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schmerzmedizin 4 / 2012 - Schmerz Therapie Deutsche Gesellschaft ...

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ISSN 2194-2536<br />

SCHMERZMEDIZIN<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>therapie e.V.<br />

und <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>medizin e.V.<br />

28. Jahrgang <strong>2012</strong> 4 I <strong>2012</strong><br />

Neue Wege in der<br />

<strong>Schmerz</strong>medizin<br />

© XXX / Fotolia.com<br />

Editorial<br />

Heiße Eisen ... _______________________ 2<br />

<strong>Schmerz</strong>offensive Deutschland<br />

Start der Online-Plattform der<br />

DGS-PraxisLeitlinien <strong>Schmerz</strong>therapie ___ 4<br />

<strong>Deutsche</strong>r <strong>Schmerz</strong>kongress <strong>2012</strong><br />

Aktionsbündnis<br />

<strong>Schmerz</strong>freie Stadt Münster ___________ 6<br />

Südwestdeutsche <strong>Schmerz</strong>tage<br />

Verhindern Heiler Heilung? ____________ 8<br />

Abrechnung<br />

Die Honorare 2013 steigen –<br />

auch für <strong>Schmerz</strong>therapeuten? ________ 10<br />

Impressum ________________________11<br />

Psychologie<br />

Seelische <strong>Schmerz</strong>en tun auch weh! ____ 12<br />

Palliativmedizin<br />

Terminale Sedierung – eine Maßnahme<br />

der Symptomkontrolle _______________ 15<br />

Der besondere Fall<br />

Mit Radiofrequenzläsion der lumbalen<br />

Facettengelenke gegen chronischen<br />

Rückenschmerz ____________________ 17<br />

Neurologie<br />

Occipitalis-Nervenstimulation gegen<br />

chronische Migräne _________________ 18<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie und Palliativversorgung<br />

bei sterbenden Schlaganfallpatienten___ 20<br />

<strong>Schmerz</strong>en bei multipler Sklerose ______ 22<br />

Geriatrie<br />

Pflege und <strong>Schmerz</strong> –<br />

eine tagtägliche Katastrophe __________ 23<br />

Internet<br />

Chancen und Risiken der Social Media –<br />

Facebook, Google etc. _______________ 25<br />

Kasuistik<br />

Spezifische <strong>Therapie</strong> für unspezifische<br />

<strong>Schmerz</strong>en? ________________________26<br />

DGS-Veranstaltungen _______________27<br />

www.dgschmerztherapie.de


2<br />

Editorial<br />

Heiße Eisen ...<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

wieder einmal packt die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>therapie e. V. mit<br />

dem „Facharzt für <strong>Schmerz</strong>medizin“ und den „DGS-PraxisLeitlinen“ zwei heiße<br />

Eisen an.<br />

Facharzt für <strong>Schmerz</strong>medizin<br />

Warum gerade jetzt, mögen Sie sich fragen, kommt die DGS<br />

mit der Forderung nach einem Facharzt für <strong>Schmerz</strong>medizin,<br />

wo doch die Bundesärztekammer bemüht ist, die Anzahl der<br />

Spezialisierungen und Fachgebiete eher einzugrenzen, und<br />

die <strong>schmerzmedizin</strong>ische Versorgung besser denn je zu sein<br />

scheint. 1.900 zertifizierte „spezielle <strong>Schmerz</strong>therapeuten“,<br />

