infomappe miriam - Theater Dortmund
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Todesanzeigen genießen einen hohen Aufmerksamkeitswert. Nach einer Medienuntersuchung<br />
bilden sie neben Sport und Lokalem die meist gelesene Seite einer Tageszeitung. […].<br />
Klaus Dirschauer sieht die Ursachen für diese (Zitat) "verhüllende Umschreibung des Sterbens" in<br />
der Verdrängung des Todes. Ich ziehe aus seiner Analyse jedoch eine andere Schlußfolgerung. Ich<br />
denke, die Angehörigen sind in der ersten Trauerphase beim Verfassen der Todesanzeigen noch<br />
gar nicht in der Lage, den Tod anzunehmen und vermeiden deshalb nach Möglichkeit das für sie so<br />
grausam und endgültig klingende Verb "sterben".<br />
Leider sind heutzutage Kondolenzbesuche nicht mehr selbstverständlich. Man vermeidet sie nach<br />
Möglichkeit. Wenn man sie für unumgänglich hält, macht man sie mit gemischten Gefühlen: "Was<br />
soll ich sagen? Wie soll ich trösten?" Da man auf diese Fragen meist keine Antwort weiß, weicht<br />
man dem Gespräch mit Trauernden lieber aus. Das führt zu dem Dilemma, daß Hinterbliebene oft<br />
keinen Ansprechpartner haben, bei dem sie ihre Trauer, ihre Gefühle des Verlustes und des<br />
Schmerzes los werden können. Der bekannte Diplom-Psychologe, Psychotherapeut und ehemalige<br />
griechische Operntenor Dr. Jorgos Canacakis hat in seinem deutschen Bestseller "Ich sehe deine<br />
Tränen" definiert: "Trauer ist eine spontane, natürliche, normale und selbstverständliche Antwort<br />
unseres Organismus, unserer ganzen Person auf Verlust. Sie darf nicht unterdrückt werden. Sie<br />
muß fließen und gefördert werden." Wenn dafür kein Gesprächspartner zur Verfügung steht, dann<br />
sollten - so Jorgos Canacakis - Todesanzeigen wie Kontaktanzeigen Menschen auf Trauernde<br />
hinweisen und sie zur Hilfe ermutigen. Leider ist das wohl nur eine Utopie!<br />
Todesanzeigen können jedoch ein Ventil sein, um den Überdruck an Trauer loszuwerden. Das für<br />
mich eindrücklichste Beispiel für Trauerarbeit in einer Todesanzeige ist 1984 in einer Berliner<br />
Tageszeitung erschienen. Drei junge Leute haben da eine ganzseitige Anzeige wie ein Plakat für<br />
ihren tödlich verunglückten Freund mit folgendem Wortlaut aufgegeben: "THOMAS ‚CRÜMEL'<br />
PLIVERITS - SCHEISS MOTORRAD - MACH'S GUT, ALTER - BITTE WEISSE BLUMEN - HEIDI,<br />
DANI, NORMAN."<br />
(…) Pastor Hans Mader<br />
Das Bühnenbild<br />
Die Blumen und die Erde<br />
Die Blumen stehen als Sinnbild für den ewigen Kreislauf: Miriam kommt mit einem leeren Topf von<br />
einer Beerdigung auf die Bühne und geht mit gewachsener Blume wieder ab, die sie am Grab<br />
aussetzt.<br />
Wachsen und Sterben, Erde als Element, die Natur, als etwas "Echtes", was man anfassen, erleben<br />
und spüren kann.<br />
Die Tafel:<br />
An der Tafel kleben Todesanzeigen der Beerdigungen, zu der sie gegangen ist. Daneben ein<br />
Polaroidfoto der Blume, die sie zur Beerdigung mitgenommen hat.<br />
Miriam weiß nicht, wie sie ihre Lust auf Beerdigungen bezeichnen soll: Lust / Laster / Ritual / Hobby<br />
/ Zwang?<br />
Und was ist Sie? Eine Süchtige? Eine Verrückte? Ein Täter?<br />
theaterpädagisches Begleitmaterial – Miriam, ganz in Schwarz - 7