Ernährungsempfehlungen Bei Typ-1 Diabetes - Praxis Dr. Klein / Dr ...
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<strong>Ernährungsempfehlungen</strong> bei<br />
<strong>Typ</strong>-1 <strong>Diabetes</strong><br />
Die zwei zentralen Fragen in der Ernährung bei<br />
<strong>Typ</strong>-1 <strong>Diabetes</strong>:<br />
Kohlenhydratberechnung<br />
Wie viele blutzuckerwirksame Kohlenhydrate werden mit der<br />
Nahrung aufgenommen?<br />
Wie ist deren Wirkung vereinfacht einzuschätzen?<br />
In Deutschland ist die "Berechnungs- oder Broteinheit" (BE) als<br />
Maßeinheit üblich. Kohlenhydrat-Austauschtabellen vereinfachen<br />
die Berechnung der blutzuckerwirksamen Kohlenhydrate.<br />
Berechnungseinheiten dienen nur zur Orientierung für die<br />
Insulindosis und sind als Schätzeinheit anzusehen (lt. Ausschuss<br />
Ernährung der Deutschen <strong>Diabetes</strong> Gesellschaft, 1993).<br />
1 BE = 10-12 g verwertbare Kohlenhydrate<br />
1 Berechnungseinheit oder Broteinheit (BE)<br />
entspricht der Lebensmittelmenge, die 10-12 g<br />
verwertbare Kohlenhydrate enthält.<br />
Nicht alle BE wirken gleich<br />
In bestimmten Situationen spielt die unterschiedliche Blutzuckerwirksamkeit der<br />
Lebensmittel eine Rolle. So ist es zum <strong>Bei</strong>spiel wichtig, bei Unterzuckerungen<br />
schnell wirksame Kohlenhydrate zu essen. Hingegen helfen langsam wirksame<br />
Kohlenhydrate als Spätmahlzeit zur Vermeidung von nächtlichen Unterzuckerungen.<br />
Was hat Einfluss auf die Blutzuckerwirksamkeit von<br />
kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln?<br />
1. Einflüsse seitens der Nahrung:<br />
Kohlenhydratart (Stärke, Traubenzucker,...)<br />
Nährstoffzusammensetzung (Fett-, Eiweiß-, Ballaststoffgehalt)<br />
Konsistenz (flüssig/ fest) bzw. Verarbeitung des Lebensmittels<br />
2. Einflüsse seitens des Betroffenen:<br />
Individuelle Verdauungsleistung
Kohlenhydratart<br />
Situation der Nahrungsaufnahme (Tageszeit, Insulindosis)<br />
Lebensmittel enthalten verschiedene Kohlenhydratarten, wie Stärke, Fruchtzucker,<br />
Haushaltszucker, Milchzucker, Traubenzucker oder Malzzucker.<br />
Falsch ist...<br />
dass Haushaltszucker "verboten" ist, weil er schnell zu Blutzucker<br />
umgewandelt wird.<br />
dass Stärke, weil sie eine lange Kette von Zuckerbausteinen ist, sehr<br />
lange braucht, um abgebaut zu werden.<br />
Richtig ist...<br />
dass Haushaltszucker aufgrund des 50%igen Anteils an Fructose nicht schneller<br />
umgewandelt wird, als manch andere "erlaubte" Zuckerarten.<br />
dass unsere Verdauung gut ausgerüstet ist, um die Stärke umzuwandeln. Schon im<br />
Mund zerlegt der Speichel die Stärkeketten. Die Stärke wird schneller abgebaut, als<br />
die Länge der Kette erwarten lässt.<br />
Nährstoffzusammensetzung<br />
Für die Blutzuckerwirkung eines Lebensmittel ist<br />
es von großer Bedeutung, welche anderen<br />
Nährstoffe (Fett, Eiweiß, Ballaststoffe) die<br />
Kohlenhydrate umgeben. Die Verdauung der<br />
blutzuckerwirksamen Kohlenhydrate wird dadurch<br />
