04/2010 - Münchner Forum
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Standpunkte 4 / <strong>2010</strong><br />
Online-Magazin des <strong>Münchner</strong> <strong>Forum</strong>s e.V.<br />
ISSN 1861-30<strong>04</strong><br />
Sehr geehrte Damen und Herren,<br />
58 Prozent der Deutschen haben ein Auto. Das sind mehr<br />
als 40 Millionen Pkw. Die Car-Sharing-Flotte bringt es in<br />
Deutschland an 2.200 Stationen erst auf 4.600 Fahrzeuge,<br />
also auf ein Zehntel Promille. Zwar wuchs diese Flotte letztes<br />
Jahr um fast 18 Prozent. Ein ernst zu nehmender Konkurrent<br />
zum Privat-Pkw ist sie damit aber noch nicht. Der Straßenverkehr<br />
hat die Entwicklung der Städte jedenfalls weiterhin<br />
voll im Griff und beschäftigt auch uns in dieser Ausgabe<br />
mit Berichten zum Hackenviertel, zur Anbindung der<br />
Die Sendlinger Straße erschießt das Hackenviertel. Meist ist sie zwar mit<br />
Autos verstellt. Aber es gibt Ausnahmen, wie das Bild zeigt. Foto: GBr<br />
Maxvorstadt an die Altstadt am Oskar-von-Miller-Ring (vgl.<br />
Bericht des Arbeitskreises Innenstadt auf S. 18) und zum<br />
Autobahn-Südring mit einer Stellungnahme des Arbeitskreises<br />
Südring des <strong>Münchner</strong> <strong>Forum</strong>s. Weiter in dieser<br />
Ausgabe: Das Kaufhaus Karstadt am Dom schließt – und<br />
was dann? Die Hertie-Kaufhäuser in Laim und Giesing werden<br />
bereits ersetzt. Der Flughafen braucht auch aus Umweltschutzgründen<br />
einen Fernbahnhof und dazu wohl einen<br />
Nordtunnel. Der sei aber gescheitert, erklärte Oberbürgermeister<br />
Ude in einem Appell für den Bau der 2. S-Bahn-<br />
Stammstrecke. Wenigstens die Olympiabewerbung 2018<br />
kommt voran. Mit zwei Beiträgen schließen wir unsere Berichtsrunde<br />
zu den Arbeitskreisen des <strong>Münchner</strong> <strong>Forum</strong>s<br />
ab. Wenn Sie mitwirken wollen, rufen Sie bitte kurz an.<br />
Mit freundlichen Grüßen<br />
Wolfgang Czisch,<br />
Vorsitzender des Programmausschusses<br />
Schellingstraße 65, 80799 München<br />
089 282076, www.muenchner-forum.de<br />
Redaktionsschluss dieser Ausgabe:<br />
25.3.<strong>2010</strong> Redaktion: Gernot Brauer<br />
INHALT:<br />
Karstadt am Dom wird 2011 abgerissen<br />
– und was dann?<br />
An der Alten Akademie darf kein<br />
Allerweltsbau entstehen 2<br />
Sendlinger Str. und Hackenviertel:<br />
Was „Hackenviertel“ bedeutet 5<br />
Hertie in Laim und in Giesing:<br />
Zügige Stadtreparatur, dennoch<br />
eine verschenkte Chance 7<br />
Schnellere Züge für die Umwelt:<br />
Warum Münchens Flughafen<br />
einen Fernbahnhof braucht 9<br />
Ude kämpft für 2. S-Bahn-Tunnel:<br />
Ude will klare Weichenstellung10<br />
Planungen für Autobahn-Südring:<br />
Im Mai soll es Klartext geben 11<br />
EUROCITIES Mobility <strong>Forum</strong>:<br />
Nur langfristige Mobilitätspläne<br />
bringen die Städte voran 14<br />
Ausstellung zum Wiederaufbau 16<br />
Münchens Olympische Spiele:<br />
Was 1966 den Ausschlag gab 16<br />
„München leuchtet! Noch immer?“<br />
„Kultur wird nicht am Hindukusch<br />
verteidigt“ 17<br />
<strong>Forum</strong>s-Arbeitskreise Bildung<br />
und Innenstadt 18<br />
Industrialisierung des Bauens 19<br />
Kurzmeldungen 19<br />
IMPRESSUM<br />
<strong>Münchner</strong> <strong>Forum</strong> e.V.<br />
Schellingstr. 65, 80799 München<br />
verantwortlich: U. Ammermann<br />
Wir verfolgen den Fortgang der von<br />
uns aufgegriffen Themen. Obiger Inhalt<br />
entspricht daher nicht zwingend dem<br />
Diskussionsstand in unseren Arbeitskreisen.<br />
Sie können Aussagen gern<br />
wörtlich oder sinngemäß zitieren, aber<br />
nur mit Quellenangabe. Falls Sie unsere<br />
Standpunkte nicht mehr erhalten<br />
oder Sie jemandem gerne zukommen<br />
lassen möchten, genügt ein Mail an<br />
info@muenchner-forum.de
Der hässliche Kasten von Karstadt am Dom wird 2011 abgerissen – und was dann?<br />
Gegenüber der Alten Akademie darf kein Allerweltsbau entstehen<br />
Das fünfzig Jahre alte ehemalige Neckermann-Kaufhaus, später unter dem Namen<br />
Oberpolliger am Dom und zuletzt als Karstadt am Dom durch die Karstadt-Muttergesellschaft<br />
Arcandor von der Bayerischen Bau- und Immobilen-Gruppe des Schörghuber-Konzerns<br />
gemietet, wird geschlossen und nächstes Jahr samt dem vom Altheimer<br />
Eck aus zugänglichen, wenig attraktiven Parkhaus abgerissen. Ein Architektenwettbewerb<br />
für eine Nachfolgebebauung läuft in Abstimmung mit der Stadt<br />
schon seit dem vergangenen Herbst. Hier, gegenüber der Alten Akademie, darf auf<br />
keinen Fall wieder ein Allerweltskasten entstehen.<br />
Der Mietvertrag für das Haus läuft zwar noch bis Ende <strong>2010</strong>. Schon am 10. November des vergangenen<br />
Jahres hatte der Arcandor-Insolvenzverwalter aber bekannt gegeben, dass Karstadt<br />
am Dom zu den Standorten gehört, die abgewickelt werden. Damit kann der Kaufhauskonzern<br />
auch früher aus den vertraglichen Bindungen heraus. An dieser 1a-Geschäftslage wird jedoch<br />
zügig ein Neubau entstehen. Nach der Neuplanung auf dem früheren Areal des Süddeutschen<br />
Verlags wird er die Attraktivität, Zugänglichkeit und Struktur des Hackenviertels weiter verändern.<br />
Das Areal von Karstadt am Dom (Bild Mitte rot umrandet) liegt an einer der sensibelsten Stellen der <strong>Münchner</strong> Fußgängerzone<br />
gegenüber der Alten Akademie (im Bild ganz oben) und ganz nahe am ehemaligen Hofstatt-Areal des Süddeutschen<br />
Verlages, das derzeit neu gestaltet wird (rechts unten rot umrandet). Die künftige Struktur des jetzigen Karstadt-<br />
Blocks wird wesentlich stärker als das Hofstatt-Gelände darüber mitbestimmen, wie attraktiv das Hackenviertel von der<br />
Fußgängerzone aus erschlossen wird. Bild: Google Earth, Markierungen: GBr<br />
Dass der Neckermann-Bau bald verschwindet, wird niemand bedauern. Der ungeschlachte Kasten<br />
ist sicherlich das hässlichste Bauwerk der gesamten <strong>Münchner</strong> Fußgängerzone. Auch das ungeliebte,<br />
weil äußerst enge Parkhaus wird niemand vermissen. Es steht ohnehin meist ziemlich leer.<br />
2
Um so wichtiger ist jedoch, was hier künftig geschieht. Eines ist klar: Hier, im Weichbild der Fußgängerzone,<br />
wird nicht wieder ein Kaufhaus errichtet. Die Ära dieser Konsumtempel ist wohl vorbei.<br />
Zeitgemäß sind stattdessen Bauten, wie sie in verschiedenen <strong>Münchner</strong> Stadtbezirken als<br />
Arcaden entstanden sind und noch entstehen: Passagen mit einer Vielzahl unterschiedlicher Geschäfte<br />
und Dienstleister unter einem Dach. Im Fall der <strong>Münchner</strong> Altstadt kommt hinzu, dass die<br />
Stadt bei Neubauten im Zentrum grundsätzlich ein Drittel der Flächen für Wohnungen genutzt sehen<br />
will. Wie man an der Hofstatt erleben kann, läuft das angesichts der Grundstückswerte auf<br />
hochpreisige City-Appartements hinaus.<br />
Ein Neubau an dieser sensiblen Stelle muss mit den historischen Bauten mithalten können<br />
Der bisherige Karstadt-Block zwischen Neuhauser Straße, Eisenmannstraße und Altheimer Eck<br />
muss zwei städtebauliche Grundvoraussetzungen erfüllen: In der gestalterischen Qualität muss<br />
er mit den historischen Bauten seiner Umgebung mithalten können, in erster Linie mit der Alten<br />
Akademie in der Neuhauser Straße, in zweiter Linie aber auch mit der klassizistischen St. Anna-<br />
(Damenstifts)-Kirche an der Kreuzung der Eisenmann-/Damenstiftstraße mit dem Altheimer Eck.<br />
Das ist die eine Voraussetzung. Die andere besteht in der Herausforderung, durch das künftige<br />
Gebäude das Hackenviertel besser als heute zu erschließen. Die langweilige Eisenmannstraße<br />
motiviert kaum einen Fußgänger, hier abzubiegen und das durchaus attraktive Viertel zwischen<br />
der Neuhauser Straße und dem Sendlinger Tor zu entdecken. Auch die zwei bisher angelegten<br />
Passagen zwischen der Kaufingerstraße und dem Hackenviertel haben das noch nicht bewirkt.<br />
Das Hackenviertel verdient diese Aufwertung aber.<br />
Wenn ein Neubau auf dem Schörghuber-Areal von Karstadt am Dom nicht wieder für Kaufhauszwecke<br />
ausgelegt wird, besteht auch keinerlei Anlass mehr, einheitliche, genormte Fassaden mit<br />
ebenso genormten Schaufensterfronten um fast den gesamten Block zu ziehen. Diese seinerzeit<br />
für Neckermann gewählte Lösung widerspricht dem historischen Zustand komplett. Hier haben einmal,<br />
wie das folgende Bild zeigt, verschiedenste Häuser gestanden, unterschiedlich hoch und ganz<br />
Auf dem heutigen Gelände von Karstadt am Dom haben vor dem 2. Weltkrieg an der Neuhauser Straße unter anderem<br />
die Pschorr-Bierhallen gestanden, flankiert von anderen Häusern. Quelle: <strong>Münchner</strong> Häuserbuch<br />
unterschiedlich gestaltet. Auch wenn man heute die Bauhöhen sicherlich angleichen würde, entsteht<br />
doch Gelegenheit, die über Generationen gewachsene Struktur des Blocks wieder sichtbar<br />
3
zu machen. Bei den absehbaren Gesamtkosten fällt dieser Aufwand nicht wesentlich ins Gewicht.<br />
Stadtbaurätin Elisabeth Merk spricht immer wieder einmal von der „Feinkörnigkeit“ der Altstadt,<br />
also davon, dass sie Vielfalt ausstrahlen soll, nicht Einheitlichkeit. Hier entsteht dazu eine Gelegenheit.<br />
Es ist traurig genug, dass diese Feinkörnigkeit beim Angerblock vollständig versäumt<br />
worden ist.<br />
Statt genormten Einheitsbreis ist hier ein Wiederaufbau der Vorkriegs-Fassaden denkbar<br />
Die Bayerische Bau- und Immobilien-Gruppe wird deshalb gut beraten sein, gerade hier auf gestalterische<br />
