Friedlich in die Katastrophe - Projektwerkstatt
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~oigw Strobm: Friediicb <strong>in</strong> <strong>die</strong> Kaumophr<br />
selbstverständlich se<strong>in</strong>e Interessen mit allen Mitteln durchzusetzen. Der ,,Spiegel",<br />
,,,Jahrelang', so sieht es heute Dieter Haak, SPD-Fraktionsvorsitzender im<br />
Düsseldorfer Landtag, ,operierte der RWE-Vorstand mit Schreckensnachrichten<br />
und Horrorbildern': Wenn nicht neue Kraftwerke gebaut würden, g<strong>in</strong>gen bald im<br />
Lande alie Lichter aus. Gleichzeitig aber zögerten <strong>die</strong> RWE-Manager sichtlich<br />
immer dann, wenn es galt, den prophezeiten Strommangel mit Hilfe der Ste<strong>in</strong>kohle<br />
zu be~eiti~en."~ ,,Aus Mangel an Strom, dozierte Klaus Knizia, Chef der Vere<strong>in</strong>igten<br />
Elektrizitätswerke (VEW), letzten Dienstag, werde es, ,wenn wir heute ke<strong>in</strong>e<br />
Kernkraftwerke bauenc, bald ,im Revier ke<strong>in</strong>e Stahl<strong>in</strong>dustrie mehr geben'. Nur zwei<br />
Tage später warnte Günther Klätte, Vorstandsmitglied des Rhe<strong>in</strong>isch-Westfälischen<br />
Elektrizitätswerks (RWE), vor den Folgen e<strong>in</strong>es Kernkraftstopps: Atomstrom sei<br />
,unverUchtbar' und müsse ,e<strong>in</strong>en wesentlichen Beitrag zur Deckung unseres<br />
künftigen Energiebedarfs leistenc. Mit Horrorsprüchen, mit breitfomatigen Anzei-<br />
gen und düsteren Szenarios versuchen Knizia, Kratte und ihre Bran~henkolle~en<br />
nun schon seit Monaten, ihre Kundschaft <strong>in</strong> Industrie und Haushalten zu<br />
schockieren. Die Schreckensbilder sollen politischen Druck erzeugen und zu neuen<br />
Genehmigungen für Atomkraftwerke verhelfen. Der Düsseldorfer Arbeitsm<strong>in</strong>ister<br />
Friedhelm Farthmann sieht denn auch <strong>in</strong> den Kampagnen der E-Werker, ,nur den<br />
e<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n, unseren Genehmigungsbehörden e<strong>in</strong> schnelles Plazet für deren Kern-<br />
kraftwerke abzuzw<strong>in</strong>genc. . .<br />
Das lebhafte Interesse der Stromunternehmer für <strong>die</strong> Kraft aus dem Atom hängt<br />
darüber h<strong>in</strong>aus auch mit längerfristigen Absatzstrategien zusammen. Große<br />
Verkaufserfolge versprechen sich <strong>die</strong> E-Werker, wenn zukünftig möglichst viele,<br />
Haushalte mit stromfressenden Wärmepumpen ausgerüstet werden. Die Pumpen<br />
helfen, Grundwasserwärme für <strong>die</strong> Heizung zu nutzen. Diese Geräte aber s<strong>in</strong>d um<br />
so zahlreicher gefragt, je mehr <strong>die</strong> Energiepolitik auf Atomstrom schaltet. Denn:<br />
Atommeiler müssen wegen ihrer Gefährlichkeit fernab der Städte gebaut werden;<br />
ihre Abwärme kann daher nicht für Fernwärmenetze genutzt werden. Anders<br />
h<strong>in</strong>gegen sieht es bei Kohlekraftwerken aus, <strong>die</strong> nahe an den Wohngebieten<br />
hochgezogen werden können und daher mit Fernwärmesystemen zu koppeln<br />
s<strong>in</strong>d.'c6<br />
Das wirkliche Geschäft, das <strong>die</strong> Atomlobb~ jedoch anpeilt, wurde nicht vom<br />
,,Spiegel" genannt. Die Kapitalverwern<strong>in</strong>gs- und M~no~olisierungstendenzen <strong>in</strong><br />
der Nuklear<strong>in</strong>dustrie führen närnIich zu e<strong>in</strong>em weiteren ,,SachzwangM, der<br />
erheblich lukrativer ist. Je mehr h~ch~efahrliche und langlebige ~adioaktivitä~<br />
erzeugt und <strong>in</strong> Umlauf gebracht wird, desto zw<strong>in</strong>gender werden weitere ~ a~itd<strong>in</strong>vestitionen,<br />
um den sogenannten Brennstoff-Kreislauf zu sichern. Den eichtwasserreaktoren<br />
folgen Zwischenlager für abgebrannte Brennelemente samt dem<br />
erforderlichen Fuhrpark. Die Wiederaufbereitung folgt dann als nächste logische<br />
Konsequenz. Das größte Problem aber ist <strong>die</strong> Langzeitlagerung hochaktiven Muflsa<br />
lies ist e<strong>in</strong>e weitere tödliche Gefahr, <strong>die</strong> <strong>die</strong> Menschheit bedroht und <strong>die</strong> nur mit<br />
<strong>in</strong>em enorm hohen Kapitalaufwand, wenn überhaupt, beherrscht werden kann. Bei<br />
-er Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennelementen fällt Plutonium <strong>in</strong><br />
großen Mengen an. Gewaltige Mengen <strong>die</strong>ses lebensgefährlichen Elements müssen<br />
&andhabt werden, so daf3 der nächste Schritt zur Plutoniumtechnologie ermöglicht<br />
wird. Die Brütertechnologie benötigt wiederum e<strong>in</strong>en eigenen Brennstoff-<br />
J.eislauf mit den entsprechenden Wiederaufbereitungsanlagen. H<strong>in</strong>zu kommen <strong>die</strong><br />
~ochtemperaturreaktoren, <strong>die</strong> ebenfalls e<strong>in</strong>e eigene andersartige Wiederaufbereimg<br />
benötigen. Das führt zu weiteren ,,Sachzwängen". An <strong>die</strong>sem Punkt<br />
angekommen, s<strong>in</strong>d immer höhere Investitionen notwendig. E<strong>in</strong> Zwang, dem sich<br />
ke<strong>in</strong>er entziehen kann. Um <strong>die</strong> immer größeren Gefahren bändigen zu können,<br />
müssen immer mehr Gelder <strong>in</strong>vestiert und e<strong>in</strong>e ständig wachsende Macht <strong>in</strong> <strong>die</strong><br />
Yände der ,,AtomexpertenW verlagert werden. Am Beispiel der amerikanischen<br />
Yiederaufbereitungsanlage Nuclear Fuel Service sehen wir, was Verantwortung für<br />
en Unternehmer bedeutet. Nur solange sie profitträchtig ist, er<strong>in</strong>nert man sich<br />
rrne an sie, ansonsten ist man leider pleite und Iäßt den Steuerzahler <strong>in</strong> <strong>die</strong> Tasche<br />
reifen. Und der muß, wenn er irgendwie weiter leben will. In genau <strong>die</strong>se<br />
.bhängigkeit will uns <strong>die</strong> Nuklear<strong>in</strong>dustrie treiben. Das ist ihr Interesse. Denn dann<br />
iüssen wir jeden Preis zahlen, damit sie <strong>die</strong> Gefahr zu bändigen versucht, <strong>die</strong> sie<br />
uvor selbst verursachte. An <strong>die</strong>sem Punkt ist ke<strong>in</strong>e Rückkehr möglich, und wir<br />
.erden f<strong>in</strong>anziell beliebig erpreßbar; denn das Gefahrenpotential durch Hundertrusende<br />
Tonnen hochgiftiger Substanzen, <strong>die</strong> für e<strong>in</strong>en Tausendfachen Overkill der<br />
ganzen Menschheit reichen, muß um jeden Preis gebannt werden.<br />
Der Atomphysiker Amory B. Lov<strong>in</strong>s hat das erkannt, als er <strong>in</strong> dem „Forum der<br />
Vere<strong>in</strong>ten Nationen" feststellte: ,,In vielen Ländern wird <strong>die</strong> Elektrifizierung nicht<br />
deswegen vorgeschlagen, weil sie der beste Weg zur Deckung des Energiebedarfs der<br />
Menschen ist, sondern weil Atomenergie - e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>geführt - ke<strong>in</strong>e andere<br />
Möglichkeit bietet."'Ähnlich argumentiert der Nobelpreisträger Joseph Camilleri<br />
<strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Artikel „Die Politik der Machtcc: ,,Die große Anziehungskraft, <strong>die</strong> <strong>die</strong><br />
Atomenergie auf ihre Förderer ausübt, s<strong>in</strong>d nicht <strong>die</strong> Gew<strong>in</strong>naussichten, sondern<br />
Zentralisierungy Expansion und Kontrolle. Sie sehen vor sich <strong>die</strong> berauschende<br />
Aussicht, <strong>die</strong> Energie<strong>in</strong>dustrie zu kontrollieren und dadurch <strong>die</strong> Wirtschaft als<br />
r(<br />
.anzes zu beherrschen. Auf <strong>die</strong>se Weise riskieren Atom<strong>in</strong>dustrie und Bürokraten<br />
.chts dabei, wenn <strong>die</strong> Atomenergie nicht sicher oder unwirtschaftlich ist, denn es<br />
'ht ihnen um <strong>die</strong> e<strong>in</strong>flußreichen Positionen <strong>in</strong>nerhalb der komplexen technologi-<br />
--hen Masch<strong>in</strong>erie, von denen <strong>die</strong> hochentwickelten Industrieländer mehr und mehr<br />
zu ihrem Oberleben abhängig werden. Wenn <strong>die</strong> Nuklear<strong>in</strong>dustrie erst e<strong>in</strong>mal <strong>die</strong>se<br />
dom<strong>in</strong>ierende Position erreicht hat, ist sie <strong>in</strong> der Lage, mit ihrer gewaltigen Macht<br />
<strong>die</strong> Gesellschaft zu erpressen. Jeder Versuch jedoch, <strong>die</strong>se harte Technologie und<br />
re energie<strong>in</strong>tensive Wirtschaft <strong>in</strong> andere Bahnen zu lenken, vorausgesetzt <strong>die</strong>