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"Kopf und Zahl", Ausgabe 11, 2009 - Mathematisches Institut zur ...

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<strong>11</strong><br />

Irene von Schwerin,<br />

Irene <strong>Mathematisches</strong> von Schwerin, <strong>Institut</strong><br />

<strong>Mathematisches</strong><br />

<strong>zur</strong> Behandlung<br />

<strong>Institut</strong><br />

der Rechenschwäche, München<br />

<strong>zur</strong> Behandlung der Rechenschwäch, München<br />

Fortsetzung unserer Artikelreihe zum Thema Bruchrechnen <strong>und</strong> Dezimalbrüche<br />

In der Vierten fängt das Elend an:<br />

„Immer wieder Ärger mit dem<br />

Bruchrechnen“<br />

LehrerInnen <strong>und</strong> Fachdidaktiker wissen seit langem,<br />

dass ein beträchtlicher Teil der Schülerlnnen (bei<br />

weitem nicht nur die „rechenschwachen"!) beim<br />

Bruchrechnen in der Sek<strong>und</strong>arstufe ohne jedes<br />

Verständnis vorgeht: „Sie entwickeln keine Größen-<br />

vorstellungen von Brüchen, haben nicht die geringste Ahnung, was<br />

Brüche mit Dezimalzahlen zu tun haben, sie praktizieren das<br />

Rechnen mit Brüchen als Herumfuhrwerken mit unverstandenen<br />

Regeln, bringen diese Regeln entsprechend häufig durcheinander<br />

etc. (vgl. Friedhelm Padberg, 2002).“<br />

Unsere nunmehr 20-jährigen Arbeit mit rechen-<br />

schwachen Kindern der Sek<strong>und</strong>arstufe bestätigt die<br />

zitierte Feststellung, dass die mangelhaften bzw.<br />

falschen Kenntnisse über Bruchzahlen ein Massen-<br />

phänomen darstellen. Wenn wir auf Lehrerfort-<br />

bildungen zum Thema Bruchrechnen die Fehler<br />

analysieren, auf die wir so häufig stoßen <strong>und</strong> auf die<br />

ihnen zugr<strong>und</strong>e liegenden Missverständnisse über<br />

Bruchzahlen hinweisen, ist nicht selten der Kommentar<br />

der LehrerInnen, sie müssten uns ihre halbe<br />

Klasse <strong>zur</strong> Behandlung schicken.<br />

Mit welchen Phänomenen hat man es zu tun?<br />

1 1<br />

><br />

3 2<br />

Die von den Schülern mitgelieferte Begründung heißt:<br />

„drei ist doch die größere Zahl“.<br />

7<br />

> 1 ,<br />

8<br />

JOURNAL<br />

des Vereins für Lerntherapie <strong>und</strong> Dyskalkulie e.V.<br />

in Zusammenarbeit mit den Mathematischen <strong>Institut</strong>en<br />

<strong>zur</strong> Behandlung der Rechenschwäche<br />

<strong>11</strong>. AUSGABE, <strong>2009</strong><br />

www.dyskalkulie.de<br />

Es kommt aber auch nicht selten die richtige<br />

7<br />

Antwort, dass kleiner ist, <strong>und</strong> auf die Frage, um<br />

8<br />

wie viel, sagen diese Schüler entweder um 1, weil<br />

sie die Differenz zwischen 7 <strong>und</strong> 8 im Auge haben,<br />

oder um 2 oder 3, weil sie den Zähler , bzw. den<br />

Nenner auf 10 ergänzen.<br />

Bei der Aufgabe,<br />

1 1<br />

„ nenne mir Bruchzahlen zwischen <strong>und</strong><br />

2 3<br />

ist ihre Antwort: „ da gibt es keine Zahl<br />

dazwischen, weil oben sind die Zahlen gleich <strong>und</strong><br />

unten gibt es nichts zwischen 2 <strong>und</strong> 3. “<br />

1<br />

Schüler denken bei wenn dieses, wie in der 6.<br />

3<br />

Klasse üblich, mit der Torte oder der Pizza<br />

veranschaulicht wird, sehr schnell an das Stück, an<br />

ein festes Ding, mit einer bestimmten Form (ein<br />

Kreissegment), das sie mühelos zeichnen können.<br />

Sie denken aber nicht an das Verhältnis <strong>zur</strong> ganzen<br />

INHALT<br />

In derVierten fängt das Elend an:<br />

„Immer wieder Ärger mit dem Bruchrechnen“<br />

Fortsetzung zum Thema Bruchrechnen <strong>und</strong> Dezimalbrüche<br />

Übungs- <strong>und</strong> Fördermaterial: Cuisinairestäbe<br />

„Zehner ist orange,Achter ist braun, Zweier ist rot.“<br />

Timo, Ende 1. Klasse<br />

Rubrik Aus fehlern lernen ...<br />

Klassifikation der Fehler bei der Durchführung<br />

der Gr<strong>und</strong>rechenarten mit Bruchzahlen<br />

Klassische Kinderspiele ... NEU ENTDECKT !<br />

Mikado “Ein alter Hut?”<br />

©<strong>Kopf</strong> <strong>und</strong> Zahl, <strong>11</strong>. <strong>Ausgabe</strong> Seite 1


Pizza. Jeder Zusammenhang zu „1 Ganzes wird in 3<br />

gleiche Teile geteilt“ kommt in der Vorstellung nicht<br />

vor.<br />

Dies wird auch deutlich, wenn sie am Zahlenstrahl<br />

1 1<br />

, , usw. eintragen sollen:<br />

2 4<br />

Häufig sehen wir auch Fehler ähnlichen Typs beim<br />

Umrechnen von Bruchzahlen in Dezimalbrüche:<br />

1<br />

= 0,<br />

4<br />

4<br />

„weil es muss kleiner als 1 sein <strong>und</strong> was unten steht kommt<br />

nach dem Komma“<br />

Umgekehrt genauso:<br />

0 , 6 =<br />

„es steht doch jeweils eine sechs da, wenn ich mir das, was vor<br />

dem Komma <strong>und</strong> über dem Bruchstrich steht, wegdenke“<br />

1<br />

1 , 5 =<br />

5<br />

2<br />

2 , 8 =<br />

8<br />

„weil Bruchstrich <strong>und</strong> Komma bedeuten das gleiche“<br />

6<br />

Oder: = 0,<br />

68<br />

8<br />

Die Liste ließe sich beliebig verlängern. Wir entnehmen<br />

diesen Phänomenen, dass viele Schüler, <strong>und</strong> wahrlich<br />

nicht nur die rechenschwachen unter ihnen, Bruchzahlen<br />

wie Natürliche Zahlen betrachten, nur eben „mit einem<br />

Strich oder einem Komma dazwischen“ .<br />

Die didaktische Hauptverantwortung dafür trägt zum<br />

einen wohl der Mathematikunterricht der Sek<strong>und</strong>arstufe:<br />

1<br />

6<br />

Verein für Lerntherapie <strong>und</strong> Dyskalkulie. eV.<br />

Internet:<br />

www.dyskalkulie.de<br />

E-Mail:<br />

verein@dyskalkulie.de<br />

„Die systematische Behandlung der Bruchrechnung konzentriert<br />

sich gegenwärtig in Deutschland auf das sechste<br />

Schuljahr in allen Schulformen. ( vgl. Padberg, Didaktik der<br />

Bruchrechnung, 1995 S. 10)<br />

Zum andern aber auch der Mathematikunterricht der 4. Klasse,<br />

weil die Gr<strong>und</strong>legung gemäß Lehrplan bereits im vierten<br />

Gr<strong>und</strong>schuljahr passiert. Im Bayerischen Lehrplan für Mathematik<br />

