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Universität Bern / Dr. Bernhard Berger, Rechtsanwalt, LL.M ...

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<strong>Universität</strong> <strong>Bern</strong> / <strong>Dr</strong>. <strong>Bern</strong>hard <strong>Berger</strong>, <strong>Rechtsanwalt</strong>, <strong>LL</strong>.M.<br />

Einführung in das Privatrecht für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften – HS 2009<br />

Die vorliegende Unterlage umreisst den Gegenstand der oben bezeichneten Vorlesung.<br />

Zugleich ist damit der Prüfungsstoff für den Leistungsnachweis im Fach Privatrecht für<br />

die Studierenden der Wirtschafts- und Sozialwissenschaften festgelegt. Soweit einzelne<br />

Materien in der Vorlesung nicht behandelt werden, sind sie mithilfe der Literatur aufzuarbeiten.<br />

Unerlässliche Arbeitsinstrumente für die Vorlesung sind die Gesetzestexte des Zivilgesetzbuches<br />

(ZGB) und des Obligationenrechts (OR).<br />

Die Vorlesung ist in weiten Teilen auf folgendem Lehrbuch aufgebaut:<br />

<strong>Bern</strong>hard <strong>Berger</strong>, Allgemeines Schuldrecht, Stämpfli Verlag AG <strong>Bern</strong>, 2008<br />

Die Studierenden können beim Dozenten Hörerscheine anfordern und damit das Buch in<br />

den Buchhandlungen mit 20% Rabatt vom Ladenpreis beziehen. In der vorliegenden<br />

Unterlage wird jeweils auf die Randziffern dieses Werkes verwiesen (z.B. [N 198–299]).<br />

Als alternative Grundlagenwerke werden empfohlen:<br />

– Ingeborg Schwenzer, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 4. Auflage,<br />

<strong>Bern</strong> 2006<br />

– Peter Gauch, Walter Schluep, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil,<br />

9. Auflage, Zürich 2008<br />

– Eugen Bucher, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Auflage,<br />

Zürich 1988 (vgl. www.eugenbucher.ch)<br />

– Theo Guhl, Alfred Koller, Anton K. Schnyder, Jean Nicolas <strong>Dr</strong>uey, Das Schweizerische<br />

Obligationenrecht, 9. Auflage, Zürich 2000<br />

Die Prüfung wird als „Multiple Choice“ Examen abgenommen. Der Gebrauch privater<br />

Hilfsmittel in Papierform wie eigene Gesetzestexte, Literatur, Vorlesungsunterlagen oder<br />

persönliche Notizen ist erlaubt („Open book“). Nicht gestattet ist der Gebrauch von Computern,<br />

Handhelds und anderen elektronischen Speichermedien sowie von elektronischen<br />

Kommunikationsgeräten (z.B. Mobiltelefone) während der Prüfung.


1. Kapitel: Grundlagen<br />

§ 1 Kodifikation des schweizerischen Privatrechts<br />

§ 2 Zum Begriff und zur Anwendung der privatrechtlichen Norm [N 1–79]<br />

I. Aufbau: Tatbestand und Rechtsfolge<br />

Konkretisierung anhand einer Norm: Art. 184 OR<br />

Tatbestand (Voraussetzungen):<br />

– Einigung über den Kaufgegenstand<br />

– Einigung über den Kaufpreis<br />

– Einigung über den Umsatzcharakter des Rechtsgeschäfts<br />

– Je nach dem: Notarielle Beurkundung (Art. 216 OR und Art. 657 ZGB)<br />

Rechtsfolgen:<br />

– Verpflichtung des Verkäufers<br />

– Verpflichtung des Käufers<br />

II. Rechtsanwendung<br />

1. Ermittlung des Sachverhalts<br />

2. Subsumption<br />

Konkretisierung anhand einer Norm: Art. 41 OR<br />

III. Beweislast für die juristischen Tatsachen (Art. 8 ZGB)<br />

1. Begriff der juristischen Tatsache<br />

2. Beweislast<br />

BGE 130 III 321: 3.1 – Gemäss Art. 8 ZGB hat, wo es das Gesetz nicht<br />

anders bestimmt, derjenige das Vorhandensein einer behaupteten Tatsache<br />

zu beweisen, der aus ihr Rechte ableitet. Demgemäss hat die Partei,<br />

die einen Anspruch geltend macht, die rechtsbegründenden Tatsachen zu<br />

beweisen, während die Beweislast für die rechtsaufhebenden bzw. rechtsvernichtenden<br />

oder rechtshindernden Tatsachen bei der Partei liegt, die<br />

2 | 87


den Untergang des Anspruchs behauptet oder dessen Entstehung oder<br />

Durchsetzbarkeit bestreitet. Diese Grundregel kann durch abweichende<br />

gesetzliche Beweislastvorschriften verdrängt werden und ist im Einzelfall<br />

zu konkretisieren (ausführlich: BGE 128 III 271 E. 2a/aa S. 273 mit Hinweisen).<br />

Sie gilt auch im Bereich des Versicherungsvertrags (NEBEL, in:<br />

Kommentar zum Bundesgesetz über den Versicherungsvertrag, Basel<br />

2001, N. 4 und 9 zu Art. 100 VVG, mit Hinweisen).<br />

Nach der erwähnten Grundregel hat der Anspruchsberechtigte – in der<br />

Regel der Versicherungsnehmer, der versicherte <strong>Dr</strong>itte oder der Begünstigte<br />

– die Tatsachen zur „Begründung des Versicherungsanspruches“ (Marginalie<br />

zu Art. 39 des Bundesgesetzes vom 2. April 1908 über den Versicherungsvertrag<br />

[VVG; SR 221.229.1]) zu beweisen, also namentlich das<br />

Bestehen eines Versicherungsvertrags, den Eintritt des Versicherungsfalls<br />

und den Umfang des Anspruchs. Den Versicherer trifft die Beweislast für<br />

Tatsachen, die ihn zu einer Kürzung oder Verweigerung der vertraglichen<br />

Leistung berechtigen (z.B. wegen schuldhafter Herbeiführung des befürchteten<br />

Ereignisses: Art. 14 VVG) oder die den Versicherungsvertrag gegenüber<br />

dem Anspruchsberechtigten unverbindlich machen (z.B. wegen betrügerischer<br />

Begründung des Versicherungsanspruches: Art. 40 VVG).<br />

Anspruchsberechtigter und Versicherer haben im Streit um vertragliche<br />

Leistungen je ihr eigenes Beweisthema und hierfür je den Hauptbeweis zu<br />

erbringen. Dies trifft auch dann zu, wenn sich beide Beweisthemen im gleichen<br />

Verfahren gegenüberstehen, wie das im Zusammenhang mit Diebstahlversicherungen<br />

oft der Fall ist (z.B. Urteil des Bundesgerichts<br />

5C.146/2000 vom 15. Februar 2001, [S. 324] E. 2–4, teilweise publ. in: Pra<br />

90/2001 Nr. 119 S. 706 ff.). Das Gericht wird zwar die zum einen Beweisthema<br />

vorgebrachten Indizien auch im Hinblick auf das andere Beweisthema<br />

würdigen (zit. Urteil 5C.11/2002, E. 2a/cc; NEF, Kommentar, a.a.O.,<br />

N. 58 zu Art. 40 VVG, und in: HAVE 2002 S. 378 f. Ziff. 4). Aus der Beweislosigkeit<br />

beim einen Thema (z.B. zur absichtlichen Herbeiführung des<br />

Versicherungsfalls) darf aber nicht einfach auf den Beweis beim andern<br />

Thema (z.B. zum Eintritt des Versicherungsfalls) geschlossen werden. Das<br />

käme einer Umkehr der Beweislast gleich und bedeutete eine Verletzung<br />

von Art. 8 ZGB (Urteil 5C.86/1996 vom 5. Dezember 1996, E. 4; NIQUIL-<br />

LE-EBERLE, Beweiserleichterungen im Versicherungsrecht, in: Haftpflicht-<br />

und Versicherungsrechtstagung 1997, S. 227 ff., 236).<br />

3.2 – Ein Beweis gilt als erbracht, wenn das Gericht nach objektiven Gesichtspunkten<br />

von der Richtigkeit einer Sachbehauptung überzeugt ist. Absolute<br />

Gewissheit kann dabei nicht verlangt werden. Es genügt, wenn das<br />

Gericht am Vorliegen der behaupteten Tatsache keine ernsthaften Zweifel<br />

mehr hat oder allenfalls verbleibende Zweifel als leicht erscheinen. Ausnahmen<br />

von diesem Regelbeweismass, in denen eine überwiegende<br />

Wahrscheinlichkeit als ausreichend betrachtet wird, ergeben sich einerseits<br />

aus dem Gesetz selbst und sind andererseits durch Rechtsprechung und<br />

Lehre herausgearbeitet worden. Den Ausnahmen liegt die Überlegung zu<br />

Grunde, dass die Rechtsdurchsetzung nicht an Beweisschwierigkeiten<br />

scheitern darf, die typischerweise bei bestimmten Sachverhalten auftreten<br />

(vgl. BGE 128 III 271 E. 2b/aa S. 275). Die Beweiserleichterung setzt demnach<br />

eine „Beweisnot“ voraus. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn ein<br />

strikter Beweis nach der Natur der Sache nicht möglich oder nicht zumutbar<br />

ist, insbesondere wenn die von der beweisbelasteten Partei behaupteten<br />

Tatsachen nur mittelbar durch Indizien bewiesen werden können. Eine<br />

Beweisnot liegt aber nicht schon darin begründet, dass eine Tatsache, die<br />

ihrer Natur nach ohne weiteres dem unmittelbaren Beweis zugänglich wäre,<br />

nicht bewiesen werden kann, weil der beweisbelasteten Partei die Beweismittel<br />

fehlen. Blosse Beweisschwierigkeiten im konkreten Einzelfall<br />

können nicht zu einer Beweiserleichterung führen (Urteil des Bundesgerichts<br />

5C.175/1997 vom 17. Oktober 1997, E. 2 und 3; allgemein: HOHL,<br />

Procédure civile, t. I: Introduction et théorie générale, <strong>Bern</strong> 2001, N. 1098<br />

3 | 87


IV. Rechtsdurchsetzung<br />

1. Freiwilligkeit und Zwang<br />

S. 210, und ausführlich in: Le degré de la preuve, Festschrift Vogel, Freiburg<br />

i.Üe. 1991, S. 125 ff., 151 f.). [S. 325]<br />

Im Zusammenhang mit dem Eintritt des Versicherungsfalls geht die Rechtsprechung<br />

davon aus, dass – namentlich bei der Diebstahlversicherung –<br />

in der Regel eine Beweisnot gegeben ist, so dass sich die Herabsetzung<br />

des Beweismasses rechtfertigt (zuletzt: Urteile 5C.47/2002 vom 17. April<br />

2002, E. 2b, und 5C.99/2002 vom 12. Juni 2002, E. 2.1).<br />

Zivilgerichte und Betreibungs- und Konkursbehörden<br />

Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren<br />

2. Grundsatz und Grenzen der Naturalerfüllung (Realexekution)<br />

Konkretisierung anhand von Art. 97 und 98 OR<br />

§ 3 Die subjektiven Rechte [N 80–111]<br />

I. Entstehung<br />

II. Absolute und relative Rechte<br />

BGE 114 II 91 E. 4a: aa) Die subjektiven Rechte lassen sich nach dem<br />

Kreis ihrer Adressaten in absolute und relative scheiden; Zwischenstufen<br />

sind nach geltendem Recht nicht mehr anzunehmen. Absolute Rechte richten<br />

sich gegen jedermann, relative gegen eine oder mehrere Personen, die<br />

bestimmt oder bestimmbar sind. Die Forderung aus einem Schuldverhältnis,<br />

auch aus einem vertraglichen, ist das typische Beispiel eines relativen<br />

Rechts, weil sie auf einer Sonderbeziehung zwischen bestimmten Personen<br />

beruht und nur dem Schuldner, nicht aber einem unbeteiligten <strong>Dr</strong>itten<br />

entgegengehalten werden kann. Das Bundesgericht hat es deshalb seit<br />

Jahrzehnten abgelehnt, in der Verletzung vertraglicher Rechte durch <strong>Dr</strong>itte<br />

eine widerrechtliche Handlung im Sinne von Art. 41 Abs. 1 OR zu erblicken<br />

(BGE 52 II 376, 53 II 333, 63 II 21 f.); es hat daran auch in der neueren<br />

Rechtsprechung festgehalten (BGE 108 II 312 E. 2c und 102 II 340), und<br />

die herrschende Lehre ist ihm gefolgt (BECKER, N. 39 zu Art. 41 OR;<br />

OSER/SCHÖNENBERGER, N. 15 ff. zu Art. 41 OR; VON TUHR/PETER,<br />

OR Allg. Teil I S. 410; GUHL/MERZ/KUMMER, OR 6. Aufl. S. 10; OFTIN-<br />

GER I, 4. Aufl. S. 64 f. und 132 f.).<br />

Dass ein <strong>Dr</strong>itter neben dem Schuldner, der den Vertrag unmittelbar verletzt,<br />

zu Schadenersatz verpflichtet werden kann, wenn ihm die vertragliche<br />

Bindung bekannt ist, wird nur vereinzelt angenommen, in Anlehnung<br />

an Common Law und französisches Recht insbesondere von GROSSEN<br />

(La responsabilité du tiers complice de la violation d'un contrat, in Festgabe<br />

Schönenberger [S. 98] S. 121 ff.). Diese Auffassung vermochte sich indes<br />

nicht durchzusetzen; sie stiess vielmehr auf berechtigte Kritik, weil sie der<br />

Rechtsentwicklung zuwiderläuft (KRAMER, OR Allg. Einl. N. 56) und dazu<br />

führen würde, zwischen absoluten und relativen Rechten wieder eine Zwi-<br />

4 | 87


1. Absolute Rechte (erga omnes)<br />

a) Herrschaftsrechte<br />

schenstufe anzunehmen (MERZ, Obligationenrecht, in Schweiz. Privatrecht<br />

(SPR) VI/1 S. 58).<br />

Nach der angeführten Rechtsprechung kann dagegen in der Verleitung<br />

zum Vertragsbruch und in der Ausbeutung einer Vertragsverletzung ein sittenwidriges<br />

Verhalten im Sinne von Art. 41 Abs. 2 OR erblickt werden und<br />

eine Schadenersatzpflicht des <strong>Dr</strong>itten deshalb als begründet erscheinen.<br />

Dies setzt aber besondere Umstände voraus, welche die Ausdehnung der<br />

Haftung rechtfertigen, was z.B. anzunehmen ist, wenn der Vertrag mit Wissen<br />

des <strong>Dr</strong>itten in Schädigungsabsicht verletzt wird (BGE 108 II 312 E. 2c,<br />

53 II 332/33 und 52 II 376 f.). Auch diese Grundsätze werden von der Lehre<br />

gebilligt, die jedoch mit Recht hervorhebt, dass die Ausdehnung der Haftung<br />

als Ausnahme zu verstehen und davon nur mit Zurückhaltung<br />

Gebrauch zu machen ist (vgl. nebst der hiervor zitierten Lehre insbes.<br />

BREHM, N. 255 zu Art. 41 OR; GAUCH/SCHLUEP, OR Allg. Teil I 4. Aufl.<br />

Rz. 509; MERZ, a.a.O. S. 59). Darauf zurückzukommen, besteht daher<br />

kein Anlass.<br />

Beispiel: Art. 641 ZGB<br />

Art. 212 SchKG: „Ein Verkäufer, welcher dem Schuldner die verkaufte<br />

Sache vor der Konkurseröffnung übertragen hat, kann nicht mehr von<br />

dem Vertrage zurücktreten und die übergebene Sache zurückfordern,<br />

auch wenn er sich dies ausdrücklich vorbehalten hat.“<br />

b) Persönlichkeitsrechte<br />

BGE 121 III 168 E. 3: a) – Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt<br />

wird, kann zu seinem Schutz gegen jeden, der an der Verletzung mitwirkt,<br />

den Richter anrufen (Art. 28 Abs. 1 ZGB); widerrechtlich ist eine Persönlichkeitsverletzung,<br />

wenn sie nicht durch Einwilligung des Verletzten,<br />

durch ein überwiegendes privates oder öffentliches Interesse oder durch<br />

Gesetz gerechtfertigt ist (Art. 28 Abs. 2 ZGB). Der Persönlichkeitsschutz<br />

steht nach konstanter Rechtsprechung nicht nur natürlichen, sondern auch<br />

juristischen Personen insoweit zu, als er nicht auf Eigenschaften beruht,<br />

die ihrer Natur nach nur den natürlichen Personen zukommen (BGE 108 II<br />

241 E. 6 S. 244, 95 II 481 E. 4 S. 488 f., vgl. auch BGE 117 II 513 ff.; PE-<br />

DRAZZINI/OBERHOLZER, Grundriss des Personenrechts, 4. Aufl., 1993,<br />

S. 212 Ziff. 8.4.2.1; TERCIER, Le nouveau droit de la personnalité, S. 75 f.<br />

N. 520 und 521; TUOR/SCHNYDER/SCHMID, Das Schweizerische Zivilgesetzbuch,<br />

11. Aufl., 1995, S. 93). Zu den Persönlichkeitsrechten, die<br />

auch den juristischen Personen eignen, gehört unter anderen der Anspruch<br />

auf soziale Geltung und namentlich das Recht auf freie wirtschaftliche<br />

Entfaltung, das heute weitgehend noch eigens durch das Bundesgesetz<br />

gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG; SR 241) und jenes über die<br />

Kartelle und ähnlichen Organisationen (KG; SR 251) geschützt ist (TER-<br />

CIER, a.a.O., S. 71 f. N. 493 bis 495; A. BUCHER, Natürliche Personen<br />

und Persönlichkeitsschutz, S. 138 f. N. 495 und 496).<br />

5 | 87


2. Relative Rechte (inter partes)<br />

a) Ansprüche (Forderungen)<br />

Tun, Dulden oder Unterlassen<br />

Hauptsächliche Entstehungsgründe: Vertrag, Delikt, Bereicherung<br />

b) Einreden (exceptiones)<br />

BGE 123 III 19 E. 2: b) – Bei einem zweiseitigen Vertrag muss, wer den<br />

andern zur Erfüllung anhalten will, nach Art. 82 OR entweder selbst bereits<br />

erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, es sei denn, er habe nach dem<br />

Inhalt oder der Natur des Vertrages erst später zu erfüllen. Nach herrschender<br />

Lehre (WEBER, <strong>Bern</strong>er Kommentar, N. 199 zu Art. 82 OR;<br />

SCHRANER, Zürcher Kommentar, N. 7 zu Art. 82 OR; LEU, in: Kommentar<br />

zum Schweizerischen Privatrecht, Basel, N. 1 und 12 f. zu Art. 82 OR;<br />

VON TUHR/ESCHER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts,<br />

Bd. II, 3. Aufl. 1974, S. 60 f.; GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches<br />

Obligationenrecht Allgemeiner Teil, 6. Aufl. 1995, Bd. II, N. 2229) und<br />

Rechtsprechung (Urteil des Bundesgerichts vom 8. Oktober 1985, publiziert<br />

in SJ 1986, S. 382; vgl. auch BGE 111 II 463 E. 3 S. 466; ebenso bereits<br />

76 II 298 E. 3 S. 299; 79 II 277 E. 2 S. 279) gibt diese Bestimmung<br />

dem Schuldner eine aufschiebende Einrede mit der Wirkung, dass er die<br />

geforderte Leistung bis zur Erbringung oder Anbietung der Gegenleistung<br />

zurückhalten darf. Der Gläubiger kann sich demnach damit begnügen, auf<br />

vorbehaltlose Leistung zu klagen; es obliegt dem Schuldner, die Einrede<br />

zu erheben (BGE 111 II 463 E. 3 S. 466). Wird die Einrede nicht erhoben,<br />

bildet somit die Gegenleistung nicht Streitgegenstand und wird im Urteil<br />

auch dann nicht rechtskräftig über sie entschieden, wenn sie nach dem<br />

Vertrag in Vorleistung oder Zug um Zug zu erbringen ist (vgl. SJ 1986,<br />

S. 382). Erhebt der Schuldner dagegen die Einrede, zwingt er den Gläubiger<br />

zur Beweisführung über die [S. 20] Erfüllung oder das gehörige Angebot<br />

der Gegenleistung (WEBER, a.a.O., N. 216 zu Art. 82 OR; SCHRA-<br />

NER, a.a.O., N. 198 zu Art. 82 OR; LEU, a.a.O., N. 13 zu Art. 82 OR; VON<br />

TUHR/ESCHER, a.a.O., S. 64). Insofern wird diesfalls die Gegenleistung<br />

zum Streitgegenstand. Das Gericht hat die Gegenleistung dabei jedoch nur<br />

insoweit inhaltlich zu beurteilen, als der Nachweis ihrer Erfüllung oder ihres<br />

Angebots Voraussetzung für die Gutheissung der Klage des Gläubigers ist.<br />

Das Urteil steht daher einem neuen Prozess über die Gegenleistung nur<br />

entgegen, soweit darin deren tatsächliche Erfüllung als bewiesen oder das<br />

Angebot der Erfüllung als vertragskonform erkannt wird.<br />

Dilatorische und peremptorische Einreden<br />

Unterschied zwischen Einreden und Einwendungen<br />

c) Gestaltungsrechte<br />

Arten: rechtsbegründende, rechtsändernde, rechtsaufhebende<br />

Ausübung: bedingungsfrei und unwiderruflich<br />

BGE 128 III 70 E. 2): Durch ein solches Gestaltungsrecht [sc. die Erklärung<br />

der Anfechtung eines Vertrages wegen Grundlagenirrtums] wird ein<br />

Rechtsverhältnis inhaltlich aufgehoben, ohne dass es dazu der Zustim-<br />

6 | 87


mung der Gegenpartei bedarf. Der einseitigen Gestaltungsmacht des Berechtigten<br />

entspricht auf der Seite des Erklärungsgegners eine Gebundenheit,<br />

diese Gestaltung und den in ihr liegenden Einbruch in den eigenen<br />

Rechtskreis hinzunehmen und gegen sich gelten zu lassen. Da dem Berechtigten<br />

durch das Gestaltungsrecht eine einseitige Gestaltungsmacht<br />

eingeräumt ist, müssen Sicherungen im Interesse der Gegenpartei vorgesehen<br />

werden, damit der Eingriff in die Rechtssphäre für diesen überschaubar<br />

und auf das notwendige Mass begrenzt wird (LARENZ/WOLF,<br />

Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 8. Aufl., München 1997, S. 311).<br />

Aus diesem Schutzbedürfnis der Gegenpartei, ihrem Interesse an klaren<br />

Verhältnissen, folgt der Grundsatz, dass die Ausübung von Gestaltungsrechten<br />

bedingungsfeindlich und unwiderruflich ist (GAUCH/SCHLU-<br />

EP/SCHMID, a.a.O., Rz. 154 ff.; BGE 119 II 147 E. 3c).<br />

Beispiel: „Änderungskündigung“<br />

3. Dingliche Rechte und persönliche (obligatorische) Rechte<br />

actiones in rem und actiones in personam<br />

§ 4 Grundbegriffe des Obligationenrechts [N 198–299]<br />

I. Obligation<br />

1. Definition<br />

Eine zwischen zwei Personen (Gläubiger und Schuldner) bestehende Recht-<br />

Pflicht-Beziehung, die sich darin erschöpft, dass die eine Person (der Gläubiger)<br />

gegen die andere Person (den Schuldner) eine Forderung hat.<br />

2. Entstehung der Obligation und Anspruchskonkurrenz<br />

3. Forderung<br />

Bezeichnung für das klagbare Recht des Gläubigers, vom Schuldner eine<br />

Leistung zu verlangen. Das Gegenstück zur Forderung bildet die Schuld.<br />

4. Schuld (auch „Verbindlichkeit“ oder „Schuldpflicht“)<br />

Bezeichnung für die klagbare Pflicht des Schuldners, dem Gläubiger die geschuldete<br />

Leistung zu erbringen.<br />

– Stückschulden (Speziesschulden)<br />

– Gattungsschulden (Genus-Schulden) – Art. 185 und Art. 206 OR<br />

– begrenzten Gattungsschulden<br />

7 | 87


5. Obliegenheiten<br />

Beispiel: Mängelrüge (Art. 201 OR)<br />

6. Leistung<br />

II. Schuldverhältnis<br />

Die Leistung, auf die der aus der Forderung berechtigte Gläubiger Anspruch<br />

hat und die der aus der entsprechenden Schuld verpflichtete Schuldner zu<br />

erbringen verpflichtet ist, kann bestehen in<br />

– einem Tun, einem Unterlassen oder Dulden;<br />

– einer tatsächlichen Leistung (z.B. im Verrichten einer Arbeit);<br />

– einer rechtlichen Leistung (z.B. im Abtreten einer Forderung oder in der<br />

Übertragung einer Sache zu Eigentum);<br />

– einer einmaligen oder einer wiederkehrenden Leistung; oder<br />

– einer auf Dauer angelegten Leistung (z.B. im Überlassen einer Sache<br />

zum Gebrauch).<br />

Inbegriff für die Gesamtheit aller sich aus einer bestimmten Rechtsbeziehung (einem<br />

Rechtsverhältnis) ergebenden Rechte und Pflichten.<br />

Beispiel für den Unterschied zwischen Obligation und Schuldverhältnis: Abtretung<br />

(Zession) – Art. 164 ff. OR.<br />

III. Rechtsgeschäft<br />

1. Begriff und Zweck<br />

Eine Willenserklärung, die darauf gerichtet ist, einen rechtlich relevanten Erfolg<br />

(eine Rechtsfolge) zu bewirken.<br />

2. Willenserklärung<br />

Grundtatbestand jedes Rechtsgeschäfts. Mitteilung des Willens zur Begründung,<br />

Änderung oder Beendigung eines subjektiven Rechts oder eines<br />

Rechtsverhältnisses.<br />

Elemente:<br />

– Wille des Erklärenden (Geschäftswille und Erklärungswille)<br />

8 | 87


– Erklärungsvorgang<br />

Arten:<br />

– Ausdrückliche Willenserklärung<br />

– Willenserklärung durch konkludentes Verhalten<br />

– Stillschweigende Willenserklärung<br />

Empfangsbedürftigkeit der Willenserklärungen (Zugangstheorie)<br />

3. Einseitige Rechtsgeschäfte<br />

Beispiele: Ausübung eines Gestaltungsrechts; Auslobung (Art. 8 OR); Errichtung<br />

eines Testaments; Ermächtigung zur Stellvertretung.<br />

4. Mehrseitige Rechtsgeschäfte<br />

a) Verträge (in der Regel zweiseitige Rechtsgeschäfte)<br />

Übereinstimmende gegenseitige Willenserklärungen.<br />

b) Beschlüsse<br />

Übereinstimmende gleichgerichtete Willenserklärungen.<br />

IV. Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft<br />

1. Verpflichtungsgeschäft<br />

Beispiel: Art. 184 OR.<br />

2. Verfügungsgeschäft<br />

Vorgang, durch den eine Person den Bestand oder den Inhalt eines ihr zustehenden<br />

(subjektiven) Rechts unmittelbar und endgültig zugunsten einer<br />

andern Person verändert.<br />

Beispiele:<br />

– Übertragung des Eigentums an einer beweglichen Sache (ZGB 714/1)<br />

– Bestellung eines Faustpfandes an einer beweglichen Sache (ZGB 884/1)<br />

– Abtretung eines obligatorischen Anspruchs (OR 165)<br />

9 | 87


3. Verfügungsmacht<br />

V. Rechtsgrund<br />

Verfügungsgeschäfte: Nemo plus iuris ad alium transferre potest, quam ipse<br />

haberet.<br />

Ausnahmen: Möglichkeit des gutgläubigen Erwerbs des Eigentums an einer<br />

fremden beweglichen Sache vom Nichtberechtigten (ZGB 714/2 und<br />

ZGB 933) oder durch Ersitzung (ZGB 728).<br />

Verpflichtungsgeschäfte: Schadenersatzpflicht<br />

1. Bei Ansprüchen aus relativen Rechten<br />

2. Bei Ansprüchen aus absoluten Rechten (Eigentumsübertragung)<br />

3. Kausale und abstrakte Verfügungsgeschäfte<br />

a) Verfügungen über dingliche Rechte<br />

BGE 55 II 302 (Regeste): Die Eigentumsübertragung an beweglichen Sachen<br />

setzt voraus: 1. (gleichzeitiges) Einigsein der Kontrahenten über den<br />

Eigentumsübergang (Erw. 1), 2. ein gültiges Rechtsgeschäft (Erw. 2).<br />

BGE 121 III 345 E. 2a: Im Unterschied zum Eigentumserwerb, der nach<br />

dem Kausalitätsprinzip ein gültiges Grundgeschäft voraussetzt (BGE 55 II<br />

302 E. 2), ist der Übergang des Besitzes ein tatsächlicher Vorgang, der<br />

nach einhelliger Auffassung nicht von der Gültigkeit des zugrundeliegenden<br />

Rechtsgeschäftes abhängt (HINDERLING, a.a.O., S. 429 f.; LIVER,<br />

Das Eigentum, Schweizerisches Privatrecht, Band V/1, Basel/Stuttgart<br />

1977, S. 325 f.; STARK, <strong>Bern</strong>er Kommentar, N. 32 zu Art. 933 ZGB;<br />

HAAB/SIMONIUS/SCHERRER/ZOBL, Zürcher Kommentar, N. 64 zu<br />

Art. 714 ZGB). Da die Unverbindlichkeit des Grundgeschäftes keinen Einfluss<br />

auf die Besitzübertragung als Realakt hat, erweist sich ein Willensmangel<br />

in bezug auf dieses Rechtsgeschäft auch als unerheblich dafür, ob<br />

eine Sache mit dem [S. 348] Willen des Erstbesitzers dem neuen Besitzer<br />

anvertraut wurde oder ihm ohne seinen Willen abhandengekommen ist.<br />

b) Verfügungen über obligatorische Rechte<br />

Grundsatz:<br />

BGE 67 II 123 E. 4: Die Abtretung ist ein formell selbständiges Rechtsgeschäft,<br />

durch das das abgetretene Recht selbst dann auf den Erwerber übertragen<br />

wird, wenn das zu Grunde liegende Rechtsgeschäft an einem zivilrechtlichen<br />

Mangel leidet, ein Rechtsgrund der Zession also fehlt (vgl.<br />

BGE 24 II 924 und WOLFF, Wesen und Voraussetzungen der Zession,<br />

S. 74 ff.; für das analoge deutsche Recht siehe etwa Seufferts Archiv 69<br />

Nr. 47, sowie OERTMANN, Recht der Schuldverhältnisse, 5. Aufl., I. Abt.,<br />

S. 434). Diese abstrakte Beschaffenheit der Abtretung kann allerdings von<br />

den Parteien beseitigt werden, indem sie die Zession unter der Bedingung<br />

10 | 87


VI. Vertrag<br />

vornehmen, dass der von ihnen vereinbarte Rechtsgrund wirklich vorliegt<br />

oder eintritt (vgl. v. TUHR, Allgemeiner Teil des schweiz. Obligationenrechts,<br />

S. 719). Hierfür genügt es indessen nicht, dass beide Geschäfte<br />

gleichzeitig abgeschlossen und im nämlichen Vertragsinstrument verbunden<br />

sind (vgl. auch Reichsgerichtliche Entscheide in Zivilsachen 57, 96).<br />

Damit wird vielmehr regelmässig höchstens die motivmässige Abhängigkeit<br />

des einen Geschäfts vom andern dargetan, die bei der Abtretung immer<br />

vorhanden ist, weil jede Abtretung aus einem bestimmten Zweck heraus<br />

[S. 128] erfolgt.<br />

Für eine rechtliche Bedingtheit muss mehr als nur das verlangt werden,<br />

d.h. es muss sich einwandfrei ergeben, dass nach dem Willen der Parteien<br />

Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder Hinfall des Vertrages sich automatisch<br />

auch auf die Abtretungen auswirken solle; Das kann nun vorliegend schon<br />

im Hinblick auf allfällige Forderungen der Beklagten aus ihren Warenlieferungen,<br />

zu deren Begleichung ja die Abtretungen ebenfalls dienen sollten,<br />

nicht angenommen werden, ganz abgesehen von allfälligen Rückforderungsansprüchen<br />

bezüglich der zu Darlehen gegebenen Beträge.<br />

Demnach würde eine allfällige Nichtigkeit des Vertrages vom 7. Dezember<br />

1939 nicht auch die Nichtigkeit der zu seiner Ausführung vorgenommenen<br />

Forderungsabtretungen nach sich ziehen. Noch viel weniger könnte aber<br />

eine Anfechtbarkeit jenes Vertrages den Rechtsbestand der Abtretungen<br />

berühren. Und vollends wäre eine blosse Hinfälligkeit des Vertrages zufolge<br />

Rücktritts einer Partei an sich für den Bestand der Abtretungen ohne<br />

Bedeutung. In allen diesen Fallen hätte die Klägerin vielmehr höchstens<br />

einen obligatorischen Anspruch auf Rückgängigmachung der Forderungsabtretungen,<br />

d.h. einen Anspruch auf Rückzession, erwerben können.<br />

Aber: In BGE 84 III 355 E. 1 steht in einem obiter dictum, es<br />

... dürfte sich angesichts der Wendung der Rechtsprechung im Gebiete<br />

des Mobiliarsachenrechts, BGE 55 II 302 ff., eine erneute Prüfung dieser<br />

grundsätzlichen Frage des Zessionsrechtes genügend rechtfertigen, wenn<br />

auch gewiss die Verschiedenheit des Gegenstandes der Übertragung nach<br />

wie vor die Möglichkeit voneinander abweichender Lösungen offen lässt;<br />

zurückhaltend [S. 364] denn auch M. R. KUMMER, Beiträge zur Lehre von<br />

der causa ..., 105 ff., während JÄGGI, N. 162 zu Art. 967 OR, die Gültigkeit<br />

des Rechtsgrundes auch bei der Abtretung von Forderungen als Voraussetzung<br />

des wirksamen Überganges betrachtet).<br />

c) Bedeutung der Unterscheidung<br />

1. Begriff<br />

Vorab im Fall eines Konkurses des Erwerbers (Aussonderung)<br />

Rechtslage, die sich konstituiert aus aufeinander bezogenen, übereinstimmenden<br />

gegenseitigen Willenserklärungen mindestens zweier Personen<br />

(vgl. OR 1/1).<br />

11 | 87


2. Zweiseitig verpflichtende Verträge<br />

a) Vollkommen zweiseitige (synallagmatische) Verträge<br />

Beispiel: Art. 184 OR<br />

Besondere Rechtsfolgen: OR 82, 83/1, 107/1 und 119/2.<br />

b) Unvollkommen zweiseitige Verträge<br />

Beispiele: unentgeltlicher Auftrag; zinsloses Darlehen; unentgeltlicher<br />

Hinterlegungsvertrag.<br />

BGE 94 II 263 E. 3: a) – Art. 82 OR bestimmt, wer bei einem zweiseitigen<br />

Vertrag den andern zur Erfüllung anhalten wolle, müsse entweder bereits<br />

erfüllt haben oder die Erfüllung anbieten, es sei denn, dass er nach dem<br />

Inhalt oder der Natur des Vertrages erst später zu erfüllen habe. Diese Bestimmung<br />

betrifft die Ordnung in der Erfüllung (s. Randtitel) von Leistung<br />

und Gegenleistung aus einem zweiseitigen Vertrag. Der unentgeltliche Auftrag<br />

ist kein vollkommen zweiseitiger Vertrag. Die Auslagen und Verwendungen<br />

des Beauftragten sind nicht als Gegenleistung dessen zu betrachten,<br />

was er auf Grund der Geschäftsführung im Sinne von Art. 400 OR<br />

dem Auftraggeber abzuliefern hat. Art. 82 OR ist daher nicht unmittelbar<br />

anwendbar. Es entspricht aber der Billigkeit und dem tatsächlich geltenden<br />

Recht, dass der Auftraggeber seinen Ablieferungsanspruch nicht durchsetzen<br />

kann, ohne die Auslagen und Verwendungen des Beauftragten zu ersetzen<br />

und dass umgekehrt der Beauftragte die Erfüllung seiner Forderungen<br />

nicht verlangen kann, ohne die Gegenleistung zu erbringen. Dieser<br />

Zusammenhang wird im schweizerischen Recht – entsprechend § 273<br />

BGB – durch das obligatorische Retentionsrecht hergestellt, vermöge dessen<br />

ein Vertragspartner seine Leistung verweigern kann, bis ihm die Gegenleistung<br />

aus dem gleichen Rechtsverhältnis gewährt wird (BGE 78 II<br />

378; VON TUHR/SIEGWART, OR II 506; OSER/SCHÖNENBERGER,<br />

N. 16 zu Art. 402 OR; OFTINGER, N. 202 zu Art. 895 ZGB). Der Anspruch<br />

des Beauftragten auf Auslagen- [S. 268] und Verwendungsersatz wird mit<br />

seiner Erhebung fällig, wie der Ablieferungsanspruch des Auftraggebers<br />

(vgl. BGE 78 II 55, GAUTSCHI, N. 16 zu Art. 400 und N. 13 zu Art. 402<br />

OR). Art. 82 OR ist somit sinngemäss anwendbar.<br />

3. Einseitig verpflichtende Verträge<br />

Beispiel: Schenkungsversprechen.<br />

4. Nominat- und Innominatverträge<br />

§ 5 Grundzüge des Personenrechts [N 300–409]<br />

I. Natürliche Personen und Persönlichkeit im Allgemeinen<br />

1. Rechtsfähigkeit<br />

Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein (ZGB 11).<br />

12 | 87


2. Anfang und Ende der Persönlichkeit<br />

3. Handlungsfähigkeit<br />

a) Begriff<br />

Fähigkeit, durch Handlungen Rechte und Pflichten zu begründen, zu<br />

gestalten oder aufzuheben (ZGB 12).<br />

b) Voraussetzungen: Urteilsfähigkeit und Mündigkeit<br />

BGE 124 III 5 E. 1: a) – Der Begriff der Urteilsfähigkeit enthält zwei Elemente:<br />

einerseits eine intellektuelle Komponente, nämlich die Fähigkeit,<br />

Sinn, Zweckmässigkeit und Wirkungen einer bestimmten Handlung zu erkennen,<br />

andrerseits ein Willens- bzw. Charakterelement, nämlich die Fähigkeit,<br />

gemäss der vernünftigen Erkenntnis nach seinem freien Willen zu<br />

handeln und allfälliger fremder Willensbeeinflussung [S. 8] in normaler<br />

Weise Widerstand zu leisten (BGE 117 II 231 E. 2a S. 232 m.w.H.; ausführlich<br />

EUGEN BUCHER, <strong>Bern</strong>er Kommentar, N. 44 ff. zu Art. 16 ZGB).<br />

Die Urteilsfähigkeit ist aber auch relativ zu verstehen; sie ist nicht abstrakt<br />

festzustellen, sondern in bezug auf eine bestimmte Handlung je nach deren<br />

Schwierigkeit und Tragweite zu beurteilen. Es ist daher denkbar, dass<br />

eine Person trotz allgemeiner Beeinträchtigung der Urteilsfähigkeit zwar<br />

gewisse Alltagsgeschäfte noch zu besorgen vermag und diesbezüglich urteilsfähig<br />

ist, während ihr für anspruchsvollere Geschäfte die Urteilsfähigkeit<br />

abzusprechen ist (BGE 117 II 231 E. 2a S. 232 f. m.w.H.; BUCHER,<br />

a.a.O., N. 87 ff. zu Art. 16 ZGB). Im Unterschied zu alltäglichen Geschäften<br />

und Besorgungen zählt die Errichtung eines Testamentes zu den eher anspruchsvolleren<br />

Geschäften; dies trifft insbesondere dann zu, wenn komplizierte<br />

Verfügungen getroffen werden (ARNOLD ESCHER, Zürcher<br />

Kommentar, N. 6 zu Art. 467 ZGB).<br />

b) – Die Urteilsfähigkeit ist die Regel und wird aufgrund allgemeiner Lebenserfahrung<br />

vermutet. Folglich hat derjenige, der deren Nichtvorhandensein<br />

behauptet, dies zu beweisen. Der Beweis ist keiner besonderen Vorschrift<br />

unterstellt; eine sehr grosse Wahrscheinlichkeit, welche jeden ernsthaften<br />

Zweifel ausschliesst, genügt insbesondere bei einer verstorbenen<br />

Person, weil in diesem Fall die Natur der Dinge selber einen absoluten<br />

Beweis unmöglich macht (BGE 117 II 231 E. 2b S. 234 m.w.H.; BUCHER,<br />

a.a.O., N. 125 ff. zu Art. 16 ZGB). An sich ist der Beweis nicht in bezug auf<br />

die Urteilsfähigkeit einer Person im allgemeinen, sondern in einem bestimmten<br />