von denen rund 1.400 in irgendeiner Form auch mit Patienten<br />

arbeiten, müssten doch die Versorgung in Deutschland<br />

enorm verbessert haben.<br />

Versorgung verschlechtert sich dramatisch<br />

Das Gegenteil ist leider der Fall. War noch in den 80iger Jahren<br />

die Devise der Kassenärztlichen Vereinigungen und Kammern:<br />

„<strong>Schmerz</strong>therapie, das kann jeder Arzt“, ist inzwischen<br />

klar geworden, dass wir deutliche Defizite in der Ausbildung<br />

und auch in der Versorgung haben.<br />

Das ab 2016 in die Approbationsordnung als Querschnittsfach<br />

Q 14 eingeführte Pflichtfach <strong>Schmerz</strong>medizin ist hier nur<br />

ein geringer Trost, da die so mit Grundkenntnissen versehenen<br />

Ärzte erst nach einer Facharztausbildung in der Regel<br />

ab 2021 oder 2022 in die Versorgung kommen werden.<br />

Die 1996 mit mühsamen Vorarbeiten eingeführte Zusatzbezeichnung<br />

„spezielle <strong>Schmerz</strong>therapie“ krankt daran, dass<br />

sie jeweils fachgebietsbezogen ist und Zusatzbezeichnungen<br />

Fachgebietsgrenzen nicht überschreiten dürfen. Patienten<br />

mit chronischen problematischen <strong>Schmerz</strong>erkrankungen<br />

halten sich allerdings nicht an Fachgebietsgrenzen, sondern<br />

leiden an komplexen Erkrankungen, die mit den Methoden<br />

und Grenzen eines Fachgebietes in aller Regel nicht ausreichend<br />

zu behandeln sind. So sehen wir und viele andere<br />

<strong>Schmerz</strong>zentren zunehmend <strong>Schmerz</strong>patienten mit chronischen<br />

<strong>Schmerz</strong>en, die bereits bei mehreren „speziellen<br />

<strong>Schmerz</strong>therapeuten“ erfolglos behandelt wurden.<br />

Multimodal und interdisziplinär<br />

Multimodal und interdisziplinär sind die neuen Zauberworte<br />

der <strong>Schmerz</strong>medizin geworden, die alle Probleme des monodisziplinären<br />

Zugangs lösen sollen. Die ursprünglich von<br />

Bonica bereits in den 60iger Jahren aufgestellte Forderung<br />

Gerhard H. H. Müller-<br />

Schwefe, Göppingen<br />

nach Behandlungskonzepten, bei denen aufgrund der Komplexität<br />

der chronischen <strong>Schmerz</strong>erkrankungen verschiedene<br />

Fachgebiete gemeinsam und im Austausch an Patienten<br />

arbeiten sollten und dabei auch verschiedene sich ergänzende<br />

zielführende Methoden einsetzen sollten, hat etwas<br />

Betörendes: Sie kommt der Versorgungsnotwendigkeit der<br />

Patienten mit chronischen <strong>Schmerz</strong>en nach. Im praktischen<br />

Alltag stößt dieses Konzept jedoch permanent an seine Grenzen.<br />

Bei komplexen <strong>Schmerz</strong>problemen sind häufig mehr als<br />

vier Professionen nötig, z. B. Anästhesiologie, Psychologie,<br />

Physiotherapie, funktionelle Diagnostik und <strong>Therapie</strong> im<br />

Sinne konservativer Orthopädie, und hierbei stößt das Behandlungskonzept<br />

dann häufig an seine Grenzen.<br />

Die Notwendigkeit des Austausches der die im jeweiligen<br />

Fachgebiet erhobenen Befunde und der Diskussion der Gewichtigkeit<br />

der Befunde, die Etablierung und Absprache von<br />

<strong>Therapie</strong>konzepten können dann häufig mehr Zeitraum in<br />

Anspruch nehmen als die eigentliche Diag nostik und <strong>Therapie</strong><br />

dieser Patienten. Mehrere Patienten nach diesem Strickmuster<br />

zu behandeln, würde damit zu einem zeitökonomischen<br />

Problem. Aus dieser Sichtweise muss versorgungsorientiert<br />

ein Ausweg gefunden werden, bei dem <strong>Schmerz</strong>mediziner<br />

komplexere Fähigkeiten entwickeln, als die spezialisierte<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie ihnen bisher zugesteht.<br />

Bedarfsplanung<br />

Die Sicherstellung der Versorgung erfordert zwingend einen<br />

Facharzt für <strong>Schmerz</strong>medizin. Die Bedarfsplanung regelt in<br />

der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung die Anzahl<br />

der genehmigten Kassenarztsitze und orientiert sich ausschließlich<br />

an den medizinischen Fachgebieten. Da <strong>Schmerz</strong>medizin<br />

bisher (noch) nicht als Fachgebiet etabliert ist, gibt<br />

es in keinem KV-Bereich Deutschlands eine Bedarfsplanung<br />

für <strong>Schmerz</strong>medizin. <strong>Schmerz</strong>medizinisch tätige niedergelassenen<br />

