bi-UmweltBau 2-08_NoDig.indd - Nodig-Bau.de
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i <strong>Umwelt<strong>Bau</strong></strong> 2 | <strong>08</strong><br />
Neues TAH-Seminar im Vorfeld <strong>de</strong>r Göttinger Abwassertage<br />
Kanäle und Finanzen –<br />
Abhängigkeit auf Gegenseitigkeit<br />
Es war ein Versuchsballon, <strong>de</strong>r sein Ziel erreichte: Rund 90 Teilnehmer<br />
informierten sich am 19.02.20<strong>08</strong> im Ratssaal <strong>de</strong>s Göttinger Neuen<br />
Rathauses über „Kanalsanierung im Zeichen <strong>de</strong>s neuen Finanzmanagements“.<br />
Einen Tag vor <strong>de</strong>m traditionellen Göttinger Abwassertagen<br />
20<strong>08</strong>, so die Überlegung <strong>de</strong>r Technischen<br />
Aka<strong>de</strong>mie Hannover (TAH), die bei<strong>de</strong><br />
Veranstaltungen zusammen mit <strong>de</strong>r Stadtentwässerung<br />
Göttingen ausrichtete, sei ein günstiger<br />
Zeitpunkt für eine neue Veranstaltung<br />
zu einem hoch aktuellen Schwerpunkt-Aspekt<br />
<strong>de</strong>r Kanalsanierung - <strong>de</strong>m Geld. Anschließend<br />
waren nicht nur bei<strong>de</strong> Veranstalter zufrie<strong>de</strong>n,<br />
son<strong>de</strong>rn auch die Zuhörer, wie die positive Bewertung<br />
<strong>de</strong>r sechs Fachvorträge zeigte.<br />
Den Rahmen steckte in seinem Einführungsvortrag<br />
<strong>de</strong>r Umweltberater und Fachjournalist<br />
Dipl.-Ing. Ulrich Winkler, Lage, ab: Er skizzierte<br />
nicht nur <strong>de</strong>n aktuellen Be- und Zustand<br />
<strong>de</strong>r öffentlichen und privaten Abwassernetze,<br />
son<strong>de</strong>rn auch <strong>de</strong>n rechtlichen Rahmen <strong>de</strong>r Kanalsanierung.<br />
Seine Einschätzung <strong>de</strong>s finanziellen<br />
Handlungsbedarfs für die Sanierung von<br />
Abwasserkanälen und -schächten mün<strong>de</strong>te in<br />
die Feststellung, dass in die öffentlichen und<br />
privaten Abwassersysteme zwischen –je nach<br />
zugrun<strong>de</strong> gelegtem Abschreibungszeitraum für<br />
die Anlagen- jährlich <strong>bi</strong>s zu 11,4 Mrd. € zwecks<br />
Werterhalt investiert wer<strong>de</strong>n müssten, wovon<br />
jedoch bei jährlichen Investitionen von 1,6 Mrd.<br />
€ (2003) <strong>bi</strong>sher keine Re<strong>de</strong> sein könne. Winkler<br />
konstatierte plakativ eine „unterirdische<br />
zweite Staatsverschuldung“ in Gestalt unerledigter<br />
öffentlicher Aufgaben an <strong>de</strong>r Leitungs-<br />
Infrastruktur. Dann richtete er <strong>de</strong>n Blick voraus<br />
und thematisierte die Herausfor<strong>de</strong>rungen, die<br />
durch <strong>de</strong>mografischen Wan<strong>de</strong>l und Klimaverän<strong>de</strong>rung<br />
auf die Wasserwirtschaft zukommen.<br />
Schrumpfung und Alterung führen dazu.,<br />
dass es in Zukunft „auf weniger und zu<strong>de</strong>m<br />
schwächeren Schultern“ wirtschaftlich immer<br />
schwerer wer<strong>de</strong>n wird, <strong>de</strong>n erreichten hohen<br />
Entsorgungsstandard zu halten, während die<br />
klimatische Verän<strong>de</strong>rung die Spanne zwischen<br />
Grund- und Spitzenbelastung <strong>de</strong>r Abwassersysteme<br />
weite. Dies erschwere die Planung technisch<br />
und wirtschaftlich effizienter Systeme zunehmend.<br />
Juristischer Druck nimmt zu<br />
Wie die Rechtslage zunehmend für Druck in<br />
Richtung konsequenterer Kanalsanierung<br />
sorgt, erläuterte Dipl.-Ing. Bernd Haller vom<br />
Regierungspräsidium Karlsruhe. Beson<strong>de</strong>rs<br />
aufschlussreich waren seine Ausführungen<br />
zur Wirkung <strong>de</strong>r aktuellen EU-Gesetz- und Ver-<br />
Sanierung 101<br />
