
, so ist i ein
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Substitutionselastizität
Statt den Substitutionseffekte durch die partielle Ableitung ∂xH i (p,ū)
zu ∂pj
beschreiben, wollen wir ihn auch durch die Substitutionselastizität beziffern.
Definition
Bezeichne rij := pi/pj das Preisverhältnis von Gut i zu j, i = j und sei ū ein
fixiertes Nutzenniveau. Dann bezeichne
xH i (p,ū)
∂
x
ζij = ζij(p, ū) :=
H j (p,ū)
·
∂rij
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rij
x H i (p,ū)
x H j (p,ū)
die Substitutionselastizität zwischen Gütern i und j.
Die Substitutionselastizität gibt also die prozentuale Änderung des
Verhältnisses der Nachfrage nach i und j relativ zu einer prozentualen
Änderung des Preisverhältnisses an.
Merke, dass x H nur von den relativen Preisen abhängt.
Lemma Für i = j gilt:
ζij = − ∂xH i
Slutsky-Gleichung mit Elastizitäten
(p, ū)
∂pj
·
e(p, ū)
xH i (p, ū)xH j (p, ū).
Interpretation: ζij ist ein Maß dafür, wie “einfach” das relativ teurer
gewordene Gut gegen das relativ günstiger gewordene substituiert werden
kann. M.a.W.: Je größer |ζij|, desto engere Substitute sind i und j.
Satz (Slutsky-Gleichung in Elastizitätenform) Es sei i = j und sei ¯m = e(p, ū).
Dann gilt:
εij = − pj x M j
εij
(p, ¯m)
¯m
Kreuzpreiselastizität
· (ζij + ηi).
= − pj x M j
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⎛
(p, ¯m) ⎜
· ⎝ ζij
¯m
Ausgabenquote Subst.elast.
Ergebnisse Elastizitäten
Satz Unter den getroffenen Annahmen an die Nutzenfunktion gilt:
+ ηi
Eink.elast.
1. Sind die Einkommenselastizitäten zweier Güter an einer Stelle (p, m)
gleich, so weisen Sie dort auch dieselben Kreuzpreiseffekte auf, d.h.
ηi(p, m) = ηj(p, m) =⇒ ∂xM i
∂pj
(p, m) = ∂xM j
∂pi
(p, m).
2. Sei i ein Gut, für das alle Kreuzpreiseffekte gleich 0 sind
( ∂xM i
∂pj
(a)
(b)
(p, m) = 0 (j = i)). Dann gilt:
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⎞
⎟
⎠.
∂x M i
∂m (p, m) ≥ 0 ⇐⇒ εii(p, m) ≤ 0 (i normal g.d.w. Preisel.≥ 0)
∂x M i
∂m (p, m) < 0 ⇐⇒ ∂xM i
∂pi
3. Für alle i, j gilt ζij = ζji (s. voriges Lemma).
(p, m) > 0 (i inferior g.d.w. i Giffen-Gut)
Ergebnisse homoth. Präferenzen
Für den Rest dieses Kapitels wollen wir annehmen, dass die Präferenzen des
Konsumenten durch eine linear homogene Nutzenfunktion dargestellt
werden können, er also homothethische Präferenzen besitzt. Zudem seien
Preise p >> 0 strikt positiv.
Was können wir (nun genauer) über die Nachfrage aussagen?
Satz Für homothetische Präferenzen gilt:
1. e(p, ū) = e(p, 1)ū (ū ∈ R).
2. v(p, m) = 1
e(p,1) m (m ∈ R+).
3. x M i (p, m) =
∂v (p, 1) ∂pi
e(p, 1)
m (i = 1, . . .,l).
Also, die Marshallsche Nachfragefunktionen sind linear im Einkommen (❀
EEP und Engelkurven sind linear)
(p, m)
=
m
pi ∂v
Preisen ab (nicht vom Einkommen).
4. Die Ausgabenquoten pi x M i
(p, 1) ∂pi
e(p, 1)
hängen nur von den
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Ergebnisse homoth. Präferenzen
5. Die Einkommenselastizitäten in jedem Gut und an jeder Stelle (p, m) sind
gleich 1.
6. An jeder Stelle (p, m) und je zwei Güter i, j sind die Kreuzpreiseffekte
gleich, d.h. ∂xM i
∂pj (p, m) = ∂xM j
∂pi
(p, m).
Gilt zudem für ein Gut i, dass an einer Stelle (p, m) die
Substitutionselastizitäten ζij, für alle j = 1, . . .,l gleich −1 sind, so folgt:
7. εij(p, m) = 0 für j = i und εii(p, m) = −1.
8. Sei αi(p) := pi x M i (p,m)
von m). Es gilt
∂αi
(p) = 0.
∂pi
m
die Ausgabenquote für Gut i (nach 4. unabhängig
Sind also obige Substitutionselastizitäten überall gleich -1, so ist die
Ausgabenquote konstant (in (p, m)).
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... bei konstanten Ausgabenquoten
Satz Angenommen, die Marshallschen Nachfragefunktionen sind derart, dass
die Ausgabenquoten konstant sind (unabhängig von p, m). Dann gilt (an jeder
Stelle (p, m)):
1. εii = −1 (i = 1, . . .l).
2. εij = 0 (i, j = 1, . . .l, i = j).
3. ηi = 1 (i = 1, . . .l).
4. ζij = −1 (i, j = 1, . . .l, i = j).
Gute Übung: Nachrechnen der Ergebnisse über homothetische Präferenzen
für eine CES-Nutzenfunktion u(x1, x2) = (x ρ
1
+ xρ
2 )1/ρ mit −∞ < ρ ≤ 1, ρ = 0.
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● Theorie der Firma
Fürs nächste Mal...
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