1 Fertigteilbauweisen im Massivbrückenbau Dr.-Ing ... - VSVI Hessen
1 Fertigteilbauweisen im Massivbrückenbau Dr.-Ing ... - VSVI Hessen
1 Fertigteilbauweisen im Massivbrückenbau Dr.-Ing ... - VSVI Hessen
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Allgemeines<br />
<strong>VSVI</strong> Seminar "Rationelle Bauverfahren <strong>im</strong> Brückenbau" am 07. Mai 2008 in Friedberg/<strong>Hessen</strong><br />
1<br />
<strong>Fertigteilbauweisen</strong> <strong>im</strong> <strong>Massivbrückenbau</strong><br />
<strong>Dr</strong>.-<strong>Ing</strong>. Uwe Willberg<br />
Be<strong>im</strong> Neu- bzw. Ausbau von Straßen müssen <strong>im</strong>mer wieder andere stark belastete<br />
Verkehrswege (Straßen, Eisenbahn) gekreuzt werden. Kennzeichnend für diese<br />
Baustellen ist, dass die Bauzeiten generell möglichst kurz und die Verkehrsbeein-<br />
trächtigungen möglichst gering gehalten werden sollen. Für die Herstellung dieser<br />
Kreuzungsbauwerke hat sich in mittleren Stützweitenbereich in den letzten 4 Jahr-<br />
zehnten die Fertigteilbauweise als die am meisten verbreitete Bauweise durchge-<br />
setzt. Bis Mitte der 90er Jahre wurden dafür überwiegend Spannbetonfertigteile ver-<br />
wendet.<br />
Spannbetonfertigteile in Bayern bis 1993<br />
Die Ausbildung von Brücken mit Spannbetonfertigteilen in Bayern unterscheidet sich<br />
von den übrigen Bundesländern. Während in den anderen Bundesländern die<br />
Fertigteile in den Auflagerachsen in Querträger integriert und Mehrfeldbauwerke als<br />
Durchlaufträger mit oder ohne Kontinuitätsvorspannung ausgeführt wurden, sollten<br />
nach den bayerischen Überlegungen keine Spannstahl- oder Verpressarbeiten mehr<br />
auf der Baustelle stattfinden, um eine möglichst hohe Qualität der Spannstahlarbe-<br />
iten zu erreichen. Somit waren alle Spannbetonfertigteile <strong>im</strong> Werk vollständig vorzu-<br />
spannen und zu verpressen. Außerdem mussten pro Fertigteil mindestens 3 Spann-<br />
glieder verwendet werden.<br />
Für Mehrfeldbauwerke kam aus o.g. Grund eine Kette von Einzelfeldträgern zum<br />
Einsatz. Jedes Fertigteil wurde direkt auf Elastomerlager abgesetzt, Hilfsunterstüt-<br />
zungen <strong>im</strong> Bauzustand waren nicht erforderlich. Die Fuge zwischen den Fertigteilen<br />
über der Stütze wurde durch die Ausbildung einer Federplatte geschlossen [1] . Die<br />
Federplatte hatte die
<strong>VSVI</strong> Seminar "Rationelle Bauverfahren <strong>im</strong> Brückenbau" am 07. Mai 2008 in Friedberg/<strong>Hessen</strong><br />
2<br />
Bild 1: Ausbildung der Federplatte<br />
Aufgabe, die Verdrehung der Fertigteile untereinander zu ermöglichen und eine Fuge<br />
in der Ortbetonplatte zu vermeiden. Dazu wurde der Verbund zu den darunter lie-<br />
genden Trägern auf eine Gesamtlänge von 1,50 m durch eine Hartschaum- (2,0 cm)<br />
und eine Hartfaserplatte (0,5 cm) getrennt. Die Ortbetonplatte wurde <strong>im</strong> Normalfall<br />
fugenlos auf die gesamte Länge hergestellt und musste <strong>im</strong> Bereich der Federplatte<br />
mindestens 20 cm stark sein. Die entsprechenden Regelungen zu den Spannbeton-<br />
fertigteilen wurden in einer Ergänzung zur ZTV-K der EZTV-K Bayern [2] zusammen-<br />
gefasst. Durch die direkte Lagerung ergaben sich erhebliche Vorteile be<strong>im</strong> Bau und<br />
bei den Verkehrsführungen. Nach dem Auflegen der Fertigteile war keine Verkehrs-<br />
führung mehr an den Mittelpfeilern erforderlich, da weder eine Hilfsabstützung, noch<br />
Schal- und Bewehrungsarbeiten an den Querträgern erforderlich waren.
