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Das Abenteuer liegt um die Ecke - Motzbuch

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<strong>Das</strong> <strong>Abenteuer</strong><br />

<strong>liegt</strong> <strong>um</strong> <strong>die</strong> <strong>Ecke</strong><br />

Der Winterfeldtplatz in<br />

Berlin-Schöneberg<br />

Susanne Twardawa<br />

Bilder von Horst Happatz<br />

und Susanne Twardawa<br />

mit einem Beitrag von<br />

Daniela von Raffay<br />

motzbuch edition 6<br />

1


2 3<br />

© <strong>die</strong>ser Ausgabe 2006<br />

motzbuch edition<br />

Copyright der Fotos und Texte<br />

bei den Urhebern<br />

Alle Rechte vorbehalten<br />

Idee, Konzeption, Text:<br />

Susanne Twardawa<br />

Gestaltung: Karin Schmidt-Ruhland<br />

Druck: MK-Druck Berlin<br />

Printed in Germany<br />

ISBN: 3-935790-06-6<br />

Dieses Buch ist allen<br />

Puppenspielerinnen und<br />

Puppenspielern <strong>die</strong>ser Welt gewidmet,<br />

besonders aber Annemi und Sebastian.<br />

Dedicado a todos los titiriteros<br />

y marionetistas de este mundo,<br />

en especial, a Annemi y Sebastian.


4 5<br />

Der Winterfeldtplatz<br />

„Kennt ihr das Märchen vom Goldenen<br />

Topf, erinnert ihr euch an das seltsame<br />

Äpfelweib, dem der Student Anselmus<br />

da am Anfang begegnet? Oder kennt<br />

ihr Hauffs Märchen ‚Zwerg Nase‘, das<br />

mit einem Markt beginnt, auf dem <strong>die</strong><br />

Hexe mit spindeldürren Fingern <strong>die</strong><br />

Waren betastet, <strong>um</strong> das Beste für sich<br />

mit nach Hause zu nehmen? Ist es euch<br />

nicht selbst schon, wenn ihr mit der<br />

Mutter den Markt betratet, spannend<br />

und festlich vorgekommen? Denn noch<br />

im einfachen Wochenmarkt steckt et-<br />

was vom Zauber der orientalischen<br />

Märkte, der Bazare von Samarkand.“<br />

Winterfeldtplatz in Schöneberg-Wochenmarkt 1993<br />

Ra<strong>die</strong>rung von Eberhard Franke (1936-2004)<br />

Damit beginnt eine der Rundfunkgeschichten<br />

für Kinder, <strong>die</strong> Walter Benjamin<br />

zwischen 1929 und 32 schrieb.<br />

Der Winterfeldtmarkt bietet solch eine<br />

romantische Alternative z<strong>um</strong> Supermarkt<br />

an der nächsten <strong>Ecke</strong>. Und das, obwohl<br />

der Platz einst schnurgerade auf dem<br />

Reißbrett entworfen wurde. 1890 wur-<br />

de der 290 Meter lange und 80 Meter<br />

breite Platz auf einem Feld vor den Toren<br />

der Stadt Berlin befestigt, mit Bä<strong>um</strong>en<br />

<strong>um</strong>geben und z<strong>um</strong> Marktplatz bestimmt.<br />

Es waren damals <strong>die</strong> Bauern aus Schöneberg,<br />

<strong>die</strong> auf dem Winterfeldtplatz ihre<br />

Waren feilboten und <strong>die</strong> Hökerinnen aus<br />

Berlin: Frauen von niederem Stand, <strong>die</strong><br />

nur billige Waren verkaufen durften.


Nach dem Berliner Adressbuch 1921<br />

6 7<br />

<strong>Das</strong> „Ratswagenhäuschen“ für <strong>die</strong> Rats-<br />

waage, auf der <strong>die</strong> Händler ihre Ware<br />

unter Aufsicht und mit geeichten Gewichten<br />

abwogen, kam 1900 auf <strong>die</strong><br />

Südseite des Winterfeldtplatzes. Da es<br />

in jeder Stadt nur eine <strong>die</strong>ser sorgsam<br />

gehüteten Waagen gab, erhielt der Platz<br />

dadurch eine besondere Aufwertung.<br />

Erst irgendwann nach dem Zweiten<br />

Weltkrieg verschwand das Waagenhaus<br />

mit der Waage.<br />

Auch verkehrsmäßig lag der Winter-<br />

feldtplatz günstig. Bereits 1887 fuhr<br />

eine Dampfstraßenbahn von der Haupt-<br />

straße durch <strong>die</strong> Goltzstraße und Maaßenstraße<br />

z<strong>um</strong> Nollendorfplatz. Kurze<br />

Vor der Kirche rechts ist das<br />

„Ratswagenhäuschen“ zu sehen 1935<br />

Zeit später wurde sie von der elektrischen<br />

Straßenbahn abgelöst.<br />

Mit der Stadtwerdung Schönebergs am<br />

1. April 1898 wurde der Winterfeldtplatz<br />

städtisch. Die Grenze zwischen<br />

Schöneberg und Berlin verlief durch<br />

<strong>die</strong> Gleditschstraße. Die Häuser an der<br />

Gleditschstraße gehörten zu Berlin, <strong>die</strong><br />

an der Goltzstraße zu Schöneberg. Mit<br />

der Bildung Großberlins 1920 wurde<br />

der Platz großstädtisch. Damit konnten<br />

nun auch Händler aus Berlin auf dem<br />

Winterfeldtmarkt ihre Ware verkaufen.<br />

Der Bau der Untergrundbahn im Jahr<br />

1902 ermöglichte eine schnelle Verbindung<br />

von Berlin zu den Stadtrandgebie-<br />

Alte Postkarte <strong>um</strong> 1900<br />

ten. Auch <strong>die</strong> Schöneberger Gaststätten<br />

waren am Wochenende gut besucht. Die<br />

Gegend <strong>um</strong> den Nollendorfplatz und<br />

<strong>um</strong> den Bülowbogen zog besonders <strong>die</strong><br />

Boheme- und Künstlerszene des beginnenden<br />

20. Jahrhunderts an. Gewalt,<br />

Prostitution und Armut häuften sich<br />

besonders in der Zeit nach dem Ersten<br />

Weltkrieg. Trotzdem bezeichnete der<br />

Schriftsteller Joseph Roth den Winterfeldtplatz<br />

1921 noch als „Dorfidyll bei<br />

der Untergrundbahn“.<br />

Nach dem Zweite Weltkrieg war der<br />

Platz weitgehend zerstört. Frauen rä<strong>um</strong>ten<br />

<strong>die</strong> Trümmer beiseite und sorgten<br />

für <strong>die</strong> übriggebliebenen Familien. An<br />

<strong>die</strong> karge Nachkriegszeit gibt es aber<br />

auch schöne Erinnerungen. In den<br />

Ruinen suchten spielende Kinder ihre<br />

<strong>Abenteuer</strong>. Flirtende Teenager fanden<br />

in den unbeleuchteten Hauseingängen<br />

<strong>die</strong> nötige Dunkelheit. Die Älteren kamen<br />

miteinander ins Gespräch, wenn<br />

sie in der Schlange standen, <strong>um</strong> mit<br />

Lebensmittelmarken einzukaufen. Bald<br />

fuhr auch wieder <strong>die</strong> Linie 3 der Straßenbahn<br />

quietschend am Platz vorbei.<br />

Nach Wiederaufbau und Teilung der<br />

Stadt blieb in Schöneberg <strong>die</strong> Zeit stehen:<br />

<strong>die</strong> Straßenbahnen verschwanden,<br />

Häuser verfielen. Den Nollendorf- und<br />

Winterfeldtplatz eroberte <strong>die</strong> Drogen-


Der Winterfeldtplatz 1898 Der Winterfeldtplatz galt 1982 als hässlichster Platz von West-Berlin<br />

8 9<br />

und Prostituiertenszene und <strong>die</strong> Berliner<br />

Morgenpost bezeichnete den Winterfeldtplatz<br />

1978 als „Berlins hässlichsten<br />

Platz“.<br />

1985 musste der Markt vorübergehend<br />

in <strong>die</strong> Gleditschstraße <strong>um</strong>ziehen. Der<br />

Platz wurde mit den rötlichen Bodenplatten<br />

„Marke Tauentzien“ gepflastert<br />

und von der Bezirksverwaltung zur Be-<br />

nutzung für Rollschuhläufer und Inlineskater<br />

freigegeben.<br />

Pieke Biermann schrieb 1990 darüber<br />

in ihrem Krimi „Violetta“: „Sie trat aus<br />

der Tür und ging links <strong>die</strong> Goltzstraße<br />

hinauf in Richtung Winterfeldtplatz.<br />

Montag ist kein Markttag, und so schlenderte<br />

sie schräg über das Rechteck vor<br />

der Kirche, das vor ein paar Jahren mit<br />

Granitplatten belegt worden war. Mit einer<br />

Billig- und Scheußlich-Version, was<br />

Marktleute, Anwohner und Stadtplaner<br />

bis zuletzt zu verhindern versucht<br />

hatten. Als Untergrund für lustvoll<br />

klappernde Stöckelschuhe und gut geschmierte<br />

Rollschuhe waren <strong>die</strong> Platten<br />

ganz brauchbar. ... Besser als das Bernburger<br />

Kleinmosaik, das den Platz früher<br />

geziert hatte. Und sehr viel besser<br />

als <strong>die</strong> Asphaltschicht, <strong>die</strong> der deutsche<br />

Amtsschimmel in seinem Wahn, nach<br />

jedem Markttag den Platz flächendeckend<br />

desinfizieren zu müssen, über <strong>die</strong><br />

Pflastersteine hatte gießen lassen.“<br />

Die „Neue Heimat“ übernahm in den<br />

1980er Jahren <strong>die</strong> Sanierung des öst-<br />

lichen Blockes <strong>um</strong> Zieten- und Nollendorfstraße<br />

und hinterließ ein Hausensemble<br />

im historisierenden Stil. Hausbesetzer,<br />

Hausbesitzer, Kirche, Bezirk<br />

und Städteplaner kümmerten sich <strong>um</strong><br />

<strong>die</strong> weiteren Grundstücke. Die Sankt-<br />

Matthias-Kirche musste nach schwerer<br />

Kriegszerstörung restauriert und erneuert<br />

werden. Erst im Jahr 1987 begann<br />

man <strong>die</strong> zugemauerten Kirchenfenster<br />

zu öffnen.<br />

Heute weicht der Winterfeldtplatz stark<br />

von seinem historischen Erscheinungs-<br />

bild ab. Was sich nicht verändert hat,<br />

ist seine Nutzung als Markt; und als<br />

Markt ist er Kult.


Blick auf den Winterfeldtplatz Richtung Nord-Osten 2005<br />

10 11<br />

Blick auf den Winterfeldtplatz Richtung Süd-Osten 2005


12 13<br />

Der Winterfeldtmarkt<br />

Autogeräusche der Zulieferer, Rufe und<br />

das typische Klappern beim Aufbauen<br />

der Stände hallen an den Markttagen ab<br />

4 Uhr morgens über den Platz. Noch<br />

scheint sich <strong>die</strong> harte Arbeit zu lohnen:<br />

nachts aufstehen, anreisen, Ware bereitstellen<br />

und bei jedem Wetter im Freien<br />

verkaufen.<br />

Einige Marktstände werden von Generation<br />

zu Generation weitergegeben.<br />

Andere verschwinden mangels Nachfrage.<br />

So gibt es heute keine Sandwagen<br />

mehr. Mit dem feinen märkischen Sand<br />

wurden <strong>die</strong> Parkettböden gescheuert.<br />

Auch <strong>die</strong> politischen Büchertische der<br />

1970er Jahre oder <strong>die</strong> noch älteren Bücherkarren<br />

sind verschwunden. Dafür<br />

gibt es im Umkreis des Platzes heute<br />

viele Antiquariate.<br />

Und es gibt weiterhin Originale, über<br />

<strong>die</strong> sich Glassbrenner (der Schöpfer von<br />

Nante, dem <strong>Ecke</strong>nsteher) gefreut hätte:<br />

zwischen den Ausrufern, <strong>die</strong> Obst oder<br />

frischgepresste Säfte anbieten, hörte man<br />

früher <strong>die</strong> kräftige Stimme des „alles für<br />

ein Zehnerle“ rufenden Bl<strong>um</strong>enhändlers.<br />

Nachdem sich Anwohner über <strong>die</strong><br />

Lautstärke beschwerten, ruft er jetzt <strong>um</strong><br />

einiges leiser „alles für ein Fünferle“.<br />

Der Euro hat inzwischen <strong>die</strong> DM abgelöst.<br />

Zwischen türkischem Akzent und hoch-<br />

deutsch sächselt auch schon mal jemand,<br />

und <strong>die</strong> Berliner Schnauze zu hören,<br />

macht Spaß. „mir is ejal, wovon ma<br />

schlecht wird“ oder „falln se langsam,<br />

da ham se mehr Jenuss von“, sind nur<br />

einige Beispiele für den berühmt – berüchtigten<br />

Berliner Witz.<br />

Auch das Fotografieren für <strong>die</strong>ses Buch<br />

wird von den Marktleuten nicht kommentarlos<br />

hingenommen: „jerne lächle<br />

ick ihnen an“ hören wir oder „jedes<br />

Bild macht Ein Euro fuffzich“.<br />

Aber nicht immer sind <strong>die</strong> Marktleute<br />

laut und schlagfertig. Die Ökobauern<br />

erklären oft ausführlich <strong>die</strong> Vorzüge ihrer<br />

Ware, und der Kartoffelhändler beschreibt<br />

<strong>die</strong> Qualitäten der unterschiedlichen<br />

Kartoffelsorten.<br />

Diese Gemüsesorte war nicht immer so<br />

gut gelitten. 1720 verordnete der Sol-<br />

datenkönig Friedrich Wilhelm I. den<br />

Anbau der Kartoffel als Folge einer verheerenden<br />

Missernte an Getreide. Da<br />

<strong>die</strong> Bauern angeblich nicht <strong>die</strong> in der<br />

Erde liegenden Knollen aßen, sondern<br />

<strong>die</strong> ungenießbaren gelbgrünen oder<br />

-roten Beerenfrüchte, konnte anfänglich<br />

selbst <strong>die</strong> Androhung drakonischer<br />

Strafen das Landvolk nicht z<strong>um</strong> Anbau<br />

bewegen. Den widerspenstigen Bauern<br />

wurde mit dem Abschneiden von<br />

Nasen und Ohren gedroht. Preußens


14 15<br />

Aufschwung war jedoch vom Kartoffelanbau<br />

abhängig und so lenkten <strong>die</strong><br />

Bauern schließlich ein. Inzwischen gehört<br />

<strong>die</strong> ursprünglich in Südamerika<br />

heimische Kartoffel mit dem hohen<br />

Vitamin-D-Gehalt zu den Grundnahrungsmitteln.<br />

Die goldgelben Honig-Bonbons oder<br />

solche, <strong>die</strong> wie Himbeeren oder Brombeeren<br />

aussehen, gibt es wie zu Großmutters<br />

Zeiten beim Kräutermann.<br />

Neben der Spreewälder Gurke, <strong>die</strong> auf<br />

dem Markt aus dem Fass verkauft wird,<br />

oder dem Schusterjungen mit Schmalz,<br />

bieten sich noch viele weitere Delikatessen<br />

z<strong>um</strong> Schnellimbiss an. Die Currywurst<br />

– eine Wurst mit Soße – ließ <strong>die</strong><br />

Berliner Imbissbudenbesitzerin Herta<br />

Heuwer 1959 patentieren. Zur „Bulette<br />

mit Mostrich“ gab es früher „Molle“ für<br />

<strong>die</strong> Großen und „Brause“ für <strong>die</strong> Kleinen.<br />

Inzwischen werden frisch gepresste<br />

Obst- und Gemüsesäfte bevorzugt.<br />

Aus der Mark kommen frisches Obst<br />

und Gemüse und Fisch von der Ost-<br />

und Nordsee, manchmal gibt es sogar<br />

Havelzander. Und natürlich werden<br />

viele Kräuter und Gewürze angeboten,<br />

sowie regionale und internationale Besonderheiten<br />

z.B. bayerische Weißwurst<br />

und „Obatzta“, Beelitzer Spargel oder<br />

italienisches Tiramisu.<br />

Zwischen den verschiedenen Ständen<br />

drängen sich jeden Samstag (am Mitt-<br />

woch besuchen weniger Touristen den<br />

Markt) gutgelaunte Menschen, denen<br />

es nichts ausmacht, in der Schlange zu<br />

stehen. „Diogenes ging auf den Markt,<br />

dort suchte er den Menschen und sein<br />

Gespräch. Urbanus tritt in <strong>die</strong> Schlange“,<br />

bemerkte der Theaterkritiker Friedrich<br />

Luft, „hier wohnt <strong>die</strong> Leidenschaft<br />

und Ungeduld der Menschen unserer<br />

Tage. Die Schlange als philosophischer<br />

Ort. Verachtet sie nicht allzu sehr.“<br />

Auch ihn, den Schöneberger Friedrich<br />

Luft, der 50 Jahre lang bis zu seinem<br />

Tod 1990 in der Maienstraße 4 wohnte,<br />

konnte man öfters auf dem Winterfeldtmarkt<br />

treffen.