Ärzte und Ambulanzen werden deshalb ihren<br />

„Ursprungs“-Fachgebieten zugerechnet. Ihr Bestand hängt<br />

vom jeweiligen Versorgungsgrad in diesen Fachgebieten<br />

(z.B. Anästhesie, Orthopädie, Allgemeinmedizin etc.) ab.<br />

Nur mit einer Bedarfsplanung für das Fachgebiet<br />

„<strong>Schmerz</strong>medizin“ werden <strong>schmerzmedizin</strong>isch tätige Pra-<br />

SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)


xen und Einrichtungen Bestand haben, können unabhängig<br />

von dem Ursprungsfachgebiet der jeweils tätigen Ärzte weitervergeben<br />

und weitergeführt werden und sind nicht ständig<br />

von Regressen durch den Leistungsvergleich mit nicht<br />

schmerztherapeutisch tätigen fachgebietsgleichen Praxen<br />

bedroht.<br />

So werden zum Beispiel ausschließlich schmerztherapeutisch<br />

tätige Anästhesisten hinsichtlich ihrer Gesprächsleistungen<br />

mit anästhesiologisch tätigen Kollegen verglichen.<br />

Der normale Menschenverstand sagt bereits, dass der<br />

<strong>schmerzmedizin</strong>isch tätige Anästhesist mit dem <strong>Schmerz</strong>patienten<br />

mehr reden muss als der anästhesierende Anästhesist<br />

mit dem Betäubten reden kann. Trotzdem gibt es hier einen<br />

Vergleich innerhalb der Fachgruppe der niedergelassen Tätigen<br />

und entsprechende Kürzungen werden ausgesprochen.<br />

Steuern wir in Deutschland ohnedies auf einen Ärztemangel<br />

zu, wird sich in dem Bereich der <strong>Schmerz</strong>medizin kaum<br />

ein junger Kollege motivieren lassen, niedergelassen tätig zu<br />

werden angesichts der völlig unsicheren wirtschaftlichen<br />

Perspektiven und dem durch die Fachgebietszugehörigkeit<br />

entstehenden Bedrohungsszenario.<br />

Abgestufte Versorgung<br />

Wie in allen Versorgungsbereichen ist auch in der <strong>Schmerz</strong>medizin<br />

eine abgestufte Versorgung notwendig. Die Basis<br />

und erste Anlaufstelle ist dabei die allgemeine <strong>Schmerz</strong>medizin,<br />

die vom Allgemeinarzt/Primärarzt wahrgenommen<br />

wird.<br />

Darauf baut die fachgebietsbezogene schmerztherapeutische<br />

Versorgung auf, die auf der jedem Fachgebiet eigenen<br />

<strong>Schmerz</strong>kompetenz beruht. Typische fachgebietsbezogene<br />

<strong>Schmerz</strong>probleme beispielsweise in der Orthopädie oder<br />

Neurologie etc. können und sollen in diesen Gebieten gelöst<br />

werden. Für kompliziertere Probleme steht dann die fachgebietsbezogene<br />

(und begrenzte) spezielle <strong>Schmerz</strong>therapie<br />

zur Verfügung, die sich immer noch an einem Urspungsfachgebiet<br />

orientiert.<br />

Für Patienten, die nach mindestens einem halben Jahr<br />

<strong>Schmerz</strong>chronifizierung und unzureichender <strong>Schmerz</strong>therapie<br />

in der spezialisierten fachgebietsbezogenen <strong>Schmerz</strong>therapie<br />

zu versorgen sind, stellt der Facharzt für <strong>Schmerz</strong>medizin<br />

die adäquate Versorgungsform dar. Für eine effektive<br />

Versorgung braucht er eine patientenzentrierte Kompetenz,<br />

die fachgebietsübergreifend dem eigenen Fachgebiet<br />

<strong>Schmerz</strong>medizin zuzuordnen ist und neben anästhesiologischen<br />

