Der Schwetzinger Vertrag von 1766 - Kulturverein Bellheim
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Der Schwetzinger Vertrag von 1766
Die Bestrebungen Frankreichs, die Souveränität über den gesamten Bereich zwischen Lauter
und Queich zu gewinnen, gingen unterdessen weiter, ebenso diejenigen der Kurpfalz, genau
diesen Souveränitätsverzicht zugunsten der französischen Krone zu verhindern. Trotzdem
kann man das Verhältnis der beiden Staaten nicht als gespannt bezeichnen, dazu war die
Kurpfalz viel zu sehr auf das Wohlwollen Frankreichs angewiesen. Besonders die Garantie
Frankreichs für den Besitz des Herzogtums Jülich und Berg war für den Kurfürsten wichtig,
da auf dieses auch Erbansprüche Preußens bestanden, die bei jeder Verstimmung wieder
aktuell wurden.
Nach dem Neutralitätsvertrag vom 19. Februar 1746 hatte Kurpfalz noch eine Reihe von
Verträgen mit Frankreich geschlossen. Auch in diesen Verträgen, wie dem vom 1. April 1749,
war jeweils auf das gute Einvernehmen zwischen den Höfen abgehoben, die sich gegenseitig
zusicherten, keinen Konventionen beizutreten, die diese „bonne intelligence” beeinträchtigen
könnten 130 . Die im ausgelaufenen Vertrag von 1746 enthaltenen 20.000 Gulden monatlicher
Subsidien wurden auf drei Jahre erneuert, wieder mit der Zusicherung, die Summe im Falle
eines ungerechten Angriffs zu verdoppeln. Am 17. Januar 1751 wiederum wurde ein weiterer
Vertrag mit der Zusicherung von 30.000 Gulden auf vier Jahre und 20.000 Gulden auf die
folgenden vier Jahre geschlossen. Der Kurfürst sollte von diesem Geld 6000 Soldaten
unterhalten und in Reichs- und Kreistagen sowie dem Kurkollegium die Interessen
Frankreichs vertreten 131 . Die Abhängigkeit von Frankreich hinderte die Kurpfalz aber nicht,
sich wenigstens im kleinen zu wehren, wie wir es bei der Auseinandersetzung um die
Landvermessung entlang der Queichlinien gesehen haben. In den bisherigen Verträgen war
der Status der Queichlinien zwischen Frankreich und Kurpfalz nicht geklärt worden. Erst am
16. Juni 1766 kam es mit dem sogenannten Schwetzinger Vertrag 132 zu einer Vereinbarung, in
der die Linien ausdrücklich erwähnt wurden.
In der Präambel heißt es: „Der König und der durchlauchtigste Kurfürst, gleichermaßen
beseelt von dem Wunsch, ihre gegenseitige Union zu festigen, haben entschieden, daß es das
beste Mittel sei, alle Streitpunkte zwischen Seiner Majestät und Seiner Kurfürstlichen Hoheit
auszuräumen, indem sie eine neue, endgültige Vereinbarung treffen, um jene für immer
beizulegen.” 133 Die Verhandlungen waren auf französischer Seite durch den bevollmächtigten
Minister O’Dunne, auf pfälzischer von Staatsminister Zedtwitz und Geheimrat Reibeld
geführt worden. Diese hatten die Verträge auch unterzeichnet, die erst durch die Ratifikation
von Ludwig XV. am 15. Januar 1767 und Kurfürst Karl Theodor am 24. März 1767
Gültigkeit erlangten.
Die ersten beiden Artikel befassen sich mit den bisher kurpfälzischen Ämtern Seltz und
Hagenbach, die gegen noch nicht benannte Gebiete mit dem Herzog von Pfalz-Zweibrücken
getauscht werden sollten. Kurpfalz sollte mit Besitz im Bereich der Pfalz oder seiner
unmittelbaren Nachbarschaft entschädigt werden. Bei dem berüchtigten „Flickenteppich”, den
die deutschen Territorien im 18. Jahrhundert bildeten, kein von vornherein schlechter
Gedanke. Der Herzog von Zweibrücken und seine Nachfolger sollten alle Rechte behalten,
die bisher der Kurfürst von der Pfalz in diesen Ämtern ausgeübt hatte.