verzögert.<br />
Verabreichungsform<br />
Für unseren Körper sind Lebensmittel am besten<br />
verfügbar, wenn sie ...<br />
flüssig sind (Fruchtsäfte, Fruchtsaftgetränke,<br />
gezuckerte Limonaden oder gezuckerter Tee).<br />
Bestandteile enthalten, die sich im Speichel<br />
einfach lösen (Traubenzuckertäfelchen,<br />
Kristallzucker).<br />
Bestandteile enthalten, die stark zerkleinert und<br />
ggf. mit Hitze behandelt sind (hoher<br />
technologischer Verarbeitungsgrad; z.B.<br />
Zwieback).<br />
"langsame BE"<br />
"schnelle BE"
Der glykämische Index (GI)<br />
<strong>Bei</strong>m glykämischen Index werden die Blutzuckeranstiege einzelner Lebensmittel mit<br />
dem Blutzuckeranstieg von Traubenzucker, jeweils bei gleicher Kohlenhydratmenge,<br />
verglichen. Der glykämische Index gibt in Prozent das Verhältnis beider<br />
Blutzuckeranstiege wieder.<br />
Der "glykämische Index" (GI) kann für jeden insulinpflichtigen Menschen nur ein<br />
Anhaltspunkt sein. Die Angaben gelten nur für den alleinigen Verzehr. Somit ist die<br />
Übertragung in den Alltag nur sehr begrenzt möglich.<br />
Die Darstellung kann dazu beitragen, "Altgeglaubtes" oder "Früher-Gelerntes" in<br />
Frage zu stellen, letztendlich hoffentlich mehr aufzuklären, als zu verunsichern.<br />
Blutzuckerselbstkontrollen helfen, eigene Erfahrungen zu sammeln.<br />
Besonders bei niedrigen Blutzuckerwerten werden BE benötigt, deren GI hoch ist,<br />
dagegen zur Nacht als Spätmahlzeit BE mit niedrigem GI.<br />
Eine ausgewogene Mischkost erleichtert die Insulinanpassung. Dagegen können<br />
extrem einseitige Mahlzeiten die Anpassung erschweren. Dies sind Mahlzeiten, die<br />
entweder sehr fettreich sind<br />
(z. B. Tiramisu) oder es sind solche, die viel Kohlenhydrate und zugleich extrem<br />
wenig Fett enthalten (z. B. große Portion Spaghetti mit Ketchup).<br />
Lebensmittel ohne Kohlenhydratberechnung<br />
Die meisten Gemüse- und Salatsorten können nahezu unbegrenzt verzehrt werden.<br />
Nur Ausnahmen (Kartoffeln, Hülsenfrüchte, Bohnenkerne, grüne Gemüseerbsen,<br />
Rote Bete und Mais) müssen berechnet werden (siehe<br />
Kohlenhydrataustauschtabelle).<br />
Fleisch, Fisch, Wurst, Käse, Quark, Eier und andere fett- und eiweißhaltigen<br />
Lebensmittel ohne Kohlenhydratberechnung sollen in "vernünftigen" Mengen verzehrt<br />
werden (siehe gesunde Ernährung).<br />
Einkaufsempfehlungen<br />
Zutatenliste und Nährwertangabe<br />
Die Zutatenliste auf der Verpackung führt die wesentlichen Zutaten auf. Die<br />
erstgenannte Zutat ist am meisten, letztgenannte Zutat ist am wenigsten im<br />
Lebensmittel enthalten. Die Zutatenliste gibt somit die Möglichkeit, sich über die<br />
Inhaltsstoffe ein Bild zu machen. Werden Zucker, Stärke, Mehl, Grieß, Getreide oder<br />
andere kohlenhydratreiche Zutaten als einer der ersten zwei Zutaten aufgeführt, so<br />
muss das Lebensmittel berechnet werden. Eine Nährwertangabe auf der Verpackung<br />
oder eine umfangreiche Nährwerttabelle können helfen, den Kohlenhydratgehalt zu<br />
ermitteln.