ordnungsgebung, die vielen Praktikern vor Ort<br />
noch weitgehend unbekannt ist. So etwa die<br />
EU-„Richtlinie über Umwelthaftung zur Vermeidung<br />
und Sanierung von Umweltschä<strong>de</strong>n“ vom<br />
21.04.2004; sie wur<strong>de</strong> durch das En<strong>de</strong> 2007 in<br />
Deutschland in Kraft getretene „Umweltscha<strong>de</strong>nsgesetz“<br />
umgesetzt. Während ein Umweltscha<strong>de</strong>n<br />
je<strong>de</strong> Schädigung <strong>de</strong>s Gewässers nach<br />
Maßgabe von § 22 WHG ist, ist Verantwortlicher<br />
und damit Adressat <strong>de</strong>s Gesetzes je<strong>de</strong>r Betreiber<br />
von Abwasseranlagen, <strong>de</strong>r einen Umweltscha<strong>de</strong>n<br />
o<strong>de</strong>r auch nur die Gefahr eines solchen<br />
hervorruft: Ihn trifft eine Pflicht zur Gefahrenabwehr<br />
und zur Durchführung von Ver-<br />
Dipl.-Kfm. Dieter Doktorczyk erläuterte <strong>de</strong>n Zuhörern im Göttinger Ratssaal die Auswirkungen unterschiedlicher<br />
finanzieller Steuerungsmo<strong>de</strong>lle <strong>de</strong>r Kanalsanierungs-Investitionen.<br />
>
102 Sanierung<br />
<strong>bi</strong> <strong>Umwelt<strong>Bau</strong></strong> 2 | <strong>08</strong><br />
Kanäle, „Kohle“ und Konzepte: Um die Frage einer optimierten Koordination zwischen kommunalem Finanzmangement<br />
und Kanal-Instandhaltungsmanagement drehte sich das Seminar „Kanalsanierung im Zeichen<br />
<strong>de</strong>s neuen Finanzmanagements“ am 19.02.20<strong>08</strong> in Göttingen. | Fotos: TAH<br />
meidungsmaßnahmen. Konkret auf Kanalnetzbetreiber<br />
bezogen, begrün<strong>de</strong>t dies eine umfassen<strong>de</strong><br />
Pflicht zur Scha<strong>de</strong>nsprävention durch<br />
Kanalsanierung.<br />
Kanalsanierung finanzierbar?<br />
Konkret um die Finanzen für die notwendigen<br />
Sanierungsprogramme ging es in <strong>de</strong>n Vorträgen<br />
von Dipl.-Kfm. Dieter Doktorczyk, tbbo,<br />
Treuhandgesellschaft Wirtschaftsprüfgesellschaft<br />
Bün<strong>de</strong>, und Andraes Hellenbrand von <strong>de</strong>r<br />
Wibera Wirtschaftsberatung AG, Berlin. Doktorczyk<br />
setzte sich sehr informativ mit <strong>de</strong>r Frage<br />
auseinan<strong>de</strong>r, ob die Kanalsanierung noch finanzierbar<br />
sei, bei mo<strong>de</strong>raten Gebührenanpassungen<br />
realisiert wer<strong>de</strong>n könne und welcher<br />
Be<strong>de</strong>utung <strong>de</strong>n Organisationsformen bei<br />
<strong>de</strong>r Lösung dieser Herausfor<strong>de</strong>rung zukomme.<br />
In seinem intensiv diskutierten Vortrag ging es<br />
um die in <strong>de</strong>r Praxis hoch akute Frage „Reparieren<br />
o<strong>de</strong>r sanieren?“ mit ihren Auswirkungen<br />
auf die laufen<strong>de</strong>n Haushalte und das Abwasser-Gebührenniveau.<br />
Doktorczyk machte wesentliche<br />
Zusammenhänge verständlich und<br />
gab wichtige Hinweise, mit welchen planerischen<br />
und haushälterischen Einzelmaßnahmen<br />
Kommunen die bei<strong>de</strong>n zentralen Handlungsfel<strong>de</strong>r<br />
optimieren können: Die technische<br />
Substanzbewirtschaftung einerseits, die optimierten<br />
Schul<strong>de</strong>nbewirtschaftung zum an<strong>de</strong>ren.<br />
Die Einführung <strong>de</strong>r Doppik als neues Grundprinzip<br />
<strong>de</strong>r Kommunalwirtschaft beschäftigt<br />
Städte und Gemein<strong>de</strong>n bun<strong>de</strong>sweit. Andreas<br />
Hellenbrand betrachtete, wie sich die wirtschaftliche<br />
Verbuchung von Kanalsanierungsinvestitionen<br />
nach <strong>de</strong>m Übergang von <strong>de</strong>r Kameralistik<br />
zur Doppik verän<strong>de</strong>rn könnte. So<br />
sieht er eine <strong>de</strong>utlichen „Trend zur Erhöhung<br />
