perspektive heft 38 1999
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Wort nicht gerade ein paar Zeilen<br />
früher?“<br />
„Schweif nicht ab. Erzähle.“<br />
„Gut also. Mir träumt, daß ich in einem<br />
mir nicht näher beschriebenen Raum<br />
mit der Tänzerin Annette auf dem<br />
Schooß sitze. Wir sind angekleidet, aber<br />
ich lege meine Hände zwischen ihre<br />
Beine. Sehr schön.“<br />
„Was hast du an? Was hat Annette an?“<br />
„Ich weiß nicht, was ich trage, da ich<br />
mich nicht sehe. Annette trägt eine<br />
schwarze Blue-Jeans. Ihr Oberkörper<br />
mag nackt sein.“<br />
„Aha, aber den siehst du auch nicht,<br />
weil du nur die Beine siehst. Verstehe!“<br />
„Nein, tust du nicht. Es ist möglich, daß<br />
ich nicht so sehr auf ihren Oberkörper<br />
achte in diesem Traum. Aber ihr Gesicht<br />
z.B. sehe ich. Deutlich. Es ist<br />
unbekleidet.“<br />
„Du erzeugst Appetit auf Kaffee, wenn<br />
du immer zu deiner nicht mit Kaffee<br />
gefüllten Tasse greifst.“<br />
„Ja, auch mir.“<br />
„Generelle Frage: Empfindest du dich in<br />
Träumen genauso als Mittelpunkt<br />
deiner Umgebung wie im Wachen?“<br />
„Dies ist eine nicht leicht zu<br />
beantwortende Frage. Generell ist es –<br />
der Vergleich hat nichts zu bedeuten,<br />
das möchte ich gleich voranschicken –<br />
wie in einem Computerspiel. Action.<br />
Selten nur bekommt man den Helden zu<br />
Gesicht, weil er – so will es sein<br />
Schicksal – immer im Mittelpunkt des<br />
Geschehens steht. Daher bin ich mehr<br />
Beobachter des Umher, aber das Umher<br />
kreist deshalb nicht um mich. Ich<br />
glaube, Computerspiele werden als<br />
Ersatz für Träume erfunden und wählen<br />
daher gerne diese Perspektive. Ja, ich<br />
empfinde mich als Mittelpunkt.“<br />
„Ja, das macht eben Träume so<br />
lebensecht.“<br />
„Manchmal schlafe ich, und denke, ich<br />
bin schon aufgewacht. Dann bin ich<br />
immer sehr überrascht, wenn ich<br />
aufwache.“<br />
„Kenn‘ ich als Hembert Nora in- und<br />
auswendig.“<br />
„Bisher war ich der Ansicht, das sei bei<br />
ihm umgekehrt?“<br />
„Macht keinen Unterschied.“<br />
„Und der letzte erotische Traum, an den<br />
du dich erinnerst? Wann? Wieviel?<br />
Wer?“<br />
„Uije. Nja, letzte Woche. Da war so etwas<br />
in der Nacht, taucht so etwas auf. Ich<br />
kann mich nicht mehr genau erinnern.<br />
Es ist jedenfalls ebenfalls in einem<br />
Raum. Es sind aber alle nackt. Nur<br />
Frauen. Und ich. Wobei ich aber nicht<br />
genau weiß, ob ich in diesem Traum<br />
eine Frau oder ein Mann bin, da ich<br />
mich nicht sehe. Sie behandeln mich<br />
nicht wie einen Mann. Ich sitze in einem<br />
völlig leeren Zimmer. Mein Blickwinkel<br />
erlaubt mir, drei Wände des Zimmers zu<br />
sehen. Und obwohl das Zimmer ganz<br />
hell beleuchtet ist, habe ich den<br />
Eindruck, als erscheinen aus der<br />
Dunkelheit diese nackten Frauen, die<br />
etwas verfolgen, oder sie folgen – einem<br />
Gesetz, einem Spiel. Und sie bemerken<br />
mich, ich bin also kein unsichtbarer<br />
Beobachter. Auch schwarzweiße Frauen<br />
waren darunter. Alle Frauen haben<br />
Gesichter aus dem anderen Leben.<br />
Bekannte.“<br />
„Die Erotik des Traumes. Ist sie,<br />
abgesehen von der Nacktheit der<br />
Frauen, noch in anderer Weise<br />
vorhanden, fühlbar, tastbar, oder wie?“<br />
„Ja, mein Körper, mein Körper – ist<br />
erregt! Nimmt Kleinigkeiten, die weit<br />
entfernt vor sich gehen, so wahr, als<br />
transportieren sie kleine Lustkügelchen<br />
zu einer einzigen Stelle im ganzen<br />
Körper. An mehr erinnere ich mich<br />
nicht, doch es war mehr. Ich kann mich<br />
nicht erinnern.“<br />
„Deine Erzählung läßt mich denken, daß<br />
unsere Empfindung von Erotik im<br />
Traum recht unterschiedlich ist.“<br />
„Wir werden sehen, wenn wir uns im<br />
Traum treffen.“<br />
„Meiner ist meist deutlich, drastisch,<br />
und deftig.“<br />
„Kein Wunder, du spielst ja auch<br />
Computerspiele.“<br />
„Ja, aber nein. Das ist auch vor dieser<br />
Zeit schon so.“<br />
„Ja, aber dein Tun vor dieser Zeit führt<br />
dich zum Tun in dieser Zeit.“