16 17<br />

endlich samstag!<br />

in unserem kiez unterteilt sich <strong>die</strong> woche<br />

in zwei hälften, zwischen samstag und<br />

mittwoch.<br />

meine verabredungen und erledigungen<br />

hangeln sich an <strong>die</strong>sen beiden eckpfeilern<br />

entlang.<br />

da is was los. da fliesst ein strom richtung<br />

winterfeldtplatz rechts und links der maaßenstrasse<br />

entlang.<br />

für mich als münchnerin in der „diaspora“<br />

kommt fast wies’nfeeling auf.<br />

der strom fliesst natürlich ständig. täglich,<br />

tagaus, tagein, aber mittwoch und vor<br />

allem samstag sind besondere tage, denn<br />

da ist winterfeldtmarkt!<br />

ich werde an allen marktständen entlangrollen.<br />

im lauf der zeit hab ich natürlich<br />

meine lieblingsstände ausgeknattert (von<br />

nick knatterton, dem meisterdetektiv).<br />

viele marktleute kenne ich mittlerweile<br />

persönlich und geniesse den luxus, samstag<br />

vormittags auszuschlafen und meine einkäufe<br />

erstmal per telefon vorzubestellen.<br />

eier und obst und gemüse und bl<strong>um</strong>en bei<br />

gisela.<br />

brot, käse, wurst und <strong>die</strong> laugenbrezeln<br />

fürs sonntagsfrühstück bei kerstin und<br />

katja, den aufgebürsteten schwägerinnen<br />

aus birkenwerder.<br />

gisela lieben alle. gisela liebt nicht alle,<br />

das merkt man, wenn sie ihr langes allzweckmesser<br />

fast beiläufig fester <strong>um</strong>greift.<br />

dann nämlich, wenn besonders aggressive<br />

bettler oder siebenmalgescheite hausfrauen<br />

bei ihr andocken wollen.<br />

unser giselchen würzt uns den tag mit<br />

liebeserklärungen: „na, meine sonne, was<br />

darfs denn heut sein?“ und „nimm noch’n<br />

bund mairübchen. dünne scheiben in<br />

olivenöl kurz heiss dünsten, bisschen salz<br />

und pfeffer drüber, mmh“ und für eingeweihte:<br />

„aber nicht <strong>die</strong> mit dem jelben<br />

j<strong>um</strong>mi r<strong>um</strong>“.<br />

alle leiden mit, wenns wetter nicht mitspielt<br />

und unsre lieblingsdamen bei nacht<br />

und nebel, im schwülen hochsommer<br />

oder klirrender winterskälte rausmüssen.<br />

mittlerweile lernten wir gegenseitig all<br />

unsre zipperlein, haustiere und vorlieben<br />

kennen.<br />

berlinbesucher werden sofort auf den<br />

markt geschleppt und alle geburtstagsgeschenke<br />

und mitbringsel werden dort<br />

gesucht und gefunden.<br />

<strong>die</strong> seidenschals von majid aus kaschmir<br />

<strong>um</strong>hüllen mich ganzjährig, egal ob als<br />

stola an kühlen maiabenden oder windschutz<br />

im nieseligen novemberwetter.<br />

meine filzhauspuschen mit reissverschluß<br />

vorne, trage ich als kaltfüsslerin ganzjährig,<br />

herrlich, wie in omas zeiten.<br />

ich bin quasi von kopf bis fuß „auf winterfeldt<br />

eingestellt“.<br />

brauch ich für unsren chorauftritt noch<br />

fix ein schwarzes gewand, werde ich ga-


18 19<br />

rantiert auf unsrem markt noch ne chice<br />

leinenhose und ein passendes oberteil dazu<br />

finden.<br />

schmuck für beringte damen gibt’s in hülle<br />

und fülle. halbeldelsteine, silber – sogar<br />

reparaturen von gerissenen halsketten<br />

werden im hand<strong>um</strong>drehn erledigt.<br />

ich muss nur meine marktrunde mit dem<br />

obligaten cappuccino im puppentheater<br />

bei „hans wurst nachfahren“ abrunden,<br />

dann kann ich nochmal bei den freundlichen<br />

jungs von „südsinn“ vorbeirollen<br />

und <strong>die</strong> kette oder das armband wieder<br />

anlegen.<br />

bei „wurst‘ns“, wie wir sie nennen, ist<br />

alles vereint. ich kann dort mühelos aufs<br />

wc rollen, da dort alles barrierefrei ohne<br />

stufen ist.<br />

oft sitzen meine freundinnen und ich bis<br />

z<strong>um</strong> letzten sonnenstrahl auf der terrasse,<br />

schwätzen, treffen leute. irgendeine nette<br />

nachbarin oder bekannte kommt garantiert<br />

vorbei.<br />

bei lust und laune könnten wir auch <strong>um</strong><br />

16 uhr in eine der entzückenden puppentheateraufführungen<br />

gehen. der kleine<br />

muck oder der teufel mit den 3 goldenen<br />

haaren holt uns auch persönlich vor der<br />

türe ab.<br />

mitgebrachtes kann hochoffiziell verzehrt<br />

werden. so bleibt bei uns samstags oft <strong>die</strong><br />

küche kalt, weil wir uns durch <strong>die</strong> marktstände<br />

gefuttert haben. göttliche moussaka<br />

oder köstliche zwiebelquiche bei angelikas<br />

griechischem stand. oder mal ein teller<br />

vegetarisches mit meeresfrüchten.<br />

am frühen abend wird ein hefeweizen<br />

gezischt und <strong>die</strong> zeitung vom wochenende<br />

gelesen.<br />

wer lust hat, kann hier abends auch in<br />

eine der aufführungen oder lesungen für<br />

erwachsene gehen.<br />

rund <strong>um</strong> den winterfeldtplatz gibt’s natürlich<br />

noch ’zig läden und lokale<br />

kennenzulernen.<br />

aber kommen sie und schaun sie selber!<br />

wir sehen uns bestimmt.<br />

rabugl<br />

berlin, nollendorfstrasse im august 2005


Blick auf <strong>die</strong> Ostseite des Winterfeldtplatzes,<br />

begrenzt durch <strong>die</strong> Gleditschstraße 2005<br />

20 21<br />

Vom Hobrecht-Plan<br />

z<strong>um</strong> Baller-Plan<br />

„Ach – wie scheen is draußen jewesen...<br />

da trillern de Lerchen, und det blieht<br />

und jrient uff <strong>die</strong> Wiesen,“ lässt Erdmann<br />

Graeser Tante Marie in seinem<br />

Roman „Lemkes sel. Witwe“ vom Dorf<br />

Schöneberg schwärmen.<br />

Erdmann Graeser (1870-1937) wuchs<br />

<strong>um</strong> den Winterfeldtplatz her<strong>um</strong> auf und<br />

spielte noch im Gras zwischen den alten<br />

Weidenbä<strong>um</strong>en. Er wohnte zeitweise in<br />

der Winterfeldtstraße 24 (heute 33), in<br />

der Luitpoldstraße 6 und in der Münchener<br />

Straße 36.<br />

Die Straßenführung in Schöneberg orientierte<br />

sich 1890 noch an den Feldwegen<br />

entlang den Schöneberger Wiesen.<br />

Regierungsba<strong>um</strong>eister James Hobrecht<br />

hatte 1862 einen Bebauungsplan entwickelt,<br />

wonach der äußere Stadtring nach<br />

allen Richtungen in rechtwinklige Baublöcke<br />

aufgeteilt wurde. Der Bebauungsplan<br />

war von Anfang an <strong>um</strong>stritten, weil<br />

er durch <strong>die</strong> großen Blöcke eine intensive<br />

Bebauung ermöglichte, was wieder<strong>um</strong><br />

Grundstücksspekulationen unterstützte.<br />

Als Ergebnis <strong>die</strong>ser Planung konnte Ende<br />

1900 ein so großer zusammenhängender<br />

Häuserblock wie der zwischen Gleditschstraße,<br />

Winterfeldtstraße, Potsdamer<br />

Straße und Pallasstraße entstehen.<br />

Drogerie, Gleditschstraße 3-5 (am Winterfeldtplatz) 1911<br />

<strong>Das</strong> Areal bestand ursprünglich jedoch<br />

nicht nur aus Wiese. Der „Hopfengarten“,<br />

ein Teil des Königlichen Botanischen<br />

Gartens war hierher ausgelagert.<br />

Als <strong>die</strong>ser Gartenteil wegen der Straßenziehung<br />

und Bebauungsplanung<br />

aufgegeben werden musste, reservierte<br />

sich Grundstücksbesitzer Koch einen<br />

Teil <strong>die</strong>ser gärtnerischen Anlage. Er baute<br />

sich hier eine Villa mit großem Garten.<br />

Nachdem an den Straßen entlang<br />

Wohn- und Geschäftshäuser entstanden,<br />

lag nun innerhalb der Mietshäuser<br />

eine uneinsehbare grüne Oase. Koch<br />

bewohnte sie bis zu seinem Tode 1921.<br />

Die Erben verkauften das Grundstück<br />

und 1928 wurde das Fernmeldeamt<br />

darauf gebaut. Dabei wurde <strong>die</strong> Baufläche<br />

so intensiv genutzt, dass einige Bewohner<br />

der <strong>um</strong>liegenden Häuser heute<br />

auf eine rote Backsteinmauer sehen,<br />

wenn sie z<strong>um</strong> Hinterhoffenster hinausschauen.<br />

Auch in der Höhe überragt<br />

das Gebäude des Fernmeldeamtes <strong>die</strong><br />

5 bis 6-geschossigen Wohnhäuser.<br />

1884 entstand hinter der Häuserfront<br />

eine Hinterhofschule mit Sportplatz,<br />

<strong>die</strong> 1. und 2. Volksschule, <strong>die</strong> heutige<br />

Spreewald-Grundschule. Sie ist von der<br />

Pallasstraße 15 und vom Winterfeldtplatz<br />

aus zu erreichen. Stolz sind Lehrer<br />

und Kinder heute auf ihr vom Architektenbüro<br />

Baller entworfenes „futu-


Die Sporthalle Lilli Henoch, <strong>die</strong> zur<br />

Spreewaldschule gehört (2005)<br />

22 23<br />

ristisches Freizeithaus“ mit Sporthalle,<br />

filigranem Gitter und vielen Pflanzen.<br />

„Unser Schulhof ist einzigartig in Berlin:<br />

viel Grün, tolle Spiel – und Sportgeräte“,<br />

steht auf der Schulwebseite.<br />

Die Sporthalle hat Wendeltreppen, runde<br />

Zimmer mit Glasbausteinen und<br />

Schächte, <strong>die</strong> Sonnenlicht in das Haus<br />

lassen. <strong>Das</strong> Dach wirkt mit den Steinen<br />

und Pflanzen wie ein Gebirge. Ein Teil<br />

des Daches funktioniert als Kindertagesstätte<br />

und Spielfläche für Kinder.<br />

Auf dem Schulgelände gehen <strong>die</strong> Kinder<br />

auf geschwungenen Wegen, vorbei<br />

an Weißdorn- und Rosenbüschen. Der<br />

Bodenbelag ist mit Mosaiken ausgelegt.<br />

Unter einem mit Felsen verkleideten<br />

Berg verbirgt sich das Heizkraftwerk.<br />

Seit dem Richtfest 1994 geriet <strong>die</strong> ungewöhnliche<br />

Anlage wiederholt in <strong>die</strong><br />

Schlagzeilen. Berichte über Baustopps,<br />

Fehlkalkulationen, ein undichtes Dach,<br />

falsche Planung und eine überforderte<br />

Behörde begleiteten den schleppenden<br />

Bauverlauf. Der Bau verschlang immerhin<br />

61 Millionen Mark.<br />

10 Jahre wurde an der Sporthalle gebaut,<br />

<strong>die</strong> nun den Namen der Berliner<br />

Sportlerin Lilli Henoch trägt. Henoch<br />

(1899 – 1942) war eine erfolgreiche<br />

Leichtathletin und eine Vorkämpferin<br />

des Frauensports. 1933 als Jüdin aus<br />

dem Berliner Sport-Club (BSC) ausgeschlossen,<br />

arbeitete sie bis 1941 als<br />

Wohn- und Geschäftshaus in der Gleditschstraße 1,<br />

entworfen von Inken und Hinrich Baller (2005)<br />

Sportlehrerin an jüdischen Schulen.<br />

1942 wurde sie zusammen mit ihrer<br />

Mutter nach Riga deportiert und dort<br />

ermordet.<br />

Eigentlich sollte im Rahmen der Internationalen<br />

Bauausstellung an der Ostseite<br />

des Winterfeldtplatzes eine Blockbebauung<br />

durchgeführt werden.<br />

In den 1980er Jahren gelang es der Alternativen<br />

Liste und der extra gegründeten<br />

„Bürgerinitiative Winterfeldtplatz“,<br />

<strong>die</strong>s zu verhindern und <strong>die</strong> Architekten<br />

Inken und Hinrich Baller mit der Planung<br />

zu beauftragen. Der durch Bomben<br />

entstandene offene Ra<strong>um</strong> wurde<br />

im Sinne der Architekten als Chance<br />

Blick nach oben<br />

begriffen, in der dicht bebauten Schöneberger<br />

Innenstadt Licht und Bä<strong>um</strong>e<br />

zu erhalten und nur <strong>die</strong> <strong>Ecke</strong>n zu bebauen.<br />

Ein Plan, der sich langfristig<br />

auszahlt und zur Urbanität des Platzes,<br />

wie er sich heute darstellt, beiträgt. Im<br />

August 1999 wurde das postmoderne<br />

Wohn- und Geschäftshaus in der Gleditschstraße<br />

1 z<strong>um</strong> Erstbezug freigegeben.<br />

Der 6-stöckige geschwungene Bau<br />

leuchtet in den Farben rosa und blau.<br />

Die großzügigen Balkone zeigen alle zur<br />

Süd- und Ostseite. Im Dachgeschoss<br />

befinden sich zwei Maisonette-Wohnungen<br />

mit Wendeltreppe, Dachterrasse<br />

und Blick über Schöneberg. Vom<br />

Bad in einer <strong>die</strong>ser Wohnungen führt


Die „Ruine“ 1997 Die „Ruine“ brannte 1997 ab<br />

Spielplatz am ehemailigen Standort der „Ruine“ (2005)<br />

24 25<br />

eine Tür direkt auf <strong>die</strong> uneinsehbare<br />

Süd-Terrasse, eine der ungewöhnlichen<br />

Ideen in <strong>die</strong>sem Haus.<br />

Bei entsprechender natürlicher Beleuchtung<br />

wirken <strong>die</strong> Balkonabschirmungen<br />

wie Segel. Solche Details haben dem<br />

Architekten Baller den Spitznamen<br />

“Der mit den Segeln tanzt“ eingebracht.<br />

Die „Ruine“<br />

In der Gleditschstraße 9 stand bis 1997<br />

<strong>die</strong> „Ruine“, ein kriegszerstörtes Haus<br />

mit Gastwirtschaft, <strong>die</strong> seit 1957 <strong>die</strong><br />

Schankerlaubnis hatte. Über den Kiez<br />

hinaus erlangte <strong>die</strong> „Ruine“ in den<br />

1970er Jahren ihren Ruf als Kneipe für<br />

Hausbesetzer, Trebegänger und Kiffer,<br />

<strong>die</strong> nicht nur aus den besetzten Häusern<br />

der Winterfeldtstraße und Goltzstraße<br />

kamen. Die „Ruine“ gehörte als<br />

fester Bestandteil z<strong>um</strong> „Schöneberger<br />

Trampelpfad“, einer Kette von Kneipen,<br />

<strong>die</strong> zu Fuß erreichbar waren. Ständige<br />

Prügeleien und fliegende Biergläser<br />

sind einige der Legenden, <strong>die</strong> sich <strong>um</strong><br />

<strong>die</strong> „Ruine“ ranken. Trotzdem <strong>die</strong> Besucher<br />

