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Leseprobe:<br />
Projekte zur Kulturentwicklung<br />
haben<br />
keine nachhaltig<br />
positive Wirkung<br />
Best Thinking<br />
Denkwerkzeuge<br />
Dynamik robuster<br />
Höchstleistung<br />
Dr. Gerhard Wohland Matthias Wiemeyer
Zwei Dinge<br />
bedrohen ständig die Welt:<br />
Die Ordnung und die Unordnung.<br />
[Albert Einstein]
Best Thinking<br />
Denkwerkzeuge<br />
Dynamik robuster<br />
Höchstleistung<br />
Dr. Gerhard Wohland Matthias Wiemeyer
Inhalt<br />
1 Leseprobe zum Thema »Kultur« 3<br />
2 Die Paradoxie der Kulturentwicklung 5<br />
2.1 Was ist Kultur? 5<br />
2.2 Dynamik als Kultur-Problem 7<br />
2.3 Tayloristische Unternehmenskultur 8<br />
2.4 Verhaltens-Kultur 9<br />
2.5 Werte-Kultur 9<br />
2.6 Unterschiedlicher Handlungskontext 10<br />
2.7 Bewährte Verfahren werden schädlich 11<br />
2.8 Entwicklung von Werte-Kultur 12<br />
2.9 Wie Kultur beobachtet wird – Das Problem<br />
formaler Befragung 13<br />
3 Taylorismus – Aufstieg und Fall einer genialen Idee<br />
15<br />
3.1 Der Ursprung des Taylorismus 15<br />
3.2 Die Folgen der Globalisierung 16<br />
3.3 Die Taylor-Wanne 18<br />
3.4 Zentrum / Peripherie 18<br />
3.5 Die Wirkung von Dynamik auf die Steuerung 20<br />
3.6 Kollaps der Steuerung 21<br />
3.7 Die Taylor-Reserve 21<br />
3.8 Transformation tayloristischer Organisation 22<br />
1
4 Auszug aus dem Glossar 24<br />
4.1 Entscheidung 24<br />
4.2 Erkenntnis 25<br />
4.3 Höchstleistung 25<br />
4.4 Idee 27<br />
4.5 Kastrierte Workshops 27<br />
4.6 Ko-Evolution 28<br />
4.7 Kommunikation 29<br />
4.8 Komplex / kompliziert 31<br />
4.9 Kopplung 32<br />
4.10 Kultur 35<br />
4.11 Moral-Desinfektion 37<br />
4.12 Organisation 38<br />
4.13 Regel / Prinzip 39<br />
4.14 Romantik 39<br />
4.15 Romantische Organisations-Entwicklung 40<br />
4.16 System 40<br />
4.17 Vertrauen / Misstrauen 41<br />
4.18 Werte / Verhalten 42<br />
2
1 Leseprobe zum Thema »Kultur«<br />
Dieser Text ist eine Leseprobe aus einem bald erscheinenden Buches<br />
von Dr. Gerhard Wohland und Matthias Wiemeyer. Der Arbeitstitel<br />
lautet: »Best Thinking – Denkwerkzeuge Dynamikrobuster<br />
Höchstleistung«.<br />
Die Idee zum Buch ergab sich aus der Beschäftigung mit<br />
→Höchstleistungs-Unternehmen. Diese Unternehmen erzeugen<br />
den Druck, unter dem ihre Wettbewerber leiden. Sie arbeiten und<br />
denken anders als die unter Druck stehenden Unternehmen. Sie<br />
folgen nicht den empfohlenen »Best Practices«, sondern orientieren<br />
sich am »Best Thinking« ihrer →Talente. Diese intelligente<br />
Umorientierung unterscheidet sie von ihren Konkurrenten. Ihre<br />
Leistung ist eigenständig, wie die Talente, die sie erzeugen.<br />
Höchstleistung in dynamischer Umgebung beruht immer auf der<br />
Entwicklung einer spezifischen Leistungsidentität. Dazu gibt es<br />
keine verbindlichen Handlungsempfehlungen. Jedes Unternehmen<br />
muss die passenden Handlungsweisen selbst entdecken. Dabei<br />
hilft die Orientierung an den Denkweisen der →Höchstleister.<br />
Beratung im Kontext hoher →Dynamik kann sich daher nicht länger<br />
auf Handlungsempfehlungen beschränken, sondern muss auch<br />
Empfehlungen für passendes Denken liefern.<br />
Deshalb haben wir versucht, das innovative Denken dieser dynamikrobusten<br />
Höchstleister zu verstehen und zu nutzen. Wir beschreiben<br />
es durch etwa 25 »Denkwerkzeuge«. Die Basis dieser<br />
Werkzeuge sind begriffliche Unterscheidungen, zum Beispiel die<br />
zwischen →Wissen und →Können. Ohne professionelle Denkwerkzeuge<br />
kann in dynamischem Umfeld keine zum Handeln ausreichende<br />
Übersicht gewonnen werden.<br />
Das Buch enthält – ebenso wie die nachfolgende Leseprobe – zwei<br />
Arten von Texten. Der erste Teil benutzt die Denkwerkzeuge und<br />
demonstriert damit ihre Wirkung. Meist setzen wir uns dabei mit<br />
klassischen Management-Selbstverständlichkeiten auseinander.<br />
3
Der zweite Teil ist ein Glossar. Es enthält die Beschreibung der<br />
→Denkwerkzeuge sowie der →Begriffe und →Unterscheidungen, die<br />
dazu benötigt werden. Das Zeichen »→« verweist auf das Glossar.<br />
Hinter die Behandlung des ausgewählten Themas haben wir ein<br />
allgemeines Kapitel zum Aufstieg und Fall des Taylorismus gestellt.<br />
Es beschreibt den gemeinsamen Denkhintergrund aller im Buch<br />
enthaltenen Denkwerkzeuge.<br />
4
2 Die Paradoxie der Kulturentwicklung<br />
Dass die →Kultur eines Unternehmens für den betriebswirtschaftlichen<br />
Erfolg mindestens ebenso wichtig ist wie schlanke Prozesse,<br />
der sparsame Umgang mit knappen Ressourcen oder eine moderne<br />
EDV wird heute von den meisten Managern akzeptiert. Diese Einsicht<br />
ist nahe liegend.<br />
Wer Unternehmen besucht, die Spitzenleistungen erreichen, spürt<br />
ein besonderes Klima. Das muss die Kultur sein. Wer versucht, an<br />
deren Leistungsfähigkeit Anschluss zu finden, indem er einfach<br />
Technologie und Prozesse kopiert, erleidet meist Schiffbruch. Da<br />
fehlt offenbar die passende Kultur.<br />
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass viele Unternehmen<br />
versuchen, ihre eigene Kultur durch eine bessere zu ersetzen.<br />
2.1 Was ist Kultur?<br />
Wer aus dem Scheitern der Kulturentwicklungsprojekte den<br />
Schluss zieht, →Kulturentwicklung sei unmöglich, der irrt und hat<br />
recht. Gleichzeitig. Kulturentwicklung ist ein unlösbares Problem,<br />
weil es keines ist. Die Kultur ist der Schatten der Verhältnisse im<br />
Unternehmen. Werden die Verhältnisse verbessert, spiegelt sich<br />
dies in der Kultur.<br />
Diese Argumentation hat ein paar Haken. Auf diese wird weiter<br />
unten eingegangen. Natürlich erledigt sich das »Kulturproblem«<br />
nicht von selbst, wenn man aufhört, es zu beachten. Bevor dazu<br />
Genaueres gesagt werden kann, muss jedoch klar formuliert werden,<br />
wovon überhaupt die Rede ist, wenn über Kultur gesprochen<br />
wird.<br />
Wo Menschen sich in sozialem Kontext bewegen (als Fußballfan<br />
in der Nordkurve, in einer Opernloge oder als Mitglied einer<br />
→Organisation), ist nicht beliebig, wie man sich verhält. Damit<br />
5
eine Organisation ihr Ziel erreicht, müssen sich ihre Mitglieder in<br />
einem passenden Rahmen bewegen. Dieser Rahmen besteht nicht<br />
nur aus expliziten →Regeln, sondern auch aus →Werten. Werte sind<br />
die Atome der →Kultur. Sie wirken als Kraftfelder für →Verhalten.<br />
Zwar legen sie nicht fest wie gehandelt wird, erleichtern aber das<br />
Verhalten, das ihnen entspricht. Etwa so, wie eine Landschaft<br />
keine Wege vorschreibt, aber manche Wege leichter begangnen<br />
werden können als andere. (→strukturelle Kopplung)<br />
Das Zusammenwirken der Werte einer Organisation heißt Kultur.<br />
Kultur ist ein Gedächtnis, das Erfahrungen in Werten aufhebt.<br />
Was sich für die Stabilisierung der Organisation als nützlich erwiesen<br />
hat, wird zum Wert. Sind Werte einmal in das kulturelle Gedächtnis<br />
aufgenommen, kann man sich auf ihre Gültigkeit verlassen.<br />
Sie sind für alles Denken und Handeln als ungefragter Kontext<br />
gegenwärtig – ein Gedächtnis eben.<br />
Welche Werte wirksam sind, hängt von der Umgebung ab, in der<br />
gehandelt wird. In der Nordkurve muss Krach gemacht werden, in<br />
der Oper darf man Krach durch »pssst« sagen unterbinden.<br />
Ohne Kultur wäre →Kommunikation zu schwierig. Nichts wäre<br />
selbstverständlich. Über alles müsste immer wieder neu verhandelt<br />
werden. Kultur erleichtert die Kommunikation in Organisationen,<br />
indem sie Selbstverständlichkeiten liefert und verteidigt.<br />
In diesem Sinne wirkt Kultur konservativ.<br />
Andererseits gibt es im Zuständigkeitsbereich einer Kultur immer<br />
wieder Grenzfälle. Situationen, für die sich die zuständigen Werte<br />
widersprechen. Wären Werte logisch konsistent, wäre irgendwann<br />
alles klar, alles wäre gesagt, Kommunikation nicht mehr nötig.<br />
Nur weil die Kultur so gebaut ist, dass sie nicht zur Ruhe kommen<br />
kann, ist sie noch da.<br />
6
Weil die Kultur mit Unklarheit versorgt, sorgt sie für Entwicklung.<br />
Immer wieder wird ausprobiert, ob und für welche Situation welcher<br />
Wert noch Geltung hat.<br />
In diesem Sinne sorgt Kultur für Neugier und Innovation.<br />
Dies kann für Entwicklung von →Unternehmen genutzt werden.<br />
Kultur ist die unruhige Abbildung der Verhältnisse. Sie provoziert<br />
zum Bewahren und zum →Lernen. Als Abbild (Schatten) entwickelt<br />
sie sich nur mit den Verhältnissen, die sie abbildet. Daher kann<br />
sich keine Organisation die Kultur aussuchen, die in ihr wirksam<br />