Jahrgangsstufe 4 wird unter 4.4 Sachbezogene<br />

Mathematik folgendes Lernziel zum Thema Bruchrechnen<br />

formuliert:<br />

„Die Schüler gewinnen realitätsnahe Vorstellungen <strong>zur</strong> Hohlmaßeinheit<br />

Liter <strong>und</strong> einiger wichtiger Bruchteile davon. Sie<br />

lernen Hohlmaße durch Messen zu bestimmen <strong>und</strong> das<br />

Meßergebnis mit ganzen Zahlen sowie einfachen Brüchen als<br />

Maßzahlen zu notieren“.<br />

Weiter heißt es unter 4.4.1 Größen:<br />

Hohlmaße: l, ml<br />

• Größenvorstellung durch Füllen, Umfüllen, Schätzen,<br />

Vergleichen <strong>und</strong> Messen erarbeiten<br />

• Die Einheiten l, ml kennen <strong>und</strong> anwenden<br />

•<br />

Brüche <strong>und</strong> Dezimalbrüche kennen <strong>und</strong> anwenden:<br />

1 1 3<br />

l,<br />

l,<br />

l , 0,2l, 0,33l, 1,5l<br />

4 2 4<br />

In der 4. Gr<strong>und</strong>schulklasse sollen „anschauliche<br />

Vorarbeiten fürs Bruchrechnen“ geleistet werden. (vgl.<br />

Padberg ebenda S. 10)<br />

Nach dem Prinzip „learning by doing“ will man die<br />

Kinder an Bruchzahlen gewöhnen, die systematische<br />

Erklärung ist explizit in diesem Schuljahr nicht<br />

vorgesehen. Was liegt da auf Seiten der Kinder<br />

näher, als Bruchzahlen mit dem Zahlverständnis der<br />

Natürlichen Zahlen, an die sie schon gewöhnt sind,<br />

zu betrachten.<br />

Das heißt, viele Schüler rechnen in der 4. Klasse mit<br />

Brüchen <strong>und</strong> Dezimalbrüchen, wie wenn der Zähler<br />

<strong>und</strong> Nenner jeweils eine eigene Zahl wäre, die<br />

durch einen Strich getrennt sind oder eben durch<br />

die durch einen Strich getrennt sind oder eben<br />

durch ein Komma. Dann ist die Gleichsetzung von<br />

Komma <strong>und</strong> Bruchstrich - beides wird als Trennung<br />

von zwei Zahlen aufgefasst – nicht verw<strong>und</strong>erlich.<br />

Der Praxisbegleiter für Lehrer zum Schulbuch Welt<br />

der Zahl 4 (Schrödel-Verlag 2003 S. 66) versucht<br />

Impressum:<br />

Herausgeber:Verein für Lern- <strong>und</strong> Dyskalkulietherapie,<br />

München, Brienner Straße 48<br />

Redaktion: Alexander v. Schwerin (verantwortlich),<br />

Beate Lampke, München<br />

Christian Bussebaum, Elke Focke, Düsseldorf;<br />

Wolfgang Hoffmann, Dortm<strong>und</strong>; Rudolf Wieneke, Berlin<br />

Layout <strong>und</strong> Satz: Illustration + Grafik, Tanja Gnatz, Gröbenzell<br />

Seite 2 ©<strong>Kopf</strong> <strong>und</strong> Zahl, <strong>11</strong>. <strong>Ausgabe</strong>


sich an einer konsequenten Umsetzung des skizzierten<br />

Lernziels <strong>und</strong> bietet dafür folgende didaktische Unter-<br />

richtshilfe an:<br />

Da stellt sich schon die Frage, was soll ein Kind lernen,<br />

wenn es in Aufgabe 2 überprüft, ob Julias Behauptung<br />

stimmt? Selbst wenn ein Schüler den abgebildeten<br />

Versuch life mit zwei entsprechenden Gefäßen <strong>und</strong><br />

Milch durchführt, weiß er zwar, dass Julias Behauptung<br />

stimmt, er versteht aber kein bisschen, was die<br />

1<br />

250, die auf Benjamins Milchflasche steht, mit l zu<br />

1<br />

tun hat, <strong>und</strong> warum l = 0,<br />

25l<br />

. Durch die Gleich-<br />

4<br />

setzung dieser beiden Größenangaben wird dem<br />

Schüler die jeweils andere nicht klarer, weil ihm ja<br />

1<br />

beides, die Bruchzahl <strong>und</strong> der Dezimalbruch 0,25<br />

4<br />

unbekannt ist, also versteht er davon auch nicht mehr,<br />

wenn man die beiden durch ein Gleichheitszeichen<br />

verbindet. Da bleibt nur, die Gleichung auswendig zu<br />

lernen wie einen Satz aus einem Gedicht. Genauso<br />

wenig verstehen die Kinder, warum 0,25l genauso viel<br />

sind wie 250 ml. Manches Kind meint sogar, „dann ist<br />

es ja egal, ob die Null vorne steht oder hinten.<br />

Auch dem Messbecher daneben entnimmt man viel-<br />

1<br />

leicht, dass der Strich, wo steht, halb so hoch ist,<br />

4<br />

1<br />

wie der, wo steht, aber viele Kinder verstehen dann<br />

2<br />

nicht, warum da die niedrigere Zahl 2 steht, wo es<br />

doch mehr ist. Ganz abgesehen davon ist das Verhältnis<br />

zum Ganzen – dem Liter – völlig unklar.<br />

©<strong>Kopf</strong> <strong>und</strong> Zahl, <strong>11</strong>. <strong>Ausgabe</strong><br />

4<br />

Buch<br />

Die Aufgabe 2c)<br />

„Wie oft muss Julia Benjamins Flasche<br />

füllen, um damit 1l zusammenzugießen „<br />

für die Kinder ein Buch mit sieben<br />

Siegeln. Die Proportionen der abgebildeten<br />

Milchflasche <strong>und</strong> des Litergefäß<br />

machen das schon nicht nachvollziehbar,<br />

was als Ergebnis dieser<br />

Rechnung rauskommt:<br />

„ 1l : 250 = 4 (Auf der Milchflasche<br />

steht ja nur die Zahl ohne Einheit)“<br />

Und bei der Rechnung selbst verstehen<br />

die meisten „nur noch<br />

Bahnhof“.<br />

Mit dem Ergebnis 4 haben sie dann<br />

das Problem, dass der Quotient<br />

dieser Divisionsaufgabe auf einmal<br />

größer ist, als der Dividend, zugleich<br />

der Divisor viel größer als die beiden<br />

anderen Zahlen, dabei haben sie<br />

vorher bei der Division mit „normalen<br />

Zahlen“ gelernt, dass der<br />

Quotient immer kleiner sein muss als<br />

der Dividend.<br />

Und Fragestellungen „wie viel ml sind<br />

ein achtel Liter, bzw. wie viel ml sind<br />

0,125l ?“ , die man in der Tabelle<br />

beantworten muss, werden schon als<br />

Frage gar nicht mehr verstanden.<br />

Was bleibt, ist allenfalls, es von der Tafel<br />

abzuschreiben <strong>und</strong> auswendig zu lernen wie eine<br />

Formel.<br />

Der Lehrplan verfolgt m. E. das Ziel, die Alltagserfahrung<br />

der Kinder in der 4. Gr<strong>und</strong>schulklasse<br />

zu nutzen, schließlich gehen sie ja praktisch schon<br />

mit Viertel <strong>und</strong> Halben Litern Milch um, um sie<br />

auch an einen mathematischen Umgang mit<br />

Bruchzahlen zu gewöhnen. Gleichzeitig hält man<br />

deren systematische Erklärung in dieser Schulstufe<br />

für eine Überforderung. Diese Vorstellung von<br />

„entwicklungsgerechter Dosierung“ von Bruchzahlen<br />

im Mathematikunterricht der 4. Klasse<br />

kann zu den oben aufgezeigten Fehlvorstellungen<br />

führen.<br />

Um so mehr wäre dann in der Sek<strong>und</strong>arstufe<br />

gefordert, in der Unterrichtspraxis der 6. Klasse<br />

mehr Wert auf das Verständnis des mathematischen<br />

Gehalts der Rechengesetze der Bruchrechnung zu<br />

legen.<br />

Leider ist für viel zu viele Kinder dann das Bruch-<br />

rechnen in der 6. Klasse bzw. der Sek<strong>und</strong>arstufe<br />

ein Manipulieren mit Zahlen nach für sie <strong>und</strong>urchschaubaren<br />