in Bierlachen standen und es dort<br />

fürchterlich stank, erinnert sich noch<br />

jeder ehemalige Kneipenbesucher mit<br />

Rührung an das Lokal, egal ob Bohemien<br />

oder Penner.<br />

Natürlich gab es in dem Haus außer der<br />

Kneipe auch noch Wohnungen, <strong>die</strong> allerdings<br />

leer standen. Nach und nach eigneten<br />

sich Menschen ohne Wohnra<strong>um</strong><br />

<strong>die</strong>se Wohnungen an. Einige bekamen<br />

Mietverträge, andere Duldungsverträge.<br />

Gemeinsam war den Bewohnern, dass<br />

sie alle jeweils sozialen Randgruppen<br />

angehörten. Also bildeten sie einen Verein,<br />

in dem der Einzelne lernen sollte,<br />

Verantwortung für sich und <strong>die</strong> Gruppe<br />

zu tragen. Sowohl das Hausprojekt<br />

als auch <strong>die</strong> Kneipenkarriere endeten<br />

1986, als <strong>die</strong> Brandwand abgerissen<br />

wurde und das Haus noch mehr vergammelte.<br />

Es gab Initiativen, <strong>die</strong> <strong>die</strong>ses<br />

Grundstück als Baudenkmal in Erinne-<br />

rung an den Zweiten Weltkrieg erhalten<br />

wollten. Auch <strong>die</strong> Einrichtung eines<br />

Muse<strong>um</strong>s war angedacht. 1989 zog <strong>die</strong><br />

Gärtnerei „Hofgrün“ in das Vorderhaus<br />

ein. Ihr wurde 1996 gekündigt. Nun<br />

stand das Gelände unbeaufsichtigt nur<br />

noch Pennern offen. Als <strong>die</strong> Ruine 1997<br />

brannte, unternahm <strong>die</strong> Feuerwehr kei-<br />

ne übermäßigen Anstrengungen, das<br />

Haus zu retten. Danach wurde es endgültig<br />

abgerissen.<br />

Fünf Jahre später entstand dort ein Spielplatz.<br />

Terrassenförmige Rasenflächen,<br />

Sitzecken, Skulpturen aus Stein und<br />

Holz ziehen nicht nur <strong>die</strong> Kinder an.<br />

<strong>Das</strong> Spielplatz-Konzept entwickelte das<br />

Planungsbüro Dietzen & Teichmann


<strong>Das</strong> Theater am Winterfeldtplatz „Hans-Wurst-Nachfahren“<br />

26 27<br />

gemeinsam mit dem Quartiermanagement,<br />

Kindern und Anwohnern.<br />

Unter dem Motto „Grün macht Schule“<br />

bauten und gestalteten Schüler und<br />

Schülerinnen der Spreewald-Grundschule<br />

und der Sophie-Scholl-Oberschule<br />

<strong>die</strong> Mäuerchen <strong>um</strong> <strong>die</strong> Spielflächen<br />

mit Mosaiken, Zwiebeltürmchen<br />

und Fabelwesen. Zwölf Oberschülerinnen<br />

schufen gemeinsam mit dem Bildhauer<br />

Christoph Glamm eine Steinskulptur<br />

mit mehreren Gesichtern.<br />

<strong>Das</strong> Theater am Winterfeldtplatz<br />

„Hans-Wurst-Nachfahren“<br />

Im Haus daneben, Gleditschstraße 5,<br />

hat seit 1993 das Theater „Hans-Wurst-<br />

Nachfahren“ sein Domizil. Der Abriss<br />

der ehemaligen Tischlerei konnte durch<br />

das Engagement der Theaterleute, einer<br />

aktiven Bürgerinitiative sowie Politikern<br />

aus mehreren Parteien (AL/ SPD/<br />

CDU) verhindert werden. Der zweistöckige<br />

freistehende Bau wird heute in<br />

zwei Theaterrä<strong>um</strong>en bespielt.<br />

Der Name „Hans-Wurst-Nachfahren“<br />

weist zurück auf <strong>die</strong> Figur des Spaßmachers<br />

in den Theaterstücken der


Szene aus Wilhelm Hauffs Märchen „<strong>Das</strong> kalte Herz“ (2005) Emblem des Theaters „Hans-Wurst-Nachfahren“<br />

28 29<br />

Wandertruppen Deutschlands des 17.<br />

und 18. Jahrhunderts. Hans Wurst<br />

verkörperte dort den pfiffigen Spaßmacher,<br />

den derben Zotenreißer, den<br />

anarchistischen Clown. In der damaligen<br />

Zeit hatte der Hans Wurst <strong>die</strong><br />

Aufgabe – und das Vergnügen – in Zwischenspielen<br />

und Pausen <strong>die</strong> gezeigten<br />

Szenen, losgelöst von der gekünstelten<br />

und verbrämten Welt der Aristokratie<br />

und des Bürgert<strong>um</strong>s, frech und direkt<br />

zu persiflieren und sie auf den Boden<br />

seiner Welt, der Welt des „einfachen<br />

Volkes“ herunterzuholen. Er steht für<br />

eine Dramaturgie für Kleine und Große,<br />

ohne elitäres Gehabe, klar, deutlich,<br />

direkt, aber dennoch kunstvoll und vor<br />

allem nicht ohne Witz und gute Laune<br />

zu verbreiten.<br />

Siegfried Heinzmann und Barbara<br />

Kilian gründeten das Theater „Hans-<br />

Wurst-Nachfahren“ im Januar 1981.<br />

Unter ihrer künstlerischen Leitung<br />

wird in einem ganzjährigen Spielbetrieb<br />

Ensemblearbeit gezeigt, eine Seltenheit<br />

im Genre Puppentheater. <strong>Das</strong> Projekt<br />

<strong>die</strong>ses selbstverwalteten Freien Theaters<br />

ist in Berlin einzigartig. Selbst Ilona<br />

Zarypow vom legendären Zan-Pollo-<br />

Theater gastiert hier immer wieder mit<br />

einer jungen Truppe unter dem Namen<br />

„Der grüne Hund“. Inzwischen machen<br />

<strong>die</strong> Puppenspieler auch Theaterarbeit<br />

mit Schülern.<br />

<strong>Das</strong> Angebot des Theaters <strong>um</strong>fasst mehr<br />

als zwanzig Stücke für alle Altersgruppen.<br />

Gespielt wird auch in englischer und<br />

französischer Sprache. <strong>Das</strong> Programm des<br />

Theaters führt den Zuschauer einerseits<br />

in eine wundersame Phantasiewelt – be-<br />

sonders beeindruckend: „<strong>Das</strong> kalte<br />

Herz“ von Wilhelm Hauff, in dem der<br />

Schatzhauser einem Sonntagskind dazu<br />

verhilft, das leichtsinnig gegen einen<br />

kalten Stein getauschte Herz zurückzuerhalten.<br />

Unter den Stücken für Erwachsene<br />

gibt es groteske Einakter von<br />

Anton Tschechow oder Bearbeitungen<br />

von Geschichten zeitgenössischer Autoren<br />

wie Michael Kleebergs „Der Kommunist<br />

vom Montmartre“.<br />

Mit Musikkompositionen auf höchstem<br />

Niveau, wunderschönen Bühnenbildern<br />

und kunstvoll gefertigten Puppen aus<br />

der Werkstatt von Siegfried Heinzmann<br />

ziehen <strong>die</strong> Theaterleute das große und<br />

kleine Publik<strong>um</strong> in ihren Bann.<br />

So kann es vorkommen, dass der hässliche<br />

Riese fragt: „Als ich dich hier noch<br />

schlafend fand, fand, fand... was reimt<br />

sich auf fand?“ Und <strong>die</strong> Kinder antworten<br />

begeistert: „Fanta!!!“. Oder ein Kind<br />

ruft während der Vorführung zu „Aladin<br />

und <strong>die</strong> Wunderlampe“ aus: „Besser<br />

als Fernsehen!“ Was will man mehr?<br />

<strong>Das</strong> dazugehörende Theater-Café in<br />

dem großen Zugangsbereich ist eine<br />

ruhige Oase.


Blick in <strong>die</strong> östliche Winterfeldtstraße 1905 Schlacht auf Winterfeldtplatz, fotografiert von der ehem.<br />

Redaktionsfotografin der FAZ Barbara Klemm 11.06.1982<br />

30 31<br />

Rebellion am Winterfeldtplatz<br />

Der Gang ins Café gehört in <strong>die</strong>ser Ge-<br />

gend z<strong>um</strong> Ritual mancher Alt-68er. Sie<br />

sitzen am Samstag nach dem Markt oder<br />

Sonntag morgens in einem der vielen<br />

Cafés und lesen Zeitungen oder diskutieren.<br />

Sie können sagen, sie waren dabei<br />

gewesen, damals, als es am Winterfeldtplatz<br />

noch knisterte. Aber sie sagen<br />

es nicht oft, denn viele Trä<strong>um</strong>e haben<br />

sich nicht verwirklicht.<br />

Der Kiez <strong>um</strong> Winterfeldt- und Nollen-<br />

dorfplatz im damaligen Postbezirk<br />

Schöneberg 30 war einmal ein rebellischer<br />

Bezirk. Es waren vor allem Studenten<br />

aus der westdeutschen Provinz,<br />

<strong>die</strong> sich in den 1960er Jahren in Berlin<br />

z<strong>um</strong> Zweck des Andersseins versammelten<br />

und neue Lebensmuster ausprobierten.<br />

Pazifistische junge Männer zogen<br />

nach Berlin, denn der dortige Vier-<br />

Mächte-Status sah vor, dass West-Berliner<br />

nicht zur Bundeswehr eingezogen<br />

werden durften.<br />

Wegen des großen Altbaubestandes und<br />

des damals noch gültigen „schwarzen<br />

Kreises“ (Mietpreisbindung auf Altbauten)<br />

konnten sich viele junge Leute<br />

zu Wohngemeinschaften zusammenschließen<br />

– oft ohne dass <strong>die</strong> Vermieter<br />

Bescheid wussten. Angebliche Fotografinnen,<br />

Psychologen oder Juristinnen<br />

mieteten große Wohnungen mit<br />

Untermietserlaubnis an. Irgendwann<br />

merkten <strong>die</strong> Vermieter natürlich, dass<br />

<strong>die</strong> vielen Leute, <strong>die</strong> sich in der Wohnung<br />