ist. Nur wenn sich die Verhältnisse ändern, ändern sich die Erkenntnisse<br />
und Erfahrungen, die die Kultur als Gedächtnis aufbewahrt.<br />
Es ist daher sinnlos, von einer Organisation eine bestimmte<br />
Kultur zu fordern. Wird eine Kultur durch Belehrung oder Forderung<br />
nach bestimmten Werten, die »gelebt« werden sollen belästigt,<br />
erscheinen ihre Träger als renitent, stur und konservativ.<br />
Kulturentwicklung als Erziehung von Menschen endet immer in<br />
einer Havarie. Weil das »Kulturproblem« nicht aus der Dummheit<br />
oder dem bösem Willen einzelner Personen besteht, kann es durch<br />
Belehrung und Ermahnung nicht gelöst werden.<br />
In diesem Sinne ist Kultur autonom.<br />
2.2 Dynamik als Kultur-Problem<br />
Unternehmen, die in träger Marktumgebung oder gar als Behörde<br />
erfolgreich waren, tradieren noch die Kultur einer tayloristischen<br />
(s. Kap. 3) →Wertschöpfung. Diese Kulturen stabilisieren Reglementierung,<br />
Hierarchie, Disziplin, Ordnung und Gehorsam. In<br />
träger Umgebung ist dies ein Vorteil. Normierung, Standardisierung<br />
und Skaleneffekte erzeugen Effizienzgewinne, die solche<br />
zentral und hierarchisch gesteuerten Organisationen nutzen können.<br />
7
Heute befinden sich auch diese Unternehmen bereits in einer<br />
hochdynamischen Marktumgebung (→Dynamik). Wegen der geringen<br />
Lernfähigkeit ihrer →Organisation, können sie sich aber nur<br />
schwer an veränderte Marktbedingungen anpassen. Die notwendige<br />
Konkurrenzkraft kann sich nicht oder nur schwer entwickeln.<br />
Es kommt zu einer permanenten Überlastung der Organisation,<br />
ihrer Organe und Mitglieder. Und damit zu einer weiteren Reduktion<br />
der Lernfähigkeit. Bleibt diese Situation länger bestehen, so<br />
entsteht eine Misstrauenskultur (→Misstrauen, →Vertrauen). Oder<br />
anders gesagt, die Organisation »verblödet« und die Kultur bildet<br />
dies ab. Die Existenz des Unternehmens ist gefährdet.<br />
2.3 Tayloristische Unternehmenskultur<br />
In den vergangenen hundert Jahren war der dominierende Typ der<br />
Wertschöpfung der so genannte →Taylorismus (s. Kap. 3). Vor dem<br />
Taylorismus war die vorherrschende Organisationsform produzierender<br />
Unternehmen die →Manufaktur. Manufakturen haben eine<br />
sehr Dynamik-robuste →Wertschöpfung. Die erfahrenen Meister<br />
und ihre Gesellen können ohne langen Planungsvorlauf alles herstellen,<br />
was sie sich vorstellen können. Auch in Kleinserien und<br />
kundenindividuell.<br />
Der Taylorismus wurde erfunden, als die Märkte (vor allem durch<br />
Eisenbahn und Dampfschifffahrt) weiter und damit träger wurden.<br />
Jetzt wurden Größe und Kostenführerschaft Kennzeichen Markt<br />
führender Unternehmen. Die Beweglichkeit der Manufaktur war<br />
kein Wettbewerbsvorteil mehr. Der Kern des Taylorismus war die<br />
Anpassung der dynamischen Wertschöpfung einer Manufaktur an<br />
die veränderten Wettbewerbsbedingungen träger Märkte. Das<br />
geschah vor allem dadurch, dass der Beitrag der beteiligten Menschen<br />
auf die Teilnahme an beschreibbaren →Prozessen reduziert<br />
wurde.<br />
8
2.4 Verhaltens-Kultur<br />
In dieser Umgebung reicht es, wenn Menschen sich, gemäß gesetzter<br />
Regeln, richtig verhalten. Die Kultur kommt mit einem einzigen<br />
Wert aus: »Während der Arbeite sind gesetzte Regeln einzuhalten.«<br />
oder anders: »Dienst ist Dienst, Schnaps ist Schnaps.«<br />
Die lange erfolgreiche Tradition des Taylorismus hat dazu geführt,<br />
dass der Begriff Kultur heute meist mit dieser eingeschränkten<br />
Bedeutung verwendet wird. Im Taylorismus ist Kultur das Verhältnis<br />
von gesetzter Regel und dem Verhalten von Menschen.<br />
Werden Regeln eingehalten, ist die Kultur in Ordnung. Diese Trivialisierung<br />
der Kultur ist eine wichtige Errungenschaft des Taylorismus.<br />
Tayloristische Kultur kann dadurch erzeugt und verändert werden,<br />
dass Verhalten gefordert, Gehorsam belohnt und Abweichung<br />
sanktioniert wird. Man spricht deshalb von einer →Verhaltens-<br />
Kultur.<br />
2.5 Werte-Kultur<br />
Für dynamische ~Märkte ist tayloristische Organisation nicht geeignet.<br />
Ihre Betonung zentraler Steuerung wird in überraschungsreicher<br />
(komplexer) Umgebung zum Nachteil. In der marktnahen<br />
→Peripherie muss oftmals autonom entschieden werden (s. Kap.<br />
3.5 bis 3.8).<br />
Autonomes Handeln geschieht immer im Kraftfeld der vorhandenen<br />
Werte. (Wenn das Handeln nicht durch Regeln bestimmt<br />
wird, ist der Handelnde mit seinen Werten »allein«. Er hat keine<br />
andere Orientierungsmöglichkeit.)<br />
Damit die Vielfalt autonom getroffener Entscheidungen sich zu<br />
einer wettbewerbsfähigen Leistung ergänzt, wird ein passender<br />
Werte-Hintergrund im →Unternehmen benötigt. →Kultur ist jetzt,<br />
9
wie in der umgebenden Gesellschaft schon immer, auch in Unternehmen<br />
eine Art Gedächtnis, das Erfahrungen in Form von Werten<br />
aufhebt.<br />
Der Kulturtyp, der die passende Werte für autonome Entscheidungen<br />
zur Verfügung stellt, heißt →Werte-Kultur.<br />
2.6 Unterschiedlicher Handlungskontext<br />
Viele Manager und Mitarbeiter von →Unternehmen teilen – nachdem<br />
die Begriffe erläutert wurden – die Einschätzung, dass zur<br />
Bewältigung gestiegener →Dynamik eine →Werte-Kultur benötigt<br />
wird. Die meisten erkennen die Notwendigkeit mühelos, ohne<br />
dass sie ein Berater darauf hinweist. Gerade diese Einsicht führt sie<br />
oft in Schwierigkeiten.<br />
Zur Erinnerung sei noch einmal an den unterschiedlichen Handlungskontext<br />
bei niedriger und hoher Dynamik hingewiesen:<br />
Bei niedriger Dynamik kann ein Mitarbeiter damit rechnen, dass es<br />
für jede wichtige Situation eine Verhaltensregel gibt, nach der er<br />
sich richten kann. Das entlastet von Verantwortung – vor allem<br />
dann, wenn sich die →Regel als unpassend und das Handeln als<br />
→Fehler herausstellen sollte. Dann war eben die Regel falsch, aber<br />
nicht das →Verhalten. Nun wird die Regel so geändert, dass in<br />
Zukunft richtig gehandelt werden kann.<br />
Wenn die Dynamik ansteigt, muss häufiger gehandelt werden,<br />
obwohl es (noch) keine passende Regel gibt. Wer handeln will,<br />
muss auf Basis seiner →Werte eine →Entscheidung treffen. Eine<br />
andere Möglichkeit gibt es nicht. Wenn das Handeln jetzt falsch<br />
ist, trägt der Handelnde die Verantwortung. Das ist der Unterschied<br />
zum Regel-basierten Handeln bei niedriger Dynamik.<br />
10
2.7 Bewährte Verfahren werden schädlich<br />
So weit so gut. Diese Konsequenz hoher →Dynamik wird meist<br />
gesehen und anerkannt. Die blockierende →Paradoxie wird erst<br />
dann wirksam, wenn versucht wird, die notwendige Wertebasis<br />
genauso zu erzeugen wie früher die Basis für richtiges Verhalten.<br />
Früher wurden die falschen →Regeln sichtbar gemacht und durch<br />
richtige ersetzt. Danach wurde die Einhaltung der richtigen Regeln<br />
gefordert. Diese Forderung konnte bei gutem Willen erfüllt werden.<br />
Wird das gleiche Verfahren benutzt, um »falsche« durch »richtige«<br />
→Werte zu ersetzen, so entsteht die blockierende Paradoxie. Im<br />
Gegensatz zum Verhalten unterliegen Werte nicht dem eigenen<br />
Willen. Nehmen wir zum Beispiel den Wert »→Vertrauen«. Er ist<br />
allgemein als unverzichtbare Basis anerkannt, um mit den modernen<br />
Problemen hoher Dynamik umzugehen. Jeder Mensch könnte<br />
wissen, dass er ein bestehendes Misstrauen, gegen wen und was<br />
auch immer, nicht willentlich durch Vertrauen ersetzen kann. Wer<br />
einem Gebrauchtwagenhändler gegenüber Misstrauen hegt, kann<br />
sich nicht einfach entscheiden, ihm zu vertrauen. Er kann trotz<br />
Misstrauen ein Auto kaufen. Das ist etwas anderes, als Misstrauen<br />
durch Vertrauen zu ersetzen. Er kann sich bestimmte Eigenschaften<br />
schriftlich bestätigen lassen oder eine Garantieversicherung<br />
abschließen. Auch diese Maßnahmen begründen kein Vertrauen.<br />
Sie werden gerade deshalb notwendig, weil Vertrauen fehlt.<br />
Weil niemand sich seine Werte aussuchen kann, ist die Forderung<br />
nach bestimmten Werten (vertraut einander!) nicht erfüllbar.<br />
Wird sie dennoch gestellt, bleibt nur die Möglichkeit, so zu tun als<br />
ob. Aus Forderungen entstehen also keine anderen Werte, sondern<br />
Heuchelei.<br />
Die Übertragung der Gestaltungsmethoden tayloristischer →Verhaltens-Kultur<br />
auf die Kultur-Probleme moderner dynamischer<br />
11
Märkte ist sehr weit verbreitet. Es wird nicht bemerkt, dass dieses<br />
Vorgehen die Kausalitäten auf den Kopf stellt und daher nicht<br />
erfolgreich sein kann. Das Scheitern der Kulturentwicklungsprojekte<br />
