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Das Plakat in der DDR - Kulturhaus Helferei

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<strong>Das</strong> <strong>Plakat</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong><br />

Ausstellung im <strong>Kulturhaus</strong> <strong>Helferei</strong> vom 9.– 20. November 2009


WER HAT DAS PISSOIR VOM<br />

SENEFELDERPLATZ GEKLAUT?<br />

Zur Ausstellung im <strong>Kulturhaus</strong> <strong>Helferei</strong> vom 9. November – 20. November 2009<br />

E<strong>in</strong>e Geschichte <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> erzählen mit <strong>Plakat</strong>en aus <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> – das war unser Anliegen,<br />

nachdem wir e<strong>in</strong>en kle<strong>in</strong>en Teil <strong>der</strong> grossen Sammlung <strong>der</strong> Zürcher Fotograf<strong>in</strong> Barbara<br />

Hausammann zum ersten Mal sahen.<br />

Uns bee<strong>in</strong>druckte die Ästhetik <strong>der</strong> <strong>Plakat</strong>e; <strong>der</strong> versteckte Witz und Biss, beson<strong>der</strong>s <strong>in</strong> den<br />

Jahren <strong>der</strong> Wende. Aus diesen <strong>Plakat</strong>en lernt man auch zwischen den Zeilen zu lesen – eigentlich<br />

nicht ganz typisch für das Genre <strong>Plakat</strong>. <strong>Plakat</strong>e haben üblicherweise e<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige,<br />

klare Botschaft.<br />

Während wir die Ausstellung für das <strong>Kulturhaus</strong> <strong>Helferei</strong> zusammenstellten, mussten wir<br />

bisweilen über die Plattheit und Spiessigkeit <strong>der</strong> politischen Propaganda schmunzeln, die so<br />

schwer mit dem kommunistischen Fe<strong>in</strong>d von „drüben“ zusammen zu br<strong>in</strong>gen ist.<br />

Gleichzeitig erzählen die <strong>Plakat</strong>e von Menschen, die ähnliche Sorgen, Bedürfnisse und<br />

Sehnsüchte hatten wie wir im Westen. <strong>Das</strong> möchten wir Ihnen mit dieser Ausstellung auch<br />

zeigen.<br />

Im Namen des Stadtgesprächs und des <strong>Kulturhaus</strong>es <strong>Helferei</strong> bedanken wir uns bei Barbara<br />

Hausammann, dass sie uns ausgewählte Perlen aus ihrer Sammlung von rund 5‘500 <strong>Plakat</strong>en<br />

aus allen Jahrzehnten <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> für diese Ausstellung zur Verfügung stellt.<br />

Unser Dank gilt ebenso Ilse-Maria Dorfstecher, die uns beraten und uns mehrfach auf historische<br />

H<strong>in</strong>tergründe und verborgene Zusammenhänge h<strong>in</strong>gewiesen hat. Sie recherchierte<br />

und fand noch mehr <strong>Plakat</strong>e. E<strong>in</strong>ige davon s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>der</strong> Ausstellung zu sehen. Ilse-Maria Dorfstecher<br />

führt am 9. November 2009 zweimal durch die Ausstellung. Ihren Text f<strong>in</strong>den Sie <strong>in</strong><br />

diesem Katalog.<br />

Andrea König Philippe Dätwyler<br />

<strong>Kulturhaus</strong> <strong>Helferei</strong> Kulturbeauftragter <strong>der</strong> Zürcher Landeskirche


„<strong>Das</strong> politische <strong>Plakat</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>“<br />

Ilse-Maria Dorfstecher zur Ausstellung im <strong>Kulturhaus</strong> <strong>Helferei</strong><br />

Natürlich würde ich lieber über kulturelle <strong>Plakat</strong>e - <strong>Plakat</strong>e für Theateraufführungen, zu Filmen,<br />

für Ausstellungen und Veranstaltungen - sprechen und schreiben, da könnte ich ganze<br />

Lobeshymnen s<strong>in</strong>gen und beklagen, dass so viel Gutes mit <strong>der</strong> "Wende" untergegangen ist,<br />

weggeworfen wurde. Über das politische <strong>Plakat</strong> zu schreiben war mir anfangs gar nicht angenehm,<br />

bis ich mich <strong>in</strong> die Materie e<strong>in</strong>gearbeitet habe. Da kamen dann doch durch Vergleiche<br />

<strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Jahrzehnte, <strong>in</strong> denen die <strong>DDR</strong> existiert hat, erstaunliche Tatsachen, erhellende<br />

politische Erklärungen zutage, Historisches wurde sichtbar.<br />

Ich behaupte: <strong>Das</strong> politische <strong>Plakat</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> hat es nicht gegeben. Es gab gute, sehr gute<br />

und schlechte, sehr schlechte politische <strong>Plakat</strong>e. Es gab Höhen und Tiefen, die mit Personen<br />

und Zeitereignissen zu tun haben.<br />

Ich will den Versuch e<strong>in</strong>er Erklärung wagen. Die <strong>Plakat</strong>e, die nach 1945 bis ungefähr 1957<br />

entstanden, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> mehrere Kategorien zu teilen:<br />

Es gab gerade ältere Kollegen mit <strong>Plakat</strong>erfahrungen, die <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em sehr naturalistischen erzählenden<br />

Stil arbeiteten. Dafür stehen Namen wie Wilhelm Schubert, Detlev Gl<strong>in</strong>ky, Arno<br />

Mohr u.a. Nun könnte man sagen, das sei kulturpolitisch so verordnet, weil die Kampagne<br />

Formalismus - Realismus losgetreten worden war. Ich glaube, <strong>der</strong> tiefere Grund ist e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>er.<br />

Es gab zu gleichen Zeit für Ausstellungen und Veranstaltungen ganz an<strong>der</strong>e, <strong>Plakat</strong>e mit<br />

abstrahierenden Formen. Ich denke, die naturalistisch erzählenden <strong>Plakat</strong>e, die für e<strong>in</strong>en Teil<br />

<strong>der</strong> politischen <strong>Plakat</strong>kunst jener Jahre typisch s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d gespeist aus e<strong>in</strong>er an<strong>der</strong>en Tradition.<br />

So sahen <strong>in</strong> den zwanziger Jahren und auch noch lange nach dem Zweiten Weltkrieg<br />

Anzeigenflächen <strong>der</strong> Filmtheater im Freiraum über <strong>der</strong> E<strong>in</strong>gangstür aus, die das Publikum<br />

mit erzählendem Inhalt <strong>in</strong> die K<strong>in</strong>os locken sollten.<br />

Daneben gab es die <strong>Plakat</strong>e, die wir heute als satirisch bezeichnen<br />

würden, aus <strong>der</strong> Fe<strong>der</strong> von René Graetz, Elisabeth<br />

Shaw o<strong>der</strong> Herbert Sandberg, die aber mit direkter Stellungnahme,<br />

scharfer Frontstellung und realistischen Mitteln arbeiteten.<br />

Zur gleichen Zeit gab es auch sog. "formalistische <strong>Plakat</strong>e",<br />

die ich mit den Namen John Heartfield, Klaus Wittkugel, Wilhelm<br />

Deffke im politischen <strong>Plakat</strong> belegen möchte.<br />

Diese Richtung knüpft an ästhetische Mittel <strong>der</strong> zwanziger<br />

Jahre an, vielfach mit Techniken <strong>der</strong> Fotomontage o<strong>der</strong> mit<br />

abstrahierenden Formen arbeitend. Es ist müßig, heute nach<br />

<strong>der</strong> Nachhaltigkeit, dem emotionalen E<strong>in</strong>druck auf die Menschen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Straße zu fragen.<br />

Abbildung 1 Wilhelm Deffke, 1947


E<strong>in</strong> <strong>Plakat</strong> von Wilhelm Schubert mit e<strong>in</strong>em e<strong>in</strong>drucksvoll gezeichneten<br />

Marx-Kopf von 1953 kann ebenso nachdrücklich<br />

werben wie die Heartfield-Montagen von 1955/57 gegen den<br />

drohenden Atomkrieg o<strong>der</strong> das leuchtende <strong>Plakat</strong> von Klaus<br />

Wittkugel mit Sonne und Fahne zum 40. Jahrestag <strong>der</strong> Oktoberrevolution.<br />

Abbildung 2 Wilhelm Schubert, „1818 1883 Karl Marx“, 1953, Offset<br />

Mit großem Abstand zu den 50er Jahren würde ich diese politischen <strong>Plakat</strong>e deshalb als so<br />

gelungen betrachten, weil dah<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong>e Überzeugung stand. Die Männer waren aus dem KZ,<br />