Der dritte und vierte Artikel des Vertrages befassen sich nun explizit mit dem Oberamt
Germersheim und den Queichlinien. In Anbetracht der Gefälligkeit des Kurfürsten, der für
den genannten Tausch auf einen Teil seines alten Vaterlandes verzichte, entsage der König,
allein zugunsten seiner kurfürstlichen Hoheit, der Ausübung aller Rechte der Souveränität in
allen Teilen der anderen pfälzischen Besitzungen, die zum Oberamt Germersheim gehörten,
auf dem rechten Ufer der Queich lägen und in der zum Vertrag gehörenden Aufstellung
enthalten seien 134 . „Seine Majestät behält sich nur die Möglichkeit vor, sowohl in Friedensals
auch in Kriegszeiten, auf seine Kosten die Linien zu unterhalten und zu überwachen, die er
mit außerordentlich großen Ausgaben an der Queich hat errichten lassen”. Man sei
übereingekommen, daß dieser Vorbehalt „keinerlei Beeinträchtigung der Rechte des
durchlauchtigsten Kurfürsten in sich trage, und daß man auf der Seite Frankreichs keinerlei
Schlußfolgerungen ziehen werde für die Ausübung irgendwelcher Rechte der Souveränität
oder auf eine Garnison auf irgendeinem Teil pfälzischer Erde auf dem rechten Ufer der
Queich; daß die genannten Linien im derzeitigen Zustand verbleiben, ohne die Möglichkeit
sie auszuweiten, außer mit Einwilligung Seiner Kurfürstlichen Hoheit, daß zu diesem Zweck
ein Plan gezeichnet wird, der dem gegenwärtigen Vertrag hinzugefügt wird; daß die
genannten Linien und die notwendigen Arbeiten zu ihrer Unterhaltung ausschließlich auf
Kosten seiner Majestät gehen, ohne daß Seine Kurfürstliche Hoheit oder seine Untertanen
verpflichtet sind, dazu beizutragen mit Lieferungen, Fronarbeit oder in sonst einer Weise, und
daß auf äußerste Disziplin bei den Truppen geachtet wird, die mit ihrer Bewachung beauftragt
werden.”. Man braucht wenig Phantasie, um sich vorzustellen, daß die hier vertraglich
festgelegten Rechte und Pflichten vorher gerade nicht gewährleistet waren.
Der genannte Plan der Queichlinien wurde am 9. März 1767 in Mannheim von O’Dunne,
Zedtwitz und Reibeld beglaubigt 135 . Damit gehört der Vertrag zu den ältesten internationalen
Abkommen, bei denen eine kartographische Darstellung integraler Bestandteil ist. 136 Der Plan
selbst ist im Vergleich zu den bekannten anderen französischen Karten der Queichlinien von
ausnehmend geringer Qualität. Er zeigt den gesamten Queichlauf von Hauenstein bis zum
Rhein, im Norden begrenzt von der Linie Albersweiler – Germersheim, im Süden von der
Linie Bergzabern – Jockgrim mit sämtlichen Dörfern. Die Befestigungen der Queichlinie sind
nur sehr schematisch wiedergegeben, besonders fällt auf, daß auch sicher nicht ausgeführte
Teile, wie ein Wall entlang des Albersweilerer Kanals sowie Wall und Graben zwischen
Offenbach und Ottersheim und unterhalb Bellheim bis zur Höhe der (nicht berücksichtigten)
Spiegelbrücke eingezeichnet sind. Da die hervorragenden kartographischen Grundlagen der
Geniedirektion in Landau damals schon vorhanden waren, muß man fast eine bewußte
Verschleierung des tatsächlichen Zustandes der Linien vermuten, obwohl auch die
kurpfälzischen Unterhändler mit ihrer Unterschrift bestätigten, daß der Plan „die Queichlinien
in dem Zustand zeigen, in dem sie sich tatsächlich befinden”. Vor diesem Hintergrund ist es
kein Wunder, daß sich die pfälzische Seite 15 Jahre später auf konspirativem Wege gute
Karten besorgen mußte.