wird dann als Sturheit oder Verweigerung der Mitarbeiter<br />
ausgelegt, die doch anders könnten, wenn sie nur wollten.<br />
Diese Vorgehensweise ist selbstverständlich geworden: Jeder kann<br />
seine Werte verstecken; indem er sie für sich behält. Er kann jeden<br />
geforderten Wert spielen und nur so tun als ob. Nur: wer diesen<br />
Zwang zur Heuchelei an sich beobachtet, muss ihn auch für andere<br />
vermuten. Irgendwann wissen alle von allen, dass geheuchelt<br />
werden muss, um sich zu arrangieren. In dieser Situation ist es<br />
vernünftig, sich gegenseitig zu misstrauen.<br />
Die Forderung nach Vertrauen erzwingt also Misstrauen. Am Ende<br />
entsteht das Gegenteil des Geforderten – eine Misstrauenskultur.<br />
2.8 Entwicklung von Werte-Kultur<br />
Der Versuch, die eigene →Kultur zu entwickeln, ist durch eine →Paradoxie<br />
blockiert.<br />
Kultur ist der Schatten der herrschenden Verhältnisse. Sie ist kausal<br />
»hinten« und kann nur indirekt verändert werden. Wenn es<br />
gelingt, die Verhältnisse zu ändern, folgt die Kultur wie Schatten<br />
das eben tun. Da die eigene Kultur nicht Ursache sondern Ergebnis<br />
der Verhältnisse ist, braucht (kann) sie nicht entwickelt zu werden.<br />
Wenn es gelingt die Verhältnisse zu ändern, verändert sich die<br />
Kultur von alleine.<br />
Im Kontext hoher →Dynamik ist die Entwicklung von Kultur kein<br />
eigenständiges Problem mehr. Das Problem ist die Anpassung der<br />
inneren Verhältnisse eines →Unternehmens an seine Umgebung.<br />
Kultur ist nur insofern wichtig, als sie die Qualität dieser Bemühungen<br />
sichtbar macht. Die Eigene Kultur ist unbestechliche Qualitätsinstanz<br />
für die eigene Organisationsentwicklung.<br />
12
Moderne →Organisation braucht keine →Kulturentwicklung, sondern<br />
eine Kulturbeobachtung.<br />
Das kann in folgendem Zyklus geschehen:<br />
1. Beschreibung der Ist-Kultur durch Beobachtung von außen.<br />
2. Beschreibung der (Miss)-Verhältnisse, die diese Kultur so erzeugen<br />
3. Veränderung dieser Verhältnisse<br />
4. Beobachtung der Widerspiegelung in der eigenen Kultur<br />
2.9 Wie Kultur beobachtet wird –<br />
Das Problem formaler Befragung<br />
→Organisation (hier verstanden als soziales System und nicht als<br />
Organigramm und Prozessbeschreibung) besteht aus<br />
→Kommunikation über →Entscheidungen. Die Leistungsfähigkeit<br />
einer Organisation ist mit der Qualität ihrer Kommunikation identisch.<br />
Oft werden Fragebögen eingesetzt, um die Mitarbeiter nach dem<br />
Ist-Zustand ihrer Organisation zu befragen. Durch schriftliche<br />
Fragen wird immer nur eine einzelne Person erreicht. Die Motive<br />
der Antwort bleiben verborgen. Sie könnten nur durch Kommunikation<br />
sichtbar gemacht werden.<br />
Kommunikation macht Meinungen nicht nur sichtbar, sondern<br />
erzeugt sie auch. Beispiel: Applaus oder Buh-Rufe im Theater,<br />
Stimmung im Stadion. Hier erzeugt Kommunikation unter Anwesenden<br />
eine Identität (Publikum) mit einer »Meinung«.<br />
Bei Umfragen wird diese Meinung machende Kommunikation<br />
durch mathematische Methoden ersetzt. Es entsteht eine statistisch<br />
erzeugte fiktive Identität. Beispiel: Einschaltquote für Fern-<br />
13
sehprogramme oder Wahlergebnisse. Die fiktiven Identitäten sind<br />
»der Fernsehzuschauer«, »der Wähler« oder eben »die Belegschaft«.<br />
Ohne kommunikative Ergänzung besteht die Gefahr, Maßnahmen<br />
zu ergreifen, die die Zahlen verbessern, nicht aber die Situation<br />
oder die Meinung darüber. Formale Befragung kann Anlass, nicht<br />
aber Basis für Veränderung sein, da die Bedeutung der Zahlen erst<br />
durch Kommunikation sichtbar wird.<br />
Besonders für komplexe Organisation oder solche, die es werden<br />
muss, gilt: Organisation ist kein statistisches System. Ihre »Meinung«<br />
setzt sich nicht aus den Meinungen ihrer Mitglieder zusammen,<br />
sondern wird erst durch Kommunikation erzeugt.<br />
14
3 Taylorismus –<br />
Aufstieg und Fall einer genialen Idee<br />
3.1 Der Ursprung des Taylorismus<br />
Die besonderen Merkmale dynamikrobuster →Unternehmen lassen<br />
sich am leichtesten verstehen, wenn sie als organisatorische Reaktion<br />
auf Veränderungen in der Marktumgebung betrachtet werden.<br />
Aus dieser Perspektive erschließt sich auch, warum die Benutzung<br />
tayloristischer →Theorie bis heute so weit verbreitet ist und so<br />
oft in gefährliche Denkfallen führt.<br />
Der aus einer Quäkerfamilie stammende amerikanische Ingenieur<br />
Frederick Winslow Taylor (1856-1915) gilt als Begründer der modernen<br />
Arbeitswissenschaft und als Schöpfer eines der erfolgreichsten<br />
Konzepte industrieller Fertigung, des so genannten →Taylorismus.<br />
Zu Taylors Zeiten war der vorherrschende Organisationstyp für<br />
Produktionsunternehmen die Manufaktur: Eine Zusammenfassung<br />
qualifizierter Handwerker mit jeweils eigenen →Methoden und<br />
Werkzeugen. Ein Organisationstyp mit hoher →Komplexität und<br />
relativ niedriger Produktivität, aber gut angepasst an lokal begrenzte<br />
→Märkte, die den Unternehmen ein hohes Maß an Flexibilität<br />
abverlangten. Fertigung kleiner Serien und Orientierung am<br />
Kunden waren für die Manufaktur kein Problem.<br />
Ende des 19. Jahrhunderts wandelte sich der lokal dynamische<br />
Binnenmarkt der USA. Durch billige Transportwege entstanden<br />
große träge Märkte, die fast beliebig aufnahmefähig für billige<br />
Massengüter waren. Für diese neuen →Märkte war die Manufaktur<br />
unnötig komplex, also tu teuer.<br />
Die Branchen der Konsum- und Investitionsgüterindustrie in den<br />
USA versuchten, die Chancen der neuen Märkte zu nutzen, was<br />
jedoch kaum gelang. Taylors Hauptwerk »Grundsätze wissen-<br />
15
schaftlicher Betriebsführung« war eine Reaktion auf diese Situation.<br />
Die bis dahin fast nur technischen Anstrengungen wurden<br />
erweitert um den wissenschaftlich fundierten Produktionsfaktor<br />
»Organisation«. Der Taylorismus begann seine beispiellose Erfolgsgeschichte.<br />
Das tayloristische Kernprinzip des »best practice« gilt bis heute als<br />
modern und ist immer noch weit verbreitet. Es reduzierte die überflüssig<br />
gewordene Komplexität der Manufaktur auf ein Niveau, das<br />
den trägen Massenmärkten angemessen war. So stieg die Produktivität<br />
innerhalb zweier Generationen auf das hundertfache.<br />
3.2 Die Folgen der Globalisierung<br />
Bis in die 90er Jahre des 20. Jahrhunderts waren tayloristische<br />
Prinzipien der Organisation unschlagbar effizient. Dies änderte<br />
sich als sich fast alle wichtigen →Märkte globalisierten und damit<br />
die gesamte →Wirtschaft unter globalen Einfluss geriet.<br />
Märkte globalisieren sich durch Wachstum in der Fläche. Ist ein<br />
Markt schließlich global, ist seine Ausbreitung zu Ende. Es wird<br />
eng. Globale Märkte sind eng, weil sie ihren Ausdehnungsraum so<br />
weitgehend ausgeschöpft haben, dass sich die Marktteilnehmer<br />
nicht mehr ausweichen können.<br />
Mit der Globalisierung von bisher lokalen Märkten wird meist die<br />
Vorstellung von wachsender Weite verbunden. Internationale<br />
Logistik über große Entfernungen, Mehrsprachigkeit oder weltweit<br />
vernetzte EDV sind typische Themen.<br />
Hier ist aber ein anderer Aspekt wichtig. Er kann auch im Biologie-<br />
Labor beobachtet werden. Wenn eine wachsende Population von<br />
verschiedenen Mikroben den Nährboden einer Petri-Schale<br />
schließlich ganz bedeckt, wird es eng. Die Lebensbedingungen<br />
verändern sich. Plötzlich sind die giftigen den schnell wachsenden<br />
16
Pilzen überlegen. Sie erobern neuen Lebensraum, weil es eng ist.<br />
Die anderen werden gehemmt oder sterben ab.<br />
Beginn Ausdehnung<br />
Enge<br />
Dynamik durch Enge: Die schnell wachsenden Pilze (blau) erobern zunächst<br />
rasch Terrain. Sobald es eng wird, verändern sich die Lebensbedingungen.<br />
Jetzt sind die giftigen Pilze (rot) im Vorteil.<br />
Die Enge verändert die Lebensbedingungen. Im »globalen Käfig«<br />
ist kreative Wendigkeit, also →Dynamik, wichtiger als Größe und<br />
minimale Kosten. Jetzt stammt der Marktdruck von sehr flexiblen<br />
Unternehmen, die ihre Konkurrenten ständig mit überraschenden<br />
Ideen belästigen, selbst aber gegen Überraschungen robust sind.<br />
Dieser Marktdruck, oft auch irreführend als Preis-, Termin-, oder<br />
Kundendruck bezeichnet, fällt nicht vom Himmel. Er wird stets<br />
von Wettbewerbern erzeugt, denen irgendetwas leichter fällt, als<br />
den unter Druck gesetzten →Unternehmen.<br />
Nur ein Kundenwunsch, der anderswo erfüllt wird, setzt alle anderen<br />