<strong>der</strong> Emigration o<strong>der</strong> dem <strong>in</strong>neren Wi<strong>der</strong>stand gegen den Faschismus gekommen und von<br />

<strong>der</strong> Sache, die sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Plakat</strong>öffentlichkeit vertraten, überzeugt. Sie suchten nach e<strong>in</strong>em<br />

Ausdruck, den sie mit ihren Mitteln leisten konnten. Daraus nahmen diese <strong>Plakat</strong>e ihre Überzeugungskraft.<br />

1958 gab es e<strong>in</strong>en großen Wettbewerb "Frieden<br />

<strong>der</strong> Welt" im U-Bahnhof Alexan<strong>der</strong>platz, <strong>in</strong>itiiert<br />

von Klaus Wittkugel. Jahrelang h<strong>in</strong>gen hier<br />

<strong>in</strong>ternationale politische <strong>Plakat</strong>e, auf Großflächen<br />

übertragen, wurden die Menschen täglich<br />

mit großartigen Ideen konfrontiert.<br />

Abbildung 3 Klaus Wittkugel. Großflächenübertragung im<br />

U-Bahnhof Alexan<strong>der</strong>platz, „...daß nie e<strong>in</strong>e Mutter mehr<br />

ihren Sohn bewe<strong>in</strong>t“, 1958<br />

In den 60-er Jahren wurde das von großen Ideen getragene politische <strong>Plakat</strong> immer schwächer.<br />

Die Schüler <strong>der</strong> <strong>Plakat</strong>meister arbeiteten mit "Versatzstücken" wie Fahne, Hammer und<br />

Sichel, Hammer, Zirkel, Ährenkranz (die <strong>DDR</strong>-Insignien), Stern, Gewehr, Rakete, Herz, K<strong>in</strong><strong>der</strong>gesichtern,<br />

und vor allem mit dem Foto, seltener mit <strong>der</strong> Fotomontage. Es musste immer<br />

e<strong>in</strong>e Bewegung nach oben geben. Es waren saubere gebrauchsgrafische Arbeiten, ohne<br />

Zweifel, aber sie erreichten ihr Publikum nicht. Um das Niveau zu heben, wurde 1965 <strong>der</strong><br />

Wettbewerb "Die besten <strong>Plakat</strong>e des Jahres" vom Zentralvorstand des Verbandes Bilden<strong>der</strong><br />

Künstler geme<strong>in</strong>sam mit dem Kulturm<strong>in</strong>isterium <strong>in</strong>s Leben gerufen. Natürlich kann man mit<br />

e<strong>in</strong>em Wettbewerb nicht automatisch bessere politische <strong>Plakat</strong>e erzeugen. Es mussten an-


<strong>der</strong>e Faktoren dazukommen, e<strong>in</strong>e größere Freizügigkeit im gesellschaftlichen Leben, e<strong>in</strong>e<br />

bessere Versorgung mit Gegenständen des täglichen Bedarfs.<br />

Als 1973 die "Weltfestspiele <strong>der</strong> Jugend und Studenten" <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> stattfanden, gab es außer<br />

den 3 offiziellen <strong>Plakat</strong>en zum ersten Mal <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Auflage sog. Poster, stark farbige Blätter<br />

mit Grafik o<strong>der</strong> Malerei von bekannten Künstlern <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> <strong>in</strong> sehr unterschiedlichen <strong>in</strong>dividuellen<br />

Handschriften, die e<strong>in</strong> heiteres Lebensgefühl ausdrückten und neben den Tüchern<br />

begehrte Sammlerobjekte wurden.<br />

Abbildung 4 Nuria Quevedo, "X. Weltfestspiele <strong>der</strong> Jugend und Studenten",<br />

1973, Offset<br />

Mit den Wettbewerben - zu dem fast alle Grafiker des kle<strong>in</strong>en Landes <strong>DDR</strong> jährlich ihre <strong>Plakat</strong>e<br />

e<strong>in</strong>sandten und die damit zum<strong>in</strong>dest <strong>der</strong> Jury e<strong>in</strong>en guten Überblick über Stärken und<br />

Schwächen <strong>der</strong> <strong>Plakat</strong>kunst ermöglichten - kam mehr Bewegung <strong>in</strong> erstarrte Formen. Wer<br />

sich die Mühe machte, die jährliche Ausstellung <strong>der</strong> "Besten" <strong>in</strong> <strong>der</strong> Berl<strong>in</strong>er Stadtbibliothek<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Breitestraße zu besuchen, konnte gut Vergleiche anstellen. Aussagen wurden <strong>in</strong>dividueller.<br />

