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Blaue Reihe - Deutsche Gesellschaft für die Vereinten Nationen eV

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Abyei – unsichere Gegenwart, ungewisse Zukunft<br />

Klaus Coenen<br />

Abyei, ein kleiner Distrikt der Provinz Südkordofan (Dschanub Kurdufan), in dem Norden und<br />

Süden des Sudan ethnisch und kulturell aufeinander treffen, gesegnet mit beachtlichen natürlichen<br />

Ressourcen, geplagt von fortdauernder Gewalt und in Erwartung eines noch ausstehendem Referendums<br />

über seine politische Zukunft, ist ein wesentlicher Streitpunkt – wenn nicht gar ein Stolperstein<br />

– in den Nachreferendum-Verhandlungen zwischen Nord und Süd, eine Projektionsfläche<br />

nahezu aller Probleme des Sudan auf 10.460 km².<br />

Wieso konnten Nord und Süd sich im Comprehensive Peace Agreement (CPA) über <strong>die</strong> Zukunft<br />

<strong>die</strong>ses zentral gelegenen Streifens Land, nur knapp 0.42% der Fläche des Sudan, nicht einigen?<br />

Warum ein nunmehr auf unabsehbare Zeit verschobenes Referendum, das eigentlich parallel zum<br />

Urnengang am 9. Januar 2011 stattfinden sollte? Weshalb <strong>die</strong> Be<strong>für</strong>chtung, dass es gar zu kriegerischen<br />

Auseinandersetzungen um <strong>die</strong>ses Gebiet kommen könnte 1 , dessen Grenzen bereits<br />

Gegenstand eines Urteils des Ständigen Schiedsgerichtshofes (Permanent Court of Arbitration,<br />

PCA) in Den Haag waren?<br />

Historische und kulturelle Faktoren<br />

Das 2003 von ca. 34.000, durch Zuwanderung nun geschätzt 66.000 (UNMIS), Menschen bewohnte<br />

Gebiet gehörte im anglo-ägyptischen Sudan erst zu Bahr-al Ghazal, also zum Süden des durch<br />

koloniale Verwaltungsbereiche getrennten Landes, wurde 1905 aber durch <strong>die</strong> Briten der Region<br />

Kurdufan, und damit dem damaligen Verwaltungsbereich Nordsudan, zugeschlagen. Es liegt somit<br />

nördlich der 1.980 Kilometer langen, unmarkierten, unbewachten und erst zu rund 85% unbestrittenen<br />

Grenzlinie zwischen Nord und Süd. Besiedelt ist das Land aber durch <strong>die</strong> dem Süden zuzuordnende<br />

Ethnie der Ngok-Dinka, sesshaften nilotischen Viehzüchtern christlich/animistischen Glaubens.<br />

Für einige Monate im Jahr ziehen jedoch aus dem Norden nomadisierende Misseriya, Viehzüchter<br />

des islamisch/muslimischen Kulturkreises, wegen Wasser und Weideflächen in das Gebiet.<br />

Das dem Zusammentreffen zwischen Sesshaften und Nomaden immanente Konfliktpotential wurde<br />

über Jahrhunderte auf dem Weg von Verhandlungen über Wasser- und Weiderechte minimiert. Die<br />

Folgen von Auseinandersetzungen mit traditionellen<br />

Waffen, z. B. wegen Vieh<strong>die</strong>bstahls,<br />

waren begrenzt. Anders sind <strong>die</strong> Konsequenzen<br />

heute, bei allgemeiner Verfügbarkeit von<br />

Kalaschnikows und anderen Schusswaffen.<br />

Dabei muss man verstehen, dass Vieh<strong>die</strong>bstahl,<br />

wie bei anderen Ethnien der Region der<br />

Raub von Kindern, nicht durch Unrechtsbewusstsein<br />

„belastet“ ist, sondern der Tradition<br />

entspricht. Wie sonst soll ein junger Dinka den<br />

Preis <strong>für</strong> seine Braut erbringen, der <strong>für</strong> eine<br />

großgewachsene Dinka – das Schönheitsideal<br />

liegt über 1,80 Meter – schon bis zu 300 Kühe<br />

Kühe – Konfliktquelle im Sudan<br />

Foto: Frederic Schneider<br />

sein kann. Neben <strong>die</strong>sen „traditionellen“ Auseinandersetzungen<br />

spielen weitere Faktoren<br />

eine entscheidende Rolle.<br />

1 „Sollbruchstelle des Friedensprozesses“, TAZ 23.07.2009, Präsident al-Bashir spricht am 19.01.2011 von<br />

Kriegsgefahr. <strong>Deutsche</strong> Welle, Journal extra, 31.01.2011: „Gewalt möglich“.<br />

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