Unternehmen unter Druck, ihr Leistungsangebot anzupassen.<br />
Marktdruck ist ein sicherer Hinweis, dass es Konkurrenten gibt, die<br />
schon besser funktionieren. Unternehmen mit konventioneller<br />
→Organisation können sich in dieser Umgebung nur mit großer<br />
Mühe halten. Langfristig geraten sie in Existenz bedrohende Bedrängnis.<br />
17
3.3 Die Taylor-Wanne<br />
Die nachfolgende Grafik illustriert die Absenkung und den Wideranstieg<br />
der organisatorischen →Komplexität als Reaktion auf Veränderungen<br />
in der Komplexität der Marktumgebung:<br />
Komplexität<br />
lebendig<br />
(Menschen)<br />
tot<br />
(Maschinen)<br />
träge Massenmärkte<br />
entstehen<br />
1900 1950 2006<br />
Manufaktur<br />
Taylor -Epoche<br />
Moderne<br />
Organisation<br />
18<br />
EDV EDV wird<br />
wird<br />
wirksam<br />
Marktenge durch<br />
durch<br />
Globalisierung<br />
Dynamische<br />
Unternehmen<br />
erzeugen<br />
Marktdruck<br />
Marktdruck<br />
Konventionelle<br />
Unternehmen<br />
erkleiden<br />
Marktdruck<br />
Jahr<br />
Taylor-Wanne: Bis 1900 dominiert die Manufaktur. Dann entstehen neue<br />
Märkte für Massenprodukte. Die Komplexität der Märkte sinkt. Der Taylorismus<br />
senkt die Komplexität der Wertschöpfung und passt sie dadurch der<br />
neuen Situation an. Die Produktivität steigt um das Hundertfache. Die Globalisierung<br />
steigert die Komplexität wieder. Unternehmen, die tayloristisch bleiben,<br />
kommen unter Marktdruck, den die neuen Dynamik robusten Unternehmen<br />
erzeugen.<br />
3.4 Zentrum / Peripherie<br />
Jedes Unternehmen hat sich bezüglich zweier wichtiger Zwänge zu<br />
bewähren. Diese beiden Zwänge gehen aus vom →Markt und vom<br />
Shareholder. Die gewachsene →Dynamik der Märkte verändert die<br />
innere Struktur jedes Unternehmen, ob es will oder nicht. Es wird<br />
ausdifferenziert in →Zentrum und →Peripherie.<br />
Moderne Märkte haben eine hohe Dynamik. Es bleibt wenig Zeit,<br />
die nicht ignorierbaren Reize der Umgebung zu verarbeiten. Des-
halb wandert die entsprechende →Kompetenz nach »außen«, an<br />
die marktnahen Bereiche, die so genannte Peripherie. Kunden in<br />
dynamischen Märkten bevorzugen →Unternehmen mit solcher<br />
dezentraler Kompetenz, da diese schneller und flexibler sind. In<br />
diesem Sinne wird dezentrale Kompetenz zum Wettbewerbsvorteil<br />
in dynamischer Marktumgebung.<br />
In träger Umgebung wirken beide Zwänge auf das Zentrum. In<br />
dynamischer Marktumgebung kann der Zwang des Marktes nicht<br />
mehr so tief ins Unternehmen eindringen. Die entsprechenden<br />
Probleme müssen bereits in der Peripherie, ohne das Zentrum,<br />
bearbeitet werden. Neben dem Kompetenzbereich Zentrum entsteht<br />
ein weiterer – die Peripherie.<br />
Reiz Reiz Reiz<br />
Markt Markt Markt<br />
Reaktion Reaktion Reaktion<br />
Träger Markt<br />
Zentrum<br />
Shareholder<br />
Shareholder<br />
Reiz Reiz<br />
19<br />
Peripherie<br />
Markt Markt<br />
Reaktion Reaktion<br />
Dynamischer Markt<br />
Peripherie<br />
Zentrum<br />
Peripherie<br />
Shareholder<br />
Shareholder<br />
Peripherie<br />
Die Steuerung<br />
kollabiert.<br />
In träger Marktumgebung werden alle externen Reize vom Zentrum verarbeitet.<br />
Auch die peripher wirkenden Marktreize. Diese werden an das Zentrum<br />
weitergeleitet und in Arbeitsanweisungen, Zielvorgaben etc. übersetzt (Steuerung).<br />
Mit dem Anstieg der Marktdynamik wird die Kompetenz zum Umgang mit<br />
Marktreizen an den Rand des Unternehmens, die Peripherie gezogen. Das<br />
Zentrum verliert seinen Kompetenzvorsprung gegenüber der Peripherie. Die<br />
Steuerung kollabiert.
3.5 Die Wirkung von Dynamik auf die Steuerung<br />
Tayloristische Organisation nutzt die Trennung von Wert schöpfender<br />
und nicht Wert schöpfender Arbeit zur Reduktion von<br />
Komplexität. Diese »Befreiung« der →Wertschöpfung steigert die<br />
Produktivität. Allerdings verlieren die Wertschöpfungsprozesse<br />
ihren eigenen Marktkontakt und werden blind für den ökonomischen<br />
Sinn der eigenen Tätigkeit. Sie brauchen die Ermahnung zur<br />
»Kundenorientierung« und als »Blindenhund« eine zentrale operative<br />
→Steuerung.<br />
Das war in der Manufaktur noch anders. Der Meister hatte häufig<br />
direkten Kontakt zu seinen Kunden. Er vereinbarte die Details des<br />
Auftrags und erhielt Rückmeldungen bei Auslieferung und auch<br />
später über den laufenden Gebrauch des Produktes. Daher konnte<br />
er stets selbst beobachten, wovon die Kundenzufriedenheit abhing<br />
und welche neuen Ideen die Attraktivität seines Angebotes steigern<br />
könnten.<br />
Die zentrale Steuerung tayloristischer Systeme besteht aus dem<br />
Management und den zugeordneten indirekten Bereichen wie<br />
Verwaltung, Lagerung, Transport und Kontrolle. Solange die<br />
Marktumgebung konventionell bleibt, ist der zusätzliche Aufwand<br />
für diese zentrale Steuerung viel kleiner als die dadurch erzielbare<br />
Steigerung des Gewinns.<br />
In dynamischer Marktumgebung ändert sich diese Situation: Je<br />
beweglicher der →Markt, desto größer wird der Aufwand für konventionelle<br />
Steuerung. Im weitläufigen und dünn besiedelten<br />
Terrain starrer Märkte kommt der Blindenhund noch gut voran.<br />
Im dichten Gedränge moderner Märkte ist jedoch ständig »Rush-<br />
Hour«.<br />
Die Beweglichkeit der Märkte ist inzwischen so groß, dass jede<br />
konventionelle Steuerung überlastet wird und entsprechend anschwillt.<br />
Im Grenzfall wird die gesamte Wertschöpfung bereits<br />
20
intern verbraucht. Die Steuerung wird zum lebensbedrohenden<br />
Parasiten. In dynamischer Marktumgebung verwenden auch die<br />
besten konventionellen Organisationen bis zu 80% ihrer Arbeitszeit<br />
für Wert verbrauchende Tätigkeiten.<br />
3.6 Kollaps der Steuerung<br />
Wo Probleme gelöst werden, entsteht →Kompetenz aus →Wissen<br />
und →Können. So entwickelt sich um das →Zentrum eine Vielfalt<br />
dezentraler Kompetenz. Zumindest operativ wird die Peripherie<br />
klüger als das Zentrum. Im →Unternehmen hat die Kompetenz der<br />
Peripherie nur eine geringe →kommunikative Reichweite. Außerhalb<br />
ihrer Grenzen wird das Wissen der Peripherie zur Meinung<br />
unter vielen. Es steht daher für die Herstellung von<br />
→Entscheidungen im Zentrum nicht zur Verfügung.<br />
→Steuerung ist die Übertragung von Wissen, setzt also ein Wissensgefälle<br />
voraus. Wenn die »Gegenkompetenz« der Peripherie<br />
das Wissensgefälle vom Zentrum zur Peripherie aufhebt, kollabiert<br />
die Steuerung als →Kopplung zwischen Zentrum und Peripherie.<br />
Für konventionelle →Organisation ist dies eine lebensgefährliche<br />
Bedrohung. Moderne Organisation ist daher von Steuerung auf<br />
→Führung umgestellt.<br />
3.7 Die Taylor-Reserve<br />
Diese für überlastete Taylor-Unternehmen typische Verschwendung<br />
durch internen Wertverbrauch wird in Japan als »Muda«<br />
bezeichnet. Umgekehrt kann diese Verschwendung als Reserve, als<br />
Taylor-Reserve betrachtet werden.<br />
Die konventionelle Rasenmäher-Methode zur Senkung der indirekten<br />
Kosten löst das Problem nicht auf Dauer. Irgendwann ist<br />
21
der Rasen zu kurz, um weiter gemäht werden zu können. Die Kosten<br />
jedoch sind immer noch um Größenordnungen zu hoch.<br />
Auch die übliche Aufrüstung konventioneller Zentralsteuerung<br />
durch EDV-Systeme kann das Problem nicht lösen. EDV-Systeme<br />
können nur →Daten bereitstellen, nicht die benötigte<br />
→Information erzeugen.<br />
Nur Organisationsformen, die ohne zentrale Steuerung auskommen,<br />
sind den modernen Märkten gewachsen. In solchen Unternehmen<br />
erhalten die wertschöpfenden Bereiche ihren eigenen<br />
Marktkontakt zurück und entwickeln die Fähigkeit, ohne den Zeit<br />
raubenden Umweg über zentrale Planungsinstanzen auf überraschende<br />
Veränderungen zu reagieren. (→Selbstorganisation)<br />
Das Management der neuen →Organisation ist aufwendiger als das<br />
tayloristische. Die Taylor-Reserve, die es freisetzt, macht dies bei<br />
weitem wieder wett. Trotz höheren Aufwands ist moderne wertbasierte<br />
Organisation heute die billigere Alternative.<br />
3.8 Transformation tayloristischer Organisation<br />
→Organisation wird gebildet, um die →Komplexität einer Umgebung<br />
auf ein aushaltbares Maß zu reduzieren. Die Leistung der<br />
Organisation besteht in der Herstellung selektiver Ignoranz.<br />
In diesem Sinne ist Organisation die Basis für Spezialisierung und<br />
Arbeitsteilung im Unternehmen. Wenn der Gesamtzusammenhang<br />
bekannt ist und Klarheit darüber besteht, was andere Unternehmensbereiche<br />
