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Eigenschaften von Schaumstoffen und zelligen Elastomeren als ...

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Berger/Kiefer (Hrsg.)<br />

DICHTUNGS<br />

TECHNIK<br />

JAHRBUCH 2012


64 Werkstoffe<br />

Dipl. Ing (FH) Martin Dietrich<br />

<strong>Eigenschaften</strong> <strong>von</strong> <strong>Schaumstoffen</strong> <strong>und</strong><br />

<strong>zelligen</strong> <strong>Elastomeren</strong> <strong>als</strong> Dichtwerkstoffe<br />

BRANCHENÜBERGREIFEND – Bei der Auswahl <strong>von</strong> <strong>Schaumstoffen</strong><br />

<strong>und</strong> elastomeren Werkstoffen im Dichtungsbereich, ist anfänglich<br />

die gr<strong>und</strong>legende Werkstoffeigenschaft der verwendeten Produkte<br />

zu prüfen. Der Begriff der Schaumstoffe ist in vielen Fällen zu unpräzise.<br />

Man unterscheidet hierbei nicht, ob es sich um geschäumte<br />

Thermoplaste, um geschäumte <strong>und</strong> vernetzte Thermoplaste oder<br />

tatsächlich um geschäumte Elastomere handelt. Dabei werden die<br />

Werkstoffeigenschaften erheblich vom Aufbau des verwendeten<br />

Werkstoffes beeinflusst.<br />

Thermoplastische Schaumkunststoffe zeichnen sich dadurch aus, dass die<br />

den Werkstoff bildenden Makromoleküle chemisch nicht miteinander verb<strong>und</strong>en<br />

sind. Es handelt sich um „fadenförmige“ Strukturen deren Zusammenhalt<br />

durch physikalische Kräfte den „Van der Waal’sche“-Bindungen erzeugt<br />

wird. Bei entsprechender Energiezufuhr werden diese Kräfte<br />

überw<strong>und</strong>en <strong>und</strong> die einzelnen Makromoleküle des Kunststoffes können gegeneinander<br />

verschoben werden. Das Material geht <strong>von</strong> einem festen in einen<br />

plastischen (flüssigen) Zustand über.<br />

Dem gegenüber sind bei vernetzten thermoplastischen Schaumkunststoffen<br />

die einzelnen Polymermoleküle nachträglich chemisch teilweise miteinander<br />

verb<strong>und</strong>en, so dass bei Energiezufuhr der Zusammenhalt der Polymermatrix<br />

erhalten bleibt.<br />

Bei den geschäumten <strong>Elastomeren</strong> handelt es sich um weitmaschig chemisch<br />

vernetze Polymere. Sie nehmen in ihrem Temperaturverhalten verschiedenste<br />

Eigenschaftsformen an. Man spricht einerseits <strong>von</strong> permanent<br />

vernetzten <strong>Elastomeren</strong>, zu denen alle Werkstoffe auf Basis <strong>von</strong> Natur/Synthesekautschuk<br />

(Gummiprodukte) gehören, <strong>und</strong> Produkten, die bei einer<br />

werkstoffspezifischen Grenztemperatur in den flüssigen Aggregatzustand<br />

übergehen. Es kann sich hierbei um thermoplastische Elastomere handeln<br />

oder um Produkte auf Basis <strong>von</strong> Polyurethan. Bei dieser Produktklasse kön-


<strong>Eigenschaften</strong> <strong>von</strong> <strong>Schaumstoffen</strong> <strong>und</strong> <strong>zelligen</strong> <strong>Elastomeren</strong> <strong>als</strong> Dichtwerkstoffe<br />

>>1: Federkennlinie eines gemischt<strong>zelligen</strong> PUR-Elastomers mit Dichte 150kg/m3<br />

nen oberhalb <strong>von</strong> ca. 150 °C vernetzend wirkende chemische Bindungen reversibel<br />

gelöst werden.<br />

Anforderung an DIchtungswerkstoffe<br />

Alle diese Produkte können <strong>als</strong> Dichtwerkstoffe verwendet werden, jedoch<br />

sind die werkstoffspezifischen <strong>Eigenschaften</strong> im Einsatzfall zu berücksichtigen.<br />

Die Funktion einer Dichtung besteht darin, Stoffübergänge zwischen<br />

zwei gleichartigen oder unterschiedlichen Medien zu verhindern. Um diese<br />

Funktion langfristig zu erfüllen, sind die Anforderungen an den Dichtungswerkstoff<br />

genau zu beschreiben <strong>und</strong> mit den tatsächlichen Werkstoffeigenschaften<br />

in Einklang zu bringen.<br />

Bei der klassischen statischen Flachdichtung sind die Anforderungen einfach<br />

darzustellen. Die Dichtung soll elastisch sein <strong>und</strong> die Rauhigkeit der zu dichtenden<br />