angemeldet hatten, eine Wohngemeinschaft<br />

bildeten und kein Atelier<br />

oder eine Gemeinschaftspraxis. Jedoch<br />

gab es auch tatsächliche Rechtsanwälte,<br />

<strong>die</strong> gewitzt genug waren, einen Hinauswurf<br />

zu verhindern. Viele WGs waren<br />

untereinander vernetzt und zogen oft<br />

geschlossen zu Protestaktionen gegen<br />

Kons<strong>um</strong>terror, gegen den Vietnamkrieg,<br />

amerikanische Imperialismus,<br />

Ausbeutung der Arbeitskraft und MeinungsverBILDung.<br />

Ein Knistern im<br />

Telefon wurde mit einem Gruß an den<br />

Verfassungsschutz beantwortet. Manche<br />

68er erkannten im Pflasterstein wieder<br />

seine Bedeutung als Waffe.<br />

Barbara Klemm, ehemalige Redaktionsfotografin<br />

der „Frankfurter Allgemeinen<br />

Zeitung“ verfolgte <strong>die</strong> Ereignisse mit<br />

der Kamera: „<strong>Das</strong> Foto entstand am Winterfeldtplatz<br />

in Berlin, als US-Präsident<br />

Ronald Reagan zu Besuch war. Zwei<br />

Studenten hatten mich freundlich mit<br />

in ihre Wohngemeinschaft genommen;<br />

ich stand auf dem Balkon. Vorher war<br />

ich unten auf der Straße gewesen, es<br />

flogen dicke Wackersteine, <strong>die</strong> Polizei<br />

hat Tränengas geschossen und man sah<br />

nichts mehr. So hatte ich Glück, dass ich<br />

von oben herunterfotografieren konnte.<br />

Trotzdem hatte ich maßlose Angst.“


Eckhaus Maaßenstraße 15, Winterfeldtstraße 40<br />

(2005)<br />

32 33<br />

Ende der 1970er Jahre begannen junge<br />

Leute Häuser zu besetzen. Leer stehende<br />

Häuser verfielen oder wurden zu teuer<br />

saniert, so dass <strong>die</strong> Bewohner abwanderten.<br />

„Berlin stirbt abrißweise“ stand<br />

1981 auf dem besetzten Haus Winterfeldtstraße<br />

37.<br />

<strong>Das</strong> einstige Haus auf dem Grundstück<br />

Maaßenstraße 15, <strong>Ecke</strong> Winterfeldtstraße<br />

40, fiel einem „warmen Abriss“<br />

z<strong>um</strong> Opfer. Seit 1881 stand hier ein repräsentatives<br />

dreistöckiges Eckhaus. Im<br />

Zweiten Weltkrieg beschädigt, wurde es<br />

nach dem Krieg wieder aufgebaut. Eine<br />

1972 durchgeführte Substanzuntersuchung<br />

ergab, dass das Haus erhaltenswert<br />

sei. Die Grundstückseigentümer<br />

Eckhaus Maaßenstraße 15, Winterfeldtstraße 40<br />

nach dem Brand 1981<br />

planten jedoch einen sechsgeschossigen<br />

Neubau. 1980 lag <strong>die</strong> Abrissgenehmigung<br />

vor und das Haus wurde entmietet.<br />

Noch während <strong>die</strong> Mieter auszogen,<br />

ordneten <strong>die</strong> Grundstücksbesitzer <strong>die</strong><br />

Zerstörung der Wohnungen an, unter<br />

Polizeischutz, da einige Mietparteien<br />

nicht freiwillig auszogen. Im Oktober<br />

1981 brannte der Dachboden. Die verbliebenen<br />

Mieter konnten sich noch<br />

retten, <strong>die</strong> Wohnungen aber waren un-<br />

bewohnbar geworden. Der endgültige<br />

Abriss konnte nun beginnen. Auf dem<br />

nun leerstehenden und bis auf <strong>die</strong> Grund-<br />

mauern abgebrannten Gebäude war<br />

lange Zeit zu lesen: „<strong>Das</strong> Haus war be-<br />

wohnt. Entmietung durch Brandstif-<br />

Aus dem Komik „Wo soll das alles enden“ von Seyfried 1978<br />

tung“. Der heutige 6-geschossige Neu-<br />

bau wird durch Balkone, Erker und Fenster<br />

zur Sonnenseite hin aufgelockert.<br />

Einem Vergleich mit einem ge<strong>die</strong>genen<br />

Altbau hält das Gebäude jedoch nicht<br />

stand.<br />

1980/81 kam es zu Straßenkämpfen<br />

wegen des Abrisses der Gebäude in der<br />

Goltzstraße und der Winterfeldtstraße.<br />

<strong>Das</strong> plötzliche Einziehen und „Instandbesetzen“<br />

von vorwiegend Jugendlichen<br />

beantworteten <strong>die</strong> Eigentümer in der<br />

Regel mit Zwangsrä<strong>um</strong>ungen durch <strong>die</strong><br />

Polizei, in deren Verlauf es zu „flammenden“<br />

Auseinandersetzungen und<br />

Straßenschlachten kam. Sie erreichten<br />

ihren traurigen Höhepunkt im Herbst<br />

1981 als Innensenator Heinrich L<strong>um</strong>mer<br />

<strong>die</strong> Rä<strong>um</strong>ung von acht besetzten<br />

Häusern veranlasste. Auf <strong>die</strong> daraufhin<br />

stattfindende Protestdemonstration ant-<br />

wortete <strong>die</strong> Polizei mit Wasserwerfern<br />

und Hetzjagden. Bei der dadurch entstandenen<br />

Panik geriet der Demonstrant<br />

Jürgen Rattay in der Potsdamer<br />

Straße unter einen Autobus, der ihn zu<br />

Tode schleifte.<br />

Zu einer Eskalation führten auch <strong>die</strong><br />

Krawalle auf dem Nollendorf- und<br />

dem Winterfeldtplatz 1981 und 1982.<br />

Zur nicht genehmigten Anti-Reagan-<br />

Demonstration gegen <strong>die</strong> US-Politik<br />

in Zentralamerika und gegen <strong>die</strong> Nato


Brandmauer der Winterfeldtstraße 37 im Jahr 1981<br />

34 35<br />

versammelten sich 1982 ungefähr<br />

5000 Menschen am Nollendorfplatz.<br />

Den Stacheldraht, der sie einkesselte,<br />

konnten sie durchbrechen und abends<br />

glich der Kiez zwischen Nollendorfplatz<br />

und Winterfeldtplatz einem einzigen<br />

Schlachtfeld. Die Straßen waren übersät<br />

mit unzähligen Steinen und Scherben,<br />

Tränengaskartuschen und verbrannten<br />

Gegenständen.<br />

Die Barrikadenkämpfe sind inzwischen<br />

Geschichte. Wohngemeinschaften sind<br />

heute eine akzeptierte Lebensform für<br />

jede Altersstufe. Kritik an herrschenden<br />

Verhältnissen und Systemen wird<br />

heute differenzierter ausgeübt und <strong>die</strong><br />

Vor dem ehemals von Frauen besetzten<br />

Haus Winterfeldtstraße 37 (2005)<br />

damaligen Revoluzzer sind in <strong>die</strong> Jahre<br />

gekommen. Viele Häuser entkamen der<br />

Abrissbirne nicht; einige konnten jedoch<br />

gerettet werden und stehen heute<br />

unter Denkmalschutz.<br />

<strong>Das</strong> Haus Winterfeldtstraße 37 besetzten<br />

und retteten vorwiegend Frauen.<br />

<strong>Das</strong> Frauencafé, das dort eingerichtet<br />

war, ist inzwischen verschwunden und<br />

jeder Hinweis auf <strong>die</strong> Rettungsaktion<br />

fehlt.<br />

Die Bewohner des Hauses Winterfeldtstraße<br />

25 wehren sich heute noch gegen<br />

<strong>die</strong> „feindliche Übernahme“ durch den<br />

jeweiligen Hausbesitzer. Mit ihrem<br />

Internetauftritt unter www.w25.de<br />

Blick auf <strong>die</strong> Nordseite des Winterfeldtplatzes<br />

und in <strong>die</strong> Maaßenstraße 1905<br />

haben sich <strong>die</strong> dort noch wohnenden<br />

Mieter ein neues Agitationsmedi<strong>um</strong><br />

erschlossen.<br />

Der Zukunftsforscher Robert Jungk<br />

schrieb 1978 im Geleitwort z<strong>um</strong> „1. West-<br />

Berliner Stattbuch“: „...wir lassen uns<br />

nicht anpassen und st<strong>um</strong>m machen.<br />

Unter der steinernen Oberfläche aus<br />

Kommerz und Repression regt sich<br />

vielfältig neues Leben, das eine andere<br />

Zukunft verheißt.“ – und Jungk erhoffte<br />

sich von der alternativen Bewegung<br />

auch „eine Stadt des Lachens, der Feste<br />

und des guten Essens“.<br />

Im Bermuda-Dreieck über<br />

<strong>die</strong> „Maaßen“ in <strong>die</strong> „Nolle“<br />

<strong>Das</strong> Eingangstor zur Maaßenstraße<br />

bilden zwei rosa gestrichene Häuser, als<br />

wären sie ein Symbol für das schwullesbische<br />

Leben, das sich nördlich des<br />

Winterfeldtplatzes abpielt. Ein berühmter<br />

Homosexueller war der Schriftsteller<br />

Christopher Isherwood. Er wohnte in<br />

der Nollendorfstraße 17 als Untermieter.<br />

1935 und 1939 erschienen seine<br />

Romane „Mr. Norris steigt <strong>um</strong>“ und<br />

„Lebwohl, Berlin“, in denen er seine<br />

Erlebnisse in der Pension von „Fräulein<br />

Schröder“ schildert. Wegen seiner<br />

sexuellen Vorliebe für junge Männer


36 37<br />

suchte Isherwood besonders gerne das<br />

„Bermuda-Dreieck“ von Schöneberg<br />

auf. Die Gegend <strong>um</strong> <strong>die</strong> Motzstraße<br />

wird von der schwulen Szene als „Bermuda-Dreieck“<br />

bezeichnet. Isherwoods<br />

Bücher <strong>die</strong>nten später als Vorlage für das<br />

Musical „Cabaret“. Die Schwulen hatten<br />

sich in den 1920er Jahren den Kiez erobert<br />

und heute wieder. Hier treffen sie<br />

sich, hier feiern sie ihre Parties. Manche<br />

tragen Lederkleidung, einen Ohrring<br />

im linken Ohr und Silberschmuck an<br />

der Haut. Lesben betreiben keinen so<br />

auffallenden Kleiderkult mehr wie in<br />

den „Roaring Twenties“ des 20. Jahrhunderts.<br />

<strong>Das</strong> Monokel im Auge und<br />

der elegante Hosenanzug sind nicht<br />

mehr in Mode. Eine damals berühmte,<br />

modisch auffallende Schöneberger Lesbe<br />

war <strong>die</strong> Bildhauerin Renée Sintenis,<br />

auf <strong>die</strong> sich folgende Scherzfrage bezog:<br />

„Wer ist das größere Kunstwerk: <strong>die</strong><br />

Person Renée Sintenis oder ihre Kunstwerke?“<br />

Sie entwarf <strong>um</strong> 1930 <strong>die</strong> Vorlage<br />

des Berliner Bären, <strong>die</strong> Symbolfigur<br />

Berlins, wie sie uns im Stadtbild immer<br />

wieder begegnet. (siehe Abb. Seite 43).<br />

Moderne Varianten wie der Buddy-Bär<br />

zieren heute <strong>die</strong> Stadt.<br />

Die Schriftstellerin Anna Elisabet Wei-<br />

rauch (1887 –1970) aus der Zietenstraße<br />

16 schrieb 1919 den dreibändigen<br />

Roman „Der Skorpion“, einen<br />

Skandal-Roman, der zur damaligen<br />

Die Schriftstellerin Anna Elisabet Weirauch<br />

(1887-1970)<br />

Zeit berühmt war: <strong>die</strong> Liebesbeziehung<br />

zwischen der schönen Olga und Mette<br />

beginnt in Schöneberg. Ständig bedroht<br />

von der bürgerlichen Umwelt emanzipiert<br />

sich Mette doch noch zu einer<br />

selbstbewussten Lesbe. Olga dagegen<br />

zerbricht an den Zugeständnissen, <strong>die</strong><br />

sie an <strong>die</strong> spießbürgerliche Wohlanständigkeit<br />

macht und erschießt sich.<br />

Seit Mitte der 1920er Jahre bis zu ihrem<br />

Tod lebten <strong>die</strong> Autorin und ihre Freundin<br />

zusammen. In den 1930er Jahren<br />

siedelten sie von Berlin-Schöneberg<br />

nach Oberbayern über. 1961 kehrten<br />

sie nach Berlin zurück, wo sie bis zu<br />

ihrem Tod im Käte-Dorsch-Heim für<br />

ehemalige Schauspielerinnen wohnten.<br />

Buddy-Bär“, eine moderne Version des Berliner Bären<br />

In der Zietenstraße 20 wohnte der Sprachforscher<br />

Georg Büchmann (1822 – 1884),<br />

der mit seiner Sammlung „Geflügelte Worte“<br />

berühmt wurde.<br />

In den Cafés und auf den Gehwegen wird<br />

gemütlich entspannt, auch wenn das Ambiente<br />

eher steinern ist. Nicht nur Häuser<br />

und Gehwege, auch Pflanzenkübel sind<br />

aus Stein. Die Bewohner lassen sich jedoch<br />

nicht einbetonieren. Trotz digitalem Zeitalter<br />

mit der Möglichkeit zur virtuellen<br />

Kommunikation nutzen sie <strong>die</strong> öffentlichen<br />

Plätze als Treffpunkt und manchmal<br />

kommt der Leierkastemann vorbei und<br />

spielt alte Berliner Gassenhauer.


Goltzstraße 24/Winterfeldtstraße 45 im Jahr 2005 Eingang zur Goltzstraße 24<br />

38 39<br />

Von der Gründerzeit bis z<strong>um</strong><br />

Wiederaufbauplan<br />

<strong>Das</strong> Eckhaus Goltzstraße 24/Winterfeldtstraße<br />

45 ist ein typisches Haus<br />

der Gründerzeit. Grundstücksbesitzer<br />

Ernst Janensch begann1887 mit dem<br />

Hausbau. Er beauftragte dafür den Berliner<br />

Architekten Otto Sohre, der auch<br />

das Haus in der Winterfeldtstraße 31<br />

entwarf.<br />

Durch <strong>die</strong> offenen Balkone und <strong>die</strong> ein-<br />

ladenden Erker wirkt das 6-stöckige Haus<br />

freundlich und aufgelockert. Wie zur wil-<br />

helminischen Zeit üblich, ist es zur Stra-<br />

ßenseite hin aufwändig verziert. Die stei-<br />

len Eingänge werden von Säulen flan-<br />

kiert, <strong>die</strong> in einem Bl<strong>um</strong>enmuster enden.<br />

Neben den tatsächlich tragenden<br />

Säulen verteilt sich das Säulenmotiv über<br />

das ganze Haus. Teilweise sind sie nur<br />

angedeutet, aufgemalt oder mit Stuck<br />

halb an das Haus gemauert.<br />

Der Innenhof entspricht der 1853 erlassenen<br />

Baupolizeiordnung. Er musste<br />

mindestens 5,34 mal 5,34 Meter messen,<br />

<strong>um</strong> der Feuerspritze Ra<strong>um</strong> z<strong>um</strong><br />

Drehen zu geben. Die – inzwischen geschlossenen<br />

– Toiletten im Treppenhaus<br />

sind Zeugnis einer revolutionären Neuerung<br />

Ende des 19. Jahrhunderts. Bis<br />

dahin gab es noch keine Toiletten im<br />

städtischen Haus und <strong>die</strong> stinkenden<br />

Unrateimer entleerten <strong>die</strong> Frauen in<br />

Wassergräben oder auf Wiesen. Wenn<br />

<strong>die</strong>se Eimer tragbares Gas genannt wurden,<br />

lachten alle und <strong>die</strong> Berliner witzelten<br />

„Berlin is dufte“. Berlin war aber<br />

nicht nur dufte, sondern lebensgefährlich.<br />

Immer wieder brach aufgrund des<br />

Drecks auf der Straße und in der Spree<br />

<strong>die</strong> Cholera aus. Um sie einzudämmen,<br />

entwarf der damalige Oberbürgermeister<br />

von Berlin und spätere Abgeordnete<br />

Arthur Hobrecht mit öffentlicher Unterstützung<br />

des Arztes Rudolf Virchow<br />

und dem technischen Wissen seines Bruders<br />

James Hobrecht ein Kanalisationsprojekt.<br />

Der Architekt und Ingenieur<br />

James Hobrecht sah vor, <strong>die</strong> Abwässer<br />

Mädel: Guck doch, Mutter, <strong>die</strong><br />

schöne Säule!<br />

Maurermeister: Ja. auf <strong>die</strong> Säule<br />

bild ich mir was ein. Mitten mang<br />

zwischens Hauptportal so ne Säule<br />

bis untern Balkon vom vierten<br />

Stock. <strong>Das</strong> hat mir wenigstens noch<br />

keiner vorgemacht.<br />

Der Junge: Is das chorrintisch?<br />

Der Meister: Na, so alles durcheinander.<br />

Man wird sonst leicht zu<br />

langweilig.<br />

„<strong>Das</strong> herrschaftliche Haus“ von<br />

Christian Morgenstern (1871-1914)<br />

nicht mehr in <strong>die</strong> fließenden Gewässer<br />

zu schütten, sondern durch Druckleitungen<br />

auf weit außerhalb der Stadt ge-<br />

legene Rieselfelder zu transportieren.<br />

In Schöneberg durfte der Dung nicht<br />

mehr auf <strong>die</strong> bisher dafür vorgesehenen<br />

Niederungswiesen beim Nollendorfplatz<br />

geschüttet werden. Mit dem zwischen<br />

1875 und 1892 fertiggestellten<br />

Hobrechtschen Kanal- und Rieselfeldersystem<br />

entwickelte sich Berlin zur<br />

damals weltweit saubersten Stadt.<br />

1899 komponierte Paul Lincke deshalb<br />

für <strong>die</strong> Operette „Frau Luna“ den be-<br />

rühmten Marsch „Berliner Luft“, welcher<br />

als heimliche Hymne Berlins bezeichnet<br />

wird.


Treppenhaus in der Goltzstraße 24 mit Außentoiletten<br />

(2005)<br />

40 41<br />

Hof der Goltzstraße 24 (2005)<br />

Auch <strong>die</strong> Geschäfte im Haus passten<br />

sich der Zeit an wie man aus den alten<br />

Adressbüchern entnehmen kann. So<br />

gab es dort eine Kolonialwarenhandlung,<br />

denn auch Deutschland beteiligte<br />

sich an der Kolonialisierung ferner Länder.<br />

Die „Posamentenwarenhändlerin“<br />

verkaufte Bandgeflechte z<strong>um</strong> Schmücken<br />

der Kleidung, der „Zahnkünstler“<br />

stellte künstliche Gebisse und Zähne<br />

her, und <strong>die</strong> Bezeichnung Bierverleger<br />

stand für eine Biergroßhandlung. Im<br />

Jahr 2005 gibt es dort einen Frisör, ein<br />

Stehcafé, einen Kakaoladen, einen Sushi-Imbiss,<br />

einen Falafel-Laden und das<br />

Lokal „Sl<strong>um</strong>berland“.<br />

„Berliner Luft“ von Paul Lincke,<br />

der Text stammt von Heinz Bolten-Baeckers<br />

(1899):<br />

„<strong>Das</strong> ist <strong>die</strong> Berliner Luft, Luft,<br />

Luft, so mit ihrem holden Duft,<br />

Duft, Duft, wo nur selten was<br />

verpufft, pufft, pufft in dem Duft,<br />

Duft, Duft <strong>die</strong>ser Luft, Luft, Luft<br />

Ja, ja, ja, das ist <strong>die</strong> Berliner Luft,<br />

Luft, Luft, so mit ihrem holden<br />

Duft, Duft, Duft, wo nur selten<br />

was verpufft, pufft, pufft,<br />

das macht <strong>die</strong> Berliner Luft.“


Häuser aus dem Wiederaufbauplan West-Berlins<br />

zwischen 1952 und 1961 (2005)<br />

42 43<br />

<strong>Das</strong> Eckhaus hat zwei Eingänge. Der<br />

Eingang an der Goltzstraße, ursprünglich<br />

eine Viehtrift, bekam von Anfang<br />

an <strong>die</strong> N<strong>um</strong>mer 24. Die Winterfeldtstraße,<br />

ein ehemaliger Feldweg, bekam<br />

1885 <strong>die</strong> Bezeichnung Winterfeldtstraße.<br />

Sie führt von der Potsdamer Straße<br />

bis z<strong>um</strong> Winterfeldtplatz. Vier Jahre<br />

später wurde <strong>die</strong> Straße bis z<strong>um</strong> Viktoria-Luise-Platz<br />

verlängert und hieß in<br />

<strong>die</strong>sem Abschnitt Neue Winterfeldtstraße.<br />

Mit der Vereinheitlichung des Straßennamens<br />

1962 erhielt das Haus <strong>die</strong><br />

heutige Adresse Winterfeldtstraße 45.<br />

Die Ehrung von Persönlichkeiten durch<br />

Straßennamen war und ist heute noch<br />

Der Berliner Bär ist ein Erkennungszeichen für staatlich<br />

geförderte Häuser im Wiederaufbauplan.<br />

so wichtig wie eine Denkmalaufstellung.<br />

Hans Karl von Winterfeldt, ein<br />

enger Vertauter König Friedrichs II.,<br />

durchlief <strong>die</strong> militärische Laufbahn und<br />

fiel 1757 fünfzigjährig in einer Schlacht<br />

bei Görlitz. Ihm wurden der Platz und<br />

<strong>die</strong> Straße gewidmet.<br />

Die Goltzstraße bekam ihren Namen<br />

von Friedrich Goltz (1825–1888), ei-<br />

nem preußischen Politiker, der <strong>die</strong> Gemeinde<br />

Schöneberg in kommunalpolitischen<br />

Fragen beriet. Karl Georg Maaßen<br />

(1769–1834), nach dem <strong>die</strong> Maaßenstraße<br />

benannt ist, arbeitete als preussischer<br />

Finanzminister und begründete mit Frie-<br />

drich Christ Adolf von Motz den deutschen<br />

Zollverein (1834), der erste wirt-<br />

Die Form des Bären stammt von<br />

der Bildhauerin Renèe Sintenis<br />

schaftliche Zusammenschluß deutscher<br />

Staaten unter preussischer Führung.<br />

Ein Gang in <strong>die</strong> westliche Winterfeldtstraße<br />

führt an repräsentativen Häusern<br />

vorbei zu schlichten Hausreihen. Die<br />

einfache aber durchaus solide und ansprechende<br />

moderne Bauweise ergab<br />

sich zwangsläufig aus der Finanzmittelknappheit<br />

und den einschränkenden<br />

Vorschriften des staatlichen Wohnungsbaus<br />

in der zerstörten Stadt. Nach 1945<br />

war <strong>die</strong> Unterbringung der Menschen<br />

vorrangige Aufgabe. Mit zu den damals<br />

am schwersten zerstörten Gebieten zäh-<br />

lte das Bayerische Viertel in Schöneberg.<br />

Der Berliner Wiederaufbauplan in West-<br />

Berlin wurde von 1952 bis 1961 zu<br />

über 50 Prozent aus öffentlichen Mitteln<br />

finanziert. Eine Plakette mit dem<br />

Bild des Berliner Bären hängt neben<br />

den Eingängen. Der Berliner Bär ist<br />

das Erkennungszeichen für <strong>die</strong> staatlich<br />

geförderten Häuser im Wiederaufbauplan.