Vielfalt zu setzen. Denkbar ist, vor einer vielseitig nutzbaren inneren Arcaden-Struktur die<br />
historischen Gebäudeansichten, nach heutigen Erfordernissen aufgestockt, wieder entstehen zu<br />
lassen. Es wäre nicht das erste Mal, dass bereits abgerissene Gebäude zumindest als Fassaden<br />
wiederaufgebaut werden. Hier, gegenüber der Alten Akademie und gegenüber der St. Anna-Kirche<br />
des früheren Damenstifts, ist eine solche Rücksicht auf die Historie der Stadt nötig und angemessen.<br />
Da nicht erneut ein Kaufhaus geplant ist, entspricht dies auch der kommenden Gebäudestruktur.<br />
Und nicht zu vergessen: Eine historisch sensible Lösung werden die <strong>Münchner</strong> gern akzeptieren.<br />
Die Vorkriegs-Situation des heutigen Karstadt-Kaufhauses am Dom in der Eisenmannstraße m it vier Einzelgebäuden.<br />
Eine massive Attraktivitätssteigerung des Areals nicht nur an der Schauseite der Neuhauser, sondern<br />
auch an der Eisenmannstraße, liegt im wohlverstandenen Eigeninteresse der Bayerischen<br />
Bau- und Immobilien-Gruppe. Zusammen mit einer inneren Durchwegung sollte das dazu führen,<br />
Der heutige Karstadt-Block im Altheimer Eck vor dem Krieg.<br />
Bilder: <strong>Münchner</strong> Häuserbuch<br />
dass wesentlich mehr Menschen als heute<br />
den Weg aus der Neuhauser Straße ins Hackenviertel<br />
finden. Dazu müssen allerdings<br />
die Anlieger im Altheimer Eck ebenso wie<br />
die Stadtplanung darauf hin arbeiten, dass<br />
das Altheimer Eck nicht nur ein Schleichweg<br />
an der Fußgängerzone entlang und nicht<br />
nur eine Ver- und Entsorgungsstraße auf<br />
deren Rückseite ist, sondern wie die weiteren<br />
Straßen des Hackenviertels eine Gegend<br />
mit unverwechselbarer Qualität wird.<br />
Seit dem Ausbau der Fußgängerzone ist<br />
diese Straße ins Hintertreffen geraten. Der<br />
Neubau eines Erschließungs-Scharniers mitten im Zentrum des Zentrums muss Gelegenheit bieten,<br />
das Zusammenspiel von Kaufinger-/Neuhauser Straße und Hackenviertel neu auf den Prüfstand<br />
zu stellen. GBr<br />
4
Nächste Runde in der Endlosspirale um die Sendlinger Straße und das Hackenviertel:<br />
Erst jeder zweite weiß, was der Name Hackenviertel bedeutet<br />
Das Planungsreferat will in einer Studie klären lassen, wie das Potential des gleich<br />
einem Dornröschen im Abseits der <strong>Münchner</strong> Innenstadt schlummernden Hackenviertels<br />
geweckt werden kann. Dabei kann es auf langjährige Untersuchungen an<br />
der Universität Bayreuth zur Sendlinger Straße, der Innenstadt insgesamt und zum<br />
Hackenviertel zurückgreifen, die seit 1992 unter der Leitung von Prof. Dr. Rolf Monheim<br />
durchgeführt und von ihm veröffentlicht wurden. Dabei wurden umfangreiche<br />
Befragungen von Passanten und Einzelhändlern durchgeführt. Die jüngste Studie<br />
zum Hackenviertel zeigt: Dort steckt Potential. Man muss es nur nutzen.<br />
Auf über hundert eng beschriebenen Seiten und mit 69 Tabellen und 25 Abbildungen haben die<br />
Studenten von Professor Monheim 2006/07 mit Unterstützung des Bezirksausschusses Altstadt-<br />
Lehel - also mit Steuergeld - analysiert, was los ist im Hackenviertel. Der Ergebnisbericht wurde in<br />
München lange wie eine geheime Kommandosache behandelt. Dabei ist er, ebenso wie vorhergehende<br />
Studien, beim Geowissenschaftlichen Institut der Universität Bayreuth bestellbar (Arbeitsmaterialien<br />
zur Raumordnung und Raumplanung, Heft 257). Der jüngste Bericht fußt auf 400 Befragungen<br />
von Passanten und auf Auskünften von 95 Betrieben in diesem Viertel.<br />
Sie kennen das Hackenviertel zwischen Marienplatz, Stachus und Sendlinger Tor? Prima! Aber<br />
selbst gut 40 Prozent derer, die im Hackenviertel nach diesem Stadtquartier befragt wurden, verbanden<br />
mit diesem Namen überhaupt nichts. Ältere sind besser, junge Leute zwischen 16 und 25<br />
Jahren aber miserabel orientiert; von ihnen wusste nur jeder Zehnte, was das Wort Hackenviertel<br />
bedeutet, selbst wenn er sich dort befand. Eine Gruppe engagierter Geschäftsleute des Viertels<br />
versucht das mit einem Faltblatt unter dem Motto „Wo München noch münchnerisch ist“ (auch im<br />
Internet!) zu verbessern; dieses wird aber wohl zu selten und nicht im Verbund mit ihrer sonstigen<br />
Werbung eingesetzt, um den Namen ihres Viertels bekannter machen zu können (nur jeder<br />
zehnte Passant kennt die Initiative).<br />
Das Hackenviertel: kleinteilig, in vielfältiger Weise spezialisiert, mit gehobenen Preisen<br />
Das Hackenviertel hat noch immer eine kleinteilige Einzelhandelsstruktur. 2007 waren noch 83<br />
Prozent der Geschäftsleute selbstständig, führten also keine Kettenläden wie häufig in der Neuhauser/<br />
Kaufingerstraße. Jedes zehnte Geschäft arbeitete noch in eigenen Räumen. Gut zwei<br />
Drittel der Betriebe wirtschaften auf unter 100 Quadratmetern. 60 Prozent der Betriebe haben<br />
nicht mehr als drei Beschäftigte. Nur fünf Prozent von ihnen bilden auch aus. Fach- und Spezialgeschäfte<br />
prägen die Gegend; zwei Drittel der Sortimente gelten als „tief“. Das Preisniveau ist<br />
gehoben. Stammkunden machen zwei Drittel der Käuferschaft aus, überregionale und ausländische<br />
Touristen sind mit zwölf bzw. vier Prozent kaum von Bedeutung.<br />
Die Öffnungszeiten sind überraschend konservativ: Samstags abends um halb sieben beispielsweise<br />
hat nur noch jedes fünfte Geschäft des Hackenviertels geöffnet. Die Stammkunden kennen<br />
nach Aussage der Analyse aber die Öffnungszeiten und sind bereit, sich nach ihnen zu richten.<br />
Zwei Drittel der Kunden kommen mit dem ÖPNV, wobei die Haltestellen am Sendlinger Tor am<br />
wichtigsten sind. Mit dem Auto kommen nur 18 Prozent. Sie parken zu fast zwei Dritteln am Straßenrand,<br />
mit verheerenden Folgen für das Erscheinungsbild des öffentlichen Raumes. Die über<br />
1.400 nahe gelegenen Parkhausplätze nutzt nur knapp jeder Vierte. Dennoch haben 77 Prozent<br />
auf Anhieb einen Parkplatz gefunden.<br />
Die im Viertel Befragten kamen zu 42 Prozent hauptsächlich zum Einkaufen und zu je 21 Prozent<br />
für Freizeit bzw. Beruf. Drei Viertel hatten noch weitere Besuchszwecke: Ein weiteres Viertel Einkäufe,<br />
aber 59 Prozent Freizeitaktivitäten, vor allem Einkehren.<br />
5
Besonders vermissen die Geschäftsleute im Hackenviertel eine stärkere Durchgrünung<br />
Die Einzelhändler sehen einige Maßnahmen als nötig an, um das Hackenviertel noch attraktiver<br />
zu machen. Am wichtigsten ist ihnen eine stärkere Durchgrünung. 54 Prozent sind „sehr dafür“<br />
und weitere 29 Prozent „dafür“. Einem Mehr an kulturellen Veranstaltungen steht gut die Hälfte<br />
der Einzelhändler aufgeschlossen gegenüber. Einig sind sich fast alle Geschäftsleute (97 Prozent),<br />
dass das Hackenviertel mehr Profil entwickeln und dazu bekannter werden müsse. Auch<br />
zwei Drittel der Besucher sind dieser Meinung.<br />
Die Sendlinger Straße als autofreier Bummel-Boulevard? Das hat es schon gegeben,<br />
wie das Bild zeigt. Ob daraus eine Dauereinrichtung wird, ist immer noch offen.<br />
Foto: GBr<br />
Was ist unter dem<br />
Strich das Besondere<br />
des Hackenviertels?<br />
Für 40 Prozent der<br />
Händler, aber nur für<br />
halb so viele Passanten<br />
ist es der besondereEinzelhandelsbesatz.<br />
Den Altstadtcharme<br />
loben umgekehrt<br />
die Passanten<br />
doppelt so oft wie die<br />
Händler (28 zu 13 Prozent),<br />
auch städtebaulich<br />
Interessantes erwähnen<br />
sie viel häufiger<br />
(20 zu 8 Prozent).<br />
Die Passanten heben<br />
außerdem die relative<br />
Ruhe im Quartier hervor,<br />
was kein einziger<br />
Einzelhändler von sich<br />
aus erwähnte.<br />
Da innerstädtische Nebenlagen<br />
dem Trend<br />
zum Erlebnis- und Freizeiteinkauf<br />
unterliegen,<br />
heißt es in der Zusammenfassung,<br />
spielten<br />
Aufenthaltsqualität und<br />
Einkaufsambiente eine<br />
immer größere Rolle.<br />
Die Gestaltung des öffentlichen Raumes sei hierbei für die Aufenthaltsqualtät von zentraler Bedeutung.<br />
Hier bestünden „noch deutliche Defizite, besonders im Hinblick auf die Durchgrünung<br />
und die Straßen- und Gebäudebeleuchtung.“<br />
Der öffentliche Raum des Hackenviertels, also seine Straßen, könnten aufgewertet werden<br />
Die Aufenthaltsqualität wird nach der Studie „durch einen Mangel an Gastronomie mit Außensitzplätzen<br />
im zentralen Bereich beeinträchtigt.“ Durch eine Verkehrsberuhigung lasse sich der öffentliche<br />
Raum aufwerten; Parkplätze gebe es in den Parkhäusern genug. „Die so erreichte Steigerung<br />
der Aufenthaltsqualität würde sich positiv auf die Aufenthaltsdauer der Besucher innerhalb<br />
des Viertels auswirken. Überlegungen, Teile des Hackenviertels als Fußgängerzone bzw. als verkehrsberuhigte<br />
Bereiche umzugestalten, sollten bei diesem Aspekt mit in Betracht gezogen werden.“<br />
Es ist zu hoffen, dass das vom Planungsreferat angeschobene Projekt den Startschuss<br />
dafür gibt, die Stärken dieses Quartiers, „wo München noch münchnerisch ist“ zur Geltung zu<br />
bringen und seine Schwächen zu beheben. GBr<br />
6
In Laim und in Giesing werden die Hertie-Kaufhäuser durch Neubauten ersetzt:<br />
Zügige Stadtreparatur, aber trotzdem eine verschenkte Chance<br />
In Laim wird das seit dem Herbst geschlossene Hertie-Kaufhaus jetzt abgerissen. In<br />
einem Jahr soll direkt neben der Stadtteilbibliothek und unmittelbar vor dem künftigen<br />
Bürgerhaus ein neues Geschäftsgebäude mit zwei Büro- über drei Verkaufsetagen<br />
fertig werden. So gut es ist, dass die Hertie-Lücke schnell wieder geschlossen wird:<br />