Handlungsvorschriften, die<br />

allenfalls als Merksätze abgespeichert werden, die<br />

entsprechend ihren Vorstellungen, die sie aus der<br />

4. Klasse mitbringen, zum Teil kreativ modifiziert<br />

werden.<br />

Seite 3


Weil die Bezeichnung „Erweitern“ <strong>und</strong> „Kürzen“ in der<br />

Alltagsvorstellung mit Vergrößern bzw. des<br />

Vermindern verb<strong>und</strong>en ist, meinen viele Schüler<br />

2<br />

3<br />

4<br />

sei kleiner als , <strong>und</strong> begründen es damit, dass<br />

6<br />

„oben <strong>und</strong> unten“ beim rechten Bruch die höheren<br />

Zahlen stehen. Weil sie den mathematischen Gehalt<br />

des Erweiterns <strong>und</strong> Kürzens – ich multipliziere mit 1<br />

2<br />

(hier ausgedrückt als ) oder dividiere durch 1 -<br />

2<br />

nicht begriffen haben, ist ihnen auch nicht klar, dass<br />

sich der Wert des Bruchs durch diese Operationen<br />

nicht ändert, weil die 1 das neutrale Element der<br />

Multiplikation <strong>und</strong> Division ist.<br />

3 7<br />

Manche Schüler erweitern auf weil sie die-<br />

4 8<br />

Georg Raming, Osnabrücker Zentrum für mathematisches Lernen<br />

Übungs- <strong>und</strong> Fördermaterial: Cuisinairestäbe<br />

„Zehner ist orange,Achter ist braun, Zweier ist rot.“ Timo, Ende 1. Klasse<br />

Wenn orange auch braun <strong>und</strong> rot ist, dann geht es<br />

nicht um Farbenlehre, sondern um Mathematikunterricht:<br />

Rechnen mit Cuisinairestäben. Die Zahlen bis<br />

zehn werden durch unterschiedliche Längen dargestellt,<br />

um plus 1 cm metrisch genormt. Dies macht sie<br />

quantitativ unterscheidbar. Zudem erschließt sich die<br />

repräsentierte Zahl durch ein weiteres, qualitatives<br />

Orientierungsmerkmal: die jeweilige Farbe des Stabes.<br />

Cuisinairestäbe gehören wahrlich nicht mehr zu den<br />

gängigen Arbeitsmitteln im Unterricht. Anders sieht<br />

es aus, wenn es um die Förderung von rechenschwachen<br />

Kindern geht. Die Mehrzahl dieser Kinder sind<br />

„Zähl-Kinder“. Im Bemühen ein Material zu verwenden,<br />

das das Zählen nicht unterstützt, werden auch<br />

Cuisinairestäbe immer wieder eingesetzt - in der<br />

Hoffnung eineVerfestigung von Zählstrategien zu vermeiden<br />

<strong>und</strong> das Kind vom Zählen wegzuführen.<br />

Im Beratungsgespräch sitze ich mit Timos Eltern <strong>und</strong><br />

seiner Lehrerin zusammen. In der Schule wie zu<br />

Hause kann Timo mit Cuisinairestäben <strong>und</strong> der<br />

Rechenlade seine Aufgaben lösen, aber wehe, man<br />

entzieht ihm das Material. Dann geht in der Regel gar<br />

nichts mehr. Timo sitzt hilflos über seinen Aufgaben,<br />

fragt: „Was muss ich jetzt machen?“. Manchmal<br />

blockt er sogar ganz ab.<br />

Werfen wir einen Blick auf Timos Arbeitsmittel: Mit<br />

Cuisinairestäben lässt sich der Zahlaufbau um plus<br />

eins <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en der Beziehungsaspekt der<br />

Zahlen zueinander darstellen, vorausgesetzt, sie sind<br />

in einer hierarchischen Abfolge um eins geordnet.<br />

selbe Zahl in Zähler <strong>und</strong> Nenner addieren statt zu<br />

multiplizieren. Sie haben eh nicht verstanden,<br />

„warum man mit dem Zähler <strong>und</strong> dem Nenner dasselbe tun<br />

muss“, nur dass!<br />

Und bei den Kindern, bei denen es mit dem Einsatz<br />

der richtigen Regel (entsprechender Paukaufwand<br />

vorausgesetzt) zunächst halbwegs klappt, jedenfalls<br />

vom Standpunkt des richtigen Ergebnisses, sind auch<br />

viele darunter, die von einer Einsicht in die<br />

mathematische Begründung für z. B. die Operation<br />

des Erweiterns bzw. Kürzens weit entfernt sind. In<br />

diesen Fällen stürzt das mühsam gezimmerte Regelwerk<br />

„Bruchrechnen“ spätestens in der 7. oder 8.<br />

Jahrgangstufe ein, wenn die unbegriffenen Operationen<br />

mit Bruchtermen durchgeführt werden<br />

müssen. Mehr zum Thema Bruchrechenen auf Seite 6<br />

Ohne die dazwischenliegenden Stäbe sind die<br />

Unterschiede viel schwieriger zu bestimmen.<br />

Beträgt die Differenz zwischen braun (8) <strong>und</strong><br />

gelb (5) zweimal einen Einer oder dreimal?<br />

Roter oder hellgrüner Stab? Hier fordert das<br />

Material zum Ausprobieren auf.<br />

Ist die Aufgabe gelöst, können die Cuisinairestäbe auf<br />

dieser Ebene nicht nur die Einsicht fördern, dass acht<br />

größer ist als fünf (8 > 5) bzw. dass fünf kleiner ist als<br />

acht, sondern auch das Erkennen der Differenz zwischen<br />

beiden Anzahlen: drei (drei mehr/ drei weniger).<br />

Übrigens, wem es lästig ist, die Zuordnung von<br />

Zahlnamen <strong>und</strong> Farbe zu lernen, der beschriftet die<br />

Stäbe entsprechend: Der orange Stab bekommt die<br />

Zahl ‚10’ verpasst, etc. Für das Vergleichen von<br />

Anzahlen <strong>und</strong> für das Rechnen ist allein das quantitative<br />

Merkmal entscheidend, die Länge der Stäbe. Sie,<br />

die Länge, repräsentiert bei diesem Material die unterschiedlichen<br />

Vielfachen von eins.<br />

Für manche Kinder ist jedoch nicht dieses Kriterium die<br />

Veranschaulichung von bspw. zehn, sondern für sie ist es die<br />

Farbe (orange): „Zehner ist orange.“ Um das Verständnis zu<br />

überprüfen, sollte die Normierung der Cuisinairestäbe für eins<br />

einmal verändert werden.Nicht mehr der beige Stab,sondern der<br />

rote wird als eins festlegt.Welcher Stab repräsentiert jetzt die<br />

Zahl zwei?Violett. Diese Übung lässt sich mit den vorhandenen<br />

Längen bis fünf fortführen:Der orange Stab als Stellvertreter von<br />

fünf, weil er fünf mal so lang ist wie der rote Stab (eins).<br />

Es ergeben sich aus dem Vorteil der farbigen Stäbe -<br />

Seite 4 ©<strong>Kopf</strong> <strong>und</strong> Zahl, <strong>11</strong>. <strong>Ausgabe</strong>