Inhalten funktionell orthopädische Diagnostik und<br />

<strong>Therapie</strong> benötigt wie auch pharmakologische Kenntnisse<br />

und psychologische/psychiatrische Weiterbildung. Diese Versorgungsform<br />

des Facharztes für <strong>Schmerz</strong>medizin stellt keinen<br />

Primärarzt dar und ist für Patienten vorbehalten, denen<br />

in den anderen Versorgungsebenen inkl. fachgebietsbezogener<br />

spezieller <strong>Schmerz</strong>therapie nicht ausreichend geholfen<br />

werden konnte.<br />

Der Vorteil ist die breite schmerzbezogene Ausbildung<br />

und Kenntnis dieses Arztes, die eine interdisziplinäre Kooperation<br />

nicht vollständig überflüssig macht, aber durch<br />

die Vereinigung mehrerer Kompetenzen eine zielgerichtete<br />

Diagnostik und <strong>Therapie</strong> erlaubt. Die Kooperation mit weiteren<br />

Fachgebieten wie Psychologen und Physiotherapeuten<br />

wird trotzdem weiterhin notwendig bleiben.<br />

SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />

Niemand verliert<br />

Verlustängste einzelner Fachgebiete, die befürchten, bei der<br />

Etablierung eines Facharztes für <strong>Schmerz</strong>medizin ihre eigenen<br />

Patienten und Behandlungskompetenz zu verlieren, sind<br />

völlig unbegründet. Kein „normaler Rückenschmerzpatient“<br />

wird den primären Zugang zum Facharzt für <strong>Schmerz</strong>medizin<br />

erhalten. Diese spezielle Versorgungsform bleibt klar definierten<br />

Patienten vorbehalten.<br />

Auch wenn das noch nicht von allen Fachgesellschaften<br />

so gesehen wird, wird sich die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie weiterhin mit allen Mitteln dafür einsetzen,<br />

hier Überzeugungsarbeit zu leisten, um die Versorgung<br />

von Patienten mit chronischen <strong>Schmerz</strong>erkrankungen auch<br />

in Zukunft sicherzustellen und jungen <strong>Schmerz</strong>medizinern<br />

eine Berufsperspektive zu geben. Bitte unterstützen Sie uns<br />

in diesem Anliegen durch Ihr Verständnis und Ihre Argumentation!<br />

DGS-PraxisLeitlinien<br />

Ein weiteres heißes Eisen, das die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie e. V. anpackt, sind die PraxisLeitlinien. Die<br />

ersten Leitlinien befinden sich zurzeit in der Kommentierungsphase.<br />

Diese Leitlinien werden einen Meilenstein in<br />

Hinsicht auf Transparenz und Aktualität darstellen. Ein wesentlicher<br />

Gesichtspunkt dieser Leitlinien wird sein, dass sie<br />

neben der externen (studienbelegten) Evidenz auch Ihre interne<br />

Evidenz, d. h. Ihre praktische klinische Erfahrung<br />

miteinbeziehen. Ich bitte Sie sehr herzlich: beteiligen Sie sich<br />

an der Kommentierung, bringen Sie Ihr Wissen und Ihre Erfahrungen<br />

in diese Leitlinien mit ein, damit ein wirklich praxisnahes<br />

und realistisches Leitlinieninstrument entsteht, das<br />

Ärzte bei ihrer täglichen Entscheidung unterstützen kann<br />

und gleichzeitig vor ausschließlich auf Studien basierten Regressen<br />

schützen kann. Beteiligen Sie sich an der Kommentierung<br />

unter www.dgs-praxisleitlinien.de (s.a. den Beitrag<br />

von Michael Überall auf Seite 4).<br />

Auch dieses Heft <strong>Schmerz</strong>medizin gibt Ihnen einen Einblick<br />

in die spannende Vielfalt des Fachgebietes <strong>Schmerz</strong>medizin.<br />

Der Bogen spannt sich von interventioneller <strong>Therapie</strong><br />

mit Radiofrequenzläsion und Occipitalis-Nervenstimulation<br />

bis zur Palliativmedizin und Grundlagenforschung mit einem<br />

ausführlichen Beitrag von Manfred Spitzer, der das Verständnis<br />

der <strong>Schmerz</strong>entstehung und –chronifizierung erleichtert.<br />

Ich wünsche Ihnen viel Freude und viele Erkenntnisse<br />

beim Lesen dieses Heftes. Für die bevorstehenden Feiertage<br />

wünsche ich Ihnen Ruhe, Entspannung, glückliche und zufriedene<br />

Tage und zum Neuen Jahr alles Gute.<br />

Herzlichst<br />

Ihr<br />

Dr. med. Gerhard H. H. Müller-Schwefe<br />

Präsident der<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>therapie e. V.<br />