Bauteile ausgleichen. Des Weiteren ist die Dichtung derart auszubilden,<br />

dass durch den Dichtwerkstoff kein Stoffübergang stattfinden kann. Es<br />

werden daher bevorzugt geschlossenzellige Produkte verwendet, da ein<br />

Stoffübergang durch den Dichtungswerkstoff ausgeschlossen ist. Andererseits<br />

bieten offenzellige Produkte einige technische Vorteile, wie z.B. geringere<br />

Kriechneigung, weshalb auch derartige Werkstoffe <strong>als</strong> Dichtmedien in<br />

65


66 Werkstoffe<br />

Frage kommen. Es ist daher, um die erforderliche Dichtwirkung zu gewährleisten,<br />

die Wandstärke <strong>und</strong> gegebenenfalls die Vorspannung angemessen zu<br />

dimensionieren. Um die Dichtwirkung dauerhaft sicherzustellen, muss die<br />

Dichtung immer unter einer gewissen Vorspannung stehen, damit keine ungewollten<br />

Stoffübergänge stattfinden können. Um eine gewünschte Verformung/Vorspannung<br />

zu erhalten, können die erforderlichen Kräfte aus der<br />

Federcharakteristik, des verwendeten Werkstoffes, ermittelt werden. Die in<br />

>>1 dargestellte Federkennlinie zeigt den typischen Verlauf für einen gemischt<strong>zelligen</strong><br />

Polyurethanschaumstoff mit einer Dichte <strong>von</strong> 150 kg/m3. Bei<br />

einer für Flachdichtungen üblichen angenommen Verformung <strong>von</strong> mindestens<br />

30% ist demzufolge eine Vorspannung <strong>von</strong> ca. 0,018 N/mm2 anzuwenden.<br />

Ein weiteres wichtiges Kriterium bei einem Dichtungswerkstoff ist, dass<br />

dieser unter einer definierten stetigen Vorspannung bzw. Vorverformung<br />

auch ein bestimmtes Mindestmaß an Rückstellvermögen während der gesamten<br />

Einsatzzeit beibehält.<br />

Alle elastomeren Werkstoffe, ob geschäumt oder kompakt, bzw. auch geschäumte<br />

Thermoplaste zeigen die Eigenschaft des Kriechens mehr oder<br />

minder stark ausgeprägt. Unter Kriechen versteht man die reversible Verformungszunahme<br />

/Spannungsabnahme unter Spannungsbeanspruchung. Eine<br />

weitere Werkstoffeigenschaft <strong>von</strong> Dichtungswerkstoffen ist das Fließen.<br />

Darunter versteht man den irreversiblen Anteil der Verformungszunahme<br />

unter Spannung.<br />

Beide Effekte führen nun dazu, dass sich im Falle einer Dichtung die Spannung<br />

im Dichtelement während der Anwendung abbaut <strong>und</strong> im Laufe der<br />

Zeit die Dichtwirkung nachlässt bzw. im Extremfall verloren gehen kann. >>2<br />

zeigt das Kriechverhalten <strong>von</strong> geschäumten Produkten unterschiedlicher<br />

Werkstoffzusammensetzung. Es ist sehr deutlich erkennbar, dass der geschlossenzellige<br />

Werkstoff Zellkautschuk anfänglich eine geringere Ver formungszunahme/-Spannungsabnahme<br />

zeigt, <strong>als</strong> das offenzellige Polyurethanmaterial.<br />

Dies ist darauf zurückzuführen, dass die in den geschlossenen<br />

Zellen eingeschlossenen Gase anfänglich die Tragfähigkeit erhöhen, aber<br />

dem Gesetz des kleinsten Zwanges folgend, im Laufe der Zeit aus den geschlossenen<br />

Zellen hinausdiff<strong>und</strong>ieren <strong>und</strong> durch den daraus resultierenden<br />

Druckverlust die Rückstellkräfte stetig abnehmen. Der Anteil der Tragfähigkeit<br />

aus der Gerüstmatrix <strong>und</strong> der daraus resultierenden Rückstellkräfte können<br />

bei geschlossen<strong>zelligen</strong> Systemen nicht getrennt <strong>von</strong>einander ermittelt