Zum Jahrestag des Bauernkrieges 1974 gab es wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Wettbewerb. Zu dem historischen<br />

Thema kamen gute Ergebnisse zustande, es g<strong>in</strong>g ja auch nicht um Parteitage o<strong>der</strong><br />

an<strong>der</strong>e gegenwärtige gesellschaftliche Ereignisse. Auch <strong>der</strong> 30. Jahrestag <strong>der</strong> Befreiung<br />

vom Faschismus konnte noch von dieser allgeme<strong>in</strong>en Zustimmung vieler Menschen <strong>der</strong><br />

<strong>DDR</strong> profitieren, <strong>der</strong> auch auf die Gestalter ausstrahlte. Es wurde zwar viel mit Fotos gearbeitet,<br />

aber diese Fotos waren im Bildgedächtnis vieler Menschen verankert. <strong>Das</strong>s aber auch<br />

die politisch motivierte Aussage davon profitieren konnte, war neu. Es entstanden sehr lockere<br />

Grafikblätter zu Persönlichkeiten <strong>der</strong> Geschichte. Neben Rosa Luxemburg und Karl<br />

Liebknecht rückten auch die Altvor<strong>der</strong>en Marx und Engels wie<strong>der</strong> näher <strong>in</strong> den Blickw<strong>in</strong>kel.<br />

Natürlich Che Guevara <strong>in</strong> allen möglichen Darstellungsformen, Bob Dylan wurde e<strong>in</strong>e gesellschaftliche<br />

Ikone.


Dieser Trend wurde beför<strong>der</strong>t durch e<strong>in</strong>e Verordnung, die <strong>der</strong><br />

Verband Bilden<strong>der</strong> Künstler ausgehandelt hatte, dass bis zu<br />

100 <strong>Plakat</strong>en zensurfrei gedruckt werden konnten. Davon profitierten<br />

beson<strong>der</strong>s die Grafiker, die sich dem Umweltschutz,<br />

dem Kampf gegen kle<strong>in</strong>bürgerliche Ideale verschrieben hatten.<br />

Manfred Butzmann, Joseph Huber, Mart<strong>in</strong> Hoffmann, Wolfgang<br />

Janisch, Bogomil Helm, Eva und Bernd Haak waren<br />

plötzlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> Gesellschaft, natürlich vor allem <strong>in</strong><br />

Berl<strong>in</strong>, angekommen.<br />

Abbildung 5 Eva und Bernd Haak, "Köpenicker ÖKO Kirmes", 1988, Offset<br />

Seit Mitte <strong>der</strong> 70er Jahre wurde dem großen Bil<strong>der</strong>bedürfnis,<br />

vor allem junger Leute, mit e<strong>in</strong>em Programm des Staatlichen<br />

Kunsthandels, dem Posterprogramm, Rechnung getragen.<br />

Neben freundlichen Seitenhieben auf gesellschaftliche Missstände<br />

traten romantische Motive, Blumenarrangements, aber<br />

auch Weltraumfantasien, erotische Darstellungen und zur<br />

Freude vieler auch Bildnisse von Pop-Größen. Damit konnten<br />

Jugendklubs und Wohnungen ausgestattet werden. Viele Jugendliche<br />

benutzten sie auch zur Demonstration ihrer Haltung.<br />

Abbildung 6 Manfred Bof<strong>in</strong>ger, „Tach Kampagnero!“, 1982, Offset<br />

Es setzte e<strong>in</strong>e Entwicklung e<strong>in</strong>, die überraschend kam. Zwar bediente <strong>der</strong> Kunsthandel <strong>der</strong><br />

<strong>DDR</strong> das Bildbedürfnis gerade <strong>der</strong> Jüngeren mit leichter Kost, auch mit erotischen Anzüglichkeiten.<br />

Ins Posterprogramm wurden auch Gedenktage aufgenommen: für Händel, Bach,<br />

E<strong>in</strong>ste<strong>in</strong>.<br />

E<strong>in</strong>e größere Anzahl von Postern anlässlich des 80. Geburtstages<br />

von Bertolt Brecht wurde 1978 gedruckt. Sie stammten aus<br />

e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>ternationalen Wettbewerb. Beson<strong>der</strong>s Kunststudierende<br />

leisteten aus diesem Anlass e<strong>in</strong>en erfreulich frischen Beitrag.<br />