Editorial<br />

3


<strong>Schmerz</strong>offensive Deutschland<br />

Start der Online-Plattform der<br />

DGS-PraxisLeitlinien <strong>Schmerz</strong>therapie<br />

Als weiteren Meilenstein auf ihrem gemeinsam mit der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>liga<br />

(DSL) e.V. beschrittenen Weg hin zu einer Verbesserung der <strong>schmerzmedizin</strong>ischen<br />

Versorgung in Deutschland stellte die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie (DGS) e.V. am 01. November <strong>2012</strong> im Rahmen ihrer <strong>Schmerz</strong>offensive<br />

Deutschland die Internet­Repräsentanz ihrer PraxisLeitlinien online<br />

(http://dgs­praxisleitlinien.de), berichtet Priv.­Doz. Dr. med. Michael A. Überall,<br />

Präsident der DSL und Vizepräsident der DGS. Dies ist auch der Start der Kommentierungsphase<br />

für die beiden ersten PraxisLeitlinien zu Tumorschmerzen<br />

und tumorbedingten Durchbruchschmerzen.<br />

M it<br />

ihrer Online­Plattform (Abb. 1) plant<br />

die DGS, allen an einer patientenorientierten<br />

<strong>Schmerz</strong>medizin Interessierten (Fachkreisen,<br />

Betroffenen und Angehörigen) konkrete<br />

Handlungsempfehlungen, Hintergrundinformationen<br />

und Hilfsinstrumente für die<br />

tägliche Praxis online zur Verfügung zu stellen.<br />

Abb. 1: Die neue PraxisLeitlinien­Plattform der DGS und DSL.<br />

Hierzu gehören die DGS­PraxisFragebögen zu<br />

tumorbedingten Durchbruchschmerzen, zur<br />

<strong>Therapie</strong> mit entzündungshemmenden Analgetika<br />

und zur Behandlung muskulär bedingter<br />

Kreuz­/Rückenschmerzen. Zum anderen<br />

möchte sie evidenzbasierte Praxisempfehlungen<br />

und ­Leitlinien für verschiedenste<br />

Michael Überall,<br />

Nürnberg<br />

<strong>schmerzmedizin</strong>ische Problemfelder präsentieren,<br />

die entsprechend den Empfehlungen<br />

von David Sackett – einem der Urväter der<br />

„evidence­based medicine“ – von praktisch<br />

erfahrenen <strong>Schmerz</strong>spezialisten, Wissenschaftlern<br />

und Patienten gemeinsam entwickelt<br />

wurden.<br />

Gemeinsam neue Wege gehen<br />

Parallel beschreiten DGS und DSL mit der<br />

Kommentierungsphase der beiden ersten<br />

PraxisLeitlinien auch Neuland, was die partizipativen<br />

Dimensionen der Leitlinienentwicklung<br />

betrifft. Die Plattform ist eine Einladung<br />

für <strong>Schmerz</strong>spezialisten und Palliativmediziner<br />

aus Klinik und Praxis und ausdrücklich<br />

auch für schmerztherapeutisch<br />

bzw. palliativmedizinisch interessierte<br />

Haus­ und Fachärzte, algesiologische Psycho­<br />

und Physiotherapeuten, Apotheker,<br />

algesiologische Fachkräfte und Angehörige<br />

der Pflegeberufe sowie insbesondere auch<br />

Betroffene und Angehörige. Sie sind aufgefordert,<br />

die jeweils für entsprechende Stellungnahmen<br />

freigegebenen PraxisLeitlinien<br />

zu sichten, zu prüfen und zu kommentieren.<br />

Das hierfür entwickelte Online­System<br />

erlaubt – weltweit einmalig – nicht nur die<br />

konkrete Kommentierung, sondern darüber<br />

hinaus auch die abschließende Konsentierung<br />

jeder einzelnen PraxisLeitlinienempfehlung. In<br />

Verbindung mit der ab Anfang 2013 – ebenfalls<br />

auf der Website der DGS­PraxisLeitlinien<br />

für DGS­Mitglieder – verfügbaren Online­Datenbank<br />

aller in Deutschland <strong>schmerzmedizin</strong>isch<br />

genutzten Wirkstoffe und Fertigarzneimittel<br />

(inkl. deren Evidenzprofilen für verschiedenste<br />

<strong>schmerzmedizin</strong>ische Indikationen)<br />

entsteht somit Schritt für Schritt eine der weltweit<br />

umfangreichsten schmerz­ und palliativmedizinischen<br />

Ressourcen und ein einmaliges<br />

4 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)