Blick auf das „Seniorenwohnhaus von Galen“ (2005) Sommerlicher Schmuck Hinterhof des Seniorenwohnhauses<br />

44 45<br />

Seniorenwohnhaus und Schulen<br />

Gegen den Abriss des Altbaubestandes in<br />

der Goltzstraße westlich des Winterfeldtplatzes<br />

formierten sich in den 1970er<br />

Jahren Bürgerinitiativen, politische Or-<br />

ganisationen und Hausbesetzer. Die ka-<br />

tholische Kirche, Besitzerin der Grundstücke<br />

Goltzstraße 26-31, blieb jedoch<br />

bei ihrem Plan <strong>die</strong> ganze Seite abzureißen<br />

und durchgängig Neubauten zu er-<br />

richten. Der von ihr beauftragte Architekt<br />

G. Maiwald entwarf eine gleichförmige<br />

6 – 8-geschossige Bebauung, <strong>die</strong><br />

1982 <strong>um</strong>gesetzt wurde.<br />

<strong>Das</strong> Seniorenwohnhaus „Kardinal<br />

von Galen“ belegt nun mit 115 Woh-<br />

nungen <strong>die</strong> Grundstücke Goltzstraße<br />

26-28. Der schlichte Neubau <strong>um</strong>fasst<br />

einen großem Innenhof und schließt<br />

<strong>die</strong> Habsburger Straße 13 mit ein. Die<br />

Balkone werden von den Bewohnern<br />

geschmückt und <strong>die</strong> abgeschlossenen<br />

Wohnungen mit eigener Küche sind gemütlich<br />

und hell. Aus den Fenstern des<br />

Seniorenheimes gibt es den besten Blick<br />

auf Schöneberg. <strong>Das</strong> Gemeindehaus<br />

Sankt-Matthias ist ein weiterer Neubau<br />

in der Goltzstraße 29. Der Hof wird für<br />

Veranstaltungen genutzt, wie den Martins<strong>um</strong>zug<br />

am 11. November. Der Umzug<br />

mit Reiter und Pferd endet hier mit<br />

einem Martinsfeuer. Nicht nur Kinder,<br />

<strong>die</strong> dabei singend ihre Laternen tragen,<br />

freuen sich auf <strong>die</strong>ses alljährliche Fest.<br />

Auf den Grundstücken Goltzstraße 30<br />

und 31 steht ein Erweiterungsbau der<br />

Sankt-Franziskus-Schule. Die Wand des<br />

Schulbaus aus den 1960er Jahren in der<br />

Hohenstaufenstraße, <strong>Ecke</strong> Goltzstraße<br />

hat eine interessante abstrakte Wandbemalung.<br />

Die Architektin Zech-Weymann<br />

war an dem Entwurf beteiligt.<br />

<strong>Das</strong> Gebäude steht unter Denkmalschutz.<br />

Die Vorläuferin der Schule war <strong>die</strong> katholische<br />

höhere Privat-Mädchenschule,<br />

zu der auch eine private Lehrerinnen-<br />

Bildungsanstalt gehörte. Heute unterrichtet<br />

<strong>die</strong> katholische Gesamtschule<br />

Kinder bis zur 10. Klasse. In einem<br />

Klassenzug wird nach Montessori gearbeitet.<br />

Die Schule arbeitet mit dem<br />

Malteser Hilfsprojekt zusammen, das<br />

über den Lehrplan hinausgehende Projekte<br />

anbietet.<br />

Auf gleicher Höhe steht eit 1884 auf<br />

der Ostseite des Platzes, <strong>Ecke</strong> Pallasstraße<br />

15, <strong>die</strong> heutige Spreewald-Grundschule,<br />

<strong>die</strong> früher verdeckt durch eine<br />

Häuserfront, eine Hinterhofschule war.<br />

Ein von den Schülern geschmückter<br />

Eingang führt in ein lichtdurchflutetes<br />

Gebäude. Bilder und Projektarbeiten<br />

schmücken <strong>die</strong> Schulflure. Kinder spielen<br />

in den Pausen und unterhalten sich


Eingang zur Sankt-Franziskus-Schule<br />

in der Goltzstraße/<strong>Ecke</strong> Hohenstaufenstraße<br />

Wandbemalung an der Fassade<br />

der Sankt-Franziskus-Schule<br />

46 47<br />

Schulhof der Spreewald-Grundschule, Pallasstraße 15<br />

– nicht nur auf deutsch –, denn <strong>die</strong><br />

Muttersprache ist häufig eine andere.<br />

Auf <strong>die</strong> Förderung der Zweisprachigkeit<br />

legt <strong>die</strong> Schule einen besonderer Schwerpunkt.<br />

Die theaterbetonte Grundschule<br />

kooperiert mit dem benachbarten Puppentheater<br />

„Hans-Wurst-Nachfahren“.<br />

Und auch <strong>die</strong> Interessen der Schüler<br />

und Schülerinnen werden berücksichtigt:<br />

es gibt ein eigenes Schülerparlament.<br />

Die Sankt-Matthias-Kirche<br />

Auf der Südseite des Platzes steht seit<br />

1895 <strong>die</strong> katholische Sankt-Matthias-<br />

Kirche. Sie gehört mit ihren 50 Metern<br />

Länge und 25 Metern Breite zu den<br />

größten Kirchen Berlins. Der Architekt<br />

Engelbert Seibertz entwarf <strong>die</strong> dreischiffige<br />

neugotische Kirche. Der Turm und<br />

<strong>die</strong> nach oben strebenden Fenster lassen<br />

den Blick in <strong>die</strong> Höhe schweifen.<br />

Der 93 Meter hohe Turm war in Schöneberg<br />

weithin sichtbar eine Landmarke.<br />

Im Zweiten Weltkrieg zerstört, ist er<br />

heute entschieden kürzer. Die Uhr am<br />

Kirchturm ist ein Zeitmesser nicht nur<br />

für <strong>die</strong> Gläubigen.


Hauptportal und Turm der Sankt-Matthias-Kirche (2005)<br />

48 49<br />

Der Stifter der ersten Sankt-Matthias-<br />

Kirche in der Potsdamer Straße (heute<br />

St. Ludgerus), Matthias Aulike, hatte<br />

den besonderen Wunsch, dass Priester<br />

aus seiner Heimatdiözese Münster <strong>die</strong><br />

Seelsorge übernehmen sollten. So kam<br />

Clemens August Graf von Galen als<br />

Pfarrer von 1919 – 29 an <strong>die</strong> Kirche.<br />

Als späterer Bischof von Münster trat er<br />

während des Nationalsozialismus unerschrocken<br />

für <strong>die</strong> Rechte der Menschen<br />

ein. Eine Tafel zu seinem Andenken<br />

hängt links neben dem Haupteingang.<br />

Er wurde am 9. Oktober 2005 durch<br />

Papst Benedikt XVI. selig gesprochen.<br />

Von Professor Gailis stammt das Abschlussgitter<br />

am Hauptportal, darin<br />

ein Löwenkopf eingearbeitet ist. Dieses<br />

Gitter ehrt ebenfalls den Bischof von<br />

Galen. Seine Münsteraner Gemeinde<br />

nannte ihn den „Löwen von Münster“.<br />

Im Kirchenfenster am Ostaltar befindet<br />

sich ein dritter Hinweis auf ihn: dort ist<br />

der Bischof abgebildet.<br />

Ab 1929 hatte <strong>die</strong> Pfarrerstelle Albert<br />

Coppenrath inne, der „Dickkopf vom<br />

Winterfeldtplatz“. Auch er bezog leidenschaftlich<br />

Stellung gegen <strong>die</strong> Hetze und<br />

<strong>die</strong> Lügen der Nazis. Leider gibt es in<br />

der Kirche keinen Hinweis auf ihn.<br />

Seit 1977 ist es der gebürtige Münsteraner<br />

Pfarrer Edgar Kotzur, der in der


Die gemalten Sandalen des Moses im Kirchenfenster über dem<br />

Hauptportal weisen darauf hin, dass <strong>die</strong> Kirche „heilig“ ist.<br />

50 51<br />

Sankt-Matthias-Kirche eine lebendige<br />

Gemeinde aufgebaut hat. Pfarrer Kotzur<br />

hat auch den Wiederaufbau der<br />

Kirche sachverständig unterstützt.<br />

1952 begann <strong>die</strong> erste Aufbauphase.<br />

15 von 26 Kirchenfenstern blieben aus<br />

Geldmangel zugemauert. Erst zwischen<br />

1987 und 1993 konnte <strong>die</strong> Kirche von<br />

Grund auf restauriert werden. Bis auf<br />

drei wurden alle Fenster geöffnet und<br />

vom Kirchenmaler Hermann Gottfried<br />

bearbeitet.<br />

Vor dem Hauptportal stehen drei Steinfiguren.<br />

Die linke Figur stellt den heiligen<br />

Ludgerus dar, den ersten Bischof<br />

von Münster. Die Steinfigur in der Mit-<br />

te bildet den heiligen Matthias ab, dem<br />

Namensgeber der Kirche. Rechts steht<br />

das Abbild von Johannes dem Täufer,<br />

dem Patron des Erz-Bist<strong>um</strong>s Breslau.<br />

Die Rosette über dem Hauptportal ist<br />

nachts meistens beleuchtet und strahlt<br />

in <strong>die</strong> Stadt hinaus. Die Sandalen des<br />

Moses in der Fenstermalerei über der<br />

Eingangstür weisen den Kirchenbesucher<br />

darauf hin, dass <strong>die</strong>ser Ort „heilig“<br />

ist.<br />

Ein Rundgang durch <strong>die</strong> Kirche führt<br />

an den Kreuzstationen vorbei. Sie sind<br />

Originale des Münchener Künstlers<br />

Phillipp Schuhmacher aus den Jahren<br />

1907 bis 1915. Es gibt verschiedene<br />

<strong>Das</strong> Löwenmedallion ehrt den Bischof von Münster,<br />

Clemens August von Galen<br />

kleine Altäre und Marienbilder. Eine<br />

Reliquie vom heiligen Matthias, wird in<br />

einem sichtbaren Schrein im östlichen<br />

Seitenchor aufbewahrt. Reliquien waren<br />

zwar schon im Altert<strong>um</strong> bekannt,<br />

jedoch erst das Christent<strong>um</strong> hat sie zu<br />

einem Teil des Heiligenkultes gemacht.<br />

Am Ostausgang der Kirche hat der Wetterhahn<br />

seinen Platz gefunden. Er fiel<br />

1934 in einer stürmischen Nacht von<br />

der Kirchturmspitze. Ein origineller<br />

Text zu seinen Ehren ist unter dem<br />

Wetterhahn angebracht.<br />

Der Kirchenmaler Hermann Gottfried<br />

erläutert nach welchen Kriterien er <strong>die</strong><br />

Der Wetterhahn hat über dem Osteingang einen neuen<br />

Platz gefunden. <strong>Das</strong> Gedicht unterhalb des Wetterhahns<br />

beschreibt sein Schicksal


Reliquie des heiligen Matthias im Ostaltar Der Zug der Vertriebenen, dargestellt in einem der<br />

Kirchenfenster<br />

52 53<br />

Marienaltar<br />

Fensterbemalung entworfen hat. „Alle<br />

figürlichen Darstellungen sind bewusst<br />

in weiß bis silbergrauen Tonwerten ge-<br />

halten, also in den Farbwerten des ge-<br />

samten Fond, <strong>um</strong> zu einer Entmaterialisierung<br />

der figürlichen Themen zu<br />

kommen, womit gleichzeitig <strong>die</strong> Möglichkeit<br />

bestand, dem Umfeld Farbe<br />

zu geben.“ In der Taufkapelle ist <strong>die</strong><br />

Rückkehr des „verlorenen Sohnes“ dargestellt,<br />

<strong>um</strong>geben von einem farbigen Regenbogen.<br />

In der Totenkapelle erscheint<br />

Joseph ein Engel, <strong>um</strong> ihn und Maria zur<br />

Flucht aus Ägypten aufzufordern. So entgeht<br />

Jesus als Neugeborener dem Tod.<br />

Auch <strong>die</strong> unmittelbare Geschichte wur-<br />

de vom Künstler dargestellt: Flücht-<br />

lingsströme, brennende Kleider, zerstörte<br />

Städte, ein in der Menschheitsgeschichte<br />

nie enden wollendes Thema<br />

der Zerstörung und eine Aufforderung<br />

zur Barmherzigkeit.<br />

Auch eine Art Wunder vollzog sich in<br />

der Kirche: in einer Kirchenbroschüre<br />

wird <strong>die</strong> Geschichte des von Wilhelm<br />

Polders jun. geschaffenen Altarkreuzes<br />

beschrieben: „Die Geschichte des<br />

Kreuzes beginnt 1985. Polders kam in<br />

jenem Jahr nach Berlin und besuchte<br />

auch den Ostteil der Stadt. Auf dem<br />

Rückweg musste er sich stundenlangen<br />

Verhören unterziehen. Unter den Eindruck<br />

<strong>die</strong>ser Erlebnisse kam ihm <strong>die</strong><br />

Idee zu einem Kreuz. Sein Leitgedanke<br />

war: Die Mauer muß weg. Mit der<br />

Gestaltung des Kreuzes nahm er <strong>die</strong>sen<br />

Gedanken auf. Er fertigte ein Kreuz mit<br />

zerbrochenen Mauern an den vier Enden.<br />

Den Corpus bildet ein vergoldeter<br />

Bronzeabguß eines von seinem Vater aus<br />

Silber getriebenen Christus. 1986 kam<br />

das Kreuz nach Berlin. Eine Kirche in<br />

Berlin (Ost) kam aus politischen Gründen<br />

nicht infrage. So hing es bis 1989 in<br />

der Totengedächtnis-Kapelle. In <strong>die</strong>sem<br />

Jahr wurden <strong>die</strong> Apsisfenster eingesetzt<br />

und das große Hängekreuz von Egino<br />

Weinert musste weichen. Am 19. August<br />

1989 kam das „Mauerkreuz“ in<br />

den Altarra<strong>um</strong>. Es war der Tag, an dem


Z<strong>um</strong> ernte-Dank-fest geschmückter Altar. Im altara<strong>um</strong><br />

hängt das Mauerkreuz<br />

54 55<br />

<strong>die</strong> Mauer an der österreichisch-ungarischen<br />

Grenze aufzubrechen begann.“<br />

Pfarrer Kotzur brachte das Mauerkreuz<br />

im Altarra<strong>um</strong> an und erst am Abend<br />

erfuhr er in den Nachrichten, dass sich<br />

<strong>die</strong> Mauer geöffnet hatte.<br />

Rechts vom Altar steht <strong>die</strong> Tabernakelsäule,<br />

eine Arbeit von Egino Weinert.<br />

<strong>Das</strong> kunstvoll gearbeitete Gehäuse <strong>die</strong>nt<br />

als Aufbewahrungsort für <strong>die</strong> Hostien.<br />

Die Seifert-Orgel mit 74 Registern ist<br />

eine der größten Kirchenorgeln Berlins.<br />

Sie wurde 1958/1974 von der Firma<br />

Seifert & Sohn erbaut. Es finden regelmäßig<br />

Konzerte mit namhaften Künstlern<br />

statt. Die Messen sind gut besucht.<br />

Die Weihnachtsmesse wird nach traditionellem<br />

katholischem Brauch gefeiert<br />

und <strong>die</strong> Stimmung ist weihnachtlich,<br />

wenn <strong>die</strong> Gemeinde bei Kerzenschein<br />

„Stille Nacht, heilige Nacht“ singt.<br />

Am letzten Tag des Jahres wird vor der<br />

Kirche auf dem Winterfeldtplatz mit<br />

großem Feuerwerk das alte Jahr verabschiedet<br />

und das neue begrüßt.<br />

Die dankt-Matthias-Kirche an silvester


Collage aus der „der Berliner Bierboykott<br />

von 1894“, Berlin 1980<br />

56 57<br />

Der Berliner Bierboykott und<br />

<strong>die</strong> Kultur des Essens und<br />

Trinkens<br />

Arbeiten, helfen, feiern, <strong>die</strong>se Lebensmaxime<br />

wollten sich auch <strong>die</strong> Arbeiter<br />

nicht nehmen lassen, als sie 1894 z<strong>um</strong><br />

Berliner Bierboykott aufriefen. Damals<br />

sperrten Berliner Brauereien <strong>die</strong> Böttcher<br />

(Fassbauer) aus, weil sie am 1. Mai<br />

<strong>die</strong> Arbeit niederlegten.<br />

Auch der sozialdemokratische Parteivorsitzende<br />

und Reichstagsabgeordnete<br />

August Bebel, der <strong>um</strong> 1900 in der Habsburger<br />

Straße 5 in Schöneberg wohnte,<br />

unterzeichnete den Boykott-Aufruf ge-<br />

gen <strong>die</strong> Brauerein. Nach mehreren ge-<br />

scheiterten Verhandlungsversuchen kam<br />

es zu einer Einigung mit den Gewerkschaften.<br />

Die Parteizeitung der SPD, der<br />

„Vorwärts“, konnte am 29. Dezember<br />

1894 das Ende des Boykotts bekannt<br />

geben. Z<strong>um</strong> Glück dauerte <strong>die</strong>se bierernste<br />