Sie hoben beson<strong>der</strong>s die anarchische Seite des jungen Brecht<br />

hervor.<br />

Abbildung 7 Thomas Ste<strong>in</strong>ert, „die alte neue hoffnung BB gen. <strong>der</strong> grosse<br />

raucher“, 1978, Offset


<strong>Das</strong> Illustrative, Unverb<strong>in</strong>dliche und das Pompöse vor allem im politischen <strong>Plakat</strong>, nahm dagegen<br />

zu und demonstrierte so, dass die früheren Inhalte - Schaffung e<strong>in</strong>er ausbeutungsfreien,<br />

friedlichen Welt - nicht mehr die frühere <strong>in</strong>nere Beteiligung bei Gestaltern und Angesprochenen<br />

hervorriefen.<br />

Von Heute gesehen, war zu dieser Zeit <strong>der</strong> Konsens <strong>in</strong> <strong>der</strong> sozialistischen Gesellschaft<br />

schon aufgekündigt. Die offiziellen politischen <strong>Plakat</strong>e, die im Auftrag <strong>der</strong> SED, <strong>der</strong> Sozialistischen<br />

E<strong>in</strong>heitspartei <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>, herausgegeben wurden, wurden immer un<strong>in</strong>teressanter,<br />

trotzdem bekamen sie Auszeichnungen im Wettbewerb. Wenn dann - wie geschehen - die<br />

Grafiker gescholten wurden, weil sie den Auftraggebern ke<strong>in</strong>e hochwertigen Bildideen <strong>in</strong><br />

überragen<strong>der</strong> Gestaltung lieferten, dann ist die vielbesprochene Bl<strong>in</strong>dheit <strong>der</strong> Realität gegenüber<br />

e<strong>in</strong>getreten. Nicht nur e<strong>in</strong> <strong>DDR</strong>-Syndrom.<br />

Bei dieser Gelegenheit möchte ich von e<strong>in</strong>er Begebenheit berichten, die sich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>em Beise<strong>in</strong><br />

als Juror<strong>in</strong> für den <strong>Plakat</strong>wettbewerb von 1982 abspielte.<br />

Es handelte sich um das <strong>Plakat</strong> von Joachim Jansong<br />

zum 500. Geburtstag von Mart<strong>in</strong> Luther "Gott über alle<br />

D<strong>in</strong>ge".<br />

Es war e<strong>in</strong>e Litfaßsäule abgebildet, an <strong>der</strong> die <strong>Plakat</strong>schichten<br />

herabgerissen waren. Am Grunde <strong>der</strong> Säule<br />

erschienen relativ kle<strong>in</strong> Luther und <strong>der</strong> Gekreuzigte.<br />

Daraufh<strong>in</strong> die Me<strong>in</strong>ung e<strong>in</strong>es fest <strong>in</strong> <strong>der</strong> Partei verankerten<br />

Juroren: <strong>Das</strong> ist das e<strong>in</strong>zig überzeugende politische<br />

<strong>Plakat</strong> aus dem e<strong>in</strong>gereichten Konvolut, das können<br />

wir nicht zeigen. Welch Zynismus.<br />

Wir haben durchgesetzt, dass es zwar gezeigt wurde,<br />

aber es bekam ke<strong>in</strong>e Auszeichnung und wurde aus <strong>der</strong><br />

Gruppe <strong>der</strong> politischen <strong>Plakat</strong>e <strong>in</strong> die Gruppe <strong>der</strong> "gesellschaftlichen<br />

<strong>Plakat</strong>e" e<strong>in</strong>geordnet, was e<strong>in</strong>er Zurückordnung<br />

gleichkam.<br />

Abbildung 8 Joachim Jansong, „Mart<strong>in</strong> Luther 1483 1983<br />

Gott über alle D<strong>in</strong>ge“, 1982,Offset<br />

<strong>Das</strong>s immer noch vere<strong>in</strong>zelt großartige <strong>Plakat</strong>e mit e<strong>in</strong>er klaren menschlichen und politischen<br />

- nicht parteipolitischen - Haltung entstanden, soll hier betont werden.