Online­Nachschlagewerk für Betroffene und<br />

Fachkreise.<br />

Konkrete Hilfestellung für<br />

individuelle Einzelfälle<br />

Ziel der DGS­PraxisLeitlinien ist es nicht, das<br />

mittlerweile umfangreiche Spektrum praxisferner,<br />

wissenschaftstheoretisch dominierter<br />

Leitlinien zu erweitern, sondern vielmehr hilfreiche<br />

Alternativen für die alltägliche Arbeit<br />

mit Betroffenen anzubieten, deren Schwerpunkt<br />

auf konkreten bedürfnis­ und beschwerdeorientierten<br />

praktischen Handlungsempfehlungen<br />

liegt. Um diesem Anspruch<br />

gerecht zu werden, bedarf es nicht<br />

nur umfangreicher Recherchen und entsprechender<br />

Aufbereitungen der jeweils verfügbaren<br />

externen wissenschaftlichen Evidenz,<br />

sondern auch der kritischen Überprüfung der<br />

daraus resultierenden Ausgangssituation<br />

hinsichtlich ihrer Praxisrelevanz für konkrete<br />

individuelle Behandlungssituationen durch<br />

schmerz­ und palliativmedizinisch erfahrene<br />

Praktiker (interne Evidenz) und der sich daraus<br />

ergebenden Behandlungsfortschritte<br />

bzgl. der individuell zu definierenden Bedürfnisse<br />

Betroffener.<br />

Aus diesem Grund kommt der aktiven<br />

Teilhabe/­nahme aller interessierten/betroffenen<br />

Kreise an der Entwicklung der PraxisLeitlinien<br />

DGS eine entscheidende Bedeutung zu.<br />

Nur so wird es möglich sein, das bestehende<br />

Leit liniendilemma zu lösen und Perspektiven<br />

für eine bessere schmerz­ und palliativmedizinische<br />

Versorgung in Deutschland zu öffnen.<br />

SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />

Insbesondere sollen durch das PraxisLeitlinien­Programm<br />

der DGS für die Mitglieder der<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>therapie<br />

(DGS) e.V. die formalen inhaltlichen und praktisch­rationalen<br />

Grundlagen sowohl für eine<br />

rechtssichere praktische Versorgung in Praxis<br />

und Klinik als auch für die Ausgestaltung von<br />

Konzepten der strukturierten und integrierten<br />

Versorgung gelegt und Mitgliedern der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Schmerz</strong>liga (DSL) e.V. der Zugang zu<br />

entsprechenden Informationen ermöglicht<br />

werden. Doch auch Nichtmitglieder beider<br />

Organisationen werden von einem Besuch der<br />

Website nachhaltig profitieren, da sie – mit<br />

wenigen Ausnahmen – nahezu alle Teile der<br />

PraxisLeitlinien DGS für ihre tägliche Arbeit<br />

einsehen, nutzen und jederzeit aktiv an dem<br />

virtuellen Wissenskollektiv teilhaben können.<br />

Zwei Prototypen<br />

gemeinsam am Start<br />

Mit den PraxisLeitlinien zu Tumorschmerzen<br />

und tumorbedingten Durchbruchschmerzen<br />

untermauern DGS und DSL gleichzeitig<br />

ihren Anspruch, auch heiße Eisen im Rahmen<br />

ihrer gemeinsamen <strong>Schmerz</strong>offensive<br />

Deutschland anzupacken. Die Empfehlungen<br />

beider PraxisLeitlinien stehen bis<br />

Ende des Jahres im Netz und können – nach<br />

einmaliger Online­Registrierung – von jedem<br />

Interessierten online eingesehen und<br />

kommentiert werden.<br />

In einem zweiten Schritt folgt dann – nach<br />

Durchsicht der eingegangenen Kommentare<br />

und entsprechender Überarbeitung der Pra­<br />

Procedere beim Einstellen auf<br />

starke Opioide<br />

Zum Beitrag „Opioidtherapie – Retardpräparate von Anfang an?“ von Dr. med.<br />

Johannes Horlemann in der Ausgabe 3/<strong>2012</strong> der Zeitschrift <strong>Schmerz</strong>medizin, erreichte<br />