Zuckeraustausch und Süßstoffe<br />
<strong>Bei</strong> alleinigem Verzehr von Fruchtzucker und anderen sogenannten<br />
Zuckeraustauschstoffen (Sorbit, Isomalt, Mannit, Xylit Lactit) steigt der Blutzucker<br />
ohne Zweifel geringfügiger an, als im Vergleich zu Haushaltszucker. Dies führte zu<br />
der Existenz zahlreicher mit Fruchtzucker gesüßter Diät-Produkte. Der Erfolg der<br />
Insulintherapie bei <strong>Typ</strong>-1 <strong>Diabetes</strong> ist jedoch von der Anpassung des Insulins an die<br />
Kohlenhydrate abhängig. Hierfür ist die Verwendung von Fruchtzucker bzw.<br />
Diätprodukten nicht notwendig. Ein allgemeines "Zuckerverbot" ist daher unsinnig.<br />
Dagegen ist der Austausch von Zucker durch Süßstoffe sinnvoll.<br />
Umgang mit Süßigkeiten<br />
Eine wesentliche Voraussetzung<br />
für die Anpassung des Insulins<br />
ist die Kenntnis über deren<br />
Kohlenhydratgehalt. Selten steht<br />
dieser auf der Verpackung und<br />
so ist es sehr hilfreich, in einer<br />
umfangreichen<br />
Lebensmitteltabelle (z.B.<br />
Kalorien-Mundgerecht,<br />
Umschau-Verlag)<br />
nachzuschlagen. Süßigkeiten mit<br />
höherem Fettgehalt haben eine<br />
verzögerte Blutzucker-<br />
Wirksamkeit.<br />
Eine "Erfahrungsregel" lautet: Wenn der Fettgehalt höher ist als die Hälfte der<br />
Kohlenhydrate, dann ist dies eine langsame BE. <strong>Bei</strong> geringerem Fettgehalt ist<br />
eher ein schneller Blutzuckeranstieg zu erwarten. Der Verzehr sollte auf Situationen<br />
beschränkt sein, in denen "schnelle BE" benötigt werden (z. B. Sport) oder mit<br />
anderen BE kombiniert werden (als Schmankerl innerhalb einer Mahlzeit).<br />
Blutzuckerselbstkontrollen können helfen, die Situation besser einzuschätzen.<br />
Getränke<br />
Alkoholfreie Getränke<br />
Mineralwasser und Früchtetee kann unbegrenzt getrunken werden. Auch<br />
koffeinhaltiger Kaffee und Tee enthält keine Kohlenhydrate. Als Süßungsmittel bieten<br />
sich Süßstoffe an.<br />
Mit Süßstoff gesüßte Limonaden (kalorienreduzierte oder sog. "Light"-Limonaden)<br />
enthalten geringe Mengen an Fruchtkonzentraten. Die Nährstoffangabe zeigt meist,<br />
dass für 1 BE zwischen 0,6 l und 1 l getrunken werden kann.<br />
Fruchtsäfte, ob "ohne Zuckerzusatz" oder "aus Konzentrat hergestellt", weisen durch<br />
den fruchteigenen Zucker einen hohen Kohlenhydratgehalt auf. Geringe Mengen, je<br />
nach Obstsorte rund 100 ml (= 1 kleines Glas), entsprechen 1 BE.
Alkoholhaltige Getränke<br />
Folgende Auswirkungen auf den Blutzuckerverlauf sollten jedoch<br />
insulinpflichtige Menschen zusätzlich beachten:<br />
Alkohol verhindert die Freisetzung des Leberzuckers, was zu einer Erhöhung der<br />
Unterzuckerungsgefahr nach Alkoholgenuss führt. Dies ist je nach individueller<br />
Verträglichkeit unterschiedlich ausgeprägt. <strong>Bei</strong> abendlichem Alkoholgenuss werden z.<br />
B. deutlich häufiger Unterzuckerungen am nächsten Vormittag, also Stunden später,<br />
beobachtet.<br />
Alkoholhaltige Getränke enthalten meist Kohlenhydrate, die je nach der Menge den<br />
Blutzucker erhöhen. Nun wirken die Kohlenhydrate meist nicht dann, wenn der<br />
Alkohol den Blutzucker absenkt. Ein Auf und Ab ist meist die Folge. Daher erweist<br />
sich das Dosieren des Insulins auf die Kohlenhydrate aus alkoholischen Getränken in<br />
der <strong>Praxis</strong> als sehr problematisch. Allgemein sollte davon abgesehen werden,<br />
Kohlenhydrate aus alkoholischen Getränken gegen Teile der Mahlzeiten<br />
auszutauschen. Auch sollten keinesfalls diese Kohlenhydrate mit zusätzlichem Insulin<br />
abgedeckt werden, zumindest nicht in dem Ausmaß, wie das bei Mahlzeiten üblich<br />
und sinnvoll ist. Enthalten alkoholhaltige Getränke kaum Kohlenhydrate, so kann es<br />
notwendig sein, zu diesen Getränken Kohlenhydrate zusätzlich zu essen.<br />
Alkohol vermindert die Unterzuckerungswahrnehmung. Nach Alkoholmissbrauch<br />