Zeitpunkt zu erbringen. Dieser Beweis ist dann einfach zu führen,<br />

wenn beispielsweise wegen einer Geisteskrankheit auf eine permanent<br />

vorhandene Beeinträchtigung der geistigen Fähigkeiten zu schliessen ist<br />

und damit auch luzide Intervalle auszuschliessen sind; ist dies aber nicht<br />

der Fall, dürfte namentlich „post mortem“ der Nachweis der Urteilsunfähigkeit<br />

zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt im allgemeinen kaum zu führen<br />

sein. Wie die Vermutung der Urteilsfähigkeit und die daraus fliessende<br />

Beweislastverteilung folgen auch die Grenzen dieser Regeln aus der allgemeinen<br />

Lebenserfahrung: Führt die Lebenserfahrung – etwa bei Kindern,<br />

bei bestimmten Geisteskrankheiten oder altersschwachen Personen<br />

– zur umgekehrten Vermutung, dass die handelnde Person ihrer allgemeinen<br />

Verfassung nach im Normalfall und mit Wahrscheinlichkeit als urteilsunfähig<br />

gelten muss, ist der Beweispflicht insoweit Genüge getan und die<br />

Vermutung der Urteilsfähigkeit umgestossen; der Gegenpartei steht in diesem<br />

Fall der [S. 9] Gegenbeweis offen, dass die betreffende Person trotz<br />

ihrer grundsätzlichen Urteilsunfähigkeit aufgrund ihrer allgemeinen Ge-<br />

13 | 87


sundheitssituation in einem luziden Intervall gehandelt hat (BGE 117 II 231<br />

E. 2b S. 234 f. m.w.H.; BUCHER, a.a.O., N. 127 zu Art. 16 ZGB).<br />

c) Wirkungen: Geschäftsfähigkeit und Deliktsfähigkeit<br />

4. Handlungsunfähigkeit<br />

a) Kein allgemeiner Schutz des guten Glaubens<br />

BGE 89 II 387: 2. – Abgesehen von gewissen Sonderfällen (vgl. insbesondere<br />

Art. 375 Abs. 3 und Art. 411 Abs. 2 ZGB), von denen hier keiner gegeben<br />

ist, schützt das Gesetz den guten Glauben in die Handlungsfähigkeit<br />

des Geschäftspartners [S. 390] nicht. Vielmehr hat derjenige, der mit<br />

einem Handlungsunfähigen ein Geschäft abschliesst, auch im Falle seiner<br />

Gutgläubigkeit die gewöhnlichen Folgen des Fehlens der Handlungsfähigkeit<br />

einer Vertragspartei zu tragen (EGGER, 2. Aufl., N. 3 zu Art. 18 ZGB;<br />

v. TUHR/SIEGWART, § 23 II S. 172 und § 27 V S. 202; JÄGGI N. 69 zu<br />

Art. 3 ZGB). Dies gilt nicht nur für schuld-, sondern auch für sachenrechtliche<br />

Geschäfte (EGGER a.a.O.; v. TUHR/SIEGWART § 27 V; WIELAND<br />

N. 3a zu Art. 656 und N. 3c dd zu Art. 714 ZGB; LEEMANN, 2. Aufl., N. 37<br />

zu Art. 656 und N. 43 zu Art. 714 ZGB; OFTINGER N. 341 zu Art. 884 ZGB;<br />

OSTERTAG, 2. Aufl., und HOMBERGER, je N. 13 zu Art. 973 ZGB).<br />

b) Volle Handlungsunfähigkeit<br />

Urteilsunfähigkeit (ZGB 18)<br />

c) Beschränkte Handlungsunfähigkeit<br />

Urteilsfähige unmündige oder entmündigte Personen.<br />

Volle Deliktsfähigkeit (ZGB 19/3).<br />

Schwebende Unwirksamkeit von Rechtsgeschäften.<br />

Ausnahmen: Volle Geschäftsfähigkeit bei<br />

– bewilligter selbständiger Haushaltsführung (ZGB 305);<br />

– eigenem Arbeitserwerb des Kindes (ZGB 323); sowie<br />

– Vermögen, das dem Unmündigen oder Entmündigten von den Eltern<br />

oder vom Vormund zur selbständigen Berufs- und Gewerbeausübung<br />

herausgegeben wurde (ZGB 323 und ZGB 412).<br />

d) Nachträglicher Erwerb der Handlungsfähigkeit<br />

BGE 75 II 337 E. 1: Ein Vertrag, der ohne die erforderliche Einwilligung<br />

des gesetzlichen Vertreters abgeschlossen war, konnte nach Art. 32 aOR<br />

„durch denselben oder durch die Partei selbst, wenn diese inzwischen die<br />

Vertragsfähigkeit erlangt hat“, genehmigt werden. Das ZGB erwähnt von<br />

14 | 87


II. Schutz der Persönlichkeit<br />

diesen beiden Möglichkeiten nur noch die erste (Art. 410 Abs. 1). Von der<br />

Möglichkeit der Genehmigung durch die handlungsfähig gewordene Vertragspartei<br />

spricht es nicht mehr. Wie schon in BGE 54 II 83 unter Hinweis<br />

auf die Erläuterungen zum Vorentwurf (Art. 437) festgestellt, beruht dies<br />

jedoch nicht auf der Absicht, den bisherigen Rechtszustand zu ändern.<br />

Vielmehr ist anzunehmen, dass als selbstverständlich angesehen wurde,<br />

dass der Erwerb der Handlungsfähigkeit den bisher Bevormundeten in den<br />

Stand setze, den Mangel selber zu beheben, der dem von ihm abgeschlossenen<br />

Vertrage infolge Fehlens der (nur gerade wegen der bestehenden<br />

Vormundschaft erforderlichen) vormundschaftlichen Zustimmung<br />

bisher anhaftete. Wenn der urteilsfähige Bevormundete ohne vorherige<br />

Zustimmung oder nachträgliche Genehmigung des Vormundes Verpflichtungen<br />

übernommen oder Rechte aufgegeben hat, oder wenn ein Geschäft,<br />

das er mit Zustimmung des Vormundes abgeschlossen hat, den<br />

nach Gesetz zur Mitwirkung berufenen vormundschaftlichen Behörden<br />

(oder einer davon) nicht vorgelegt worden ist, so kann er es also nach Aufhebung<br />

der Vormundschaft auch unter dem Rechte des ZGB selber genehmigen<br />

(sofern der andere Teil nicht etwa inzwischen nach Art. 410<br />

Abs. 2 ZGB frei geworden ist).<br />

1. Schutz vor übermässiger Bindung (ZGB 27)<br />

Entäusserung der Freiheit<br />

Beschränkung der Freiheit<br />

2. Schutz gegen Verletzungen (ZGB 28 ff.)<br />

III. Allgemeine Vorschriften über juristische Personen<br />

1. Begriff<br />

2. Arten<br />

Körperschaften (universitas personarum):<br />

– Verein (ZGB 60–79);<br />

– Aktiengesellschaft (OR 620–761);<br />

– Kommandit-Aktiengesellschaft (OR 764–771);<br />

– Gesellschaft mit beschränkter Haftung (OR 772–827);<br />

– Genossenschaft (OR 828–926);<br />

Anstalten (universitas bonorum):<br />

– Stiftung (ZGB 80–89bis).<br />

15 | 87


3. Anfang und Ende der Persönlichkeit<br />

System der freien Bindung<br />

System des Registerzwangs (Normativsystem)<br />

4. Rechtsfähigkeit<br />

5. Handlungsfähigkeit<br />

a) Handeln durch Organe<br />

BGE 117 II 570 E.3: Der Kläger beruft sich ausserdem auf Lehre und<br />

Rechtsprechung zum Organbegriff von Art. 55 ZGB. Als Organe im Sinne<br />

dieser Vorschrift gelten diejenigen Funktionäre einer juristischen Person,<br />

die nach Gesetz, Statuten oder einem davon abgeleiteten Reglement zur<br />

Erfüllung gesellschaftlicher Aufgaben berufen sind oder tatsächlich und erkennbar<br />

solche Aufgaben selbständig besorgen (OFTINGER/STARK,<br />

Schweiz. Haftpflichtrecht, Bd. II/1, S. 274 Rz. 15; GUTZWI<strong>LL</strong>ER, SPR Bd.<br />

II, S. 489 ff.; RIEMER, N. 100 ff. zu Art. 69 ZGB). Organe sind nach der<br />

Rechtsprechung auch jene Personen, die unter der Aufsicht des obersten<br />

Verwaltungsausschusses einer juristischen Person deren eigentliche Geschäftsführung<br />

[S. 572] besorgen oder sich sonst in leitender Stellung betätigen<br />

(BGE 104 II 197 mit Hinweisen).<br />

b) Haftung der juristischen Person für das Handeln der Organe<br />

BGE 48 II 145 E.6. – Gemäss Art. 55 Abs. 2 ZGB haften juristische<br />

[S. 157] Personen für unerlaubte Handlungen ihrer Organe wie für ihr<br />

sonstiges Verhalten. Dabei ist Voraussetzung, dass die Organe als Organe<br />

gehandelt haben, bezw., dass der entstandene Schaden die Folge eines<br />

Verhaltens ist, das angesichts der Natur der Organstellung grundsätzlich,<br />

also abgesehen vom konkreten Fall, in den Rahmen der Organkompetenz<br />

fiel (...).<br />

Dementsprechend darf aus dem Umstand, dass nach ZGB 55/2 auch<br />

die deliktischen Handlungen der Organe der juristischen Person zuzurechnen<br />

sind, gemäss BGE 120 II 58 E. 4b auch<br />

... nicht geschlossen werden, dass sich die als Organ handelnde natürliche<br />

Person zu ihrer Entlastung auf die Handlungen der juristischen Person berufen<br />

könne. Die Zurechnung erfolgt nur einseitig. Das Organ kann sich<br />

nicht hinter die juristische Person verschanzen (RIEMER, <strong>Bern</strong>er Kommentar,<br />

1993, N. 63 zu Art. 54/55 ZGB). Entsprechend ist das Organ für sein<br />

Verschulden persönlich verantwortlich (Art. 55 Abs. 3 ZGB).<br />

c) Handeln durch Vertreter<br />

BGE 54 II 254 E 1: Der Rechtsverkehr der juristischen Personen mit <strong>Dr</strong>itten<br />

wickelt sich in erster Linie durch ihre gesetzlichen oder statutarischen<br />

Organe ab, die selbst ein Teil der Persönlichkeit sind (ZGB Art. 54, 55).<br />

Doch kann auch eine Person ohne Organqualität vermöge Bevollmächtigung<br />

durch ein Organ zur Vornahme bestimmter Rechtshandlungen die juristische<br />

Person rechtsgültig verpflichten, sofern nicht gesetzliche oder sta-<br />

16 | 87


tutarische Bestimmungen oder die Besonderheit der in Frage kommenden<br />

Handlung eine Stellvertretung ausschliessen, und es sind auf ein solches<br />

Vertretungsverhältnis die allgemeinen obligationenrechtlichen Bestimmungen<br />

über die Stellvertretung anwendbar (vgl. BGE 49 II 208 ff., 50 II 184;<br />

Erl. z. ZGB I S. 83; HAFTER, Anm. 7 und 8 zu ZGB 54; EGGER, Anm. 3b<br />

zu ZGB 55). Diese Grundsätze, die einem offenbaren Verkehrsbedürfnis<br />

entspringen, gelten analog auch für die öffentlich-rechtlichen Körperschaften,<br />

soweit nicht in deren Statuten oder in Vorschriften des öffentlichen<br />

Rechtes Einschränkungen enthalten sind.<br />

IV. Weitere rechts- und handlungsfähige Gebilde<br />

Punktuell wird die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, von Gesetzes<br />

wegen auch Gebilden (vorab Personenmehrheiten und Vermögensmassen)<br />

zuerkannt, denen das Recht der Persönlichkeit, d.h. die Anerkennung als Rechtssubjekt<br />

(als juristische Person), nicht zukommt. So gelten aufgrund gesetzlicher<br />

Sonderregelung als rechts- und handlungsfähig unter anderem:<br />

– Stockwerkeigentümergemeinschaft (ZGB 712l/2);<br />

– Kollektivgesellschaft (OR 562);<br />

– Kommanditgesellschaft (OR 602);<br />

– Gläubigergemeinschaft bei Anleihensobligationen (OR 1164);<br />

– Verwaltungsrat der Aktiengesellschaft (OR 706/1);<br />

– Geschäftsführung der GmbH (OR 808/4);<br />

– Verwaltung der Genossenschaft (OR 891/1);<br />

17 | 87


2. Kapitel: Vertragsabschluss und Stellvertretung<br />

§ 6 Der Abschluss von Verträgen [N 633–690]<br />

I. Am Vertragsabschluss beteiligte Personen<br />

II. Einigung über den wesentlichen Vertragsinhalt<br />

1. Die wesentlichen Vertragspunkte<br />

a) Die objektiv wesentlichen Vertragspunkte (essentialia negotii)<br />

b) Die subjektiv wesentlichen Vertragspunkte<br />

Alle weiteren Regelungen, die für den Abschlusswillen beider Parteien<br />

eine condicio sine qua non darstellen.<br />

2. Vorbehaltene Nebenpunkte<br />

III. Der Ablauf des Vertragsabschlusses<br />

1. Gegenseitigkeit der Willensäusserungen<br />

2. Der Antrag (Offerte)<br />

a) Bindung an den Antrag mit Annahmefrist<br />

b) Bindung an den Antrag ohne Annahmefrist<br />

– Antrag unter Anwesenden<br />

– Antrag unter Abwesenden<br />

c) Der unverbindliche Antrag<br />

d) Zusendung unbestellter Sachen<br />

3. Die Annahme (Akzept)<br />

a) Grundsatz: Keine Annahme durch Schweigen<br />

18 | 87


) Ausnahme: Stillschweigende Annahme<br />

c) Zum Problem des Bestätigungsschreibens<br />

BGE 114 II 250: Regeste: Art. 6 OR. Wirkungen eines Bestätigungsschreibens.<br />

Einem Bestätigungsschreiben, das unwidersprochen bleibt, kommt keine<br />

rechtserzeugende Wirkung zu, wenn das Schreiben derart vom Verhandlungsergebnis<br />

abweicht, dass nach Treu und Glauben nicht mit dem Einverständnis<br />

des Empfängers gerechnet werden darf.<br />

Sachverhalt<br />

A. – Die Firma A. ist in der Papierbranche tätig. Sie belieferte B. einige<br />

Jahre lang mit Waren, wofür B. ihr im März 1983 noch Fr. 171'916.05<br />

schuldete. Am 30. März verhandelten die Parteien über die Tilgung der<br />

Schuld, nach Angaben der Firma aber ohne Erfolg. Es kam daraufhin zwischen<br />

ihnen noch zu einem Telefongespräch. Mit Brief vom 11. April teilte<br />

B. der Firma A. mit, dass er ohne umgehende gegenteilige Nachricht ihr<br />

„vereinbarungsgemäss bis spätestens 14. April 1983“ per Saldo aller weiteren<br />

Ansprüche Fr. 30'000.– überweisen werde, was er an diesem Tag auch<br />

tat.<br />

Die Firma A. will mit Schreiben vom 15. April einer solchen Regelung der<br />

Schuld widersprochen und den überwiesenen Betrag als blosse Akontozahlung<br />

bezeichnet haben. B. hat das Schreiben angeblich nicht erhalten.<br />

Der Aufforderung der Firma vom 8. Februar 1984, die ihres Erachtens<br />

noch ausstehende Schuld von Fr. 141'916.05 zu begleichen, kam er nicht<br />

nach. Diesen Betrag nebst Zins klagte die Firma A. sodann ein. [S. 251]<br />

B. – Das Amtsgericht Luzern-Stadt wies die Klage ab. Auf Appellation der<br />

Klägerin hiess das Obergericht des Kantons Luzern sie am 27. Januar<br />

1988 dagegen gut, weil eine Einigung der Parteien auf einen teilweisen<br />

Schulderlass zu verneinen und dem angeblich unwidersprochen gebliebenen<br />

Schreiben des Beklagten vom 11. April 1983 eine rechtsbegründende<br />

Wirkung, welche die fehlende Einigung ersetzen könnte, abzusprechen sei.<br />

Der Beklagte hat dagegen Berufung eingelegt, die vom Bundesgericht abgewiesen<br />

wird.<br />

Auszug aus den Erwägungen:<br />

2. – Der Beklagte macht ferner geltend, in seinem Schreiben vom 11. April<br />

1983 sei jedenfalls eine Vertragsofferte zu erblicken, welche die Klägerin,<br />

wie aus ihrem Verhalten nach dem Empfang des Schreibens erhelle, stillschweigend<br />

angenommen habe. Das Obergericht habe dies zu Unrecht<br />

verneint und dadurch Art. 6 OR verletzt.<br />

a) – Diese Bestimmung regelt den Abschluss eines Vertrages durch stillschweigende<br />

Annahme eines Antrages. Sie ist auf den vorliegenden Sachverhalt<br />

nicht unmittelbar anwendbar, da der Beklagte am 11. April gar nicht<br />

der Meinung war, der Klägerin eine Offerte zu unterbreiten. Das Bundesgericht<br />

hat indes ihre analoge Anwendung auf Fälle bejaht, in denen ein vermeintlich<br />

mündlich abgeschlossener Vertrag schriftlich bestätigt wurde,<br />

ohne dass der Empfänger sich innert angemessener Frist dagegen verwahrt<br />

hätte; es hat damit einem unwidersprochen gebliebenen Bestätigungsschreiben<br />

jedenfalls im kaufmännischen Verkehr rechtserzeugende<br />

Kraft mit konstitutiver Wirkung zuerkannt (BGE 100 II 22 E. 3a mit Hinweisen).<br />

Die Lehre hat sich diesem Grundsatz angeschlossen (SCHMIDLIN,<br />

19 | 87


N. 80 ff. zu Art. 6 OR; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 67 ff. zu Art. 6 OR;<br />

GUHL/MERZ/KUMMER, OR 7. Aufl. S. 98; GAUCH/SCHLUEP, OR Allg.<br />

Teil 4. Aufl. I Rz. 841 ff.; KE<strong>LL</strong>ER/SCHÖBI, Allgemeine Lehren des Vertragsrechts,<br />

3. Aufl. S. 34; VON TUHR/PETER, OR Allg. Teil I S. 189<br />

Anm. 61; BUCHER, OR Allg. Teil S. 122; ENGEL, Traité des obligations en<br />

droit suisse, S. 147).<br />

Dass einem Bestätigungsschreiben, das unwidersprochen bleibt, selbst<br />

dann rechtserzeugende Kraft zukommt, wenn die Parteien vorher ergebnislos<br />

verhandelt oder sich in wesentlichen Punkten noch nicht geeinigt<br />

haben und der Absender nicht bewusst etwas [S. 252] Unrichtiges bestätigt,<br />

wie in BGE 71 II 223/24 angenommen wurde, ist in BGE 100 II 22/23<br />

freilich angezweifelt worden. Entscheidend ist indes, dass die rechtserzeugende<br />

Kraft eines solchen Schreibens sich so oder anders nur aus dem<br />

Grundsatz der Vertrauenshaftung ergeben kann, welcher sich der Empfänger<br />

aussetzt, wenn er schweigt, obschon er an sich allen Anlass hätte,<br />

dem Schreiben zu widersprechen (SCHMIDLIN, N. 89 und 99 ff. zu Art. 6<br />

OR; VON BÜREN, OR Allg. Teil S. 136/37). Damit setzt der Vertrauensgrundsatz<br />

nicht nur der konstitutiven Wirkung, sondern auch der Bindung<br />

des Schweigenden Schranken. Der Absender darf deshalb nicht von einer<br />

solchen Bindung ausgehen, wenn sein Schreiben vom Verhandlungsergebnis<br />

derart abweicht, dass nach Treu und Glauben nicht mehr mit dem<br />

Einverständnis des Empfängers gerechnet werden darf (SCHMIDLIN,<br />

N. 100 ff. zu Art. 6 mit Hinweisen).<br />

Dies beurteilt sich nach einem objektiven Massstab, hängt folglich nicht<br />

von der subjektiven Einstellung des Absenders ab, selbst wenn die schriftliche<br />

Bestätigung eines angeblichen Verhandlungsergebnisses, das vom<br />

tatsächlich erzielten erheblich abweicht, regelmässig auch auf Unsorgfalt<br />

oder gar auf Unredlichkeit schliessen lässt (vgl. SCHÖNENBER-<br />

GER/JÄGGI, N. 95 zu Art. 6 OR). Ob eine bewusste Falschbestätigung<br />

vorliegt, ist zudem eine Frage des Beweises, der für einen bestimmten Willen<br />

oder ähnliche innere Vorgänge meistens schwierig und nur über eine<br />

tatsächliche Vermutung erbracht werden kann (BGE 110 II 4 E. 3b). Wenn<br />

die rechtserzeugende Kraft eines streitigen Bestätigungsschreibens nach<br />

dem Vertrauensgrundsatz ermittelt und begrenzt wird, geht es dagegen um<br />

eine Frage der Rechtsanwendung. Aus diesem Unterschied erhellt, dass<br />

die rechtliche Begrenzung vorzuziehen und aus Gründen der Rechtssicherheit<br />

auch sachlich gerechtfertigt ist.<br />

b) – Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz hat die Klägerin<br />

anlässlich der Besprechung vom 30. März 1983 einen Prozentvergleich mit<br />

einer Saldozahlung von Fr. 30'000.– ausdrücklich abgelehnt. Bis zum<br />

11. April sodann, als der Beklagte der Klägerin schrieb, führten die Parteien<br />

zwar ein Telefongespräch, dessen angeblich positiver Ausgang aber<br />

von der Klägerin bestritten wurde und zudem unbewiesen blieb. Der Beklagte<br />

beruft sich somit auf Bestätigungen, die dem negativen Verhandlungsergebnis<br />

stracks zuwiderlaufen und darauf ausgehen, der Klägerin<br />

eine Lösung zu unterstellen, die sie von Anfang an zurückgewiesen<br />

[S. 253] hat. Unter diesen Umständen geht es schon nach dem Vertrauensgrundsatz<br />

nicht an, dem unwidersprochen gebliebenen Bestätigungsschreiben<br />

des Beklagten eine konstitutive Wirkung beizumessen,<br />

gleichviel wie es sich damit nach den Absichten des Absenders und dessen<br />

Finanzlage verhielte.<br />

d) Wirkung der Annahme<br />

– Annahme unter Anwesenden<br />

– Annahme unter Abwesenden<br />

20 | 87


4. Widerruf von Antrag und Annahme<br />

– Antrag mit Vorbehalt des Widerrufs<br />

– Widerruf der Annahme bei Haustürgeschäften (OR 40a–40f)<br />

– Widerruf durch „überholende“ Erklärung<br />

IV. Exkurs: Zur Geltung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) [N 944–965]<br />

BGE 109 II 213 E. 2: a) Das Bundesgericht hatte sich bisher abgesehen<br />

von Streitigkeiten über die Gültigkeit von Gerichtsstandsklauseln nur vereinzelt<br />

mit der Frage zu befassen, inwieweit der Richter die schwache oder<br />

unerfahrene Partei vor allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie nicht<br />

gelesen oder nicht begriffen hat, schützen soll. In BGE 41 II 455 E. 2 hing<br />

die Frage nicht mit solchen Bedingungen zusammen, stellte sich jedoch<br />

analog. Das Bundesgericht liess eine als Saldoquittung bezeichnete Urkunde,<br />

welche die Klägerin nicht oder nur flüchtig gelesen hatte, lediglich<br />

als Quittung für eine Anzahlung gelten, weil die Klägerin sich nach den<br />

Umständen [S. 217] nicht weitergehend habe binden wollen. Aus ähnlichen<br />

Überlegungen hielt es in BGE 49 II 185 f. eine Bürgschaftserklärung, die in<br />

einer Grundpfandverschreibung versteckt war, wegen Irrtums und Verstosses<br />

gegen Treu und Glauben für unverbindlich. In BGE 64 II 356 E. 2 verwarf<br />

es dagegen eine Berufung auf Irrtum, der angeblich in der falschen<br />

Vorstellung eines Bankkunden darüber bestand, dass die auf der Rückseite<br />

eines Depotscheines wiedergegebene Klausel, wonach die Bank nur so<br />

gut als möglich, jedoch ohne dafür verantwortlich zu seien, die Legitimität<br />

des Vorweisers prüfe, überhaupt zum Vertragsinhalt erhoben worden sei.<br />

Ebenso hielt es in BGE 76 I 349 E. 4 an der Verbindlichkeit einer Schiedsklausel<br />

fest, der die Parteien durch Verweis auf gedruckte Vertragsbedingungen<br />

einer Wirtschaftsorganisation zugestimmt hatten.<br />

Aus dieser Rechtsprechung leitet die Lehre, die sich mit der Gültigkeit allgemeiner<br />

Geschäftsbedingungen oder vorformulierter Verträge auseinander<br />

setzt, die sogenannte Ungewöhnlichkeitsregel ab. Danach gilt der Inhalt<br />

einer ungelesenen Bedingung als unverbindlich, wenn er ganz oder<br />

teilweise aus dem vom Vertrauensgrundsatz gezogenen Rahmen fällt, so<br />

dass die betroffene Partei mit ihm nicht rechnen musste, ohne von der Gegenpartei<br />

eigens darauf aufmerksam gemacht worden zu sein (Giger,<br />

Grundsätzliches zum Einbezug Allgemeiner Geschäftsbedingungen in den<br />

Einzelvertrag, in Schriftenreihe zum Konsumentenschutzrecht, Bd. 5 S. 66;<br />

FORSTMOSER, Gesetzgebung und Gerichtspraxis zu den Allgemeinen<br />

Geschäftsbedingungen in der Schweiz, ebenda S. 45/46; MERZ, Massenvertrag<br />

und Allgemeine Geschäftsbedingungen, in Festgabe Schönenberger,<br />

S. 148; GUHL/MERZ/KUMMER, OR 7. Aufl. S. 102/3; SCHÖNEN-<br />

BERGER/JÄGGI, N. 427 ff. und 498/99 zu Art. 1 OR; BUCHER, OR S.<br />

135). Im Vordergrund stehen dabei Globalverweisungen auf allgemeine<br />

Geschäftsbedingungen, die von der wirtschaftlich stärkeren und erfahrenen<br />

Partei für eine Vielzahl von Fällen aufgestellt und zum Bestandteil eines<br />

bestimmten Einzelvertrages erklärt werden. Als Massstäbe für die Inhaltskontrolle<br />

durch den Richter werden insbesondere die Bestimmungen über<br />

die Widerrechtlichkeit und Sittenwidrigkeit der Verträge (Art. 19 f. OR), die<br />

Übervorteilung (Art. 21 OR), den Schutz der Persönlichkeit (Art. 27 ZGB)<br />

sowie das Verbot des Rechtsmissbrauchs (Art. 2 Abs. 2 ZGB) erwähnt<br />

(GIGER, S. 78 ff.; MERZ, S. 153 ff.; BUCHER, S. 136; KRAMER, N. 222<br />

zu Art. 1 OR). Einige Autoren möchten zudem Erfordernisse mitberücksichtigt<br />

[S. 218] wissen, welche das Bundesgericht für einen gültigen Verzicht<br />

auf den ordentlichen Gerichtsstand aufgestellt hat (BGE 104 Ia 279 ff. mit<br />

Zitaten); dies wird vor allem für den Fall verlangt, dass bestimmte Geschäftsbedingungen<br />

die Rechtswahrung des Vertragspartners erschweren<br />

21 | 87


oder seine Freiheit anderswie beschränken (MERZ, S. 149 ff.; BUCHER,<br />

S. 135; GUHL/MERZ/KUMMER, S. 102; KRAMER, N. 204 f. zu Art. 1 OR;<br />

SCHÖNENBERGER/JÄGGI, N. 504 zu Art. 1 OR). Für andere (z.B.<br />

FORSTMOSER, S. 49 f.) sind auch die besonderen Umstände des Einzelfalles<br />

von Bedeutung, wozu namentlich das Wissen und die Erwartungen<br />

der schwächeren Partei gehören.<br />

BGE 109 II 452: E. 4. – Mit der Frage, ob der Richter die schwache oder<br />

unerfahrene Partei vor allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie nicht<br />

gelesen oder in ihrer Tragweite nicht begriffen hat, schützen soll, hat sich<br />

das Bundesgericht in drei neuen, veröffentlichten Urteilen auseinandergesetzt.<br />

In BGE 108 II 418 E. 1b hielt es als Grundsatz fest, wer einen Vertragstext<br />

unterzeichne, der auf allgemeine Geschäftsbedingungen verweise,<br />

sei in gleicher Weise gebunden wie derjenige, der seine Unterschrift<br />

unter den Text der allgemeinen Bedingungen selbst setze. Es komme deshalb<br />

nicht darauf an, ob die betreffende Partei die allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />

tatsächlich gelesen habe. Dieser Grundsatz bedürfe indessen<br />

der Einschränkung für den Fall, dass die Gegenpartei wisse oder nach<br />

der allgemeinen Lebenserfahrung wissen müsse, dass der Erklärungsinhalt<br />

nicht gewollt sei. Aus dieser Einschränkung, die sich auf das Vertrauensprinzip<br />

stütze, habe ein Teil der Lehre die sogenannte Ungewöhnlichkeitsregel<br />

abgeleitet, wonach von der pauschalen Zustimmung zu allgemeinen<br />

Geschäftsbedingungen alle ungewöhnlichen Klauseln ausgenommen<br />

seien, insbesondere solche, deren Inhalt von dem abweicht, was<br />

vernünftigerweise [S. 457] erwartet werden dürfe. In jenem Fall wurde die<br />

Anwendung der Ungewöhnlichkeitsregel indessen abgelehnt, im wesentlichen<br />

mit der Begründung, die Partei, welche den Einbezug der allgemeinen<br />

Geschäftsbedingungen in den Vertrag veranlasst habe, habe aufgrund<br />

der allgemeinen Lebenserfahrung nicht erkennen müssen, dass eine oder<br />

mehrere der darin enthaltenen Vorschriften von der Gegenpartei nicht gewollt<br />

seien. Zu beachten ist, dass es sich in jenem Fall, auch wenn dies<br />

nicht ausdrücklich gesagt wurde, nicht um "Kunden-AGB", sondern um<br />

"Unternehmer-AGB" gehandelt hat.<br />

In einem späteren Urteil (BGE 109 II 118 E. 2) hat das Bundesgericht nach<br />

einem Hinweis auf die Literatur zur Ungewöhnlichkeitsregel deren Anwendung<br />

in Würdigung der konkreten Umstände wiederum abgelehnt.<br />

Schliesslich hat es sich in BGE 109 II 216 E. 2 ausführlich mit den zum Teil<br />

voneinander abweichenden Lehrmeinungen befasst, ohne dazu Stellung<br />

zu nehmen, weil diese Unterschiede keinen Einfluss auf den Verfahrensausgang<br />

hatten.<br />

Auch im vorliegenden Fall erübrigt sich eine Stellungnahme zur Frage, ob<br />

und inwieweit der Richter neben der Geltungs- eine Inhaltskontrolle von<br />

allgemeinen Geschäftsbedingungen vornehmen kann, wie dies von der<br />

Lehre teilweise gefordert wird (dazu zuletzt CARL BAUDENBACHER,<br />

Wirtschafts-, schuld- und verfahrensrechtliche Grundprobleme der allgemeinen<br />

Geschäftsbedingungen, Zürich 1983, S. 282 ff.). Vielmehr ist auf<br />

Grund der Besonderheit des vorliegenden Falles zu entscheiden, ob sich<br />

die Beklagte auf die Ungewöhnlichkeitsregel berufen darf. Inhaltliche Gesichtspunkte<br />

können dabei insofern eine Rolle spielen, als eine Anwendung<br />

dieser Regel um so eher berechtigt ist, je stärker eine Klausel die<br />

Rechtsstellung des Vertragspartners beeinträchtigt.<br />

§ 7 Konsens, Dissens und Simulation [N 691–742]<br />

I. Konsens und Konsensstreit<br />

BGE 116 II 695 E. 2: a) Vertragliche Bindung setzt einen tatsächlichen<br />

oder normativen Konsens voraus, auf seiten des Verpflichteten einen ausdrücklich<br />

oder vertrauenstheoretisch erklärten Rechtsfolgewillen. Fehlt es<br />

22 | 87


an einer solchen Willenskundgabe, tritt keine rechtliche Verpflichtung im<br />

Sinne eines obligatorischen Schuldverhältnisses ein (KRAMER, Allgemeine<br />

Einleitung in das schweizerische Obligationenrecht, N 62; MERZ, Vertrag<br />

und Vertragsschluss, S. 4 ff. Rz. 4 ff.). Ob ein Rechtsfolgewille oder<br />

Geschäftswille tatsächlich geäussert und vom Erklärungsempfänger übereinstimmend<br />

mit dem Erklärenden verstanden wurde, ist Tatfrage, welche<br />

vom kantonalen Sachrichter grundsätzlich abschliessend zu beurteilen ist.<br />

Rechtsfrage ist dagegen, wie die Geschäftspartner die gegenseitigen Willensäusserungen<br />

nach Treu und Glauben verstehen durften und mussten<br />

(BGE 113 II 50).<br />

II. Auslegung von Willenserklärungen, insbesondere das Vertrauensprinzip<br />

BGE 123 III 35 E. 2b: Im schweizerischen Vertragsrecht gilt bei Fragen des<br />

Konsenses oder der Auslegung der Grundsatz des Primats des subjektiv<br />

übereinstimmend Gewollten vor dem objektiv Erklärten, subjektiv aber unterschiedlich<br />

Verstandenen. Im Konsens- wie im Auslegungsstreit hat das<br />

Sachgericht daher vorab zu prüfen, ob die Parteien sich tatsächlich übereinstimmend<br />

geäussert, verstanden und in diesem Verständnis geeinigt<br />

haben. Ist dies für den Vertragsschluss als solchen zu bejahen, liegt ein<br />

tatsächlicher Konsens vor. Haben die Parteien sich in den Vertragsverhandlungen<br />

zwar übereinstimmend verstanden, aber nicht geeinigt, besteht<br />

ein offener Dissens und damit kein Vertragsschluss. Haben sie sich<br />

übereinstimmend geäussert, aber abweichend verstanden, liegt ein versteckter<br />

Dissens vor, welcher zum Vertragsschluss führt, wenn eine der<br />

Parteien nach [S. 40] dem Vertrauensgrundsatz in ihrem Verständnis der<br />

gegnerischen Willensäusserung zu schützen und damit die andere auf ihrer<br />

Äusserung in deren objektivem Sinn zu behaften ist. Diesfalls liegt ein<br />

normativer Konsens vor.<br />

BGE 122 III 420 E. 3: a) Die Willenserklärungen der Parteien sind, da ein<br />

übereinstimmender wirklicher Wille nicht ermittelt wurde (Art. 18 Abs. 1<br />

OR), aufgrund des Vertrauensprinzips so auszulegen, wie sie nach ihrem<br />

Wortlaut und Zusammenhang sowie den gesamten Umständen verstanden<br />

werden durften und mussten (BGE 121 III 118 E. 4b/aa mit Hinweisen; 119<br />

II 449 E. 3a). Dabei hat der Richter zu berücksichtigen, was sachgerecht<br />

ist, weil nicht anzunehmen ist, dass die Parteien eine unangemessene Lösung<br />

gewollt haben (BGE 117 II 609 E. 6c mit Hinweis; 116 II 259 E. 5a).<br />

BGE 69 II 319 E. 3: Auszugehen ist davon, dass die rechtsgeschäftlichen<br />

Erklärungen, mit denen die Vertragsparteien ihre Beziehungen regeln, eine<br />

ihrem Inhalt entsprechende Rechtswirkung zu erzeugen bestimmt sind. Auf<br />

die Ermittlung dieser rechtlichen Wirksamkeit des Vertragswortlautes, in<br />

dem die rechtsgeschäftlichen Erklärungen zusammengefasst sind, ist die<br />

Auslegung gerichtet. Da Erklärungsinhalt und Rechtsfolge eine untrennbare<br />

Einheit bilden, [S. 322] umfasst die Auslegung gleichzeitig die Feststellung<br />

sowohl des Inhalts als auch der Rechtsfolge desselben. Diese Ermittlung<br />

besteht darin, dass die Bedeutung festgestellt wird, die angesichts der<br />

konkreten Umstände im Lichte allgemeiner Lebenserfahrung dem Wortlaut<br />

und Wortsinn der Erklärung zukommt. Hierauf nämlich, und nicht auf den<br />

hinter der Erklärung stehenden sogenannten inneren Willen einer Partei<br />

kommt es an, da nach der Vertrauenstheorie, die im schweizerischen<br />

Rechtsbereiche gilt, eine Vertragspartei sich ihre Willenserklärung so entgegenhalten<br />

lassen muss, wie sie nach Treu und Glauben im Verkehr von<br />

der Gegenpartei aufgefasst werden durfte; der Erklärende ist nicht gebunden,<br />

weil er einen bestimmt gearteten inneren Willen hatte, sondern weil er<br />

ein Verhalten an den Tag gelegt hat, aus dem die Gegenseite in guten<br />

Treuen auf das Vorhandensein eines bestimmten Willens schliessen durfte.<br />

Die Feststellung des Sinnes und Inhalts einer Willenserklärung an Hand<br />

der allgemeinen Lebenserfahrung aber geschieht unter Zuhilfenahme von<br />

Erfahrungssätzen, und zu deren Überprüfung ist das Bundesgericht befugt<br />

(BGE 69 II 204). Soweit die Auslegung eines Rechtsgeschäfts sich in der<br />

23 | 87


III. Dissens<br />

1. Offener Dissens<br />

2. Versteckter Dissens<br />

Ermittlung der Tragweite der abgegebenen Erklärungen nach allgemeiner<br />

Lebenserfahrung erschöpft, ist sie daher Rechtsfrage und kann vom Bundesgericht<br />

frei überprüft werden. Dann hat man es, wie in BGE 45 II 437<br />

etwas summarisch ausgedrückt wird, eben mit einer (blossen) Auslegung<br />

nach juristischen Interpretationsregeln zu tun.<br />

Eine Einschränkung drängt sich dort auf, wo der Sachrichter nicht bei dieser<br />

Auslegung stehen geblieben ist, sondern darüber hinaus auf Grund besonderer<br />

äusserer Begleitumstände des Vertragsschlusses zum Ergebnis<br />

gelangt ist, dass im konkreten Falle beide Parteien übereinstimmend dem<br />

Wortlaut einen besonderen Sinn beigelegt haben, der von dem nach der<br />

allgemeinen Lebenserfahrung sich ergebenden abweicht (was TITZE,<br />

[S. 323] Richtermacht und Vertragsinhalt, S. 12 ff, als individuelle Auslegung<br />

bezeichnet im Gegensatz zu der von der allgemeinen Lebenserfahrung<br />

getragenen generellen Auslegung). In einem solchen Falle kann von<br />

der Ermittlung eines „inneren Willens“ der Parteien, oder, wie BGE 66 II 61<br />

sich ausdrückt, von einem „innern Tatbestand“ gesprochen werden, den<br />

die Vorinstanz auf dem Wege der Beweiswürdigung festgestellt hat und<br />

der daher für das Bundesgericht verbindlich ist.<br />

BGE 41 II 252: Regeste<br />

Kauf. Bedeutung der schriftlichen Fixierung des Geschäfts? Dissens über<br />

die Art der Gewichtsbestimmung (Original- oder Effektivgewicht im Handel<br />

mit Hanf). Art. 212 Abs. 3 OR: Vorbehalt besonderer kaufmännischer<br />

Übungen mit Bezug auf die Bestimmung des Kaufpreises bei mangelnder<br />

Festsetzung durch die Parteien; Feststellung des kantonalen Gerichts,<br />

dass eine Übung nicht bestehe.<br />

Sachverhalt<br />

A. – Mit Urteil vom 12. November 1914 hat das Handelsgericht des Kantons<br />

Aargau die Klagebegehren:<br />

„1. Es sei gerichtlich festzustellen, dass der Beklagte am 13. August 1913<br />

mit den Klägern einen Kaufvertrag um 18 000 Fr. abgeschlossen hat, mit<br />

folgendem Inhalt:<br />

Der Beklagte verpflichtet sich, den Klägern 2000 Kg. Hanf in Strangen prima<br />

courante Qualität franko Wohlen zum Preise von 9 Fr. gemäss Gewicht<br />

in Wohlen, netto 30 Tage, zu liefern, wovon die erste Sendung von zirka<br />

500 Kg. lieferbar im September, die Restanz im Oktober und November<br />

1913.<br />

2. Der Beklagte sei zu verurteilen, den Klägern als Schadenersatz<br />

7 000 Fr. zu bezahlen, nebst 5% Zins seit 1. Oktober 1913 von 1 750 Fr.<br />

und 5% seit 30. November 1913 von 5 250 Fr. Feststellung nach richterlichem<br />