uns folgender Brief unserer Leserin Dr. Ingrid Spohr, Hofheim:<br />

Mit leichter Verwunderung habe ich im<br />

Beitrag von Herrn Horlemann gelesen,<br />

dass zur Einstellung auf starke Opioide<br />

auch heute noch unretardiertes Morphin in<br />

Tablettenform oder sogar intravenöses Morphin<br />

im Abstand von vier Stunden empfohlen<br />

werden.<br />

Das erscheint mir nicht mehr zeitgemäß,<br />

da es mittlerweise von jedem starken oralen<br />

retardierten Opioid auch sehr kleine Wirkstärken<br />

gibt (2 mg Hydromorphon, 5 mg<br />

Oxycodon, 10 mg Morphin), die bei zweimal<br />

täglicher Gabe eine zügige Auftitrierung<br />

von einem Tag auf den anderen erlauben.<br />

Für die Einstellung auf transdermale Systeme<br />

kann das von Keßler und Barden heuer<br />

im Anästhesist (Ausgabe 7/2011) beschriebene<br />

Vorgehen angewendet werden.<br />

<strong>Schmerz</strong>offensive Deutschland<br />

xisLeitlinien durch die verantwortlichen Arbeitsgruppen<br />

– ab Anfang Februar 2013 die<br />

abschließende Konsentierung durch die Leiter<br />

der regionalen DGS <strong>Schmerz</strong>­ und Palliativzentren<br />

und die DSL­Selbsthilfegruppenleiter,<br />

womit gewährleistet wird, dass diese beiden<br />

PraxisLeitlinien auf dem <strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>tag<br />

Anfang März 2013 in Frankfurt am Main in<br />

finalisierter Form der Öffentlichkeit vorgestellt<br />

werden können.<br />

Leitlinien endlich wieder<br />

einen praktischen Sinn geben<br />

Mit ihren kritischen Überlegungen zum Umgang<br />

mit bestehenden Leitlinien in<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie und Palliativmedizin haben<br />

DGS und DSL 2011 einen ersten Schritt,<br />

mit der nun gestarteten Online­Plattform<br />

und den ersten beiden PraxisLeitlinien zu<br />

Tumorschmerzen bzw. tumorbedingten<br />

Durchbruchschmerzen <strong>2012</strong> konsequent<br />

weitere wichtige Schritte in die richtige<br />

Richtung getan. Nun liegt es an den interessierten<br />

Fachkreisen und den betroffenen<br />

Personen, diese Entwicklung weiter voran<br />

zu bringen und Flagge zu zeigen – für eine<br />

patientenorientierte humane <strong>Schmerz</strong>medizin<br />

und PraxisLeitlinien, die im Alltag Behandlungsspielräume<br />

und ­perspektiven<br />

öffnen, um Betroffenen das wieder zurück<br />

zu geben, was sie im Kampf mit ihren chronischen<br />

<strong>Schmerz</strong>en häufig verloren haben:<br />

Lebensfreude und Lebensqualität. ■<br />

Michael Überall, Nürnberg<br />

Neben der Belastung der Patienten durch<br />

häufige Injektionen oder Tablettengaben ist<br />

das im Artikel beschriebene Vorgehen auch<br />

im Hinblick auf die knappen Personalresourcen<br />

in Klinik, Hospiz und der stationären<br />

bzw. ambulanten Pflege nicht mehr zu vertreten.<br />

■<br />

Ingrid Spohr, Hofheim<br />

5<br />

© mattilda – Fotolia.com


<strong>Deutsche</strong>r <strong>Schmerz</strong>kongress <strong>2012</strong><br />