tun, kann der Spezialist sich auf seinem Gebiet<br />
etwas einfallen lassen, das auch für die Organisation insgesamt<br />
nützlich ist.<br />
Wächst die →Komplexität der nicht ignorierbaren Umgebung, so<br />
muss auch die eigene Komplexität wachsen. →System und Umwelt<br />
müssen ähnliche Komplexität haben, damit das System seine Überlebensfähigkeit<br />
aufrechterhalten kann.<br />
22
Systemumgebung von →Unternehmen ist der →Markt. Steigt die<br />
Komplexität des Marktes an – konfrontiert er die Unternehmen<br />
wegen der Enge der Globalität also häufiger mit überraschenden<br />
Ideen von Wettbewerbern – so wird das Komplexitätsgefälle zwischen<br />
Markt und Unternehmen als →Marktdruck wahrgenommen.<br />
In einem solchen Umfeld florieren nur Unternehmen, die über<br />
ausreichende Eigenkomplexität verfügen. Sie erzeugen Druck<br />
durch innovative →Ideen und sind gegenüber dem Druck der Wettbewerber<br />
robust.<br />
Transformation tayloristischer Organisation bedeutet daher die<br />
Steigerung der eigenen Komplexität auf das Niveau moderner<br />
flexibler Märkte.<br />
Konventionell tayloristische Organisation kann das erforderliche<br />
Niveau an Komplexität nicht erreichen. Auch oder gerade dann<br />
nicht, wenn die konventionellen Leistungsmerkmale wie Planung,<br />
→Steuerung und →Kontrolle auf Maximale Leistung gebracht werden.<br />
Komplexität als Eigenschaft des Lebendigen kann nur über<br />
die stärkere Nutzung menschlicher Fähigkeiten wie Kreativität,<br />
Intuition oder Initiative erhöht werden. In dynamischen Märkten<br />
wird die Stärke tayloristischer Organisation zur Schwäche.<br />
23
4 Auszug aus dem Glossar<br />
4.1 Entscheidung<br />
Ein Fallschirmspringer kann entscheiden, ob er springt, aber nicht<br />
in welche Richtung er fällt.<br />
Entscheidung ist die Auswahl aus Möglichkeiten, die weder notwendig<br />
noch unmöglich, also →kontingent sind. Kurz: Entscheidung<br />
setzt Unwissen voraus. Was gewusst wird, kann nicht entschieden<br />
werden. Oder Anders: Entscheiden lässt sich nur, was<br />
prinzipiell unentscheidbar ist.<br />
Entscheidungen sind immer dann nötig, wenn Wissen fehlt und<br />
trotzdem gehandelt werden muss. Da Entscheidungen immer<br />
falsch sein können, erzeugen sie Verantwortung und erfordern<br />
Mut. Genau dafür wird ein Manager bezahlt. Wissen wird im Management<br />
nicht benötigt, um Entscheidungen zu fällen, sondern<br />
um die Masse der notwenigen Entscheidungen auf eine aushaltbare<br />
Menge zu reduzieren.<br />
Der umgangssprachliche Begriff Entscheidung bezieht sich auch<br />
auf wissensbasierte Handlungen. Wir nennen dies präziser Sachbearbeitung<br />
oder Verwaltung.<br />
Wenn die Last der Entscheidungen nicht genügend reduziert werden<br />
kann, wird oft nach mathematischer Entlastung gesucht - zum<br />
Beispiel durch Anreizsysteme. Durch mathematische Auswertung<br />
von Mitarbeiter-Bewertung wird Scheinobjektivität erzeugt. Die<br />
»Entscheidung« über Bonus oder Beförderung ergibt sich zwangsläufig,<br />
ohne dass eine Verantwortung aus Entscheidung anfällt.<br />
Diese illusionäre Trivialisierung komplexer Sachverhalte behindert<br />
die Entfaltung von Talent und Können und damit die Entstehung<br />
von Höchstleistung.<br />
24
4.2 Erkenntnis<br />
Wir definieren Erkenntnis als kommunikative Setzung (Konsens),<br />
die die Frage »Warum?« mindestens fünfmal aushält. Für Kultur-<br />
Entwicklung in hoher Dynamik ist Erkenntnis erst dann erreicht,<br />
wenn weder Lob noch Anklage von Personen nötig sind. (→Moral-<br />
Desinfektion)<br />
Bei hoher Dynamik ist Erkenntnis das wichtigste Werkzeug zur<br />
Veränderung von Organisation. Erkenntnis verändert Systeme<br />
allerdings nicht kausal. Wenn ich etwas verstehe, was ich vorher<br />
nicht verstanden hatte bin ich schon ein Anderer. Das gilt auch<br />
für dynamische Organisation.<br />
Erkenntnis ist Theorie-basiertes Erzeugen von Wissen. Wissen ist<br />
kommunikativ erzeugter Konsens über das, was der Fall ist. Theorie<br />
wird benötigt, weil erst durch →Abstraktion aus einer Vielfalt<br />
von Sachverhalten die Gemeinsamkeiten abgeleitet werden können,<br />
durch die von einem auf den anderen geschlossen werden<br />
kann.<br />
4.3 Höchstleistung<br />
Konkurrenzfähigkeit im →System der →Wirtschaft erfordert die<br />
Anpassung der eigenen →Komplexität an das von der Umgebung<br />
gesetzte Maß (Gesetz von Asby). Heute ist fast immer die Steigerung<br />
der eigenen Komplexität das zu lösende Problem. Zu Taylors<br />
Zeiten war es die Absenkung.<br />
Würde bei der Anpassung der Komplexität wesentlich über das Ziel<br />
hinaus geschossen, so würde die Leistung wieder absinken. Zu viel<br />
Komplexität macht aus einem Unternehmen eine Gemeinschaft<br />
von Künstlern, die mit einem modernen Industrieunternehmen<br />
nicht konkurrieren kann.<br />
25
Deswegen kann Höchstleitung nicht mit »High Performance«<br />
übersetzt werden. Es geht nicht einfach um hohe Leistung, sondern<br />
um die in einer bestimmten Umgebung höchst mögliche.<br />
Höchstleitung ist Grenzleistung, also ein bewusster Superlativ. Erst<br />
wenn diese Grenzleistung erreicht wird, wird es »leicht«. Neben<br />
der Höchstleistung ist es anstrengend.<br />
Leistung<br />
26<br />
Höchstleistung<br />
1 K i / K a<br />
Ki: Komplexität innen<br />
Ka: Komplexität außen<br />
Höchstleistung wird erreicht, wenn die →Komplexität der →Organisation und<br />
ihrer Umgebung ähnlich hoch sind. Heute besitzen die meisten →Unternehmen<br />
zu geringe Komplexität. Es ist aber auch möglich, die Steigerung der<br />
Komplexität zu übertreiben.<br />
→Tayloristische →Unternehmen benötigen Grenzleistung nur im<br />
→Zentrum; für Forschung und Entwicklung und im Management.<br />
In ihrer →Wertschöpfung können sie sich mit durchschnittlichen<br />
Leistungen begnügen.<br />
In dynamischen Märkten stammt der →Marktdruck von Unternehmen,<br />
die auch in ihrer Wertschöpfung Höchstleistung einsetzen.<br />
Die Basis dieser Leistung sind →Kultur basierte →Werte und
→Talent basiertes →Können. Deshalb ist →Höchstleistung Kultur<br />
empfindlich.<br />
Höchstleister erzeugen die Marktdynamik, unter der andere Unternehmen<br />
leiden. Sie erzeugen das →Dynamikproblem für ihre<br />
Konkurrenten.<br />
Sie zu verstehen fällt vor allem deshalb schwer, weil ihre besondere<br />
Leistungsfähigkeit nicht auf →Wissen, sondern auf →Können<br />
beruht. Wissen ist kommunizierbar, Können nicht. Wer einen<br />
Höchstleister nach den Gründen seiner Leistungsfähigkeit befragt,<br />
bekommt daher meist irreführende Antworten.<br />
4.4 Idee<br />
Ohne Problem gibt es keine Ideen. Ideen sind eine Vorform einer<br />
→Erkenntnis.<br />
Intelligenz erzeugt Erwartungen. Werden diese enttäuscht, entsteht<br />
Irritation. Irritation erzeugt einen Überschuss an Ideen. Die<br />
meisten sind unbrauchbar und werden schnell verworfen.<br />
Die Qualität einer Idee ist ihr Beitrag zur Lösung eines überraschenden<br />
Problems. Damit nicht jede Idee ausprobiert werden<br />
muss, wird →Theorie benötigt. Theorie kann die Schnapsideen<br />
kenntlich machen.<br />
→Theorie<br />
→Problem<br />
4.5 Kastrierte Workshops<br />
Wenn Probleme einen hohen Innovations-Anteil haben, sind<br />
Ideen unverzichtbare Lösungsbasis.<br />
27
Das Erzeugen von Ideen zur Lösung von Problemen ist ein fast<br />
unbekanntes Verfahren. Meistens wird sofort nach »konkreten<br />
Maßnahmen« zur Lösung des Problems gesucht.<br />
Maßnahmen setzen jedoch ein verstandenes Problem voraus. Ein<br />
noch nicht verstandenes Problem ist unlösbar.<br />
Diese Workshops heißen »kastriert«, weil das Erzeugen von Erkenntnis<br />
und brauchbaren Ideen durch das Weglassen von Maßnahmen<br />
geübt wird.<br />
4.6 Ko-Evolution<br />
Systeme, die für einander Umgebung sind, sich also einen Lebensraum<br />
teilen ohne sich kausal beeinflussen zu können, nennt man<br />
strukturell gekoppelt. Die Evolution solcher Systeme vollzieht sich<br />
in Abgrenzung und in Bezug aufeinander. (strukturelle→Kopplung)<br />
Führung und Geführte in einem Unternehmen sind auf diese Weise<br />
ko-evolutiv gekoppelt. Das bedeutet unter anderem, dass sie<br />
immer gleiche Qualität haben. Es gibt keine Leistungsfähige Belegschaft<br />
und eine unfähige Führung oder umgekehrt. Führungsschwäche<br />
ist immer auch Schwäche der Geführten.<br />
Das →Medium der →Kopplung ist die →Widerständigkeit. Über die<br />
gegenseitige Widerständigkeit provozieren die Systeme gegenseitig<br />
ihre Entwicklung (→Lernen). Die Widerständigkeit struktureller<br />
Kopplung ist also eine Form von Kooperation, nicht etwa der Konkurrenz.<br />