Geschichte der sozialen Klassenkämpfe<br />

nur einige Monate und <strong>die</strong><br />

Gastwirte schenkten bald wieder jede<br />

Form von Alkohol aus.<br />

Am Winterfeldtplatz gab es seit jeher<br />

Lokale, <strong>die</strong> früher <strong>die</strong> Kirchgänger z<strong>um</strong><br />

Frühschoppen einluden, <strong>die</strong> Spaziergängerinnen<br />

z<strong>um</strong> Nachmittagskaffee und<br />

<strong>die</strong> Arbeiter z<strong>um</strong> Feierabend<strong>um</strong>trunk.<br />

Die typischen Berliner Eckkneipen mit<br />

Alte Postkarte<br />

rustikalem folkloristischem Ambiente<br />

und <strong>die</strong> Konditoreien mit Häkeldeckchen<br />

sind allerdings verschwunden.<br />

Auch <strong>die</strong> Künstlercafés und Verbrecherlokale,<br />

<strong>die</strong> Christopher Isherwood in<br />

den 1920er Jahren beschrieb, gibt es<br />

nicht mehr, <strong>die</strong> Studentencafés und<br />

Hausbesetzer-Treffs gehören ebenfalls<br />

der Vergangenheit an.<br />

Auch heute ist der Platz gesä<strong>um</strong>t von<br />

Lokalen und Cafés, <strong>die</strong> gleichzeitig als<br />

Gaststätte, Bühne und als Wohnzimmer<br />

genutzt werden. Zwischen Autoabgasen<br />

und Fußgängern stehen Stühle, Liegestühle<br />

oder einfache Holzbänke und<br />

deutsches, indisches, vietnamesisches,<br />

oder persisches Essen wird serviert.<br />

Manchmal gesellt sich auch ein Spatz<br />

dazu. <strong>Das</strong> Ambiente der Lokale reicht<br />

von weiß gedeckten Tischen über Bibelzitate<br />

an den Wänden bis hin zu minimalistischer<br />

Einrichtung.<br />

<strong>Das</strong> „Sl<strong>um</strong>berland“ im Eckhaus Goltzstraße<br />

24 / Winterfeldtstraße 45 lädt<br />

mit feinem weißem Sand als Bodenbelag<br />

unter Kunstpalmen oder auf dem<br />

Bürgersteig unter echten Linden z<strong>um</strong><br />

Entspannen ein. Manchmal ist es <strong>die</strong><br />

letzte Station einer bereits geschr<strong>um</strong>pften<br />

geselligen Gruppe, <strong>die</strong> durch <strong>die</strong><br />

Kneipen gezogen ist. Einige haben hier<br />

auch schon manche Nacht durchgeschlafen.<br />

Als das Szenelokal in den


<strong>Das</strong> Lokal „Sl<strong>um</strong>berland“ im Haus Goltzstraße 24<br />

(2005)<br />

58 59<br />

1970er Jahren noch „Dschungel“ hieß,<br />

trafen sich Studenten und auch Arbeiter<br />

zu hitzigen Diskussionen. Nachtschwärmer<br />

führten ihren westdeutschen<br />

Besuch dorthin, weil es seit dem Mauerbau<br />

in West-Berlin keine Sperrstunde<br />

mehr gab und <strong>die</strong> Kneipen bis morgens<br />

geöffnet hatten. Seit der Wiedervereinigung<br />

müssen Lokale in der Hauptstadt<br />

zwar zwischen 5 und 6 Uhr morgens<br />

schließen. Diese Regelung wird den<br />

meisten Kneipengängern jedoch ka<strong>um</strong><br />

auffallen.<br />

Hans Fallada, der seine Kindheit in der<br />

Luitpoldstraße 11 verbrachte ( heute<br />

steht dort <strong>die</strong> Werbellinsee-Schule), be-<br />

schreibt in seinem Buch „Damals bei<br />

uns daheim“ wie eine Abendgesellschaft<br />

<strong>um</strong> 1900 standesgemäß zuhause vorbereitet<br />

wurde: „Oh, <strong>die</strong>se wichtige Frage:<br />

Koch oder Köchin? Jeder Koch war<br />

nach einem alten Glaubenssatz wichtiger<br />

als jede Köchin, aber er war auch<br />

teurer und ließ sich nie etwas sagen.<br />

... Was <strong>die</strong> Speisenfolge anging, zeigte<br />

sich der Vater uninteressiert. ... Dafür<br />

hatte aber der Vater als rein männliches<br />

Geschäft den Wein zu besorgen. An<br />

sich wäre auch meine Mutter dafür <strong>die</strong><br />

Richtige gewesen, denn sie trank we-<br />

„Café m“ (2005)<br />

nigstens ab und zu ein Glas Wein. Aber<br />

<strong>die</strong> Zeiten waren nun einmal so, dass<br />

das Weibliche unter keinen Umständen<br />

in männliche Vorrechte eingreifen<br />

durfte: Männer tranchierten den Braten,<br />

rauchten und kauften den Wein,<br />

Frauen waren für Küche, Kinder und<br />

Dienstboten zuständig.“<br />

Ob wir nicht auch was trinken gehen<br />

wollen? – im „Café m“ in der Goltzstraße?<br />

Es war <strong>die</strong> erste Berliner Neon-Bar<br />

der 1980er Jahre und ist immer noch ein<br />

Anziehungspunkt für <strong>die</strong> Berliner Szene.<br />

Daran, dass es einmal „Café Mitropa“<br />

hieß, wie <strong>die</strong> Bahn-Gastronomiegesellschaft<br />

der ehemaligen DDR, können<br />

sich allerdings nur noch <strong>die</strong> Älteren<br />

erinnern.<br />

Auf dem Weg durch <strong>die</strong> Goltzstraße<br />

lohnt sich ein Blick in <strong>die</strong> Schaufenster<br />

der Geschäfte.


Figur am Haus Goltzstraße 32 (2005)<br />

60 61<br />

Freimaurer, Neorenaissance<br />

und Moderne<br />

Maurische Terrakotta-Gesichter beobachten<br />

lächelnd <strong>die</strong> Spaziergänger, wel-<br />

che durch <strong>die</strong> Goltzstraße gehen. Sie<br />

schmücken den Sims des Eckhauses<br />

Goltzstraße 32/Hohenstaufenstraße 69.<br />

Muster und Formen an der Klinkerfas-<br />

sade des Hauses ähneln einem Teppich-<br />

muster. <strong>Das</strong> ungewöhnliche Haus wurde<br />

1895 nach einem Entwurf von Richard<br />

Landé erbaut und 1951 instandgesetzt.<br />

Die Haufassade trägt viele Freimaurer-<br />

motive. Die Freimauerer waren <strong>um</strong><br />

1900 wichtig für <strong>die</strong> Architektur Berlins,<br />

da sie zu Experimenten bereit wa-<br />

ren und ungewöhnliche, repräsentative<br />

Hauskonstruktionen entwarfen. Die<br />

große Länderloge der Freimaurer von<br />

Deutschland befand sich in der Eisenacher<br />

Straße 11-12, unweit des Winterfeldtplatzes.<br />

Die Balkone des 5-geschosssigen Hauses<br />

werden von offenen Stahlträgern ge-<br />

halten. Die Kacheln sind unterschiedlich<br />

angeordnet und glasiert. Dazwischen<br />

ragen unbehandelte Ziegelsteine<br />

hervor. Im unbehauenen Stein sieht sich<br />

der Freimaurer selbst, dessen Lebenssinn<br />

ein lebenslanges Lernen beinhaltet.<br />

Den Mittelpunkt des Türschmucks über<br />

dem Eingang Goltzstraße 32 bildet ein<br />

Goltzstraße 32 (2005) Den Dachzims krönt eine Rosette (2005)


Ketten von Halbkugeln mit Meridianen und Bl<strong>um</strong>en-<br />

Emblem über dem Eingang Goltzstraße 32. Die Blätter<br />

motiven <strong>um</strong>geben das Haus (2005)<br />

der Pflanze „Raute“ <strong>um</strong>ranken das Bild. Die Strahlen<br />

der Gestirne durchdringen <strong>die</strong> Dunkelheit.<br />

62 63<br />

typisches Jugendstilmotiv: ein liegender<br />

Mann betrachtet <strong>die</strong> Sonne. Blätter der<br />

mehrfach gefiederten Raute verzieren<br />

das Bild, das von einer Pflanzenkette<br />

<strong>um</strong>rankt ist. Die Blätter der gefiederten<br />

Raute symbolisieren <strong>die</strong> mathematische<br />

Raute, das Zeichen der Freimaurer. Die<br />

Kette bedeutet Verbundenheit und <strong>die</strong><br />

Strahlen der Gestirne durchdringen <strong>die</strong><br />

Dunkelheit mit geistigem Licht.<br />

Um das Haus her<strong>um</strong> ziehen sich Ketten<br />

mit runden Bällen. Verschiedene Meridiane<br />

durchziehen <strong>die</strong> Halbkugeln, wobei<br />

das Winkelmaß für Aufrichtigkeit,<br />

Geradheit und richtiges Handeln steht.<br />

Die 32, <strong>die</strong> Hausn<strong>um</strong>mer, gilt als Zahl<br />

des Herzens und das Herzmotiv findet<br />

sich im Deckenstuck der Salons wieder.<br />

Den Dachsims schmückt ein steinerner<br />

Rosenkranz. Die Rose ist als Zeichen<br />

der Liebe zur Schöpfung das höchste<br />

Symbol der Freimaurer.<br />

.<br />

<strong>Das</strong> Haus erfuhr mehrere bauliche Ver-<br />

änderungen. Der Inhaber eines Wäschegeschäftes<br />

verband das Erdgeschoss mit<br />

dem ersten Stockwerk und unternahm<br />

entsprechende Umbauten. Die Treppenaufgänge<br />

wurden verändert und in<br />

neuerer Zeit erhielten einige Fenster<br />

Kunststoffrahmen. Geblieben sind <strong>die</strong><br />

mit einem Eisenrost geschützten Lüf-<br />

tungsschächte der Kellerfenster. Ausgerechnet<br />

in <strong>die</strong>se Schächte fällt einem<br />

mit Vorliebe der Schlüssel oder das Geld<br />

aus der Hand. Eine Stange mit einem<br />

Haken daran war ein beliebtes Accessoire<br />

der Nachkriegskinder, <strong>die</strong> damit<br />

auf dem Bauch liegend Schätze aus den<br />

Schächten fischten.<br />

In den repräsentativen Neubau zogen<br />

Ärzte, Offiziere und Kaufleute ein.<br />

Ein Blick in alte Adressbücher zeigt <strong>die</strong><br />

Männerknappheit und <strong>die</strong> veränderte<br />

Stellung der Frau. Nach dem ersten<br />

Weltkrieg gab es unter den Haushaltsvorständen<br />

der Goltzstraße 32 <strong>die</strong> Verwalterin,<br />

<strong>die</strong> Ärztin, <strong>die</strong> Witwe oder<br />

ganz einfach <strong>die</strong> „Frau“.<br />

Aber auch der Nationalsozialismus hinterließ<br />

im Haus seine Spuren: ein Mitbewohner<br />

aus dem Haus Goltzstraße<br />

32 wurde deportiert und 1941 im KZ<br />

Lodz ermordet.<br />

<strong>Das</strong> unscheinbare Eckhaus gegenüber,<br />

Goltzstraße 23, hat sein einst prächtiges<br />

Aussehen eingebüßt. In den 1960er Jahren<br />

führten staatliche finanzielle Anreize<br />

dazu, dass <strong>die</strong> Hausbesitzer den Stuck<br />

an den Häusern abklopfen ließen. Und<br />

doch bewahrt das Haus einen Schatz:<br />

<strong>die</strong> Pallas-Apotheke. Von außen unscheinbar,<br />

besitzt sie eine vollständig<br />

erhaltene originale Apotheken-Ausstattung<br />

der Jahrhundertwende.


Der Salon im 1. Stock der Goltzstraße 32 ist mit Herzsymbolen<br />

verziert (2005)<br />

Apothekeneinrichtung von 1892 (2005)<br />

Oben <strong>die</strong> Pallas Athene,<br />

64 Schirmherrin der Heilkunst<br />

65<br />

1892 ließ der Apotheker Albert Porsch<br />

<strong>die</strong> Apotheke im Stil der Neorenaissance<br />

für sich ausbauen. In den n<strong>um</strong>merierten<br />

und mit Buchstaben versehenen<br />

Nussba<strong>um</strong>-Schränken und -Regalen<br />

stehen stilechte Porzellangefäße und<br />

Fläschchen für Salben und Tinkturen.<br />

Schlanke, gedrechselte Holzsäulen mit<br />

ionischen Kapitellen unterteilen <strong>die</strong><br />

Regale. Verglaste Flügeltüren und eine<br />

marmorne Ablage vollenden <strong>die</strong> schöne<br />

Handwerksarbeit. In einem Relief über<br />

dem Regal ist das Monogramm des er-<br />

sten Apothekenbesitzers Albert Porsch<br />

„AP“ zu sehen, geschmückt von Füllhörnern<br />

mit Granatäpfeln und anderen<br />

Früchten. Ein weiteres Relief zeigt das<br />

Gründungsjahr 1892. Es gibt einiges zu<br />

entdecken und zu bestaunen: z<strong>um</strong> Beispiel<br />

Mädchenköpfe, welche den Helm<br />

der Pallas Athene tragen, der Schirmherrin<br />

der Heilkunst.<br />

Werner Liebheit, der jetzige Besitzer, ist<br />

zu Recht stolz auf seine kunstvoll ausgestattete<br />

Apotheke.<br />

Der moderne Stil der 1960er Jahre zeigt<br />

sich im anschließendem Hauskomplex<br />

in der Pallasstraße. In Beton gegossene<br />

Glaskugeln verzieren <strong>die</strong> Hauseingänge<br />

und <strong>die</strong> Treppenhäuser. <strong>Das</strong> dicke mit<br />

Luftblasen versetzte Glas erinnert an<br />

mittelalterliche Butzenscheiben.