Cuisinairestäbe sind explizit nicht abzählbar, da sie<br />

keine innere Strukturierung haben - aber auch<br />

Nachteile: Es gibt sie nur als ganze Stäbe, da sie nicht<br />

unterteilbar sind.<br />

Beim Vermitteln wie beim Verstehen von<br />

Zahlzerlegungen treten daher einige Hindernisse auf.<br />

Der braune Stab ist zwar genauso lang wie der gelbe<br />

<strong>und</strong> der hellgrüne zusammen. Da sie aber nur parallel<br />

zueinander einsetzbar sind, bleibt dem Schüler hier<br />

leicht verschlossen, dass acht bereits die Inklusion von<br />

fünf <strong>und</strong> drei ist.<br />

Folgerungen aus<br />

Anzahländerungen<br />

innerhalb der beiden<br />

Teile bei<br />

Konstanz der Gesamtmenge lassen sich nicht direkt<br />

darstellen: Von 5 (gelb) einen Einer wegnehmen (-1)<br />

geht nicht <strong>und</strong> damit auch nicht +1 bei 3 (hellgrün).<br />

Zwei neue Stäbe müssten her: beide in violett (4).<br />

Eine Anschauung<br />

die der Situation<br />

entspricht: Jana hat<br />

acht Bonbons. Sie<br />

bekommt zwei Bonbons dazu, dann hat sie genauso viele<br />

Bonbons wie Nico. Der braune <strong>und</strong> der rote Stab entsprechen<br />

der Anzahl der Bonbons von Jana, der orange<br />

Stab den zehn Bonbons von Nico.<br />

Marie hat acht Bonbons. Sie bekommt zwei Bonbons dazu. Für<br />

diese Rechengeschichte ist die Interpretation durch<br />

den braunen, den roten <strong>und</strong> den orangenen Stab eine<br />

sehr gewagte Angelegenheit. Denn das weiß auch<br />

Timo bei all seinen Matheproblemen: Wenn er acht<br />

Süßigkeiten hat <strong>und</strong> noch zwei weitere bekommt sind<br />

es zehn <strong>und</strong> keine zwanzig!<br />

Wird ein Lineal genutzt, taucht diese Ungereimtheit<br />

bei Plus nicht auf: 8 + 2 = 10<br />

Das Lineal macht deutlich, dass zehn der<br />

Wertausdruck von 8 + 2 ist. Zehn ist die Gesamtheit<br />

aller Kästchen bis einschließlich zehn, visuell unterstützt<br />

durch die eingelegten Stäbe.<br />

Bei Subtraktionen ist die Sache weitaus schwieriger.<br />

Marie hat zehn Bonbons. Sie isst davon zwei auf. Die<br />

Interpretation von 10 – 2 als ein Verhältnis von<br />

Ganzes-Teil-Teil hieße, vom orangenen Stab einen<br />

roten Stab wegzunehmen. Wie soll das gehen? Auch<br />

der Einsatz der Rechenlade ist hier keine<br />

Unterstützung. Diese Subtraktion funktioniert nur<br />

©<strong>Kopf</strong> <strong>und</strong> Zahl, <strong>11</strong>. <strong>Ausgabe</strong><br />

dann, wenn man zehn sofort als braun (8) <strong>und</strong> rot (2)<br />

legt. Wer dies bereits weiß, für denjenigen sind<br />

Cuisinairestäbe „just for fun“: weil man damit mal<br />

anders rechnen kann. Aber hier ist bereits vorhandenes<br />

Gr<strong>und</strong>wissen der Ausgangspunkt!<br />

Und darin besteht der gewichtige Unterschied zu<br />

Timo. Wen der Entzug des Materials derart in<br />

Verzweiflung bringt wie Timo, dessen Probleme liegen<br />

meistens weiter <strong>zur</strong>ück im Stoff <strong>und</strong> es stellen<br />

sich zusätzliche Schwierigkeiten ein, wenn bis zwanzig<br />

gerechnet werden soll, wie bei 8 + 6. Werden<br />

beide farbigen Stäbe, braun <strong>und</strong> dunkelgrün, in die<br />

Rechenlade, auf ein Lineal oder einen 1 cm-genormten<br />

Zahlenstrahl gelegt, ist das Ergebnis unschwer<br />

ablesbar:<br />

Der Wert der Summe steht fest: 8 + 6 =14<br />

Ein Verständnis vom Bündeln <strong>und</strong> Entbündeln zwischen<br />

Einern <strong>und</strong> Zehner ist für die Bewältigung der<br />

Aufgabe keine Voraussetzung. Wer die Ablesehilfe auf<br />

100 erweitert, den betrifft die Logik des dezimalen<br />

Positionssystems <strong>und</strong> damit verb<strong>und</strong>en der<br />

Zehnerübergang im wahrsten Sinne des Wortes „über<br />

weite Strecken“ nicht. Lediglich beim Schreiben <strong>und</strong><br />

beim Lesen zweistelliger Zahlen sind Normen zu<br />

berücksichtigen. Davon, dass zehn Einer zu einer<br />

neuen Einheit - einem Zehner - gebündelt werden,<br />

bleibt dieser Rechner unberührt.<br />

Heißt es: „Rechne erst bis zum Zehner“, was dann?<br />

Braun <strong>und</strong> rot sind 10. Eventuell bedarf es jetzt einer<br />

Nebenrechnung: Unter den dunkelgrünen Stab (6) den roten<br />

Stab (2) <strong>und</strong> dann ist noch Platz für einen violetten Stab (4).<br />

Dieser fehlt in der Rechnung: braun+rot=orange <strong>und</strong> dann<br />

noch orange+violett. Ohne Ablesehilfe wird zum<br />

Abschluss ggf. „zum Zehner der Vierer dazugezählt.“<br />

Wer bekommt diese Schritte ohne Material hin? Doch<br />

nur derjenige, der nicht mehr aufs Ausprobieren<br />

angewiesen ist <strong>und</strong> den Übergang zum abstrakten<br />

Rechnen bereits gemacht hat. Wer hierfür die notwendigen<br />

Voraussetzungen mitbringt denkt quantitativ:<br />

8+6=8+2+4=10+4=14.<br />

Timo ist dies bisher nicht gelungen. Seine anhaltenden<br />

Schwierigkeiten sind als Hinweis auf mögliche<br />

Irrtümer im Zahl- <strong>und</strong> Operationsverständnis ernst zu<br />

nehmen. Es ist sinnvoll, einmal abzuklären, welche<br />

Vorstellungen vom Zahlaufbau, von Zahlzerlegungen<br />

<strong>und</strong> deren Anwendungen bei plus <strong>und</strong> minus Timo<br />

überhaupt entwickelt hat. Und genau das ist meine<br />

Empfehlung im Beratungsgespräch an die Eltern <strong>und</strong><br />

die Lehrerin.<br />

Seite 5


Irene von Schwerin,<br />

<strong>Mathematisches</strong> <strong>Institut</strong> <strong>zur</strong> Behandlung der Rechenschwäche,<br />