Kollabiert die Widerständigkeit der Führung, so entsteht Beliebigkeit,<br />
die oft als Freiheit geschönt wird. Kollabiert die Widerständigkeit<br />
der Belegschaft, so hält die Führung früher oder später jede<br />
seiner Ideen für genial (→Verblödung).<br />
→Strukturelle Kopplung<br />
→Widerständigkeit<br />
28
4.7 Kommunikation<br />
Eine Mail ist noch keine →Information und ihr Versenden noch<br />
keine Kommunikation, sondern nur eine →Mitteilung. Erst wenn<br />
eine Mail als Mitteilung verstanden ist, hat Kommunikation stattgefunden.<br />
Und erst wenn der Adressat aus der Mitteilung Information<br />
erzeugen kann, kann weitere Kommunikation stattfinden.<br />
Um mit →Dynamik-Problemen in →Unternehmen umzugehen,<br />
reicht der übliche technische Kommunikationsbegriff nicht aus,<br />
wonach Kommunikation das Kopieren von Information von einem<br />
System zum anderen ist. Besonders den zunehmenden<br />
→Havarien ist so nicht beizukommen. Sie beruhen meist auf diesem<br />
naiven Kommunikationsbegriff.<br />
Wir nehmen Kommunikation als →Operation nicht zwischen,<br />
sondern in einem →Sozialen System welches keine →Menschen<br />
enthält, wie zum Beispiel ein →Unternehmen. Kommunikation ist<br />
nicht der Transport von →Information, sondern ein Werkzeug zu<br />
ihrer Herstellung. Menschen können nicht kommunizieren, nur<br />
ein Kommunikatives System kann das. Wenn sich zwei ohne Hilfe<br />
Kommunikativer Systeme begegnen, ein Neandertaler und ein<br />
homo sapiens zum Beispiel, dann können sie sich nur wahrnehmen,<br />
als jagdbare Nahrung vielleicht. Kommunikation wäre, wenn<br />
überhaupt, erst nach längerer Zeit möglich.<br />
Wenn sich heute Menschen begegnen, direkt oder indirekt über<br />
→Zeichen (Schrift), dann nutzen sie solche kommunikativen Systeme.<br />
Das heißt, sie wählen Information zur Mitteilung so aus,<br />
dass dies als Versuch zur Kommunikation verstanden und angenommen<br />
werden kann. Andernfalls benimmt man sich<br />
»daneben«.<br />
Bezahlen nach einem Essen im Restaurant ist eine Kommunikation<br />
im →System Wirtschaft. Ein Gastgeschenk vor einer Mahlzeit<br />
bei Freunden ist eine Kommunikation im System Liebe. Diese<br />
29
Kommunikationen sind nur möglich, weil sie von den Sub-<br />
Systemen der →Gesellschaft zur Verwendung vorgehalten werden.<br />
Ohne das System Wirtschaft könnte im Restaurant nicht bezahlt<br />
werden. Es gäbe weder →Geld noch →Preise. Die Chance, dass Kellner<br />
und Gäste sich ohne das System der Wirtschaft einigen könnten,<br />
ist sehr gering. Kommunikation ist generell verfügbar, weil<br />
von den beteiligten Bewusstseinen nichts Bestimmtes verlangt ist.<br />
Sie können und müssen, jedes für sich, und jedes anders, denken<br />
und erleben.<br />
Kommunikation wird von den Beteiligten nicht gemacht, sondern<br />
eher wie ein wabbeliger Pudding balanciert. Wenn man nicht<br />
aufpasst, kann Kommunikation entgleiten, Beispiel Ehekrise, Streik<br />
oder Krieg. Auch wenn alle Beteiligten es wollten, destruktiv gewordene<br />
Kommunikation kann nicht einfach ausgewechselt werden.<br />
Das Kommunikative System funktioniert in eigener Struktur,<br />
isoliert von jeder direkten Einflussnahme der Beteiligten.<br />
Folgendes Spiel, sei zur Illustration vorgestellt. Es zeigt, dass sich<br />
erst ein →System bilden muss, bevor Kommunikation möglich ist.<br />
Jedem Mitglied einer kleinen Gruppe von Menschen mit verbundenen<br />
Augen und Sprechverbot wird eine Ordnungsnummer mitgeteilt.<br />
Alle wissen, dass jeder eine Nummer hat, wissen aber nicht<br />
welche. Es besteht die Aufgabe, eine nach diesen Nummern geordnete<br />
Reihe zu bilden. Als Spieler stellt man zunächst fest, dass<br />
man die anderen zwar wahrnehmen kann, eine Kommunikation<br />
sich aber nicht einstellt. Am Anfang ist es sogar schwierig festzustellen,<br />
ob der Andere überhaupt etwas miteilen will oder sich nur<br />
tastend orientiert. Nur langsam bildet man richtige, das heißt von<br />
anderen geteilte Erwartungen. Zum Beispiel wird das Klopfen auf<br />
die Schulter eines Anderen als Mitteilung meiner Nummer verstanden.<br />
Es entsteht ein Kommunikatives System. Man kann hinterher<br />
viel lachen, wenn erzählt wird, was jeder bei den einzelnen<br />
Operationen erlebt und sich dabei gedacht hat. Dass schließlich<br />
Klopfen auf die Schulter und nicht Händeklatschen oder Anderes<br />
30
als →Medium entstand, wurde nicht ausgehandelt oder bestimmt,<br />
sondern das haben sich alle eingehandelt.<br />
Diese Beobachtung, dass kommunikative Systeme zwar von den<br />
Akteuren provoziert werden, sich dann aber ablösen und nach<br />
eigener Struktur operieren, ist die Basis moderner Organisations-<br />
und →Kultur-Entwicklung.<br />
→Information/Mitteilung Verstehen<br />
→operationale Schließung<br />
→symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien (sgKM)<br />
4.8 Komplex / kompliziert<br />
Komplexität ist die Eigenschaft eines Systems. Ein System ist<br />
komplex, wenn nicht mehr alles mit allem zusammenhängen<br />
kann und deshalb nach jeder Operation mehrere Folgeoperationen<br />
möglich sind. Komplexe Systeme können nur operieren wenn sie<br />
ihre Operationen ständig durch Entscheidung auswählen. Da diese<br />
Entscheidungen immer auch anders hätten ausfallen können, sind<br />
komplexe Systeme für sich und andere eine Kette von Überraschungen.<br />
Jeder Gedanke in einem Bewusstsein ist auch für den<br />
Denker eine Überraschung.<br />
Die Größe der Vielfalt aus der permanent ausgewählt werden kann<br />
(und muss ), ist das Maß für die Komplexität eines Systems.<br />
Kompliziertheit ist keine Eigenschaft, sondern ein Verhältnis<br />
zwischen einem Bewusstsein und einem »Etwas«. Kompliziertheit<br />
ist immer relativ. Was für den einen kompliziert ist, ist für den<br />
anderen einfach. Ein Stadtplan ist für den Fremden kompliziert,<br />
für den Einheimischen einfach. Kompliziertheit ist ein Maß für die<br />
Unwissenheit eines Beobachters. Kompliziertheit verschwindet<br />
durch Lernen, sie wird kleiner, wenn man klüger wird.<br />
Auch die komplizierteste Maschine oder das gewaltigste Computer-Programm<br />
ist in diesem Sinne nie komplex. Beide können<br />
31
nicht überraschen. Tote Systeme können natürlich Erwartungen<br />
enttäuschen. Ein Bewusstsein empfindet dies zunächst als Überraschung.<br />
Für jedes maschinelle »Verhalten« gibt es aber einen<br />
Grund. Wird er gefunden, so verschwindet die Überraschung.<br />
Beispiel: Das Billard-Spiel<br />
Im Billardspiel wechselt die Dominanz zwischen dem komplexen<br />
Bewusstsein des Spielers und dem komplizierten System aus Kugeln<br />
und Tisch.<br />
Vor dem Stoß liegen die Kugeln bewegungslos auf ihrem Platz. Es<br />
herrscht Ruhe. Der Spieler denkt nach. Er sucht nach einer für den<br />
Gegner überraschenden Idee. Das Lebendige dominiert. Die Komplexität<br />
ist hoch.<br />
Dann der Stoß, die Kugeln flitzen, sich gegenseitig stoßend, über<br />
die Fläche. Das Denken des Spielers ist jetzt unwichtig. Die Kugeln<br />
bewegen sich nach komplizierten physikalischen Gesetzen. Es<br />
passiert nichts Überraschendes mehr. Das Tote dominiert. Die<br />
Komplexität ist gering.<br />
Wenn die nicht ignorierbare Komplexität in der Umgebung moderner<br />
Unternehmen ansteigt (mehr Überraschungen), so muss<br />
auch die Komplexität des Unternehmens ansteigen (Überraschungs-Robustheit).<br />
Die Steigerung der Kompliziertheit zum Beispiel<br />
durch mehr Maschinen bindet Komplexität und behindert<br />
ihr Wachstum.<br />
4.9 Kopplung<br />
Kopplung ist der Gegenbegriff zur Unterscheidung. Sie beschreibt<br />
einen Zusammenhang zwischen unterschiedenen Objekten.<br />
Eine Kopplung ist kausal oder strukturell und lose oder fest.<br />
Kausale Kopplung<br />
32
Wird die Operation eines Systems als Ursache der Operationen<br />
eines anderen Systems beschrieben, so ist die Kopplung kausal.<br />
Kausale Kopplung benötigt eine Beziehung zwischen vorher und<br />
nachher, also von Ursache und Wirkung (z.B. Steuerung: auf Anweisung<br />
folgt Ausführung).<br />
Bei Kausaler Kopplung kann von einer Ursache auf eine Wirkung<br />
geschlossen werden. Die Reaktion kausal gekoppelter Systeme (z.B.<br />
Maschinen oder EDV) auf bestimmte Ursachen sind prognostizierbar.<br />
Je zuverlässiger von kausaler Kopplung ausgegangen werden<br />
kann, umso leichter lässt sich planen, welche Wirkung eine Intervention<br />
auf die zukünftigen Zustände des Systems hat.<br />
Operieren zwei Systeme nur gleichzeitig, so lässt sich ihre Beziehung<br />
als strukturelle Kopplung beschreiben. Hier entsteht die<br />
