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Die Lebenshilfe in der Presse - Lebenshilfe Tübingen e.V.

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DANK WOHNGEMEINSCHAFT MITTENDRIN STATT NUR DABEI<br />

Integratives Wohnprojekt für Menschen mit und ohne<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung<br />

Im Wohnprojekt „Mittendr<strong>in</strong>“ leben Menschen mit und ohne<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung zusammen. Das Konzept: möglichst viel Selbständigkeit,<br />

möglichst viel Selbstbestimmung. FLUGPLATZ-Mitarbeiter Beat Seemann<br />

war zu Besuch dort.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Lebenshilfe</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Presse</strong><br />

Telefon 0 70 71/94 40-3, Telefax 0 70 71/94 40-40, mail@lebenshilfe-tueb<strong>in</strong>gen.de<br />

Mart<strong>in</strong> Bläss, Benjam<strong>in</strong> Kölbel und Jean-Claude<br />

Hansper (von l<strong>in</strong>ks) <strong>in</strong> ihrem Wohnzimmer. Bild:<br />

Seemann<br />

Es ist e<strong>in</strong> sonniger, eiskalter Tag Ende Januar. Ich<br />

b<strong>in</strong> auf dem Weg zum Haus <strong>der</strong> <strong>Lebenshilfe</strong><br />

Tüb<strong>in</strong>gen. Dort treffe ich mich mit Mitarbeiter Jens<br />

Fäs<strong>in</strong>g. Im Haus ist e<strong>in</strong>iges los, es gibt viele<br />

Angebote. Unser Ziel ist allerd<strong>in</strong>gs e<strong>in</strong> an<strong>der</strong>es, das Wohnprojekt „Mittendr<strong>in</strong>“ <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Herrenbergerstraße. Hier wohnen elf Menschen mit sogenannter geistiger<br />

Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung zwischen 21 und 59 Jahren mit vier nichtbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Menschen<br />

unter e<strong>in</strong>em Dach. Das Konzept <strong>der</strong> Hausgeme<strong>in</strong>schaft, so erzählt Fäs<strong>in</strong>g, ist auf<br />

Selbstständigkeit und Selbstbestimmung <strong>der</strong> Mieter<strong>in</strong>nen und Mieter ausgelegt.<br />

Dar<strong>in</strong> werden sie von den Mitarbeiter/<strong>in</strong>nen <strong>der</strong> <strong>Lebenshilfe</strong> unterstützt.<br />

Zusammen macht <strong>der</strong> Spaziergang mehr Spaß<br />

Das Haus ist hell und freundlich – seit 2006 beherbergt es das <strong>in</strong>tegrative<br />

Wohnprojekt. Es gibt vier Wohnungen, <strong>in</strong> denen die Menschen mit sogenannter<br />

geistiger Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>in</strong> Zweier- und Dreier-WGs zusammenleben. In zwei<br />

weiteren Wohnungen leben nichtbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>te Menschen.<br />

Tanja Enzm<strong>in</strong>ger öffnet uns die Tür, sie teilt ihre WG mit Simone Mack. Beide<br />

wollen e<strong>in</strong> eigenständiges Leben führen. Den Frauen gefällt es dort<br />

außerordentlich gut, sie leben seit über drei Jahren <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wohnung. <strong>Die</strong><br />

Bewohner/<strong>in</strong>nen hatten e<strong>in</strong>e sehr lange Kennenlernphase, bis sie sich<br />

entschieden haben, mit wem sie zusammenleben wollen. Simone Mack erzählt,<br />

dass sie sehr gerne zusammen ausgehen o<strong>der</strong> spazieren laufen. Sie arbeitet


tagsüber <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Seniorenheim. Anfangs half sie im Speisesaal, mittlerweile ist<br />

sie <strong>in</strong> <strong>der</strong> hauseigenen Wäscherei beschäftigt. Der Job macht ihr großen Spaß,<br />

und ihr Ziel ist es, möglichst bald e<strong>in</strong>en Job auf dem ersten Arbeitsmarkt zu<br />

bekommen. <strong>Die</strong> kle<strong>in</strong>e Wohnung ist gemütlich e<strong>in</strong>gerichtet, gekocht wird selbst.<br />

Soeben kommt e<strong>in</strong>e Mitarbeiter<strong>in</strong> <strong>der</strong> <strong>Lebenshilfe</strong> vorbei, die mit den beiden<br />

Frauen Sport macht.<br />

Unter <strong>der</strong> Woche nutzen viele Bewohner/<strong>in</strong>nen des Hauses die Freizeit- und<br />

Bildungsangebote <strong>der</strong> <strong>Lebenshilfe</strong>: Sie können <strong>in</strong>s Schwimmbad gehen, zum<br />

Kegeln o<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Computerkurs machen. Dabei, so erklärt Jens Fäs<strong>in</strong>g, erhält<br />

jede/r <strong>in</strong>dividuelle Unterstützung. Beim Kochen zum Beispiel o<strong>der</strong> beim<br />

E<strong>in</strong>kaufen. Jede/r <strong>in</strong> diesem Haus hat eigene Kompetenzen und Wünsche, an<br />

denen die Assistenz ansetzt.<br />

<strong>Die</strong> nächste WG ist e<strong>in</strong>e re<strong>in</strong>e Männerrunde: Mart<strong>in</strong> Bläss, Benjam<strong>in</strong> Kölbel und<br />

Jean-Claude Hansper wohnen hier. Mart<strong>in</strong> Bläss wollte gerade staubsaugen,<br />

Jean- Claude Hansper schreibt mit Unterstützung e<strong>in</strong>er Mitarbeiter<strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Lebenshilfe</strong> se<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>kaufsliste. Benjam<strong>in</strong> Kölbel lädt mich gleich zum<br />

Tischkickern e<strong>in</strong>. Dar<strong>in</strong> b<strong>in</strong> ich e<strong>in</strong>e absolute Niete. Aber immerh<strong>in</strong>, ich gehe <strong>in</strong><br />

Führung. E<strong>in</strong> Anfang. Aber dann holt me<strong>in</strong> Gegenspieler auf, ich erziele ke<strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>ziges Tor mehr und verliere 1:10. Benjam<strong>in</strong> Kölbel ist 23 Jahre alt und<br />

arbeitet bei e<strong>in</strong>er Computerfirma <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe als Hausmeister. Der junge Mann<br />

freut sich, dass er mir se<strong>in</strong> Zimmer zeigen kann. <strong>Die</strong> Bayern München-<br />

Bettwäsche deutet darauf h<strong>in</strong>, welche Mannschaft er unterstützt. Se<strong>in</strong><br />

Liebl<strong>in</strong>gsspieler ist Franck Ribéry. <strong>Die</strong> Wand ist mit allen möglichen Postern<br />

tapeziert, <strong>der</strong> Rechner läuft. Zum Mails Schreiben nutzt Benni Kölbel ihn. Viele<br />

Hausbewohner haben Mailadressen und s<strong>in</strong>d bei <strong>der</strong> Internet-Plattform Facebook<br />

registriert. So wollen sie Kontakt halten zu Freund<strong>in</strong>nen und Freunden <strong>in</strong><br />

Frankreich und Großbritannien – dort hat die <strong>Lebenshilfe</strong> Partnerorganisationen.<br />

Mo<strong>der</strong>n Talk<strong>in</strong>g läuft oft <strong>in</strong> <strong>der</strong> Männer-WG<br />

Im H<strong>in</strong>tergrund dudelt das Radio. Auch Mart<strong>in</strong> Bläss zeigt se<strong>in</strong> Zimmer gerne.<br />

Das Poster an <strong>der</strong> Wand erkenne ich als Porsche, doch er klärt mich darüber auf,<br />

dass dies e<strong>in</strong>e Viper ist. Stolz erzählt er mir vom Wan<strong>der</strong>urlaub im Engad<strong>in</strong> mit<br />

se<strong>in</strong>em Vater und kramt se<strong>in</strong>e CD-Sammlung hervor. Se<strong>in</strong>e Liebl<strong>in</strong>gsband ist<br />

Mo<strong>der</strong>n Talk<strong>in</strong>g, obwohl <strong>Die</strong>ter Bohlen nicht s<strong>in</strong>gen könne. In <strong>der</strong> Küche trifft sich<br />

die ganze WG. Am Wochenende wollen sie auf e<strong>in</strong>e Fasnetsparty, und sonst s<strong>in</strong>d<br />

sie gerne mal im Jazzkeller.<br />

In den an<strong>der</strong>en WGs s<strong>in</strong>d alle ausgeflogen. Der E<strong>in</strong>zige, den ich noch antreffe, ist<br />

Erik Köhler. Zur Zeit macht er se<strong>in</strong> Referendariat. Er ist e<strong>in</strong>er <strong>der</strong> vier<br />

Nichtbeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten im Hause. <strong>Die</strong>se übernehmen die Nachtbereitschaft, jede/r<br />

2


etwa sieben Nächte im Monat. Von 21 Uhr bis 6 Uhr morgens s<strong>in</strong>d sie für die<br />

an<strong>der</strong>en Hausbewohner/<strong>in</strong>nen da. Wenn es Probleme gibt, spielt sich das meist<br />

abends ab – wenn jemand nicht schlafen kann o<strong>der</strong> wenn jemandem übel ist.<br />

Insgesamt jedoch hält sich das <strong>in</strong> Grenzen. Erik Köhlen gefällt das Hauskonzept:<br />

Er mag den offenen Umgang <strong>der</strong> Bewohner/<strong>in</strong>nen untere<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. Allerd<strong>in</strong>gs<br />

können sich viele Menschen e<strong>in</strong> Leben <strong>in</strong> so e<strong>in</strong>em Haus nicht vorstellen – lei<strong>der</strong>,<br />

sagt er.<br />

Als ich mich verabschiede, b<strong>in</strong> ich bee<strong>in</strong>druckt und sehr positiv überrascht. E<strong>in</strong><br />

tolles Konzept. Es lohnt sich, sich weiter für die Gleichstellung von Menschen mit<br />

sogenannter geistiger Beh<strong>in</strong><strong>der</strong>ung e<strong>in</strong>zusetzen. Denn Vielfalt ist Trumpf.<br />

Beat Seemann, 17<br />

02.02.2010 - 08:30 Uhr<br />

3<br />

Schwäbisches Tagblatt<br />

02. Februar 2010

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