München<br />

Rubrik Aus Fehlern lernen ...<br />

Klassifikation der Fehler bei der Durchführung der<br />

Gr<strong>und</strong>rechenarten mit Bruchzahlen<br />

Die häufigsten Fehler, die bei der Durchführung der<br />

einzelnen Gr<strong>und</strong>rechenarten mit Bruchzahlen<br />

vorkommen, verdanken sich im wesentlichen einer<br />

Verdrehung der mathematischen Gesetzmäßigkeiten<br />

oder ihrer Nichtbeachtung. Häufig<br />

werden Rechenregeln, die bei der einen Rechenart<br />

gelten, auf die anderen übertragen <strong>und</strong> um-gekehrt.<br />

In diesen Fällen wird allemal deutlich, dass die<br />

Anwendung der Regeln schematisch passiert <strong>und</strong><br />

nicht aus mathematischer Einsicht.<br />

Addition <strong>und</strong> Subtraktion:<br />

Bei der Suche bzw. dem Umgang mit dem<br />

Hauptnenner bei Addition <strong>und</strong> Subtraktion treten<br />

folgende Fehlerbilder auf:<br />

Die Regel des gleichnamig Machens wird nur<br />

bruchstückhaft anwendet:<br />

3 1 3 + 1 4<br />

+ = =<br />

5 2 10 10<br />

Sie multiplizieren die Nenner zu einem gemeinsamen<br />

Hauptnenner <strong>und</strong> addieren die Zähler.<br />

Am häufigsten wird zu der „Regel, ich addiere Zähler<br />

mit Zähler <strong>und</strong> Nenner mit Nenner, gegriffen.“ Hier wird,<br />

was für die Multiplikation gilt, auf die Addition<br />

übertragen.<br />

1 1 2<br />

+ =<br />

3 6 9<br />

Diese vermeintlichen „Regeln“ werden ebenso bei<br />

der Subtraktion angewandt.<br />

Multiplikation:<br />

5 4 20<br />

• =<br />

8 8 8<br />

was für die Addition in bezug auf den gemeinsamen<br />

Nenner gilt, wird auf die Multiplikation<br />

einfach übertragen. Viele Schüler sind aber auch<br />

schöpferisch im Modifizieren dieser falschen Regel:<br />

3 2 6<br />

• =<br />

4 4 8<br />

in diesem Fall wird der Zähler multipliziert, der<br />

Nenner wird addiert.<br />

Besondere Probleme stellen die gemischten Brüche<br />

bei allen Operationen dar, weil gar nicht klar ist,<br />

welchen Bezug die ganze Zahl zum Bruch hat.<br />

Seite 6<br />

1<br />

4 • 3 =<br />

2<br />

1<br />

12<br />

2<br />

Hier werden die natürlichen Zahlen multipliziert<br />

<strong>und</strong> der Bruch wird beibehalten. Dass es sich<br />

dabei um eine Verletzung des Distributivgesetzes<br />

handelt, erschließt sich vielen Schülern nicht,<br />

weil sie nicht wissen, dass zwischen der Ganzen<br />

Zahl <strong>und</strong> dem Bruch ein +/- Zeichen steht, das<br />

nicht geschrieben wird.<br />

1<br />

Ebenso: 3 •<br />

4<br />

1<br />

5 =<br />

3<br />

1<br />

15<br />

12<br />

Hier liegt der Fehler darin, dass, die natürlichen<br />

Zahlen <strong>und</strong> die Brüche getrennt multipliziert<br />

werden, nach dem Motto verknüpfe Gleiches.<br />

Division:<br />

Bei der Division wird wieder das „Schema“ aus<br />

Addition/Subtraktion angewandt:<br />

12<br />

20<br />

6 2<br />

- =<br />

20 20<br />

Es wird nur der Zähler dividiert, „weil, was im<br />

Nenner steht, ist ja schon geteilt wegen dem Bruchstrich“,<br />

so die „Begründung“<br />

3 3<br />

: 9 =<br />

5 5<br />

4<br />

: 2 =<br />

14<br />

4<br />

14 ÷ 2<br />

= 4<br />

:<br />

7<br />

Die betroffenen Schüler wissen zwar, dass man<br />

bei der Division den Kehrbruch bilden muss,<br />

wenden aber ein: „ bei einer ganzen Zahl kann man<br />

doch keinen Kehrbruch bilden.“ Es kommt auch vor,<br />

dass vom Dividend der Kehrbruch gebildet wird.<br />

In der Regel haben vor allem rechenschwache<br />

Schüler auch nicht die leiseste Größenvorstellung<br />

vom zu erwartenden Ergebnis:<br />

4<br />

4 : =<br />

6<br />

4 : ÷ 4<br />

6<br />

1<br />

=<br />

6<br />

Muss das Ergebnis größer oder kleiner werden als<br />

der Dividend, wenn der Divisor > 1 ist? Diese<br />

Frage wird von vielen schon gar nicht verstanden.<br />

Die Tatsache, dass der Quotient größer werden<br />

muss als der Dividend, wenn der Divisor < 1 ist,<br />

wo doch bei der Division im Zahlenraum der<br />

Natürlichen Zahlen der Quotient immer kleiner<br />

wird, stiftet Verwirrung. Und bei der Multiplikation<br />

umgekehrt: da wird das Produkt kleiner<br />

wenn ein Faktor < 1, wo man doch bisher –<br />

sprich: bei den natürlichen Zahlen – gelernt hat,<br />

dass das Produkt immer größer sein muss, als<br />

ihre einzelnen Faktoren. Spätestens hier ist die<br />

Konfusion perfekt für Schüler, die versuchen,<br />

Bruchrechnen mit einem Regelkanon zu<br />

bewältigen!<br />

©<strong>Kopf</strong> <strong>und</strong> Zahl, <strong>11</strong>. <strong>Ausgabe</strong>


Wolfgang Hoffmann,<br />

Mathematisch Lerntherapeutisches<br />

Zentrum Dortm<strong>und</strong>/Bochum<br />

Mikado<br />

“Ein alter Hut?”<br />

Von wegen! Wir bekommen es auf<br />

unseren Lehrerfortbildungen immer<br />

wieder berichtet: „Die Kinder kommen mit<br />

immer schlechteren Voraussetzungen in die<br />

Schule.“ Es mangelt anscheinend an allem: Ob Groboder<br />

Feinmotorik, Zahlenverständnis oder Sprache –<br />

die Liste ist lang <strong>und</strong> wird lang <strong>und</strong> länger.<br />

Und was hat MIKADO hier zu suchen? Eine ganze<br />

Menge, wie ich meine. Klassische Kinderspiele finden<br />

kaum noch den Weg in’s Kinderzimmer oder an den<br />

Küchentisch <strong>und</strong> inzwischen gibt’s selbst Eltern, die<br />

diese Spiele nicht mehr kennen. Fatal? Warum?<br />

Vielfach haben Computerspiele die klassischen<br />

Kinderspiele verdrängt. Dort werden beispielsweise<br />

erzielte Punkte nur in Ziffernform dargestellt <strong>und</strong><br />

nicht als strukturierte Mengenbilder. Kein W<strong>und</strong>er,<br />

dass die Kinder dann vom Aufbau der Zahlen keine<br />

Ahnung haben. Statt „Gummi-Twist“ werden<br />

virtuelle Aliens „abgeschossen“ - nicht gerade ein<br />

angemessenes Training für die Entwicklung der<br />

Grobmotorik, um es einmal vorsichtig auszudrücken,<br />

eher das gerade Gegenteil. Den Gipfel dieser digitalen<br />

Exzesse fand ich vor zwei Jahren im Internet:<br />

„Flohhüpfen“, ein Spiel, das die Feinmotorik des<br />

Kindes trainieren soll. Jetzt braucht man nur noch auf<br />

den Curser-Tatsen herumzutrommeln. Feinmotoriktraining<br />

virtuell gestaltet - ein wahrlicher Hammer an<br />

Widerspruch, wie ich meine!<br />

Dabei dürfte doch langsam eines ‘mal aufgefallen<br />

sein: Das Aussterben klassischer Kinderspiele verhält<br />

sich direkt proportional zu den zunehmenden<br />

Problemen der Kinder. Bestimmt ist dies nicht der<br />

einzige Gr<strong>und</strong>, keine Frage, aber eine Rolle spielt dies<br />

sicherlich, besonders in der Vor- <strong>und</strong> Gr<strong>und</strong>schulzeit<br />