<strong>Eigenschaften</strong> <strong>von</strong> <strong>Schaumstoffen</strong> <strong>und</strong> <strong>zelligen</strong> <strong>Elastomeren</strong> <strong>als</strong> Dichtwerkstoffe<br />

>>2: Kriechverhalten <strong>von</strong> geschäumten Werkstoffen<br />

werden. Demgegenüber wird bei offen<strong>zelligen</strong> Systemen die Tragfähigkeit des<br />

Werkstoffes ausschließlich durch die Gerüststeifigkeit bestimmt. Die Kriecheigenschaften<br />

werden daher ausschließlich durch den Aufbau der Werkstoffmatrix<br />

bestimmt. Offenzellige Werkstoffe zeigen daher im zeitlichen Verlauf der<br />

Belastung ein abnehmendes Kriechen.<br />

Das Fließen der Werkstoffe, <strong>als</strong>o der irreversible Anteil, ist bei dieser Art der<br />

Werkstoffbetrachtung inkludiert <strong>und</strong> ist in der Praxis Teil der Spannungsreduktion,<br />

wobei sich der Anteil des Fließens i.d.R. im Bereich <strong>von</strong> 2% bis 5%<br />

der Kriechvorgänge bewegt. Wie bei allen elastischen Werkstoffen sind die<br />

<strong>Eigenschaften</strong> ebenfalls <strong>von</strong> der Temperatur abhängig.<br />

Temperaturverhalten <strong>von</strong> zentaler Bedeutung<br />

Als im Jahre 1986 die Raumfähre Challenger 73 s nach dem Start explodierte<br />

war dies nach eingehenden Analysen auf das Versagen eines Dichtringes des<br />

Feststoffboosters zurückzuführen. Zum Unglück kam es deswegen, weil die<br />

Dichtung, bei den an diesem Tag für Florida ungewöhnlich niedrigen Temperaturen,<br />

nicht mehr elastisch war <strong>und</strong> damit ihre Dichtfunktion nicht erfüllen<br />

konnte. Daher ist die Kenntnis des Temperaturverhaltens des eingesetzten<br />

Werkstoffes <strong>von</strong> entscheidender Bedeutung. Zur Charakterisierung des Temperaturverhaltens<br />

<strong>von</strong> polymeren Materialien können verschiedene Prüfmethoden<br />

herangezogen werden. Durch dynamisch mechanische Analyse<br />

(DMA) kann das Werkstoffverhalten bei unterschiedlichen Temperaturen un-<br />

67


68 Werkstoffe<br />

>>3: Temperaturabhängigkeit des dynamischen E-Moduls <strong>und</strong> der Dämpfung <strong>von</strong><br />

verschiedenen Dichtwerkstoffen<br />

ter einer Druckbeanspruchung mit einer gleichzeitig wirkenden dynamischen<br />

Komponente untersucht werden. Diese Art der Werkstoffanalyse<br />

liefert nicht nur den temperaturabhängigen dynamischen E-Modul, sondern<br />

zusätzlich die temperaturabhängigen Dämpfungseigenschaften des Werkstoffes.<br />

In >>3 kann man deutlich erkennen, dass mit sinkenden Temperaturen die<br />

Steifigkeit <strong>und</strong> damit die Härte der Werkstoffe stetig ansteigen. Gleichzeitig<br />

erhöhen sich der Verlustfaktor <strong>und</strong> damit die Dämpfung des Werkstoffes. Ein<br />

zunehmender Verlustfaktor bedeutet, dass der plastische Werkstofffanteil<br />

wächst <strong>und</strong> demzufolge die elastische Werkstoffkomponente reduziert wird.<br />

Das Maximum des Verlustfaktors stellt praktisch den Punkt auf der Temperaturskala<br />

dar, an dem der Werkstoff seine Elastizität verliert.<br />

Eine weitere sehr einfache Methode zur Einschätzung des elastischen Verhaltens<br />

<strong>von</strong> Dichtwerkstoffen ist der Druckverformungsrest (EN ISO 1856). Bei<br />

dieser Prüfung werden die Dichtwerkstoffe über einen definierten Zeitraum<br />

bei festzulegenden Prüftemperaturen einer definierten Verformung (Druckbeanspruchung)<br />

unterworfen. Anhand des ermittelten Druckverformungsrestes<br />

kann dann das elastische Verhalten, auch bei verschiedenen Temperaturen,<br />

bewertet <strong>und</strong> damit ein mögliches Versagen der Dichtung<br />

vorhergesagt werden. In >>4 ist sehr deutlich zu erkennen, dass unterschied-


<strong>Eigenschaften</strong> <strong>von</strong> <strong>Schaumstoffen</strong> <strong>und</strong> <strong>zelligen</strong> <strong>Elastomeren</strong> <strong>als</strong> Dichtwerkstoffe<br />

>>4: Temperaturabhängigkeit des Druckverformungsrestes (Bilder: Getzner Werkstoffe<br />

Ges.m.b.H)<br />

liche Werkstoffe ebenfalls deutliche Unterschiede beim Druckverformungsrest<br />

zeigen. Geschlossenzellige Produkte, im Besonderen die thermoplastischen<br />

unvernetzten Werkstoffe aber auch Zellkautschuk, zeigen bei hohen<br />

Beanspruchungstemperaturen sehr hohe Werte für den Druckverformungsrest.<br />

Dies liegt u.a. daran, dass durch die Temperaturerhöhung die Diffusionsgeschwindigkeit<br />

der in den Zellen eingeschlossenen Gase erhöht <strong>und</strong> damit<br />

das Kriechen des Werkstoffes bei dieser Prüfung erheblich beschleunigt wird.<br />

Bei offen<strong>zelligen</strong> Produkten sind diese Effekte nicht zu erwarten, sodass die<br />

ermittelten Werte Rückschlüsse auf das elastische Verhalten erlauben. Die allfällig<br />

stattfindenden Fließvorgänge werden durch die erhöhte Temperaturbeanspruchung<br />

verstärkt <strong>und</strong> tragen gleichfalls zu erhöhten Druckverformungsresten<br />

bei. Den idealen Dichtungswerkstoff, der für alle Anwendungen<br />

geeignet ist, gibt es nicht.<br />

Chemische Beständigkeit nicht vernachlässigen<br />

Neben den rein physikalischen <strong>Eigenschaften</strong> ist die chemische Beständigkeit<br />

gegen eine Vielzahl <strong>von</strong> Medien bei der Auswahl des Dichtungswerkstoffes<br />

<strong>von</strong> entscheidender Bedeutung. Geschlossenzellige Schaumstoffe<br />

auf Basis der Thermoplaste Polyethylen, Polypropylen, Polystyrol <strong>und</strong> Polyvinylchlorid<br />

sind gegen eine Vielzahl <strong>von</strong> chemischen Stoffen beständig, je-<br />

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70 Werkstoffe<br />

doch ist das Kriechverhalten dieser Werkstoffe nachteilig <strong>und</strong> zudem sind die<br />

zulässigen Einsatztemperaturen eher niedrig. Die vernetzten Polyolefine PE<br />

<strong>und</strong> PP sind chemisch resistent <strong>und</strong> thermisch höher belastbar <strong>als</strong> die nicht<br />

vernetzten Typen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass aufgr<strong>und</strong> des geschlossen<strong>zelligen</strong><br />

Aufbaues das Kriechverhalten wiederum suboptimal ist.<br />

Demgegenüber sind Silikonschäume sowohl chemisch resistent <strong>als</strong> auch<br />

<strong>von</strong> den möglichen Einsatztemperaturen, mit bis zu 200 °C, sehr beanspruchungsfähig.<br />

Jedoch stellt das durch den geschlossen<strong>zelligen</strong> Charakter bestimmte<br />

ungünstige Kriechverhalten bei den geschäumten Silikonen fallweise<br />

ein Problem dar. Geschlossenzelliger Zellkautschuk auf Basis <strong>von</strong> Naturkautschuk<br />

zeigt exzellente Tieftemperatureigenschaften aber ungünstiges<br />

Kriechverhalten, während offenzelliger Moosgummi mangelhafte Gerüststeifigkeit<br />

aufweist. Die chemische Beständigkeit <strong>und</strong> das Alterungsverhalten<br />

<strong>von</strong> synthetischen Kautschukprodukten ist sehr stark vom verwendeten<br />

Gr<strong>und</strong>polymer abhängig <strong>und</strong> daher auf den spezifischen Anwendungsfall<br />

abzustimmen. Geschäumte Polyurethanelastomere sind i.d.R. gemischtzellig<br />

<strong>und</strong> zeigen geringe Kriechneigung. Jedoch ist die Einsatztemperatur mit<br />

+70 °C begrenzt. Die chemische Beständigkeit ist produktabhängig <strong>und</strong><br />

auch die elastischen <strong>Eigenschaften</strong> bei tiefen Temperaturen können erheblich<br />

schwanken.

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