Abbildung 9, Gerhard Trost, „imperialism“, 1977, Offset<br />

In den 80erJahren nehmen die Eigenaufträge - <strong>der</strong> Grafiker gestaltet nicht nur das <strong>Plakat</strong>,<br />

son<strong>der</strong>n lässt es auch auf eigene Kosten <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>er Auflage drucken - , nicht nur bei den<br />

Umweltplakaten, son<strong>der</strong>n auch bei den politischen <strong>Plakat</strong>en zu, die Grafiker wollten sich dem<br />

Diktat <strong>der</strong> Auftraggeber nicht mehr bed<strong>in</strong>gungslos unterwerfen. Dabei g<strong>in</strong>g es nicht um persönliche<br />

D<strong>in</strong>ge, son<strong>der</strong>n um große Themen: es g<strong>in</strong>g um Frieden, um Solidarität, um Abrüstung.<br />

Abbildung 10 Harry Pflaum - ohne Worte, 1981, Eigenauftrag zum<br />

Thema Abrüstung, Eigendruck<br />

Den größten Anteil an <strong>Plakat</strong>en, die im Eigenauftrag entstanden, hat Manfred Butzmann.<br />

Kaum e<strong>in</strong> wichtiges Thema, das den Menschen auf den Nägeln brannte, mit dem er sich<br />

nicht leise, aber treffend zu Worte meldete. Er hat ganze Serien zum Thema Heimatkunde,<br />

Naturzerstörung, Stadtzerstörung, Bürgerrechte, Autofetischismus drucken lassen, <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Druckerei Graetz <strong>in</strong> <strong>der</strong> Auguststraße <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Als er am 8. Oktober 1989 wie viele an<strong>der</strong>e<br />

Berl<strong>in</strong>er Bürger brutal geschlagen wurde - nach e<strong>in</strong>em knappen Monat war die Grenze offen


und <strong>der</strong> Untergang <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> besiegelt - hat er es real bei <strong>der</strong> Polizei und im <strong>Plakat</strong> "angezeigt".<br />

Als das System <strong>der</strong> sozialistischen Ordnung <strong>der</strong> <strong>DDR</strong> im Oktober 1989 implodierte, waren<br />

Schauspieler, Schriftsteller, Rocksänger, Lie<strong>der</strong>macher und bildende Künstler schon lange<br />

vorher beunruhigt. Sie hatten den Prozess <strong>der</strong> langsamen Auflösung <strong>der</strong> gesellschaftlichen<br />

Ordnung ohnmächtig beobachten müssen. Auf <strong>der</strong> Demonstration am 4. November 1989 auf<br />

dem Alexan<strong>der</strong>platz <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> wurden Transparente mit den orig<strong>in</strong>ellsten Wortgebilden und<br />

treffendsten Bildideen getragen.<br />

<strong>Das</strong> <strong>Plakat</strong> bezieht sich auf den unbeliebten<br />

kurzzeitigen Nachfolger von Erich Honecker,<br />

Egon Krenz.<br />

Gruppe Grappa „Neid! Erkanne<strong>in</strong>fachalles“, 1989,<br />

Siebdruck<br />

In e<strong>in</strong>er Ausstellung im Museum für Deutsche Geschichte wurden die meisten Transparente<br />

und <strong>Plakat</strong>e <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Ausstellung unter dem Titel "Tschüss SED" 1990 noch e<strong>in</strong>mal gezeigt.<br />

<strong>Das</strong> Kapitel "Politisches <strong>Plakat</strong> <strong>der</strong> <strong>DDR</strong>" war damit geschlossen


WER HAT DAS PISSOIR VOM SENEFELDERPLATZ GE-<br />

KLAUT?<br />

Die <strong>DDR</strong>-<strong>Plakat</strong>-Kultur im <strong>Kulturhaus</strong> <strong>Helferei</strong> vom 9.- 20. November 2009<br />