Ermessen vorbehalten.<br />

3. Es sei den Klägern im Sinne von Ziff. IV 1–2 der Klage ausdrücklich das<br />

Mehr- und Nachforderungsrecht vorzubehalten.“<br />

abgewiesen. [S. 253]<br />

24 | 87


B. – Gegen dieses Urteil haben die Kläger die Berufung an das Bundesgericht<br />

erklärt, mit dem Begehren um Aufhebung und um Gutheissung der<br />

Klage; eventuell beantragen die Kläger Berücksichtigung ihrer Beweisanträge,<br />

insbesondere Durchführung eines Beweisverfahrens über das Zustandekommen<br />

des Vertrages und die Höhe des behaupteten Schadens.<br />

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:<br />

1. – Zwischen den Parteien fand am 13. August 1913 in Wohlen eine Besprechung<br />

statt über Kauf von 2 000 kg Strangen-Hanf durch die Kläger<br />

vom Beklagten, zu 9 Fr. per Kilogramm, netto 30 Tage, franko Wohlen,<br />

wovon die erste Sendung von zirka 500 Kg. lieferbar im September, der<br />

Rest im Oktober und November 1913.<br />

Gleichen Tages schrieb der Beklagte an die Kläger: „Gemäss unserer heutigen<br />

Absprache habe ich Ihnen zu liefern:<br />

2 000 Kg. Hanf in Strangen, prima courante Qualität, zum Preise von 9 Fr.<br />

netto 30 Tage, franko hier, Originalgewicht. Lieferung: bis zirka 500 Kg.<br />

im September, Rest von zirka 1 500 Kg. nach Eintreffen im Oktober und<br />

November a. c. Zahlung per Anweisung auf 30 Tage netto nach Erhalt der<br />

Ware und Faktura.“<br />

Die Kläger erwiderten sofort, dass das Originalgewicht (von Manila) bei ihnen<br />

nicht in Betracht kommen könne, sie müssten wie immer auf das bei<br />

der Ablieferung in Wohlen festzustellende Gewicht abstellen, wovon der<br />

Beklagte Vormerkung nehmen wolle.<br />

In der darauffolgenden Korrespondenz beharrten beide Parteien auf ihrem<br />

Standpunkt. Der Beklagte weigerte sich am 18. August 1913 endgültig, den<br />

Vertrag so zu halten, wie die Kläger ihn verstanden wissen wollten; gleichzeitig<br />

wiederholte er seine Offerte, die indessen von den Klägern mit der<br />

Begründung abgelehnt wurde, dass sie nie Hanf zu Originalgewicht kauften.<br />

[S. 254]<br />

Am 18. September kamen die Kläger auf die Sache zurück, indem sie den<br />

Beklagten um Ablieferung der im September lieferbaren 500 Kg. ersuchten.<br />

Der Beklagte antwortete wieder, es sei kein gültiger Vertrag zustandegekommen.<br />

Darauf setzte ihm der Vertreter der Kläger mit Zuschrift vom<br />

24. September 1913 eine Frist zur Erfüllung bis Ende des Monates an, ansonst<br />

die Kläger ihn wegen Vertragsbruches auf Schadenersatz belangen<br />

würden. Da der Beklagte auf seiner Weigerung bestand, reichten die<br />

Gebrüder <strong>Dr</strong>eifuss die vorliegende Klage ein, die vom aargauischen Handelsgericht<br />

im vollen Umfange abgewiesen wurde.<br />

2. – Mit Recht hat die Vorinstanz den Einwand des Beklagten abgewiesen,<br />

dass der Vertrag deshalb nichtig sei, weil eine schriftliche Bestätigung der<br />

mündlichen Abrede vorbehalten, die vom Beklagten schriftlich bestätigte<br />

Offerte dann aber durch die Kläger ausgeschlagen worden sei. Das Handelsgericht<br />

stellt fest, dass ein solcher Vorbehalt nicht bewiesen sei. Der<br />

Vorbehalt in dem vom Beklagten behaupteten Sinne würde sich übrigens<br />

nicht als Vereinbarung der Anwendung der Schriftform gemäss Art. 16 OR<br />

darstellen, sondern als einseitige, sofortige Bindung der Kläger, während<br />

die Bindung des Beklagten durch eine spätere schriftliche Erklärung bedingt<br />

wäre. Der Beklagte hat aber keinen Grund angegeben, weshalb sein<br />

Entschluss hätte aufgeschoben werden sollen, während die Kläger gebunden<br />

gewesen wären, namentlich nicht etwa, dass ein <strong>Dr</strong>itter sein Einverständnis<br />

erklären musste, oder dass Erkundigungen einzuziehen waren,<br />

oder ein anderes Ereignis auf seine Entschliessung eingewirkt hatte. Dass<br />

die Verbindlichkeit der einen Partei während gewisser Zeit hätte rein potestativ<br />

bedingt sein sollen, während die andere schlechthin verpflichtet<br />

war, ist denn auch bei Geschäften, die den Preisschwankungen so sehr<br />

unterworfen sind, wie das vorliegende, nicht anzunehmen. Es erscheint<br />

25 | 87


somit durchaus plausibel, dass die schriftliche [S. 255] Fixierung des Geschäfts<br />

durch den Beklagten lediglich die Bedeutung der Klarstellung und<br />

Beweissicherung haben sollte.<br />

3. – Der zweite Einwand des Beklagten geht dahin, es habe auch eine<br />

mündliche Einigung zwischen den Parteien nicht stattgefunden. Die Vorinstanz<br />

hat dieser Auffassung beigestimmt, aber dennoch den Vertrag nicht<br />

als absolut nichtig, sondern bloss als wegen Irrtums für den Beklagten unverbindlich<br />

erklärt, was rechtsirrtümlich ist. Ist eine Willenseinigung in dem<br />

von der Vorinstanz angenommenen Sinne wirklich nicht erfolgt, so bleibt<br />

für die Anwendung der Bestimmungen über den Irrtum kein Raum. Der<br />

Vertrag ist alsdann überhaupt nicht zustande gekommen. Die Unterscheidung<br />

ist im vorliegenden Falle praktisch deshalb von Bedeutung, weil bei<br />

Annahme eines Irrtums weiter untersucht werden müsste, ob er ein wesentlicher<br />

im Sinne von Art. 24 OR war und ferner, ob nicht die Art. 25 und<br />

26 OR anwendbar wären, die von der Geltendmachung des Irrtums gegen<br />

Treu und Glauben und vom fahrlässigen Irrtum handeln. Diese Prüfung<br />

entfällt, wenn es an einer übereinstimmenden gegenseitigen Willensäusserung<br />

der Parteien gemäss Art. 1 OR fehlt.<br />

Die Vorinstanz stellt fest, der Beklagte habe gemeint, es handle sich bei<br />

der Gewichtsangabe um das Originalgewicht (von Manila), Jakob <strong>Dr</strong>eifuss<br />

dagegen um das Effektiv- oder Ablieferungsgewicht (in Wohlen); weder<br />

das eine noch das andere sei erwiesenermassen genannt worden. Dieser<br />

Eindruck, den die Vorinstanz insbesondere aus der persönlichen Befragung<br />

der Parteien gewonnen hat, steht nicht im Widerspruch mit den Akten,<br />

noch mit der Erfahrung des Lebens. Denn da der Beklagte ganz kurze<br />

Zeit nach der Besprechung, am nämlichen Tage, seine Auffassung über<br />

das massgebende Gewicht den Klägern mitteilte, ohne dass inzwischen<br />

etwas vorgefallen wäre, was die Willensänderung seinerseits hätte bewirken<br />

können, so ist als natürlich anzusehen [S. 256], jene Auffassung habe<br />

seinem Vertragswillen entsprochen; Preisschwankungen – konstatiert die<br />

Vorinstanz – haben ihm in der Zwischenzeit keine bekannt werden können;<br />

das zeigt auch die spätere Offerte des Beklagten vom 18. August 1913, die<br />

zum gleichen Preise von 9 Fr. per Kilogramm erfolgte und nur deshalb<br />

ausgeschlagen wurde, weil die Kläger prinzipiell nicht auf Grund des Originalgewichtes<br />

abschliessen wollten. In der Verhandlung vor dem Handelsgericht<br />

haben denn auch die Kläger ihre Bestreitung, dass der Beklagte<br />

seiner Offerte vom 13. August 1913 das Originalgewicht zugrunde gelegt<br />

habe, fallen gelassen und nur in Abrede gestellt, dass er ausdrücklich jenes<br />

Wort brauchte.<br />

Die Parteien waren also über die Art der Gewichtsberechnung und damit<br />

über ein grundlegendes Element zur Bestimmung des Kaufpreises uneinig.<br />

Nun genügt die Nichtübereinstimmung des inneren Willens freilich nicht,<br />

um nach Art. 1 ff. OR den Nichtabschluss eines Vertrages anzunehmen.<br />

Allein es fehlt hier auch der – nur scheinbar vorhandene – äussere Konsens.<br />

Die Art der Gewichtsbestimmung ist in casu ein derart wesentlicher<br />

Bestandteil des Vertrages, dass, was nach Aussen erklärt wurde, nicht hinreichend<br />

war, um einen rechtsgültigen Kauf zustande zu bringen; dass der<br />

Dissens den Parteien selber verborgen war, ist unerheblich. Die Frage, ob<br />

das Original- oder das Effektivgewicht des Hanfes für den Kaufpreis massgebend<br />

sei, ist kein blosser Nebenpunkt im Sinne von Art. 2 OR, sondern<br />

ein solcher, bei dessen bewusster Nichtregelung die Parteien das Geschäft<br />

überhaupt nicht abgeschlossen haben würden, also ein wesentlicher Punkt<br />

(vergl. OSER, Komm. S. 25, ferner S. 18 ff.; VON TUHR in Zeitschr. f.<br />

schw. R., N. F. 15 S. 289 ff.). Die Sache liegt auch nicht so, dass der Inhalt<br />

des Vertrages an sich klar und vollständig war, und nur in der Vorstellung<br />

des einen Kontrahenten eine unrichtige Auffassung geherrscht hätte. Dann<br />

wäre der Beklagte allerdings auf die Anrufung [S. 257] des Irrtums angewiesen.<br />

Allein so wie die gegenseitigen Willensäusserungen der Parteien<br />

lauteten, konnte gerade so gut das Gewicht am Versendungsort wie dasjenige<br />

am Ort der Ablieferung als massgebend betrachtet werden, zumal da<br />

26 | 87


IV. Simulation (Scheingeschäft)<br />

1. Begriff<br />

die Käufer wussten, dass es sich um eine Distanzsendung handelte. Auch<br />

der Umstand, dass Frankolieferung vereinbart wurde, ändert daran nichts;<br />

denn diese Vereinbarung verweist gerade darauf, dass ein Transport stattfand,<br />

dass also zwei Orte für die Gewichtsbestimmung in Betracht kamen.<br />

4. – Die vorhandene Unbestimmtheit könnte nur durch die besonderen<br />

kaufmännischen Übungen gehoben werden, wie sie Art. 212 OR vorbehält,<br />

der von der Bestimmung des Kaufpreises mangels Abrede handelt. Das<br />

kantonale Urteil enthält aber eine kategorische Feststellung des Inhalts, es<br />

bestehe keine Usance, wonach Hanf regelmässig zu Effektivgewicht gehandelt<br />

werde; es fänden Abschlüsse mit beiderlei Gewichtsbestimmung<br />

(Original- und Effektivgewicht) statt; eine Regel existiere nicht, sodass von<br />

einer Vermutung zu Gunsten dieser oder jener Partei nicht gesprochen<br />

werden dürfe. Die Kläger fechten diese Feststellung an und berufen sich<br />

auf Rechnungen, denen das Effektivgewicht zu Grunde liege; sie versuchen,<br />

daraus auf eine Usance zu schliessen. Wenn aber das Handelsgericht<br />

auf anderem Wege, auf Grund seiner Fach- und Lokalkenntnisse, zur<br />

Überzeugung gelangt ist, es bestehe eine solche Usance tatsächlich nicht,<br />

so entzieht sich jene Erkenntnis der Überprüfung durch das Bundesgericht.<br />

Eine derartige Feststellung verstösst nicht gegen Bundesrecht. Sie ist auch<br />

nicht aktenwidrig; denn die kantonale Instanz braucht sich ihre Überzeugung<br />

nicht allein auf Grund der Prozessakten gebildet zu haben. Eine<br />

Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Beweisabnahme über den<br />

Bestand von Usancen im Handel mit Hanf ist daher ausgeschlossen. Der<br />

Umstand endlich, dass der Beklagte früher meist nach Effektiv[S.<br />

259]gewicht verkauft habe, ist umsoweniger ausschlaggebend, als<br />

diese Übung keine einheitliche war und gerade in neuerer Zeit im Verkehr<br />

zwischen dem Beklagten und seinen Abnehmern die Berechnung nach Effektivgewicht<br />

fast durchgehends durch die Berechnung nach Originalgewicht<br />

ersetzt worden ist.<br />

5. – Nach dem Gesagten entbehrt die vorliegende Klage der rechtlichen<br />

Grundlage und ist das abweisende Urteil der Vorinstanz ohne weitere Beweismassnahmen<br />

im Dispositiv zu bestätigen.<br />

Demnach hat das Bundesgericht erkannt:<br />

Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des<br />

Kantons Aargau vom 12. November 1914 bestätigt.<br />

Bewusstes (gewolltes) Abweichen zwischen wirklich Gewolltem und tatsächlich<br />

Erklärtem.<br />

2. Zweck<br />

Täuschung oder Verbergen anderer Absichten.<br />

27 | 87


3. Wirkungen im Innenverhältnis<br />

4. Wirkungen im Aussenverhältnis<br />

5. Abgrenzung zum fiduziarischen Rechtsgeschäft<br />

BGE 71 II 99 E. 2): Zur Abklärung der Rechtslage sind vorerst die Begriffe<br />

der Simulation und des fiduziarischen Rechtsgeschäfts gegeneinander abzugrenzen.<br />

Simulation im Sinne von Art. 18 OR liegt vor, wenn [S. 100] beide Vertragsparteien<br />

darüber einig sind, dass die gegenseitigen Erklärungen nicht<br />

gelten, sondern nur gegenüber <strong>Dr</strong>itten den Schein eines Rechtsgeschäftes<br />

erwecken sollen. Das simulierte Geschäft ist nichtig. Die Gültigkeit des<br />

möglicherweise dahinterstehenden dissimulierten Geschäftes, das dem<br />

wirklichen Willen der Parteien entspricht, hängt von der Erfüllung allfälliger<br />

Formerfordernisse ab, die das Gesetz für Geschäfte der in Frage stehenden<br />

Art aufstellt. Ist das dissimulierte Geschäft eine Liegenschaftsschenkung,<br />

so bedarf sie daher zu ihrer Gültigkeit der öffentlichen Beurkundung.<br />

Dabei genügt es nicht, wenn auch für ein Geschäft von der Art des simulierten<br />

diese Form erforderlich ist und im konkreten Falle tatsächlich eingehalten<br />

wurde. Vielmehr muss der wirkliche und übereinstimmende Wille<br />

der Parteien, also die dissimulierte Vereinbarung, in die vom Gesetz geforderte<br />

Form gekleidet sein, um Gültigkeit zu haben. Lassen die Parteien also<br />

einen Grundstückkauf öffentlich beurkunden, während sie in Wirklichkeit<br />

eine Schenkung vornehmen wollen, so sind sowohl der Grundstückkauf<br />

wie die Schenkung nichtig, jener wegen Simulation, diese wegen Nichterfüllung<br />

der vom Gesetz vorgeschriebenen Form (vgl. BGE 41 II 361,45 II<br />

31, 46 II 32, 53 II 103; VON THUR-SIEGWART OR I § 35 III; OSER<br />

SCHÖNENBERGER N. 12 zu Art. 18 OR; ebenso für das deutsche Recht<br />

statt vieler OERTMANN, Komm. zum BGB, 3. Aufl., § 117 N. 4).<br />

Das Wesen des fiduziarischen Rechtsgeschäfts liegt darin, dass der eine<br />

Vertragspartner (der Fiduziant) dem andern (dem Fiduziar) eine Rechtsstellung<br />

einräumt, die ihn <strong>Dr</strong>itten gegenüber zum unbeschränkten Inhaber<br />

eines Rechtes macht, während er dem Fiduzianten gegenüber vertraglich<br />

verpflichtet ist, das übertragene Recht nicht oder nur teilweise auszuüben<br />

oder es unter bestimmten Voraussetzungen wieder zurückzuübertragen<br />

(vgl. STAUDINGER, Komm. zum BGB, 10. Aufl. Band I S. 495 f.). Das fiduziarische<br />

Geschäft setzt sich somit notwendigerweise aus zwei Verträgen<br />

zusammen, nämlich aus der [S. 101] nach aussen allein in Erscheinung<br />

tretenden vollen Rechtsübertragung und der für das Innenverhältnis<br />

getroffenen Verfügungsbeschränkung des Fiduziars. Dieses Nebeneinanderbestehen<br />

zweier Rechtsverhältnisse zwischen denselben Parteien über<br />

dasselbe Recht darf nun nicht dazu verleiten, das nach aussen in Erscheinung<br />

tretende Verhältnis kurzerhand als simuliert und das Innenverhältnis<br />

als dissimuliert zu behandeln und daraus die Nichtigkeit des ersteren abzuleiten.<br />

Denn im Gegensatz zum simulierten sind beim Aussenverhältnis<br />

des fiduziarischen Geschäftes die Wirkungen von den Parteien gewollt. Da<br />

auch nicht notwendigerweise die Absicht besteht, <strong>Dr</strong>itte in rechtswidriger<br />

Weise zu täuschen, ist kein Anlass vorhanden, solche fiduziarische<br />

Rechtsgeschäfte von vorneherein als unzulässig zu erklären. Entscheidend<br />

dafür, ob man es mit einer bloss simulierten und darum nichtigen oder einer<br />

fiduziarischen und daher gültigen Rechtsübertragung zu tun habe, ist<br />

somit der wirkliche Wille, von dem sich die Parteien beim Abschluss des<br />

nach aussen sichtbaren Geschäftes haben leiten lassen. Dieser wirkliche<br />

Wille muss deshalb in jedem einzelnen Falle, in dem streitig ist, ob Simulation<br />

oder fiduziarisches Geschäft vorliege, unter Berücksichtigung der gesamten<br />

Umstände ermittelt werden (über die Abgrenzung des simulierten<br />

Geschäftes gegenüber dem fiduziarischen siehe AEBY, L’acte fiduciaire<br />

28 | 87


dans le système du droit civil suisse, ZSR NF 31 S. 157 ff.; FISCHBACH,<br />

Treuhänder und Treuhandgeschäfte, S. 141 ff.; KE<strong>LL</strong>ER, Das fiduziarische<br />

Rechtsgeschäft im schweizerischen Zivilrecht, S. 17 ff.).<br />

Handelt es sich um die Übertragung des Eigentums an Grundstücken, so<br />

ist zu berücksichtigen, dass diese nach dem schweizerischen Recht ein<br />

kausaler Vorgang ist und somit einen gültigen Rechtsgrund erfordert. Dasselbe<br />

gilt übrigens nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts auch für<br />

die Eigentumsübertragung an Fahrnis (vgl. BGE 55 II 302 f.). Für das Vorliegen<br />

einer gültigen fiduziarischen Eigentumsübertragung genügt es daher<br />

noch nicht, [S. 102] dass die Parteien die Übertragung als solche gewollt<br />

haben, sondern es ist überdies erforderlich, dass sie den Eigentumsübergang<br />

durch den kausalen Rechtsakt haben herbeiführen wollen, der als<br />

Grund für jenen genannt ist.<br />

Wollen die Parteien eine Sache durch Übertragung des Eigentums dem<br />

Zugriff der Gläubiger des bisherigen Eigentümers entziehen und schliessen<br />

sie zu diesem Zweck einen Kaufvertrag, während ihr wirklicher Wille<br />

gar nicht auf einen solchen gerichtet ist, so ist der Kaufvertrag daher wegen<br />

Simulation nichtig; denn ernstlich gewollt ist hier nur die Eigentumsübertragung,<br />

nicht aber auch der Kauf. Dieser ist lediglich vorgeschützt,<br />

und hinter ihm ist ein anderer Vertrag versteckt, der sich vom ersten seinem<br />

Wesen nach unterscheidet. Ist dies aber der Fall, so liegt immer Simulation<br />

vor (vgl. OERTMANN, Komm. zum BGB, 3. Aufl., § 117 N. 4;<br />

WARNEYER, Komm. zum BGB, § 117 III; PLANCK, Komm. zum BGB,<br />

4. Aufl., § 117 N. 7 S. 275). Die Wirksamkeit der von den Parteien ernstlich<br />

gewollten Eigentumsübertragung aber, die als Kausalgeschäft einen gültigen<br />

Rechtsgrund voraussetzt, ist davon abhängig, ob das dem wirklichen<br />

Willen der Parteien entsprechende Grundgeschäft, d.h. die Vereinbarung,<br />

die Sache vor den Gläubigern in Sicherheit zu bringen, gültig zustande gekommen<br />

ist. In Bezug auf Grundstücke ist für einen gültigen Eigentumsübergang<br />

die öffentliche Beurkundung des Grundgeschäftes notwendig.<br />

Fehlt diese, so ist der Vertrag wegen Formmangels ungültig und die Eigentumsübertragung<br />

wegen Fehlens eines gültigen Rechtsgrundes unwirksam.<br />

Mit diesen Grundsätzen steht die Rechtsprechung des Bundesgerichtes in<br />

Einklang. So hat das Bundesgericht in den Fällen BGE 19 S. 344, 20 S.<br />

1084, 31 II 110 und 56 II 447 jeweils entscheidend darauf abgestellt, ob die<br />

Parteien sowohl die Übertragung des Eigentums wie die Rechtsfolgen des<br />

nach aussen in Erscheinung tretenden Kaufes gewollt hatten. Ergab sich,<br />

dass der Wille der Parteien wirklich auf ein Kaufgeschäft gerichtet war, mit<br />

[S. 103] Festsetzung eines Kaufpreises, Bezahlung desselben, sei es auch<br />

nur auf dem Wege der Verrechnung, Übertragung des Besitzes an der Sache<br />

usw., so bejahte das Gericht das Vorliegen eines gültigen Kaufes und<br />

einer Eigentumsübertragung, selbst wenn der wirtschaftliche Zweck des<br />

Geschäftes in der Sicherung eines Gläubigers bestand, die durch eine<br />

Verpfändung ebenso gut hätte erreicht werden können.<br />

Aber auch die Entscheide BGE 39 II 800 ff. und 43 III 346 ff. stehen keineswegs<br />

im Widerspruch mit den oben dargelegten Grundsätzen. In diesen<br />

beiden Fällen entschied das Bundesgericht, dass bei fiduziarischer Eigentumsübertragung<br />

dem Fiduzianten im Konkurs des Fiduziars kein Aussonderungsanspruch<br />

zustehe, da nicht zwischen einem «Eigentum nach<br />

aussen,» und einem solchen «nach innen» unterschieden werden könne;<br />

als Eigentümer sei vielmehr derjenige anzusehen, der nach Gesetz Eigentum<br />

erworben habe. Dieser Standpunkt ist die logische Folge der Auffassung,<br />

dass die ernstlich gewollte und in der erforderlichen Form vorgenommene<br />

fiduziarische Übereignung gültig sei. Ob der Wille der Parteien<br />

wirklich auf den Abschluss des verurkundeten Kaufvertrags gerichtet und<br />

dieser nicht etwa bloss simuliert gewesen sei, hatte das Bundesgericht in<br />

den beiden erwähnten Fällen dagegen nicht zu prüfen, da nach dem damals<br />

geltenden OR von 1881 der Liegenschaftskauf dem kantonalen<br />

29 | 87


Rechte unterstand. Das Bundesgericht hatte somit die Ernstlichkeit des<br />

Kaufvertrages als gegeben hinzunehmen.<br />

§ 8 Formvorschriften [N 743–786]<br />

I. Grundsatz: Formfreiheit<br />

II. Zweck von Formvorschriften<br />

– Schutz vor Übereilung<br />

– Beweissicherung<br />

– Rechtssicherheit<br />

III. Gesetzliche Formvorschriften<br />

1. Einfache Schriftlichkeit<br />

Beispiele: Abtretung (OR 165); Schenkungsversprechen (OR 243/1).<br />

2. Qualifizierte Schriftlichkeit<br />

Beispiele: Privates Testament (ZGB 505); Bürgschaftserklärung einer natürlichen<br />

Person unter 2 000 Franken (OR 493).<br />

3. Öffentliche Beurkundung<br />

Beispiele: Eheverträge (ZGB 184); Erbverträge (ZGB 512/1); Verträge auf<br />

Eigentumsübertragung an Grundstücken (ZGB 657/1; vgl. z.B. für den<br />

Grundstückkauf OR 216/1 sowie für die Schenkung eines Grundstücks<br />

OR 243/2); Bürgschaftserklärungen natürlicher Personen über 2 000 Franken<br />

(OR 493/2); Gründung der Aktiengesellschaft (OR 629/1).<br />

4. Folgen der Nichteinhaltung der gesetzlichen Form<br />

Grundsatz: Ungültigkeit des Vertrages.<br />

Aber: Einwand des Rechtsmissbrauchs bei freiwilliger Erfüllung in Kenntnis<br />

des Mangels.<br />

30 | 87


IV. Gewillkürte Formvorschriften<br />

1. Vermutung für die Wirkung als Abschlussform<br />

BGE 100 II 18 E. 2: Art. 16 Abs. 1 OR regelt den Fall, dass die Parteien für<br />

einen Vertrag, der vom Gesetz an keine Form gebunden ist, die Anwendung<br />

einer solchen vorbehalten haben. Die Bestimmung stellt die Vermutung<br />

auf, dass die Parteien vor Erfüllung der Form nicht verpflichtet sein<br />

wollen. Dies setzt jedoch voraus, dass es bei den mündlichen Verhandlungen<br />

zu einer Einigung gekommen ist. Trifft das, wie im vorliegenden Fall,<br />

nicht zu, so ist die Frage, ob eine Form vorbehalten worden sei, gegenstandslos.<br />

2. Vermutung für die einfache Schriftlichkeit<br />

§ 9 Bedingungen [N 787–829]<br />

I. Begriff und Funktion der Bedingungen<br />

II. Arten und Rechtswirkungen<br />

BGE 122 III 10 E. 4b: Bedingt ist ein Vertrag, wenn seine Wirksamkeit oder<br />

einzelne seiner Wirkungen von einer nach den Vorstellungen der Parteien<br />

ungewissen Tatsache abhängen, wenn die Verpflichtung des Schuldners<br />

im Grundsatz und nicht [S. 16] bloss hinsichtlich des Erfüllungszeitpunkts<br />

noch ungewiss ist (BUCHER, Schweiz. Obligationenrecht, Allgemeiner Teil,<br />

2. Auflage, S. 507; GUHL/MERZ/KO<strong>LL</strong>ER, Das Schweizerische Obligationenrecht,<br />

8. Auflage, S. 50; VON TUHR/ESCHER, a.a.O., S. 154 f.; EHRAT,<br />

in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Obligationenrecht I, N. 1<br />

Vorbemerkungen zu Art. 151–157 OR). Steht dagegen die Vertragswirkung<br />

fest und ist bloss der Zeitpunkt noch ungewiss, in welchem die Leistung zu<br />

bewirken ist, liegt keine Bedingung vor.<br />

1. Aufschiebende Bedingung (OR 151 ff.)<br />

2. Auflösende Bedingung (OR 154)<br />

§ 10 Stellvertretung [N 830–916]<br />

I. Echte und unechte Stellvertretung<br />

1. Unechte (indirekte, mittelbare) Stellvertretung<br />

Handeln in eigenem Namen, aber auf fremde Rechnung.<br />

2. Echte (direkte, unmittelbare) Stellvertretung<br />

Handeln in fremdem Namen und auf fremde Rechnung.<br />

31 | 87


II. Wesen und Funktion der Stellvertretung<br />

III. Stellvertretung mit Ermächtigung<br />

BGE 73 II 6 E. 5: Der Vollmachtgeber hat [S. 14] sich das Wissen des Bevollmächtigten<br />

nur insoweit anrechnen zu lassen, als er ihn zu seinem Vertreter<br />

gemacht hat, also soweit die Vollmacht reicht.<br />

1. Voraussetzungen der Vertretungswirkung<br />

2. Vertretungsmacht<br />

– Verhältnis zum zugrunde liegenden Rechtsverhältnis<br />

– Abstraktheit der Ermächtigung<br />

3. Beschränkung und Widerruf der Vollmacht<br />

4. Erlöschen der Vollmacht<br />

5. Vertretungswirkung durch Genehmigung<br />

IV. Rechtsfolgen vollmachtloser Stellvertretung<br />

1. Vertretungswirkung trotz fehlender Ermächtigung<br />

a) Schutz des Vertrauens in den Umfang der externen Vollmacht<br />

b) Schutz des Vertrauens in die externe Vollmacht bei unterlassener Mitteilung<br />

des Widerrufs<br />

c) Duldungsvollmacht und Anscheinsvollmacht<br />

BGE 120 II 197: a) Der Tatbestand wird vom Regelungsgedanken von<br />

Art. 33 Abs. 3 OR erfasst (BGE 53 III 171 E. 2) und terminologisch uneinheitlich<br />

etwa als externe Anscheins- oder Duldungsvollmacht (BGE 107 II<br />

105 E. 6a S. 115; VON BÜREN, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner<br />

Teil, S. 154; GUHL/ MERZ/KO<strong>LL</strong>ER, Das Schweizerische Obligationenrecht,<br />

8. Aufl. 1991, S. 158; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht,<br />

Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1988, S. 612; KO<strong>LL</strong>ER, Der gute und<br />

der böse Glaube im allgemeinen Schuldrecht, S. 70 Rz. 231), als Rechtsscheinvollmacht<br />

(Nachweise bei GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht,<br />

Allgemeiner Teil, 5. Aufl. 1991, Band I, S. 263 Rz. 1410),<br />

als Quasivollmacht (VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen<br />

Obligationenrechts, Band I, S. 359; KE<strong>LL</strong>ER/SCHÖBI, Allgemeine<br />

Lehren des Vertragsrechts, 3. Aufl. 1988, S. 74) oder schlicht als Schutz<br />

des gutgläubigen <strong>Dr</strong>itten vor fehlender Vertretungsmacht des Vertreters<br />

bezeichnet (BK-ZÄCH, N. 8 ff., N. 46 und N. 128 ff. zu Art. 33 OR; OR-<br />

WATTER, N. 29 ff. zu Art. 33 OR; zum Gesamten GAUCH/SCHLUEP,<br />

32 | 87


a.a.O., S. 260 ff. Rz. 1390 ff.). Unbesehen dieser uneinheitlichen Terminologie<br />

beruht die Bindung des ungewollt Vertretenen jedenfalls auf dem Vertrauensprinzip,<br />

wonach die normativ zurechenbare der tatsächlich ungewollten<br />

rechtsgeschäftlichen Bindung derogiert. Danach ist der Erklärende<br />

im rechtsgeschäftlichen Bereich nicht gebunden, weil er einen bestimmt<br />

gearteten inneren Willen hatte, sondern weil er ein Verhalten an den Tag<br />

gelegt hat, aus dem die Gegenseite in guten Treuen auf einen bestimmten<br />

Willen schliessen durfte (BGE 69 II 319/322). Das bedeutet im Vertretungsrecht,<br />

dass der Vertretene auf einer bestimmt gearteten Äusserung zu behaften<br />

ist, wenn der gutgläubige <strong>Dr</strong>itte, demgegenüber der Vertreter ohne<br />

Vollmacht handelt, sie in guten Treuen als Vollmachtskundgabe verstehen<br />

durfte und darauf vertraute. Wer auf einen Rechtsschein vertraut, darf nach<br />

Treu und Glauben verlangen, dass dieses Vertrauen demjenigen gegenüber<br />

geschützt wird, der den Rechtsschein hervorgerufen oder mitveranlasst<br />

und damit zu vertreten hat (SOERGEL/LEPTIEN, N. 15 zu § 167<br />

BGB; RGRK-STEFFEN, N. 10 zu § 167 BGB). [S. 200]<br />

b) Im einzelnen setzt diese Vertrauenshaftung – soweit hier von Interesse<br />

– folgendes voraus:<br />

aa) Der Vertreter muss dem <strong>Dr</strong>itten gegenüber in fremdem Namen handeln.<br />

Ob dies zutrifft, entscheidet sich wiederum nach den Regeln zur Auslegung<br />

empfangsbedürftiger Erklärungen. Erforderlich ist daher entweder,<br />

dass der Vertreter den Vertretungswillen hat und der <strong>Dr</strong>itte dies erkennt,<br />

oder dass er zwar keinen Vertretungswillen hat, der <strong>Dr</strong>itte jedoch nach<br />

Treu und Glauben auf einen solchen schliessen darf und tatsächlich auch<br />

schliesst (KO<strong>LL</strong>ER, a.a.O., S. 56 Rz. 191). Mithin kommt es nicht auf den<br />

inneren tatsächlichen, sondern auf den nach aussen kundgegebenen und<br />

vertrauenstheoretisch sowie tatsächlich als solchen verstandenen Vertretungswillen<br />

an (STAUDINGER/DILCHER, N. 39 zu § 167 BGB; RGRK-<br />

STEFFEN, N. 13 zu § 167 BGB). Insoweit ist die bundesgerichtliche<br />

Rechtsprechung zu präzisieren, wonach der vollmachtlose Vertreter einen<br />

tatsächlichen Vertretungswillen haben müsse (BGE 100 II 200 E. 8a S. 211<br />

mit Hinweisen). Hinreichend ist auch hier der objektiv geäusserte Wille<br />

(BK-ZÄCH, N. 40 zu Art. 33 OR; KO<strong>LL</strong>ER, a.a.O.).<br />

Demgegenüber entfällt die Annahme einer Vertretungswirkung, wenn jemand<br />

nicht in, sondern unter fremdem Namen handelt, sich beispielsweise<br />

der Angestellte als Geschäftsinhaber ausgibt. Hier wird äusserlich ein Eigen-<br />

und nicht ein Fremdgeschäft abgeschlossen, was eine Anwendung<br />

der vertretungsrechtlichen Gutglaubensvorschriften von vornherein ausschliesst<br />

(KO<strong>LL</strong>ER, a.a.O., S. 57 Rz. 194; NEUMAYER, Vertragsschluss<br />

unter fremdem Namen, Mélanges Pierre Engel, S. 221 ff.).<br />

bb) Das Handeln des Vertreters in fremdem Namen vermag allerdings für<br />

sich allein eine Vertrauenshaftung des Vertretenen nie zu begründen, denn<br />

aus erwecktem Rechtsschein ist nur gebunden, wer diesen Rechtsschein<br />

objektiv zu vertreten hat. Dies folgt bereits daraus, dass das Geschäft nicht<br />

durch den Vertreter, sondern durch den Vertretenen mittels des Vertreters<br />

abgeschlossen wird, denn dieser ist Vertragspartei, und ihn trifft dessen<br />

gesamte Rechtswirkung (MÜ<strong>LL</strong>ER-FREIENFELS, Die Vertretung beim<br />

Rechtsgeschäft, S. 212; anders noch BGE 42 II 648 E. 1b). Die objektive<br />

Mitteilung der Vollmacht muss daher vom Vertretenen ausgehen. Entscheidend<br />

ist allein, ob das tatsächliche Verhalten des Vertretenen nach<br />

Treu und Glauben auf einen Mitteilungswillen schliessen lässt. Dieses Verhalten<br />

kann in einem positiven Tun bestehen, indessen auch in einem passiven<br />

Verhalten, einem bewussten oder normativ zurechenbaren Unterlassen<br />

oder Dulden (BGE 85 II 22 E. 1; BK-ZÄCH, [S. 201] N. 35 ff. und<br />

N. 144 zu Art. 33 OR; OR-WATTER, N. 31 zu Art. 33 OR; KO<strong>LL</strong>ER, a.a.O.,<br />

S. 70 Rz. 231). Hat der Vertretene dabei Kenntnis vom Auftreten des Vertreters,<br />

schreitet aber dagegen nicht ein, wird ihm nach einem anschaulichen,<br />

wenngleich für das schweizerische Recht ungenauen Ausdruck eine<br />

sogenannte externe Duldungsvollmacht unterstellt (zur Terminologie BK-<br />

33 | 87


ZÄCH, N. 46 und N. 130 zu Art. 33 OR). Kennt er das Verhalten des Vertreters<br />

nicht, könnte er es aber bei pflichtgemässer Aufmerksamkeit kennen<br />

und verhindern, liegt nach derselben Terminologie eine externe Anscheinsvollmacht<br />

vor (KO<strong>LL</strong>ER, a.a.O., S. 70 Rz. 231; GAUCH/SCHLUEP,<br />

a.a.O., S. 264 Rz. 1411 f.) In einem Teil der Lehre wird allerdings diese externe<br />

Anscheinsvollmacht als vertragsbegründender Tatbestand abgelehnt<br />

und allein der culpa-Haftung auf das (negative) Vertrauensinteresse unterstellt<br />

(KE<strong>LL</strong>ER/SCHÖBI, a.a.O., S. 74 f.). Indessen ist zum mindesten die<br />

Auffassung nicht von der Hand zu weisen, dass das Institut der Anscheinsvollmacht<br />

im hier verwendeten Sinne jedenfalls im kaufmännischen Verkehr<br />

seine Rechtfertigung hat, indem der Geschäftspartner nicht mit den<br />

für ihn undurchschaubaren Organisationsrisiken der Unternehmung belastet<br />

werden soll (CANARIS, Die Vertrauenshaftung im deutschen Privatrecht,<br />

S. 48 ff., insbesondere S. 52, S. 191 ff.; KO<strong>LL</strong>ER, a.a.O., S. 79<br />

Rz. 252 mit Hinweisen auf die bundesgerichtliche Rechtsprechung). Allerdings<br />

sind in diesem Zusammenhang auch die Schranken zu beachten,<br />

welche einem leichtfertigen Vertrauen des Geschäftspartners aus der Publizitätswirkung<br />

des Handelsregisters gesetzt sind. Zudem wird mit beachtlichen<br />

Gründen weitergehend darauf hingewiesen, dass sich auf der Grundlage<br />

des Vertrauensgrundsatzes eine unterschiedliche rechtliche Behandlung<br />

von Duldungs- und Anscheinsvollmacht im Aussenverhältnis, eine Differenzierung<br />

des Gutglaubensschutzes nach bewusst geduldetem oder<br />

nachlässig nicht vermiedenem Rechtsschein, nicht leicht begründen lässt<br />

(SOERGEL/LEPTIEN, N. 17 zu § 167 BGB). Namentlich ist nicht ohne weiteres<br />

einzusehen, weshalb die normative Wirkung des erweckten Rechtsscheins<br />

vom Kenntnisstand desjenigen abhängen soll, der ihn objektiv zu<br />

vertreten hat, wenn der Vertrauensgrundsatz gerade dazu angerufen wird,<br />

rechtsgeschäftliche Bindung auch dort zu begründen, wo sie nach dem tatsächlichen<br />

Wissen und Willen des Erklärenden nicht gewollt ist.<br />

Art. 33 Abs. 3 OR begründet richtig verstanden eine Verkehrsschutzregelung<br />

des Inhalts, dass nach Massgabe des Vertrauensschutzes der Vertretene<br />

und nicht der Geschäftsgegner das Risiko [S. 202] fehlender Vollmacht<br />

trägt (analog für das deutsche Recht FROTZ, Verkehrsschutz im<br />

Vertretungsrecht, S. 300). Im Vordergrund steht nicht das Verschulden des<br />

Erklärenden, sondern die Gefährdung des auf den Vollmachtswillen gerichteten<br />

Vertrauens des <strong>Dr</strong>itten (VON CRAUSHAAR, Die Bedeutung der<br />

Rechtsgeschäftslehre für die Problematik der Scheinvollmacht, AcP<br />

174/1974, S. 2 ff., S. 20). Klarzustellen ist indessen, dass die Bindungswirkung<br />

nicht bereits dann eintritt, wenn der <strong>Dr</strong>itte auf den Bestand einer<br />

Vollmacht schliessen darf, sondern bloss dann, wenn das Unterlassen des<br />

Vertretenen objektiv als drittgerichtete Mitteilung, als Vollmachtskundgabe<br />

zu werten ist (FROTZ, a.a.O., S. 297; KO<strong>LL</strong>ER, a.a.O., S. 71 Rz. 231).<br />

Wie für die Willenserklärung gilt für die Kundgabe der Vollmacht, dass sie<br />

auch ohne Erklärungsbewusstsein wirksam werden kann (BK-ZÄCH, N. 41<br />

zu Art. 33 OR mit Hinweisen).<br />

Dagegen muss die Erklärung ohne Erklärungsbewusstsein dem Erklärenden<br />

objektiv zurechenbar sein, was u.a. voraussetzt, dass er sich der ihm<br />

unterstellten Bedeutung seines Verhaltens auf Grund der ihm bekannten<br />

oder erkennbaren Umstände hätte bewusst sein können (BGE 85 II 22;<br />

BK-KRAMER, N. 50 zu Art. 1 OR; BK-ZÄCH, N. 42 zu Art. 33 OR).<br />

cc) Schliesslich tritt die Vertretungswirkung trotz fehlender Vollmacht nur<br />

bei berechtigter Gutgläubigkeit des <strong>Dr</strong>itten ein (BGE 99 II 39 E. 1 S. 42;<br />

BK-ZÄCH, N. 155 zu Art. 33 OR; OR-WATTER, N. 35 zu Art. 33 OR; KOL-<br />

LER, a.a.O., S. 88 ff. Rz. 273 ff.). Rechtstheoretisch rechtfertigt allein der<br />

gute Glaube des Mitteilungsempfängers, den Vollmachtsmangel zu heilen<br />

(BGE 107 II 105 E. 6a S. 115; GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., S. 261<br />

Rz. 1393).<br />

34 | 87


2. Vertragsungültigkeit<br />

a) Voraussetzungen<br />

(i) Es liegt kein Fall von Eintritt der Vertretungswirkung trotz fehlender<br />

Vollmacht vor und (ii) der angeblich Vertretene hat die Genehmigung<br />

des Vertreterhandelns verweigert.<br />

b) Grundsatz: Keine Haftung des angeblich Vertretenen gegenüber dem<br />

<strong>Dr</strong>itten<br />

c) Ausnahme: Haftung des angeblich Vertretenen gegenüber dem <strong>Dr</strong>itten<br />

bei unterlassener Rückgabe der Vollmachtsurkunde<br />

d) Haftung des Vertreters gegenüber dem gutgläubigen <strong>Dr</strong>itten<br />

3. Schutz des vollmachtlosen Vertreters<br />

4. Haftung des vollmachtlosen Vertreters gegenüber dem angeblich Vertretenen<br />

V. Selbstkontrahieren und Mehrvertretung<br />

BGE 95 II 617 E. 2a: Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist<br />

das Vertragschliessen des Stellvertreters mit sich selbst unzulässig und<br />

macht das Rechtsgeschäft ungültig, wenn nicht dessen Natur die Gefahr<br />

der Benachteiligung des Vertretenen ausschliesst oder dieser den Vertreter<br />

zum Geschäftsabschluss besonders ermächtigt oder ihn nachträglich<br />

genehmigt hat. Das gleiche gilt, wenn jemand ein Rechtsgeschäft als Organ<br />

oder Stellvertreter beider Parteien abschliesst (vgl. BGE 39 II 561, 50<br />

II 168, 57 II 560, 63 II 174/75, 82 II 393, 89 II 321, 93 II 481, 95 II 453).<br />

Folgerichtig gilt auch für die Kollektivvertretung der in der deutschen Lehre<br />

und Rechtsprechung entwickelte Grundsatz, dass der einzelne Vertreter<br />

nicht gleichzeitig als Vertreter, Organ oder gemeinsamer Vertreter der Gegenpartei<br />

mitwirken darf (vgl. STAUDINGER, Kommentar 11. Aufl., N. 23a<br />

zu § 181 BGB; ENNECCERUS/NIPPERDEY, 14. Aufl., I 2 § 181 N. 19;<br />

Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar herausgegeben von Reichsgerichtsräten<br />

und Bundesrichtern, 11. Aufl., N. 3 zu § 181 BGB; RGZ 89<br />

S. 373, RG, in Leipziger Zeitschrift 1926 S. 438 N. 3).<br />

35 | 87


3. Kapitel: Mängel des Vertragsabschlusses und des Vertragsinhalts<br />

§ 11 Willensmängel [N 966–1066]<br />

I. Irrtum<br />

1. Der unwesentliche Irrtum<br />

a) Gemeinsamer Irrtum<br />

b) Motivirrtum<br />

c) Missrechnungen<br />

2. Der wesentliche Irrtum<br />

BGE 79 II 274 E.5. – Selbst wenn übrigens die Genossenschafter den<br />

Äusserungen der Beklagten die umstrittene Bedeutung (sc. Befreiung von<br />

der statutarischen Haftung durch Übernahme der Solidarschuld gegenüber<br />

der Bank) hätten zumessen können und dürfen, wäre noch immer abzuklären,<br />

ob ihr Irrtum ein wesentlicher sei. Der Sachlage nach kann es sich nur<br />

um einen Irrtum im Beweggrund handeln. Er ist grundsätzlich unwesentlich<br />

(Art. 24 Abs. 2 OR). Um ausnahmsweise die Unverbindlichkeit des Vertrages<br />

zu rechtfertigen, müsste er besonders qualifiziert sein (BGE 56 II 427,<br />

53 II 139, 153).<br />

a) Wesentlicher Erklärungsirrtum<br />

BGE 57 II 288 E.2: Damit ist auch schon gesagt, dass dieser Vertrag nicht<br />

an einem Erklärungsirrtum auf Seiten des Beklagten leidet, denn ein Erklärungsirrtum<br />

liegt nur vor, wenn jemand aus Versehen eine Erklärung abgibt,<br />

die seinem Willen nicht entspricht, d.h. wenn er entweder den Wortlaut<br />

der Erklärung nicht gewollt oder der Erklärung eine andere Bedeutung<br />

beigemessen hat (VON TUHR, OR I S. 252 ff.).<br />

b) Unrichtige Übermittlung (Übermittlungsirrtum)<br />

c) Grundlagenirrtum (qualifizierter Motivirrtum)<br />

Voraussetzungen:<br />

– Subjektive Wesentlichkeit des Irrtums<br />

– Objektive Wesentlichkeit des Irrtums<br />

– Erkennbarkeit des Irrtums für den Erklärungsempfänger (umstritten)<br />

36 | 87


BGE 113 II 25 E. 1: Ein wesentlicher Irrtum macht den Vertrag gemäss Art.<br />

23 OR für den Irrenden unverbindlich. Dazu gehört namentlich der sogenannte<br />

Grundlagenirrtum im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR. Auf einen<br />

solchen kann ein Vertragsschliessender sich berufen, wenn er sich über<br />

eine Rechtslage oder über einen bestimmten Sachverhalt geirrt hat, die er<br />

nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr als notwendige Vertragsgrundlage<br />

betrachten durfte.<br />

BGE 114 II 131: 2. – Ein wesentlicher Irrtum macht den Vertrag gemäss<br />

Art. 23 OR für den Irrenden unverbindlich. Als wesentlich gilt namentlich<br />

der sogenannte Grundlagenirrtum im Sinne von Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR.<br />

Auf einen solchen kann ein Vertragsschliessender sich berufen, wenn er<br />

sich über einen bestimmten Sachverhalt geirrt hat, den er als eine notwendige<br />

Grundlage des Vertrages ansah und nach Treu und Glauben im Geschäftsverkehr<br />

auch bei objektiver Betrachtungsweise als gegeben voraussetzen<br />

durfte (BGE 98 II 18 mit Hinweisen).<br />

a) – Die Echtheit eines Kunstwerkes gehört bei solcher Betrachtungsweise<br />

zur notwendigen Geschäftsgrundlage, weshalb sich eine falsche Vorstellung<br />

darüber grundsätzlich nicht als blosser Irrtum im Beweggrund ausgeben<br />

lässt (BGE 82 II 424 E. 7, 56 II 426/27, 52 II 145 ff.). Von besonderer<br />

Bedeutung ist dabei, dass die Urheberschaft namentlich dann, wenn sie<br />

einem berühmten Künstler zugeschrieben wird, auch den Wert des Werkes<br />

beeinflusst, der Käufer den danach bestimmten Preis aber nicht bezahlt<br />

hätte, wäre er von der Echtheit des Werkes nicht überzeugt gewesen (BGE<br />

82 II 424 E. 7). Dass hier die Vorstellung, die streitige Zeichnung stamme<br />

aus der Hand von Picasso, einen solchen Faktor darstellte, ist offensichtlich.<br />

Ob die falsche Vorstellung des Irrenden auch notwendige Vertragsgrundlage<br />

seines Partners sein und dieser zudem erkennen müsse, dass die<br />

Vorstellung für jenen eine unerlässliche Voraussetzung für den Abschluss<br />

des Vertrages gewesen sei, wird in der [S. 140] Rechtsprechung und im<br />

Schrifttum unterschiedlich beantwortet (statt vieler BGE 113 II 29 mit Hinweisen;<br />

VON TUHR/PETER, S. 309/10; KE<strong>LL</strong>ER/SCHÖBI, Allgemeine<br />

Lehren des Vertragsrechts, 3. Aufl. S. 168/69; GAUCH/SCHLUEP,<br />

N. 592 f.), kann vorliegend jedoch offenbleiben; das eine wie das andere<br />

ergibt sich hier schon daraus, dass der Verkäufer die Echtheit der Zeichnung<br />

ausdrücklich zugesichert hat. Zu Recht sind daher schon die Vorinstanzen<br />

davon ausgegangen, der Kläger habe sich bei Abschluss des Vertrages<br />

in einem wesentlichen Irrtum befunden, sollte die Zeichnung sich als<br />

Fälschung erweisen. Das ist auch die Meinung der Parteien im Berufungsverfahren.<br />

d) Grundlagenirrtum über zukünftige Sachverhalte<br />

Urteil 4C.34/2000 vom 24. April 2001 E. 3c): bb) – Nach Lehre und Rechtsprechung<br />

ist Art. 24 Ziff. 4 OR auf Irrtümer über Zukünftiges nur anwendbar,<br />

wenn der Irrende sich über einen bestimmten Sachverhalt geirrt (BGE<br />

118 II 297 E. 2c), d.h. eine konkrete Fehlprognose gestellt hat (Schmidlin,<br />

<strong>Bern</strong>er Kommentar, N. 200 zu Art. 23/24 OR; Kramer, <strong>Bern</strong>er Kommentar,<br />

N. 306 und 309 zu Art. 18 OR). Dieses Erfordernis ergibt sich einerseits<br />

aus dem Gesetzeswortlaut und erleichtert anderseits die Bestimmung des<br />

Beginns der Anfechtungsfrist gemäss Art. 31 OR. Das Bundesgericht verlangt<br />

für die Bejahung eines Grundlagenirrtums über einen zukünftigen<br />

Sachverhalt zudem, dass auch die Gegenpartei nach Treu und Glauben im<br />

Geschäftsverkehr hätte erkennen müssen, dass die Sicherheit des Eintrittes<br />

des zukünftigen Ereignisses für die andere Partei Vertragsvoraussetzung<br />

war. Es legt überdies besonderes Gewicht auf die Voraussetzung,<br />

dass der Eintritt des dem Vertrag zugrundegelegten künftigen Ereignisses<br />

mit grosser Sicherheit angenommen werden durfte. Insbesondere darf die<br />

Möglichkeit, sich auf einen Grundlagenirrtum über einen zukünftigen Sach-<br />

37 | 87


verhalt zu berufen, nicht zu einer Aushöhlung des Prinzips führen, wonach<br />

jeder Vertragspartner das Risiko unerwarteter künftiger Entwicklungen<br />

grundsätzlich selbst zu tragen hat. Art. 24 Abs. 1 Ziff. 4 OR soll namentlich<br />

nicht angerufen werden dürfen, um übertriebene Erwartungen und Hoffnungen<br />

zu sichern (BGE 118 II 297 E. 2b und c; 117 II 218 E. 4 S. 224;<br />

109 II 105 E. 4b/aa S. 111; Schmidlin, <strong>Bern</strong>er Kommentar, N 199 ff. zu<br />

Art. 23/24 OR; Schwenzer, Basler Kommentar, N. 19 zu Art. 24 OR; Kramer,<br />

<strong>Bern</strong>er Kommentar, N. 306 zu Art. 18 OR).<br />

3. Wirkungen des wesentlichen Irrtums<br />

a) Einseitige Unverbindlichkeit<br />

b) Ungültigkeit oder Anfechtbarkeit des Vertrages?<br />

BGE 114 II 131 E.3: b) – In der Lehre werden über die Wirkungen eines<br />

Vertrages, bei dessen Abschluss sich eine Partei in einem wesentlichen<br />

Irrtum befunden hat, verschiedene Auffassungen vertreten. Nach der Ungültigkeitstheorie<br />

ist der Vertrag von Anfang an ungültig, entfaltet folglich<br />

überhaupt keine Wirkungen; solche entstehen nur, wenn das Rechtsgeschäft<br />

nachträglich vom Irrenden ausdrücklich oder durch konkludentes<br />

Verhalten genehmigt wird (GAUCH/SCHLUEP, N. 673 ff. mit Hinweisen;<br />

ENGEL, S. 232/33). Der Vertrag ist somit suspensiv bedingt. Nach der Anfechtungstheorie<br />

gilt er hingegen vorerst als gültig, kann aber vom Irrenden<br />

durch Berufung auf den Willensmangel aufgelöst werden, weshalb er als<br />

resolutiv bedingt erscheint. Diese Auffassung soll zur Zeit in der schweizerischen<br />

Lehre vorherrschen (GAUCH/SCHLUEP, N. 681 mit Hinweisen).<br />

Nach einer dritten Theorie schliesslich, die von einer geteilten Ungültigkeit<br />

ausgeht, ist der Vertrag für die betroffene Partei von Anfang an ungültig,<br />

für die andere dagegen gültig, für jene also suspensiv, für diese resolutiv<br />

bedingt (VON TUHR/PETER, S. 338, insbesondere unter Anm. 37a). Unterschiedlich<br />

wird nach diesen Theorien auch der Bereicherungsanspruch<br />

qualifiziert, der sich ergibt, wenn der Irrende den Vertrag mit Erfolg anficht.<br />

Nach der Ungültigkeitstheorie betrifft der Anspruch eine Nichtschuld, weshalb<br />

die absolute Verjährung mit der Leistung zu laufen beginnt; nach der<br />

Anfechtungstheorie dagegen erweist er sich als Leistung aus nachträglich<br />

weggefallenem Grund mit Beginn der absoluten Verjährungsfrist im Zeitpunkt<br />

[S. 143] der Anfechtung, während er nach der geteilten Ungültigkeitstheorie<br />

für den Irrenden als Leistung einer Nichtschuld, für den Vertragspartner<br />

aber als Leistung aus nachträglich weggefallenem Grund erscheint<br />

(GAUCH/SCHLUEP, N. 1106; OSER/SCHÖNENBERGER, N. 12<br />

zu Art. 62 OR; BUCHER, S. 693 Anm. 162; VON TUHR/PETER, S. 338<br />

Anm. 37a).<br />

Den Grundgedanken und den Zielen, die sich aus der Entstehung des Gesetzes<br />

ergeben, entspricht indes nur die Ungültigkeit des Vertrages, sei<br />

diese Wirkung nun als ein- oder zweiseitig anzusehen, bevor der Irrende<br />

sich auf den Mangel beruft. Dies hat namentlich GAUCH in einer rechtshistorischen<br />

Studie (Vertrag und Parteiwille, in 100 Jahre OR S. 343 ff.) überzeugend<br />

dargetan. Der Versuch, die einseitige Unverbindlichkeit durch eine<br />

eigentliche Anfechtbarkeit („annulabilité“) des Vertrages zu ersetzen,<br />

wurde in den Vorarbeiten ausdrücklich abgelehnt. Das schweizerische<br />

Recht sollte sich dadurch nicht nur klar vom deutschen unterscheiden, das<br />

auf dem Grundsatz der Anfechtbarkeit beruht, sondern Ungewissheiten einer<br />

verwirrenden Terminologie vorbeugen und die Anwendung des Gesetzes<br />

erleichtern (GAUCH/SCHLUEP, N. 682; OSER/SCHÖNENBERGER,<br />

N. 1 ff. zu Art. 31 OR; VON TUHR, ZSR NF 17/1898 S. 44 ff.). Die an diesem<br />

historischen Verständnis insbesondere von PIOTET (in ZBJV<br />

121/1985 S. 148 ff.) geübte Kritik vermag demgegenüber nicht zu überzeugen.<br />

Ist aber von der Ungültigkeit des Vertrages auszugehen, so ist die<br />

38 | 87


Bereicherung in Fällen wie hier in der Bezahlung eines nichtgeschuldeten<br />

Kaufpreises zu erblicken, weshalb die absolute Verjährung mit der Leistung<br />

zu laufen beginnt.<br />

BGE 128 III 70 E.2. – Mit der Erklärung, einen Vertrag wegen Grundlagenirrtums<br />

oder Täuschung nicht halten zu wollen, wird im Rahmen eines Gestaltungsgeschäftes<br />

ein rechtsaufhebendes Gestaltungsrecht ausgeübt<br />

(GAUCH/SCHLUEP/SCHMID, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner<br />

Teil, Bd. I, 7. Aufl., Zürich 1998, Rz. 129 und 151).<br />

BGE 129 III 320 E. 7.1.1: 7.1.1 – Der Vertrag ist für den Irrenden unverbindlich<br />

(Art. 23 OR). Unabhängig davon, ob der so genannten Anfechtungs-<br />

oder der so genannten Ungültigkeitstheorie gefolgt wird (BGE 114 II<br />

131 E. 3b; SCHMIDLIN, <strong>Bern</strong>er Kommentar, N. 115 ff. zu Art. 23/24 OR;<br />

SCHWENZER, Basler Kommentar, N. 8 ff. zu Art. 23 OR), ist Rechtsfolge<br />

der begründeten Geltendmachung des Willensmangels grundsätzlich das<br />

Dahinfallen des Vertrags ex tunc (SCHMIDLIN, <strong>Bern</strong>er Kommentar, N. 123<br />

zu Art. 23/24 OR und N. 14 zu Art. 31 OR; SCHWENZER, Basler Kommentar,<br />

N. 15 zu Art. 31 OR). Bereits erbrachte Leistungen sind zurückzuerstatten.<br />

Dabei sind nach herkömmlicher Ansicht die Grundsätze der Vindikation<br />

einerseits und der ungerechtfertigten Bereicherung anderseits anwendbar<br />

(BGE 114 II 131 E. 3; SCHMIDLIN, <strong>Bern</strong>er Kommentar, [S. 328]<br />

N. 86 ff. zu Art. 31 OR; SCHWENZER, Basler Kommentar, N. 15 zu Art. 31<br />

OR).<br />

In der Lehre wird zudem mit guten Gründen die Auffassung vertreten, nicht<br />

nur im Falle des verzugsbedingten Rücktritts vom Vertrag, sondern auch<br />

bei dessen Unverbindlichkeit wegen Willensmängeln sei von einem vertraglichen<br />

Rückabwicklungsverhältnis auszugehen, welches auf dem ursprünglichen<br />

formalen Konsens gründe (SCHMIDLIN, <strong>Bern</strong>er Kommentar,<br />

N. 16 ff., 56 ff. und 97 zu Art. 31 OR; SCHWENZER, Basler Kommentar,<br />

N. 15 zu Art. 31 OR). Insoweit bleibt der Vertragsschluss trotz berechtigter<br />

Anfechtung nicht bedeutungslos. Dies zeigt sich etwa darin, dass die<br />

Rückerstattung empfangener Leistungen trotz Ungültigkeit des Vertrags in<br />

Beachtung dessen Synallagmas Zug um Zug zu erfolgen hat (BGE 111 II<br />

195 E. 3; SCHMIDLIN, <strong>Bern</strong>er Kommentar, N. 94 zu Art. 31 OR mit weiteren<br />

Hinweisen).<br />

c) Zeitliche Beschränkung der Berufung auf Irrtum<br />

BGE 114 II 131 E.2b: Das schweizerische Recht kennt etwa im Gegensatz<br />

zum deutschen, das die Anfechtung wegen Irrtums auf 30 Jahre seit Abgabe<br />

der mangelhaften Willenserklärung begrenzt (§ 121 Abs. 2 BGB), in<br />

dieser Richtung keine ausdrückliche zeitliche Beschränkung. Die herrschende<br />

Lehre schliesst daraus, dass der Irrende einzig die relative Jahresfrist<br />

zu beachten hat und sich grundsätzlich noch Jahr-zehnte nach Abschluss<br />

des Vertrages auf den Willensmangel berufen kann, sofern sein<br />

Zuwarten Treu und Glauben nicht widerspricht (VON TUHR/PETER, S.<br />

333 Anm. 22; GUHL/MERZ/KUMMER, S. 126, BUCHER, S. 187; GIL-<br />

LARD, Scriptum CO partie générale, S. 388; K. OGUZMAN, in SJZ<br />

59/1963 S. 265 ff.). Einzelne Autoren halten dagegen die allgemeine Verjährungsfrist<br />

von zehn Jahren für anwendbar (z.B. ENGEL, S. 233) oder<br />

lassen die Frage offen (GAUCH/SCHLUEP, N. 689); dies ist auch in BGE<br />

101 II 210 geschehen. […]<br />

Die klare Unterscheidung, die der Gesetzgeber in Art. 31 OR einerseits<br />

(bloss einjährige relative Frist) und in den Art. 60 und 67 anderseits (zehnjährige<br />

absolute neben der einjährigen relativen Frist) getroffen hat, lässt<br />

auf eine bewusst und gewollt abweichende Regelung schliessen. Dafür<br />

spricht auch, dass die Jahresfrist des Art. 31 OR nicht als Verjährungs-,<br />

sondern als Verwirkungsfrist zu qualifizieren ist (BGE 101 II 209; OSER/<br />

SCHÖNENBERGER, N. 22 zu Art. 31 OR; BECKER, N. 5 zu Art. 31 OR).<br />

39 | 87


d) Keine Berufung auf Irrtum wider Treu und Glauben<br />

e) Haftung des Irrenden<br />

f) Wirkungen bei Irrtum betreffend ein Dauerschuldverhältnis<br />

BGE 129 III 320 E. 7.1.2 – Geht es um die Anfechtung ganz oder teilweise<br />

abgewickelter Dauerschuldverhältnisse, etwa im Bereiche von Dienstleistungen,<br />

von entgeltlichen Gebrauchsüberlassungen, von Leibrenten und<br />

Verpfründungen oder von einfachen Gesellschaften, stösst eine Rückabwicklung<br />

nach reinen Vindikations- und Bereicherungsgrundsätzen in aller<br />

Regel auf erhebliche praktische Schwierigkeiten oder erweist sich gar als<br />

unmöglich.<br />

Das Gesetz regelt diesen Tatbestand nicht allgemein, hat aber für den Arbeitsvertrag<br />

in Art. 320 Abs. 3 OR eine Sonderordnung getroffen, wonach<br />

für die gegenseitigen Ansprüche und Verpflichtungen die Gültigkeit des<br />

unverbindlichen Vertrags bis zu dessen Aufhebung fingiert wird. Dass das<br />

Gesetz diesen Grundsatz nicht ausdrücklich auf andere Dauerschuldverhältnisse<br />

ausgedehnt hat, schliesst nicht aus, ihn auf dem Wege teleologischer<br />

Auslegung zu verallgemeinern und analog anzuwenden. In der neueren<br />

Lehre wird denn überwiegend die Auffassung vertreten, die Anfechtung<br />

eines ganz oder teilweise abgewickelten Dauerschuldverhältnisses wegen<br />

eines Willensmangels wirke als Kündigung ex nunc, wobei diese Lösung<br />

im Irrtumsbereich zusätzlich auf Art. 25 Abs. 1 OR abgestützt wird<br />

(SCHMIDLIN, <strong>Bern</strong>er Kommentar, N. 184 zu Art. 23/24 OR und N. 102 ff.<br />

zu Art. 31 OR; SCHWENZER, Basler Kommentar, N. 7, Vorbemerkungen<br />

zu Art. 23–31 OR; dieselbe, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner<br />

Teil, 2. Aufl., <strong>Bern</strong> 2000, Rz. 39.25; GAUCH/SCHLUEP/<br />

SCHMID/REY, a.a.O., Rz. 942 ff.; SCHÖNENBERGER/JÄGGI, Zürcher<br />

Kommentar, N. 565 zu Art. 1 OR; KRAMER, <strong>Bern</strong>er Kommentar, N. 313 zu<br />

Art. 19/20 OR; KE<strong>LL</strong>ER/SCHÖBI, Allgemeine BGE 129 III 320 S. 329 Lehren<br />

des Vertragsrechts, Bd. I, 3. Aufl., Basel 1988, S. 278 f. und 311;<br />

HANS MERZ, Vertrag und Vertragsschluss, 2. Aufl., Freiburg 1992,<br />

S. 9 ff.).<br />

Diese Lösung hat sich ebenfalls in andern vergleichbaren Rechtsordnungen<br />

durchgesetzt (grundlegend bereits FRANZ GSCHNITZER, Die Kündigung<br />

nach deutschem und österreichischem Recht, in: Jherings Jahrbücher<br />

für die Dogmatik des bürgerlichen Rechts, 76/1926, S. 317 ff., 396 ff.;<br />

aus der jüngeren Literatur namentlich ERNST A. KRAMER, Der Irrtum<br />

beim Vertragsschluss: eine weltweit rechtsvergleichende Bestandsaufnahme,<br />

in: Veröffentlichungen des Schweizerischen Instituts für Rechtsvergleichung,<br />

Zürich 1998, S. 130 mit Hinweisen). Auch das Bundesgericht<br />

hat diese juristische Konstruktion bereits in Erwägung gezogen (Urteil<br />

4C.444/1994 vom 20. Juli 1995, E. 4a).<br />

g) Wirkungen bei Irrtum über einen Teil des Vertragsinhaltes<br />

BGE 78 II 217 E.5. – Durch die der Klägerin abgetretenen Verträge war ein<br />

Absatz von insgesamt nur 970 Apparaten gesichert statt der in Ziff. 5 des<br />

Vertrages genannten Anzahl von 1600. In Bezug auf die Differenz von<br />

630 Stück befand sich die Klägerin also in einem Irrtum, da entgegen ihrer<br />

Annahme eine feste Bezugspflicht der Vertreter insoweit nicht bestand.<br />

Dieser Irrtum betraf eine wesentliche Grundlage des Vertrages, da ein gesicherter<br />

Absatz von 1600 Stück von beiden Parteien, wie der Wortlaut des<br />

Vertrages erkennen lässt, als gegeben vorausgesetzt wurde und auch für<br />

beide massgebend war für die Bemessung der Höhe der von der Klägerin<br />

zu entrichtenden Gegenleistung.<br />

40 | 87


II. Absichtliche Täuschung<br />

III. Furchterregung<br />

Dieser Irrtum hatte jedoch nicht die Unverbindlichkeit des ganzen in Ziffer 5<br />

der Vereinbarung enthaltenen Vertrages zur Folge. Das Gesetz enthält<br />

zwar im Abschnitt über die Mängel des Vertragsschlusses wegen Irrtums<br />

usw. keine Bestimmung für den Fall, dass sich [S. 218] der Willensmangel<br />

nur auf einen Teil des Vertrages bezieht. Es besteht jedoch kein vernünftiger<br />

Grund, der einer analogen Anwendung der Bestimmung von Art. 20<br />

Abs. 2 OR betreffend die Teilnichtigkeit auf die blosse Unverbindlichkeit<br />

wegen Willensmangels entgegenstünde (vergl. OSER-<br />

SCHÖNENBERGER, Vorbem. zu Art. 23–31 OR, N. 3, Art. 20 N. 71: vergl.<br />

ferner BGE 60 II 99, wo die analoge Anwendung der Bestimmung auf die<br />

Nichtigkeit wegen Formmangels bejaht wurde). Die Schranke, dass blosse<br />

Teilnichtigkeit bezw. Teilunverbindlichkeit abzulehnen ist, wenn der Vertrag<br />

ohne den nichtigen bezw. unverbindlichen Teil nicht geschlossen worden<br />

wäre, gewährt einen ausreichenden Interessenschutz.<br />

Im vorliegenden Falle wurde, wie oben ausgeführt, die von der Klägerin zu<br />

erbringende Gegenleistung offensichtlich nach der Zahl der abnahmepflichtigen<br />

Apparate bestimmt, d.h. mit Fr. 15.– pro Apparat. Die Festsetzung<br />

eines Gesamtpreises für alle Verträge schliesst diese Berechnungsweise<br />

nicht aus. Damit lässt sich die Auswirkung, welche die Verminderung<br />

der Zahl der abnahmepflichtigen Apparate auf die Gegenleistung der Klägerin<br />

hatte, ohne weiteres feststellen. Da die Zusicherung der Beklagten<br />

für den grösseren Teil der im Vertrag genannten Zahl zutraf, ist nicht einzusehen,<br />

warum die Klägerin den Vertrag trotz geringerer Anzahl der abnahmepflichtigen<br />

Apparate bei entsprechend niedrigerer Gegenleistung<br />

nicht gleichwohl abgeschlossen hätte. Der Vertrag gemäss Ziff. 5 der Vereinbarung<br />

ist daher lediglich in Bezug auf die Differenz von 630 Apparaten<br />

als unverbindlich zu betrachten, was zu einer Reduktion der Gegenleistung<br />

der Klägerin um 630 mal Fr. 15.– = Fr. 9450.– führt. Diesen Betrag hat die<br />

Beklagte der Klägerin zurückzuerstatten, da die Unverbindlichkeit des Vertrages<br />

durch die Klägerin innert Jahresfrist seit Vertragsschluss geltend<br />

gemacht worden ist und eine Schadenersatzpflicht der Klägerin auf Grund<br />

von Art. 26 OR mit entsprechender Herabsetzung ihres Anspruches nicht<br />

in Betracht kommt [S. 219] angesichts des Umstandes, dass der Irrtum der<br />

Klägerin auf die Zusicherungen der Beklagten zurückzuführen war.<br />

§ 12 Übervorteilung (Wucher) [N 1067–1076]<br />

BGE 115 II 232 E.4: c) Eine Sittenwidrigkeit könnte auch das von der Klägerin<br />

behauptete Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht begründen.<br />

Eine Wertdisparität der Vertragsleistungen zu verbieten, ist gerade<br />

nicht Ziel der erwähnten Grundwerte unserer Rechtsordnung; dieser<br />

Problemkreis wird vielmehr abschliessend vom Übervorteilungstatbestand<br />

des Art. 21 OR erfasst, wonach ein offenbares Missverhältnis zwischen<br />

Leistung und Gegenleistung ausnahmsweise dann die einseitige Unverbindlichkeit<br />

des Vertrages zur Folge hat, wenn die eine Partei dessen Abschluss<br />

durch Ausbeutung der Notlage, der Unerfahrenheit oder des<br />

Leichtsinns der andern herbeigeführt hat (BUCHER, a.a.O., S. 258 f.;<br />

MERZ, N. 193 zu Art. 2 ZGB; MERZ, Vertrag und Vertragsschluss, S. 58<br />

ff., insbes. S. 61; HAUSHEER, Die Allgemeinverbindlicherklärung von Kollektivverträgen<br />

als gesetzgeberisches Gestaltungsmittel, in ZSR 95/1976 II,<br />

S. 271; abweichend VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen<br />

Obligationenrechts, Bd. I, S. 260). Damit bleibt für die Beurteilung<br />

des vorliegenden Rechtsstreites auch belanglos, ob die Parteien den durch<br />

den Vergleich bewirkten Vorteil für die Klägerin oder den von der Beklag-<br />

41 | 87


I. Tatbestandsvoraussetzungen<br />

ten hingenommenen Nachteil zum Ausgangspunkt für die Berechnung der<br />

Entschädigung nahmen.<br />

– Offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung<br />

– Zustand von besonderer Schwäche des Übervorteilten<br />

– Ausbeutung der besonderen Schwäche durch den Wucherer<br />

II. Rechtsfolgen<br />

BGE 123 III 292 E. 2: d) – In der älteren schweizerischen Literatur wurde<br />

die Aufrechterhaltung des wucherischen Vertrags mit reduzierter Verpflichtung<br />

[S. 296] und damit die Annahme blosser Teilungültigkeit regelmässig,<br />

wenngleich meist mit Bedauern, abgelehnt (Nachweise bei SPIRO, a.a.O.,<br />

S. 514 Fn. 1 und S. 516 Fn. 5). Dies entspricht im Ergebnis der in Deutschland<br />

herrschenden Auffassung zu § 138 Abs. 2 BGB, jedenfalls mit Ausnahme<br />

der gesondert geregelten Miet- und Lohnwucher sowie der Missachtung<br />

normativ bestimmter Preise (PALANDT, Bürgerliches Gesetzbuch,<br />

56. Aufl., N. 75 zu § 138; STAUDINGER/SACK, 13. Aufl., N. 220 zu<br />

§ 138, wobei dieser Autor allerdings mit der Mindermeinung für eine geltungserhaltende<br />

Reduktion des wucherischen Vertrags eintritt).<br />

Demgegenüber vertritt die herrschende jüngere Lehre in der Schweiz entschieden<br />

die Auffassung, dass auch im Falle des Art. 21 OR eine richterliche<br />

Reduktion oder Anhebung wucherisch überhöhter oder zu niedriger<br />

Leistungen stattfinden könne, jedenfalls auf Begehren des Übervorteilten<br />

(KRAMER, <strong>Bern</strong>er Kommentar, N. 49 zu Art. 21 OR mit zahlreichen Hinweisen;<br />

HUGUENIN JACOBS, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht,<br />

2. Aufl., N. 16 zu Art. 21 OR; WEBER, <strong>Bern</strong>er Kommentar, N. 160<br />

zu Art. 73 OR; SCHRANER, Zürcher Kommentar, N. 118 zu Art. 73 OR;<br />

BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S.<br />

234 f.; GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner<br />

Teil, 6. Aufl., Band I, Rz. 754 f.; ALFRED KO<strong>LL</strong>ER, Schweizerisches<br />

Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, Band I, S. 297 f.; ENGEL, Traité des<br />

obligations en droit suisse, 2. Aufl., S. 305 f.; MERZ, ZBJV 95/1959, S. 469<br />

f.; JEAN-BAPTISTE ZUFFEREY-WERRO, Le contrat contraire aux bonnes<br />

moeurs, Diss. Freiburg 1988, S. 354 bei Fn. 34; wohl auch HAUSHEER,<br />

Die Allgemeinverbindlicherklärung von Kollektivverträgen als gesetzgeberisches<br />

Gestaltungsmittel, ZSR 95/1976, S. 225 ff., 275 bei Fn. 87; für eine<br />

unterschiedliche Behandlung von Dauer- und Zielverträgen: HONSE<strong>LL</strong>,<br />

Die Abwicklung sittenwidriger Darlehensverträge in rechtsvergleichender<br />

Sicht, in: Freiheit und Zwang, FS Giger, <strong>Bern</strong> 1989, S. 287 ff., insb. 295 f.).<br />

Die Möglichkeit einer geltungserhaltenden Behebung der verpönten Äquivalenzstörung<br />

durch Reduktion der übersetzten oder Anhebung der untersetzten<br />

Leistung wird dogmatisch unterschiedlich begründet, sei es mit einer<br />

analogen Anwendung von Art. 20 Abs. 2 OR (namentlich GAUCH, Die<br />

Übervorteilung – Bemerkungen zu Art. 21 OR, recht 1989, S. 91 ff., 100;<br />

GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Rz. 754; STARK, Die Übervorteilung im Lichte<br />

der bundesgerichtlichen Rechtsprechung, in: Erhaltung und Entfaltung des<br />

Rechts in der [S. 297] Rechtsprechung des Schweizerischen Bundesgerichts,<br />

Festgabe der schweizerischen Rechtsfakultäten zur Hundertjahrfeier<br />

des Bundesgerichts, S. 377 ff., 393 ff.; PAUL PIOTET, JT 1958 I 535 ff.),<br />

mit einer aus dem Normzweck gewonnenen teleologischen Reduktion der<br />

Rechtsfolge von Art. 21 OR unbesehen eines hypothetischen Parteiwillens<br />

(namentlich KRAMER, <strong>Bern</strong>er Kommentar, N. 53 zu Art. 21 OR; HUGUE-<br />

42 | 87


NIN JACOBS, a.a.O., N. 16 zu Art. 21 OR; HONSE<strong>LL</strong>, a.a.O., S. 295), mit<br />

einer über Art. 20 Abs. 2 OR hinausreichenden prinzipiell-systematischen<br />

Gesetzesauslegung (SPIRO, a.a.O., S. 519 ff.; HAUSHEER, a.a.O., S. 274<br />

ff.) oder mit richterlicher Lückenfüllung nach Art. 1 Abs. 2 ZGB (OFTIN-<br />

GER, Betrachtungen über die laesio im schweizerischen Recht, in: Ausgewählte<br />

Schriften, S. 155 ff., 171). Die verschiedenen Auffassungen divergieren<br />

zwar in dogmatischer Hinsicht, gehen aber teilweise ineinander über<br />

und führen in der praktischen Anwendung kaum zu unterschiedlichen Lösungen.<br />

Dies namentlich nicht, wenn der in einem Teil der Lehre als Inhaltsmassstab<br />

für die Vertragsanpassung in Anschlag gebrachte hypothetische<br />

Parteiwille im Sinne von Art. 20 Abs. 2 OR von subjektiver Betrachtung<br />

gelöst und ausschliesslich normativ am Handeln redlicher Vertragspartner<br />

gemessen, d.h. nicht individuell-konkret, sondern normativ objektiviert<br />

ermittelt wird (GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., Rz. 700 und 754).<br />

e) – Im Grundsatz ist jedenfalls der nunmehr herrschenden Lehre zu folgen:<br />

[…]<br />

§ 13 Ungültigkeit des Vertrages [N 1077–1118]<br />

I. Ursprüngliche (anfängliche) Unmöglichkeit<br />

BGE 102 II 339 E. 3: Unmöglichkeit nach Art. 20 OR ist nur anzunehmen,<br />

wenn sie von Anfang an bestanden hat; die versprochene Leistung muss<br />

aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen überhaupt nicht erbracht werden<br />

können (BGE 95 II 554, 96 II 21).<br />

BGE 95 II 547 E. 4b: Die Klägerin macht weiter geltend, der Gesellschaftsvertrag<br />

sei spätestens mit dem Tod des <strong>Dr</strong>. Hans Gurtner infolge Unmöglichkeit<br />

seiner Anwendung gemäss Art. 20 OR nichtig geworden. Dieser<br />

Einwand scheitert jedoch schon daran, dass die Unmöglichkeit im Sinne<br />

von Art. 20 OR von Anfang an bestanden haben muss; die versprochene<br />

Leistung muss aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen überhaupt nicht<br />

erbringbar sein (OSER/SCHÖNENBERGER, Art. 20 OR N. 3; VON<br />

TUHR/SIEGWART, OR I S. 244 f.).<br />

BGE 82 II 411 E. 4. – Für den Fall der Verwerfung seines Hauptstandpunktes<br />

macht der Kläger geltend, es liege ursprüngliche Unmöglichkeit des Inhaltes<br />

des Kaufvertrags vor, weshalb dieser gemäss Art. 20 Abs. 1 OR<br />

nichtig gewesen sei. Unmöglichkeit sei deshalb anzunehmen, weil die Beklagte<br />

ein Selbstbildnis van Goghs nicht besass und die Verschaffung eines<br />

solchen durch sie praktisch als ausgeschlossen zu betrachten sei, die<br />

versprochene Leistung also überhaupt nicht erbracht werden konnte.<br />

Diesen Standpunkt hat der Kläger vor der Vorinstanz nicht vorgebracht. Ob<br />

er, wie die Berufung meint, von Amtes wegen zu prüfen sei und darum kein<br />

neues, vor Bundesgericht unzulässiges Vorbringen darstelle, kann dahingestellt<br />

bleiben, denn er ist auf jeden Fall materiellrechtlich verfehlt. Der<br />

Kläger übersieht auch hier, worin die versprochene Leistung bestand. Verkauft<br />

und gekauft war das Bild, das der Kläger besichtigte, auswählte und<br />

nach Hause mitnahm, das Bild, das bisher stets als Selbstbildnis van<br />

Goghs gegolten hatte. Ein Kaufvertrag dieses Inhalts war möglich und der<br />

hierüber geschlossene Kaufvertrag war erfüllbar und ist erfüllt worden, wie<br />

oben (Erw. 3) dargelegt wurde. Mit der Verwerfung des dort erörterten<br />

Rechtsstandpunktes des Klägers ist auch dem vorliegenden Eventualstandpunkt<br />

der Boden entzogen.<br />

43 | 87


II. Rechtswidrigkeit des Vertragsinhaltes<br />

III. Sittenwidrigkeit des Vertragsinhaltes<br />

BGE 117 II 287 E. 4: a) – Ein Vertrag ist im Sinne von Art. 20 Abs. 1 OR<br />

nichtig, falls entweder sein Gegenstand oder der Abschluss mit dem vereinbarten<br />