<strong>de</strong>s Instandhaltungsaufwan<strong>de</strong>s aus <strong>bi</strong>sher<br />
im Vermögenshaushalt geführten Maßnahmen“.<br />
Solche Zusammenhänge zwischen Technik<br />
und Kommunalwirtschaft müssen natürlich<br />
die technische Ausrichtung <strong>de</strong>r Sanierungsprogramme<br />
maßgeblich beeinflussen. Hellenbrand<br />
skizzierte als Ausblick ein umfassen<strong>de</strong>s<br />
Werterhaltungsmanagement für Abwassersysteme,<br />
basierend auf einer Lebenszyklus-Betrachtung.<br />
Mehr <strong>de</strong>nn je ist künftig angesagt,<br />
langfristig und übergreifend zu <strong>de</strong>nken, wenn<br />
man vorhan<strong>de</strong>ne Ressourcen optimal in <strong>de</strong>n<br />
Untergrund investieren will.<br />
Beispiele aus <strong>de</strong>r Praxis<br />
Was dies in <strong>de</strong>r Praxis be<strong>de</strong>utet, illustrierten<br />
die zwei Kommunalbeispiele <strong>de</strong>s Seminars. Sowohl<br />
in Göttingen als auch in <strong>de</strong>r badischen Gemein<strong>de</strong><br />
Schwanau wird Kanalsanierung inzwischen<br />
nach einem ganzheitlichen Ansatz praktiziert.<br />
Dipl.-Ing. Manfred Fiedler, bei <strong>de</strong>r Stadtentwässerung<br />
Göttingen (SEG) für die Kanalsanierung<br />
zuständig, erläuterte einmal mehr das<br />
„Göttinger Mo<strong>de</strong>ll“, bei <strong>de</strong>m Ganzheitlichkeit<br />
gleich mehrfach im Fokus steht: insbeson<strong>de</strong>re<br />
bei <strong>de</strong>r Ein<strong>bi</strong>ndung aller Infrastrukturträger in<br />
die Maßnahmen in <strong>de</strong>r Göttinger Unterwelt,<br />
aber auch das Grundprinzip <strong>de</strong>r konsequenten<br />
Ein<strong>bi</strong>ndung <strong>de</strong>r privaten Entwässerungsanlagen<br />
in die Betrachtung und Stadtentwässerung.<br />
Bei Investition von 167 Mio. € in die Kanalsanierung<br />
seit 1990 liegt Göttingen heute<br />
mit einer Gebühr von 1,79 €/m³ (Schmutzwasser)<br />
bzw. 0,59 €/m³ (Nie<strong>de</strong>rschlagswasser) im<br />
hinteren Mittelfeld <strong>de</strong>r Republik. Die Gemein<strong>de</strong><br />
Schwanau, <strong>de</strong>ren ganzheitlich angelegtes Konzept<br />
sich aktuell um die massive Bekämpfung<br />
<strong>de</strong>r Fremdwasserproblematik dreht, wur<strong>de</strong> von<br />
Bürgermeister Wolfgang Brucker vorgestellt.<br />
Neben <strong>de</strong>n Investitionen zur Sanierung <strong>de</strong>r öffentlichen<br />
Netze (3,35 Mio € <strong>bi</strong>s einschl. 2007)<br />
trägt die Gemein<strong>de</strong> Schwanau auch die Untersuchungskosten<br />
im privaten Bereich im Rahmen<br />
<strong>de</strong>s Fremdwasserkonzeptes, was <strong>bi</strong>slang<br />
mit rund 960.000 € zu Buche schlug. Diese Vorgehensweise,<br />
bun<strong>de</strong>sweit mit Mo<strong>de</strong>llcharakter,<br />
hat aber auch ihren Preis: so stiegen die<br />
Abwassergebühren von 2002 <strong>bi</strong>s heute um 83<br />
% auf 3,02 € / m³. Darin schlagen sich –speziell<br />
verglichen mit Göttingen- natürlich auch<br />
die strukturellen Beson<strong>de</strong>rheiten <strong>de</strong>r Abwasserentsorgung<br />
<strong>de</strong>s ländlichen Raumes nie<strong>de</strong>r.<br />
Das Fachpublikum wird auch 2009 die Gelegenheit<br />
haben, diese und an<strong>de</strong>re Mo<strong>de</strong>llprojekte<br />
aufmerksam weiter zu verfolgen. „Kanalsanierung<br />
im Zeichen <strong>de</strong>s neues Finanzmanagements“,<br />
dies steht fest, wird auch im kommen<strong>de</strong>n<br />
Jahr eine Vorlauf-Veranstaltung zu <strong>de</strong>n Göttinger<br />
Abwassertagen sein.<br />
Weitere Infos unter Tel.: 0511 39433-30 o<strong>de</strong>r<br />
Email: info@ta-hannover.<strong>de</strong> ❚