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Sans-Papiers-Kinder Interview-Manual - Schweizerisches Rotes Kreuz

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Lizentiatsarbeit zu <strong>Sans</strong>-<strong>Papiers</strong>-<strong>Kinder</strong>n von Lisa Weiller Theoretische und empirische Grundlagen<br />

bedeutet entsprechend vielfältige Formen von Kindheit und Aufwachsen und – wiederum –<br />

steigende Orientierungsprobleme für die betroffenen Eltern und <strong>Kinder</strong>“ (op. cit., S. 30).<br />

Münchmeier zufolge ist (ii) das Generationenverhältnis innerhalb der Familie im Allgemeinen<br />

als vertrauensvoll-entspannt zu bezeichnen. Für viele <strong>Kinder</strong> sind die Eltern wichtige<br />

Bezugspersonen, mit denen Sorgen und Nöte besprochen werden können. Der<br />

Generationenkonflikt hat sich dem Autor zufolge in den letzten Jahrzehnten von der Familie<br />

in gesellschaftliche, abstraktere und unpersönlichere Zusammenhänge verschoben (vgl. op.<br />

cit., S. 31-33).<br />

Kindheit als Schonraum, welcher allein der Herausbildung einer stabilen persönlichen<br />

Identität dient, ist (iii) nach Münchmeier eine nicht mehr zeitgemässe Beschreibung. <strong>Kinder</strong><br />

erscheinen selbständiger und erwachsener und werden heute früher mit dem ‚Ernst des<br />

Lebens’ konfrontiert (vgl. op. cit., S. 33-36). Folgende Gesichtspunkte verhalfen dem Autor<br />

zu dieser Aussage: Durch die häufigeren Veränderungen in der Intimgruppe Familie muss<br />

das Kind früh lernen, Intimbindungen zu lösen und neue einzugehen. Zudem findet der<br />

<strong>Kinder</strong>alltag an immer mehr verschiedenen Orten statt und es wird von einer ‚Verinselung’<br />

des <strong>Kinder</strong>alltags gesprochen. Das Kind muss dadurch früh lernen, sich in unterschiedlichen<br />

Kontexten jeweils situationsadäquat zu verhalten. Wie Erwachsene haben auch <strong>Kinder</strong><br />

heutzutage eine wachsende Anzahl von Sozialbeziehungen zu bewältigen. Durch das<br />

Bedürfnis nach Entlastungen von dieser geordneten Welt in Institutionen und<br />

<strong>Kinder</strong>einrichtungen suchen <strong>Kinder</strong> nach Zwischenräumen, in denen sie weniger abhängig<br />

sind von Regeln und Logiken der Erwachsenenwelt. Auch die immer stärkere Einwirkung von<br />

Medien in den <strong>Kinder</strong>alltag führt zum Eindringen von Themen aus der Erwachsenenwelt in<br />

die <strong>Kinder</strong>welt und damit weg vom Schonraum Kindheit (vgl. ebd.).<br />

Münchmeier betont (iv): „Die Krisen im Erwerbsarbeitssektor, Arbeitslosigkeit,<br />

Globalisierung, Rationalisierung und Abbau oder Verlagerung von Beschäftigung sind<br />

inzwischen nicht mehr ‚bloss’ eine Randbedingung des Aufwachsens. Sie sind nicht mehr<br />

‚bloss’ Belastungen des Erwachsenenlebens“ (op. cit., S. 36). Dies führt unter anderem<br />

dazu, dass Bildung einen immer höheren Stellenwert erhält. Schulleistungsschwierigkeiten<br />

sind stark gekoppelt mit Versagensgefühlen. Auch belasten Schulleistungsschwierigkeiten<br />

häufig die Beziehung zwischen Eltern und <strong>Kinder</strong>n, vermutlich weil viele Eltern Angst um die<br />

Gefährdung der beruflichen Chancen ihrer <strong>Kinder</strong> haben und daher den Druck auf letztere<br />

erhöhen (vgl. op. cit., S. 36-39).<br />

Bildung als Ressource ist (v) Münchmeier zufolge innerhalb der Gesellschaft nach wie vor<br />

ungleich verteilt. Geschlecht, soziale Herkunft, Nationalität, sozialräumliche Gegebenheiten<br />

und individuelle Beeinträchtigungen bestimmen die Zugangschancen zu Bildung mit, wenn<br />

auch gewisse Unterschiede weniger ausgeprägt sind als früher. „Gerade bei jungen<br />

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