©<strong>Kopf</strong> <strong>und</strong> Zahl, <strong>11</strong>. <strong>Ausgabe</strong><br />

des Kindes. Reagiert wird auf diese Entwicklung dann<br />

meist mit der Schuldfrage: Der Psychologie-Professor<br />

fragt sich in der Stochastik-Vorlesung, wie seine<br />

Studenten überhaupt zum Abitur gekommen sind.<br />

Die Kollegin in der Oberstufe beschleicht irgendwie<br />

der Verdacht, dass das Thema Algebra in der<br />

Mittelstufe nicht behandelt wurde. Die hierfür<br />

zuständige Kollegin fragt sich zu Beginn der fünften<br />

Klasse, was man den Kindern in der Gr<strong>und</strong>schule<br />

überhaupt beigebracht hat. Die Gr<strong>und</strong>schullehrerInnen<br />

geraten zunehmend in<br />

Schwierigkeiten mit ihrem Curriculum, weil sie sich<br />

mit Problemen aus der Vorschulzeit des Kindes<br />

„herumschlagen“ müssen. Die ErzieherInnen stellen<br />

fest, dass sie für erzieherische Defizite im Elternhaus<br />

„dingfest“ gemacht werden. Und als ob das<br />

„Spielchen“„Wer hat den Schwarzen Peter“ nicht<br />

schon für sich so unproduktiv ist wie nur<br />

was, thront über allem die Bildungs-<br />

(=„Finanz-“?) <strong>und</strong> Schulpolitik, die<br />

mittels PISA oder VERA nicht nur<br />

gelbe <strong>und</strong> rote Karten an die<br />

Schulen verteilt (das<br />

Geld <strong>und</strong> die dafür<br />

notwendige Zeit<br />

kann man<br />

wirklich<br />

besser<br />

anlegen!),<br />

sondern als<br />

Reaktion auf zunehmende<br />

Probleme<br />

„individuelle Förderung“<br />

per Gesetz verordnet <strong>und</strong><br />

gleichzeitig die Klassen bis zum<br />

Anschlag aufmunitioniert, um nur ein<br />

Beispiel zu nennen. Schuldige suchen hat<br />

noch nie zu etwas Positivem geführt.<br />

„Computer-Spiele sind doch praktisch?“<br />

Stimmt, wenn man keine Zeit, Lust, Geduld oder<br />

Kraft mehr hat, sich mit den Kindern zu beschäftigen.<br />

„Konsole an - <strong>und</strong> auf Wiedersehen“. Klar mögen es<br />

kleine Kinder, wenn es kracht <strong>und</strong> knallt <strong>und</strong> alles so<br />

schön bunt ist. Der Nachwuchs ist zufrieden <strong>und</strong> für<br />

die nächsten St<strong>und</strong>en „versorgt“. Und was lernt das<br />

Kind dort? Bestenfalls schnelle Reaktion auf<br />

Knopfdruck. Und wenn das Nachbarskind neidisch<br />

auf den flackernden LCD-Bildschirm schaut, heißt es<br />

dann in nicht wenigen Fällen: „Das hast du nicht? Bist<br />

du blöd!“ Damit ist dann das „Spiel“ im nächsten<br />

Haushalt verankert, weil das Kind keine Ruhe mehr<br />

gibt, bevor es auch die bunte virtuelle Welt in den<br />

Händen hält.<br />

Seite 7


Im Gegensatz zu Computer-Spielen haben klassische<br />

Kinderspiele häufig einen vermeintlich entscheidenden<br />

„Nachteil“: Man muss sich als Erwachsener Zeit<br />

nehmen, um mit dem Kind zu spielen, ihm die<br />

Regeln zu erklären, es aufzumuntern, wenn es nicht<br />

auf Anhieb klappt <strong>und</strong> je nach Kindesalter etwas<br />

Kreativität bei der Modifikation des Regelwerks<br />

zeigen.<br />

MIKADO - Wie funktioniert’s noch ‘mal?<br />

Das Spiel besteht aus 41 r<strong>und</strong>en dünnen Holzstäben<br />

mit unterschiedlichen Farbmarkierungen, die an<br />

ihren Enden spitz zulaufen. Es gibt fünf verschiedene<br />

Sorten von Stäben, die jeweils eine andere Wertigkeit<br />

an Punkten repräsentieren:<br />

Mikado lässt sich<br />

auch mit Kindern<br />

spielen, die noch<br />

nicht in der Schule<br />

sind oder noch<br />

keine Zahlen kennen.<br />

In diesem Fall<br />

kann man die Wertigkeit<br />

der einzelnen<br />

Stäbe mit Strichen<br />

darstellen.<br />

Die Wertigkeit sollte dabei die Anzahl von fünf<br />

Punkten nicht übersteigen:<br />

Die Stäbchen werden<br />

nun so in die Hand<br />

genommen, dass die<br />

Faust auf dem Tisch<br />

aufliegt.<br />

Bei den Wertigkeiten<br />

dargestellt mit Strichen<br />

sollte unbedingt<br />

darauf geachtet<br />

werden, dass die<br />

Fünf mit einem<br />

Querstrich gebündelt<br />

dargestellt wird<br />

(also keine fünf Striche<br />

nebeneinander).<br />

Durch plötzliches Öffnen der Hand fallen die Stäbe<br />

kreisförmig auf den Tisch. Bei einem schlechten Wurf<br />

ist eine Wiederholung gestattet. Nun versucht man,<br />

die Stäbe mit den Fingern einzeln aufzunehmen,<br />

ohne dass sich ein anderer dabei bewegen darf. Ein<br />

Druck des Fingers auf die Spitze des Stabes<br />

ermöglicht ein sicheres Aufnehmen.<br />

Nimmt ein Spieler den Stab mit der blauen Spirale<br />

auf, so darf er diesen beim Abheben weiterer Stäbe<br />

benutzen.<br />

Bewegt sich beim Abnehmen<br />

eines Stabes ein<br />

anderer Stab, ist er <strong>zur</strong>ückzulegen.<br />

Der nächste Spieler<br />

ist nun an der Reihe.<br />

Gewonnen hat der Spieler,<br />

der die meisten Punkte erzielt hat. Ein ganz hervorragendes<br />

Spiel zum Training der Feinmotorik.<br />

Das Ausrechnen der Punkte<br />

Für Vorschulkinder <strong>und</strong> Schulanfänger<br />

Zunächst werden die eingesammelten Stäbe nach<br />

ihrer Farbe sortiert. Auf dem Tisch liegt ein Zettel, der<br />

die Wertigkeiten der einzelnen Stäbe angibt:<br />

Es ist darauf zu achten, dass das<br />

Kind die Wertigkeit der Stäbe<br />

(also die Anzahl der Striche)<br />

unbedingt simultan erfasst <strong>und</strong><br />

nicht zählend. Mama fängt an,<br />

ihre Punkte zu notieren <strong>und</strong><br />

zeigt dem Kind, wie es ge -<br />

macht wird. Dafür hat sie<br />

einen Zettel vorbereitet. Sie hat<br />

insgesamt 18 Stäbe gesammelt,<br />

die sich wie nebenstehend<br />

verteilen.<br />

Das nun folgende Verfahren funktioniert nach dem<br />

Prinzip der Eins-zu-eins-Zuordnung: Mama nimmt<br />

nun ihre Einerstäbe <strong>und</strong> malt sich für jeden Stab<br />

einen Strich in das erste Kästchen:<br />

Seite 8 ©<strong>Kopf</strong> <strong>und</strong> Zahl, <strong>11</strong>. <strong>Ausgabe</strong>


Nun nimmt sie ihre drei Zweierstäbe <strong>und</strong> malt für<br />

jeden einzelnen Stab zwei Striche auf. Dabei fasst sie<br />

durch einen Querstrich jeweils fünf Punkte zu einem<br />

Bündel zusammen. Das erste Kästchen ist nun voll.<br />

©<strong>Kopf</strong> <strong>und</strong> Zahl, <strong>11</strong>. <strong>Ausgabe</strong><br />

Lena verfährt jetzt genauso wie<br />

ihre Mutter. Auch sie muss fünf<br />

Punkte zu einem Bündel zusammenfassen.<br />

Nun wird ein<br />

Zwischenergebnis ermittelt.<br />

Fragen Sie das Kind: „Wer hat<br />

mehr Punkte?“ „Wer hat weniger<br />

Punkte?“ „Haben wir gleich viele<br />

Punkte?“ „Wer ist in Führung <strong>und</strong><br />

warum?“<br />

Das Kind sollte diese Fragen nicht-zählend beantworten<br />

können, da es per Eins-zu-eins-Zuordnung<br />

analysieren kann, dass beide den ersten Fünfer „voll<br />

haben“, Mama aber einen zweiten Fünfer hat. Es muss<br />

auch lernen, dass es die Differenzmenge benennen<br />

oder zeigen kann, indem es beispielsweise die Punkte<br />

(Striche) einkreisen kann, die Mama mehr hat.<br />

Mit den Dreierstäben verfährt man nun analog: Zuerst<br />

macht Mama es vor, dann soll es Lena „ausrechnen“.<br />

Auf dem Zettel ergibt sich nun folgende Bilanz:<br />

Lena muss überhaupt nicht wissen, wie viele Punkte<br />

Mama oder sie selbst insgesamt hat. Der Vergleich der<br />

Quantitäten muss aber über das Bündelungsprinzip<br />

erfolgen (Fünfer-Bündel <strong>und</strong> in einem Kästchen zwei<br />

Fünfer-Bündel) <strong>und</strong> nicht durch einzelnes Abzählen.<br />

Nun werden die restlichen Punkte notiert. Das<br />

Endergebnis sieht in unserem Beispiel nun so aus:<br />

Was soll gelernt werden?<br />

1.Wie bereits erwähnt, trainiert das Spiel die<br />

Feinmotorik des Kindes. Darüber hinaus werden<br />

beim „Ausrechnen“ der Punkte aber auch entscheidende<br />

mathematische Inhalte vermittelt:<br />

2. Das Kind wird mit dem Gedanken der Wertigkeit<br />

vertraut gemacht, also dass ein Stab beispielsweise<br />

vier Punkte zählt. Es kann deshalb durchaus sein, dass<br />

man zwar mehr Stäbe gesammelt hat, aber trotzdem<br />

weniger Punkte hat. Dieses Wissen ist ausgesprochen<br />

hilfreich, wenn das Kind im zweiten Schuljahr die<br />

Zahlen bis 100 kennenlernt: 39 sind weniger als 51,<br />

da kann man so viel Einer haben, wie man will. Die<br />

Zehner sind mehr wert. Auch beim Erlernen der<br />

Maßeinheiten spielt dieser Gedanke eine entscheidende<br />

Rolle: 3 km > 300 m, obwohl für die Zahlen<br />

selbst gilt: 3 < 300. Nicht zuletzt tauchen<br />

Wertigkeitsfragen auch beim Umgang mit Geld auf:<br />

Scan! Bild wird wie im Ausdruck<br />

Die eine Münze auf der linken Seite ist gleich viel<br />

wert, wie die zehn Münzen auf der rechten Seite <strong>und</strong><br />

das auch noch, obwohl auf der linken Münze nur<br />

eine eins steht <strong>und</strong> auf den rechten Münzen jeweils<br />

eine zehn - für ein Kind ein nicht gerade einfacher<br />

Gedanke, wenn es bisher immer gelernt hat, dass<br />

1


3. Das Kind lernt, wie man Mengenvergleiche herstellt,<br />

wann etwas mehr oder weniger ist, wann<br />

etwas gleich viel ist. Es lernt mit Begriffen wie<br />

„mehr als“ „weniger als“ <strong>und</strong> „gleich viel wie“<br />

umzugehen. Es soll Differenzmengen benennen<br />

können („Die rot eingekreisten hast du mehr als<br />

ich.“)<br />

4. Das Kind erhält erste Einblicke in Mengenstrukturen.<br />

Es soll begreifen, dass das Strukturieren von<br />

Mengen in Fünfer-Bündeln <strong>und</strong> Zehner-Kästchen<br />

einen Vergleich der Anzahlen wesentlich erleichtert.<br />

Darüber hinaus macht es erste Bekanntschaft mit<br />

Zehnern, ohne dass man diese gleich so benennen<br />

muss.<br />

Für Kinder ab Beginn der zweiten Klasse<br />

Die Notierung der Punkte erfolgt in identischer Weise<br />

wie oben beschrieben. Den Vergleich der Anzahlen<br />

führt das Kind nun nicht mehr per Eins-zu-eins-<br />

Zuordnung durch, sondern es werden die Zahlen zu<br />

den entsprechenden<br />

Mengen dazugeschrieben:<br />

Die Mutter (oder<br />

der erwachsene Mitspieler)<br />

fragt nach. Im Idealfall läuft es dann so: „Wie<br />

viele Punkte habe ich?“ Das Kind sollte spontan<br />

(ohne zu zählen) mit „zehn“ antworten. „Und wie<br />

viele Punkte hast du?“ Auch hier muss spontan die<br />

Antwort „fünf“ kommen. Die Mutter fragt weiter:<br />

„Wer ist jetzt in Führung?“ Das Kind antwortet:<br />

„Du!“ „Und woher weißt du das?“ „Weil zehn mehr<br />

sind als fünf.“ „Wie viele habe ich denn mehr als<br />

du?“ „Das sind fünf, das sieht man doch sofort.“<br />

Danach werden die Punkte für die Dreier- <strong>und</strong><br />

Viererstäbe notiert. Die Anzahl der jeweiligen Punkte<br />

in den einzelnen Kästchen schreibt das Kind als Zahl<br />

auf. Es ist unbedingt darauf zu achten, dass das Kind<br />

die Anzahl der Punkte im dritten Kästchen der Mutter<br />

spontan mit der Zahl acht verbindet (die acht als eine<br />

fünf <strong>und</strong> eine drei), sonst könnte es sein, dass es<br />

bereits Schwierigkeiten im Zahlaufbau der Zahlen im<br />

Zahlenraum bis 10 gibt.<br />

Nun soll das Kind die Gesamtanzahl der Punkte durch<br />

eine Addition ermitteln:<br />

Seite 10<br />

Wie im vorherigen Beispiel auch, werden nun die<br />

restlichen Punkte notiert. Das Kind soll wiederum die<br />

Anzahl der Punkte im jeweiligen Kästchen notieren<br />

<strong>und</strong> dann durch Addieren den Gesamtpunktestand<br />

ermitteln <strong>und</strong> herausbekommen, wer gewonnen hat.<br />

Was soll gelernt werden?<br />

Zu den bereits beschriebenen Lerninhalten kommt<br />

hinzu:<br />

1.Das Kind lernt Zehner„blöcke“ <strong>und</strong> Einer kennen.<br />

Es soll lernen, dass die Zahl 64 aus sechs Zehner-<br />