Aktionsbündnis <strong>Schmerz</strong>freie Stadt Münster –<br />

eine Stadt verbannt den <strong>Schmerz</strong><br />

Seit 2010 wird in der Stadt Münster im Rahmen dieses bundesweit einmaligen<br />

Modellprojekts unter der Schirmherrschaft von Daniel Bahr sektorenübergreifend<br />

das <strong>Schmerz</strong>management analysiert und in einem zweiten Schritt gemäß den<br />

medizinischen Leitlinien und pflegerischen Standards optimiert. Die Gesamtdaten<br />

ermöglichen erstmalig einen umfassenden Einblick in die schmerztherapeutische<br />

Versorgungssituation einer deutschen Kommune, die von den Experten beim<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>kongress <strong>2012</strong> in Mannheim präsentiert wurden*.<br />

S eit<br />

2010 wird das <strong>Schmerz</strong>management<br />

in den verschiedenen Versorgungseinrichtungen<br />

(sechs Krankenhäuser, 14 stationäre<br />

Altenheime, 15 ambulante Pflegedienste,<br />

77 Hausärzte, zwei <strong>Schmerz</strong>praxen und alle<br />

Hospize) untersucht.<br />

Warum das Ganze?<br />

Nach wie vor fehlen valide Daten zur <strong>Schmerz</strong>prävalenz<br />

insbesondere im Bereich der stationären<br />

Altenpflegeinrichtungen. Aufgrund der<br />

steigenden Lebenserwartung ist zudem zu<br />

befürchten, dass die Inzidenz chronischer<br />

<strong>Schmerz</strong>en weiter zunehmen wird. Chronischer<br />

<strong>Schmerz</strong> verursacht bereits jetzt Kosten<br />

von bis zu 38 Milliarden Euro pro Jahr in<br />

Deutschland. Dies waren Gründe für das<br />

Projekt Aktionsbündnis <strong>Schmerz</strong>freie Stadt<br />

Münster, erläuterte der Projektleiter Prof. Dr.<br />

Dr. h.c. Jürgen Osterbrink.<br />

Die Inhalte der Untersuchung widmeten<br />

sich den fünf Ebenen des <strong>Schmerz</strong>managements:<br />

dem <strong>Schmerz</strong>assessment, der Dokumentation,<br />

der medikamentösen und der<br />

nicht medikamentösen <strong>Therapie</strong> sowie der<br />

Beratung und Schulung. Die aktuellen Daten<br />

aus den Forschungssträngen „Stationäre<br />

Alten hilfe“ und „Hausärzte“ präsentierte der<br />

Projektleiter auf dem <strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>kongress.<br />

Stationäre Altenpflege:<br />

Ist-Zustand mangelhaft<br />

Bei der Ist­Analyse wurden von gemeldeten<br />

1067 Heimbewohnern 937 eingeschlossen<br />

und 436, also 47 %, ausgewertet. Bei 225 Be­<br />

*Nach Vorträgen beim Symposium „Sektorenübergreifende<br />

Versorgungsforschung – eine Stadt verbannt<br />

den <strong>Schmerz</strong>“ am 18.10.<strong>2012</strong> im Rahmen des<br />

<strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>kongresses <strong>2012</strong> in Darmstadt;<br />

Veranstalter Mundipharma GmbH, Aachen,<br />

Hauptförderer des Aktionsbündnisses<br />

wohnern konnte die Befragung mittels<br />

Selbsteinschätzung, bei 61 mittels Selbst­<br />

und Fremdeinschätzung und bei 150 nur mit<br />

Fremdeinschätzung mit Hilfe des BESD­ und<br />

CMAI­D Tests (Cohen­Mansfield Skala) bestimmt<br />

werden. Von 349 Pflegenden wurden<br />

151 befragt. Bei der Erstevaluation zeigte<br />

sich, dass fast jeder zweite Altenheimbewohner<br />

bei Belastung <strong>Schmerz</strong>en bekam (46,3–<br />

62,6 %). Die Altenpfleger waren trotz dieser<br />

hohen Prävalenz kaum handlungsfähig,<br />

um die <strong>Schmerz</strong>en akut zu lindern: Nur 42 %<br />

hatten für das <strong>Schmerz</strong>management Verfahrensanweisun<br />

gen. Dem liegt zugrunde,<br />

dass Pflegende als handlungsfähig bezeichnet<br />

werden können, wenn Anweisungen<br />

von ärztlicher Seite überwiegend oder ausschließlich<br />

schriftlich bestehen, