Thesen - Deutscher Juristentag
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<strong>Thesen</strong> zum Öffentlichen Recht<br />
5. Eine Änderung von Rechtsvorschriften läuft ins Leere, solange die am Planungsprozess<br />
Beteiligten ihre Einstellungen und Verhaltensweisen nicht ändern. Die Akzeptanz von<br />
Planungsprozessen und -ergebnissen macht eine neue Planungskultur erforderlich, die das<br />
Zusammenwirken von Bürgern, Politik, Vorhabensträgern, Planungsbehörden und Experten<br />
bei der Lösung von Planungsproblemen fördert. Dies schließt zunächst eine veränderte Wahrnehmung<br />
der Rollen der Beteiligten ein. Gegenwärtig ist die wechselseitige Rollenwahrnehmung<br />
häufig von Gegensätzen zwischen Planern und Entscheidern auf der einen Seite und der<br />
Bevölkerung auf der anderen Seite bestimmt. Die Planer sehen in den Mitwirkung beanspruchenden<br />
Bürgern nicht zuletzt Störfaktoren. In dieser Perspektive reduziert sich Bürgerbeteiligung<br />
auf eine Mitwirkung sachfremder Laien, die die Kompetenzen von Experten und<br />
Entscheidungsträgern in Frage stellen sowie die Planungsverfahren komplizieren, verteuern<br />
und verzögern. Im Gegenzug sehen die Bürger in den Planern und Entscheidungsträgern Vertreter<br />
bzw. Unterstützer wirtschaftlicher Partikularinteressen, die diese in bürgerfernen und<br />
intransparenten Prozessen gegen die berechtigten Interessen der Bürger durchzusetzen versuchen.<br />
Diese Antagonismen und Fehlwahrnehmungen erschweren kooperative und rationale<br />
Beteiligungsverfahren.<br />
6. Sofern eine Revision der Selbst- und Fremdbilder gelingt, steigen die Chancen für Dialoge<br />
und kooperative Problemlösungen. Zahlreiche Beispiele belegen den Erfolg einer auf Dialog<br />
und Kooperation basierenden Bürgerbeteiligung an Planungen. Die Wahrnehmung der<br />
Bürgerbeteiligung als produktive Ressource in Planungsprozessen trägt dazu bei, frühzeitig<br />
auf Interessen- und Wertekonflikten basierende Probleme zu identifizieren, sie bearbeitbar zu<br />
machen und einer Lösung zuzuführen. Die in der Bürgerbeteiligung zum Tragen kommende<br />
Laienperspektive ergänzt die Problemsichten von Planern und Entscheidern. Auf der Seite der<br />
Partizipanten vermittelt sie Verfahrenskompetenz und fördert Regelkonformität. Selbst dann,<br />
wenn sich ein Konsens in der Sache nicht erzielen lässt, wirkt die Akzeptanz von Verfahren<br />
befriedend, insbesondere auf Seiten derer, deren Präferenzen in den Beteiligungsverfahren<br />
nicht mit zum Zuge kamen. Eine sachgerecht durchgeführte Bürgerbeteiligung verlagert das<br />
Austragen von Konflikten in die institutionell geregelten Verfahren der repräsentativen Demokratie.<br />
7. Partizipative Planung beinhaltet in erster Linie eine Verbesserung der Planungspraxis und<br />
der Kommunikation zwischen den Planungsträgern und der Öffentlichkeit. Insbesondere<br />
letztere darf nicht auf punktuelle PR-Aktivitäten reduziert werden. Es handelt sich vielmehr<br />
um eine im gesamten Planungs- und Entscheidungsprozess anfallende Daueraufgabe, die in<br />
einer frühen Phase der Planung beginnt und mit der formalen Entscheidung nicht erledigt ist.<br />
Politische Kommunikation zielt darauf, vor einer endgültigen Entscheidung die Präferenzen<br />
der Bevölkerung in den Planungsprozess einzubeziehen, der Öffentlichkeit die Gründe des<br />
politischen Handelns zu verdeutlichen und um Unterstützung für die beschlossenen Projekte<br />
zu werben.<br />
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