Modernes Haus in der Pallasstraße/<strong>Ecke</strong> Elßholzstraße.<br />

Die Hausaufgänge sind mit runden Glassteinen verziert (2005)<br />

66 67<br />

Ebenfalls aus den 1960er Jahren<br />

stammt das gegenüberliegende Gebäude<br />

der AOK, Pallas-, <strong>Ecke</strong> Elßholzstraße.<br />

Auch dessen Verzierung besteht<br />

aus Glas und Beton. Bügel am Dach<br />

unterbrechen <strong>die</strong> ansonsten klassisch<br />

einheitliche Fassade. Als durchgezogene<br />

Linie geben Glasfenster der Fassade ein<br />

elegantes Aussehen.<br />

Auf Glas, Beton und Stahl waren <strong>die</strong><br />

Bauherren und Architekten in den<br />

1960er Jahren besonders stolz. Mit dem<br />

neuen Ba<strong>um</strong>aterial konnte fast jede<br />

Form gegossen werden und Glas erhielt<br />

durch Zusätze von Farbe und Materialien<br />

besondere Effekte.<br />

<strong>Das</strong> AOK-Gebäude in der Pallasstraße/<strong>Ecke</strong> Elßholtzstraße.<br />

<strong>Das</strong> Dach wir durch Betonbügel betont (2005)


Gedenktafel im Hof des Pestalozzi-Fröbel-Hauses Buch<strong>um</strong>schlag von …<br />

68 69<br />

Von der Frauenunterdrückung<br />

zur Frauenbildung<br />

„Nicht mehr <strong>die</strong>nen! Sich einmal nicht<br />

mehr schinden, sich nicht hin- und herjagen<br />

lassen, sich nicht mehr ducken<br />

<strong>um</strong> das bisschen täglich Brot“, lässt<br />

Clara Viebig (1860-1952) ihre Romanfigur<br />

Emma nicht sagen, aber denken.<br />

1900 veröffentlichte Clara Viebig den<br />

Berlin-Roman „<strong>Das</strong> tägliche Brot“.<br />

Mine kommt mit einer Freundin aus<br />

ihrem Dorf zur Verwandtschaft nach<br />

Berlin-Schöneberg, <strong>um</strong> sich hier als<br />

Dienstmädchen zu verdingen. Sie wird<br />

erniedrigt und ausgenutzt. Als sie voller<br />

Heimweh in ihr Dorf zurückkommt,<br />

ist sie auch dort nicht mehr zu Hause,<br />

weil sie nicht den Vorstellungen einer<br />

reichen Städterin entspricht. Sie steht<br />

müde, arbeitslos und mit einem unehelichen<br />

Kind vor ihren verständnislosen<br />

Eltern. Der Roman endet mit einem<br />

Happy End: Mine erhält eine Hauswartstelle<br />

in einem der neu errichteten<br />

Häuser in der Neuen Winterfeldtstraße<br />

und bezieht mit ihrer Familie eine ganz<br />

neue Wohnung, „Trockenwohnen“ in-<br />

begriffen.<br />

Bevor eine Wohnung bezugsfertig war,<br />

wurde sie für einige Zeit unentgeltlich<br />

vermietet. Durch <strong>die</strong> ständige Nuzung<br />

trockneten Mörtel und Steine. Die Folge<br />

waren Krankheiten bei den Bewoh-<br />

nern, was von Obdachlosigkeit bedrohte<br />

Familien in Kauf nahmen.<br />

Eine Hauswartstelle zu erhalten, gelang<br />

im 19. Jahrhundert einer Frau fast nur<br />

im Roman. Clara Viebig beschreibt in<br />

ihrem Buch auch den ständigen Gang<br />

zur Arbeitsvermittlung. Auf dem Winterfeldtplatz<br />

stand seit 1904 eine städtische<br />

Baracke, <strong>die</strong> der Arbeitsvermittlung<br />

von weiblichem Personal <strong>die</strong>nte.<br />

Wenn überhaupt eine Stelle ergattert<br />

wurde, dann als ungelernte Arbeiterin,<br />

Dienstmädchen oder Näherin. Vor<br />

der Baracke lockten <strong>die</strong> Anwerber, bis<br />

manche Frau <strong>die</strong> angebotene Stelle als<br />

Damentänzerin annahm.<br />

Der Zugang zu Schulen und Ausbildungseinrichtungen<br />

war für mittellose<br />

Frauen schwierig.<br />

So war <strong>die</strong> Gründung der „Sozialen<br />

Frauenschule“ in Schöneberg unter der<br />

Leitung von Alice Salomon im Jahr<br />

1908 ein herausragendes Projekt der<br />

bürgerlichen Frauenbewegung. Die<br />

Philosophin, Ökonomin und Frauenrechtlerin<br />

Dr. Alice Salomon fand<br />

Unterstützung bei der Gründerin des<br />

Pestalozzi-Fröbel-Hauses, Henriette<br />

Schrader, der Frau des damaligen Schöneberger<br />

Bürgermeisters. 1925 konnte<br />

Alice Salomon auf dem Gelände des Pestalozzi-Fröbel-Hauses<br />

ein Schulgebäu-


70 71<br />

de errichten. Sie setzte ihre Vorstellung<br />

<strong>um</strong>, für <strong>die</strong> Schülerinnen und Lehrerinnen<br />

einen sonnigen Dachgarten auf<br />

dem Haus errichten zu lassen. Als im<br />

Zweiten Weltkrieg <strong>die</strong> Bomben fielen,<br />

blieben einige Geschosse in <strong>die</strong>sem<br />

Garten stecken. Der ganze Flügel, der<br />

z<strong>um</strong> Dachgarten führt, ist deshalb noch<br />

erhalten. Nach dem Krieg wurde <strong>die</strong><br />

Schule in „Alice-Salomon-Fachhochschule<br />

für Sozialarbeit und Sozialpädagogik<br />

Berlin“ <strong>um</strong>benannt. Der Eingang<br />

lag im Erweiterungsbau Goltzstraße<br />

44. Im Jahr 1998 zog <strong>die</strong> Schule nach<br />

Berlin-Hellersdorf <strong>um</strong>. Im historischen<br />

Flügel ist jetzt noch das Alice-Salomon-<br />

Archiv untergebracht.<br />

Alice Salomon trat 1914 vom Judent<strong>um</strong><br />

zur evangelischen Kirche über.<br />

Geehrt für ihre vielfältigen Ver<strong>die</strong>nste<br />

durch das preußische Staatsministeri<strong>um</strong><br />

wurde sie dennoch ab 1933 von den Na-<br />

tionalsozialisten aus allen öffentlichen<br />

Ämtern gedrängt und 1937 im Alter<br />

von 65 Jahren zur Emigration gezwungen.<br />

1939 wurden ihr <strong>die</strong> deutsche<br />

Staatsbürgerschaft und beide Doktortitel<br />

aberkannt. 1948 starb Alice Salomon<br />

hochgeehrt in Amerika.<br />

„Wenn einmal zugegeben wird, dass Menschen<br />

das Recht haben, ‚unproduktive‘ Mitmenschen<br />

zu töten – und wenn es jetzt auch<br />

nur arme, wehrlose Geisteskranke trifft –,<br />

dann ist grundsätzlich der Mord an allen<br />

unproduktiven Menschen, also den unheilbar<br />

Kranken, den Invaliden der Arbeit und<br />

des Krieges, dann ist der Mord an uns allen,<br />

wenn wir alt und altersschwach und damit<br />

unproduktiv werden, freigegeben! ... Dann<br />

ist keiner von uns seines Lebens mehr sicher:<br />

Irgendeine Kommission kann ihn auf <strong>die</strong> Liste<br />

der ‚Unproduktiven’ setzen, <strong>die</strong> nach ihrem<br />

Urteil ‚lebensunwert’ geworden sind! Und keine<br />

Polizei wird ihn schützen und kein Gericht<br />

seine Ermordung ahnden.“<br />

Auszug aus der Predigt des Bischofs Clemens August Graf von<br />

Galen am 3. August 1941 in der Lambertikirche zu Münster<br />

Verfolgung und Widerstand<br />

unter den Nationalsozialisten<br />

In den Jahren zwischen den beiden<br />

Weltkriegen gehörte Schöneberg zu den<br />

Bezirken, in denen <strong>die</strong> Nationalsozialisten<br />

nicht Fuß fassen konnten. Ka<strong>um</strong><br />

ein Viertel der Schöneberger stimmte<br />

1932 für <strong>die</strong> NSDAP.<br />

Auch <strong>die</strong> Sankt-Matthias-Gemeinde am<br />

Winterfeldtplatz nahm eine kritische<br />

Haltung ein.<br />

Von 1919 bis 1929 bekleidete Clemens<br />

August Graf von Galen (1878 – 1946)<br />

das dortige Pfarramt. Anschließend<br />

wurde er als Bischof nach Münster<br />

berufen, wo er im Namen der katholi-<br />

schen Kirche öffentlich Anklage gegen<br />

das Terrorregime des „Dritten Reiches“,<br />

gegen <strong>die</strong> staatliche Kirchenpolitik und<br />

das Euthanasieprogramm erhob.<br />

Ab 1929 übte der zunächst national gesinnte<br />

Pfarrer Alfred Coppenrath (1883<br />

– 1960) das Pfarramt in der Kirche aus.<br />

Als <strong>die</strong> Hitlerjugend auf dem Winterfeldtplatz<br />

Mitglieder der katholischen<br />

Jungschar verprügelte und grölend und<br />

singend <strong>die</strong> Messe störte, schimpfte er<br />

zunächst nur auf deren „bolschewistisches<br />

Benehmen“. Erst als Hitler-Scher-<br />

gen 1934 im Zusammenhang mit dem<br />

Röhm-Putsch Dr. Erich Klausener,<br />

Ministerialdirektor im Reichsverkehrsministeri<strong>um</strong><br />

und Vorsitzender der Ka-


72 73<br />

tholischen Aktion in Berlin, ermordeten,<br />

bezog Pfarrer Coppenrath offen<br />

Stellung gegen den Nationalsozialismus.<br />

Er widersprach von der Kanzel herab<br />

der amtlich verbreiteten Lüge vom<br />

Selbstmord Klauseners und prangerte<br />

<strong>die</strong> Unterdrückung der katholischen<br />

Vereine und Orden an. Pfarrer Coppenrath<br />

rechnete ständig damit, von der<br />

Gestapo überwacht zu werden. Deshalb<br />

bot er den anwesenden Spitzeln der<br />

Gestapo von der Kanzel aus an, nach<br />

dem Gottes<strong>die</strong>nst einen Durchschlag<br />

mit den aktuellen Kanzelvermeldungen<br />

in der Sakristei zu erstehen. Er verlangte<br />

für <strong>die</strong> Kanzelvermeldungen eine<br />

Reichsmark als Spende an <strong>die</strong> Caritas.<br />

<strong>Das</strong>s meine Kanzelvermeldungen<br />

zuweilen ‚gefährlich’ sind, weiß ich.<br />

Dennoch halte ich mich im Gewissen<br />

dazu verpflichtet. Ich sehne mich<br />

zwar keineswegs nach dem Martyri<strong>um</strong>,<br />

aber ich meine, wenn unser Volk<br />

<strong>die</strong> Angstpsychose – vielfach auch<br />

noch im Schlaf – überwinden soll,<br />

dann müssen wir zunächst erst mal<br />

beweisen, dass wir selber k e i n e<br />

Angst haben und n i c h t schlafen.<br />

(Brief von Pfarrer Albert Coppenrath<br />

an einen Geistlichen in Münster<br />

vom 18. September 1934)<br />

Pfarrer Alfred Coppenrath (1883-1960) Gedenktafel für Michael Hirschberg in der<br />

Winterfeldtstraße 8<br />

Pfarrer Coppenrath erhielt den Beinamen<br />

„westfälischer Dickkopf vom Winterfeldtplatz“.<br />

Er lebte bis 1960.<br />

Der ehemalige Landgerichtsrat Michael<br />

Hirschberg wohnte in der Winterfeldt-<br />

Straße 8. Er war bis 1933 SPD-Vor-<br />

sitzender der Abteilung 8, <strong>die</strong> den Bü-<br />

lowbogen und <strong>die</strong> Potsdamer Straße<br />

<strong>um</strong>fasste. Nach dem SPD-Verbot im<br />

Juni 1933 arbeitete er für <strong>die</strong> illegale SPD<br />

<strong>um</strong> Alfred Markwitz in der „Gruppe<br />

Westen“ und lagerte und verteilte Untergrundmaterial.<br />

Am 17. Mai 1935<br />

verhaftete ihn <strong>die</strong> politische Polizei we-<br />

gen illegaler Arbeit. Der Mitangeklagte<br />

Walter Löffler erinnerte sich: „Zu<br />

bemerken ist besonders <strong>die</strong> Haltung<br />

des Genossen Hirschberg, eines ’Volljuden’,<br />

der vor Gericht sagte: „Ich war<br />

stolz darauf, dass <strong>die</strong> Arbeiter, <strong>die</strong> stets<br />

mit Misstrauen gegen uns Akademiker<br />

erfüllt waren, mir <strong>die</strong> Aufgaben anvertrauten,<br />

illegal <strong>die</strong> 8. Abteilung weiterzuführen<br />

und in der Widerstandsbewegung<br />

mitzuarbeiten. Ich habe getan, was<br />

ich konnte, <strong>um</strong> mich <strong>die</strong>ses Vertrauens<br />

würdig zu erweisen und bereue nichts,<br />

als dass es mir nicht vergönnt ist, weiterhin<br />

zu kämpfen.“<br />

Obwohl schwer misshandelt, bekannte<br />

Hirschberg sich zu seiner Arbeit und<br />

klagte <strong>die</strong> Richter des Rechtsbruchs an.<br />

Am 20. März 1937 erlag er im Zucht-<br />

haus Brandenburg einem Herzschlag.<br />

Die jüdische Schriftstellerin Nelly (eig.<br />

Leonie) Sachs, <strong>die</strong> 1891 im der Maaßenstraße<br />

15 (heute12) zur Welt kam,<br />

lebte mit ihrer kranken Mutter trotz<br />

Berufsverbotes bis 1940 in Berlin. Als<br />

experimentelle Schriftstellerin schrieb<br />

sie auch skurrile Texte fürs Puppentheater.<br />

Noch im letzten Augenblick gelang<br />

beiden mit Unterstützung der Freundin<br />

Gudrun Harlan, der schwedischen<br />

Schriftstellerin Selma Lagerlöf und des<br />

schwedischen Prinzen Eugen <strong>die</strong> Flucht<br />

nach Schweden. Unter Depressionen<br />

leidend, widmete sie fortan ihre Texte<br />

den sechs Millionen Opfern des Terrors<br />

im Dritten Reich. Nelly Sachs erhielt


Gedenktafel für Nelly Sachs in der Maaßenstraße 12<br />

74 75<br />

1966 den Nobelpreis für Literatur und<br />

1970 <strong>die</strong> Ehrenbürgerwürde von Berlin.<br />

Sie starb 1970 in Stockholm.<br />

Die vom Kunstamt Schöneberg veranstaltete<br />

Ausstellung „Wir waren Nachbarn“,<br />

<strong>die</strong> im Jahr 2005 im Rathaus<br />

zu besichtigen war, führt <strong>die</strong> vielen<br />

Bewohner <strong>um</strong> den Winterfeldtplatz,<br />

<strong>die</strong> im „Dritten Reich“ aufgrund ihrer<br />

Zugehörigkeit zur jüdischen Gemeinde<br />

deportiert wurden, namentlich auf.<br />

Es ist im Gespräch, für <strong>die</strong>se wichtige<br />

Sammlung einen festen Ausstellungsplatz<br />

zu schaffen.<br />

Den ehemaligen Sportpalast in der Pal-<br />

lasstraße, <strong>Ecke</strong> Potsdamer Straße 72,<br />

nutzten in der Zeit der Weimarer Re-<br />

publik alle Parteien als Versammlungsstätte.<br />

Im Anschluss an <strong>die</strong> letzte SPD-<br />

Versammlung am 27. Februar 1933<br />

stand <strong>die</strong> SA bereits gewaltbereit am<br />

Ausgang und verfolgte <strong>die</strong> Teilnehmer<br />

bis nach Kreuzberg. In derselben Nacht<br />

brannte der Reichstag. Von nun an hielt<br />

ausschließlich <strong>die</strong> NSDAP im Sportpalast<br />

politische Versammlungen ab und<br />

bezeichnete ihn als „Heimstätte ihrer<br />

Bewegung“. Am 18. Februar 1943 hielt<br />

Josef Goebbels dort vor 15 000 ausgewählten<br />

Anhängern seine berüchtigte<br />

Rede, <strong>die</strong> über Rundfunk ins ganze<br />

Ein Teil des „Pallasse<strong>um</strong>“ wurde <strong>um</strong> den Bunker gebaut<br />