Bild 2: Querschnitt Fertigteile mit Federplatte<br />
Die Bauart Spannbetonfertigteilträger mit Federplatte war in den 70er und 80er<br />
Jahren die Regelbauweise in Bayern für Überführungen über die Autobahn und<br />
<strong>VSVI</strong> Seminar "Rationelle Bauverfahren <strong>im</strong> Brückenbau" am 07. Mai 2008 in Friedberg/<strong>Hessen</strong><br />
3<br />
dominierte auch bei den Talbrücken mit 30 m bis zu ca. 40 m Einzelstützweite, sofern<br />
eine Zugänglichkeit unter der Brücke vorhanden war. Die längste Talbrücke ist die<br />
Hangbrücke Kinding mit ca. 630 m Länge.<br />
Diese Bauweise hat sich in Bayern bis heute bestens bewährt [1] . Lediglich in den<br />
Kappen wurden in den Anfangsjahren dieser Bauweise über der Stütze Kappenfugen<br />
(Raumfugen) ausgebildet. Diese Fugen erwiesen sich generell als schadensanfällig<br />
und wurden durch eine fugenlose Bauweise ersetzt.<br />
Einzige Nachteile dieser Bauart waren, dass die Brücken gestalterisch oft unbe-<br />
friedigend und die Bauwerksoberfläche größer als bei Ortbetonüberbauten waren.<br />
Die Vielzahl der kleinen Elastomerlager (meistens ohne Ankerplatte) war effektiv kein<br />
Nachteil, da dort bisher keine Schäden entstanden sind. Bei längeren Brücken mit<br />
Verformungsgleitlagern gab es aufgrund von Einbaufehlern vereinzelt Schäden.<br />
Regelungen des ARS 23/1993<br />
Im Juli 1993 veröffentlichte das Bundesverkehrsministerium ein Allgemeines<br />
Rundschreiben zur Verwendung von Spannbeton-Fertigteilträgern für Brücken der
Bundesfernstraßen [3] . Die Regelungen waren insbesondere für Bayern gravierend.<br />
Wesentliche Änderungen waren<br />
1. keine Spannbetonfertigteilträger mehr für Großbrücken,<br />
2. Einzelstützweite < 35 m und Brückenschiefe > 60 gon,<br />
3. Querträger über den Auflagerlinien der Pfeiler und Widerlager,<br />
4. Beschränkung der Lager auf ein Min<strong>im</strong>um.<br />
<strong>VSVI</strong> Seminar "Rationelle Bauverfahren <strong>im</strong> Brückenbau" am 07. Mai 2008 in Friedberg/<strong>Hessen</strong><br />
4<br />
Damit konnte die bewährte Federplattenbauweise <strong>im</strong> Bereich der Bundesfernstraßen<br />
nicht mehr eingesetzt werden. Lediglich <strong>im</strong> Bereich der Staats-, Kreis- und Gemein-<br />
destraßen findet diese Bauart in Bayern heute noch Anwendung.<br />
Die Nachteile „Bauwerksgestaltung“ und „Bauwerksoberfläche der Überbauten“<br />
werden damit nicht gelöst, da die Gestaltung die Aufgabe des planenden <strong>Ing</strong>enieurs<br />
ist und die Bauwerksoberfläche durch die zusätzlichen Querträger noch mehr ver-<br />
größert wird. Das Verbot der Fertigteile für Großbrücken hat zwar gestalterisch<br />
gewisse Vorteile gebracht, aber zu einer Kostensteigerung geführt.<br />
Einsatz von Fertigteilen seit 1993<br />
Seit Anfang der 90er Jahre wird auch bei Bauwerken kleinerer und mittlerer<br />
Stützweite, somit auch für die Fertigteilträgerbrücken, deutlich mehr Wert auf die<br />
Gestaltung gelegt, was dem Brückenbau insgesamt zu Gute kommt. Diese Ent-<br />
wicklung ist unabhängig vom ARS 23/1993 zu sehen. Auch Fertigteilbrücken<br />
profitieren von den Anstrengungen der <strong>Ing</strong>enieure. Gute Beispiele hierfür sind u.a.<br />
auf der Autobahn A 9 von Nürnberg nach Berlin <strong>im</strong> bayerischen Teil zu finden [4] .<br />
Bild 3: Ansicht einer Überführung auf der A 9 [4]
Durch die Anwendungsgrenzen des ARS fehlt <strong>im</strong> Stützweitenbereich von 35 m bis<br />
ca. 50 m eine Bauweise, die die Vorteile von Fertigteilen (kurze Bauzeit, geringe<br />
Verkehrsbeeinträchtigungen, Wirtschaftlichkeit) beinhaltet.<br />
Diese „Marktlücke“ schließen u.a. die Verbundfertigteilträger (VFT), die von der<br />
<strong>Ing</strong>enieurgemeinschaft Schmitt, Stumpf, Frühauf und Partner aus München ent-<br />
wickelt werden. Der Verbundfertigteilträger besteht aus einem Stahlräger mit einem<br />
<strong>VSVI</strong> Seminar "Rationelle Bauverfahren <strong>im</strong> Brückenbau" am 07. Mai 2008 in Friedberg/<strong>Hessen</strong><br />
5<br />
<strong>im</strong> Werk aufbetonierten Stahlbetonflansch. Diese Bauweise verbreitet sich seit Ende<br />
der 90er Jahre zunehmend auf dem Markt [5] .<br />
Die VFT-Bauart kann wirtschaftlich auch unter best<strong>im</strong>mten Randbedingungen mit<br />
den Spannbetonfertigteilträgern konkurieren. So wurde bei der Erneuerung des BW 5<br />
auf der A 8 Ost bei München aus einem 2-Feld-Bauwerk mit Spannbetonfertigteil-<br />
trägern ein 1-Feld-Bauwerk mit VFT-Trägern [6] , siehe Bild 4.<br />
Bild 4: Querschnitt VFT-Rahmen [6]<br />
Eine weitere Randbedingung beeinflusst seit 2000 sehr stark den Einsatz von<br />
Fertigteilbrücken. Immer mehr Überführungen über die Autobahn werden ohne<br />
Mittelstütze hergestellt. Diese Entwicklung schafft ein neues Anwendungsgebiet für<br />
Fertigteilbrücken, die einfeldrigen Stahlverbundrahmen. Eine große Anzahl davon<br />
sind auf der A 73 zwischen Suhl und Lichtenfels zu finden [7] .<br />
Allerdings wird die Wirtschaftlichkeit be<strong>im</strong> Bau sehr stark vom aktuellen Stahlpreis<br />
beeinflusst.
<strong>VSVI</strong> Seminar "Rationelle Bauverfahren <strong>im</strong> Brückenbau" am 07. Mai 2008 in Friedberg/<strong>Hessen</strong><br />
6<br />
Aber auch mit Spannbetonfertigteilen lassen sich Überführungen über die Autobahn<br />
ohne Unterstützungen <strong>im</strong> Mittelstreifen wirtschaftlich herstellen, wie die Erneuerung<br />
der Überführung der Gemeindeverbindungssstraße Katzwang – Neuses bei<br />
Nürnberg zeigt [7] .<br />
Bild 5: Rahmenbrücke mit Spannbetonfertigteilen<br />
Verwendung von Stahlbeton-Fertigteilen für Unterführungen mit kleinen Stützweiten<br />
Ein Anwendungsgebiet für Stahlbetonfertigteile sind kleinere Bachunterführungen bis<br />
ca. 5 m Stützweite und geringer lichter Höhe, um sich aufwändige Gerüste, vor allem<br />
den Ausbau dieser Gerüste unter beengten Platzverhältnissen, zu ersparen. Die ca.<br />
20 cm starken Plattenstreifen werden mit mindestens 20 cm Aufbeton zum Gesamt-<br />
querschnitt ergänzt.
Bild 6: Längsschnitt Bachunterführung<br />
Zusammenfassung:<br />
Die Bauweise mit Fertigteilen <strong>im</strong> Brückenbau zeichnet sich neben den Vorteilen<br />
kurze Bauzeit und geringe Verkehrsbeeinträchtigungen vor allem durch ihre<br />
Wirtschaftlichkeit aus. Auch mit Fertigteilen lassen sich gestalterisch gute Brücken<br />
realisieren. Die Anwendungsgrenzen des ARS 23/1993 schließen eine in Bayern<br />
bewährte Bauweise aus und sollten überarbeitet werden.<br />
<strong>VSVI</strong> Seminar "Rationelle Bauverfahren <strong>im</strong> Brückenbau" am 07. Mai 2008 in Friedberg/<strong>Hessen</strong><br />
7
<strong>VSVI</strong> Seminar "Rationelle Bauverfahren <strong>im</strong> Brückenbau" am 07. Mai 2008 in Friedberg/<strong>Hessen</strong><br />
8<br />
Literatur<br />
[1] Wagner, Büchting: Die Federplattenbauweise bei mehrfeldrigen Fertigträger-<br />
brücken aus Beton, Bauingenieur 1981, S. 131 – 137<br />
[2] Oberste Baubehörde <strong>im</strong> Bayerischen Staatsministerium des Innern, EZTV-K<br />
Bayern, Ausgabe 1990, Bremberger Verlag, München<br />
[3] Bundesministerium für Verkehr, Abteilung Straßenbau, ARS Nr. 23/1993, Ver-<br />
wendung von Spannbeton-Fertigteilträgern für Brücken der Bundesfernstraßen<br />
vom 23. Juli 1993, Sammlung Brücken- und <strong>Ing</strong>enieurbau, Reg-Nr. 05.42<br />
[4] Bundesministerium für Verkehr, Abteilung Straßenbau, Sammlung Straßenbrü-<br />
cken, Dokumentation 1997, Seite 113 – 115, Verkehrsblatt-Verlag, Dortmund<br />
[5] VFSVI-Seminar 229 in Bayern am 27. Januar 1999 in Würzburg<br />
Schmitt, Victor: Verbundfertigteilträger (VFT-Bauweise)<br />
Schwemmer, Martin: Erneuerung der Brücken Bw 179a über die Bundes-<br />
autobahn A 72 mit Fertigteilverbundträgern<br />
[6] Doss, Gebeshuber, Friedrich, Schmitt, Seidl, Weizenegger, VFT-Bauweise<br />
Beton- und Stahlbetonbau, 2001, Heft 4, S. 171 – 180<br />
[7] Schiefer, Stefan: Überführungen in Fertigteil-Bauweise<br />
4. Symposium Brückenbau in Leipzig, 17. + 18. Februar 2004<br />
Veröffentlichung <strong>im</strong> Tagungsband, Verlagsgruppe Wiederspahn, Wiesbaden