Ein für Kurfürst Karl Theodor sehr wichtiger Bestandteil des Vertrages war die erneute
Garantie Frankreichs nach 1729 und 1757 für die Zugehörigkeit der Herzogtümer Jülich und
Berg zu seinem Haus Pfalz-Sulzbach. König Ludwig XV. verpflichtete sich auch, bei nächster
Gelegenheit den König von Preußen von einer Erneuerung des Verzichts auf die Erbschaft der
Herzogtümer zu überzeugen, wie dies schon 1741 geschehen sei. 137
Der Vertrag scheint auf den ersten Blick sehr zufriedenstellend für die kurpfälzische Seite
gewesen zu sein. Neben der Garantieerklärung für Jülich und Berg wurde ja besonders
hervorgehoben, daß Frankreich aus dem Zugeständnis bezüglich der Queichlinien keinerlei
Souveränitätsrechte für die südlich der Queich liegenden Teile des Oberamtes Germersheim
ableiten würde. Im Lichte einer Denkschrift des zweibrückischen Regierungsrats und
Archivars Bachmann vom 25. Januar 1783 ergeben sich jedoch weitere Aspekte und
Hintergründe des Vertrages. 138 Bachmann hatte Verträge der Herzöge von Zweibrücken
zusammengestellt, die die Abtretung aller pfälzischen Gebiete südlich der Queich zum Inhalt
hatten, wahrscheinlich für den damaligen Herzog Karl II. August. Das Haus Pfalz-
Zweibrücken war dabei in einer bemerkenswerten Lage: Kurfürst Karl Theodor, der seit 1742
in Mannheim regierte, hatte keinen Erben aufzuweisen, bei seinem Tod würde die Kurpfalz an
Zweibrücken fallen. Dies allein war schon ein Grund für die französische Diplomatie, sich
stark um den Zweibrücker Hof zu kümmern. Wie bei allen kleinen Fürsten herrschte dort
ständiger Geldmangel, sicher mit verursacht durch die vielen Kriege der Vergangenheit, aber
auch den Versuch, in einem vergleichsweise winzigen Ländchen den Versailler Hof zu
imitieren. Zweibrücken benötigte ständig französische Subsidien und war deswegen wohl
besonders geneigt, das eine oder andere Zugeständnis zu machen. Die Angaben Bachmanns
zu den Verträgen mit Frankreich sind es wert, zitiert zu werden, wobei besonders zu
bemerken ist, daß der zuerst genannte Vertrag nur sechs Wochen vor dem oben ausführlich
beschriebenen Schwetzinger Vertrag der Kurpfalz mit Frankreich datiert. „Der Haupt Traité
wegen Abtretung der pfälzischen Lande auf dem rechten Seite der Queich , /: das ist von dem
Lauf der Queich aus dem Falkenburger Gewäld bis nach Germersheim, wo sie in den Rhein
fällt, gegen dem Elsaß zu :/ ist vom 10. May 1766. In dem ersten Artikel bewilligt Hr.
Christian der vierdte [der damalige Zweibrücker Herzog], daß die Ämter Cleeburg,
Catharinenburg und Bergzabern, so zweybrückisch sind, desgleichen die Ämter Selz,
Hagenbach, Billigkeim und überhaupt alle anderen pfälzischen Lande an dem rechten Ufer
der Queich in die französische Souveraineté gegeben werden sollen. Der Herzog bewilligt,
Cleeburg und Catharinenburg würklich unter die Souveraineté abzugeben, sobald er eine
Regierung unter der Souveraineté werde etabliert haben, zu welchem Behuf der König lettres
patentes zu ertheilen verspricht. Die Ausübung der Souveraineté in den Ämtern Selz und
Hagenbach will der Herzog gestatten, sobald der Tausch mit Churpfalz zu Stand gekommen
seye – und der König die erforderlichen lettres patentes ertheilt haben wird. In den Ämtern
Bergzabern, Billigkeim und überhaupt in allen pfälzischen Landen auf der rechten Seite der
Queich soll die souveraineté nicht Plaz haben, bis der Herzog in der Chur succediert
[nachgefolgt] seyen würde. Wann aber alsdann die verwittibte [verwitwete] Herzogin noch
auf ihrem Wittum [Witwengut] zu Bergzabern lebe, so solle der König die Souveränitäts
Rechte nicht eher als nach ihrem Tod daselbst exercieren können.
In dem zweyten Artikel stipuliert sich [bedingt sich aus] der Herzog seiner Droits Regaliens et
de Superiorité territoriale [königlichen Rechte und die Landesherrschaft] in den abzutretenden
Landen und königl[iche] lettres patentes darüber und die Bestellung einer Regierung über
dieselbe [...].
Im 5.n Artikel heißt es: der Churfürst habe erklärt, daß er in den Selz und Hagenbacher
Tausch nicht willigen würde, es seye dann, daß der König auf alle prätensiones [Ansprüche]
der Souveraineté in den Zugehörungen des Amts Germersheim auf der rechten Seite der
Queich renoncire [verzichte], der König habe solches auch zur Erleichterung des
Tauschgeschäfts gethan, der Herzog erkläre aber, daß er keinerlei Engagement, so der König
hierüber mit dem Churfürsten eingegangen haben möge, jemals allegieren [vorbringen]
werde, sondern bei dem, was er im ersten Artikel versprochen, bleiben wolle.
In der Declaration Secrete [geheimen Vereinbarung] vom 6. Sept. 1774 heißt es: Art. 2 der
Declaration vom 10. May 1766 seye an sich selbst ewig und unwiderrufl[lich], gleichwohl
verspreche der Herzog aufs neue alle Lande auf der rechten Seite der Queich getreul[ich]
unter die Souveraineté zu geben, wann die churf[fürstliche] Succession eröfnet werden würde.
Eine der Conditionen, welche die Übergabe des Amts Bergzabern hätten hindern können,
seye indeßen durch das Absterben der verwittibten Herzogin weggefallen. [...]
Im 4. Artikel verspricht der Herzog dem König den flecken Godramstein , auf der linken Seite
der Queich zu einem besseren arrondissement der Stadt Landau, gegen ein billigmäßiges
equivalent abzutretten.”
Herzog Christian IV ließ sich die Gefälligkeiten natürlich bezahlen, er erhielt aus dem Vertrag
jährliche Subsidien der französischen Krone in Höhe von 100.000 Livres, das entspricht
40.000 Gulden. Sein Bruder Prinz Friedrich sollte 50.000 Livres bzw. 20.000 Gulden
erhalten, „ [...] solang dieser neue Vertrag dauern werde, i.e. [das heißt] biß zu des Kurfürsten
Tod ” 139 . Würden die beiden eher sterben, sollten ihre Nachfolger in den Genuß der Gelder
kommen. Kurfürst Karl Theodor erwies sich jedoch als recht ausdauernd, so daß er sogar zwei
seiner potentiellen Erben, die Herzöge Christian IV. und Karl II. August von Zweibrücken
überlebte. Bei seinem Tod 1799 waren durch die Revolutionskriege zudem alle
linksrheinischen Gebiete der Pfalz an Frankreich gekommen, unabhängig davon, ob sie nun
echts oder links der Queich lagen. Möglicherweise haben die Verträge Frankreichs mit Pfalz-
Zweibrücken aber noch eine Rolle beim 1. Pariser Frieden 1814 gespielt, als die Nordgrenze
Frankreichs am Oberrhein an der Queichlinie, nicht an der Queich selbst, ausgerichtet wurde.
Karl Theodor war sich vollkommen im klaren darüber, daß die Zweibrücker die Souveränität
über die getauschten Ämter an den französischen König abtreten würden, die ständigen
Zumutungen von Seiten Frankreichs waren mit ein Grund für diesen Tausch 140 . Die
Zusicherung der Queichgrenze durch Christian IV. dürfte ihm aber nicht bewußt gewesen
sein, wahrscheinlich auch nicht die mit seiner Lebensdauer verknüpften Subsidienzahlungen.
130
Vgl. dazu Olbrich, Meinhard: Die Politik des Kurfürsten Karl Theodor v. d. Pfalz zwischen den Kriegen
(1748-1756), Bonn 1966, S. 43 ff.
131
Die Verträge sind bei Olbrich, ebda S. 269 ff. abgedruckt.
132
Schwetzinger Vertrag vom 16. Juni 1766, bestehend aus sieben Einzelverträgen, HStA München Kurpfalz
Urk. 1735 –1741, Ratifizierungsurkunden 1742 – 1745. Der Verträge sind in französischer Sprache abgefaßt.
133
Hauptvertrag, HStA Kurpfalz U. 1740.
134
Die Liste der Dörfer wurde in der Ratifizierungsurkunde unmittelbar an das Ende des Hauptvertrags gesetzt,
HStA Kurpfalz U. 1742.
135
Plan des lignes de la Quaich, Bestandteil des Vertrags vom 16. Juni 1766, HStA Kurpfalz U 1737.
136
Hinweis von Archivoberrat Reiprich vom Hauptstaatsarchiv München.
137
Garantieerklärung für Jülich und Berg, HStA Kurpfalz U 1741, 1745.
138
Promemoria Bachmanns zur Abtretung der pfälzischen Lande auf der rechten Seite der Queich 1783, HStA
Kasten blau, 439/19. Die Denkschrift war wohl für den Herzog Karl II. August bestimmt.
139
Bachmann’sches Repertorium, HStA, Archiv Zweibrücken Band 5, U37.
140
Vgl. dazu Schwarz, Albert: Der Austausch der Ämter Selz und Hagenbach an Zweibrücken. In: Wörth am
Rhein, Ortschronik Band 1, Wörth a. Rh. 1983 S. 569 – 576.