ist die Behandlung von Unterzuckerungen erschwert. <strong>Bei</strong> schweren<br />
Unterzuckerungen ist zudem das Spritzen von Glukagon wirkungslos!<br />
Essen unterwegs<br />
Für insulinpflichtige Menschen ist das Dosieren des Insulins immer dann sehr<br />
schwierig, wenn die Mengen der Zutaten schwer abzuschätzen sind.<br />
Erfahrungen im Portionieren von Kohlenhydraten sind dann sehr hilfreich.<br />
Ist die Zusammensetzung oder auch die<br />
Zubereitung der Mahlzeit nahezu unbekannt (z.<br />
B. exotische oder asiatische Gerichte), so<br />
können meist nur vermehrte<br />
Blutzuckerkontrollen in Verbindung mit<br />
Insulinkorrekturen zu guten Blutzuckerwerten<br />
führen.<br />
Zucker im<br />
Essen<br />
Mehl als<br />
Bindemittel<br />
Zucker in Salaten und <strong>Dr</strong>essings wird meist nur im begrenzten<br />
Umfang verwendet. Daher ist eine Berechnung häufig nicht<br />
notwendig. Die Fehler, die beim Abschätzen der <strong>Bei</strong>lage gemacht<br />
werden, sind im Ausmaß erheblicher.<br />
Mit Zucker zubereitete Früchte (Konservenobst,...) oder Süßspeisen<br />
(Apfelmus, Quarkspeise,...) enthalten doppelt so viele BE als<br />
vergleichbare, mit Süßstoff zubereitete.<br />
Für eine Tasse (200ml) gebundene Suppe (Blumenkohl, Spargel,...)<br />
kann ohne Berücksichtigung einer kohlenhydrathaltigen Einlage<br />
bzw. Garnitur zirka 1 BE veranschlagt werden.<br />
Nur bei größeren Portionen mit Mehl bzw. Stärke gebundenen<br />
Soßen muss mehr als 0,5 BE berechnet werden, eine dünne Soße<br />
(Bratenfond,...) wird vernachlässigt.
Parniertes<br />
bzw.<br />
Gebackenes<br />
Ein durchschnittliches, paniertes Schnitzel hat 3 BE, 5<br />
Fischstäbchen 2 BE und zirka 4-5 gebackene Tintenfischringe oder<br />
anderes Fritiergut, welches in der Größe vergleichbar und mit einem<br />
dünnen Teigmantel versehen ist, entsprechen 1 BE.<br />
Pizza Eine Pizza in der Größe einer üblichen Tiefkühlpizza (350g) enthält<br />
zirka 6 BE, dagegen kann für eine Pizza beim Italiener bis 10 BE<br />
veranschlagt werden.<br />
Kuchen Ein übliches Stück Kuchen kann mit 3-5 BE berechnet werden.<br />
Döner Ein Döner-Kebap kann mit 4-5 BE eingeschätzt werden.<br />
Fast Food-<br />
Ketten<br />
McDonald’s und Burger King haben Nährwerttabellen ihrer Produkte<br />
erstellt. Fragen Sie in den Filialen nach.<br />
Zusammenfassung<br />
<strong>Typ</strong>-1 <strong>Diabetes</strong> ist eine Erkrankung, die die Spontanität der Nahrungsaufnahme<br />
stark beeinträchtigt. So sind die Betroffenen weniger in der Auswahl eingeschränkt,<br />
vielmehr muss aufgrund der Insulinpflicht der Zeitpunkt und die Menge der<br />
Nahrungsaufnahme auf das Insulinprogramm abgestimmt werden, d.h. Menschen mit<br />
<strong>Typ</strong>-1 <strong>Diabetes</strong> können nicht jederzeit und nicht beliebig viel essen.<br />
Mit Hilfe der Kohlenhydratberechnung (BE/KHE = 10-12g verwertbare<br />
Kohlenhydrate) lassen sich alle Lebensmittel erfassen, die den Blutzucker<br />
beeinflussen. Mit Hilfe dieser Information kann dann das schnell wirkende<br />
Insulin (der "Bolus") auf die Nahrung abgestimmt werden.<br />
<strong>Bei</strong> niedrigen Blutzuckerwerten ist das Essen von kohlenhydrathaltigen<br />
Lebensmitteln sinnvoll, die der Körper schnell zu Blutzucker umwandeln kann<br />
("schnelle BE").<br />
Mit einer gesunden, ausgewogenen Ernährung kann jeder Mensch Einfluss auf seine<br />
Gesundheit nehmen und das Auftreten verschiedener Erkrankungen (<strong>Typ</strong>-2 <strong>Diabetes</strong>,<br />
erhöhte Blutfettwerte, Bluthochdruck und andere) vermeiden. Aufgrund ihres<br />
erhöhten Risikos für Herz- und Kreislaufkomplikationen profitieren gerade Menschen<br />
mit <strong>Typ</strong>-1 <strong>Diabetes</strong> hiervon in einem besonderen Ausmaß.<br />
Aus der Homepage der <strong>Diabetes</strong>klinik Bad Mergentheim, verändert von <strong>Dr</strong>. med. Frank <strong>Klein</strong> im<br />
Januar 2010