Aus <strong>der</strong> Sammlung von Barbara Hausammann<br />

Wer hat das Pissoir vom Senefel<strong>der</strong>platz geklaut?<br />

Hans-Jürgen Malik 1989, P1/Siebdruck<br />

1990 sagt die Partei, s<strong>in</strong>d wir wohnungs-sorgen-frei<br />

Mart<strong>in</strong> Gübig 1976, P1/Tiefdruck<br />

Alles für das Wohl des Volkes und den Frieden<br />

Dieter He<strong>in</strong>dorff 1982, P1/Offsetdruck


Spare mit je<strong>der</strong> Kilowattstunde!<br />

Jutta Damm-Fiedler 1979, P1/Offsetdruck<br />

Nutze jede M<strong>in</strong>ute Arbeitszeit<br />

Klaus Parche 1987, P1/Buchdruck<br />

Die Nibelungen – e<strong>in</strong> deutsches Trauerspiel<br />

Irene Hartmann/Bernd Hoffmann 1984, P1/Offsetdruck


So e<strong>in</strong>e schöne Militärmusik<br />

Dieter Böde 1984/85, P1/Siebdruck<br />

Rock für den Frieden<br />

Dieter Böde 1985, P1/Offsetdruck<br />

Mappe Klaus Wittkugel<br />

1. Sowjetmacht + Elektrifizierung = Kommunismus 1967, A3<br />

2. 1917 Oktober 1957, A3<br />

3. Ich b<strong>in</strong> Bergmann! Wer ist mehr? 1952, A3<br />

4. Qualität (Ausstellung) 1950, A3


Mappe John Heartfield<br />

For<strong>der</strong>t: Verbot <strong>der</strong> Atomwaffen! 1955, A3<br />

Wenn wir es alle nicht wollen, wird es nie se<strong>in</strong>!, 1957, A3<br />

Weg mit <strong>der</strong> Sonnenf<strong>in</strong>sternis am Rhe<strong>in</strong>!, 1957, A3<br />

1917 – 1957, 40. Jahrestag <strong>der</strong> grossen sozialistischen Oktoberrevolution, 1957<br />

Zwischen Deutschen e<strong>in</strong>e Mauer (Adenauer)<br />

Sandberg Kollektiv 1958, P1/Farblitho<br />

Am 1. Mai SED<br />

Arno Mohr 1946, 95x67/Offsetdruck (Repr<strong>in</strong>t)


Berl<strong>in</strong> schöner denn je<br />

Schubert-Hellerau 1952, 86.5x61/Farblitho<br />

Wir for<strong>der</strong>n Friedensvertrag mit Deutschland<br />

Anonym 1952, 86.5x61/Offsetdruck<br />

Ich gebe das Beste – Mutti und Vati auch<br />

Norbert Wientzkowsky 1981, P1/Offset


Me<strong>in</strong>st du die Russen wollen Krieg?<br />

Wolfgang Geisler 1982, P1/Offsetdruck<br />

Marx macht Macht<br />

Re<strong>in</strong>hardt Mart<strong>in</strong> 1975, P1/Offsetdruck<br />

„Ch<strong>in</strong>esisches Souvernir: In e<strong>in</strong>er Zeit <strong>der</strong> Prüfung erkann man se<strong>in</strong>e wahren Freunde“<br />

Manfred Butzmann 1990, P1/Siebdruck


Gegen den Schlaf <strong>der</strong> Vernunft<br />

André Kahane 1989, P1/Ste<strong>in</strong>litho<br />

Ich zeige an<br />

Manfred Butzmann 1989, P1/Offsetlitho<br />

Sagt hier jemand schon wie<strong>der</strong> unsere Bürger?<br />

Mart<strong>in</strong> Hoffmann 1990, 26x58/Offsetlitho


Grundrechte des Deutschen Volkes<br />

Manfred Butzmann 1990, 61x50.6/Offsetlitho<br />

Berl<strong>in</strong> – Unvolksam<br />

Bogomil J. Helm 1989, 30x82/Siebdruck<br />

Heimatkunde 4601 Eutzsch<br />

Manfred Butzmann 1990, 71x40.6/Offsetdruck


Tagesleistung<br />

Manfred Butzmann 1983, P1/Offsetdruck<br />

Dank Euch Ihr Sowjetsoldaten!<br />

Horst Hirth 1975, P1/Offsetdruck<br />

Mc Ronald’s<br />

Feliks Büttner 1986, 61.5x82.5/ Siebdruck


Über LEBEN<br />

Klaus Lemke 1988, P1/Siebdruck<br />

Weisse Weste fürs Weisse Haus<br />

Hans-Jürgen Malik 1983, P1/Siebdruck<br />

Marcus Aurelius<br />

Jochen Fiedler 1987, 86.0x60.4/Siebdruck


Baum<br />

Arno Krause 1979, P1/Buchdruck<br />

TschüsSED 4.11.89<br />

Anonym 1989, P1/Offsetdruck

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