Foto: ©ADRA | KARtE: RASANI.DESIGN | tEXt: MIRJAM GREILICH 4 5 Michael Reich: „Die Situation ist kompliziert und das Stimmungsbild der Bevölkerung gespalten. Die Menschen sind verängstigt, was aus ihrem Land und dessen Führung werden wird. Da sind zum einen die Rebellen im Norden und zum anderen die Putschisten im Süden. In einem ist die Bevölkerung sich mehrheitlich einig: Sie ist zufrieden über die Absetzung des Präsidenten und über die Lektion, die ihm damit erteilt wurde. Daher begrüßte sie auch dessen Rücktritt.“ ADRA Deutschland: Vor dem Putsch wurde Mali vor allem aufgrund der andauernden Dürre und der drohenden Hungersnot in den Medien genannt. Wie haben Sie die Situation der Menschen in Mali wahrgenommen? Grenzen der Sahelzone Hungersnot durch Dürre – betroffene Fläche bis zum Jahr 2012 Putsch in Mali: Wie geht es weiter? Interview mit Michael Reich Unser Kollege Michael Reich, Direktor von ADRA Mali, war bis zum 5. April in Mali und kennt die Bedenken und Ängste der Bevölkerung: „Die Bevölkerung in Mali war sich schon seit der mangelnden Regenfälle im vergangenen Sommer darüber im Klaren, dass es ein schwieriges Jahr werden würde und es vermehrt Hunger geben würde. In einigen Regionen sind Ernteausfälle von ca. 80 Prozent zu verzeichnen und ein besorgniserregender Rückgang der Biomasse, die insbesondere für die Viehzucht wichtig ist. Seit Anfang des Jahres kann man sehen, dass die Getreidespeicher in den Dörfern bereits so schlecht gefüllt sind, wie es sonst erst Monate später der Fall ist. Zunehmend wird der Zugang zu Nahrungsmitteln durch Preisanstiege für Getreide – teilweise um 120 Prozent - enorm verschlechtert. Die Bevölkerung versucht, darauf so weit sie kann zu reagieren, indem sie verstärkt Gemüseanbau betreibt und mit ihren Viehherden schon wesentlich früher in Richtung Süden zieht. Dennoch bleiben die Menschen mindestens bis zur nächsten Ernte auf Hilfe angewiesen.“ Sahelzone Michael Reich Direktor von ADRA Mali Vergangenen Donnerstag haben Sie und weitere ausländische Mitarbeiter von ADRA Mali das Land aus Sicherheitsgründen verlassen. Wie liefen die Arbeiten von ADRA Mali nach dem Putsch und gehen die Projekte weiter, obwohl ein Teil der Belegschaft momentan nicht in Mali ist? „Nun, der Großteil der Belegschaft ist noch im Land. Nur drei unserer gut 20 Mitarbeiter sind evakuiert worden, da sie aus dem Ausland kommen. Das Landesbüro und die beiden Projekt büros sind seit der Aufhebung der Ausnahmesperre wieder geöffnet und die Arbeit geht seither unbeirrt weiter. Allerdings haben wir die Sanktionen durchaus gespürt. Wir hatten in der vergangenen Woche für mehrere tage keinen Strom im Büro, alle Aktivitäten liefen über einen Generator. So einen langen Stromausfall hatte ich in Mali noch nie. Auf Hochtouren laufen auch die Planungen für ein Großprojekt mit dem Welternährungsprogramm, wo wir 4.600 Tonnen Lebensmittel an 80.000 Begünstigte verteilen wollen. Unsere Kollegen in Mali nehmen die Planungsarbeit vor, während wir sie aus dem Ausland dabei unterstützen.“ Wie wird sich die Gründung der Übergangsregierung auf die Lage im Norden des Landes auswirken? Die Tuareg-Rebellen haben ja bereits einen großen Teil des Landes eingenommen und Azawad einseitig als unabhängig erklärt. „Das ist richtig. Die Übergangregierung steht vor einer enormen doppelten, wenn nicht gar dreifachen Herausforderung. Die Lage im Norden mit mindestens zwei Gruppen, die unterschiedliche Interessen verfolgen, kann sie sicherlich nicht ohne die Unterstützung von außen in den Griff bekommen. Die Wiederherstellung der verfassungsmäßigen ordnung und die Schaffung einer Übergangsregierung ist ein notwendiger erster Schritt dorthin.“ Was denken Sie, wie schnell wird sich die Lage in Mali nach Bildung der Übergangsregierung voraussichtlich wieder entschärfen? „Es scheint, als wäre dies zu einem gewissen Grad schon der Fall, aber wir stehen hier noch vor einem sehr langen Prozess. Noch ist die Bildung der Übergangsregierung nicht abgeschlossen und auch sie ist nur ein Übergang. Es vermehren sich die Anzeichen, dass die Militärjunta (CNRDRE) und ihr Präsident Amadou Sanogo nicht vorhaben, schnell von der politischen Bühne in Mali abzutreten. Ein Lichtblick für unsere Arbeit ist die Aufhebung der von der westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft verhängten Sanktionen. Das stellt eine enorme Erleichterung für unsere Arbeit dar. Wie schnell es in Mali allerdings wieder aufwärts gehen wird, hängt nicht zuletzt auch von der notwendigen internationalen Unterstützung ab. Dabei werde ich übrigens auch immer wieder <strong>direkt</strong> als Deutscher angesprochen, denn die Bundesrepublik war 1960 das erste Land, das die Unabhängig- keit von Mali anerkannte. Schon wenige Monate später startete die Entwicklungszusammenarbeit. Viele Menschen in Mali hoffen, dass wir – auch ein halbes Jahrhundert später – Mali in dieser schweren Zeit unterstützen.“ Haben Sie bereits ihre Rückkehr nach Mali geplant? „Ja. Nachdem wir uns nun zwei Wochen ständig gefragt haben, ob wir evakuieren müssen, begleitet uns nun täglich die Frage, ob wir wieder zurückkehren können. Das Interview führte Mirjam Greilich. Unterstützen auch Sie die Menschen in Mali! ADRA-Spendenkonto: Commerzbank Darmstadt Kt.-Nr. 2000 702 09 · BLZ 508 800 50 · Stichwort: Sahelzone