Eine vernünftige Kooperation mit dem Bürgerhaus-Projekt hat die Stadt versäumt.<br />
Varianten des Laimer Kaufhausneubaus.<br />
Bilder: Bucher Properties<br />
Eine Schönheit ist das Hertie-Kaufhaus aus den 1970er Jahren<br />
(Bild links) nicht. Dass es verschwindet, wird in Laim nicht bedauert.<br />
Viel wichtiger ist, dass hier keine Bauruine entsteht wie bei<br />
der Laimer Filiale des schon in den 1980er Jahren aufgegebenen<br />
Modehauses Beck, die erst jetzt wieder nutzbar gemacht wird. Eine<br />
solche Interimsphase wird es nicht geben. Bieling und Partner<br />
Architekten haben den Wettbewerb um den Neubau gewonnen<br />
(zweites Bild in der Reihe links, darunter die unterlegenen Gegenentwürfe).<br />
Dieser Entwurf wird jetzt zügig realisiert. Das Kellergeschoss<br />
des alten Kaufhauses, das von einer Fußgängerunterführung<br />
unter der Fürstenrieder Straße direkt zugänglich war, soll erhalten<br />
bleiben und auch künftig wieder zur Einkaufsplattform werden.<br />
Darüber kommen zwei weitere Verkaufsetagen und darauf<br />
an der Seite zur Fürstenrieder Straße zwei Bürogeschosse. Wohnungen<br />
sind nicht vorgesehen. Das Grundstück ist als Kerngebiet<br />
ausgewiesen, so dass Wohnungen gar nicht zulässig sind. Eine<br />
Angleichung an die sonst in München praktizierten 30% Wohnanteil<br />
wollte die Stadt hier – ebenso wie in einem parallelen Fall in<br />
Giesing (siehe unten) – nicht einmal diskutieren. Ob in den Neubau<br />
ein Hauptmieter einzieht oder ob sich verschiedene Geschäfte<br />
die Verkaufsflächen teilen, ist noch offen. Allgemein wird erwartet,<br />
dass die Bürger verschiedene Sortimente in unterschiedlichen<br />
Geschäften vorfinden werden. Laim wird also eher ein kleines<br />
Einkaufszentrum als ein neues Kaufhaus bekommen.<br />
Hinter den Neubau soll das Laimer Bürgerhaus kommen<br />
Nicht einmal diskutiert hat die Stadt allerdings die Chance, diesen<br />
Einzelhandelsneubau mit einem kommunalen Projekt zu verknüpfen,<br />
das unmittelbar dahinter realisiert werden soll. Seit einer Generation<br />
warten die Laimer auf ein Bürgerhaus als Treffpunkt für<br />
die Bürger und ihre Vereine. Schon 1987 wurde zwar an der Fürstenrieder<br />
Straße der erste Teil eines Mehrzweckgebäudes<br />
errichtet. Die Stadtbibliothek und die Volkshochschule zogen dort<br />
ein. Auch die Meldestelle war zeitweilig in diesem Nachbargebäude<br />
des Hertie-Kaufhauses untergebracht. Sie wurde inzwischen<br />
aber nach Pasing verlegt. Ihre Räume wurden der Stadtbibliothek<br />
zugeschlagen. Auch der Bezirksausschuss sollte hier tagen. Das<br />
Bezirksinspektionsbüro und mit ihm auch das des Bezirksausschusses<br />
kamen dann aber ebenfalls ins Pasinger Rathaus. Seine<br />
Versammlungen hält der Bezirksausschuss im Laimer Alten-<br />
und Service-Zentrum ab. Einige Laimer Vereine sind in umliegende<br />
Stadtbezirke ausgewichen: Die Schützen nach Großhadern, die<br />
Trachtler ans Westkreuz. Der Faschingsclub hat im Alten- und<br />
Servicezentrum eine Bleibe gefunden. Der Historische Verein<br />
7
sucht nach wie vor einen Raum, in dem er seine Schätze trocken aufbewahren und Teile davon<br />
immer wieder einmal ausstellen könnte. Bislang lagern seine Bestände in einem privaten Keller.<br />
Hinter den Kaufhausneubau soll das Laimer Bürgerhaus kommen. Lässt sich kooperieren?<br />
Was tun? Hinter den Anwesen an der Fürstenrieder Straße gibt es zwei weitere Grundstücke in<br />
städtischer Hand. Auf dem einen betreibt das Schulreferat eine Kindertagesstätte. Das andere ist<br />
seit mehr als einer Generation eine grüne Wiese im Eigentum des Kommunalreferats. Seit Jahrzehnten<br />
wird gefordert, diese zwei Grundstücke und das des Mehrzweckgebäudes gemeinsam zu<br />
nutzen und hier ein Bürgerhaus zu errichten, wie es zuletzt in Milbertshofen und Trudering entstand.<br />
Aber nichts ist geschehen, sieht man von der Tatsache ab, dass die kommunalen Grundstückseigentümer<br />
wenigstens nicht so unabhängig voneinander arbeiteten, eines der Areale zu<br />
verkaufen – solche Ansinnen hatte es nämlich schon einmal gegeben.<br />
Mehr als den Staus quo zu erhalten, also die grüne Wiese grün bleiben zu lassen, ist vorerst nicht<br />
gelungen. Fragt man die Stadt, woran das liegt, lässt sich zwischen den Zeilen heraus hören, der<br />
Druck aus Laim sei nicht groß genug, andere Stadtbezirke wüssten vergleichbare Wünsche nachdrücklicher<br />
vorzutragen. Und in der Tat: Ehe der <strong>Münchner</strong> Stadtrat ein Bürgerhaus Laim beschließen<br />
könnte, bräuchte er für dessen Betrieb einen Trägerverein, etwa einen Verein der Laimer Vereine.<br />
Dazu hat sich das Häuflein Laimer, die da und dort organisiert sind, aber bisher nicht zusammenraufen<br />
können. Die meisten sind anderswo einigermaßen zufriedenstellend untergekommen.<br />
Die Kultur ist ins Laimer Interim abgewandert. Die Gruppierungen ohne dauerhaftes Laimer Quartier<br />
sind allein wohl zu schwach, um eine politische Macht darstellen zu können.<br />
Einem „integrativen Kristallisationspunkt“ hat Oberbürgermeister Christian Ude zwar schon einmal<br />
grundsätzlich zugestimmt. Aber um aus wohlklingenden Absichtserklärungen harte politische Beschlüsse<br />
werden zu lassen, fehlte lange der kontinuierliche Druck aus Laim auf die Stadt.<br />
Eine städtebaulich nicht uninteressante Chance wird in Laim erst einmal leider vertan.<br />
Intern lief die Planung für ein Laimer Bürgerzentrum jedoch weiter. Letztes Jahr sollte ein Gutachten<br />
ermitteln, ob die Lärmbelastung einer Tiefgarageneinfahrt für das Bürgerhaus in der rückwärtigen<br />
Hogenbergstraße den dortigen Anwohnern zumutbar sei. Dieses Jahr soll nun der Stadtrat entscheiden,<br />
ob und wie dort in einem zweistöckig geplanten Bau neben einer zu vergrößernden Kin-<br />
dertagesstätte auch ein Bürgersaal und Räume für Vereine entstehen. Das ist in sich alles logisch<br />
Die Laimer Stadtteilbibliothek (Bild Mitte), links daneben das abzureißende Kaufhaus<br />
Hertie, im Hintergrund die Wiese für das künftige Bürgerhaus. Bild: Bucher Properties<br />
– fragt sich nur, warum die<br />
Stadt nicht versucht hat, mit<br />
den Kaufhaus-Bauherren<br />
gemeinsame Sache zu machen.<br />
Die müssen nämlich<br />
zwei Parketagen mit je 30<br />
Stellplätzen nachweisen.<br />
Abends, wenn das Bürgerhaus<br />
voll ist, stehen sie leer.<br />
Auch die Zufahrt hätte sich<br />
elegant lösen lassen. Aber<br />
die Stadt hat die Kaufhaus-<br />
Unternehmer hierauf nicht<br />
einmal angesprochen. Die<br />
waren darüber froh. Denn<br />
allein sind sie schneller.<br />
So wird in Laim eine städtebaulich nicht uninteressante Chance leider vertan. In Giesing, wo der<br />
selbe Investor plant, wurde im März der Wettbewerb für den Ersatz des dortigen noch hässlicheren<br />
Hertie-Kaufhauses ebenfalls durch einen Neubau entschieden. Dort sollen die Abbrucharbeiten am<br />
Altbau nach der Sommerpause beginnen. GBr<br />
8
Schnellere Züge führen zu drastisch weniger Flugbewegungen – die Umwelt gewinnt:<br />
Warum Münchens Flughafen auch einen Fernbahnhof braucht<br />
Bessere Zugverbindungen verändern den Einzugsbereich von Flughäfen drastisch.<br />
Auf Airports mit Fernbahnanschluss sind parallele Kurzstreckenflüge nicht mehr<br />
attraktiv. Wer es mit dem Umweltschutz auch in München ernst meint, muss sich<br />
daher darum kümmern, dass der Flughafen München einen ICE-Bahnhof bekommt.<br />
Stuttgart ist von Frankfurt und von München<br />
per Bahn ungefähr gleich weit entfernt. Die<br />
Zugfahrt von Stuttgart zum Frankfurter Flughafen<br />
dauert 71 Minuten, zum <strong>Münchner</strong> dagegen<br />
185 (Abb. links). Das Durchschnittstempo auf<br />
der Schienenverbindung Stuttgart – Frankfurt<br />
Flughafen beträgt 127 km/h, auf dem Gleis zum<br />
Flughafen München gerade einmal 65 km/h,<br />
nicht zuletzt wegen der langsamen Flughafen-<br />
S-Bahn. Dass eine Anreise aus Stuttgart zum<br />
<strong>Münchner</strong> Flughafen nicht attraktiv ist, ist also<br />
kein Wunder. Dabei haben die Fluggesellschaften<br />
längst eingesehen, dass „rail and fly“ vernünftig<br />
ist. Die Deutsche Bahn und die Lufthansa<br />
kooperieren bundesweit. China Airlines,<br />
China Southern, EVA und Martinair bieten dieses<br />
Kombiticket sogar zwischen Frankfurt und<br />
Amsterdam an.<br />
Zwischen Frankfurt und Köln hat es noch vor<br />
einigen Jahren einen lebhaften Flugverkehr gegeben.<br />
Wie er sich seit der Eröffnung der ICE-<br />
Neubaustrecke zwischen beiden Städten entwickelt<br />
hat, zeigt die Grafik links: Seit 2008 gibt<br />
es auf dieser Strecke kein Flugangebot mehr.<br />
Der Zug hat dort das Fliegen erledigt. Ähnliche<br />
Entwicklungen gibt es im Städtedreieck Paris –<br />
Brüssel – London, seit der Eurostar fährt. Zwischen<br />
Paris und London hat sich der Flugverkehr<br />
binnen eines Jahres halbiert. Besonders<br />
drastisch zeigt sich dieser Wandel auf der noch<br />
vor wenigen Jahren weltweit am stärksten frequentierten<br />
Flugstrecke Barcelona – Madrid.<br />
Auch zwischen diesen beiden immerhin rund<br />
500 km voneinander entfernten Städten gibt es<br />
mittlerweile eine schnelle Zugverbindung. Ihr<br />
Erfolg war so durchschlagend, dass der Anteil<br />
der Flugpassagiere mit 18 Prozent heute nur<br />
noch ein Randphänomen ist. Der Hauptgrund:<br />
Die Zugfahrt mit der Renfe dauert alles in allem kaum länger, wie der Vergleich oben zeigt. Leistungsfähige<br />
Flughafen-Fernbahnhöfe sind also in Verbindung mit Neubaustrecken ein drastisch<br />