Reich übertragen wurde. Auf seine rhetorische<br />

Frage „Wollt ihr den totalen<br />

Krieg?“ antworteten <strong>die</strong> geladenen Teilnehmer<br />

mit Zustimmung und Jubel.<br />

Nach der Rede soll Goebbels gesagt haben:<br />

„Diese Stunde der Idiotie! Wenn<br />

ich den Leuten gesagt hätte, springt aus<br />

dem dritten Stock des Col<strong>um</strong>bushauses,<br />

sie hätten es auch getan.“<br />

Anfang der 1950er Jahre wurde der kriegszerstörte<br />

Sportpalast in vereinfachter<br />

Form wieder aufgebaut.<br />

<strong>Das</strong> legendäre Sechstagerennen, Karnevalsfeten<br />

und Rockkonzerte fanden dort<br />

statt. 1958 sorgten <strong>die</strong> „Halbstarken“<br />

für Schlagzeilen. Ein Rock’n Roll-Konzert<br />

des Sängers Bill Haley wurde von<br />

der Polizei abgebrochen, nachdem <strong>die</strong><br />

Zuschauer das Podi<strong>um</strong> gestürmt hatten.<br />

Jugendliche, <strong>die</strong> als „gefährlich, desillusioniert<br />

und frustriert“ eingestuft wurden,<br />

hinterließen zerschlagene Scheinwerfer<br />

und kaputtes Mobiliar.<br />

Nachdem <strong>die</strong> Klingbeil-Gruppe 1973<br />

das Grundstück und einen Teil des <strong>um</strong>liegenden<br />

Geländes übernommen hatte,<br />

wurde der Sportpalast abgerissen und<br />

der „Sozialpalast“ mit über 500 Wohnungen<br />

errichtet. „Eines der schönsten<br />

Wohnprojekte Berlins“, wie einst angekündigt,<br />

wurde der Betonklotz mit<br />

Sicherheit nicht. Heute nennt sich <strong>die</strong><br />

Wohnanlage „Pallasse<strong>um</strong>“. Diesen Na-


Einer von mehreren Kommentaren,<br />

<strong>die</strong> in einem Zaun am Bunker eingeritzt sind<br />

76 77<br />

men erfand ein dort wohnendes Mädchen<br />

bei einem Wettbewerb.<br />

<strong>Das</strong> Pallasse<strong>um</strong> besitzt eine Kuriosität:<br />

der große Gebäudekomplex überbrückt<br />

nicht nur <strong>die</strong> Pallasstraße sondern <strong>um</strong>-<br />

schließt auch einen Hochbunker. Der<br />

Bunker wurde 1943 für das Fernmelde-<br />

amt in der Winterfeldtstraße vorwiegend<br />

von russischen Zwangsarbeitern<br />

gebaut. Versuche, ihn in der Nachkriegszeit<br />

zu sprengen, scheiterten. Trotz der<br />

intensiven Bebauung sprießen durch<br />

den Asphalt Wiesenbl<strong>um</strong>en: Brennnessel,<br />

Löwenzahn und Gräser. Sie sind <strong>die</strong><br />

ursprünglichen Bewohner <strong>die</strong>ses Areals.<br />

Als <strong>die</strong> Straßen im südlichen Teil des<br />

Platzes zwischen 1891 und 1893 ihre<br />

Namen erhielten, befand sich noch der<br />

königliche Botanische Garten auf dem<br />

Gelände des heutigen Kleistparks.<br />

Johann Sigismund Elßholz (1623-1688),<br />

Hofmedikus des Großen Kurfürsten<br />

Friedrich Wilhelm, war einer der bedeutendsten<br />

Botaniker seiner Zeit.<br />

Johann Gottlieb Gleditsch (1714-1786)<br />

leitete 40 Jahre lang den Botanischen<br />

Garten. Der Berliner Mediziner und<br />

Naturforscher Peter Simon Pallas (1741<br />

-1811) bereiste große Teile Russlands<br />

und Sibiriens, über <strong>die</strong> er anschließend<br />

mehrbändige Reiseberichte veröffentlichte.<br />

1910 zog der Botanische Garten<br />

nach Steglitz <strong>um</strong>, <strong>die</strong> Straßen behielten<br />

ihre Bezeichnung.<br />

Klassische Straßenlampe Doppelarmige Jugendstillampe<br />

Der Himmel über dem Winterfeldtplatz<br />

Straßenlaternen unterschiedlichster Art<br />

stehen auf und <strong>um</strong> den Platz vor der<br />

Kirche. Die Berliner Aufbruchstimmung<br />

<strong>um</strong> <strong>die</strong> Jahrhundertwende findet sich<br />

in der Form der dekorativen Jugendstillampen<br />

wieder. Die Vision der autogerechten<br />

Stadt in den 1950er und 1960er<br />

Jahren zeigt sich in den lichtintensiven<br />

Peitschenmasten.<br />

Hydranten mit Brauchwasser und der<br />

Marktbrunnen mit Trinkwasser stehen<br />

etwas unbeachtet am Rande des Platzes.<br />

Aber sie haben ja auch eigentlich keine dekorative,<br />

sondern eine nützliche Funktion.<br />

Der Spielplatz neben der Kirche mit dem<br />

hübschen Namen „Para<strong>die</strong>sgärtchen“ mit<br />

filigranen Zäunen und dem spinnenartigen<br />

Baldachin verrottet seit 1995. Die<br />

kalten Metallbänke werden für kurze<br />

Erholungspausen genutzt. Die Kinder<br />

lassen den dunklen Platz links liegen,<br />

nur einige Jugendliche treffen sich dort.<br />

Es gibt genügend Platz zwischen Marktbrunnen,<br />

Hydranten und Jugendstillampen.<br />

Inline-Skater, Rollschuh- und<br />

Fahrradfahrer geben dem Platz <strong>die</strong> sportliche<br />

Note wie es das Bezirksamt 1990<br />

geplant hatte, als er z<strong>um</strong> Roll-, Ball-<br />

und Lauffeld freigegeben wurde.<br />

Auch wenn an den restlichen 5 Tagen<br />

kein Markt stattfindet <strong>um</strong>geben <strong>die</strong> ab-


Einarmige Jugenstillampe Moderner Peitschenmast<br />

78 79<br />

gestellten Marktstände und -wagen den<br />

Platz immer mit einer Marktatmosphäre.<br />

Um den Platz her<strong>um</strong> fahren Autos<br />

und Fahrräder.<br />

Im Sommer verbreiten <strong>die</strong> Linden an<br />

den Straßen ihren süßen Duft und Him-<br />

mel und Wolken verbreiten eine beson-<br />

dere Stimmung von Weite und Leichtigkeit.<br />

Der Winterfeldtplatz ist so frei<br />

und offen, dass <strong>die</strong> Sonne ungestört al-<br />

les beleuchten kann und sich ein mediterranes<br />

Gefühl einstellt. An manchen<br />

Tagen leuchtet der Himmel über Schöneberg<br />

golden.


Christopher Isherwood: Mr. Norris<br />

steigt <strong>um</strong>, 1935 und Lebwohl Berlin,<br />

im Original 1935 bzw. 1939<br />

Orte des Erinnerns. Herausgegeben<br />

vom Kunstamt Schöneberg 1995<br />

Gerhard Seyfried: Wo soll das alles<br />

enden. Kleiner Leitfaden durch <strong>die</strong><br />

Geschichte der APO.<br />

Erstveröffentlichung 1978<br />

Clara Viebig: <strong>Das</strong> tägliche Brot,<br />

Erstausgabe 1901<br />

Anna E. Weirauch: Der Skorpion. 3<br />

Band Erstveröffentlichung 1919<br />

Susanne Twardawa, geboren 1952 in<br />

Nürnberg, Soziologin und Buchhändlerin,<br />

Kaffeehaus-Literatin mit Liebe z<strong>um</strong><br />

Spaziergang.<br />

Horst Happatz, geboren 1950 in Wiesbaden.<br />

Lebt seit 1972 in Berlin, arbeitet<br />

als Lehrer und hat sein Interesse an der<br />

Fotografie Mitte der 1980er Jahre in<br />

den VHS-Kursen der Photowerkstatt<br />

Kreuzberg entdeckt und seitdem nicht<br />

mehr verloren.<br />

Literatur<br />

Heinrich Wilhelm Wörmann: Widerstand<br />

in Schöneberg und Tempelhof.<br />

Herausgegeben von der Gedenkstätte<br />

Walter Benjamin: Berliner Chronik, Deutscher Widerstand 2002<br />

Nachträge und Rundfunkgeschichten<br />

rabugl (eig Daniela von Raffay)<br />

für Kinder 1929-32<br />

Soziologin und Autorin, geboren 1951<br />

in München und seit den frühen 1970er<br />

Der Berliner Bierboykott von 1894. Bildnachweise:<br />

Jahren Wahlberlinerin, konnte im Lauf<br />

Sonderdruck 1980 der Berliner Hand-<br />

der Jahre einige Einzelhändler davon<br />

presse<br />

Barbara Klemm: S. ?<br />

überzeugen, sich eine Rampe anzuschaf-<br />

80 Galerie Taube: S. 5<br />

fen, <strong>um</strong> Rollstuhlfahrer und Eltern mit<br />

81<br />

Pieke Biermann: Violetta.<br />

Muse<strong>um</strong> Tempelhof-Schöneberg:<br />

Kinderwagen als Kunden zu gewinnen.<br />

Erstveröffentlichung 1990<br />

S.6re., 8, 9, 21, 30, 35<br />

Gudrun Schwarz: S.16, 81<br />

Hans Fallada: Damals bei uns daheim, Hans-Wurst-Nachfahren: S. 28<br />

Erinnerungen. Erstveröffentlichung Esther Disteldorf: S. 29<br />

1942<br />

rabugl: S. 34<br />

Kai Vöckler: S. 55<br />

Erdmann Graeser: Lemkes sel. Witwe. Dr. Weiss: S. 69<br />

Erstveröffentlichung 1907<br />

Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg:<br />

Karte S. 82<br />

Ich bedanke mich bei meinem Freund<br />

Wilfried Hepperle, der mir laufend<br />

Denkanstöße gibt, bei Esther Disteldorf,<br />

<strong>die</strong> mir spontan für Recherchen<br />

ihre Diplomarbeit anbot, bei Barbara<br />

Kilian vom Theater „Hans-Wurst-Nachfahren“,<br />

<strong>die</strong> mich in kürzester Zeit mit<br />

Material versorgte, bei Daniela von Raffay,<br />

<strong>die</strong> sofort bereit war einen Beitrag<br />

zu schreiben, bei Horst Happatz, mit<br />

dem es Vergnügen macht, auf Bildersuche<br />

zu gehen, bei den Marktleuten, <strong>die</strong><br />

wir fotografieren durften, bei Pfarrer<br />

Kotzur, der so mitreißend erzählen<br />

kann, bei dem Literaturwissenschaftler<br />

Alwin Müller-Arnke, der das Manuskript<br />

intensiv gegengelesen hat, bei den<br />

Hauswartsleuten und der Leiterin des<br />

Senioren-Wohnhauses (von Galen) und<br />

Gunner Tihl, bei allen Freunden und<br />

Freundinnen, Kunden und Mitarbeierinnen<br />

von Archiven, <strong>die</strong> uns unterstützt<br />

haben.<br />

Susanne Twardawa 2005


26<br />

23<br />

24<br />

25<br />

15 16<br />

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12<br />

10<br />

13<br />

14 1<br />

9<br />

5 6 7 8<br />

4 3<br />

2<br />

21<br />

22<br />

17<br />

19<br />

20<br />

82 steht unter Denkmalschutz<br />

83<br />

27<br />

18<br />

Adressen<br />

1 Kirche und ehemaliger Standort der<br />

Marktwaage<br />

2 Spreewald-Grundschule mit der Lilli<br />

Henoch Sporthalle, entworfen von den<br />

Architekten Inken und Hinrich Baller<br />

3 Standort der ehemaligen Ruine bis 1997<br />

4 Puppentheater Hans-Wurst-Nachfahren<br />

5 Wohn- und Geschäftshaus in der<br />

Gleditschstraße 1, entworfen von den<br />

Architekten Inken und Hinrich Baller<br />

6 Winterfeldtstraße 37, eines der ehemals<br />

besetzten Häuser<br />

7 Winterfeldtstraße 33, hier lebte der<br />

Schriftsteller Erdmann Graeser als Kind<br />

am Ende des 19. Jahrhunderts (damalige<br />

Nr. 24)<br />

8 Winterfeldtstraße 25, in <strong>die</strong>sem Haus<br />

wehren sich Mieter heute noch aktiv<br />

gegen <strong>die</strong> Vorgehensweise ihrer Hausbesitzer<br />

9 Winterfeldtstraße 40/<strong>Ecke</strong> Maaßenstraße,<br />

das Vorgängerhaus fiel einem<br />

„warmen Abriss“ z<strong>um</strong> Opfer, heute<br />

steht hier ein Neubau<br />

10 Maaßenstraße 12, Geburtshaus der<br />

Schriftstellerin Nelly Sachs (eig. Leonie)<br />

(1891-1970), heute ein Neubau (Gedenktafel<br />

am Haus)<br />

11 Goltzstraße 24/<strong>Ecke</strong> Winterfeldtstraße<br />

45, von Otto Sohre entworfenes<br />

Gründerzeithaus. Es steht unter Denkmalschutz.<br />

In dem Haus befindet sich<br />

das Lokal „Sl<strong>um</strong>berland“<br />

12 Häuser der Kirche, entworfen vom<br />

Architekten G. Maiwald<br />

13 Goltzstraße 31/<strong>Ecke</strong> Hohenstaufenstraße,<br />

Sankt-Franziskus-Schule mit<br />

abstrakter Hausbemalung, das Haus<br />

14 Toilettenhäuschen (WALL AG),<br />

entworfen vom Architektenbüro Kleihues<br />

15 Goltzstraße 32/<strong>Ecke</strong> Hohenstaufenstraße,<br />

Kachelhaus mit Freimaurersymbolen,<br />

entworfen von Richard Landé.<br />

Es steht unter Denkmalschutz<br />

16 Goltzstraße 23, Pallas-Apotheke mit<br />

einer Laden-Ausstattung im Stil der<br />

Neorenaissance. Sie steht unter Denkmalschutz


17 Fernmeldeamt, der Eingang ist in<br />

der Winterfeldtstraße. Hier war der<br />

„Hopfengarten“, ein ehemaliger Teil<br />

des Botanischen Gartens, der auf dem<br />

Areal des heutigen Heinrich-von-Kleist-<br />

Parkes lag<br />

18 Hochbunker in der Pallasstraße<br />

19 Pallasstraße/ <strong>Ecke</strong> Potsdamer Straße<br />

72, Wohnkomplex „Pallasse<strong>um</strong>“. Auf<br />

einem Teil des Grundstücks stand der<br />

ehemalige „Sportpalast“<br />

20 Winterfeldtstraße 8, Wohnort des<br />

Widerstandskämpfers Michael Hirschberg<br />

(1889-1937), heute ein Neubau<br />

(Gedenktafel am Haus)<br />

84 21 Zietenstraße 20, Wohnhaus des<br />

Sprachforschers Georg Büchmann<br />

(1822-1884)<br />

85<br />

22 Zietenstraße 16, Wohnhaus der<br />

Schriftstellerin Anna Elisabet Weirauch<br />

(1887-1970)<br />

23 Nollendorfplatz 17, Wohnort des<br />

Schriftstellers Christopher Isherwood<br />

(1906-1986) (Gedenktafel am Haus)<br />

24 Häuser aus dem Berliner Wiederaufbauplan<br />

von 1952 bis 1961<br />

25 Habsburger Straße 5, Wohnhaus des<br />

sozialdemokratischen Politikers August<br />

Bebel (1840-1930) Und auch eines<br />

Stammkunden<br />

26 Luitpoldstraße 11, Wohnhaus des<br />

Schriftstellers Hans Fallada (eig. Rudolf<br />

Dietzen) (1893-1947). Heute steht dort<br />

eine Schule<br />

27 Goltzstraße 44, ehemaliges Gebäude<br />

der Alice-Salomon-Fachhochschule, begründet<br />

von Alice Salomon (1872-1948)<br />

(Gedenktafel am Gebäude im Innenhof)


86<br />

Susanne Twardaw<br />

Die motzbuch edition gibt es in<br />

Buchhandlungen oder direkt im<br />

motzbuch<br />

Motzstraße 32<br />

10777 Berlin<br />

Fon/Fax: 030 - 2115958<br />

www.motzbuch.de<br />

Inhalt<br />

Der Winterfeldtplatz 5<br />

Der Winterfeldtmarkt 12<br />

„endlich samstag!“ 16<br />

Vom Hobrecht-Plan<br />

z<strong>um</strong> Baller-Plan 20<br />

Die „Ruine“ 24<br />

<strong>Das</strong> Theater am Winterfeldtplatz<br />

„Hans-Wurst-Nachfahren“ 27<br />

Rebellion am Winterfeldtplatz 30<br />

Im Bermuda-Dreieck über<br />

<strong>die</strong> „Maaßen“ in <strong>die</strong> „Nolle“ 35<br />

Von der Gründerzeit bis<br />

z<strong>um</strong> Wiederaufbauplan 38<br />

Seniorenwohnhaus und Schulen 44<br />

Die Sankt-Matthias-Kirche 47<br />

Der Berliner Bierboykott und <strong>die</strong><br />

Kultur des Essens und Trinkens 56<br />

Freimaurer, Neorenaissance<br />

und Moderne 60<br />

Von der Frauenunterdrückung zur<br />

Frauenbildung 68<br />

Verfolgung und Widerstand<br />

unter den Nationalsozialisten 71<br />

Der Himmel über<br />

dem Winterfeldtplatz 75<br />

Literatur 80<br />

Adressen 82

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