Beziehung zwischen den Systemen, weil sie füreinander Umwelt<br />
sind.<br />
→Kausalität<br />
Strukturelle Kopplung<br />
Gleichzeitig laufende Ereignisse sind strukturell gekoppelt.<br />
Wenn zwei Systeme nur gleichzeitig operieren, können sie sich<br />
nicht kausal beeinflussen, weil die vorher-nachher Beziehung<br />
fehlt. Sie wirken aufeinander, weil sie sich den gleichen Lebensraum<br />
teilen. Jedes System ist für das andere Umwelt. Sie »spüren«<br />
sich gegenseitig. Dies wird »strukturelle Kopplung« genannt.<br />
Jedes System ist auf bestimmte Gegebenheiten in seiner Umwelt<br />
angewiesen. Zum Beispiel kann eine Organisation sich nur dann<br />
als Unternehmen strukturieren, wenn in der Umgebung ein Markt<br />
mit Konkurrenten und Kunden vorhanden ist. Ändern sich diese<br />
strukturellen Gegebenheiten in der Umgebung, muss das System<br />
reagieren, um seine Lebensfähigkeit zu erhalten.<br />
33
Nicht die Operationen, aber die Strukturen eines Systems sind mit<br />
den Strukturen seiner Umgebung gekoppelt.<br />
Strukturen sind die Landschaft, in der Operationen stattfinden.<br />
Ein System »spürt« die Struktur seiner Umgebung über die<br />
→Widerständigkeit für eigene Operationen.<br />
Schwerkraft ist eine Struktur in der Umgebung körperlicher Bewegung.<br />
Jede Bewegung ist der Schwerkraft ausgesetzt. Die Schwerkraft<br />
kann aber Art und Richtung der Bewegung nicht bestimmen.<br />
Der Bewegungsapparat würde allerdings eine Veränderung der<br />
Schwerkraft »spüren« und sich den veränderten Umständen anpassen<br />
müssen. Seine Strukturen würden sich solange verändern,<br />
bis Bewegung wieder optimal möglich ist. Dabei setzt die Schwerkraft<br />
jeder Variante mehr oder weniger Widerstand entgegen. Sie<br />
ist für das Ergebnis weder bestimmend noch gleichgültig.<br />
Diese Widerständigkeit erzeugt die strukturelle Kopplung. Sie ist<br />
Lernumgebung für das Bewegungssystem. Schwerkraft und Bewegung<br />
sind strukturell gekoppelt.<br />
Widerständigkeit ist die Voraussetzung und die Form struktureller<br />
Kopplung. Fehlt sie, so fehlt die Kopplung.<br />
Ein Papier-Drachen kann nur fliegen, wenn ihm die Widerständigkeit<br />
der Schnur zur Verfügung steht. Reißt sie, fällt er zu Boden.<br />
Lose Kopplung<br />
Wenn die Elemente eines Systems lose gekoppelt sind, können sie<br />
Ereignisse in ihrer Umgebung ignorieren. Eine Störung kann lokal<br />
bleiben. Lose Kopplung ist die Voraussetzung für dezentrale Autonomie.<br />
Wenn durch kausale Kopplung alles mit allem zusammenhängt<br />
(Integration), ist »vor Ort« fast nichts mehr zu entscheiden und<br />
das Zentrum wird mit allem behelligt.<br />
34
→Dezentrale Autonomie und lose Kopplung sind die Voraussetzungen<br />
für →Selbstorganisation der Peripherie.<br />
4.10 Kultur<br />
Kultur ist die Einheit der →Unterscheidung, oder anders, die<br />
→Kopplung von →Verhalten und →Werten. Die Kopplung ist nicht<br />
kausal, sondern strukturell. →Werte und →Verhalten existieren<br />
gleichzeitig, nicht nacheinander. Weder kann vom Verhalten auf<br />
vorhandene Werte geschlossen werden, noch von den Werten auf<br />
Verhalten. Menschen können sich so verhalten als ob sie bestimmte<br />
Werte hätten (Heuchelei) oder sie können sich (mit<br />
schlechtem Gewissen) entgegen ihren Werten verhalten<br />
Die Werte der eigenen Kultur sind die Landschaft, in der Verhalten<br />
stattfindet. Sie ist Ergebnis der Vergangenheit und Kontext für die<br />
Zukunft. So wie eine Landschaft weder alle Wege erlaubt, noch<br />
bestimmte festlegt, bestimmen auch Werte nicht das Verhalten.<br />
Die Bedeutung von Kultur im Kontext wirtschaftlicher<br />
→Wertschöpfung, hängt stark vom Kontext ab. Wir betrachten nur<br />
zwei der historischen Epochen der Wertschöpfung, den<br />
→Taylorismus und die Zeit heute. Tayloristischer Organisation<br />
genügt das richtige Verhalten auf der Vorderbühne der Kultur. Wir<br />
nennen diesen Teil der Kultur →Verhaltens-Kultur. Mit wachsender<br />
Dynamik kann die Hinterbühne der Kultur, die Werte, nicht mehr<br />
ignoriert werden. Diese Hinterbühne der Kultur nennen wir die<br />
→Werte-Kultur.<br />
35
esteht<br />
aus:<br />
wird<br />
erzeugt<br />
durch:<br />
Verhaltens-Kultur<br />
(tayloristisch, träge)<br />
Verhalten (Tun)<br />
Vereinbarung, Pünktlichkeit,<br />
Höflichkeit, Korrektheit, ...<br />
Steuerung (trivial)<br />
Argument, Anweisung,<br />
Drohung, Belohnung, Strafe, …<br />
36<br />
Werte-Kultur<br />
(post-tayloristisch, dynamisch)<br />
Werte<br />
Vertrauen / Misstrauen<br />
Achtung / Missachtung<br />
Liebe / Hass, ...<br />
Führung<br />
Idee, Erkenntnis, Ereignis<br />
Erfahrung, Vorbild, ....<br />
Für tayloristische Organisation reicht eine Verhaltens-Kultur. Für Höchstleistung<br />
in dynamischer Umgebung ist eine Werte-Kultur die unverzichtbare<br />
Basis.<br />
Verhaltens-Kultur<br />
Der Vorteil tayloristischer Organisation ist, dass sie mit dem »richtigen«<br />
Verhalten der Teilnehmer auskommt. Es ist unerheblich<br />
was jeweils dahinter steckt. →Taylorismus ist in diesem Sinne einfach<br />
und robust.<br />
Wenn es nur auf das Verhalten ankommt, kann dies durch zentrale<br />
→Steuerung bewirkt werden. Es reicht, Anweisungen zu geben<br />
und für deren Befolgung zu sorgen. Diese Verhaltens-Kultur wird<br />
gestaltet durch Argumente, Anweisungen, Regeln, Belohung und<br />
Strafe – mehr ist nicht nötig.<br />
Der notwendige Werte-Hintergrund ist schlicht und wird aus der<br />
umgebenden Gesellschaft bereitgestellt. Zum Beispiel: »Dienst ist<br />
Dienst und Schnaps ist Schnaps.« So ist dafür gesorgt, dass ein<br />
»Haushaltsvorstand« zuhause keine →Autorität einbüßt, obwohl er<br />
sich während der Arbeit gehorsam unterordnen muss.
Die heutigen Probleme in den Unternehmen zeigen, dass bei<br />
wachsender Dynamik diese schlichte und robuste Kulturbasis<br />
nicht mehr ausreicht.<br />
Werte-Kultur<br />
In dynamischer Umgebung muss auch dann gehandelt werden<br />
können, wenn die →Zeit nicht reicht, um Anweisung oder →Regel<br />
zu erzeugen. Ohne diesen Macht-Kontext bleibt Handeln entweder<br />
aus, oder es ist notwendig autonom.<br />
Das heißt, die Verhaltens-Kultur ist »abgeschaltet«. Nur noch das<br />
Kraftfeld der vorhandenen Werte-Kultur ist wirksam. Deshalb<br />
kann in dynamischem Umfeld die Hinterbühne der Werte nicht<br />
mehr ignoriert werden. Ihre Qualität wird plötzlich zum entscheidenden<br />
Konkurrenzmerkmal.<br />
Diese Empfindlichkeit für die →Werte, die in einem →Unternehmen<br />
wirken, ist letztlich der Grund für den »Niedergang« der<br />
so erfolgreichen tayloristischen Epoche der →Wertschöpfung.<br />
4.11 Moral-Desinfektion<br />
Moral ist kommunikative Setzung über das was sich gehört und<br />
was nicht. Moral erklärt die Probleme der Welt aus dem Fehlverhalten<br />
von Personen, also mittels Schuld. Das Reduziert die Komplexität<br />
der modernen Welt auf ein erträgliches Maß. Insofern ist<br />
Moral ein Lebensmittel.<br />
Moral stabilisiert Kommunikation und ist damit notwendig für die<br />
Bildung stabiler Organisationen. Im Kontext hoher Dynamik ist<br />
sie aber kein Mittel zur Lösung von Problemen.<br />
Moral kann nur dort angewendet werden, wo Probleme von Individuen<br />
verursacht werden. Bei hoher Dynamik löst sich die<br />
→Organisation von ihren Mitgliedern ab. Es besteht keine kausale<br />
Beziehung mehr zwischen dem, was Menschen tun und wollen<br />
37
und dem, was ihre Organisation daraus macht. Wenn jetzt aus<br />
alter Gewohnheit immer noch mit dem Denken aufgehört wird,<br />
sobald man sich auf einen Schuldigen einigen kann, werden zumindest<br />
Dynamik-Probleme unlösbar. Es entsteht Frustration<br />
durch verwirrte Hilflosigkeit.<br />
Eine Problem-Situation im Unternehmen ist erst dann verstanden,<br />
wenn niemand mehr angeklagt oder gelobt werden muss um den<br />
Sachverhalt zu beschreiben. Dieses Vermeiden von Moral als Erkenntnismittel<br />
muss geübt werden. Ein Mittel sind die so genannten<br />
→Kastrierten Workshops.<br />
4.12 Organisation<br />
Organisation ist ein soziales →System. Wie alle Systeme wird es<br />
gebildet und erhalten durch Operationen gleichen Typs, die sich<br />
verketten und →operational schließen. Durch die laufende Wiederholung<br />
ihrer Operationen sind System (dort wo operiert wird)<br />
und Umwelt (die externen Bedingungen, unter denen operiert<br />
wird) unterscheidbar.<br />
Bei sozialen Systemen ist diese Operation die Kommunikation.<br />
Nur Kommunikation kann zwischen einzelnen Personen eine<br />
soziales System (Gruppe, Organisation, Unternehmen) erzeugen.<br />