Kästchen <strong>und</strong> 4 Einer-Strichen besteht, dass die<br />

Ziffern sechs <strong>und</strong> vier für eine Anzahl von<br />

Wertigkeiten stehen.<br />

2.Es soll ferner lernen, dass man zuerst die Zehner-<br />

Stelle notieren sollte <strong>und</strong> dann die Einer-Stelle,<br />

obwohl das Wort im Deutschen umgekehrt gesprochen<br />

wird. Die Darstellungsform in den Strichgrafiken<br />

macht es für das Kind anschaulich (zuerst die<br />

Zehner-Kästchen, dann die restlichen einzelnen<br />

Striche, wie man in Deutschland auch schreibt: Von<br />

links nach rechts).<br />

3.Das Kind erlernt die ersten „einfachen Additionen“<br />

von einzelnen Zehnern <strong>und</strong> von vollen Zehnern <strong>und</strong><br />

Einern.<br />

4.Es soll erkennen, warum ein „voller Zehner“<br />

eigentlich „so furchtbar voll“ ist. Mit zwei Fünfer-<br />

Bündeln ist ein Kästchen voll <strong>und</strong> das ergibt genau<br />

zehn.<br />

Für Kinder ab Ende der zweiten Klasse <strong>und</strong> alle<br />

Mamas, Papas, Omas <strong>und</strong> Opas - halt ein Leben lang<br />

Die Endform des Spiels <strong>und</strong> der Verrechnung der<br />

Punkte sollte nun so erfolgen, wie es das Spiel auch<br />

vorsieht. Die Wertigkeit der Stäbe wird dem Kind auf<br />

einem Blatt vorgelegt:<br />

©<strong>Kopf</strong> <strong>und</strong> Zahl, <strong>11</strong>. <strong>Ausgabe</strong>


Wir nehmen den gleichen Ausgang des Spiels, wie in<br />

den beiden vorhergehenden Beispielen. Weil Kinder<br />

Ende der zweiten Klasse das 1x1 beherrschen sollten,<br />

lässt sich mit folgender Notierung ein lehrreiches<br />

Spiel <strong>zur</strong> Übung durchführen:<br />

Natürlich können auch Zwischenstände ermittelt<br />

werden. Das erhöht die Anzahl der zu lösenden<br />

Aufgaben.<br />

Es ist unbedingt darauf zu achten, dass das Kind die<br />

Multiplikationen spontan lösen kann. Fällt dem Kind<br />

einmal ein Ergebnis nicht sofort ein, sollte es sich die<br />

Lösung über das Distributivgesetz (Verteilungsgesetz)<br />

herleiten können: 6x3=5x3+1x3 15+3=18 oder<br />

9x3=10x3-1x3 30-3=27. Völlig falsch ist es, wenn<br />

das Kind die jeweilige 1x1-Reihe immer wieder von<br />

vorne abzählen muss! Zwar nicht völlig falsch aber<br />

Sehr problematisch ist es, wenn das Kind die Lösung<br />

nur durch das x-fache Addieren des zweiten Faktors<br />

ermitteln kann. Hier fehlt es nicht nur an Übung <strong>und</strong><br />

Automatisierung, sondern am Verständnis.<br />

Dann werden die jeweiligen Punktzahlen addiert.<br />

Ende der zweiten Klasse im <strong>Kopf</strong> <strong>und</strong> nicht-zählend!<br />

Strikt verboten ist das Untereinanderschreiben; das<br />

Kind lernt kein <strong>Kopf</strong>rechnen <strong>und</strong> kennt sich später in<br />

den Zahlenräumen nicht aus!<br />

©<strong>Kopf</strong> <strong>und</strong> Zahl, <strong>11</strong>. <strong>Ausgabe</strong><br />

Was soll gelernt werden?<br />

Zu den bereits beschriebenen Lerninhalten kommt<br />

hinzu:<br />

1.Das Kind lernt, dass man mit Multiplikationen viel<br />

schneller zum Ergebnis gelangt, als wenn man alles<br />

addieren muss.<br />

2.Das Kind soll begreifen, dass man nur dann<br />

Produkte bilden kann, wenn der jeweilige Wert identisch<br />

ist (Zusammenhang <strong>zur</strong> Addition der immer<br />

gleichen Zahl).<br />

3.Es soll erkennen, dass der erste Faktor im Produkt<br />

immer eine Anzahl angibt (in diesem Fall die Anzahl<br />

der jeweiligen Stäbe), also einheitsfrei ist <strong>und</strong> der<br />

zweite Faktor den Wert der Stäbe, also eine Einheit hat<br />

(in diesem Fall Punkte). Unbedingt unterlassen werden<br />

sollte die Anwendung des Kommutativgesetzes<br />

oder wie es Eltern häufig formulieren: „Wenn du<br />

nicht weißt, wie viel 9 mal 2 sind, dann rechne doch<br />

einfach 2 mal 9 - das ist doch das gleiche!“ Das<br />

stimmt nicht: 9 Stäbe mit dem jeweiligen Wert von 2<br />

Punkten, das gibt es. Es gibt aber keine 2 Stäbe mit<br />

jeweils 9 Punkten - das ist ein Unterschied! 0 Stäbe<br />

mit 20 Punkten, das kann passieren, aber 20 Stäbe mit<br />

jeweils 0 Punkten zu sammeln, das ist nun wirklich<br />

vergebene Liebesmüh’. Wendet das Kind beim<br />

Ausrechnen der Punktzahl von sich aus das<br />

Kommutativgesetz an, muss man sich beim Kind versichern,<br />

ob es den Unterschied kennt <strong>und</strong> erklären<br />

oder demonstrieren kann. Fragen Sie nach: „Hast du<br />

wirklich 2 Stäbe mit 9 Punkten gesammelt? Lege mir<br />

die doch einmal hin!“ Wenn das Kind diesen<br />

Unterschied nicht begreift, gibt das nicht nur in der<br />

Algebra eine Katastrophe, sondern auch der spätere<br />

Physiklehrer sieht sich mit einem Einheitensalat konfrontiert,<br />

dass ihm die Haare zu Berge stehen.<br />

Wichtig ist dieser Unterschied auch beim Teilen <strong>und</strong><br />

Verteilen - das ist nicht das gleiche!<br />

4.Das Kind übt 1x1-Aufgaben <strong>und</strong> Additionen im<br />

Zahlenraum bis 100.<br />

Ein Fazit<br />

Micado? Ein alter Hut? Von wegen! Bei diesem Spiel<br />

kann man dem Kind eine Menge beibringen. Ein<br />

wenig Kreativität ist da natürlich von erwachsener<br />

Seite aus gefordert <strong>und</strong> natürlich auch ein entsprechendes<br />

Maß an Zeit, um sich mit dem Kind hinzusetzen.<br />

Beides braucht man nicht, wenn man das<br />

Kind vor den PC oder sonstigen Geräten setzt. Fragt<br />

sich nur: Was braucht das Kind eigentlich für seine<br />

weitere Schullaufbahn <strong>und</strong> sein späteres Leben? Einen<br />

Europa-Rekord im Abschießen von Aliens? Den kann<br />

es dann in die Bewerbungsmappe für eine Ausbildungsstelle<br />

legen. Mal seh’n, wie das dann ausgeht.<br />

Seite <strong>11</strong>

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