wirksames Umweltschutzargument. In München allerdings scheint das nicht zu gelten. Alle Fernbahn-Planungen<br />
mit Ausnahme der Nordtunnel-Idee lassen den Flughafen abseits liegen. Die<br />
sogenannte Pasinger Kurve ließe den <strong>Münchner</strong> Hauptbahnhof aus – für Fernzüge indiskutabel.<br />
Der Nordtunnel darf deshalb nicht nur unter städtischen und regionalen Gesichtspunkten diskutiert<br />
werden. GBr<br />
9
Oberbürgermeister Christian Ude kämpft weiter für die 2. S-Bahn-Stammstrecke:<br />
OB Ude fordert „eine klare und endgültige Weichenstellung“<br />
In einem eindringlichen Appell an die bayerischen Landtagsfraktionen forderte<br />
Münchens Oberbürgermeister Christian Ude am 8. März „eine klare und endgültige<br />
Weichenstellung für den Ausbau des S-Bahn-Systems mit einem zweiten S-Bahn-<br />
Tunnel und einer verbesserten Flughafenanbindung auf der Osttrasse“.<br />
Diese „Schicksalsfrage für die <strong>Münchner</strong> Region“ dürfe nicht länger „verzögert, vertagt und verschleppt“<br />
werden, es brauche auch keine weiteren Gutachten, „da bereits eindeutig bewiesen ist,<br />
dass es keine realisierbare Alternative gibt“. Zur Bedeutung des Vorhabens sagte OB Ude, es<br />
gehe hier nicht „um irgendein Steckenpferd für Hobbyplaner“, sondern um die Leistungsfähigkeit<br />
des gesamten <strong>Münchner</strong> S-Bahn-Systems, „das im Jahr knapp 270 Millionen Fahrgäste befördert<br />
und mit dem Nadelöhr der Stammstrecke immer öfter an seine Grenzen stößt“. Den Gegnern der<br />
2. S-Bahn-Stammstrecke warf der <strong>Münchner</strong> Oberbürgermeister, der auch Vorsitzender des MVV<br />
und des Regionalen Planungsverbandes ist, vor, sie hätten nichts zu bieten „außer Genörgel an<br />
Gutachten, die sie selbst gefordert, beschlossen und für entscheidungserheblich erklärt haben“.<br />
In ihnen sei bewiesen worden, dass es in absehbarer Zukunft weder zum teureren und unwirtschaftlicheren<br />
Vollausbau des Südrings kommen werde, noch zum Nord-Tunnel, der in seiner<br />
ursprünglichen Variante fast vier Milliarden Euro kosten würde und auch in seiner „Light-Version“<br />
wegen Unwirtschaftlichkeit nicht staatlich gefördert werden könnte. „An diesem Ergebnis“, so<br />
Ude, „führt kein Weg vorbei, der Vollausbau des Südrings ist ebenso endgültig gescheitert wie<br />
alle Varianten des Nord-Tunnels, und zwar aufgrund der Gutachten, die von den Kritikern der<br />
zweiten Röhre als „unverzichtbare letzte Erkenntnisquelle“ durchgesetzt worden seien.<br />
Damit werde die „Dramatik dieser Wochen“ klar: „Es gibt in Wahrheit kein Ringen um die bessere<br />
Lösung mehr, sondern nur noch die Frage, ob die einzige förderungsfähige Lösung jetzt endlich –<br />
mit über zehnjähriger Verspätung – in Angriff genommen wird oder ob der Freistaat Bayern seine<br />
vermutlich letzte Chance vertrödelt, die S-Bahn als verkehrliches und damit auch wirtschaftliches<br />
Rückgrat seiner wichtigsten Region zukunftstauglich zu gestalten. Parteipolitik“, stellte der OB klar,<br />
könne ihm „in dieser Frage niemand unterstellen, denn ich unterstütze ja ein Vorhaben des Freistaats<br />
Bayern, das die anfangs noch allein regierende CSU über ein Jahrzehnt lang versprochen<br />
hat.“ Er unterstütze ohne Wenn und Aber die Absicht Horst Seehofers (CSU), dem Kabinett den<br />
2. S-Bahn-Tunnel und die Osttrasse zum Flughafen zur Entscheidung vorzulegen, und er befürworte<br />
die Initiative Manfred Zeils (FDP), als Verkehrsminister eine Beschlussvorlage einzubringen.<br />
Bundesmittel werden knapp, sagte Ude – Verzögerungen würden München zurückwerfen<br />
Seit einigen Tagen wisse man, sagte Ude, wie knapp die Gelder für Verkehrsprojekte bundesweit<br />
geworden seien. „Jede weitere Irritation und Verzögerung würde Bayern noch mehr zurückwerfen<br />
und auf ihre Initiatoren als Verantwortung für künftige S-Bahn-Probleme zurückfallen.“ Die Verantwortung,<br />
durch weiteres Zögern und Zaudern, Verschleppen und Verhindern an einem künftigen<br />
Kollaps des S-Bahn-Systems, am Zorn der Pendler und am erneuten Anwachsen des Autoverkehrs<br />
in der Region schuld zu sein, könne auch Mitglieder des <strong>Münchner</strong> Stadtrats treffen, die<br />
eine ablehnende Stellungnahme herbeiführen wollen. Ude wörtlich: „Der Stadtrat ist für die Entwicklung<br />
des S-Bahn-Verkehrs gar nicht zuständig und auch nicht in der Lage, irgendeine Lösung<br />
gegen den Aufgabenträger Freistaat Bayern und den Betreiber Bahn durchzusetzen, er kann aber<br />
mit einer negativen Stellungnahme den fatalen Eindruck erwecken, in München bestehe kein<br />
Handlungsbedarf. Dies könnten 15 Bundesländer zum Anlass nehmen, die Dringlichkeit des S-<br />
Bahn-Ausbaus in München zu bestreiten und die spärlicher werdenden Mittel des Bundes in andere<br />
Bundesländer und Regionen zu lenken. Sollte dies geschehen, wird die endgültige Verhinderung<br />
der S-Bahn-Ertüchtigung, die Herbeiführung unlösbarer S-Bahn-Probleme und die Zunahme<br />
des Autoverkehrs mit allen seinen Belastungen tatsächlich zu einem zentralen parteipolitischen<br />
Thema werden, was es zur Zeit dank der fachlichen Übereinstimmung über viele Parteigrenzen<br />
hinweg zum Glück noch nicht ist.“<br />
10
MVV: „Der 15-Minuten-Takt bringt mehr als der gemischte 20- und 10-Minuten-Takt“<br />
Wie lassen sich die hohen Kosten für den S-Bahn-Südring erklären, hatten die Grünen-Stadträte<br />
Paul Bickelbacher und Sabine Nallinger im Dezember gefragt. Das Planungsreferat antwortete am<br />
5. März in der Rathaus-Umschau mit einer ausführlichen Stellungnahme auf der Basis von Auskünften<br />
der Deutschen Bahn. Der MVV teilte aus diesem Anlass mit, der 15-Minuten-S-Bahn-Takt<br />
mit zusätzlichen Express-S-Bahnen schaffe für den gesamten öffentlichen Verkehr in der Metropolregion<br />
einen Attraktivitätsschub. Mit dem neuen Taktmodell profitiere der öffentliche Verkehr<br />
unabhängig von der Entscheidung für einen 2. S-Bahn-Tunnel oder den S-Bahn-Südring am deutlichsten,<br />
und zwar auch im Vergleich zum 20-Minuten-Takt mit Verdichtung zum 10-Minuten-Takt<br />
zu den Hauptverkehrszeiten auf ausgewählten Linien. Die größten Effekte erziele eine Kombination<br />
des zweiten S-Bahn-Tunnels und des 15-Minuten-S-Bahn-Takts mit zusätzlichen Express-S-<br />
Bahnen. Der MVV wörtlich: „In der Hauptverkehrszeit entfallen für 14 Stationen mit schwächerem<br />
Fahrgastaufkommen der 10- Minuten-Takt bzw. die einzelnen im 10-Minuten-Takt verkehrenden<br />
Verstärkerfahrten. Dafür wird ganztägig der 15-Minuten-Takt angeboten. Die Anzahl der Halte pro<br />
Tag bleibt jedoch auch an diesen Stationen unverändert. An 9 Stationen (z. B. Haar und Trudering)<br />
wird der 10-Minuten-Takt bzw. die einzelnen im 10-Minuten-Takt verkehrenden Verstärkerfahrten<br />
in der Hauptverkehrszeit durch einen 15-Minuten-Takt plus ganztägige Express-S-Bahnen<br />
im Halbstundentakt ersetzt. Daraus resultieren für diese Stationen 6 Halte pro Stunde und<br />
damit eine deutliche Angebotsverbesserung. Weitere 7 Stationen im Außenbereich erhalten ganztägig<br />
einen Halt der Express-S-Bahn in einem gut merkbaren 30-Minuten-Takt und profitieren damit<br />
von schnellen Fahrzeiten nach München.“ Sechs Stationen, nämlich Rosenheimer Platz, Isartor,<br />
Karlsplatz, Hackerbrücke, Donnersbergerbrücke und Hirschgarten werden künftig ausschließlich<br />
durch die vorhandene Stammstrecke erschlossen. Die Fahrgastzahlen zeigen nach MVV-Ansicht<br />
deutlich, dass die Mehrheit der Fahrgäste (über 70%) „den auch weiterhin direkt erreichbaren<br />
Bereich zwischen Hauptbahnhof und Marienhof sowie Pasing, Laim und Ostbahnhof als Ziel<br />
hat.“ Zudem könne man in Laim künftig bahnsteiggleich umsteigen. GBr<br />
Planungen für den Autobahn-Südring von Gräfelfing bis Taufkirchen gehen weiter:<br />
Im Mai soll es Klartext zum geplanten Autobahn-Südring geben<br />
Die Autobahndirektion Südbayern und die Oberste Baubehörde im Bayerischen Innenministerium<br />
wollen binnen zwei Monaten mitteilen, was sie von den Plänen für<br />
einen <strong>Münchner</strong> Autobahn-Südring zwischen Gräfelfing und Taufkirchen halten.<br />
Eine Vorentscheidung sieht die Oberste Baubehörde in dieser Terminfestsetzung<br />
nicht; die Empfehlung werde mit „offenem Ausgang“ erarbeitet. Im Klartext heißt<br />
das: Ein Ja zum künftigen Südring ist ebenso möglich wie ein grundsätzliches Nein.<br />
95 Planvarianten hat die Behörde anfänglich begutachtet, dann 18 in die engere Wahl genommen<br />
und schließlich vier Trassen mit in der Regel jeweils zwei Varianten gegeneinander gestellt<br />
(vgl. Plan auf der nächsten Seite): Eine Variante A fast am Stadtrand mit einem annähernd zehn<br />
Kilometer langen Tunnel unter Hadern und Giesing hindurch ohne Verknüpfung mit der Garmischer<br />
Autobahn, zwei Varianten B unter Krailling hindurch, an Neuried vorbei und dann unterschiedlich<br />
weit von München entfernt weiter nach Osten, zwei Varianten C, die weiter nach Süden ausgreifen<br />
und Geiselgasteig entweder unterfahren oder umrunden sowie schließlich zwei Varianten D,<br />
die besonders weit von München entfernt südlich von Baierbrunn und Strasslach verlaufen sollen.<br />
Die für den Verkehr attraktivste Variante ist nach Auskunft von Ministerialdirigent Karl Wiebel von<br />
der Obersten Baubehörde eine der Varianten B; sie soll bis zu 70.000 Fahrzeuge täglich bewältigen.<br />
Der stadtnahe Tunnel A hätte nur 45.000 Autos aufzunehmen, Variante C rund 50.000, D etwa<br />
40.000. Zum Vergleich: Der Autobahn-Ostring soll bis 2025 an Spitzentagen bis zu 160.000 Autos<br />