Organisation ist das, was Menschen sich als Kontext einhandeln,<br />
wenn sie ein gemeinsames Ziel verfolgen. Ein Ziel verfolgen heißt,<br />
andere, ebenfalls mögliche Ziele auszuschließen. Die Kommunikation<br />
über diese Entscheidungen erzeugt die Organisation.<br />
Eine Gruppe von Menschen kann eine Organisation erzeugen –<br />
wie zum Beispiel eine Warteschlange beim Bäcker. Erfolgreich<br />
handeln kann eine Organisation nur, wenn die Menschen sich<br />
über etwas einig sind. Dieser Konsens heißt →Vision.<br />
38
Die Konzentration auf ein Ziel geschieht durch Spezialisierung der<br />
Kommunikation. Dann können bestimmte Themen leicht und<br />
intensiv, andere schwer oder gar nicht behandelt werden (→Tabus).<br />
4.13 Regel / Prinzip<br />
Regeln sind Kausalbeziehungen der Form »wenn – dann«. Wenn<br />
eine bestimmte Situation gegeben ist, so ergibt sich aus der Regel,<br />
was zu tun ist. Aus einer Regel folgt eine Handlung, ohne dass eine<br />
→Entscheidung notwendig wäre.<br />
Ein Prinzip gilt immer. Es hat keine Voraussetzungen. Andererseits<br />
folgt aus einem Prinzip keine Handlung. Erst wenn auf Basis des<br />
Prinzips eine kontextbezogene →Entscheidung getroffen wird,<br />
kann gehandelt werden.<br />
Weil Entscheidungen immer auch falsch sein können, erzeugt die<br />
Anwendung von Prinzipien Verantwortung.<br />
4.14 Romantik<br />
Die Welt ist komplex. Sie macht sich durch Probleme bemerkbar.<br />
Diese Probleme sind die Form der strukturellen →Kopplung von<br />
Bewusstsein und Welt. Die Welt ist dem Bewusstsein nur über<br />
enttäuschte Erwartungen zugänglich.<br />
Dem Romantiker ist die Welt eine Herzensangelegenheit. Er interessiert<br />
sich nicht dafür, was der Fall ist (Wahrheit), sondern sucht<br />
nach Heilung der Verletzungen durch enttäuschte Erwartungen.<br />
Als Kunstform ist die Romantik ein Gewinn. Als Beobachtungsweise<br />
für die Bewältigung von Dynamikproblemen ist sie nicht geeignet.<br />
39
4.15 Romantische Organisations-Entwicklung<br />
Die Welt ist wie sie ist – nicht wie wir sie und gerne vorstellen<br />
würden. Romantische Organisationsentwicklung geht von letzterem<br />
aus. Das sieht dann z.B. so aus:<br />
Die Führung ist nett zu den Mitarbeitern und bekommt höhere<br />
Leistung als Belohnung.<br />
Wenn Meinungen divergieren wird abgestimmt. (Ob die Welt sich<br />
dem Votum wohl beugen wird?)<br />
4.16 System<br />
Der hier benutzte systemtheoretische Begriff des Systems ist erst<br />
mit der Systemtheorie entstanden. Er unterscheidet sich grundlegend<br />
von der gewohnten Vorstellung, ein System sei eine ordnende<br />
Zusammenfassung von Objekten und ihren Relationen.<br />
Systeme entstehen, wenn sich Operationen gleichen Typs verketten.<br />
Jede Operation setzt eine vorangegangene voraus und ermöglicht<br />
eine nächste. Dies schafft einen Unterschied zwischen dieser<br />
Kette und allem anderen. Ein System teilt die →Welt in System und<br />
Umwelt und existiert so lange ihm das gelingt. In diesem Sinne ist<br />
ein System die permanente Vermeidung seines Untergangs.<br />
Erst ein System kann die unendliche Komplexität der Welt so weit<br />
ignorieren, dass es den Rest, aus dem es besteht, beobachten kann.<br />
Systeme sind Inseln reduzierter Welt-Komplexität. Die Bildung<br />
von Systemen ist der Sündenfall, mit dem die Erkenntnis in die<br />
Welt kommt.<br />
Systeme sind in der Welt, weil sie funktionieren. Sie verfolgen<br />
weder ein Ziel, noch haben sie einen Zweck, der über ihre eigene<br />
Erhaltung hinausgeht.<br />
40
Jede Folgeoperation muss aus einer Vielzahl möglicher Folgeoperationen<br />
ausgewählt werden. Dabei bezeichnen wir die Anzahl der<br />
Möglichkeiten aus der ausgewählt wird als die →Komplexität des<br />
Systems. Die getroffene Wahl ist nicht beliebig, aber immer auch<br />
anders möglich. Deswegen ist jede Operation eines komplexen<br />
Systems eine Überraschung.<br />
Jede Operation des Systems ist »innen«. Alles andere ist »außen«<br />
und gehört nicht zum System, sondern zu seiner Umwelt<br />
(→Operationale Schließung) Wenn ein System zwischen innen und<br />
außen unterscheiden kann, kann es eigene Operationen auf seine<br />
Umwelt beziehen. Es kann →externe Referenzen bilden. Diese operationale<br />
Schließung ist die Voraussetzung der Identität des Systems,<br />
und damit für Erkenntnisse über seine Umwelt.<br />
→Komplexität<br />
→operationale Schließung<br />
→System (Beispiele für Sozial-Systeme)<br />
→System-Typen<br />
4.17 Vertrauen / Misstrauen<br />
Vertrauen heißt, sich auf eine Zusicherung zu verlassen, deren<br />
Erfüllung auch ausbleiben kann. Vertrauen ist eine riskante Vorleistung.<br />
Vertrauenskultur ist das Kreditwesen für positive Kommunikation.<br />
Bei hoher →Dynamik ist Vertrauen notwendig, um den Mangel an<br />
→Information auszugleichen, der durch die nicht ignorierbare<br />
→Komplexität der Umgebung (→Markt) entsteht. Vertrauen reduziert<br />
die allgemeine Komplexität und schafft dadurch Platz zum<br />
Aufbau Problem gerichteter Komplexität. Wenn Misstrauen dominiert,<br />
explodiert der Aufwand für →Kontrolle. Im Grenzfall »frisst«<br />
er die gesamte →Wertschöpfung.<br />
41
Wie alle →Werte entsteht auch Vertrauen aus der Vergangenheit,<br />
also durch generalisierte Erfahrung (Gedächtnis), aus der Erwartungen<br />
für die Zukunft gebildet werden. Wer Vertrauen erzeugen<br />
will, muss Gelegenheit schaffen, dass entsprechende Erfahrungen<br />
gemacht und generalisiert werden können.<br />
In einer Misstrauenskultur kann Vertrauen nur durch eine so genannte<br />
→Symbolische Tat eines Managers erzeugt werden. Er verbindet<br />
sein Schicksal mit dem des →Unternehmens. Diese Vorleistung<br />
schafft eine Erfahrung, die zu Vertrauen generalisiert werden<br />
kann. Die üblichen »Commitments« oder gar das »Vorleben« von<br />
Werten haben eher negative Wirkung.<br />
→Reduktion von Komplexität<br />
→Kontrolle / Messen<br />
→Symbolische Tat<br />
4.18 Werte / Verhalten<br />
Verhalten oder Handeln sind die Elemente der Vorderbühne der<br />
→Kultur. Weil es dem Willen unterliegt, kann Verhalten gefordert<br />
oder durch →Regeln organisiert werden. Die Forderung nach Gehorsam<br />
kann erfüllt werden. Anweisungen und Regeln lassen sich<br />
mit Belohnung und Strafe verbinden. Das vielfältige Verhalten<br />
eines Systems nennen wir seine →Verhaltens-Kultur.<br />
Die Hinterbühne der Kultur besteht aus Werten. Das sind die emotionalen<br />
Elemente oder »Atome« eines impliziten Gedächtnisses<br />
von Individuum oder →Organisationen. Werte sind allgemein<br />
akzeptierte (generalisierte) Erfahrung. Sie sind kommunikative<br />
Hilfen, die die Annahme von →Kommunikation erleichtern. Wenn<br />
auf sie Bezug genommen wird, braucht nicht mit Ablehnung gerechnet<br />
werden. Sie reduzieren die allgemeine →Komplexität der<br />
Kommunikation und ermöglichen damit den Aufbau spezifischer<br />
Komplexität.<br />
42
Systemtheoretisch gesprochen sind Werte so genannte symbolisch<br />
generalisierte Kommunikationsmedien. Als Elemente von Gedächtnis<br />
beziehen sich Werte auf Vergangenes und können demnach<br />
nicht durch Wille und Entscheidung verändert werden. Werden<br />
auf Basis von →Macht Werte gefordert, so kann maximal Heuchelei<br />
entstehen. Das Bild der Werte nennen wir Werte-Kultur.<br />
Werte legen konkretes Verhalten nicht fest, sie wirken lediglich als<br />
Kraftfelder für Verhalten. Jedes lebendige System kann entgegen<br />
seiner Werte handeln – es ist nur anstrengend.<br />
43
Die Autoren<br />
Matthias Wiemeyer<br />
Matthias Wiemeyer, Jahrgang 1964, hat<br />
Betriebswirtschaftslehre und Philsophie<br />
studiert und seine Karriere als Banker<br />
begonnen. Nach einer klassischen Managerkarriere<br />
wechselte er im Jahr 2001 die<br />
Seiten.<br />
Seitdem begleitet er Unternehmen aller<br />
Branchen bei wirksamen Veränderungsprozessen<br />
für mehr Leistung.<br />
Er ist Managing Partner der Unternehmensberatung<br />
step process management.<br />
Dr. Gerhard Wohland,<br />
Dr. Gerhard Wohland, Jahrgang<br />
1946, ist Consulting Manager bei der<br />
IMG GmbH in Frankfurt. Über die<br />
Entwicklung von Software für industrielle<br />
Anwendungen wurde der promovierte<br />
Physiker in der betrieblichen<br />
Organisationsentwicklung heimisch.<br />
Seit nunmehr 15 Jahren ist er<br />
Deutschlands führender Spezialist für<br />
Dynamik-robuste Unternehmensorganisation.<br />
Matthias Wiemeyer<br />
wiemeyer@step-pro.de<br />
mob. 0160 368 1351<br />
Dr. Gerhard Wohland<br />
gerhard.wohland<br />
@t-online.de<br />
mob. 0151 1211 1711