Inhalt oder der mittelbare Vertragszweck gegen objektives Recht<br />

verstösst. Keine Widerrechtlichkeit des Vertragsinhalts liegt jedoch im allgemeinen<br />

dann vor, wenn sich die verletzte Norm nur gegen die persönliche<br />

Beteiligung einer der Parteien am Vertrag richtet (KRAMER, N. 136 ff.<br />

zu Art. 19–20 OR; BGE 114 II 280 E. 2a mit Hinweisen). Ein gegen eine<br />

bestimmte Gesetzesnorm verstossender Vertrag ist zudem nach ständiger<br />

Praxis des Bundesgerichts nur dann nichtig, wenn dies ausdrücklich im<br />

Gesetz vorgesehen ist oder sich aus Sinn und Zweck der verletzten Norm<br />

ergibt (BGE 115 II 364 mit Hinweisen, 177 II 48 E. 2a). Das gilt auch für<br />

den Fall, wo sich das Verbot gegen die Beteiligung bestimmter Personen<br />

an einem Vertrag richtet. Festzuhalten ist schliesslich, dass nicht nur der<br />

Verstoss gegen Bundesrecht, sondern auch gegen kantonale Vorschriften<br />

den Vertrag nichtig machen kann (BGE 114 II 281 E. 2a, 80 II 329 E. 2).<br />

b) Das Bundesgericht hat es in BGE 62 II 111 E. 2b abgelehnt, einen mit<br />

ausländischen Mäklern geschlossenen Vertrag als nichtig zu erklären, obwohl<br />

die Mäkler ohne die notwendige Bewilligung der Fremdenpolizei tätig<br />

gewesen waren. Diesem Entscheid hat die [S. 288] Lehre mehrheitlich zugestimmt<br />

(KRAMER, N. 138 zu Art. 19–20 OR; OFTINGER, Gesetzgeberische<br />

Eingriffe in das Zivilrecht, ZSR NF 57/1938 II 551a; ENGEL, Traité<br />

des obligations en droit suisse, S. 194; GUHL/MERZ/KUMMER, Das<br />

Schweizerische Obligationenrecht, 7. Aufl., S. 40). Im vorliegenden Fall<br />

besteht kein Anlass, auf diese Beurteilung zurückzukommen. Folgerichtig<br />

ist ein mit einem Mäkler ohne die erforderliche kantonale Berufsausübungsbewilligung<br />

geschlossener Vertrag lediglich dann nichtig, wenn diese<br />

Folge im kantonalen Erlass ausdrücklich vorgesehen ist oder sich aus dessen<br />

Sinn und Zweck ergibt (BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht,<br />

Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S. 251 Fn. 58; VON BÜREN, Schweizerisches<br />

Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, S. 113; abweichend GAUTSCHI, N. 4b<br />

Vorbemerkungen und N. 5a zu Art. 412 OR). Vorauszusetzen ist zudem,<br />

dass die kantonale Regelung nicht gegen den Grundsatz der derogatorischen<br />

Kraft des Bundesrechtes verstösst (Art. 2 ÜbBest. BV, vgl. dazu<br />

BGE 110 Ia 111).<br />

BGE 115 II 232 E. 4: a) – Sittenwidrig im Sinne von Art. 20 Abs. 1 OR sind<br />

Verträge, die gegen die herrschende Moral, d.h. gegen das allgemeine Anstandsgefühl<br />

oder gegen die der Gesamtrechtsordnung immanenten ethischen<br />

Prinzipien und Wertmassstäbe verstossen (GAUCH/SCHLUEP,<br />

Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1987,<br />

Nr. 518; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil,<br />

2. Aufl. 1988, S. 255 f.). Ein solcher Verstoss kann einerseits in der vereinbarten<br />

Leistung oder in dem damit angestrebten mittelbaren Zweck oder<br />

Erfolg liegen, sich anderseits aber auch daraus ergeben, dass eine notwendig<br />

unentgeltliche Leistung mit einer geldwerten Gegenleistung verknüpft<br />

wird.<br />

b) – Die von den Parteien verabredeten Leistungen – Zustimmung zu einem<br />

bekämpften Bauprojekt, Verzicht auf Opposition gegen ein in seinen<br />

Grundzügen bekanntes weiteres Bauvorhaben, Begründung von Dienstbarkeiten<br />

– sind klarerweise nicht sittenwidrig, noch wurde damit mittelbar<br />

ein sittenwidriger Zweck oder Erfolg angestrebt. Fragen kann sich daher<br />

nur noch, ob in sittenwidriger Weise eine Bindung mit einem materiellen<br />

Vor- oder Nachteil verknüpft wurde.<br />

44 | 87


Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz zu den nach kantonalem<br />

Baurecht zu beurteilenden Prozesschancen war der Hauptrekurs<br />

der Beklagten gegen das Bauvorhaben der Klägerin nicht aussichtslos, mithin<br />

durchaus geeignet, schutzwürdige Interessen der Opponentin zu wahren.<br />

Ob dies auch für den Rekurs gegen die Teilbaubewilligung zutraf,<br />

bleibt im Gesamtzusammenhang ohne Bedeutung; unter dem Gesichtspunkt<br />

der Sittlichkeit ist der Beklagten jedenfalls nicht zum Vorwurf<br />

zu erheben, dass sie in der Verfolgung legitimer Interessen die ihr zustehenden<br />

Rechtsmittel ausschöpfte, insbesondere um präjudizielle Teilwirkungen<br />

zu verhindern. War ihre Opposition nicht aussichtslos, durfte die<br />

Beklagte selbst bei objektiver Betrachtungsweise damit rechnen, das missliebige<br />

Bauvorhaben verhindern und die Klägerin zu einem für sie günstigeren<br />

Projekt veranlassen zu können. Solche Chancen und Vorteile können<br />

durchaus geldwerter Natur sein; dass sich die Beklagte für den Verzicht<br />

darauf eine Entschädigung versprechen liess, verstösst deshalb nicht<br />

gegen die guten Sitten, und die vereinbarte Vergütung [S. 236] stellt insbesondere<br />

auch kein sittenwidriges Schweigegeld dar (dazu BGE 76 II 362<br />

ff.).<br />

c) Eine Sittenwidrigkeit könnte auch das von der Klägerin behauptete<br />

Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht begründen. Eine<br />

Wertdisparität der Vertragsleistungen zu verbieten, ist gerade nicht Ziel der<br />

erwähnten Grundwerte unserer Rechtsordnung; dieser Problemkreis wird<br />

vielmehr abschliessend vom Übervorteilungstatbestand des Art. 21 OR erfasst,<br />

wonach ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung<br />

ausnahmsweise dann die einseitige Unverbindlichkeit des Vertrages<br />

zur Folge hat, wenn die eine Partei dessen Abschluss durch Ausbeutung<br />

der Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns der andern<br />

herbeigeführt hat (BUCHER, a.a.O., S. 258 f.; MERZ, N. 193 zu Art. 2<br />

ZGB; MERZ, Vertrag und Vertragsschluss, S. 58 ff., insbes. S. 61; HAUS-<br />

HEER, Die Allgemeinverbindlicherklärung von Kollektivverträgen als gesetzgeberisches<br />

Gestaltungsmittel, in ZSR 95/1976 II, S. 271; abweichend<br />

VON TUHR/PETER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts,<br />

Bd. I, S. 260). Damit bleibt für die Beurteilung des vorliegenden<br />

Rechtsstreites auch belanglos, ob die Parteien den durch den Vergleich<br />

bewirkten Vorteil für die Klägerin oder den von der Beklagten hingenommenen<br />

Nachteil zum Ausgangspunkt für die Berechnung der Entschädigung<br />

nahmen.<br />

IV. Rechtsfolgen unmöglicher, rechts- und sittenwidriger Verträge<br />

§ 14 Exkurs: Ungerechtfertigte Bereicherung [N 2019–2084]<br />

I. Begriff und Zweck<br />

BGE 64 II 121 E. 5: Die Lösung der Frage ergibt sich weiter aus Sinn und<br />

Funktion der ungerechtfertigten Bereicherung im System des Privatrechts.<br />

Das Institut der ungerechtfertigten Bereicherung bezweckt gerade, eine mit<br />

dem materiellen Recht in Widerspruch stehende, eben «ungerechtfertigte»<br />

Bereicherung zu korrigieren. Erhält jemand eine Leistung, die ihm nicht geschuldet<br />

ist und welche nur auf die irrtümliche Annahme einer Verpflichtung<br />

auf Seiten des Leistenden zurückzuführen ist, so fehlt dieser Leistung<br />

die innere Rechtfertigung. Aufgabe der Rechtsordnung ist es, in solchen<br />

Fällen durch Einräumung eines Rückforderungsanspruches eine Korrektur<br />

der gesetzlichen Rechtswirkung. der Zahlung deshalb eintreten zu lassen,<br />

weil die durch sie geschaffene Rechtslage dem Endziel der Rechtsordnung,<br />

der materiellen Gerechtigkeit, nicht entspricht. Dieser den Bereicherungsansprüchen<br />

allgemein und der condictio indebiti im besonderen zu<br />

Grunde liegende Gedanke ist es und nicht ein der Leistung anhaftender<br />

Willensmangel, nicht der Irrtum als solcher, vielmehr die Grundlosigkeit der<br />

45 | 87


II. Arten<br />

1. Eingriffskondiktion<br />

2. Leistungskondiktion<br />

3. Zufallskondiktion<br />

Leistung, welche zur Gewährung des Rückforderungsanspruchs führt (vgl.<br />

BGE 40 II S. 258). Die Begründung des Bereicherungsanspruches liegt<br />

somit nicht im Irrtum. sondern in der Tatsache, dass der Empfänger grundlos<br />

etwas vom Leistenden erhielt. Das ist der Grund aller Bereicherungsansprüche,<br />

von dem bei Entscheidung aller Einzelfragen auszugehen ist.<br />

Art. 63 OR ist nur ein Sonderfall des allgemeinen Grundsatzes von Art. 62;<br />

er stellt klar, dass nach Leistung einer Nichtschuld eine Rückforderung nur<br />

unter der Voraussetzung irrtümlicher Annahme einer Zahlungspflicht gewährt<br />

sein soll, nicht aber bei wissentlicher Leistung einer Nichtschuld, also<br />

bei Schenkung. Die Veranlassung für die besondere Behandlung dieser<br />

Unterart der Rückforderungsklage aus nicht verwirklichtem Grund liegt in<br />

ihrer grossen praktischen Bedeutung, im allgemeinen [S. 131] Irrtumserfordernis<br />

und in der Klarstellung des Falles der Erfüllung einer verjährten<br />

Schuld oder einer sittlichen Pflicht.<br />

III. Gegenstand und Umfang der Herausgabepflicht<br />

1. Grundsatz der Naturalrestitution<br />

2. Umfang der Herausgabepflicht<br />

Unzutreffend BGE 110 II 228 E. 7d: Freilich wurde früher bezüglich des<br />

Anspruchs aus ungerechtfertigter Bereicherung gelehrt, es sei das Empfangene,<br />

soweit in natura noch vorhanden, zurückzugeben (OSER/<br />

SCHÖNENBERGER, N. 2 zu Art. 64 OR). Mit Recht weisen indessen u.a.<br />

GUHL/MERZ/KUMMER (7. Aufl., S. 203) und von TUHR/PETER (Bd. I, S.<br />

502) darauf hin, dass wenn die Sache beim Bereicherten noch vorhanden<br />

ist, die Vindikations- und nicht die Bereicherungsklage Platz greife.<br />

46 | 87


4. Kapitel: Erfüllung und Erlöschen der Obligation<br />

§ 15 Gründe für den Untergang der Obligation [N 1323–1408]<br />

I. Gehörige Erfüllung (= Untergang infolge Befriedigung des Gläubigers)<br />

II. Untergang ohne Befriedigung des Gläubigers<br />

1. Erlassvertrag (Art. 115 OR)<br />

2. Erlöschen durch Bedingung oder Befristung (Zeitablauf)<br />

3. Novation (Neuerung; Art. 116 f. OR)<br />

BGE 60 II 332 E. 2: Neuerung im Sinne von Art. 116 OR ist die Umwandlung<br />

eines alten Schuldverhältnisses in ein neues, wobei der Verpflichtungsgrund<br />

des neuen Schuldverhältnisses nicht in demjenigen des alten,<br />

sondern in dem die Neuerung bewirkenden neuen und selbständigen<br />

Rechtsgeschäft besteht. Wird dagegen das alte Schuldverhältnis in seiner<br />

Identität nicht beseitigt, sondern werden unter Wahrung von dessen Substanz<br />

daran nur Änderungen im Inhalt (Stundung der Schuld, Erhöhung der<br />

Leistung) oder in der Person des Gläubigers (durch Abtretung nach Art.<br />

164 ff. OR) oder des Schuldners (durch Schuldübernahme, Art. 175 ff OR),<br />

vorgenommen, so liegt keine Neuerung vor (OSER-SCHÖNENBERGER,<br />

Anm. 14 zu Art. 116 OR; FAESY, Die Novation, Diss. <strong>Bern</strong> 1918, S. 44).<br />

4. Vereinigung (Konfusion; Art. 118 OR)<br />

5. Unverschuldetes Unmöglichwerden der Leistung (Art. 119 OR)<br />

6. Verrechnung (Kompensation; Art. 120 ff. OR)<br />

BGE 63 II 133 E. 2: Das OR behandelt die Verrechnung als Einrede: so<br />

fällt dieselbe unzweifelhaft unter den Begriff der Einrede im Sinne von Art.<br />

145 Abs. 1. Das ist nach VON TUHR, Allg. Teil des schweiz. OR, I S. 23<br />

und 24, II S. 595 und 596, auf den ältern Sprachgebrauch zurückzuführen,<br />

der unter Einrede sowohl eine zugunsten des Beklagten wirkende Tatsache<br />

als auch das Recht, die geschuldete Leistung aus besonderem Grunde<br />

zu verweigern, verstanden habe. Im neuern, technischen Sinne bezeichne<br />

man als Einreden nur die letztgenannte Art, während für eine dem<br />

Recht des Klägers entgegenstehende Tatsache das Wort Einwendung gebraucht<br />

werde. Mit einer solchen Einwendung habe man es bei der Verrechnung<br />

zu tun. [S. 139] Es werde nicht, wie z. B. bei der Retention nach<br />

Art. 895 ZGB, aus besonderem Rechtsgrunde eine an sich geschuldete<br />

Leistung verweigert, sondern eine das Recht des Gläubigers aufhebende<br />

Tatsache geltend gemacht; wer sich auf Verrechnung berufe, behaupte,<br />

dass er infolge einer früher oder jetzt abgegebenen Willenserklärung nicht<br />

mehr Schuldner des Klägers sei.<br />

Im vorliegenden Falle besteht kein Anlass, auf diese Unterscheidung einzugehen<br />

und gegebenenfalls von der gesetzlichen Bezeichnung der Verrechnung<br />

als Einrede abzuweichen. Die Verrechnung stellt auf jeden Fall<br />

47 | 87


ein materiellrechtliches Verteidigungsmittel dar, dessen Voraussetzungen<br />

und Wirkungen vom Bundesrecht, Art. 120 ff. OR, beherrscht sind. Das allein<br />

ist für die Entscheidung massgebend. Denn damit bleibt für das kantonale<br />

Recht in materieller Hinsicht kein Raum, gleichviel ob man die Verrechnung<br />

als Einrede oder als Einwendung bezeichnen will. Das kantonale<br />

Recht kann einzig bestimmen, wie die Verrechnung prozessual geltend zu<br />

machen ist, insbesondere bis zu welchem Stadium des Prozesses die Einrede<br />

zugelassen werden soll (BGE 12 S. 245, 13 ~S. 293 und 392, 30 II<br />

512, 43 II 69; OSER-SCHÖNENBERGER, N 13 zu Art. 120). Davon dürfen<br />

aber die materiellen Voraussetzungen nicht berührt werden; diese richten<br />

sich, auch wenn die Verrechnung im Prozess geltend gemacht wird, ausschliesslich<br />

nach Bundesrecht.<br />

III. Exkurs: Erlöschen des Schuldverhältnisses [N 1409–1428]<br />

§ 16 Die gehörige Erfüllung [N 1190–1278]<br />

I. Grundsatz der Naturalerfüllung (Realexekution)<br />

II. Voraussetzungen<br />

1. Persönliche Voraussetzungen des Schuldners und des Gläubigers<br />

2. Inhaltliche Voraussetzungen<br />

a) Grundsatz<br />

BGE 83 III 99 E. 2: Dem Betreibungsamt steht nicht zu, über den ohne<br />

Vorbehalt zuhanden des betreibenden Gläubigers eingegangenen Betrag<br />

anders als zu dessen Gunsten zu verfügen, insbesondere ihn dem Zahlenden<br />

auf dessen einseitiges Begehren zurückzuerstatten, es wäre denn,<br />

dass die Zahlung aus besondern Gründen zurückgewiesen zu werden verdient.<br />

Ob eine vorbehaltlose Einzahlung an das Betreibungsamt vom Schuldner<br />

selbst oder von einem <strong>Dr</strong>itten vorgenommen wurde, ist grundsätzlich ohne<br />

Belang. Die Handlung eines <strong>Dr</strong>itten kann auf irgendeinem Grunde beruhen,<br />

dem das Betreibungsamt nicht nachzuforschen hat. Zahlungspflichten<br />

braucht der Schuldner in der Regel nicht persönlich zu erfüllen, sondern<br />

darf dies durch einen <strong>Dr</strong>itten besorgen lassen (Art. 68 OR). Zudem<br />

herrscht Einigkeit darüber, dass die Leistung eines <strong>Dr</strong>itten auch dann<br />

rechtswirksam ist, wenn sie ohne Wissen, ja sogar gegen den Willen des<br />

Schuldners geschieht (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 2 und 3, und BE-<br />

CKER, N. 4 ff. zu Art. 68 OR; v. TUHR, OR, § 59 II). – [bestätigt in BGE<br />

123 III 164 E. 4c]<br />

b) Wahlobligation und alternative Ermächtigung<br />

c) Erfüllungssurrogate: Leistung an Erfüllungsstatt (datio in solutum) und<br />

Leistung erfüllungshalber<br />

BGE 119 II 230 E. 2: a) Ist zwischen Schuldner und Gläubiger nicht vereinbart<br />

worden oder ist streitig, ob eine Leistung als zahlungshalber oder<br />

als an Zahlungsstatt erfolgt zu gelten habe, so wird nach Lehre und Recht-<br />

48 | 87


sprechung eine Leistung zahlungshalber vermutet (BGE 89 II 341 E. 3; von<br />

TUHR/ESCHER, Allg. Teil des schweiz. Obligationenrechts, Bd. II, S. 14<br />

BUCHER, Schweiz. Obligationenrecht Allg. Teil, 2. Aufl., S. 312; SCHRA-<br />

NER, N. 118 der Vorbemerkungen zu Art. 68-96 OR; WEBER, N. 144 der<br />

Vorbemerkungen zu Art. 68-96 OR). Dem liegt die Überlegung zugrunde,<br />

dass der Gläubiger, der vom Schuldner eine andere als eine Geldleistung<br />

anzunehmen bereit ist, nicht auch noch die Gefahr tragen soll, dadurch<br />

schlechter gestellt zu werden. Dieser Grundgedanke ist zwar im Obligationenrecht<br />

nicht in allgemeiner Form festgehalten worden. Er hat aber in<br />

verschiedenen Einzelbestimmungen seinen Niederschlag gefunden (vgl.<br />

Art. 116 Abs. 2, Art. 172, Art. 467 Abs. 1 und Art. 1103 OR).<br />

49 | 87


5. Kapitel: Leistungsstörungen [N 1488–1829]<br />

Zur weitern Vertiefung dieses Kapitels wird empfohlen: Wolfgang Wiegand, Leistungsstörungen,<br />

Teile I–III, recht 1983 und 1984, abrufbar unter www.wolfgangwiegand.ch (Link „Publikationen“)<br />

Haftung aus Vertrag (Art. 97 OR) als Rechtsfolge der Vertragsverletzung durch den Schuldner:<br />

Die Haftungsordnung von Art. 97 ff. OR erfasst demnach<br />

Nach herrschender Lehre muss Art. 97 Abs. 1 OR so verstanden werden,<br />

wie wenn es hiesse: „Kann die Erfüllung der Verbindlichkeit überhaupt<br />

nicht bewirkt werden oder ist sie nicht gehörig bewirkt worden, so hat der<br />

Schuldner für den daraus entstandenen Schaden Ersatz zu leisten, sofern<br />

er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle“ (…). Dies<br />

ist auch die Meinung des historischen Gesetzgebers. So führte EUGEN<br />

HUBER als Kommissionsberichterstatter vor dem Nationalrat aus: „Zunächst<br />

halten wir selbstverständlich bei Art. 97 daran fest, dass der<br />

Schuldner, der nicht oder nicht gehörig erfüllt, zu Schadenersatz verpflichtet<br />

sein muss, wenn er nicht beweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur<br />

Last falle, […] (StenBull, NR 1909, p. 533).<br />

(i) das vollständige Ausbleiben der geschuldeten Leistung („Nichterfüllung“), sei es<br />

– wegen nachträglich eingetretener, verschuldeter Unmöglichkeit (§ 17); oder<br />

– aus andern, vom Schuldner zu vertretenden Gründen (§ 18).<br />

(ii) den Fall der tatsächlich erfolgten, aber nicht gehörig (d.h. schlecht) erbrachten Leistung<br />

(„Schlechterfüllung“) (§ 19)<br />

Nein<br />

Prüfen:<br />

OR 11/19/20/23 ff.<br />

(insbes. anfängliche obj.<br />

Unmöglichkeit)<br />

Störungen der Vertragsabwicklung<br />

Ist ein Vertrag zustande gekommen?<br />

Nein<br />

Nachträgliche obj./subj. Unmöglichkeit<br />

Anfängliche subj. Unmöglichkeit<br />

Vom Schuldner zu vertreten?<br />

Ja Nein<br />

Prüfen:<br />

OR 97/101/103.1<br />

Ja<br />

Ist die gehörige Leistung noch möglich?<br />

Prüfen:<br />

OR 119<br />

Ja<br />

Verzug? Schlecht erfüllt?<br />

Prüfen:<br />

OR 102 ff./107/109<br />

Prüfen:<br />

OR 97<br />

50 | 87


§ 17 Nichterfüllung infolge Unmöglichkeit der Leistungserbringung [N 1498–1624]<br />

I. Begriff der Unmöglichkeit unter OR 97<br />

1. Nachträgliche objektive und subjektive Unmöglichkeit<br />

BGE 82 II 338 E. 5: Dieser obligationenrechtliche Vertrag, der Leistung von<br />

Arbeit und vorläufige Finanzierung des Umbaus auf der einen und Einräumung<br />

eines Wohnrechts auf der andern Seite vorsah, ist nun vom Beklagten<br />

nicht erfüllt worden, indem er den Eltern Jaussi das Wohnrecht nicht<br />

während der ganzen in Aussicht genommenen Zeitspanne gewährt hat. Es<br />

handelt sich somit um eine Frage der Folgen der Nichterfüllung, nicht um<br />

eine solche der ungerechtfertigten Bereicherung, wie die Vorinstanz irrtümlich<br />

angenommen hat.<br />

Nach Art. 97 Abs. 1 OR hat der Schuldner, wenn die Erfüllung einer Verbindlichkeit<br />

nicht oder nicht gehörig bewirkt werden kann, für den daraus<br />

erwachsenden Schaden Ersatz zu leisten, sofern er nicht beweist, dass<br />

ihm keinerlei Verschulden zur Last fällt.<br />

Unmöglichkeit der Vertragserfüllung im Sinne dieser Bestimmung liegt<br />

auch bei bloss subjektiver Unmöglichkeit vor, und eine solche ist schon<br />

dann als verwirklicht anzusehen, wenn nach Treu und Glauben im Verkehr<br />

dem Schuldner die weitere Erfüllung nicht mehr zumutbar ist.<br />

Mit einer subjektiven Unmöglichkeit in diesem Sinne hat man es hier zu<br />

tun. Dem Beklagten konnte nicht zugemutet werden, seinen ehemaligen<br />

Schwiegereltern auch nach der Scheidung weiterhin das Wohnrecht zu<br />

gewähren und auf diese Weise ständig Begegnungen mit seiner vormaligen<br />

Ehefrau ausgesetzt zu sein. Die Ausweisung der Eheleute Jaussi war<br />

daher die natürliche Lösung einer subjektiv unmöglich gewordenen Situation.<br />

Für den aus dieser Unmöglichkeit der Vertragserfüllung erwachsenen<br />

Schaden hat der Beklagte nach der oben genannten Bestimmung Ersatz<br />

zu leisten, sofern er nicht beweist, dass ihm kein Verschulden zur Last fällt.<br />

Praktisch läuft das auf die Frage des Verschuldens des Beklagten an der<br />

Scheidung der Ehe hinaus, da die Unmöglichkeit der Erfüllung auf diese<br />

zurückzuführen ist. Die Vorinstanz, an die der Fall zu neuer Beurteilung zurückzuweisen<br />

ist, hat daher zur Frage der Exkulpation [S. 339] des Beklagten<br />

Stellung zu nehmen.<br />

2. Anfängliche subjektive Unmöglichkeit<br />

3. Tatsächliche und rechtliche Unmöglichkeit<br />

BGE 111 II 352 E. 2: a) Objektive Unmöglichkeit der Leistung im Sinne von<br />

Art. 119 Abs. 1 OR entbindet den Schuldner von seinen vertraglichen Verpflichtungen<br />

nur, wenn er die Unmöglichkeit nicht zu verantworten hat. Die<br />

Unmöglichkeit kann nebst tatsächlichen Gründen auf einer neuen, nachträglich<br />

eingetretenen Rechtslage beruhen. So können namentlich behördliche<br />

Verbote, beispielsweise Ausfuhrsperren, den Schuldner hindern, die<br />

Leistung vertragsgemäss zu erbringen (VON TUHR/ESCHER, S. 94;<br />

CAYTAS, Der unerfüllbare Vertrag, Diss. St. Gallen 1984, S. 155, 168). Für<br />

die Unmöglichkeit der Leistung aus rechtlichen Gründen ist der Schuldner<br />

verantwortlich, wenn er Leistung versprochen hat, obwohl er wusste oder<br />

bei gehöriger Sorgfalt hätte wissen müssen, dass er sie unter Umständen<br />

nicht werde erbringen können; in diesem Fall haftet er nach Art. 97 OR<br />

51 | 87


(BGE 107 II 148 E. 3, 88 II 203 E. 5 mit Verweisungen, 54 II 337; VON<br />

TUHR/ESCHER, S. 96, dort insbesondere Anm. 23).<br />

4. Unmöglichkeit bei Spezies- und Gattungsschulden<br />

BGE 57 II 508 E. 1: Die Schuld des Beklagten, Pflastersteine zu liefern,<br />

war an sich eine Gattungsschuld, d. h. Gegenstand der Obligation waren<br />

nicht individuelle, sondern der Gattung nach bestimmte Sachen. Immerhin<br />

lag keine gewöhnliche Gattungsschuld vor, sondern eine sogenannte begrenzte<br />

Gattungsschuld, bei der das bestellte Quantum aus einem beschränkten<br />

Vorrat von Gattungssachen, hier aus dem Steinbruch des Beklagten<br />

in Sarnen, zu liefern war (von TUHR OR I S. 51). Bei der gewöhnlichen<br />

Gattungsschuld tritt Unmöglichkeit der Leistung nicht ein, so lange<br />

die Gattung vorhanden ist und der Schuldner die nötige Menge ohne unerschwingliche<br />

Mühe und Aufwendungen an einem andern als dem vorgesehenen<br />

Orte beschaffen kann, während bei der gemischt generischen Obligation<br />

der Schuldner mit Untergang des Vorrates [S. 511] frei wird (von<br />

TUHR, OR I S. 51, II S. 496, insbesondere Note 16). Es leuchtet ohne weiteres<br />

ein, dass dieser Unterschied im vorliegenden Fall von Belang ist,<br />

denn wenn der Beklagte lediglich Steine bestimmter Qualität zu leisten gehabt<br />

hätte, und nicht speziell solche aus dem Steinbruch in Sarnen, hätte<br />

er sich grundsätzlich auf die in Sarnen eingetretene Unmöglichkeit der erwarteten<br />

Ausbeute nicht berufen können, sondern anderswo, z. B. bei der<br />

spätern Bezugsquelle der Klägerin in Bex, wenn auch unter gewissen<br />

Schwierigkeiten, umsehen müssen.<br />

II. Die vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit<br />

1. Tatbestandsmerkmale<br />

a) Vertragspflichtverletzung (Unmöglichkeit)<br />

b) Zurechenbarkeit (Verschulden)<br />

c) Schaden (nach der Differenzhypothese)<br />

d) Kausalität (zwischen Vertragspflichtverletzung und Schaden)<br />

2. Rechtsfolgen<br />

a) Untergang des Primäranspruchs des Gläubigers<br />

b) Sekundärer Schadenersatzanspruch des Gläubigers<br />

BGE 122 III 66 E. 3: c) Sollte sich weisen, dass die Vermittlungstätigkeit<br />

der Klägerin in Grossbritannien ausschliesslich durch schuldhaftes Verhalten<br />

der Beklagten im Sinn von Art. 97 OR unmöglich geworden ist, so hat<br />

die Beklagte der Klägerin Schadenersatz entsprechend ihrem Erfüllungsinteresse<br />

zu leisten.<br />

BGE 82 II 397 E. 6: Ersatz für lucrum cessans, d.h. für Gewinnentgang, ist<br />

nach allgemeiner Lehre nur geschuldet, soweit es sich um einen üblichen<br />

52 | 87


oder sonstwie sicher in Aussicht stehenden Gewinn handelt (vgl. v. TUHR,<br />

OR I § 13 Ziff. 10, BECKER, N. 9 zu Art. 41 und N. 31 und 34 ff. zu Art. 97<br />

OR).<br />

c) Schicksal des Gegenanspruchs bei zweiseitigen Verträgen<br />

Austausch- oder Differenztheorie – Vgl. insbes. auch Art. 215 OR für<br />

den kaufmännischen Verkehr.<br />

BGE 65 II 171 E. 2 : Il n'y a ainsi aucune raison de limiter l'application de la<br />

théorie dite de la différence (Differenztheorie) aux cas envisagés aux art.<br />

191 al. 2 et 3 et 215, d'autant moins d'ailleurs que, d'une part, comme on<br />

l'a déjà dit, les modes de calcul qu'ils prévoient n'ont rien d'obligatoire,<br />

[S. 175] et que, d'autre part, ils trouvent sans doute leur justification dans<br />

l'idée que soit le prix que paye l'acheteur qui se remplace, soit celui qu'encaisse<br />

le vendeur qui revend la chose à un tiers, soit enfin le prix courant<br />

de la marchandise ou le cours coté en bourse sont réputés correspondre à<br />

la valeur de la prestation du créancier.<br />

Il est indiscutable que l'application de la Differenztheorie peut avoir pour<br />

résultat, dans certains cas, de permettre au vendeur de réaliser une seconde<br />

fois son bénéfice sur la même marchandise, puisque, n'étant pas<br />

obligé de la tenir à la disposition de l'acheteur, il est libre de la revendre<br />

une seconde fois. Mais, contrairement à ce que soutient la défenderesse, il<br />

n'y a rien de choquant à cela, lors du moins que la vente porte sur une<br />

marchandise que le vendeur possède déjà en quantités suffisantes pour<br />

satisfaire à la fois à ses obligations envers l'acheteur et à celles qui résulteraient<br />

de marchés passés simultanément avec d'autres acheteurs. On ne<br />

voit pas pourquoi, en pareil cas, le fait que, grâce à un second marché, il<br />

aurait réussi à réaliser quand même son bénéfice sur la marchandise devrait<br />

le priver du droit de se faire indemniser de la perte que lui a occasionnée<br />

l'inexécution du premier contrat.<br />

III. Die vom Schuldner nicht zu verantwortende Unmöglichkeit (Art. 119 OR)<br />

1. Voraussetzung: Gelungener Exkulpationsbeweis<br />

2. Rechtsfolgen<br />

a) Grundsatz: Beidseitige Schuldbefreiung (OR 119/1 und 119/2)<br />

(i) Erlöschen der Leistungspflicht des Schuldners (OR 119/1)<br />

(ii) Erlöschen der Gegenleistungspflicht des Gläubigers (OR 119/2)<br />

b) Ausnahme Nr. 1: Vorzeitiger Übergang der Gefahr (Art. 119 Abs. 3)<br />

Keine Befreiung des Gläubigers von seiner Gegenleistungspflicht bei<br />

Übergang der Gefahr in Bezug auf die unmöglich gewordene Leistung<br />

des Schuldners vor Eintritt der Unmöglichkeit:<br />

53 | 87


BGE 84 II 158 E. 1 : Ainsi, l'intimé ne saurait se fonder sur l'art. 185 al. 2<br />

CO pour prétendre que les risques étaient restés à la charge de la venderesse<br />

et l'art. 185 al. 1 CO est seul applicable en l'espèce.<br />

b) En vertu de cette dernière disposition, les profits et les risques passent<br />

en principe à l'acquéreur dès la conclusion de la vente. Il n'en est autrement<br />

qu'en cas de circonstances ou de stipulations particulières. L'art. 185<br />

al. 1 CO consacre ainsi une règle qui déroge à plus d'un point de vue au<br />

système juridique suisse. Il constitue d'abord une exception au principe selon<br />

lequel le propriétaire, qui dispose de la chose, en a les risques et les<br />

profits. Il déroge de plus à la règle générale de l'art. 119 al. 2 CO, en vertu<br />

duquel le contractant libéré parce que l'exécution de sa prestation est devenue<br />

impossible ne peut plus prétendre à la contre-prestation promise par<br />

l'autre partie (cf. également les art. 220, 254, 376 et, a contrario, l'art. 390<br />

al. 1 CO, qui obéissent au principe de l'art. 119 al. 2 CO). Il est du reste<br />

contraire aux conceptions généralement admises dans le public (comme le<br />

relève avec raison OSER/SCHÖNENBERGER, CO, ad art. 185, rem. 2; cf.<br />

également RSJ 1952 p. 179).<br />

Dans ces conditions, il faut appliquer restrictivement le principe selon lequel<br />

les profits et les risques passent à l'acheteur dès que le contrat est<br />

conclu et on doit admettre très largement les "exceptions résultant de circonstances<br />

ou de stipulations particulières", qui sont réservées par l'art.<br />

185 al. 1 CO. Ainsi, le Tribunal fédéral a jugé, [S. 162] dans son arrêt Verzinkerei<br />

Zug AG c. Debrunner & Cie (RO 52 II 362 consid. 1), que le vendeur<br />

supportait les risques du transport lorsqu'il expédiait franco la marchandise<br />

à son propre représentant au lieu de l'exécution; en effet - a exposé<br />

la juridiction fédérale - l'acheteur est, dans ce cas, privé de toute possibilité<br />

de disposer de la marchandise pendant le transport et de prendre<br />

des mesures pour écarter les risques (cf. également RO 46 II 460).<br />

BGE 128 III 370 E. 4 : – a) Selon l'art. 185 al. 1 CO, les profits et les<br />

risques de la chose passent à l'acquéreur dès la conclusion du contrat,<br />

sauf les [S. 372] exceptions résultant de circonstances ou de stipulations<br />

particulières ("periculum est emptoris"). Si la chose périt sans faute du<br />

vendeur entre la conclusion du contrat et son exécution, l'acheteur reste<br />

donc en principe tenu de payer le prix. Cette solution se concilie mal, sur<br />

plus d'un point, avec les principes généraux du droit des obligations suisse.<br />

Tant la jurisprudence que la doctrine préconisent en conséquence une application<br />

restrictive de la règle et une interprétation extensive des exceptions<br />

qui y sont faites (ATF 84 II 158 consid. 1b; ...). La loi doit toutefois<br />

être respectée. Si une application restrictive est admissible, on veillera bien<br />

sûr à ce que les exceptions ne remplacent pas la norme générale.<br />

b) Mettre les risques à la charge de l'acheteur durant la période s'écoulant<br />

entre l'acte générateur d'obligations - ou la conclusion du contrat de vente<br />

– et l'acte de disposition – soit le transfert de propriété en exécution du<br />

contrat - est contraire au principe général selon lequel le propriétaire supporte<br />

les risques (et les profits) de la chose ("casum sentit dominus" ou<br />

"res perit domino"). La règle et ses exceptions s'expliquent cependant historiquement,<br />

si l'on se rappelle pourquoi et comment l'art. 185 CO a été introduit<br />

dans notre code.<br />

aa) L'obligation demeurant à l'acheteur de payer le prix d'une chose qu'il<br />

ne reçoit pas, ou "risque du prix", trouve son origine dans le droit romain<br />

classique (Inst. III, 23, 3). Codifiée par Justinien (Instit. de emptio venditio<br />

Par. 4: "emptoris damnum est, et tenetur pretium solvere"), la règle devait<br />

déjà rencontrer plusieurs critiques émanant de juristes romains. Dans le<br />

but de compenser un régime trop avantageux pour le vendeur, on a mis à<br />

la charge de celui-ci la surveillance de la chose, la "custodia"; l'acheteur<br />

était ainsi délivré du "risque du prix" dans certaines circonstances, par<br />

exemple en cas de vol de la chose avant sa livraison. La jurisprudence<br />

humaniste [S. 373] (Cujaz) a jugé la règle obsolète, en raison de son in-<br />

54 | 87


compatibilité avec le principe fondamental qui veut que ce soit celui qui<br />

dispose de la chose et en tire donc les profits qui supporte également les<br />

risques (car même si, comme c'est le cas avec l'actuel art. 185 CO, on ne<br />

fait pas seulement passer les risques, mais aussi les profits, à l'acquéreur<br />

dès la conclusion du contrat, ce dernier n'en demeure pas moins privé de<br />

la jouissance de la chose avant la livraison [cf. ZIMMERMANN, The Law of<br />

Obligations, p. 281 ss; HONSE<strong>LL</strong>, op. cit., p. 48 s.; BUCHER, op. cit., p.<br />

289 s.]). Malgré cela, la règle "periculum est emptoris" a été défendue par<br />

les pandectistes; pour WINDSCHEID, selon la théorie du contrat d'aliénation<br />

("Veräusserungsvertrag"), dès le contrat parfait et avant toute tradition,<br />

la chose devrait être considérée, sur le plan économique, comme n'appartenant<br />

plus au patrimoine du vendeur, mais comme partie du patrimoine de<br />

l'acheteur (WINDSCHEID/KIPP, Lehrbuch des Pandektenrechts, 8e éd.,<br />

par. 321 note de pied de page n. 19a et par. 390; dans le même sens déjà<br />

POTHIER, Traité du contrat de vente et des retraits, éd. Siffrein, tome 3, p.<br />

187 ss, spéc. p. 189, qui précise que la cause de l'obligation de payer le<br />

prix de vente n'est pas la remise de la chose par le vendeur, mais l'engagement<br />

de celui-ci à remettre ou faire remettre la chose à l'acheteur; cf.<br />

aussi MEYLAN, ibidem; CORTESI, op. cit., p. 15 ss).<br />

Bien que la vente ait été considérée dans le droit romain comme un contrat<br />

consensuel, le "risque du prix" s'explique en réalité moins par le fait qu'il<br />

s'agisse d'un contrat d'aliénation que parce que les ventes se concluaient à<br />

l'époque avant tout sur les places de marché, de sorte que l'acte générateur<br />

d'obligations et l'acte de disposition coïncidaient la plupart du temps.<br />

Dans ce type de vente, si la conclusion et l'exécution du contrat sont séparées,<br />

c'est en général dans l'intérêt de l'acheteur, soit que ce dernier ne<br />

puisse immédiatement emporter la chose, soit qu'il ne soit pas en mesure<br />

de verser aussitôt le prix convenu. Dans de telles conditions, mettre les<br />

risques à la charge de l'acheteur se justifie pleinement (ZIMMERMANN,<br />

op. cit., p. 290 s.; BUCHER, op. cit., p. 292 s.).<br />

bb) En droit comparé, on relèvera que l'Autriche et l'Allemagne n'ont pas<br />

repris la règle romaine. Conformément au principe de tradition, ces ordres<br />

juridiques ne font passer le risque qu'avec la remise de la chose à l'acheteur<br />

(§ 446 al. 1 BGB; § 1048 ss en relation avec § 164 ABGB). La France<br />

et l'Italie ont en revanche conservé le principe de droit commun, mais il faut<br />

observer que, dans ces deux pays, les contrats sont purement consensuels,<br />

la vente étant déjà translative de propriété (art. 1138, 1583, 1624<br />

CC fr.; art. 922 et 1376 CC it.). [S. 374] La situation est analogue en<br />

Grande-Bretagne (ZIMMERMANN, op. cit., p. 292).<br />

La législation suisse constitue quant à elle une solution de compromis. Durant<br />

les travaux parlementaires, les camps étaient divisés quant à l'effet<br />

translatif de propriété de la vente, la majorité alémanique voulant adopter<br />

le système allemand, alors que la minorité romande défendait le régime<br />

appliqué en France; la minorité est finalement parvenue à faire adopter la<br />

règle "res perit emptori" sur le modèle français. Ainsi, selon notre code des<br />

obligations, la propriété ne passe qu'avec la possession (ou l'inscription au<br />

registre foncier pour les immeubles), alors que les risques passent à<br />

l'acheteur dès la conclusion du contrat (CORTESI, op. cit., p. 11 ss.; BU-<br />

CHER, op. cit., p. 288 s.).<br />

c) C'est dans ce contexte que les rapports entre la règle et les exceptions<br />

de l'art. 185 CO doivent se comprendre. L'art. 185 al. 1 CO consacre une<br />

règle prévue à l'origine pour les ventes sur les marchés; les exceptions<br />

aménagées avaient pour objets les cas où la séparation temporelle entre<br />

l'acte obligationnel et l'acte de disposition intervenait non pas dans l'intérêt<br />

de l'acheteur, mais seulement ou de manière prépondérante dans celui du<br />

vendeur. Les exceptions reconnues jusqu'ici semblent se situer toutes sur<br />

cette ligne. Hormis les hypothèses expressément réglées aux al. 2 et 3 de<br />

l'art. 185 CO ainsi que les stipulations particulières mentionnées à l'al. 1,<br />

ce sont la vente à double, l'obligation alternative avec droit d'option au<br />

55 | 87


vendeur (art. 72 CO), la vente d'une chose non en possession du vendeur,<br />

ou les contrats mixtes, en particulier la vente d'une automobile comprenant<br />

la reprise d'une voiture usagée (SCHMUTZ, op. cit., p. 52 ss; SIEBER, op.<br />

cit., p. 76 ss; CORTESI, op. cit., p. 112 ss.). Dans toutes ces hypothèses -<br />

à l'exception peut-être des contrats mixtes qui ne nous intéressent pas ici -,<br />

l'acheteur se trouve empêché pour des circonstances imputables au vendeur<br />

de disposer de la chose vendue avant la livraison ou ne peut veiller à<br />

la sécurité de sa nouvelle acquisition de manière adéquate (CAVIN, op.<br />

cit., p. 34; GIGER, Commentaire bernois, n. 75 ad art. 185 CO; SCHMUTZ,<br />

op. cit., p. 53; SIEBER, op. cit., p. 77).<br />

c) Ausnahme Nr. 2: Stellvertretendes Commodum<br />

Anspruch des Gläubigers auf einen vom Schuldner als Folge der Unmöglichkeit<br />

erlangten Wertersatz oder Ersatzanspruch („stellvertretendes<br />

Commodum“):<br />

BGE 46 II 429 E. 2: – Die Vorinstanz hat nun aber angenommen, der Kläger<br />

habe nach den Grundsätzen über das stellvertretende commodum, im<br />

Rahmen des ihm aus der Nichterfüllung erwachsenen Schadens, als Vorteilsausgleichung<br />

Anspruch auf Herausgabe des Gewinnes, den die Beklagten<br />

in Folge der Nichterfüllung anderweitig machen konnten.<br />

Hiezu ist zu bemerken: Nach Art. 119 OR gilt die Forderung als erloschen,<br />

wenn die Leistung des Schuldners durch Umstände unmöglich geworden<br />

ist, die er nicht zu vertreten hat. Auch bei zweiseitigen Verträgen kann daher<br />

in diesem Falle weder auf Erfüllung, noch auf Schadenersatz wegen<br />

Nichterfüllung geklagt werden, sondern der Schuldner bleibt lediglich noch<br />

zur Rückgabe der etwa bereits empfangenen Gegenleistung verpflichtet,<br />

und zwar aus dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung (Art.<br />

119 Abs. 2).<br />

Nun bezieht sich nach gemeinem Recht die Befreiung des Schuldners<br />

durch kasuelle Unmöglichkeit aber nur auf das eigentliche Objekt der Obligation;<br />

es kann sich ereignen, dass der Umstand, welcher die Leistung<br />

dieses eigentlichen Objektes (des ursprünglichen Vertragsgegenstandes)<br />

verunmöglicht, dem Schuldner gleichzeitig einen [S. 437] Ersatz für dasselbe<br />

verschafft, – ein stellvertretendes commodum –, und dann wird dieses<br />

an Stelle des ursprünglichen Leistungsgegenstandes von der Obligation<br />

erfasst, sodass dieselbe also nicht vollständig erlischt, sondern nur den<br />

Gegenstand ändert.<br />

So wird der Depositar, welcher aus verzeihlichem Irrtum die bei ihm deponierte<br />

Sache verkauft hat, wegen Unmöglichkeit von der Rückgabepflicht<br />

zwar befreit, dafür hat er jedoch dem Gläubiger den erlangten Kaufpreis<br />

herauszugeben; und wenn etwa ein <strong>Dr</strong>itter durch unerlaubte Handlung die<br />

Erfüllung der Obligation verunmöglicht hat, so gilt allgemein der Grundsatz,<br />

dass der frei gewordene Schuldner verpflichtet ist, dem Gläubiger nunmehr<br />

seine Schadenersatzansprüche abzutreten (vergl. F. MOMMSEN, Beiträge<br />

zum Obligationenrecht, Unmöglichkeit der Leistung, Seite 297; WIND-<br />

SCHEID, Band II § 264 Ziff. 2).<br />

Diesem Subrogationsprinzip des gemeinen Rechts hat sich das französische<br />

Recht in Art. 1303 CC angeschlossen, ebenso das deutsche BGB,<br />

welches in § 281 bestimmt: "Erlangt der Schuldner infolge des Umstandes,<br />

welcher die Leistung unmöglich macht, für den geschuldeten Gegenstand<br />

einen Ersatz, oder einen Ersatzanspruch, so kann der Gläubiger Herausgabe<br />

des als Ersatz Empfangenen, oder Abtretung des Ersatzanspruches<br />

verlangen."<br />

56 | 87


BGE 112 II 235 E. 4: b) Unter Berufung auf die Lehre macht die Klägerin<br />

geltend, der Gläubiger einer unmöglich gewordenen Leistung könne vom<br />

Schuldner, welcher in diesem Zusammenhang Ersatz erhalten habe (Surrogat,<br />

stellvertretendes Commodum), diesen Ersatzwert verlangen. Von ihr<br />

zu fordern, dass sie zuerst in einem besonderen Prozess die Abtretung<br />

verlangen müsste, verkenne materiellrechtliche und prozessuale Grundsätze<br />

und sei prozessökonomisch [S. 239] unsinnig. Die Beklagte tritt auf<br />

diese Argumentation nicht ein, sondern hält lediglich daran fest, dass sie<br />

den Unterpachtvertrag nicht verletzt habe und daher nicht ersatzpflichtig<br />

sei.<br />

c) Die Klägerin kann sich für ihre Ansicht auf eine alte Rechtsprechung des<br />

Bundesgerichts stützen. Danach hat Art. 119 OR zwar den gemeinrechtlichen<br />

Anspruch auf das stellvertretende Commodum nicht ausdrücklich übernommen;<br />

doch ergibt er sich aus dem Sinn der Vorschrift. Wenn diese<br />

als Folge der Leistungsunmöglichkeit die Forderung erlöschen lässt, will<br />

sie den Schuldner vor den nachteiligen Folgen weiterer Gebundenheit<br />

schützen. Bringt der die Unmöglichkeit herbeiführende Umstand dem<br />

Schuldner dagegen Vorteile in Gestalt eines Ersatzes oder Ersatzanspruchs<br />

für den weggefallenen Leistungsgegenstand, so liegt eine Befreiung<br />

nur dann im Sinn von Art. 119 OR, wenn der Schuldner die erlangte<br />

Ersatzleistung an den Gläubiger herausgibt (BGE 51 II 175 E. 3: Anspruch<br />

auf die Versicherungssumme bei Zerstörung des Kaufobjekts durch Brand;<br />

43 II 233 E. 5: Anspruch auf die von den Militärbehörden ausgerichtete<br />

Vergütung bei Beschlagnahmung des Kaufobjekts; ebenso BGE 46 II 436<br />

E. 2, wo aber ein Anspruch auf den Gewinn des Verkäufers infolge anderweitiger<br />

Veräusserung des freigewordenen Kaufobjekts verneint wurde).<br />

Die in der Berufung zitierte Lehre hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen<br />

(insbesondere OSER/SCHÖNENBERGER, N. 14 zu Art. 119<br />

OR, VON TUHR/ESCHER, Allg. Teil OR, Bd. II, S. 131 f., GUHL/MERZ/<br />

KUMMER, S. 276, ENGEL, Traité des obligations en droit suisse, S. 526 f.,<br />

BUCHER, OR, Allg. Teil, S. 419 f., KE<strong>LL</strong>ER/SCHÖBI, Das Schweizerische<br />

Schuldrecht, Bd. IV, S. 187 f.).<br />

Der geschilderte Grundsatz gilt nicht nur, wenn der Schuldner die Ersatzleistung<br />

bereits erhalten, sondern auch wenn er auf eine solche erst Anspruch<br />

hat, namentlich auch im Fall eines Schadenersatzsanspruchs gegen<br />

den <strong>Dr</strong>itten bei Zerstörung oder Beschädigung der Sache durch unerlaubte<br />

Handlung (BGE 46 II 437 E. 2; VON TUHR/ESCHER, S. 132, ENGEL, S.<br />

526, GUHL/MERZ/KUMMER, S. 276). Dabei wird angenommen, dass der<br />

Gläubiger vom Schuldner die Abtretung des Ersatzanspruchs verlangen<br />

könne (VON TUHR/ESCHER, S. 131, ENGEL, S. 526, BUCHER, S. 419<br />

Anm. 23). Entsprechend sieht § 281 BGB ebenfalls vor, dass der Gläubiger<br />

Herausgabe des als Ersatz Empfangenen oder Abtretung des Ersatzanspruchs<br />

verlangen kann. In diesem Sinn wurde in BGE 51 II 171 ff. die Abtretung<br />

eines Versicherungsanspruchs verlangt und [S. 240] im Urteil angeordnet<br />

(während in BGE 36 II 185 E. 3 eine Abtretungsofferte aus andern<br />

Gründen ungenügend blieb).<br />

57 | 87


§ 18 Nichterfüllung der noch möglichen Leistung [N 1625–1640]<br />

I. Tatbestand – Anwendungsfälle:<br />

1. Ausbleiben der geschuldeten (noch möglichen) Stückschuld<br />

2. Ausbleiben der geschuldeten (noch möglichen) begrenzten Gattungsschuld<br />

3. Ausbleiben der geschuldeten (noch möglichen) Gattungsschuld<br />

4. Leistung eines andern als des geschuldeten Leistungsgegenstandes (sog.<br />

Aliud-Lieferung)<br />

BGE 121 III 453 E. 4: a) Die Regelung der Sachgewährleistung in den Art.<br />

197-210 OR bezieht sich auf Mängel der Kaufsache (vgl. Marginalie zu Art.<br />

197 OR). Da der Begriff der Kaufsache in den Art. 197 ff. OR nicht speziell<br />

definiert wird, ist die allgemeine Umschreibung des Kaufgegenstandes<br />

gemäss Art. 184 Abs. 1 OR massgebend. Diese versteht unter dem Kaufgegenstand<br />

die geschuldete Sache (frz. la chose vendue, it. l'oggetto venduto).<br />

Da beim Stückkauf eine vertraglich individualisierte Sache geschuldet<br />

wird, stellt diese auch dann die Kaufsache dar, wenn ihr wesentliche<br />

vereinbarte Merkmale fehlen (BGE 82 II 411 E. 3b S. 416; GIGER, <strong>Bern</strong>er<br />

Kommentar, N 46 der Vorbemerkungen zu Art. 197-210 OR; HONSE<strong>LL</strong>,<br />

a.a.O., S. 99). Beim Gattungskauf wird dagegen [S. 456] bloss eine der<br />

Gattung nach bestimmte Sache geschuldet, weshalb eine gelieferte Sache<br />

bei dieser Art des Kaufes nur dann der Kaufsache entspricht, wenn sie die<br />

vereinbarten Gattungsmerkmale aufweist (Art. 71 Abs. 1 OR). Es stellt sich<br />

daher die Frage, welcher Begriff der Gattung massgebend sei. Das Bundesgericht<br />

ist anfänglich von einem abstrakten, objektiven Gattungsbegriff<br />

ausgegangen, der dem Wesen der Sache entspricht (BGE 22 566 E. 3 S.<br />

571 f.; vgl. auch BGE 20 960 E. 6 S. 976), hat diesen dann insoweit eingeschränkt,<br />

als es die Verkehrsauffassung und den im Einzelfall vereinbarten<br />

Verwendungszweck berücksichtigte (BGE 69 II 97 E. 2 S. 100 f.) und ist<br />

schliesslich zu einem relativen Gattungsbegriff übergegangen, welcher<br />

sich nach der konkreten Umschreibung des Kaufgegenstandes durch die<br />

Parteien richtet (BGE 94 II 26 E. 2a S. 30; vgl. auch schon BGE 40 II 480<br />

E. 3b S. 488). In der Lehre wird grundsätzlich ebenfalls von einem relativen<br />

Gattungsbegriff ausgegangen (KE<strong>LL</strong>ER/SIEHR, Kaufrecht, 3. Auflage<br />

1995, S. 30; SCHÖNLE, Zürcher Kommentar, N 82 zu Art. 185 OR;<br />

SCHRANER, Zürcher Kommentar, N 13 zu Art. 71 OR; WEBER, <strong>Bern</strong>er<br />

Kommentar, N 85 f. zu Art. 71 OR; vgl. ferner CAVIN, a.a.O., S. 122; VON<br />

TUHR/ESCHER, Allgemeiner Teil des Schweizerischen Obligationenrechts,<br />

Bd. II, S. 98 Fn. 32g). Zum Teil wird in der Literatur aber auch die<br />

Auffassung vertreten, bei der Definition der geschuldeten Gattung sei in<br />

erster Linie das Wesen oder die Natur der Sache gemäss der Verkehrsauffassung<br />

und dem Verwendungszweck massgebend, wobei es im Ergebnis<br />

gerechtfertigt sei, ein aliud erst dann anzunehmen, wenn die gelieferte Sache<br />

"krass", "ganz erheblich" oder "ganz offensichtlich" von der vertraglich<br />

umschriebenen Sache abweiche (HONSE<strong>LL</strong>, a.a.O., S. 100; derselbe, in:<br />

Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, N 2 zu Art. 206 OR; WE-<br />

BER, <strong>Bern</strong>er Kommentar, N 91 f. zu Art. 71 OR; GIGER, <strong>Bern</strong>er Kommentar,<br />

N 44 und 50 der Vorbemerkungen zu Art. 197-210 OR; vgl. auch CA-<br />

VIN, a.a.O., S. 125; SCHRANER, Zürcher Kommentar, N 60 f. zu Art. 71<br />

OR; OSER/SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar, N 14 zu Art. 197<br />

OR). Ein abstrakter Gattungsbegriff ist aber abzulehnen, weil die Parteien<br />

den Kaufgegenstand autonom bestimmen und daher je nach der Wichtigkeit,<br />

die sie gewissen Spezifikationen beimessen, mehr oder weniger ge-<br />

58 | 87


nau präzisieren können, welche Merkmale die zu liefernde Sache aufweisen<br />

muss (BGE 94 II 26 E. 2a s. 30). Ein allgemeiner Begriff der Gattung<br />

ist zudem kaum justitiabel, zumal er ganz unterschiedlich eng oder weit gefasst<br />

werden kann (vgl. HONSE<strong>LL</strong>, Schweizerisches Obligationenrecht,<br />

Allgemeiner Teil, 3. Auflage, S. 99). [S. 457] Aus diesen Gründen ist an einem<br />

relativen Gattungsbegriff festzuhalten, welcher sich nach der Umschreibung<br />

der geschuldeten Sache im Kaufvertrag richtet, wobei dieser -<br />

wenn ein tatsächlicher übereinstimmender Parteiwille nicht feststeht - nach<br />

dem Vertrauensprinzip auszulegen ist (SCHÖNLE, Zürcher Kommentar, N<br />

82 zu Art. 185 OR). Demgemäss stellt jede gelieferte Sache, welche nicht<br />

alle von den Parteien vereinbarten Gattungsmerkmale aufweist, nicht die<br />

geschuldete, sondern eine andere Sache, ein aliud, dar. Dies ist zum Beispiel<br />

dann der Fall, wenn ein geliefertes Automobil anstatt des vertraglich<br />

vorgesehenen Automatikgetriebes eine gewöhnliche Schaltung aufweist<br />

(BGE 94 II 26 E. 2a S. 30; ebenso für das deutsche Recht: REIN-<br />

KING/EGGERT, Der Autokauf, Düsseldorf, 5. Auflage, S. 128 Rz. 412 unter<br />

Hinweis auf ein Urteil des OLG Hamburg vom 22. September 1987)<br />

oder nicht dem ausdrücklich vereinbarten Modell entspricht (BGE 94 II 26<br />

E. 2a S. 30; SCHRANER, Zürcher Kommentar, N 13 zu Art. 71 OR). Keine<br />

andere, sondern eine mangelhafte Kaufsache (peius) liegt beim Gattungskauf<br />

hingegen dann vor, wenn die gelieferte Sache zwar der geschuldeten<br />

Gattung zugehört (Art. 71 Abs. 1 OR), nicht aber die vereinbarte oder gesetzlich<br />

vorgeschriebene Qualität aufweist (Art. 71 Abs. 2 OR; BGE 40 II<br />

480 E. 3b S. 488 f., 69 II 97 E. 2 S. 100; SCHRANER, Zürcher Kommentar,<br />

N 60 zu Art. 71 OR; GIGER, <strong>Bern</strong>er Kommentar, N 42 und 44 ff. der Vorbemerkungen<br />

zu Art. 197-210 OR; SCHÖNLE, Zürcher Kommentar, N 82<br />

zu Art. 185 OR; vgl. auch KE<strong>LL</strong>ER/SIEHR, Kaufrecht, 3. Auflage 1995, S.<br />

29 f.). So ist zum Beispiel ein vertragskonform spezifiziertes Automobil<br />

mangelhaft, wenn sein Motor stottert oder seine Karosserie durchgerostet<br />

ist.<br />

Das Bundesgericht hat in einem obiter dictum in BGE 94 II 26 E. 4 S. 34 f.<br />

erkannt, beim Gattungskauf könne ein Käufer, dem eine Sache anderer<br />

Gattung geliefert wurde, nicht nur gemäss den allgemeinen Verzugsregeln,<br />

sondern auch gestützt auf Art. 206 OR vom Vertrag zurücktreten, weil diese<br />

Bestimmung von einem weiten Mangelbegriff ausgehe. Ein Teil der Lehre<br />

betrachtet eine solche alternative Anwendung der Sachgewährleistungsregeln<br />

bei der Lieferung eines aliud dann als wünschbar, wenn die konkrete<br />

Abgrenzung zur Schlechtlieferung im Einzelfall Schwierigkeiten bereite<br />

(SCHRANER, Zürcher Kommentar, N 62 zu Art. 71 OR; GIGER, <strong>Bern</strong>er<br />

Kommentar, N 49 der Vorbemerkungen zu Art. 197-210 OR; WEBER, <strong>Bern</strong>er<br />

Kommentar, N 91 zu Art. 71 OR). In der Literatur wird auch die Meinung<br />

vertreten, die Lieferung eines aliud solle beim Gattungskauf ausschliesslich<br />

nach der [S. 458] Regelung der Sachgewährleistung beurteilt<br />

werden, weil damit schwierige Abgrenzungsfragen und die Umgehung der<br />

kurzen Fristen des Sachgewährleistungsrechts vermieden werden könnten<br />

(HANS-PETER KATZ, Sachmängel beim Kauf von Kunstgegenständen<br />

und Antiquitäten, Diss. Zürich 1973, S. 96; MARKUS NEUENSCHWAN-<br />

DER, Die Schlechterfüllung im schweizerischen Vertragsrecht, Diss. <strong>Bern</strong><br />

1971, S. 24; ALFRED SCHUBIGER, Verhältnis der Sachgewährleistung zu<br />

den Folgen der Nichterfüllung oder nicht gehörigen Erfüllung, Diss. <strong>Bern</strong><br />

1957, S. 122 ff.; vgl. auch GUHL/MERZ/KO<strong>LL</strong>ER, a.a.O., S. 364 und RO-<br />

BERTO CYPRIAN, Die Aliud-Lieferung im schweizerischen Kaufvertragsrecht,<br />

Diss. St. Gallen 1981, S. 67 f. und S. 121 f.). Diese Auffassungen<br />

sind aber abzulehnen, weil sich die Regelung der Sachgewährleistung gemäss<br />

der Marginalie zu Art. 197 OR auf die Kaufsache bezieht und beim<br />

Gattungskauf nur dann eine Kaufsache geliefert wird, wenn diese der vereinbarten<br />

Gattung entspricht. Dies wird dadurch bestätigt, dass Art. 206<br />

OR, welcher gemäss seiner systematischen Stellung im Gesetz die besonderen<br />

gewährleistungsrechtlichen Folgen der Lieferung einer mangelhaften<br />

Sache beim Gattungskauf regelt (vgl. CAVIN, a.a.O., S. 123 f.; derselbe,<br />

Considérations sur la garantie en raison des défauts de la chose vendue,<br />

SJ 91/1969, S. 329 ff., S. 339 f.), nur einen Anspruch auf Nachlieferung<br />

59 | 87


II. Rechtsfolgen<br />

anderer währhafter Ware "derselben" Gattung vorsieht und damit voraussetzt,<br />

dass eine Sache der vereinbarten Gattung geliefert wurde. Die herrschende<br />

Lehre geht somit zu Recht davon aus, die Lieferung eines aliud<br />

stelle keinen Tatbestand der Sachgewährleistung, sondern eine Nichterfüllung<br />

dar, welche sich ausschliesslich nach den Bestimmungen über den<br />

Schuldnerverzug beurteile (SCHÖNLE, Zürcher Kommentar, N 82 zu Art.<br />

185 OR; HONSE<strong>LL</strong>, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, N 3<br />

zu Art. 206 OR; derselbe, Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer<br />

Teil, 3. Auflage, S. 100 f.; GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht,<br />

Allgemeiner Teil, 5. Auflage, Bd. II, S. 194 Rz. 3178; BUCHER,<br />

Schweizerisches Obligationenrecht, Besonderer Teil, 3. Auflage 1988, S.<br />

118 f.; GAUCH, der Werkvertrag, 3. Auflage, S. 279 Rz. 978; grundsätzlich<br />

ebenso: GIGER, <strong>Bern</strong>er Kommentar, N 42 der Vorbemerkungen zu Art.<br />

197-210 OR; WEBER, <strong>Bern</strong>er Kommentar, N 85 zu Art. 71 OR; SCHRA-<br />

NER, Zürcher Kommentar, N 61 zu Art. 71 OR). Ein Käufer, der ein aliud<br />

erhalten hat, kann demnach – wenn die Erfüllung noch möglich ist – nur<br />

nach den Verzugsregeln vom Vertrag zurücktreten, was grundsätzlich die<br />

erfolglose [S. 459] Ansetzung einer angemessenen Frist zur nachträglichen<br />

Erfüllung voraussetzt (Art. 107 f. OR).<br />

b) Im vorliegenden Kaufvertrag haben die Parteien ausdrücklich vorgesehen,<br />

der zu liefernde Hubstapler müsse einen Wandler, d.h. ein Automatikgetriebe,<br />

aufweisen. Diese Spezifikation stellt keine blosse Qualitätsangabe,<br />

sondern ein gattungsbestimmendes Merkmal dar. Die Vorinstanz hat<br />

daher zu Recht angenommen, der Kläger habe mit dem ersten Hubstapler,<br />

welcher anstatt eines Automatik- ein Handschaltgetriebe aufwies, ein aliud<br />

geliefert. Diese Lieferung bildete somit keine Schlecht- sondern eine Nichterfüllung,<br />

weshalb sich die Frage, ob der vom Beklagten am 21. November<br />

1991 erklärte Vertragsrücktritt zulässig war, nach den Verzugsregeln beurteilt.<br />

Recht des Gläubigers, nach den Verzugsregeln vorzugehen (vgl. § 20)<br />

§ 19 Nicht gehörige Erfüllung [N 1732–1760]<br />

I. Tatbestand<br />

Mangelhafte Erfüllung (d.h. mangelhafte Erbringung der Leistung) in qualitativer,<br />

quantitativer oder örtlicher Hinsicht (sog. „positive Vertragsverletzungen“)<br />

BGE 53 II 233 E. 3: Bei dieser Obsorge hat er insoweit mitzuwirken, als er<br />

einerseits die Beklagte sofort auf allfällige Erscheinungen in seiner Installation<br />

aufmerksam machen und anderseits das notwendige Einschreiten des<br />

Werkes auf seine Kosten dulden muss; unter diesem Vorbehalt aber ist die<br />

Beklagte vertraglich verpflichtet, ihrerseits das Erforderliche rechtzeitig und<br />

kunstgerecht vorzunehmen. Erweisen sich die ihr obliegenden Vorkehren<br />

in dem einen oder andern der genannten Punkte als ungenügend oder fehlerhaft,<br />

so hat sie dem Kläger wegen Nichterfüllung, bezw. nicht gehöriger<br />

Erfüllung des Vertrages gemäss Art. 97 ff. OR Schadenersatz zu leisten,<br />

und zwar auch für den durch fehlerhafte Erfüllung verursachten Schaden<br />

(vgl. VON TUHR, OR S. 504 f.; BGE 41 II 736, Erw. 3). Wie bei Unmöglichkeit<br />

der Erfüllung kann sie sich nur durch den Nachweis befreien, dass<br />

ihr keinerlei Verschulden zur Last falle.<br />

60 | 87


II. Rechtsfolgen<br />

Schadenersatz wegen nicht gehörig bewirkter Erfüllung (OR 97).<br />

Evtl. weitere Rechtsbehelfe, z.B. Rücktritt oder Nachbesserung.<br />

§ 20 Schuldnerverzug [N 1641–1731]<br />

I. Tatbestand<br />

Ausbleiben der noch möglichen Leistung des Schuldners innert vorgesehener Frist<br />

oder zum vorgesehenen Termin.<br />

II. Eintritt des Verzugs durch Mahnung oder Verfalltag<br />

III. Rechtsfolgen des Verzugs<br />

1. Bei Sachleistungen<br />

Haftung des Schuldners gemäss OR 103<br />

(i) für den Verspätungsschaden; und<br />

(ii) für den allfälligen zufälligen Untergang des Leistungsgegenstandes<br />

2. Bei Geldschulden<br />

BGE 123 III 241 E. 4: b) Der gesetzlichen Verzugsregelung bei Geldschulden<br />

gemäss Art. 104 ff. OR liegt der Gedanke zugrunde, dass einerseits<br />

dem Gläubiger ein Schaden entsteht, wenn er den Betrag nicht zins- oder<br />

gewinnbringend nutzen kann, und anderseits der säumige Schuldner den<br />

Vorteil hat, über die fragliche Summe verfügen zu können bzw. Kreditkosten<br />

zu sparen (BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner<br />

Teil, 2. Aufl., Zürich 1988, S. 361 f.; FRANZ SCHENKER, Die Voraussetzungen<br />

und die Folgen des Schuldnerverzugs im schweizerischen Obligationenrecht,<br />

Diss. Fribourg 1987, S. 128 f.). Art. 104 Abs. 1 OR ermöglicht<br />

deshalb dem Gläubiger, ohne Nachweis eines Schadens und unabhängig<br />

von einem allfälligen Verschulden des Schuldners Verzugszinse von 5% zu<br />

fordern; gemäss Absatz 2 und 3 dieser Norm werden entsprechend höhere<br />

Verzugszinse geschuldet, wenn der zwischen den Parteien vereinbarte<br />

Zins oder der übliche Bankdiskonto am Zahlungsort 5% übersteigt. Bestand<br />

und Höhe des Gläubigerschadens werden in diesem Umfang fingiert;<br />

es ist unerheblich, ob der Gläubiger den ausstehenden Betrag tatsächlich<br />

genutzt oder der Schuldner seinerseits während des Verzugs Nutzen daraus<br />

gezogen hätte (SCHENKER, a.a.O., S. 130). Übersteigt der vom<br />

Gläubiger erlittene Verspätungsschaden dagegen die Höhe der gesetzlich<br />

geschuldeten Verzugszinse, ist der Schuldner gemäss Art. 106 OR zum<br />

Ersatz auch dieses Schadens verpflichtet, sofern er nicht beweist, dass<br />

ihm keinerlei Verschulden zur Last falle.<br />

61 | 87


IV. Rechtsbehelfe des Gläubigers bei Verzug<br />

BGE 123 III 21 E. 4: Befindet sich ein Schuldner bei zweiseitigen Verträgen<br />

im Verzug, ist der Gläubiger berechtigt, ihm eine angemessene Frist<br />

zur nachträglichen Erfüllung anzusetzen oder durch die zuständige Behörde<br />

ansetzen zu lassen (Art. 107 Abs. 1 OR). Wird auch bis zum Ablauf dieser<br />

Frist nicht erfüllt, hat der Gläubiger die Wahl, entweder immer noch Erfüllung<br />

- sowie Verspätungsschaden - zu verlangen oder, wenn er es unverzüglich<br />

erklärt, auf die nachträgliche Leistung zu verzichten. Verzichtet<br />

er auf nachträgliche Leistung, kann er entweder Schadenersatz wegen<br />

Nichterfüllung verlangen oder vom Vertrag zurücktreten (Art. 107 Abs. 2<br />

OR).<br />

a) Die Vorinstanz bejaht den Schuldnerverzug der Beklagten. Sie hält in<br />

diesem Zusammenhang fest, dass Verzug bei der Gegenleistung auch<br />

nach dem rechtskräftigen Urteil über die Preiszahlung eintreten kann, was<br />

die Beklagten zu Recht nicht als bundesrechtswidrig rügen. Die Beklagten<br />

bestreiten zwar den Zeitpunkt der Fälligkeit ihrer Leistung, stellen aber<br />

nicht in Abrede, dass die Leistung jedenfalls seit dem rechtskräftigen Urteil<br />

über die Zahlungspflicht des Klägers längst fällig war. Den Ausführungen<br />

der Beklagten ist im übrigen nicht zu entnehmen, ob und inwiefern sie die<br />

Voraussetzungen des Schuldnerverzugs bestreiten wollen. Zwar trifft zu,<br />

dass der Kläger rechtskräftig zur Zahlung verurteilt war, sich seinerseits<br />

daher nicht mehr auf eine allfällige vertragliche Vorleistungspflicht der Beklagten<br />

berufen konnte und dass die Beklagten ihre Forderung auf dem<br />

Betreibungsweg vollstrecken konnten und auch vollstreckt haben. Mit ihrer<br />

Ansicht, dass sie vor der vollständigen Bezahlung des Preises durch den<br />

Kläger am 20. Juni 1994 mit ihrer eigenen Leistung gar nicht in Verzug hätten<br />

geraten können, verkennen die Beklagten jedoch, dass der Kläger, als<br />

er von ihnen Erfüllung forderte, nach den Feststellungen im angefochtenen<br />

Urteil jeweils seine eigene Leistung angeboten hat und [S. 22] dass in Art.<br />

82 OR das gehörige Angebot der Erfüllung gleichgestellt wird. Dass der<br />

Kläger die Beklagten im Sinne von Art. 102 Abs. 1 OR zur Erfüllung gemahnt<br />

hat, ist im übrigen nicht bestritten. Die Beklagten leiten denn auch<br />

aus ihrer Behauptung, der Schuldnerverzug habe frühestens nach vollständiger<br />

Bezahlung ihrer eigenen Forderung eintreten können, rechtlich<br />

nichts ab, sondern stellen sich im Gegenteil auf den Standpunkt, der Kläger<br />

habe die Wahlmöglichkeiten des Art. 107 Abs. 2 OR schon am 26. November<br />

1993 und nicht erst im Juni 1994 ausgeübt.<br />

b) Entscheidet sich der Gläubiger mit dem Verzicht auf die nachträgliche<br />

Leistung für Schadenersatz aus Nichterfüllung, so hat der Schuldner ihm<br />

den Wert der Leistung zu ersetzen, auf die der Gläubiger verzichtet hat,<br />

während dieser grundsätzlich zur Erbringung seiner eigenen Leistung verpflichtet<br />

bleibt (VON TUHR/ESCHER, a.a.O., S. 154 f.; GAUCH/SCHLUEP,<br />

a.a.O., N. 3052 ff.; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner<br />

Teil, 2. Aufl. Zürich 1988, S. 379 f.). Der Gläubiger hat Anspruch<br />

auf Ersatz des sogenannten positiven oder Erfüllungs-Interesses; er ist<br />

vermögensmässig so zu stellen, wie wenn der Vertrag ordnungsgemäss<br />

erfüllt worden wäre (WIEGAND, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht,<br />

Basel, N. 17 zu Art. 107 OR; vgl. auch BGE 120 II 296 E. 3b S.<br />

299). Der Vertragsrücktritt begründet dagegen ein Rückabwicklungs- oder<br />

Liquidationsverhältnis, in dessen Rahmen bereits erbrachte Leistungen in<br />

natura oder wertmässig zurückzuerstatten sind (BGE 111 II 157), so dass<br />

die Parteien nach Möglichkeit vermögensmässig so gestellt werden, wie<br />

wenn sie den Vertrag nie geschlossen hätten.<br />

Umstritten ist, ob der Gläubiger mit der Verzichtserklärung gleichzeitig seine<br />

Entscheidung zugunsten des Schadenersatzes wegen Nichterfüllung<br />

oder des Vertragsrücktritts bekanntgeben muss (GAUCH/SCHLUEP,<br />

a.a.O. N. 3050 f.; WIEGAND, a.a.O., N. 15 zu Art. 107 OR). Fest steht hingegen,<br />

dass die einmal getroffene Wahl als Ausübung eines Gestaltungs-<br />

62 | 87


echts ebenso unwiderruflich ist wie der Verzicht auf die Leistung (VON<br />

TUHR/ESCHER, a.a.O., S. 153 f.; BUCHER, a.a.O., S. 373). Für die Auslegung<br />

der Wahlerklärung ist der Vertrauensgrundsatz massgebend, sofern<br />

nicht festgestellt ist, dass die Parteien sie übereinstimmend im einen<br />

oder im anderen Sinne gemeint und verstanden haben. Die Erklärung ist<br />

daher so auszulegen, wie sie der Schuldner nach den gesamten Umständen<br />

in guten Treuen verstehen durfte und musste (WIEGAND, a.a.O., N.<br />

15 zu Art. 107 OR; BUCHER, a.a.O., S. 373 f.; vgl. auch BGE 76 II 300 E.<br />

3 S. 306; 54 II 308 S. 313).<br />

BGE 90 II 285 E. 3: Nach dem auf den Kreditkauf mit Vorbehalt des Rücktrittsrechtes<br />

anwendbaren Art. 109 Abs. 1 OR ist der Kläger befugt, das<br />

Geleistete zurückzufordern, hier also die Rückgabe der gelieferten Maschinen<br />

zu verlangen.<br />

Nach Art. 109 Abs. 2 OR hat er überdies Anspruch auf Ersatz des aus dem<br />

Dahinfallen des Vertrages erwachsenen Schadens, sofern der Schuldner<br />

nicht nachweist, dass ihm keinerlei Verschulden zur Last falle. Den Nachweis,<br />

dass sie am Verzug in der Zahlung des Kaufpreises kein Verschulden<br />

treffe, vermögen die Beklagten nicht zu erbringen. Sie haben zu Unrecht<br />

ihre Zahlungspflicht aus den Kaufverträgen bestritten, die Weber in<br />

ihrem Auftrag und als ihr Stellvertreter mit dem Kläger abschloss.<br />

Unter dem Schaden aus dem Dahinfallen des Vertrages ist nach Rechtsprechung<br />

und Lehre das negative Interesse zu verstehen (BGE 61 II 256<br />

und dort erwähnte Literatur). Danach hat der Kläger Anspruch auf die Herstellung<br />

derjenigen Vermögenslage, in der er sich befände, wenn er die<br />

Kaufverträge mit den Beklagten nicht abgeschlossen hätte. Dem Kläger<br />

steht deshalb ein Entschädigungsanspruch dafür zu, dass die Beklagten<br />

seit Ende April 1960 die Maschinen benutzt und diese infolgedessen eine<br />

Wertverminderung erlitten haben. Der Kläger fordert unter diesem Gesichtspunkt<br />

eine Entschädigung von Fr. 249.90 pro Monat. Da die Vorinstanz<br />

sich zu diesem Punkte nicht ausgesprochen hat, ist die Sache zur<br />

Entscheidung darüber an sie zurückzuweisen.<br />

BGE 114 II 152 E. 2: […] Die Art. 107 bis 109 OR befassen sich mit den<br />

besondern Folgen des Schuldnerverzuges bei zweiseitigen Verträgen,<br />

schweigen sich über die Verjährung der Ansprüche, die sich im Falle eines<br />

Rücktritts vom Vertrag ergeben, aber aus. Schon nach diesen Grundgedanken<br />

und Wertungen des Gesetzes liegt es nahe, alle Ansprüche aus<br />

Art. 109 [S. 157] OR der allgemeinen Verjährung zu unterstellen und sie<br />

dabei wie vertragliche zu behandeln.<br />

Letzteres lässt ein lange Zeit vorherrschender Teil der Lehre indes nicht für<br />

den Rückerstattungsanspruch gelten, weil der Vertrag durch den Rücktritt<br />

ex tunc dahinfalle, es folglich so zu halten sei, wie wenn er nie geschlossen<br />

worden wäre; die Rückforderung des Geleisteten erweise sich daher<br />

als Bereicherungsanspruch (OSER/SCHÖNENBERGER, N. 4 zu Art. 109<br />

OR; GUHL/MERZ/KUMMER, S. 198 und 272/73; VON TUHR/SIEGWART,<br />

S. 598; VON TUHR/ESCHER, S. 156). Andere Autoren finden, mit dem<br />

Rücktritt entfalle auch der Erwerbsgrund für allfällige Eigentumsübertragungen,<br />

weshalb von einem dinglichen Rückerstattungsanspruch gesprochen<br />

werden könne (KE<strong>LL</strong>ER/SCHÖBI, S. 278; KE<strong>LL</strong>ER/SCHAUFEL-<br />

BERGER, S. 10 f. mit Verweisungen). Eine neuere Lehrmeinung, die sich<br />

auch in Deutschland durchsetzt, geht dagegen davon aus, dass der Rücktritt<br />

bloss zu einer inhaltlichen Umgestaltung des Vertrages führt, der zunächst<br />

samt den Pflichten, das Erhaltene entweder in natura oder wertmässig<br />

zurückzuerstatten, als Abwicklungs- oder Liquidationsverhältnis<br />

fortbesteht; nach ihr handelt es sich dabei weder um Pflichten aus ungerechtfertigter<br />

Bereicherung noch um sachenrechtliche Herausgabepflichten,<br />

sondern um solche vertraglicher Natur, mit deren Erfüllung der vorvertragliche<br />

Zustand wiederhergestellt werde (GAUCH/SCHLUEP, N. 1187 ff.<br />

mit Hinweisen, insbesondere auf BUCHER S. 337 f. und WOLF, Lehrbuch<br />

63 | 87


des Schuldrechts I S. 315 ff.; ferner PIOTET, La restitution après résolution<br />

du contrat, in Baurecht 1984 S. 12).<br />

Diese Auffassung entspricht dem Ergebnis bisheriger Rechtsprechung, die<br />

in einem Punkt wohl als widersprüchlich bemängelt, im übrigen aber mit<br />

überzeugenden Überlegungen gebilligt wird. Dies gilt vor allem für die ergänzenden<br />

Ausführungen zur Annahme eines vertraglichen Anspruchs auf<br />

Rückerstattung des Geleisteten. Die neuere Lehre verdient schon deshalb<br />

den Vorzug. Sie ist auch sachlich gerechtfertigt, weil sie ohne Fiktion einer<br />

Rückwirkung auskommt und die Auseinandersetzung zwischen den Vertragsschliessenden<br />

erleichtert, ihnen insbesondere die Möglichkeit verschafft,<br />

den Schadenersatz- und den Rückerstattungsanspruch nach den<br />

gleichen Grundsätzen zu behandeln (W. WIEGAND, Die Leistungsstörungen,<br />

in recht 1984 S. 13 ff.). Die Tatsache, dass ein Vertrag geschlossen<br />

und vom Schuldner nicht erfüllt worden ist, kann so oder anders nicht als<br />

ungeschehen bezeichnet werden. Es ist daher nicht abwegig, dass der<br />

Gesetzgeber die Wirkungen des [S. 158] Rücktritts nicht so gestaltet hat,<br />

als ob nie ein Vertrag geschlossen worden wäre. Dass durch den Rücktritt<br />

nicht sämtliche Wirkungen beseitigt werden, dem Vertrag vielmehr noch<br />

nachher bestimmte Wirkungen zuzuerkennen sind, erhellt insbesondere<br />

aus dem Rücktritt ex nunc bei Dauerverträgen und dem Teilrücktritt bei<br />

Sukzessivlieferungsverträgen (P. LEMP, Schadenersatz wegen Nichterfüllung<br />

als Folge des Schuldnerverzuges, Diss. <strong>Bern</strong> 1939, S. 53 und 64).<br />

bb) Entgegen BGE 60 II 28 lässt sich allerdings nicht sagen, eine bereits<br />

erbrachte Leistung erscheine nach dem Rücktritt als grundlos im Sinne von<br />

Art. 62 Abs. 2 OR; richtig ist vielmehr, dass durch den Rücktritt obligatorische<br />

Rückleistungspflichten begründet werden, welche die Rückabwicklung<br />

des Vertrages durch Erfüllung Zug um Zug erst ermöglichen. Der<br />

Wortlaut von Art. 109 Abs. 2 OR steht dem nicht entgegen. Die Annahme,<br />

der Vertrag werde rückwirkend aufgehoben, erweist sich auch diesfalls als<br />

Fiktion; denn ein Vertrag, der nicht besteht, kann weder verletzt sein noch<br />

einen Anspruch auf Ersatz des negativen Vertragsinteresses erzeugen<br />

(GAUCH/SCHLUEP, N. 1187 und 1188a). Dass diese Ersatzforderung<br />

gemäss Art. 127 OR in zehn Jahren verjährt, weil sie nicht auf unerlaubter<br />

Handlung oder ungerechtfertigter Bereicherung, sondern auf Verletzung<br />

einer vertraglichen Pflicht beruht, ist übrigens längst allgemein anerkannt<br />

(BGE 60 II 257 und 60 II 28) und vorliegend unbestritten.<br />

d) Ist in Übereinstimmung mit der neueren Lehre aber davon auszugehen,<br />

das Vertragsverhältnis werde bei Rücktritt wegen Schuldnerverzuges inhaltlich<br />

in ein Liquidationsverhältnis umgewandelt, also nicht schlechthin<br />

aufgehoben, so bleibt es auch dabei, dass beide Ansprüche aus Art. 109<br />

OR als vertragliche anzusehen sind und daher der allgemeinen Verjährungsvorschrift<br />

unterstehen. Nicht nur die Schadenersatzforderung, sondern<br />

auch der Anspruch auf Rückerstattung des Geleisteten ist mittelbar<br />

darauf zurückzuführen, dass der Schuldner den Vertrag nicht wie versprochen<br />

erfüllt und dadurch den Gläubiger zum Rücktritt veranlasst. Wieso sie<br />

verjährungsrechtlich verschieden behandelt werden sollten, ist daher nicht<br />

einzusehen.<br />

§ 21 Haftung des Schuldners für seine Erfüllungsgehilfen [N 1761–1778]<br />

I. Haftungsvoraussetzungen und Abgrenzung zu Art. 55 OR<br />

BGE 46 II 128: A. – Die Firma Geschwister Baur, Holzhandlung in Zürich,<br />

liess am 18. Juli 1917 beim Schmiedmeister J. Mack ein Pferd beschlagen.<br />

Da der Meister abwesend war, wurde die Arbeit durch den gelernten Arbeiter<br />

Emil Messmer vorgenommen. Schon am anderen tage begann das<br />

Pferd hinten rechts schwach zu laufen und am 30. Juli lahmte es an den-<br />

64 | 87


II. Umfang der Haftung<br />

selben Gliedmassen. Eine Untersuchung ergab, dass beim Beschlagen der<br />

Huf leicht vernagelt worden war: [...].<br />

[…]. Die Vorinstanz hat ein schuldhaftes, den Verlust des Pferdes herbeiführendes<br />

Handeln des Angestellten Emil Messmer angenommen und es<br />

frägt sich ob diese Verursachung gemäss Art. 101 ohne weiteres dazu führen<br />

müsse, den Beklagten [J. Mack] zum Ersatze des vollen Schadens zu<br />

verurteilen [S. 130], oder ob auf Art und Grösse des Verschuldens Rücksicht<br />

genommen werden könne. Zum vornherein ist die Annahme auszuschliessen,<br />

dass der Beklagte als Unternehmer, wie ein Geschäftsherr,<br />

nach Art. 55 OR sich damit entschuldigen könne, jede übliche Sorgfalt in<br />

der Wahl des Angestellten angewendet zu haben. Bei Erfüllung vertraglicher<br />

Pflichten hat der Dienstherr gemäss Art. 101 OR die Handlungen seines<br />

Hülfspersonals nach jeder Richtung hin zu vertreten: er haftet für diejenige<br />

Sachkenntnis und Sorgfalt seiner Angestellten, die man nach dem<br />

Vertragsverhältnis von ihm selbst zu erwarten berechtigt ist. Diese Auffassung<br />

gilt nicht bloss in dem Falle, wo der Schuldner ohne Wissen und Willen<br />

des Gläubigers sich der Hülfskräfte bedient, sondern auch dann, wenn<br />

er dies 'in befugter Weise' getan hat. Aus dem Tatbestande geht hervor,<br />

dass der Angestellte Messmer ein gelernter Hufschmied war, dass er also<br />

den gleichen Anforderungen entsprach, die man an den Beklagten stellen<br />

durfte. Die Vorinstanz legt mit einleuchtenden Erwägungen dem Messmer<br />

nur ein leichtes Verschulden zur Last. Der Beklagte haftet also nur hiefür,<br />

und wenn die Vorinstanz diesem Umstande und den mitspielenden Zufälligkeiten<br />

Rechnung tragend, in Anwendung von Art. 97 und 43 OR die Entschädigung<br />

auf 1300 Fr. zurückführt, so kann darin eine unrichtige Rechtsanwendung<br />

nicht gefunden werden.<br />

BGE 53 II 233: Regeste – Elektrizitätslieferungsvertrag: [...] Haftung des<br />

Elektrizitätswerkes nach Art. 97 ff. OR für den durch fehlerhafte Vertragserfüllung<br />

dem Strombezüger verursachten Schaden. [...] Schuldhaftes Verhalten<br />

einer Hilfsperson. [S. 240]<br />

[…]. Auch soweit sie [die beklagte Elektrizitätslieferantin] die Erfüllung ihrer<br />

vertraglichen Pflichten durch Hilfspersonen vornehmen lässt, haftet sie<br />

gemäss Art. 101 OR nicht nur, wenn das Hilfspersonal die ihm übertragene<br />

Erfüllung unmöglich macht oder verzögert, sondern auch dann, wenn es<br />

den Abonnenten durch unrichtige Erfüllung schädigt. Dabei hat sie für diejenige<br />

Sorgfalt und Sachkenntnis ihrer Angestellten einzustehen, die man<br />

nach dem Vertragsverhältnis von ihr selbst zu erwarten berechtigt ist. Nach<br />

der allgemeinen Regel des Art. 97 OR kann sie sich nur mit dem Nachweis<br />

der Schuldlosigkeit ihrer Hilfskräfte entlasten. Eine Exkulpation im Sinne<br />

des Art. 55 OR, die nach den Umständen gebotene Sorgfalt in der Auswahl,<br />

Instruktion und Beaufsichtigung derselben angewendet zu haben, ist<br />

ausgeschlossen (vgl. BGE 46 II 129 f.; VON TUHR, OR S. 524, 525 f.).<br />

BGE 130 III 591 E. 5.5.4: [...]. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung<br />

hat der Geschäftsherr [S. 605] allerdings für das Verhalten seiner<br />

Hilfsperson grundsätzlich dann nicht einzustehen, wenn ihm kein Verschulden<br />

angelastet werden könnte, sofern er selbst so gehandelt hätte<br />

(WIEGAND, Basler Kommentar, N. 14 zu Art. 101 OR): Wer sich einer<br />

Hilfsperson als Erfüllungs- oder Ausübungsgehilfe (...) bedient, haftet für<br />

Schäden, die auf deren Verhalten bei der Erfüllung zurückzuführen sind,<br />

nach Art. 101 OR, es sei denn, er beweise, dass die Hilfsperson bei ihren<br />

Verrichtungen die Sorgfalt walten liess, zu der er selber verpflichtet war<br />

(Grundsatz der hypothetischen Vorwerfbarkeit; ...).<br />

BGE 92 II 15 E. 4: Die Vorinstanz verneint eine Haftung der Beklagten [das<br />

Nervensanatorium Z.], weil das Verhalten des behandelnden [angestellten]<br />

Arztes mit anerkannten Grundsätzen einer seriösen medizinischen Be-<br />

65 | 87


handlung unvereinbar gewesen sei und darum mit dem der Beklagten erteilten<br />

Auftrag nichts mehr zu tun gehabt habe; der behandelnde Arzt habe<br />

vielmehr gerade das Gegenteil von dem getan, was angezeigt gewesen<br />

wäre, und habe in ihm erkennbarer Weise der von der Beklagten übernommenen<br />

Schuldpflicht zuwidergehandelt.<br />

Damit verkennt die Vorinstanz das Wesen der vom Gesetz vorgesehenen<br />

Haftung für Hilfspersonen von Grund auf. Entscheidend ist, wie oben dargelegt<br />

wurde, dass der behandelnde Arzt mit seinem Verhalten eine Vertragspflicht<br />

der Beklagten verletzte. Dass ihm dies erkennbar war und er<br />

damit zugleich eine zivilrechtlich unerlaubte und strafrechtliche verfolgbare<br />

Handlung beging, für die er auch persönlich einzustehen hat, befreit die<br />

Beklagte nicht von der Verantwortlichkeit für die Folgen der Vertragsverletzung.<br />

Die Auffassung der Vorinstanz hätte zur Folge, dass eine Haftung<br />

der Vertragspartei um so eher verneint werden müsste, je gröber deren<br />

Hilfsperson ihre Pflichten verletzt hätte. Damit würde im Endergebnis der<br />

Anwendungsbereich des Art. 101 OR auf jene Fälle beschränkt, in denen<br />

die Hilfsperson die dem Geschäftsherrn obliegenden Vertragspflichten, mit<br />

deren Verrichtung sie betraut worden ist, klaglos erfüllt. Art. 101 OR bezweckt<br />

aber gerade, den Geschäftsherrn auch für mangelhafte Erfüllungshandlungen<br />

und für unrichtige und schädliche Massnahmen der Hilfsperson<br />

haften zu lassen. Er hat daher nicht nur für den Schaden einzustehen,<br />

den die Hilfsperson dem Gläubiger durch mangelnde Sorgfalt in der Erfüllung<br />

der ihr übertragenen Verrichtungen verursacht, sondern er haftet auch<br />

für Schaden, der dadurch entsteht, dass die Hilfsperson den Rahmen der<br />

ihr erteilten Befugnisse überschreitet, ja sogar, wenn sie ausdrücklichen<br />

Weisungen des Geschäftsherrn zuwiderhandelt (BGE 90 II 20 lit. d, 85 II<br />

271) oder den Gläubiger durch bewusste Verletzung einer Vertragspflicht<br />

absichtlich schädigt und so die ihr übertragene Vertragserfüllung unmöglich<br />

macht (BECKER, Art. 101 OR N. 16; VON TUHR/SIEGWART, OR II S.<br />

567 f.; OFTINGER, op.cit. II/1 S. 146 f.).<br />

§ 22 Konventionalstrafe [N 1779–1806]<br />

BGE 122 III 420 E. 2: a) Als Konventionalstrafe wird eine Leistung bezeichnet,<br />

die der Schuldner dem Gläubiger für den Fall verspricht, dass er<br />

eine bestimmte Schuld (Hauptverpflichtung) nicht oder nicht richtig erfüllt<br />

(GAUCH/SCHLUEP, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil,<br />

Bd. II, 6. Aufl., S. 361 Rz. 3909; BECKER, <strong>Bern</strong>er Kommentar, N. 1 zu Art.<br />

160 OR; EHRAT, in: Kommentar zum Schweizerischen Privatrecht, Basel,<br />

N. 1 zu Art. 160 OR). Zweck der Konventionalstrafe ist die Verbesserung<br />

der Gläubigerstellung durch Befreiung vom Schadensnachweis (BGE 109<br />

II 462 E. 4a S. 468 mit Hinweisen).<br />

b) Gemäss dispositivem Gesetzesrecht (Art. 160 Abs. 1 OR) tritt die Konventionalstrafe<br />

alternativ neben die Erfüllung oder den für Nichterfüllung<br />

geschuldeten Schadenersatz (von TUHR/ESCHER, Allgemeiner Teil des<br />

Schweizerischen Obligationenrechts, Bd. II, S. 281). Diese Regel gilt einerseits<br />

nicht, wenn die Konventionalstrafe für Nichteinhaltung der Erfüllungszeit<br />

oder des Erfüllungsortes versprochen wurde, solange der Gläubiger<br />

nicht ausdrücklich Verzicht leistet oder die Erfüllung vorbehaltlos annimmt<br />

(Art. 160 Abs. 2 OR). Anderseits kann sich ein abweichender Wille<br />

ergeben aus dem Wortlaut der eingegangenen Verpflichtung, aus den Umständen,<br />

unter denen sie abgeschlossen wurde, oder aus der Höhe der<br />

Konventionalstrafe, dies namentlich in dem Sinne, dass die Strafe in einem<br />

derartigen Missverhältnis zum Erfüllungsinteresse des Berechtigten steht,<br />

dass anzunehmen ist, dieses Interesse werde durch die Konventionalstrafe<br />

nicht gedeckt (BGE 46 II 399 E. 2; 40 II 233 E. 9; 26 II 108 E. 5; BECKER,<br />

a.a.O., N. 33 zu Art. 160 OR; OSER/SCHÖNENBERGER, Zürcher Kommentar,<br />

N. 2 und 6 zu Art. 160 OR; ähnlich GAUCH/SCHLUEP, a.a.O., S.<br />

365 Rz. 3929 ff.; BUCHER, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner<br />

Teil, 2. Aufl., S. 529; VON BÜREN, Schweizerisches Obligationen-<br />

66 | 87


echt, Allgemeiner Teil, S. 408 f.). Im Zweifel ist auf die Interessenlage und<br />

den Zweck der Konventionalstrafe abzustellen, um zu ermitteln, ob eine<br />

besondere Abrede getroffen wurde (BGE 46 II 399 E. 2). So soll der Gläubiger<br />

für ein und dasselbe rechtliche Interesse entweder nur die Strafe<br />

oder nur die Hauptleistung bzw. Schadenersatz wegen Nichterfüllung verlangen<br />

können (BECKER, a.a.O., N. 15 zu Art. 160 OR; Bucher, a.a.O., S.<br />

529; SOERGEL/LINDACHER, N. 4 zu § 340 BGB).<br />

§ 23 Exkurs: Vorvertragliche Schutzpflichtver- [N 1942–1953]<br />

letzungen (culpa in contrahendo) [N 1996–2018]<br />

BGE 121 III 350 = Pra 85/1996 Nr. 168): So beruht die Haftung, die sich<br />

aus einer ‚culpa in contrahendo’ herleitet, auf der Idee, dass die Parteien<br />

während der Vertragsverhandlungen gemäss den Regeln von Treu und<br />

Glauben handeln müssen. Zwischen ihnen entsteht nämlich schon mit dem<br />

Beginn der Verhandlungen ein rechtliches Verhältnis, das ihnen gegenseitige<br />

Pflichten auferlegt, wie beispielsweise, dass sie ernsthaft und entsprechend<br />

ihrer wirklichen Absicht verhandeln (BGE 116 II 698 E. 3, 105 II 75<br />

E. 2a). Das Bundesgericht hat die Frage nicht entschieden, ob diese Haftung<br />

deliktischer oder vertraglicher Natur ist (BGE 108 II 422 E. 5), weil es<br />

der Lösung den Vorzug gab, die jeweils anwendbare Bestimmung in Funktion<br />

des gestellten Problems zu suchen (z.B. Art. 60 OR für die Verjährung:<br />

BGE 101 II 266 E. 4c).<br />

Ebenso hat derjenige, der in einem Gebiet über besondere Kenntnisse verfügt<br />

und sich bereit erklärt, ausserhalb einer vertraglichen Verpflichtung<br />

Auskünfte oder Ratschläge zu geben, nach Treu und Glauben zu handeln<br />

(BGE 111 II 471 E. 3); wer somit absichtliche oder leichtfertig unrichtige<br />

Angaben macht oder Tatsachen verschweigt, deren Wichtigkeit für die andere<br />

Partei er kennen muss, handelt widerrechtlich, und wird haftbar (BGE<br />

116 II 695 E. 4, 111 II 471 E. 3). Die Widerrechtlichkeit geht aus der Tatsache<br />

hervor, dass die unrichtige Angabe oder der ungenaue Ratschlag bei<br />

der anderen Partei ein berechtigtes Vertrauen erweckt hat, das später enttäuscht<br />

wird (...).<br />

Das Bundesgericht hat unter Hinweis auf die neuere Lehre in einem obiter<br />

dictum die Haftung aus unrichtiger Angabe an den Begriff der Vertrauenshaftung<br />

geknüpft (BGE 120 II 337 E. 5a). Diese Haftungsform, die im deutschen<br />

Recht entwickelt wurde, besteht darin, demjenigen eine aus den<br />

Regeln von Treu und Glauben hergeleitete Haftung aufzuerlegen, der eine<br />

Erwartungssituation begründet, auf die eine andere Person vertrauen kann<br />

und in Wahrheit darauf vertraut hat (...).<br />

Kürzlich erhielt in der Rechtsprechung ein anderer Aspekt der Vertrauenshaftung<br />

Bedeutung. Das Bundesgericht ging trotz fehlenden vertraglichen<br />

oder deliktischen Grundes von der Haftung einer Muttergesellschaft für<br />

Werbeaussagen gegenüber den Geschäftspartnern ihrer Tochtergesellschaft<br />

aus, welche die Verbindung der beiden Gesellschaften der Gruppe<br />

herausstrich und somit die Tochtergesellschaft mit dem guten Ruf der Muttergesellschaft<br />

begünstigen wollte (BGE 120 II 331). Die von der Rechtsprechung<br />

für die Entstehung einer solchen Haftung aufgestellten Voraussetzungen<br />

sind streng: die Muttergesellschaft muss durch ihr Verhalten<br />

bestimmte Erwartungen in ihr Konzernverhalten und ihre Konzernverantwortung<br />

erweckt und später in treuwidriger Weise enttäuscht haben<br />

(E. 5a).<br />

Wie bei der Haftung aus ‚culpa in contrahendo’ oder aus ungenauen Auskünften<br />

setzt die Haftung der Muttergesellschaft zwischen dem Geschädigten<br />

und dem Haftenden eine Sonderverbindung voraus, d.h. ein besonderes<br />

Vertrauens- und Treueverhältnis (...).<br />

67 | 87


BGE 105 II 75 E. 3: Bei Haftung aus culpa in contrahendo ist das negative<br />

Interesse zu ersetzen. Der Geschädigte hat Anspruch auf Ersatz des<br />

Schadens, der ihm aus dem von der Gegenpartei erweckten Vertrauen auf<br />

das Zustandekommen eines Vertrages erwachsen ist (BGE 40 II 372, 36 II<br />

203; ENGEL, a.a.O., S. 137; VON BÜREN, OR Allg. Teil, S. 209). Entgegen<br />

der Auffassung der Klägerin geht es daher nicht an, die schuldige Partei<br />

so zu behandeln, wie wenn ein Vertrag mit ihr abgeschlossen worden<br />

wäre, sie also zum Ersatz des positiven Vertragsinteresses zu verpflichten.<br />

Urteil 4C.354/2004 vom 9. November 2005 E. 2.1: Nach der Rechtsprechung<br />

des Bundesgerichtes verjährt die Haftung aus culpa in contrahendo<br />

nach Art. 60 OR. Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt, aus<br />

Gründen der Rechtssicherheit sei nicht angebracht, dass eine Partei, die<br />

Vertragsverhandlungen geführt habe, während der 10-jährigen Frist von<br />

Art. 127 OR Schadenersatzansprüchen ausgesetzt sei. Vielmehr seien die<br />

Ansprüche aus culpa in contrahendo innert angemessener Frist zu regeln.<br />

Die Verjährungsbestimmung von Art. 60 OR werde den Interessen der Beteiligten<br />

gerecht. Einerseits sei es dem Geschädigten zumutbar, innerhalb<br />

der Jahresfrist von Art. 60 OR zu klagen oder die Verjährung zu unterbrechen.<br />

Andrerseits sei es der anderen Partei nicht zuzumuten, während einer<br />

übertrieben langen Dauer mit Ansprüchen konfrontiert zu werden,<br />

wenn der Geschädigte vom Schaden und der Person des Geschädigten<br />

Kenntnis habe (BGE 101 II 266 E. 4c S. 269). Seither ist diese Rechtsprechung<br />

bestätigt worden (BGE 104 II 94, 121 III 350 E. 6c S. 354 f.).<br />

2.2 Der Kläger weist in der Berufung zutreffend darauf hin, dass in der Literatur<br />

zur Frage, ob die Haftung aus culpa in contrahendo nach Art. 60 oder<br />

nach Art. 127 OR verjähre, geteilte Auffassungen vertreten werden (vgl.<br />

zur Kontroverse Gauch/Schluep/Schmid/Rey, Schweizerisches Obligationenrecht,<br />

Allgemeiner Teil, Band I, 8. Auflage, Zürich 2003, Rz. 972). Dennoch<br />

besteht im vorliegenden Fall kein Grund, die vom Kläger und einem<br />

Teil der Literatur kritisierte Rechtsprechung in Frage zu stellen.<br />

68 | 87


6. Kapitel: Einbezug <strong>Dr</strong>itter in das Schuldverhältnis<br />

§ 24 Abtretung (Zession) [N 2086–2216]<br />

I. Begriff<br />

II. Zweck<br />

BGE 118 II 142 E. 1: b) Die Abtretung von Forderungen oder Ansprüchen<br />

ist ein Verfügungsgeschäft, kraft dessen der Zessionar anstelle des Zedenten<br />

Gläubiger wird. Welche Bedeutung der Zession im Verhältnis zwischen<br />

dem Zedenten und dem Zessionar zukommt, ergibt sich aus dem Grundgeschäft,<br />

das den sachlichen Anlass zur Abtretung bildet. Die Übertragung<br />

der abgetretenen Forderung kann die Erfüllung eines Kaufvertrages oder<br />

eine Schenkung darstellen, an Zahlungs Statt, zahlungshalber, sicherungshalber<br />

oder treuhänderisch zum Inkasso erfolgen (BUCHER,<br />

Schweiz. Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl., S. 552 f.;<br />

GUHL/MERZ/KO<strong>LL</strong>ER, Das Schweiz. Obligationenrecht, 8. Aufl., S. 245).<br />

Bei der Abtretung zum Zweck der Erfüllung einer eigenen Verpflichtung<br />

des Zedenten ist gemäss Art. 172 OR anzunehmen, dass die Abtretung<br />

nicht an Zahlungs Statt, sondern nur zahlungshalber erfolgt. Dies entspricht<br />

der allgemeinen Regel, wonach bei sogenannten liberatorischen<br />

Rechtsgeschäften jene Partei die Beweislast trägt, die den weitergehenden<br />

Inhalt, das heisst die Leistung an Erfüllungs Statt behauptet (WEBER, N<br />

144 Einleitung und Vorbemerkungen zu Art. 68-96 OR).<br />

Die Abtretung von Forderungen ermöglicht dem Gläubiger unter anderem<br />

– in seiner Bilanz „Forderungen aus Lieferungen und Leistungen“ in liquide Mittel<br />

umzuwandeln, indem er diese (noch nicht fälligen) Forderungen an ein Kreditinstitut<br />

abtritt, das ihm diese (mit Diskont) abkauft und dafür eine Gutschrift leistet.<br />

– nicht einbringliche Forderungen an einen <strong>Dr</strong>itten abzutreten, der die Eintreibung<br />

besorgt (Beispiel: Massengeschäft mit Telefonrechnungen etc.).<br />

– Kreditaufnahme, indem er seiner Bank die ausstehenden Zahlungsansprüche<br />

gegenüber seiner Kundschaft als Sicherheit abtritt (Sicherungszession).<br />

III. Abstraktheit der Zession<br />

BGE 67 II 123 E. 4: Die Abtretung ist ein formell selbständiges Rechtsgeschäft,<br />

durch das das abgetretene Recht selbst dann auf den Erwerber übertragen<br />

wird, wenn das zu Grunde liegende Rechtsgeschäft an einem zivilrechtlichen<br />

Mangel leidet, ein Rechtsgrund der Zession also fehlt (vgl.<br />

BGE 24 II 924 und WOLFF, Wesen und Voraussetzungen der Zession, S.<br />

74 ff.; für das analoge deutsche Recht siehe etwa Seufferts Archiv 69 Nr.<br />

47, sowie OERTMANN, Recht der Schuldverhältnisse, 5. Aufl., I. Abt., S.<br />

434). Diese abstrakte Beschaffenheit der Abtretung kann allerdings von<br />

den Parteien beseitigt werden, indem sie die Zession unter der Bedingung<br />

vornehmen, dass der von ihnen vereinbarte Rechtsgrund wirklich vorliegt<br />

oder eintritt (vgl. v. TUHR, Allgemeiner Teil des schweiz. Obligationenrechts,<br />

S. 719). Hierfür genügt es indessen nicht, dass beide Geschäfte<br />

gleichzeitig abgeschlossen und im nämlichen Vertragsinstrument verbun-<br />

69 | 87


IV. Abtretung künftiger Forderungen<br />

V. Globalzession<br />

VI. Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar<br />

den sind (vgl. auch Reichsgerichtliche Entscheide in Zivilsachen 57, 96).<br />

Damit wird vielmehr regelmässig höchstens die motivmässige Abhängigkeit<br />

des einen Geschäfts vom andern dargetan, die bei der Abtretung immer<br />

vorhanden ist, weil jede Abtretung aus einem bestimmten Zweck heraus<br />

[S. 128] erfolgt. Für eine rechtliche Bedingtheit muss mehr als nur das<br />

verlangt werden, d.h. es muss sich einwandfrei ergeben, dass nach dem<br />

Willen der Parteien Nichtigkeit, Anfechtbarkeit oder Hinfall des Vertrages<br />

sich automatisch auch auf die Abtretung auswirken solle.<br />

Aber: BGE 84 III 355 E. 1 (obiter dictum): ... dürfte sich angesichts der<br />

Wendung der Rechtsprechung im Gebiete des Mobiliarsachenrechts, BGE<br />

55 II 302 ff., eine erneute Prüfung dieser grundsätzlichen Frage des Zessionsrechtes<br />

genügend rechtfertigen, wenn auch gewiss die Verschiedenheit<br />

des Gegenstandes der Übertragung nach wie vor die Möglichkeit voneinander<br />

abweichender Lösungen offen lässt; zurückhaltend [S. 364] denn<br />

auch M. R. KUMMER, Beiträge zur Lehre von der causa ..., 105 ff., während<br />

JÄGGI, N. 162 zu Art. 967 OR, die Gültigkeit des Rechtsgrundes<br />

auch bei der Abtretung von Forderungen als Voraussetzung des wirksamen<br />

Überganges betrachtet).<br />

BGE 95 III 9 E. 1: Soweit nicht Gesetz, Vereinbarung oder Natur des<br />

Rechtsverhältnisses entgegenstehen, sind nach Art. 164 OR Forderungen<br />

jeder Art abtretbar, und zwar grundsätzlich auch solche, die erst in Zukunft<br />

entstehen werden, speziell auch Lohnforderungen, diese jedenfalls im<br />

Rahmen ihrer Pfändbarkeit im Sinne des Art. 93 SchKG (vgl. BGE 85 I 30<br />

Erw. 13 lit. h). Die Abtretung einer zukünftigen Forderung wirkt sich dahin<br />

aus, dass diese in der Person des Zessionars entsteht und daher nicht<br />

mehr von einem Gläubiger des Zedenten gepfändet werden kann (BGE 41<br />

II 135 Erw. 3 und 4; VON TUHR, Der allg. Teil des schweiz. OR, § 94 Ziff.<br />

IV; OSER/SCHÖNENBERGER, Komm., zu Art. 164 N 4).<br />

BGE 113 II 163 (Regeste): Voraussetzungen der Gültigkeit einer Globalzession<br />

künftiger Forderungen aus der Geschäftstätigkeit des Zedenten.<br />

Für die Gültigkeit einer Zession künftiger Forderungen genügt es, dass die<br />

Forderung im Zeitpunkt ihrer Entstehung bestimmbar ist. Die Zession muss<br />

alle Elemente enthalten, welche die Bestimmung der Forderung bei ihrer<br />

künftigen Entstehung erlauben; wenn diese Voraussetzung erfüllt ist, erübrigt<br />

sich ein Verfügungsgeschäft oder eine spätere Spezifikation wie die<br />

Übergabe einer periodischen Liste der Schuldner des Zedenten<br />

VII. Wirkung der Zession dem Schuldner (debitor cessus) gegenüber<br />

§ 25 Schuldübernahme [N 2299–2348]<br />

I. Interne Schuldübernahme (Befreiungsversprechen)<br />

BGE 121 III 256 E. 3b (= Pra 85/1996 Nr. 102): b) Die interne Schuldübernahme<br />

ist der Vertrag, der zwischen dem Schuldner und dem – möglichen<br />

– Übernehmer abgeschlossen wird, mit dem sich dieser dem Schuldner<br />

70 | 87


II. Externe Schuldübernahme<br />

gegenüber verpflichtet, seine Schuld zu übernehmen (vgl. Art. 175 Abs. 1<br />

OR; ...). Im Gegensatz zu dem, was die Marginalie von Art. 175 OR glauben<br />

machen könnte, bewirkt dieser Vertrag für sich allein noch nicht den<br />

Übergang der Schuldnereigenschaft (...). Die Verpflichtung bedeutet bloss<br />

die Vorbereitung der externen Schuldübernahme (...). Für den Pfandgläubiger<br />

ist der Vertrag über die interne Schuldübernahme eine ‚res inter alios<br />

acta’ (BGE 110 II 340 E.1a). Seine Rechte werden nicht tangiert (...). Es<br />

handelt sich hier um eine Erfüllungsübernahme (BGE 110 II 340 E. 1a).<br />

BGE 121 III 256 E. 3b (= Pra 85/1996 Nr. 102): b) [...] Die externe Schuldübernahme,<br />

d.h. der zwischen dem Übernehmer und dem Gläubiger abgeschlossene<br />

Vertrag (Art. 176 Abs. 1 OR), bewirkt die Befreiung des früheren<br />

Schuldners; der Übernehmer wird nun seinerseits Schuldner der<br />

Schuld (...). Die Schuld bleibt die gleiche (...).<br />

§ 26 Solidarität [N 2388–2448]<br />

I. Mehrheit von Schuldnern (Art. 143 ff. OR)<br />

II. Mehrheit von Gläubigern (Art. 150 OR)<br />

§ 27 Vertrag zugunsten eines <strong>Dr</strong>itten [N 2261–2298]<br />

BGE 69 II 305 E. 1a (= Pra 32/1943 Nr. 149): Ein Vertrag zugunsten eines<br />

<strong>Dr</strong>itten kann verschiedenen Zwecken dienen. Der Stipulant kann bezwecken,<br />

sich eine Forderung gegen den <strong>Dr</strong>itten zu begründen, der ihm für die<br />

vom Promittenten erhaltene Summe haftbar wird (causa credendi). Der<br />

Stipulant kann auch bezwecken, sich von einer Schuld an den <strong>Dr</strong>itten zu<br />

befreien durch die Zahlung, die der <strong>Dr</strong>itte vom Promittenten erhält (causa<br />

solvendi). Der Stipulant kann aber auch bezwecken, dem <strong>Dr</strong>itten eine<br />

Schenkung zu machen (causa donandi). [...]. [S. 307]<br />

b) Richtig ist, dass der Vertrag zugunsten <strong>Dr</strong>itter, der dem <strong>Dr</strong>itten eine<br />

Schenkung zu machen bezweckt, eine Übereinstimmung des Willens von<br />

Schenker und Beschenktem erfordert, um gültig zu werden (BGE 42 II 59,<br />

49 II 97, 52 II 288, 64 II 360). Solange der Vertrag zugunsten <strong>Dr</strong>itter dem<br />

<strong>Dr</strong>itten unbekannt bleibt, ist er nur Vorbereitung zur Schenkung; die<br />

Schenkung wird erst perfekt, wenn sie dem <strong>Dr</strong>itten bekannt und von diesem<br />

angenommen wird.<br />

§ 28 Garantieversprechen (Vertrag zu Lasten eines <strong>Dr</strong>itten) [N 2349–2387]<br />

BGE 111 II 276: Regeste – Bürgschaft oder Vertrag zu Lasten eines <strong>Dr</strong>itten?<br />

Der wesentliche Unterschied zwischen diesen beiden Verträgen liegt<br />

in der Abhängigkeit (Akzessorietät) oder Unabhängigkeit des Sicherungsversprechens.<br />

2. – a) L'engagement litigieux ne présente pas les caractéristiques d'une<br />

reprise de dette cumulative. En effet, il n'exprime pas la volonté du défendeur<br />

de devenir directement et personnellement [S. 279] le débiteur de la<br />

dette en paiement du prix de vente; le défendeur n'intervient que comme<br />

garant de la bonne exécution par l'acheteur de son obligation de payer le<br />

prix. Cet engagement ne peut être qualifié que de cautionnement (art. 492<br />

ss CO) – dont la forme ne serait pas remplie faute de revêtir la forme au-<br />

71 | 87


thentique (art. 493 CO) – ou de promesse de porte-fort (art. 111 CO) – qui<br />

n'est soumise à aucune forme particulière.<br />

b) Selon l'art. 111 CO, le porte-fort promet le fait d'autrui, avec cette conséquence<br />

que, si le tiers n'agit pas comme promis, le porte-fort doit des<br />

dommages-intérêts dits positifs. Dans un tel contrat, la validité de la promesse<br />

n'est pas subordonnée à l'existence d'une obligation à la charge du<br />

tiers.<br />

Selon l'art. 492 CO, au contraire, la caution s'engage, à l'égard du créancier<br />

d'une obligation principale, à garantir le paiement de la dette par le débiteur<br />

de cette obligation. Aussi le cautionnement, engagement accessoire,<br />

ne peut-il sortir d'effets que si un débiteur principal est tenu d'exécuter une<br />

obligation.<br />

La différence essentielle entre ces deux contrats réside dans le caractère<br />

dépendant (accessoire) ou indépendant de l'obligation du garant. Seule<br />

l'interprétation du contrat permet de définir la nature de cette obligation. A<br />

défaut d'une volonté interne commune aux parties, différant de leur volonté<br />

exprimée (art. 18 CO), on doit s'en tenir aux déclarations des parties, en<br />

les interprétant selon la théorie de la confiance, soit selon le sens que leur<br />

destinataire devait raisonnablement leur attribuer, les expressions<br />

inexactes dont elles ont pu se servir n'étant pas déterminantes (art. 18<br />

CO). Les principes généraux relatifs à l'interprétation des manifestations de<br />

volonté sont donc applicables. Dans le doute, le juge doit cependant opter<br />

en faveur du cautionnement, en raison du but protecteur de la législation<br />

édictée sur ce contrat (ATF 101 II 328 et les arrêts cités).<br />

72 | 87


7. Kapitel: Ausgewählte handelsrechtliche Verträge<br />

§ 29 Kaufvertrag<br />

§ 30 Agenturvertrag<br />

§ 31 Vertriebsverträge (insbesondere der Alleinvertriebsvertrag)<br />

§ 32 Lizenzvertrag<br />

73 | 87


8. Kapitel: Grundzüge des Handels- und Gesellschaftsrechts<br />

Handels- und Gesellschaftsrecht als Teil des Privatrechts.<br />

Handelsrecht als „Sonderprivatrecht der Kaufleute“.<br />

Keine gesonderte Kodifikation des Handelsrechts in der Schweiz.<br />

§ 33 Kaufmännisches Gewerbe<br />

OR 934/1 und HRegV 52/3:<br />

– Dauerhaftigkeit des Erwerbs<br />

– Selbständigkeit der wirtschaftlichen Tätigkeit<br />

– Erzielung von Umsatz<br />

§ 34 Das Handelsregister<br />

I. Begriff und Öffentlichkeit<br />

II. Inhalt<br />

III. Eintragungspflicht<br />

IV. Eintragungsrecht<br />

V. Funktion des Handelsregistereintrags<br />

– Publizitätsfunktion<br />

– Anknüpfungsfunktion<br />

VI. Wirkungen des Handelsregistereintrags<br />

– Deklaratorische oder konstitutive Wirkung des Registereintrags.<br />

– Positive und negative Publizitätswirkung.<br />

74 | 87


§ 35 Die Firma<br />

I. Begriff und Zweck<br />

II. Allgemeine Grundsätze der Firmenbildung<br />

– Firmenwahrheit und Firmenklarheit<br />

– Täuschungsverbot<br />

III. Firmenbildung im Einzelnen<br />

IV. Ausschliesslichkeit der eingetragenen Firma<br />

– Grundsatz der Alterspriorität<br />

– Identität und Verwechslungsgefahr<br />

V. Schutz der Firma<br />

Beispiele: „Elektrisola Feindraht AG“ neben „Schweizerische Isola-Werke AG“ unzulässig<br />

(BGE 97 II 153); „Sodibel SA“ neben „Sodip SA“ unzulässig (BGE 95 II<br />

456).<br />

BGE 97 II 153 E. 2: Die Beklagte bestreitet die vom Obergericht angenommene<br />

Verwechselbarkeit der Firmenbezeichnungen der Parteien.<br />

a) Die Firma einer Aktiengesellschaft muss sich von jeder in der Schweiz<br />

bereits eingetragenen Firma deutlich unterscheiden (Art. 951 Abs. 2 OR).<br />

Sie steht dem Berechtigten zum ausschliesslichen Gebrauch zu (Art. 956<br />

Abs. 1 OR). Wer durch unbefugten Gebrauch einer Firma beeinträchtigt<br />

wird, kann auf Unterlassung klagen (Art. 956 Abs. 2 OR), was besonders<br />

für den Inhaber der älteren gegenüber der jüngeren Firma gilt. Da Aktiengesellschaften<br />

nach Art. 950 Abs. 1 OR unter Wahrung der allgemeinen<br />

Grundsätze der Firmenbildung ihre Firma frei wählen können (Art. 950<br />

Abs. 1 OR), stellt die bundesgerichtliche Rechtsprechung hohe Anforderungen<br />

an die Unterscheidungskraft und besonders strenge dann, wenn<br />

zwei Firmen miteinander im Wettbewerb stehen und sich an die gleichen<br />

Abnehmerkreise wenden oder wenn Phantasiebezeichnungen in Frage<br />

stehen (BGE 95 II 458 ff. 569, 94 II 129, 93 II 44, 92 II 96 ff. und dort erwähnte<br />

Entscheide).<br />

b) Für die Beurteilung der Verwechselbarkeit ist grundsätzlich die ganze<br />

Firma zu berücksichtigen. Jedoch kommt Bestandteilen, die durch Klang<br />

oder Sinn hervorstechen, erhöhte Bedeutung zu, da sie in der Erinnerung<br />

besser haften bleiben und im Verkehr vom Firmainhaber selber oder von<br />

<strong>Dr</strong>itten oft allein verwendet werden. Schon Gebrauch oder Nachahmung<br />

des Hauptbestandteils einer Firma kann daher die Unterscheidung [S. 156]<br />

so erschweren, dass Verwechslungen möglich werden (BGE wie vorstehend<br />

erwähnt, ferner 90 II 202 ff. und dort zitierte Entscheide).<br />

75 | 87


§ 36 Kaufmännische Buchführung<br />

I. Grundsatz und Funktion<br />

II. Bilanzvorschriften<br />

1. Allgemeine Bilanzvorschriften<br />

2. Verschärfte Bilanzvorschriften<br />

III. Revision des Rechnungslegungsrechts<br />

§ 37 Kaufmännische Stellvertretung [N 917–943]<br />

I. Funktion<br />

– Gesetzlich fixierte Vertretungsmacht<br />

– Verkehrsschutz (Rechtsscheinhaftung)<br />

– Unterschiede zur „bürgerlichen“ Stellvertretung<br />

II. Prokura<br />

1. Begründung und Beendigung<br />

BGE 94 II 117 E. 3: Die Willensäusserung des Geschäftsinhabers auf Erteilung<br />

der kaufmännischen Prokura kann auch stillschweigend erfolgen<br />

(Art. 458 Abs. 1 OR). In dieser Hinsicht weicht das schweizerische Recht<br />

vom deutschen ab, das nur die mittels ausdrücklicher Erklärung erteilte<br />

Prokura kennt (§ 48 HGB [S. 118] und schon § 41 aHGB). Anderseits bestimmt<br />

Art. 462 OR, wer vom Inhaber eines Handels-, Fabrikations- oder<br />

eines andern nach kaufmännischer Art geführten Gewerbes ohne Erteilung<br />

der Prokura zum Betrieb des ganzen Gewerbes oder zu bestimmten Geschäften<br />

im Gewerbe als Vertreter bestellt wurde, dürfe zwar alle Rechtshandlungen<br />

vornehmen, die der Betrieb eines derartigen Gewerbes oder<br />

die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt (Abs. 1),<br />

bedürfe aber zum Eingehen von Wechselverbindlichkeiten, zur Aufnahme<br />

von Darlehen und zur Prozessführung einer ausdrücklichen Ermächtigung<br />

(Abs. 2). [...].<br />

Daraus schliesst die Vorinstanz, die Befugnis, Wechselverbindlichkeiten<br />

einzugehen, könne nur bejaht werden, wenn sie ausdrücklich erteilt wurde<br />

oder klar zum Ausdruck komme, dass nicht nur eine Handlungsvollmacht,<br />

sondern eine Prokura vorliege; dies deshalb, weil die Schutzbestimmung<br />

des Art. 462 Abs. 2 OR sonst illusorisch wäre. Damit gibt das Obergericht<br />

dem Art. 462 Abs. 2 OR ein Gewicht, das er nicht haben kann. Indem das<br />

Gesetz auch die stillschweigende Bestellung eines kaufmännischen Prokuristen<br />

zulässt, verzichtet es insoweit auf den Schutz des Geschäftsinhabers.<br />

Wenn die nach den üblichen Regeln der Vertrauenstheorie ausgelegten<br />

Umstände auf stillschweigende Erteilung der Prokura schliessen las-<br />

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2. Umfang der Vollmacht<br />

sen, muss der Geschäftsinhaber es hinnehmen, dass sein Vertreter ihn<br />

durch Unterzeichnung von Wechseln oder Aufnahme von Darlehen verpflichte.<br />

Es besteht kein Grund, in der Annahme einer stillschweigenden<br />

Prokura deshalb besonders zurückhaltend zu sein, weil blosse Handlungsbevollmächtigte<br />

den Geschäftsherrn nur mit ausdrücklicher Ermächtigung<br />

wechselmässig oder als Borger verpflichten können. Das Interesse des<br />

Vertreters, nicht leichthin wegen Überschreitung der Vertretungsbefugnis<br />

persönlich wechselmässig haftbar zu werden (Art. 998 OR), wie auch das<br />

Interesse <strong>Dr</strong>itter, den Geschäftsinhaber auf Grund stillschweigend erteilter<br />

Prokura belangen zu können, verbieten die vom Obergericht befürwortete<br />

besondere Rücksichtnahme auf den Geschäftsherrn. Dieser kann sich selber<br />

schützen, indem er dafür sorgt, dass die Umstände nicht auf stillschweigende<br />

Erteilung der Prokura schliessen lassen. Wird, wie immer bei<br />

schuldrechtlichen Rechtsgeschäften, die Vertrauenstheorie angewendet<br />

(BGE 69 II 321 f., 74 II 152), so ist der Geschäftsinhaber nicht unbillig benachteiligt.<br />

Auch wird dadurch der Schutz, den [S. 119] Art. 462 Abs. 2 OR<br />

bieten soll, nicht vereitelt. Er kommt demjenigen, der weder ausdrücklich<br />

noch stillschweigend Prokura erteilt hat, voll und ganz zugute. Wer Prokura<br />

erteilt, sei es auch nur stillschweigend, muss dagegen wissen, dass er diesen<br />

Schutz verliert.<br />

„... alle Arten von Rechtshandlungen ..., die der Zweck des Gewerbes oder<br />

Geschäftes des Geschäftsherrn mit sich bringen kann“ (OR 459/1)<br />

3. Beschränkbarkeit<br />

BGE 84 II 168 E. 1: Der Prokurist gilt gutgläubigen <strong>Dr</strong>itten gegenüber als<br />

ermächtigt, im Namen des Geschäftsherrn alle Arten von Rechtshandlungen<br />

vorzunehmen, die der Zweck des Gewerbes oder Geschäftes des Geschäftsherrn<br />

mit sich bringen kann (Art. 459 Abs. 1 OR). Diese Generalvollmacht<br />

für den gesamten Betrieb erstreckt sich auf alle Rechtshandlungen,<br />

die objektiv betrachtet mit einem Gewerbe der betreffenden Art in Zusammenhang<br />

gebracht werden können (OSER/SCHÖNENBERGER, OR<br />

Art. 459 N. 3). Gemäss dem Wortlaut des Gesetzes und dem Zweck der<br />

Prokura als einer typenmässigen Vertretungsmacht ist der Bereich der Befugnisse<br />

des Prokuristen weit zu fassen. Dieser ist im Gegensatz zum<br />

Handlungsbevollmächtigten im Sinne von Art. 462 OR nicht nur zu solchen<br />

Rechtshandlungen befugt, die ein Geschäft der in Frage stehenden Art<br />

gewöhnlich mit sich bringt, sondern darüber hinaus auch zu ungewöhnlichen<br />

Geschäften, sofern sie auch nur möglicherweise im Geschäftszweck<br />

begründet sind; es genügt, dass sie durch diesen nicht geradezu als ausgeschlossen<br />

erscheinen (BGE 38 II 105).<br />

– Geschäftskreis der Zweigniederlassung<br />

– Kollektiv-Prokura<br />

III. Handlungsvollmacht<br />

„... alle Rechtshandlungen, die der Betrieb eines derartigen Gewerbes oder die<br />

Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringt“ (OR 462/1)<br />

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§ 38 Ausgewählte Gesellschaftsformen<br />

I. Grundlagen<br />

Numerus clausus der zulässigen körperschaftlichen Organisationsformen:<br />

– Einfache Gesellschaft<br />

– Kollektivgesellschaft<br />

– Kommanditgesellschaft<br />

– Aktiengesellschaft<br />

– Kommanditaktiengesellschaft<br />

– Gesellschaft mit beschränkter Haftung<br />

– Genossenschaft<br />

– Verein<br />

Formenzwang und Formenfixierung.<br />

II. Einfache Gesellschaft (Art. 530 ff. OR)<br />

1. Begriff und Funktion<br />

Vertragsmässige Verbindung von zwei oder mehreren (natürlichen oder juristischen)<br />

Personen zur Erreichung eines gemeinsamen Zweckes mit gemeinsamen<br />

Kräften oder Mitteln (OR 530/1).<br />

Keine Rechtspersönlichkeit.<br />

Keine Möglichkeit, ein kaufmännisches Gewerbe zu betreiben.<br />

Grundform und zugleich subsidiäre Form des Gesellschaftsrechts (OR 530/2).<br />

2. Gründung<br />

Keine besonderen Formvorschriften.<br />

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3. Geschäftsführung und Vertretung<br />

4. Haftung<br />

5. Auflösung<br />

6. Bedeutung<br />

III. Kollektivgesellschaft (Art. 552 ff. OR)<br />

1. Begriff<br />

Gesellschaft, in der zwei oder mehrere natürliche Personen – ohne Beschränkung<br />

ihrer Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern – sich<br />

zum Zweck vereinigen, unter einer gemeinsamen Firma ein Handels-, ein<br />

Fabrikations- oder ein anderes nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe<br />

zu betreiben (OR 552/1).<br />

Keine Rechtspersönlichkeit. Aber: OR 562.<br />

Kann ein kaufmännisches Gewerbe betreiben. Handelsregistereintrag deklaratorisch.<br />

2. Gründung<br />

Keine besonderen Formvorschriften.<br />

3. Geschäftsführung und Vertretung<br />

Grundsatz der „Selbstorganschaft“.<br />

4. Haftung der Gesellschaft und der Gesellschafter<br />

5. Besondere Treuepflicht der Gesellschafter<br />

Konkurrenzverbot (OR 561).<br />

6. Auflösung<br />

Verweis auf die einfache Gesellschaft (OR 574). Zusätzlich: Konkurs.<br />

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7. Funktion und Bedeutung<br />

IV. Aktiengesellschaft (Art. 620 ff. OR)<br />

1. Begriff<br />

Eine Kapitalgesellschaft mit eigener Firma, deren im Voraus bestimmtes<br />

Kapital (Aktienkapital) in Teilsummen (Aktien) zerlegt ist und für deren Verbindlichkeiten<br />

nur das Gesellschaftsvermögen haftet (OR 620/1).<br />

Eigene Rechtspersönlichkeit (juristische Person).<br />

Handelsregistereintrag konstitutiv.<br />

2. Gründung – Voraussetzungen:<br />

– <strong>Dr</strong>ei Aktionäre als Gründer (später: Einmann-AG möglich)<br />

– Aktienkapital von mindestens 100 000 Franken (50 000 zu liberieren)<br />

– Zeichnung der Aktien (Mindestnennwert: 1 Rappen)<br />

– Abklärung der Firma beim Handelsregister<br />

– Erstellung der Statuten<br />

– Bestellung der Organe<br />

– Öffentliche Beurkundung des Gründungsaktes durch einen Notar<br />

– Eintragung der AG in das Handelsregister<br />

3. Organisation<br />

a) Generalversammlung<br />

Oberstes Organ mit unübertragbaren Befugnissen (OR 698 ff.).<br />

b) Verwaltungsrat<br />

Unübertragbare und unentziehbare Aufgaben (OR 716a).<br />

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c) Revisionsstelle<br />

4. Rechte und Pflichten des Aktionärs<br />

Einzige Pflicht: Vollständige Liberierung der Aktien (OR 680/1).<br />

a) Mitwirkungsrechte<br />

b) Vermögensrechte<br />

c) Schutzrechte<br />

5. Die Aktie<br />

a) Begriff<br />

b) Arten: Inhaberaktien, Namenaktien und ihre Übertragung<br />

6. Verantwortlichkeit (Haftung)<br />

a) Im Allgemeinen<br />

b) Bei Überschuldung im Besonderen<br />

7. Auflösung<br />

8. Funktion und Bedeutung<br />

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Inhaltsverzeichnis<br />

1. Kapitel: Grundlagen ...................................................................................................................... 2<br />

§ 1 Kodifikation des schweizerischen Privatrechts ....................................................................... 2<br />

§ 2 Zum Begriff und zur Anwendung der privatrechtlichen Norm [N 1–79] .................................. 2<br />

I. Aufbau: Tatbestand und Rechtsfolge .......................................................................... 2<br />

II. Rechtsanwendung ...................................................................................................... 2<br />

1. Ermittlung des Sachverhalts ............................................................................... 2<br />

2. Subsumption ...................................................................................................... 2<br />

III. Beweislast für die juristischen Tatsachen (Art. 8 ZGB) ............................................... 2<br />

1. Begriff der juristischen Tatsache ........................................................................ 2<br />

2. Beweislast .......................................................................................................... 2<br />

IV. Rechtsdurchsetzung ................................................................................................... 4<br />

1. Freiwilligkeit und Zwang ..................................................................................... 4<br />

2. Grundsatz und Grenzen der Naturalerfüllung (Realexekution) ........................... 4<br />

§ 3 Die subjektiven Rechte [N 80–111] ........................................................................................ 4<br />

I. Entstehung .................................................................................................................. 4<br />

II. Absolute und relative Rechte ...................................................................................... 4<br />

1. Absolute Rechte (erga omnes) ........................................................................... 5<br />

a) Herrschaftsrechte ....................................................................................... 5<br />

b) Persönlichkeitsrechte ................................................................................. 5<br />

2. Relative Rechte (inter partes) ............................................................................. 6<br />

a) Ansprüche (Forderungen) .......................................................................... 6<br />

b) Einreden (exceptiones) .............................................................................. 6<br />

c) Gestaltungsrechte ...................................................................................... 6<br />

3. Dingliche Rechte und persönliche (obligatorische) Rechte ................................ 7<br />

§ 4 Grundbegriffe des Obligationenrechts [N 198–299] .............................................................. 7<br />

I. Obligation .................................................................................................................... 7<br />

1. Definition ............................................................................................................ 7<br />

2. Entstehung der Obligation und Anspruchskonkurrenz ....................................... 7<br />

3. Forderung ........................................................................................................... 7<br />

4. Schuld (auch „Verbindlichkeit“ oder „Schuldpflicht“) ........................................... 7<br />

5. Obliegenheiten ................................................................................................... 8<br />

6. Leistung .............................................................................................................. 8<br />

II. Schuldverhältnis ......................................................................................................... 8<br />

III. Rechtsgeschäft ........................................................................................................... 8<br />

1. Begriff und Zweck ............................................................................................... 8<br />

2. Willenserklärung ................................................................................................. 8<br />

3. Einseitige Rechtsgeschäfte ................................................................................ 9<br />

4. Mehrseitige Rechtsgeschäfte ............................................................................. 9<br />

a) Verträge (in der Regel zweiseitige Rechtsgeschäfte) ................................ 9<br />

b) Beschlüsse................................................................................................. 9<br />

IV. Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft .................................................................... 9<br />

1. Verpflichtungsgeschäft ....................................................................................... 9<br />

2. Verfügungsgeschäft ........................................................................................... 9<br />

3. Verfügungsmacht ............................................................................................. 10<br />

V. Rechtsgrund ............................................................................................................. 10<br />

1. Bei Ansprüchen aus relativen Rechten ............................................................ 10<br />

2. Bei Ansprüchen aus absoluten Rechten (Eigentumsübertragung) ................... 10<br />

3. Kausale und abstrakte Verfügungsgeschäfte ................................................... 10<br />

a) Verfügungen über dingliche Rechte ......................................................... 10<br />

b) Verfügungen über obligatorische Rechte ................................................. 10<br />

c) Bedeutung der Unterscheidung ............................................................... 11<br />

VI. Vertrag ...................................................................................................................... 11<br />

1. Begriff ............................................................................................................... 11<br />

2. Zweiseitig verpflichtende Verträge ................................................................... 12<br />

a) Vollkommen zweiseitige (synallagmatische) Verträge ............................. 12<br />

b) Unvollkommen zweiseitige Verträge ........................................................ 12<br />

3. Einseitig verpflichtende Verträge ...................................................................... 12<br />

4. Nominat- und Innominatverträge ...................................................................... 12<br />

§ 5 Grundzüge des Personenrechts [N 300–409] ..................................................................... 12<br />

I. Natürliche Personen und Persönlichkeit im Allgemeinen .......................................... 12<br />

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1. Rechtsfähigkeit ................................................................................................. 12<br />

2. Anfang und Ende der Persönlichkeit ................................................................ 13<br />

3. Handlungsfähigkeit ........................................................................................... 13<br />

a) Begriff ...................................................................................................... 13<br />

b) Voraussetzungen: Urteilsfähigkeit und Mündigkeit .................................. 13<br />

c) Wirkungen: Geschäftsfähigkeit und Deliktsfähigkeit ................................ 14<br />

4. Handlungsunfähigkeit ....................................................................................... 14<br />

a) Kein allgemeiner Schutz des guten Glaubens ......................................... 14<br />

b) Volle Handlungsunfähigkeit ..................................................................... 14<br />

c) Beschränkte Handlungsunfähigkeit .......................................................... 14<br />

d) Nachträglicher Erwerb der Handlungsfähigkeit ........................................ 14<br />

II. Schutz der Persönlichkeit ......................................................................................... 15<br />

1. Schutz vor übermässiger Bindung (ZGB 27) .................................................... 15<br />

2. Schutz gegen Verletzungen (ZGB 28 ff.) .......................................................... 15<br />

III. Allgemeine Vorschriften über juristische Personen ................................................... 15<br />

1. Begriff ............................................................................................................... 15<br />

2. Arten ................................................................................................................. 15<br />

3. Anfang und Ende der Persönlichkeit ................................................................ 16<br />

4. Rechtsfähigkeit ................................................................................................. 16<br />

5. Handlungsfähigkeit ........................................................................................... 16<br />

a) Handeln durch Organe ............................................................................. 16<br />

b) Haftung der juristischen Person für das Handeln der Organe .................. 16<br />

c) Handeln durch Vertreter ........................................................................... 16<br />

IV. Weitere rechts- und handlungsfähige Gebilde .......................................................... 17<br />

2. Kapitel: Vertragsabschluss und Stellvertretung .......................................................................... 18<br />

§ 6 Der Abschluss von Verträgen [N 633–690] .......................................................................... 18<br />

I. Am Vertragsabschluss beteiligte Personen .............................................................. 18<br />

II. Einigung über den wesentlichen Vertragsinhalt ........................................................ 18<br />

1. Die wesentlichen Vertragspunkte ..................................................................... 18<br />

a) Die objektiv wesentlichen Vertragspunkte (essentialia negotii) ................ 18<br />

b) Die subjektiv wesentlichen Vertragspunkte .............................................. 18<br />

2. Vorbehaltene Nebenpunkte .............................................................................. 18<br />

III. Der Ablauf des Vertragsabschlusses ........................................................................ 18<br />

1. Gegenseitigkeit der Willensäusserungen ......................................................... 18<br />

2. Der Antrag (Offerte) .......................................................................................... 18<br />

a) Bindung an den Antrag mit Annahmefrist ................................................ 18<br />

b) Bindung an den Antrag ohne Annahmefrist ............................................. 18<br />

c) Der unverbindliche Antrag ....................................................................... 18<br />

d) Zusendung unbestellter Sachen .............................................................. 18<br />

3. Die Annahme (Akzept) ..................................................................................... 18<br />

a) Grundsatz: Keine Annahme durch Schweigen......................................... 18<br />

b) Ausnahme: Stillschweigende Annahme ................................................... 19<br />

c) Zum Problem des Bestätigungsschreibens .............................................. 19<br />

d) Wirkung der Annahme ............................................................................. 20<br />

4. Widerruf von Antrag und Annahme .................................................................. 21<br />

IV. Exkurs: Zur Geltung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) [N 944–965] ........ 21<br />

§ 7 Konsens, Dissens und Simulation [N 691–742] ................................................................... 22<br />

I. Konsens und Konsensstreit ...................................................................................... 22<br />

II. Auslegung von Willenserklärungen, insbesondere das Vertrauensprinzip ............... 23<br />

III. Dissens ..................................................................................................................... 24<br />

1. Offener Dissens ................................................................................................ 24<br />

2. Versteckter Dissens ......................................................................................... 24<br />

IV. Simulation (Scheingeschäft) ..................................................................................... 27<br />

1. Begriff ............................................................................................................... 27<br />

2. Zweck ............................................................................................................... 27<br />

3. Wirkungen im Innenverhältnis .......................................................................... 28<br />

4. Wirkungen im Aussenverhältnis ....................................................................... 28<br />

5. Abgrenzung zum fiduziarischen Rechtsgeschäft .............................................. 28<br />

§ 8 Formvorschriften [N 743–786] .............................................................................................. 30<br />

I. Grundsatz: Formfreiheit ............................................................................................ 30<br />

II. Zweck von Formvorschriften ..................................................................................... 30<br />

III. Gesetzliche Formvorschriften ................................................................................... 30<br />

1. Einfache Schriftlichkeit ..................................................................................... 30<br />

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2. Qualifizierte Schriftlichkeit ................................................................................ 30<br />

3. Öffentliche Beurkundung .................................................................................. 30<br />

4. Folgen der Nichteinhaltung der gesetzlichen Form .......................................... 30<br />

IV. Gewillkürte Formvorschriften .................................................................................... 31<br />

1. Vermutung für die Wirkung als Abschlussform ................................................. 31<br />

2. Vermutung für die einfache Schriftlichkeit ........................................................ 31<br />

§ 9 Bedingungen [N 787–829] ................................................................................................... 31<br />

I. Begriff und Funktion der Bedingungen ..................................................................... 31<br />

II. Arten und Rechtswirkungen ...................................................................................... 31<br />

1. Aufschiebende Bedingung (OR 151 ff.) ............................................................ 31<br />

2. Auflösende Bedingung (OR 154) ...................................................................... 31<br />

§ 10 Stellvertretung [N 830–916] ................................................................................................. 31<br />

I. Echte und unechte Stellvertretung ............................................................................ 31<br />

1. Unechte (indirekte, mittelbare) Stellvertretung ................................................. 31<br />

2. Echte (direkte, unmittelbare) Stellvertretung .................................................... 31<br />

II. Wesen und Funktion der Stellvertretung ................................................................... 32<br />

III. Stellvertretung mit Ermächtigung .............................................................................. 32<br />

1. Voraussetzungen der Vertretungswirkung ....................................................... 32<br />

2. Vertretungsmacht ............................................................................................. 32<br />

3. Beschränkung und Widerruf der Vollmacht ...................................................... 32<br />

4. Erlöschen der Vollmacht .................................................................................. 32<br />

5. Vertretungswirkung durch Genehmigung ......................................................... 32<br />

IV. Rechtsfolgen vollmachtloser Stellvertretung ............................................................. 32<br />

1. Vertretungswirkung trotz fehlender Ermächtigung ............................................ 32<br />

a) Schutz des Vertrauens in den Umfang der externen Vollmacht ............... 32<br />

b) Schutz des Vertrauens in die externe Vollmacht bei unterlassener<br />

Mitteilung des Widerrufs .......................................................................... 32<br />

c) Duldungsvollmacht und Anscheinsvollmacht ........................................... 32<br />

2. Vertragsungültigkeit .......................................................................................... 35<br />

a) Voraussetzungen ..................................................................................... 35<br />

b) Grundsatz: Keine Haftung des angeblich Vertretenen gegenüber<br />

dem <strong>Dr</strong>itten .............................................................................................. 35<br />

c) Ausnahme: Haftung des angeblich Vertretenen gegenüber dem<br />

<strong>Dr</strong>itten bei unterlassener Rückgabe der Vollmachtsurkunde ................... 35<br />

d) Haftung des Vertreters gegenüber dem gutgläubigen <strong>Dr</strong>itten .................. 35<br />

3. Schutz des vollmachtlosen Vertreters .............................................................. 35<br />

4. Haftung des vollmachtlosen Vertreters gegenüber dem angeblich<br />

Vertretenen ....................................................................................................... 35<br />

V. Selbstkontrahieren und Mehrvertretung .................................................................... 35<br />

3. Kapitel: Mängel des Vertragsabschlusses und des Vertragsinhalts ........................................... 36<br />

§ 11 Willensmängel [N 966–1066] .............................................................................................. 36<br />

I. Irrtum ........................................................................................................................ 36<br />

1. Der unwesentliche Irrtum.................................................................................. 36<br />

a) Gemeinsamer Irrtum ................................................................................ 36<br />

b) Motivirrtum ............................................................................................... 36<br />

c) Missrechnungen ....................................................................................... 36<br />

2. Der wesentliche Irrtum ..................................................................................... 36<br />

a) Wesentlicher Erklärungsirrtum ................................................................. 36<br />

b) Unrichtige Übermittlung (Übermittlungsirrtum) ......................................... 36<br />

c) Grundlagenirrtum (qualifizierter Motivirrtum) ............................................ 36<br />

d) Grundlagenirrtum über zukünftige Sachverhalte ...................................... 37<br />

3. Wirkungen des wesentlichen Irrtums ................................................................ 38<br />

a) Einseitige Unverbindlichkeit ..................................................................... 38<br />

b) Ungültigkeit oder Anfechtbarkeit des Vertrages? ..................................... 38<br />

c) Zeitliche Beschränkung der Berufung auf Irrtum ...................................... 39<br />

d) Keine Berufung auf Irrtum wider Treu und Glauben ................................. 40<br />

e) Haftung des Irrenden ............................................................................... 40<br />

f) Wirkungen bei Irrtum betreffend ein Dauerschuldverhältnis .................... 40<br />

g) Wirkungen bei Irrtum über einen Teil des Vertragsinhaltes ..................... 40<br />

II. Absichtliche Täuschung ............................................................................................ 41<br />

III. Furchterregung ......................................................................................................... 41<br />

§ 12 Übervorteilung (Wucher) [N 1067–1076] ............................................................................. 41<br />

I. Tatbestandsvoraussetzungen ................................................................................... 42<br />

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II. Rechtsfolgen ............................................................................................................. 42<br />

§ 13 Ungültigkeit des Vertrages [N 1077–1118] ........................................................................... 43<br />

I. Ursprüngliche (anfängliche) Unmöglichkeit ............................................................... 43<br />

II. Rechtswidrigkeit des Vertragsinhaltes ...................................................................... 44<br />

III. Sittenwidrigkeit des Vertragsinhaltes ........................................................................ 44<br />

IV. Rechtsfolgen unmöglicher, rechts- und sittenwidriger Verträge ................................ 45<br />

§ 14 Exkurs: Ungerechtfertigte Bereicherung [N 2019–2084] ..................................................... 45<br />

I. Begriff und Zweck ..................................................................................................... 45<br />

II. Arten ......................................................................................................................... 46<br />

1. Eingriffskondiktion ............................................................................................ 46<br />

2. Leistungskondiktion .......................................................................................... 46<br />

3. Zufallskondiktion ............................................................................................... 46<br />

III. Gegenstand und Umfang der Herausgabepflicht ...................................................... 46<br />

1. Grundsatz der Naturalrestitution ....................................................................... 46<br />

2. Umfang der Herausgabepflicht ......................................................................... 46<br />

4. Kapitel: Erfüllung und Erlöschen der Obligation ......................................................................... 47<br />

§ 15 Gründe für den Untergang der Obligation [N 1323–1408] ................................................... 47<br />

I. Gehörige Erfüllung (= Untergang infolge Befriedigung des Gläubigers) ................... 47<br />

II. Untergang ohne Befriedigung des Gläubigers .......................................................... 47<br />

1. Erlassvertrag (Art. 115 OR) .............................................................................. 47<br />

2. Erlöschen durch Bedingung oder Befristung (Zeitablauf) ................................. 47<br />

3. Novation (Neuerung; Art. 116 f. OR) ................................................................ 47<br />

4. Vereinigung (Konfusion; Art. 118 OR) .............................................................. 47<br />

5. Unverschuldetes Unmöglichwerden der Leistung (Art. 119 OR) ...................... 47<br />

6. Verrechnung (Kompensation; Art. 120 ff. OR) .................................................. 47<br />

III. Exkurs: Erlöschen des Schuldverhältnisses [N 1409–1428] .................................... 48<br />

§ 16 Die gehörige Erfüllung [N 1190–1278] ................................................................................ 48<br />

I. Grundsatz der Naturalerfüllung (Realexekution) ....................................................... 48<br />

II. Voraussetzungen ...................................................................................................... 48<br />

1. Persönliche Voraussetzungen des Schuldners und des Gläubigers ................ 48<br />

2. Inhaltliche Voraussetzungen ............................................................................ 48<br />

a) Grundsatz ................................................................................................ 48<br />

b) Wahlobligation und alternative Ermächtigung .......................................... 48<br />

c) Erfüllungssurrogate: Leistung an Erfüllungsstatt (datio in solutum)<br />

und Leistung erfüllungshalber .................................................................. 48<br />

5. Kapitel: Leistungsstörungen [N 1488–1829] .......................................................................... 50<br />

§ 17 Nichterfüllung infolge Unmöglichkeit der Leistungserbringung [N 1498–1624] .................... 51<br />

I. Begriff der Unmöglichkeit unter OR 97 ..................................................................... 51<br />

1. Nachträgliche objektive und subjektive Unmöglichkeit ..................................... 51<br />

2. Anfängliche subjektive Unmöglichkeit .............................................................. 51<br />

3. Tatsächliche und rechtliche Unmöglichkeit....................................................... 51<br />

4. Unmöglichkeit bei Spezies- und Gattungsschulden ......................................... 52<br />

II. Die vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit .................................................... 52<br />

1. Tatbestandsmerkmale ...................................................................................... 52<br />

a) Vertragspflichtverletzung (Unmöglichkeit) ................................................ 52<br />

b) Zurechenbarkeit (Verschulden) ................................................................ 52<br />

c) Schaden (nach der Differenzhypothese) .................................................. 52<br />

d) Kausalität (zwischen Vertragspflichtverletzung und Schaden) ................. 52<br />

2. Rechtsfolgen .................................................................................................... 52<br />

a) Untergang des Primäranspruchs des Gläubigers .................................... 52<br />

b) Sekundärer Schadenersatzanspruch des Gläubigers .............................. 52<br />

c) Schicksal des Gegenanspruchs bei zweiseitigen Verträgen .................... 53<br />

III. Die vom Schuldner nicht zu verantwortende Unmöglichkeit (Art. 119 OR) ............... 53<br />

1. Voraussetzung: Gelungener Exkulpationsbeweis ............................................ 53<br />

2. Rechtsfolgen .................................................................................................... 53<br />

a) Grundsatz: Beidseitige Schuldbefreiung (OR 119/1 und 119/2)............... 53<br />

b) Ausnahme Nr. 1: Vorzeitiger Übergang der Gefahr (Art. 119 Abs. 3) ...... 53<br />

c) Ausnahme Nr. 2: Stellvertretendes Commodum ...................................... 56<br />

§ 18 Nichterfüllung der noch möglichen Leistung [N 1625–1640] ............................................... 58<br />

I. Tatbestand – Anwendungsfälle: ................................................................................ 58<br />

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1. Ausbleiben der geschuldeten (noch möglichen) Stückschuld .......................... 58<br />

2. Ausbleiben der geschuldeten (noch möglichen) begrenzten<br />

Gattungsschuld ................................................................................................ 58<br />

3. Ausbleiben der geschuldeten (noch möglichen) Gattungsschuld ..................... 58<br />

4. Leistung eines andern als des geschuldeten Leistungsgegenstandes<br />

(sog. Aliud-Lieferung) ....................................................................................... 58<br />

II. Rechtsfolgen ............................................................................................................. 60<br />

§ 19 Nicht gehörige Erfüllung [N 1732–1760] ............................................................................. 60<br />

I. Tatbestand ................................................................................................................ 60<br />

II. Rechtsfolgen ............................................................................................................. 61<br />

§ 20 Schuldnerverzug [N 1641–1731] ......................................................................................... 61<br />

I. Tatbestand ................................................................................................................ 61<br />

II. Eintritt des Verzugs durch Mahnung oder Verfalltag ................................................. 61<br />

III. Rechtsfolgen des Verzugs ........................................................................................ 61<br />

1. Bei Sachleistungen ........................................................................................... 61<br />

2. Bei Geldschulden ............................................................................................. 61<br />

IV. Rechtsbehelfe des Gläubigers bei Verzug ................................................................ 62<br />

§ 21 Haftung des Schuldners für seine Erfüllungsgehilfen [N 1761–1778] ................................. 64<br />

I. Haftungsvoraussetzungen und Abgrenzung zu Art. 55 OR ...................................... 64<br />

II. Umfang der Haftung ................................................................................................. 65<br />

§ 22 Konventionalstrafe [N 1779–1806] ...................................................................................... 66<br />

§ 23 Exkurs: Vorvertragliche Schutzpflichtver- [N 1942–1953] letzungen (culpa in<br />

contrahendo) [N 1996–2018] .............................................................................................. 67<br />

6. Kapitel: Einbezug <strong>Dr</strong>itter in das Schuldverhältnis ....................................................................... 69<br />

§ 24 Abtretung (Zession) [N 2086–2216] ..................................................................................... 69<br />

I. Begriff ....................................................................................................................... 69<br />

II. Zweck ....................................................................................................................... 69<br />

III. Abstraktheit der Zession ........................................................................................... 69<br />

IV. Abtretung künftiger Forderungen .............................................................................. 70<br />

V. Globalzession ........................................................................................................... 70<br />

VI. Verhältnis zwischen Zedent und Zessionar .............................................................. 70<br />

VII. Wirkung der Zession dem Schuldner (debitor cessus) gegenüber ........................... 70<br />

§ 25 Schuldübernahme [N 2299–2348] ....................................................................................... 70<br />

I. Interne Schuldübernahme (Befreiungsversprechen) ................................................ 70<br />

II. Externe Schuldübernahme ....................................................................................... 71<br />

§ 26 Solidarität [N 2388–2448] ..................................................................................................... 71<br />

I. Mehrheit von Schuldnern (Art. 143 ff. OR) ................................................................ 71<br />

II. Mehrheit von Gläubigern (Art. 150 OR) .................................................................... 71<br />

§ 27 Vertrag zugunsten eines <strong>Dr</strong>itten [N 2261–2298] ................................................................. 71<br />

§ 28 Garantieversprechen (Vertrag zu Lasten eines <strong>Dr</strong>itten) [N 2349–2387].............................. 71<br />

7. Kapitel: Ausgewählte handelsrechtliche Verträge ...................................................................... 73<br />

§ 29 Kaufvertrag .......................................................................................................................... 73<br />

§ 30 Agenturvertrag ..................................................................................................................... 73<br />

§ 31 Vertriebsverträge (insbesondere der Alleinvertriebsvertrag) ................................................ 73<br />

§ 32 Lizenzvertrag ....................................................................................................................... 73<br />

8. Kapitel: Grundzüge des Handels- und Gesellschaftsrechts ....................................................... 74<br />

§ 33 Kaufmännisches Gewerbe ................................................................................................... 74<br />

§ 34 Das Handelsregister............................................................................................................. 74<br />

I. Begriff und Öffentlichkeit ........................................................................................... 74<br />

II. Inhalt ......................................................................................................................... 74<br />

III. Eintragungspflicht ..................................................................................................... 74<br />

IV. Eintragungsrecht ....................................................................................................... 74<br />

V. Funktion des Handelsregistereintrags ...................................................................... 74<br />

VI. Wirkungen des Handelsregistereintrags ................................................................... 74<br />

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§ 35 Die Firma ............................................................................................................................. 75<br />

I. Begriff und Zweck ..................................................................................................... 75<br />

II. Allgemeine Grundsätze der Firmenbildung ............................................................... 75<br />

III. Firmenbildung im Einzelnen ...................................................................................... 75<br />

IV. Ausschliesslichkeit der eingetragenen Firma ............................................................ 75<br />

V. Schutz der Firma ...................................................................................................... 75<br />

§ 36 Kaufmännische Buchführung ............................................................................................... 76<br />

I. Grundsatz und Funktion............................................................................................ 76<br />

II. Bilanzvorschriften ..................................................................................................... 76<br />

1. Allgemeine Bilanzvorschriften .......................................................................... 76<br />

2. Verschärfte Bilanzvorschriften .......................................................................... 76<br />

III. Revision des Rechnungslegungsrechts .................................................................... 76<br />

§ 37 Kaufmännische Stellvertretung [N 917–943] ....................................................................... 76<br />

I. Funktion .................................................................................................................... 76<br />

II. Prokura ..................................................................................................................... 76<br />

1. Begründung und Beendigung ........................................................................... 76<br />

2. Umfang der Vollmacht ...................................................................................... 77<br />

3. Beschränkbarkeit .............................................................................................. 77<br />

III. Handlungsvollmacht ................................................................................................. 77<br />

§ 38 Ausgewählte Gesellschaftsformen ....................................................................................... 78<br />

I. Grundlagen ............................................................................................................... 78<br />

II. Einfache Gesellschaft (Art. 530 ff. OR) ..................................................................... 78<br />

1. Begriff und Funktion ......................................................................................... 78<br />

2. Gründung ......................................................................................................... 78<br />

3. Geschäftsführung und Vertretung .................................................................... 79<br />

4. Haftung ............................................................................................................. 79<br />

5. Auflösung ......................................................................................................... 79<br />

6. Bedeutung ........................................................................................................ 79<br />

III. Kollektivgesellschaft (Art. 552 ff. OR) ....................................................................... 79<br />

1. Begriff ............................................................................................................... 79<br />

2. Gründung ......................................................................................................... 79<br />

3. Geschäftsführung und Vertretung .................................................................... 79<br />

4. Haftung der Gesellschaft und der Gesellschafter ............................................. 79<br />

5. Besondere Treuepflicht der Gesellschafter ...................................................... 79<br />

6. Auflösung ......................................................................................................... 79<br />

7. Funktion und Bedeutung .................................................................................. 80<br />

IV. Aktiengesellschaft (Art. 620 ff. OR) ........................................................................... 80<br />

1. Begriff ............................................................................................................... 80<br />

2. Gründung – Voraussetzungen: ......................................................................... 80<br />

3. Organisation ..................................................................................................... 80<br />

a) Generalversammlung ............................................................................... 80<br />

b) Verwaltungsrat ......................................................................................... 80<br />

c) Revisionsstelle ......................................................................................... 81<br />

4. Rechte und Pflichten des Aktionärs .................................................................. 81<br />

a) Mitwirkungsrechte .................................................................................... 81<br />

b) Vermögensrechte ..................................................................................... 81<br />

c) Schutzrechte ............................................................................................ 81<br />

5. Die Aktie ........................................................................................................... 81<br />

a) Begriff ...................................................................................................... 81<br />

b) Arten: Inhaberaktien, Namenaktien und ihre Übertragung ....................... 81<br />

6. Verantwortlichkeit (Haftung) ............................................................................. 81<br />

a) Im Allgemeinen ........................................................................................ 81<br />

b) Bei Überschuldung im Besonderen .......................................................... 81<br />

7. Auflösung ......................................................................................................... 81<br />

8. Funktion und Bedeutung .................................................................................. 81<br />

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