verkraften. Gäbe es dann den Südring, würde diese Belastung nur um etwa 13.000 Fahrzeuge<br />
abnehmen. Der Mittlere Ring durch Sendling und Giesing würde um etwa 17.000 Autos entlastet.<br />
11
Die Planvarianten A bis D sind hier eingezeichnet. Möglich ist auch noch eine Variante E, nämlich gar nichts zu tun.<br />
Sehr unterschiedlich sind die voraussichtlichen Kosten. Die ebenerdige Trasse C8/2 um Krailling<br />
und um Grünwald herum ist für geschätzt 400 Millionen Euro zu haben, Trassen mit Tunneln erfordern<br />
leicht das Dreifache; ihre Kosten summieren sich je nach Tunnellänge auf bis zu 1,4 Milliarden<br />
Euro. Umwelttechnisch betrachtet funktioniert die Relation anders herum: Die ebenerdige<br />
Trasse ist am lautesten und stört die Landschaft am meisten, lange Tunnels dagegen fallen, wenn<br />
sie fertig sind, kaum noch auf. Bezieht man die geschätzten Baukosten auf den durch Verkehr zu<br />
erzielenden Nutzen, fallen die Varianten D voraussichtlich heraus, sie sind kaum noch rentabel.<br />
Variante A würde nur München entlasten, das Umland aber gar nicht einbinden, und hat deshalb<br />
nur sehr begrenzte Chancen. Welche der B- und C-Varianten die Behörden im Mai empfehlen<br />
werden, ist noch nicht absehbar. Denn auch wenn die Alternativen hinsichtlich einzelner Bezugsgrößen<br />
schon gut verglichen sind: Wie soll man die Raumerschließung relativ zu den Kosten und<br />
sie relativ zu den Umweltargumenten gewichten? Eine solche abgewogene Rangordnung ist sehr<br />
komplex. Sie wird derzeit erarbeitet. Dabei fließt auch eine Sensitivitätsanalyse ein, was bedeutet,<br />
dass man mit darstellen will, was geschieht, wenn man eines der Argumente als wichtiger<br />
oder weniger bedeutsam gewichtet. Alle anderen Parameter verschieben sich dann nämlich mit.<br />
Noch ist auch möglich, dass keine der Varianten die Prüfung besteht, dass also die Kosten von<br />
leicht über einer Milliarde Euro für eine halbwegs umweltverträgliche, also mit Tunneln zu versehende<br />
Lösung für den durchaus begrenzten Nutzen von maximal 70.000 Fahrzeugbewegungen<br />
in 24 Stunden als zu hoch eingestuft werden. In einer Präsentation der Verkehrswissenschaftlichen<br />
Gesellschaft in der IHK München und Oberbayern erinnerte Wiebel am 9. März daran, dass<br />
der Südring schon mehrfach in den Fernverkehrsplan aufgenommen und wieder herausgenommen<br />
worden ist. In den 1960er und 70er Jahren war er drin, 1980 fiel er aus Umweltschutzgründen heraus.<br />
2002 wurde der Auftrag zu einer Machbarkeitsstudie erteilt, 20<strong>04</strong> der Südring aus der Fernverkehrsplanung<br />
aber wieder gestrichen. Wie realistisch die Planung also tatsächlich ist, wird man<br />
noch bis Mai abwarten müssen. Dann wird die Behörde eine Planungsempfehlung abgeben. Sie<br />
bindet allerdings niemanden. Autobahnen sind Bundesfernstraßen. Was geschieht, entscheidet<br />
sich also – vielleicht – in Berlin. GBr<br />
12
Das <strong>Münchner</strong> <strong>Forum</strong> sagt zum A99-Südring: Er brächte mehr Schaden als Nutzen<br />
München und sein Alpenvorland: Eine zu schützende Einheit<br />
Der Arbeitskreis Autobahnsüdring des <strong>Münchner</strong> <strong>Forum</strong>s hat im März die Überlegungen<br />
zum Autobahn-Südring erörtert. Hier seine Stellungnahme:<br />
Die natürlichen Freiräume speziell im Süden des <strong>Münchner</strong> Siedlungsraums sind wertvolle Güter.<br />
Sie sind zu erhalten. Gründe:<br />
1. München und sein Alpenvorland bilden eine Einheit. Der Freiraum im <strong>Münchner</strong> Süden bis zu<br />
den Alpen, das Isartal und der Forstenrieder Park sind unverzichtbare Bestandteile der <strong>Münchner</strong><br />
Identität, und dies ebenso im Selbstverständnis der Bürger wie in der Außenwahrnehmung<br />
besonders durch den Fremdenverkehr.<br />
2. München und die in der Stadt ansässigen Firmen / Organisationen werben mit diesen landschaftlichen<br />
Standortvorteilen erfolgreich um hochqualifizierte Arbeitskräfte. München als Wissens-<br />
und Wissenschaftsstadt lebt von dieser Attraktivität. Dazu müssen diese Vorteile erhalten<br />
bleiben.<br />
3. Der Landschaftsraum südlich von München ist das Naherholungsgebiet einer Millionenstadt.<br />
Es darf weder zusätzlich zerschnitten noch verlärmt werden.<br />
4. Die Wälder südlich von München sind für die Stadt eine Frischluftquelle. Besonders im Sommer<br />
gleichen die hier erzeugten und gespeicherten kühleren Luftmassen die Aufheizung der<br />
Stadt aus. Angesichts des Klimawandels wird diese Bedeutung noch steigen. Auch dazu muss<br />
der Wald möglichst unzerschnitten erhalten bleiben.<br />
Weitere Aufsiedlungen im <strong>Münchner</strong> Süden kann die Erholungslandschaft nicht brauchen<br />
Ein südlicher Autobahnring würde diesen als Wohn- und Gewerbestandort bisher weniger entwickelten<br />
Raum stark erschließen. Folgen:<br />
1. München verfolgt eine Politik der Innenentwicklung, um Freiflächen zu schonen. Diese Politik<br />
würde konterkariert, wenn im gesuchten Landschaftsraum zwischen München und dem Fünfseenland<br />
massive Erschließungen stattfänden. Der Autobahnring würde sie fördern.<br />
2. Das <strong>Münchner</strong> Umland hat trotz einer Politik der <strong>Münchner</strong> Innenwicklung eine massive Aufsiedlung<br />
hinnehmen müssen. Eine weitere erhebliche Siedlungstätigkeit ist vorhersehbar. Sie<br />
soll jedoch im Wesentlichen nach Westen/ Norden/ Osten erfolgen.<br />
3. Der Autobahnring und seine Verknüpfungen würden diese Aufsiedlung auch nach Süden aber<br />
stark fördern. Verknüpfungen des Südrings mit regionalen Straßen würden besonders bei Gewerbeansiedlungen<br />
eine Fehlentwicklung hervorrufen.<br />
4. Die autobahnmäßige Anbindung der A95 an das deutsche Autobahnnetz würde den Ausbaudruck<br />
auf die Fernverbindung Garmisch-Partenkirchen – Innsbruck so stark erhöhen, dass<br />
auch dort über kurz oder lang eine Autobahn erforderlich würde. Die Erholungsqualität des<br />
Garmischer Alpenraums würde darunter massiv leiden. Die Strecke würde nämlich zur kürzesten<br />
transeuropäischen Verbindung von Norwegen nach Italien und entsprechend belastet.<br />
Eine Schließung des Fernstraßenrings widerspricht im übrigen dem Ziel, in erster Linie auf eine<br />
weitere Ertüchtigung des Schienenverkehrs zu setzen. Die Finanzierung des Schienenausbaus<br />
benötigt Priorität. Die ggf. vorhandenen finanziellen Mittel sollten den transeuropäischen Gleisstrecken<br />
Berlin-München-Brenner-Rom und Paris-München-Wien-Bratislava/Budapest sowie dem<br />
Ausbau des Gleisnetzes rund um München zugute kommen.<br />
Eindeutig gegen den Autobahn-Südring votierten bereits die 14 südlichen Umlandgemeinden. In<br />
einem Brief an die Autobahndirektion Südbayern, den auch Ministerpräsident Horst Seehofer und<br />
andere Politiker erhielten, hieß es am 24. Februar: „Wir lehnen eine Autobahn A99 Süd in jeder<br />
Variante, auch in Teilabschnitten, geschlossen ab.“ GBr<br />
13
EUROCITIES Mobility <strong>Forum</strong> fragte in München nach der Finanzierung des ÖPNV:<br />
Nur mit langfristigen Mobilitätsplänen kommen die Städte voran<br />
Mobilitätspläne enthalten zwar auch Aussagen zum Straßen- und Schienenverkehr.<br />
Aber sie sind weitaus grundlegendere Verabredungen über die Entwicklung einer<br />
Stadt oder einer Region im Zeitraum einer Generation: Wo werden Menschen wie<br />
wohnen, wo arbeiten, wozu pendeln (falls sie etwa von zuhause aus arbeiten können),<br />
wozu wie oft ins Zentrum ihrer Stadt fahren wollen, was dort tun, was erleben wollen?<br />
Welche Erwartungen haben sie an ihr urbanes Lebensumfeld? Was ist das für sie<br />
überhaupt: Urbanität? Einige Politiker machen sich dafür stark, die EU und die Bundesrepublik<br />
sollten Infrastrukturprojekte künftig nur noch mitfinanzieren, wenn solche<br />
Fragen in Kommunen systematisch gestellt und gesamthaft beantwortet werden.<br />
Das zeigte sich auf einem EUROCITIES Mobility <strong>Forum</strong> vom 2. bis 4. März im Verkehrszentrum<br />
des Deutschen Museums und in der MVG. Projektfinanzierungen erfolgen bisher nach dem deutschen<br />
Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz, aus dem München noch seinen 2. S-Bahn-Tunnel<br />
weitgehend bezahlt haben möchte. Insgesamt hat die Bundesrepublik aus diesem Topf jährlich fast<br />
1,7 Milliarden Euro (das sind die Gesamtkosten der zweiten <strong>Münchner</strong> Stammstrecke pro Jahr)<br />
aus dem Mineralölsteueraufkommen umverteilt – auch wenn die Finanzierung vieler Verkehrsprojekte<br />
schlussendlich aus so vielen Untertöpfen erfolgt, dass Prof. Martin Haag von der Universität<br />
Karlsruhe nur mehr von „Spaghetti-Finanzierungen“ spricht. Das Gesetz läuft nach gut einer Generation<br />
2019 aus. Ob es einen Nachfolger geben wird, weiß heute noch niemand. Haag plädierte<br />
in München dafür, dass simple Projektfinanzierungen nicht mehr möglich sein sollten, wenn Projekte<br />
nicht aus einem übergreifenden Mobilitätsplan heraus entwickelt werden. Ein solcher Plan<br />
müsse den Individual- und den öffentlichen Verkehr ebenso wie den Landverbrauch ins Visier nehmen<br />
und grundsätzlich Strukturen entwickeln, nicht nur Projekte. Haag zufolge sollten nicht mehr<br />
die Kommunen für sich planen, sondern die Regionen; sie sollten auch Bedarfsträger sein. Längst<br />
sei erwiesen, sagte Haag auf dem Mobility <strong>Forum</strong>, dass in urbanen Regionen gerade der öffentliche<br />
Personennahverkehr die Lebensqualität steigere. Förderfähig sollten seiner Ansicht nach künftig<br />
nur noch Konzepte multimodaler Mobilität sein, also solche, in denen neben „freier Bahn für freie<br />
Bürger“ auch Park+Ride und Schiene, Rad- und Fußwege, Leihautos und Leihfahrräder ebenso<br />
bedacht werden wie die Welt aus dem Blickwinkel hinter dem Steuer des Automobils.<br />
Das sieht MdEP Michael Cramer genauso. More money, sagte er mit Blick auf Begehrlichkeiten<br />
der Länder und Kommunen an Brüsseler Finanzierungstöpfe, führe bislang nur zu more nonsense.<br />
90 Prozent aller Pkw-Fahrten seien noch immer kürzer als sechs Kilometer – das zeige schlagend,<br />
dass das Fahrrad und der ÖPNV noch Entwicklungen vor sich haben. Cramer war sich mit Sir Albert<br />
Bore vom Committee of the Regions einig, der es strikt ablehnte, für irgend welche lediglich<br />
projektgetriebene Förderanträge überhaupt noch Geld aus Brüssel zu geben. Das verlängere nur<br />
eine Fehlentwicklung, aufgrund derer die öffentliche Hand im Straßenbau und mit zahllosen anderen<br />
Maßnahmen jedes Auto jedes Jahr mit 3.000 Euro subventioniert. Das EU-Projekt CIVITAS<br />
solle deshalb nicht fortgesetzt werden. Nur übergreifende Mobilitätspläne über den Zeitraum einer<br />
Generation verdienten eine ernsthafte Prüfung.<br />
Dass intermodale Konzepte erstaunlich schnell greifen können, zeigt etwa Paris, wo schon 20.000<br />
Leihfahrräder in Betrieb sind (wir berichteten). London will diesen Sommer die ersten 6.000 Leihräder<br />
aufstellen, kündigte Ian Catlow auf dem Mobility <strong>Forum</strong> an. Der Anteil des Radverkehrs soll<br />
in der britischen Hauptstadt trotzdem auch langfristig nur von jetzt zwei auf dann fünf Prozent steigen.<br />
Das 1.600 Quadratkilometer große Greater London, heute schon eine Agglomeration von<br />
7,6 Millionen Menschen, dürfte in den nächsten 20 Jahren um weitere 1,3 Millionen Einwohner<br />
wachsen. Trotzdem wird dort erst jetzt die erste Durchmesser-Bahnlinie geschaffen, Crossrail<br />
genannt und mit kalkulierten 15,9 Milliarden rund zehnmal so teuer wie Münchens projektierter<br />
zweiter S-Bahn-Tunnel. Crossrail soll die Londoner ÖPNV-Kapazität um zehn Prozent steigern<br />
14
und das dortige Netz dann mehr Seit Februar 2003 wird in der Londoner Innenstadt für Kraftfahrzeuge<br />
als 20 Millionen tägliche Fahrten eine Citymaut erhoben. Hier die Folgen:<br />
verkraften. Noch deutlich massi- Pro<br />
ver war die Steigerung im Lon- 21 Prozent weniger Autos<br />
doner Busverkehr: Dessen Zu- 30 Prozent weniger Stau in den<br />
spruch stieg in wenigen Jahren ersten zwei Jahren<br />
Contra<br />
Die Maut summiert sich auf bis zu<br />
3.000 Euro im Jahr; das führt<br />
zum Sterben kleiner Geschäfte<br />
um glatt die Hälfte. Ein wesentli- 29.000 zusätzliche Fahrgäste in Das Fahrtempo stieg nur um 1,5 %<br />
cher Grund war die Citymaut. den Bussen, kaum Verände- Neue Baustellen sind die Ursache<br />
Sie war 2003 mit fünf Pfund pro rungen bei der U-Bahn neuerlicher Autostaus<br />
Pkw + Tag eingeführt worden,<br />
stieg 2005 auf acht Pfund und<br />
beträgt jetzt schon fast zehn<br />
Pfund täglich. Das bringt der<br />
16 Prozent weniger CO2<br />
8 Prozent weniger Stickoxid<br />
7 Prozent weniger Feinstaub<br />
jeweils im ersten Maut-Jahr<br />
Mautbedingte Umweltverbesserungen<br />
sind kaum feststellbar; 25 %<br />
der gesparten Emissionen beruhen<br />
auf besserer Auto-Technik.<br />
Stadt jährlich ca. 370 Millionen Quelle: VW<br />
Pfund ein, gut zehn Prozent dessen, was der Londoner ÖPNV mit Fahrkartenverkäufen verdient.<br />
Aber den knapp 3,5 Milliarden jährlicher Einkünfte für Londons Busse und Bahnen stehen 5,1 Milliarden<br />
an Kosten gegenüber. Die öffentliche Hand schießt also massiv zu, so weit London sein öffentliches<br />
Verkehrsnetz nicht auf Pump finanziert.<br />
Die MVG spielt 95 Prozent ihrer laufenden Kosten durch Fahrscheinverkäufe wieder ein<br />
Da ist München fein heraus. Die <strong>Münchner</strong> Verkehrsgesellschaft (MVG) deckt rund 95 Prozent<br />
ihrer laufenden Betriebskosten aus Fahrscheinverkäufen und die restliche Differenz aus staatlichen<br />
Ausgleichszahlungen für Schwerbehinderte und Schüler. Öffentliche Mittel werden daher im<br />
Wesentlichen für den Bau der Infrastruktur des <strong>Münchner</strong> ÖPNV benötigt. Die Stadtwerke finanzieren<br />
die laufenden, nicht durch Fahrgeldeinnahmen gedeckten, Infrastrukturbetriebskosten im<br />
Konzern aus anderen Geschäftsfeldern. Nach einem intensiven Restrukturierungsprozess sind<br />
die Stadtwerke insgesamt profitabel aufgestellt und können aktuell diese Aufgaben (noch) leisten,<br />
so Gunnar Heipp von den SWM. Allerdings machen die laufend sinkenden staatlichen Zuschüsse<br />
für Anschaffungen für Fahrzeuge und neue Infrastruktur die Spielräume zunehmend kleiner. Künftig<br />
müsse daher der Schwerpunkt der verbleibenden staatlichen Mittel auch in der Bestandserhaltung<br />
der vorhandenen Infrastruktur des ÖPNV verlagert werden. Heipp berichtet, dass auf internationaler<br />
Ebene Anstrengungen unternommen werden, Investitionen in den ÖPNV künftig auch<br />
als „grüne“ Investitionen im Rahmen des CO2-Handels anzuerkennen. Das, sagte er auf dem<br />
Mobility <strong>Forum</strong>, würde die ökonomische Attraktivität des ÖPNV nochmals wesentlich steigern, indem<br />
Dritte ökologische Ausgleichszahlungen auch in der sog. ersten Welt durchführen können.<br />
Das könnte bei Erfolg eine unter weiteren künftigen Finanzierungsquellen für den ÖPNV darstellen.<br />
Kopenhagen hat den turn around geschafft: Dort ist die Altstadt der living room der Bürger<br />
Ob solche ad-hoc-Maßnahmen in ein langfristiges Mobilitätskonzept gehören, blieb offen. Michael<br />
Cramer, der seit 1979 ohne Auto lebt und nach 15 Jahren im Berliner Abgeordnetenhaus 20<strong>04</strong><br />
ins Europäische Parlament gewählt worden ist, um dort als grüner Abgeordneter die europäische<br />
Verkehrspolitik mitzugestalten, verspricht sich von durchdachten Mobilitätsplänen weit mehr als nur<br />
eine Verbesserung des Verkehrs. Vorbild sei für ihn Kopenhagen, sagte Cramer in München. Vor<br />
wenigen Jahren noch seien die Bürger dort in die Stadt gefahren, wenn und weil sie etwas zu erledigen<br />
hatten. Heute sei das Kopenhagener Zentrum der living room der Bürger, das urbane Wohnzimmer<br />
ihrer Stadt. Was zählt, ist also die Aufenthaltsqualität. Wege erledigt man nebenbei mit.<br />
Auf dem Mobility <strong>Forum</strong> lag eine Kurzfassung des <strong>Münchner</strong> Verkehrsentwicklungsplans aus. Sein<br />
Name ist noch Programm, und sein Horizont reicht nur bis 2015. Vier von zwölf Seiten der Kurzfassung<br />
braucht er für zwei großformatige Pläne des Straßen- und des Schienennetzes. Enthalten<br />
sind darin ungelegte Eier wie die U4 bis Englschalking oder die Tram 23 bis zum Hasenbergl. Zwar<br />
enthält dieser Verkehrsentwicklungsplan auch „Bausteine einer <strong>Münchner</strong> Mobilitätskultur“. Einen<br />
gesamthaften Mobilitätsplan aber hat München bislang nicht entwickelt. GBr<br />
15
Die Bautätigkeit der Nachkriegszeit im <strong>Münchner</strong> Stadtbild dokumentiert eine Ausstellung von<br />
Studenten am TU-Lehrstuhl für Entwerfen und Denkmalpflege von Prof. Victor López-Cotelo. Sie ist<br />
in der Blumenstraße 19 im Servicezentrum der Lokalbaukommission bis 28. April täglich von 9 bis<br />
17 Uhr zu sehen. Mit der Nachkriegsbaukunst verbindet man Meisterwerke aus Glas und Stahl,<br />
aber auch nüchterne Verwaltungsbauten, improvisiertes Wohnen oder ausladende Flugdächer.<br />
Vom Königsplatz bis hin zu Residenz und Siegestor war der <strong>Münchner</strong> Wiederaufbau weitgehend<br />
eine Rekonstruktion der Platz- und Straßenräume. Die Bauten dieser Zeit prägen das heute Bild<br />
besonders der Innenstadt. Sie kommen wieder mehr ins Bewusstsein der Architektur und Denkmalpflege,<br />
teilweise auch der Stadtgesellschaft. Die Diskussion darüber, was ein erhaltenswertes<br />
Zeugnis aus dieser Zeit ist und in seinem Originalzustand erhalten werden muss, hat erst begonnen.<br />
Diese Debatte will die Analyse fördern, die Studierende des TU-Lehrstuhls vier Semester lang<br />
erarbeitet haben. Sie fragten, welche Bedeutung die baulichen und stadträumlichen Schöpfungen<br />
dieser drei Jahrzehnte haben und wie sie den Charakter der Stadt prägen. Entstanden ist eine sehr<br />
detailreiche Bilderschau mit wenig Erläuterung. Sie portraitiert vorwiegend die innere Stadt. Stadtrandsiedlungen<br />
spielen eine Nebenrolle. Die eingemeindeten historischen Ortskerne werden gar<br />
nicht betrachtet, die Rolle des öffentlichen Raums nur an wenigen ausgewählten Beispielen. Die<br />
Studie wollte nicht werten, sondern bauliche Phänomene der 1950er bis 70er Jahre im Stadtbild<br />
zunächst nur sichtbar und vergleichbar machen. Das hat sie geschafft. Die Ergebnisse sind auf<br />
großformatigen Thementafeln zu sehen. Über eine handliche Aufbereitung als Broschüre oder als<br />
Datei wird nachgedacht. GBr<br />
Hans-Jochen Vogel über die Olympischen Spiele von 1972 und ihre Vorgeschichte:<br />
Was 1966 den Ausschlag gab: Politik, Weltoffenheit und Mut<br />
Altoberbürgermeister Hans-Jochen Vogel erinnert sich: Die Entscheidung um die<br />
Vergabe der Olympischen Spiele 1972 nach München hat 1966 nicht Jahre gedauert,<br />
sondern nur knappe zwei Monate.<br />
Zentral ist damals die Politik im Spiel gewesen. Zwei Jahrzehnte nach dem 2. Weltkrieg hatte es<br />
der amerikanische IOC-Präsident Avery Brundage für angemessen gehalten, die früheren Kriegsgegner<br />
wieder in die sportliche Völkergemeinschaft zurückzuholen. Die Winterspiele gingen nach<br />
Sapporo/ Japan, die Sommerspiele nach München/ Deutschland. Dass Westdeutschland gewann,<br />
hatte entscheidend damit zu tun, dass kurz zuvor die DDR als eigene Olympiamannschaft akzeptiert<br />
worden war – die Bundesrepublik hatte eine Gegengabe gut.<br />
München überzeugte dann mit Weltoffenheit und dem Mut, ein neues Kapitel aufzuschlagen. Weltweit<br />
war der Name München belastet, vor allem mit dem <strong>Münchner</strong> Abkommen Hitlers mit dem<br />
Westen über die Zerschlagung der Tschchoslowakei 1938. Vogel heute: „Stets haben wir an diese<br />
NS-Geschichte gedacht, aber wenig offen darüber gesprochen. Wir wollten ihr das Bild eines anderen<br />
Deutschland entgegensetzen. Das ist auch gelungen.“ Sport, Fairness, Freude und friedlicher<br />
Wettstreit im Weltmaßstab haben die Spiele von 1972 geprägt – ein Vorbild auch für 2018. GBr<br />
Willy Bogner erläutert die <strong>Münchner</strong> Olympiabewerbung 2018<br />
Münchens Olympia-Botschafter Willy Bogner wird die <strong>Münchner</strong> Olympiabewerbung für 2018 am<br />
13. April um 19 Uhr im Vortragssaal der Stadtbibliothek im Gasteig in einem Vortrag erläutern.<br />
Für Münchens neues Olympisches Dorf kann der Realisierungswettbewerb anlaufen<br />
Oberbürgermeister Christian Ude und drei Bundesministerien haben grünes Licht für das <strong>Münchner</strong><br />
Olympiadorf auf dem Areal der Bundeswehrvermögensverwaltung an der Dachauer Straße gegeben.<br />
Die Stadt kauft die nötigen Teilflächen des Bundeswehrverwaltungszentrums zum Verkehrswert<br />
und lobt unverzüglich einen Realisierungswettbewerb aus. Die Vereinbarung war die letzte<br />
noch offen Voraussetzung für die vom IOC geforderte Garantieerklärung durch Bundeskanzlerin<br />
Angela Merkel. Sollte das IOC die Winterspiele 2018 nicht nach München vergeben, wird die Erklärung<br />
allerdings gegenstandslos. GBr<br />
16
„München leuchtet! Noch immer?“ fragte die Katholische Akademie ihre Gäste:<br />
„Glauben Sie nicht, die Kultur werde am Hindukusch verteidigt“<br />
Ist München Deutschlands heimliche Kulturhauptstadt? Kulturchefs aus München,<br />
Hamburg und Berlin waren sich einig: Hauptstadt auch in kultureller Hinsicht ist inzwischen<br />
Berlin. München steht aber unangefochten an zweiter Stelle. Überall hat die<br />
Kultur jedoch zunehmend zu kämpfen. Die Finanzkrise, hieß es am 18. März in der<br />
Katholischen Akademie, darf nicht der Auslöser sein, um die Kultur kaputt zu sparen.<br />
60 Prozent der München-Besucher kommen, um in der Stadt das kulturelle Angebot zu nutzen, so<br />
der <strong>Münchner</strong> Kulturreferent Hans-Georg Küppers. Was die Stadt auszeichne, sei ihr „Spannungsverhältnis<br />
aus dem Standbein Tradition und dem Spielbein Innovation.“ Das kulturelle Angebot in<br />
München ist nach wie vor groß. München setzt auch nach Überzeugung auswärtiger Beobachter<br />
Impulse, besonders in der neuen Musik und im Theater. Seit der Wiedervereinigung hat allerdings<br />
Berlin überproportional gewonnen. In der bildenden Kunst hat Berlin nach Ansicht von Hubertus<br />
Gaßner, Direktor der Hamburger Kunsthalle, inzwischen am meisten zu bieten, auch wenn Küppers<br />
das dortige Kulturangebot „mehr aufgeregt als aufregend“ nannte. München leuchtet jedenfalls<br />
noch immer – „und darauf“, so Küppers, „sind wir stolz.“<br />
Der Intendant des Deutschen Theaters Berlin Ulrich Khuon hatte eine Antwort darauf, warum es in<br />
München schwierig ist, etwas in Bewegung zu bringen: „Die Stadt ist selbstzufrieden. Ein stilles<br />
Glück herrscht mit allem, was man hat.“ Gerade im Off-Bereich gebe es in der bayerischen Landeshauptstadt<br />
wenig Angebote. Berlin zieht heute mehr Künstler an als München: „Viele sind dort hin<br />
gegangen, weil sie nicht mehr nach München kommen wollten oder konnten“, sagte die langjährige<br />
<strong>Münchner</strong> Pressechefin im Direktorium der Bayerischen Staatsoper und designierte Intendantin<br />
der Sächsischen Staatsoper Dresden Dr. Ulrike Hessler. Nach Küppers‘ Überzeugung liegt das<br />
auch an den teuren Mieten. Künstler können sich das preisgünstigere Berlin eher leisten als das<br />
immer teurere München. „Künstler brauchen ein kreatives Dach über dem Kopf, aber Ateliermieten<br />
auf dem freien Markt kann in unserer Stadt kaum jemand aus der Kunstszene bezahlen.“ Das<br />
Kulturreferat stellt deshalb schon seit Jahren subventionierte kommunale Ateliers zur Verfügung.<br />
Generell geht auch in der Kultur fast nichts ohne Geld. „Wenn Städte nach innen und außen wirken<br />
sollen, dann bedarf es der Finanzen“, sagte Ulrich Khuon zunächst noch sehr allgemein – Geld für<br />
die Kultur werde nicht immer sinnvoll eingesetzt. Küppers wurde deutlicher: „Wenn Städte kulturell<br />
leuchten wollen, schmücken sie sich häufig mit Gebäuden, haben dann aber kein Geld mehr für deren<br />
Inhalte.“ Dann sei Schein leicht mehr als Sein.<br />
Kultur wird nach Küppers‘ Worten nicht am Hindukusch verteidigt; sie hat ihre Wurzeln in unserer<br />
Gesellschaft. Sie bildet, und sie ist kritisch. Khuon sieht Theater als „Orte, in denen die Stadtgesellschaft<br />
über sich nachdenkt“. Um das auch künftig leisten zu können, muss die Kultur weiterhin unabhängig<br />
von privaten Geldgebern tätig sein können. Ausstellungen werden jedoch zunehmend<br />
von privaten Sammlern bestückt oder von Firmen finanziert. Diese Geldgeber „bestimmen immer<br />
mehr, was ausgestellt werden soll“, sagte Gaßner. Er und Küppers, Hessler und Khuon warnten davor,<br />
Kulturetats so weit auszudünnen, dass die Öffentliche Hand nur mehr Infrastrukturen finanzieren<br />
könne und Inhalte zunehmend von Sponsoren abhingen. Der kulturelle Dialog müsse interessensfrei<br />
laufen können, nicht von privatem Geld ferngesteuert.<br />
Nach den Regeln der Kommunen ist Kultur eine freiwillige Aufgabe; Geld für sie gibt es nur, wenn<br />
zuvor die gesetzlich bestimmten Pflichtaufgaben bezahlt werden können. Die Kassen der Kommunen<br />
sind aber leer. „Die Kultur, die wir in dieser Republik über Jahre aufgebaut haben, wird deshalb<br />
bundesweit abgewickelt,“ sagte der <strong>Münchner</strong> Kulturreferent. Diese Politik halten Küppers & Co.<br />
für grundfalsch: „Kultur ist keine freiwillige Aufgabe. Für viele gilt sie zwar als ein Surplus. Aber sie ist<br />
mehr – ein Grundbestandteil der gesellschaftlichen Natur des Menschen. Wer sie abbaut, wird den<br />
Menschen nicht gerecht.“ Ein Ausbluten an Kreativität könne sich keine Stadt leisten. „Ich fahre<br />
lieber auf schlechten Straßen in gute Theater als umgekehrt“, sagte Küppers. Saskia Brauer<br />
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Mit den folgenden beiden Berichten schließen wir die Kurzportraits der <strong>Forum</strong>s-Arbeitskreise<br />
ab, die wir in der Februar-Ausgabe begonnen hatten.<br />
Arbeitskreis Bildung: Beim Schulhausbau haben Architekten und Pädagogen zu wenig kommuniziert<br />
Die Schulhäuser der Zukunft waren auch im vergangenen Jahr Thema des Arbeitskreises. Er traf<br />
sich dazu sechs Mal. Die aus den Symposiums-Ergebnissen resultierenden Forderungen wurden<br />
in die „Leitlinie Bildung“ der LH München eingebracht. Das AK-Mitglied Prof. Felix Schürmann<br />
stellte seine gewonnenen Wettbewerbsentwürfe zum Bau der Haupt- und Förderschule am Innsbrucker<br />
Ring und zum Gymnasium Trudering vor. Im Sinne des AK hat er ein völlig neues Raumkonzept<br />
entworfen. Bei einer Redaktionskonferenz wurde an der nun vorliegenden Dokumentation<br />
des Symposiums „LebensRaum Schule“ vom Oktober 2008 gearbeitet. Das Wettbewerbsverfahren<br />
zum Schulhausbau wurde kritisch hinterfragt und dazu Architekt Oliver Voitl, Referent der<br />
Architektenkammer für Wettbewerbsverfahren, eingeladen. Der Arbeitskreis diskutierte die Notwendigkeit,<br />
eine eigene Typologie für den Bau von Schulen zu entwickeln, war sich aber einig,<br />
dass er hier nur unterstützend tätig sein kann.<br />
Das Bauen und Umbauen von Schulen wird den AK auch <strong>2010</strong> beschäftigen. Der Arbeitskreis<br />
wird bei der Bildung eines Netzwerks zur Entwicklung einer Typologie des Schulhausbaus mitwirken.<br />
Die Frage der Bürgerbeteiligung im Zusammenhang mit Schulbauten soll weiter diskutiert<br />
werden entsprechend der Idee des AK, den Bau eines geplanten Gymnasiums - z.B. in Freiham -<br />
oder einer zu sanierenden Schule als Pilotprojekt unter Beteiligung von Architekten, Pädagogen,<br />
Nutzern, Baulastträgern und Verordnungsgebern durchzuführen.<br />
Doris Niemann beschäftigte sich im BA Neuhausen-<br />
Nymphenburg mit Stadtplanung und Bürgerbeteiligung,<br />
in der Doris -Wuppermann-Stiftung mit politischer Bildung<br />
junger Menschen und im <strong>Forum</strong>s-Arbeitskreis<br />
Bildung mit Anforderungen der Wissensgesellschaft.<br />
Arbeitskreis Innenstadt: Der Maxvorstadt durch Verkehrsberuhigung neue Chancen geben<br />
Leo von Klenze, der Erfinder und Entwerfer der Hauptgebäude am Odeonsplatz, ist am 28. Februar<br />
1784 in Bockenem bei Hildesheim geboren und am 27.1. 1864 in München gestorben. Wenn wir<br />
seinen 150. Todestag abwarten wollen bis zur Erneuerung dieses Platzes, dann haben wir oder<br />
besser hat der <strong>Münchner</strong> Stadtrat noch vier Jahre Zeit. Man kann natürlich auch den 250. Geburtstag<br />
nehmen – dann wären wir im Erlebensfall erst 2034 soweit.<br />
Der Rückgriff auf Jahresdaten ist auch in der Stadtplanung eine Verlegenheitslösung. Dass sich solche<br />
Rückgriffe häufen, hat damit zu tun, dass allgemein gültige Qualitätsbegriffe fehlen. Dann muss<br />
man die Unausweichlichkeit eines Vorschlags mit einem nicht verrückbaren Datum begründen.<br />
In unserem Fall, in Bezug auf Klenze, besteht die Verlegenheit nicht. Vermittelt durch Informationen<br />
unseres Mitglieds Otto Resch können wir uns auf die Vorarbeit des Planungsreferats stützen.<br />
In meinem Fall kommen zwei weitere Motivationsstränge hinzu. Erstens war ich im Dezember in<br />
Rom, und das nicht nur einfach so. Wegen der Rolle, die Italienreisen im Leben Ludwigs I. gespielt<br />
haben, ist jede solche Reise ein Stück München-Archäologie. Mit <strong>Münchner</strong> Augen betrachtet fiel<br />
mir die Piazza del Popolo besonders auf. Man hat dort die Autos ausgesperrt und damit diesen<br />
außerordentlichen Platz mit seinen im Wesentlichen zwei Farben grau und vanillegelb und dem<br />
Obelisk in der Mitte ganz neu erlebbar gemacht. Zum zweiten habe ich mir im Januar die zwei<br />
Klenze-Biografien von Oswald Hederer (1962) und Adrian von Buttlar (2000) vorgenommen. Dort<br />
findet man anmutig kolorierte Veduten des Meisters, die einen Begriff davon geben, wie er sich<br />
die Nutzung seines gelungensten Platzes gedacht hat. Von ihm stammen außer dem Odeonsplatz<br />
bekanntlich auch der Max-Joseph-, der Wittelsbacher-, der Karolinen- und der Königsplatz. Auf<br />
dem Odeonsplatz ergehen sich ausweislich der Klenze-Zeichnungen die Leute, mal besser gekleidet,<br />
mal weniger gut. Die einen unterhalten sich, die anderen bestaunen die Gebäude, die dritten<br />
beobachten die Hatschiere beim Wachwechsel, noch andere nehmen beim Tambosi einen Kaffee.<br />
Es gibt auch mal eine Kutsche, aber auf jeden Fall nichts, was dem heutigen Autostrom entspräche.<br />
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Eine attraktivere Nutzung des Odeonsplatzes ist ein Ziel. Das entscheidende Instrument dafür ist<br />
eine neue Verkehrsführung am Oskar-von-Miller-Ring. Sie wird möglich, wenn die Tunnelrampe<br />
des Altstadtringtunnels dort steiler und damit kürzer wird. Ein zusätzlicher urbaner Gewinn wäre<br />
eine Fußgängerzone in der östlichen Brienner Straße und auf dem Wittelsbacherplatz. Nun wird<br />
sich die Situation am Oskar-von-Miller-Ring ohnehin ändern: EU-Richtlinien verlangen, dass der<br />
Altstadtringtunnel eine massive Mittelwand bekommt. Sie und der Rampenumbau werden richtig<br />
teuer. Der Arbeitskreis erwartet daher von der Stadt, dass sie vorher alternativ prüft, ob der Tunnel<br />
wirklich noch nötig ist oder ob er nicht auch anderen Zwecken dienen kann: als Verfügungsfläche,<br />
etwa als Depot, für die Pinakotheken und das Haus der Kunst, als Tiefgarage o.ä. Dann<br />
bräuchte der Tunnel nur noch eine einzige, relativ schmale Zufahrt, etwa im Franz-Josef-Strauß-<br />
Ring. Die Reparatur dieses städtebaulichen Schandflecks wäre eine <strong>Münchner</strong> Großtat. Der Arbeitskreis<br />
Innenstadt fordert die Stadt auf, zu ermitteln, welche Chancen diese Umplanung hat<br />
und welche Koalitionen einen solchen Stadtumbau voran bringen können.<br />
Die Industrialisierung des Bauens geht auf ein Buch Konrad Wachsmanns von 1959 zurück.<br />
50 Jahre nach dessen Erscheinen analysiert nun das Architekturmuseum der TU München in der<br />
Pinakothek der Moderne zusammen mit weiteren Lehrstühlen dessen Wirkung anhand von Modellen,<br />
Filmen und Animationen. Die Präsentation erinnert daran, dass Raumschalen über Gebäuden<br />
nicht etwa erst auf den Amerikaner Buckminster Fuller in den 1950er Jahren zurückgehen,<br />
sondern auf den relativ unbekannten Russen Vladimir Šuchov, der die erste doppelt gekrümmte<br />
Gitterschale weltweit bereits im ausgehenden 19.Jahrhundert in einer noch unbekannteren Industriestadt<br />
tief in Russland realisierte. Wachsmann emigrierte 1941 in die USA und entwarf dort mit<br />
Walter Gropius ein Fertighaussystem und später ein Konstruktionssystem für große Hallen der<br />
US-Luftfahrtindustrie. In den 1990er Jahren revolutionierte dann der Computer die Industrialisierung<br />
ebenso wie die Vorfertigung und den Systembau.<br />
Die Ausstellung geht auch darauf ein und wird dabei besonders spannend. Sie zeigt, wie das<br />
zuvor buchstäblich Unmögliche in den letzten zehn Jahren computeranimiert plötzlich möglich<br />
wurde und welche noch vor kurzer Zeit unvorstellbaren Chancen das Bauen inzwischen hat. München<br />
ist in der Präsentation mit zwei Klassikern vertreten, mit einem Modell des Glaspalastes und<br />
mit Otto Steidles Wohnbauten in der Genter Straße. Einer der kühnsten gezeigten neuen Bauten<br />
steht mitten in der Altstadt von Sevilla: ein Gebilde aus hölzernen pilzartigen Strukturen, so hoch<br />
wie die umgebenden Häuser und für Besucher nicht nur begehbar, sondern mit einem Restaurant<br />
im Dach auch eine „Adresse“. Die Ausstellung „Wendepunkte im Bauen von der seriellen zur<br />
digitalen Architektur“ läuft bis zum 13. Juni. GBr<br />
Kurzmeldungen<br />
Florian Sattler war Radioredakteur beim Bayerischen<br />
Rundfunk und Presseamtsleiter der Stadt München.<br />
Seit 1973 arbeitet Sattler im Programmausschuss des<br />
<strong>Münchner</strong> <strong>Forum</strong>s mit und streitet dort im Arbeitskreis<br />
Innenstadt für neue Verkehrsführungen.<br />
Dokumentation des Symposiums LebensRaum Schule im Haus der Architektur (wir berichteten<br />
in Ausgabe 14.2008) ist fertig. Sie können sie für 15 Euro zzgl. Versandkosten beim <strong>Münchner</strong> <strong>Forum</strong><br />
bestellen.<br />
Gablonz an der Neiße ist eine Stadt des Jugendstils. Hierüber informiert eine Ausstellung im<br />
Sudetendeutschen Haus in der Hochstraße 8 vom 5.Mai-11. Juni, Mo-Fr,9-19 Uhr. Sie wird am 4.<br />
Mai um 18 Uhr eröffnet. Am 25. Mai erläutert <strong>Forum</strong>smitglied Dr. Dieter Klein um 19 Uhr im Tschechischen<br />
Zentrum in der Prinzregentenstraße 7 in einem Vortrag diese Jugendstilarchitektur.<br />
Die Schörghuber Unternehmensgruppe verlängert ihr Engagement für das Haus der Kunst bis<br />
einschließlich 2014. Sie unterstützt das Haus der Kunst seit 1992. Die Gesellschafterstruktur der<br />
Stiftung Haus der Kunst GmbH bleibt damit auch die nächsten fünf Jahre unverändert.<br />
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Die Panzerwiese heißt offiziell Nordhaide. Das hat der Bezirksausschuss Milbertshofen - Am<br />
Hart schon am 10.12.2008 beschlossen. Der Grund für diese Schreibweise mit „a“ ist die besondere<br />
Vegetation der süddeutschen Kalkmagerrasenhaide, die sich von der norddeutschen Heide<br />
unterscheidet.<br />
Nächste Radio-Lora-Sendung des <strong>Münchner</strong> <strong>Forum</strong>s:<br />
12.<strong>04</strong>.<strong>2010</strong>, 19:00-20:00, Ukw 92,4: Ursula Ammermann im Gespräch mit Helmut Steyrer,<br />
<strong>Münchner</strong> Gesellschaft für Stadterneuerung.<br />
Leserbrief<br />
Unmittelbar nach der Lektüre der März-Standpunkte muss ich mich spontan bei Ihnen für Ihren<br />
Beitrag „Die Bürgerbeteiligung ist ein Humus der Stadtgesellschaft" bedanken. Ich bemerke,<br />
dass es kaum mehr – wie in früheren Jahrzehnten – örtlich gebundene Bürgergruppen gibt, die<br />
das <strong>Münchner</strong> <strong>Forum</strong> um Unterstützung und Stärkung bitten, um mit ihren Konflikten wirksamer<br />
umgehen zu können. Ich spüre, dass in Ihnen einerseits die „historischen" Antriebe der <strong>Münchner</strong><br />
Bürgerbeteiligung leben, aber gleichzeitig das richtige Gespür für die Anforderungen der gegenwärtigen<br />
Situation des Organismus München deutlich erkennbar ist. Sie haben das formuliert! Ich<br />
bin Ihnen auch dankbar, dass Sie das Stichwort Freiham und Ihre Sorge, dass dort die Urbanität<br />
„außen vor" bleibt, einbezogen haben. Für mich gerät dieses Thema inzwischen zur Resignation.<br />
Rien ne va plus!? Nicht geht mehr?! Hoffentlich liege ich falsch... Gerhard Meighörner<br />
Sie finden die Arbeit des <strong>Münchner</strong> <strong>Forum</strong>s prima und wollen uns unterstützen?<br />
Werden Sie doch ganz einfach bei uns Mitglied.<br />
-------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------<br />
Beitrittserklärung<br />
Ich/wir möchte/n Mitglied werden im „<strong>Münchner</strong> Diskussionsforum für Entwicklungsfragen (<strong>Münchner</strong> <strong>Forum</strong>) e.V.“<br />
O als Einzelperson O als Institution / Firma / Verein / Verband... (bitte ankreuzen)<br />
Name<br />
Straße Nr.<br />
Telefon<br />
Ich/wir leiste/n einen Jahresbeitrag von<br />
Vorname<br />
PLZ Ort<br />
mindestens den festgesetzten Mindestbeitrag:<br />
für Einzelpersonen 60 Euro, für Institutionen, Firmen usw. 600 Euro jährlich.<br />
Die Mitgliedschaft ist jeweils zum 30. Juni mit Wirkung zum Schluss des folgenden Geschäftsjahres kündbar.<br />
O Ich/wir bitte/n um jährliche Rechnungsstellung zur Überweisung des Mitgliedsbeitrags.<br />
O Ich/wir ermächtige/n Sie widerruflich, fällige Mitgliedsbeiträge in der jeweiligen Höhe zu Lasten meines/unseres<br />
nachstehenden Kontos mittels Lastschrift einzuziehen (bitte ankreuzen).<br />
Konto-Inhaber<br />
Wenn dieses Konto die erforderliche Deckung nicht aufweist, besteht seitens des kontoführenden Kreditinstituts<br />
keine Verpflichtung zur Einlösung.<br />
Email<br />
Mitteilung nach § 33 Bundesdatenschutzgesetz: Wir speichern die zur Sachbearbeitung benötigten Daten.<br />
Euro<br />
Konto-Nr. BLZ<br />
BLZ Bank<br />
Ort Datum Unterschrift<br />
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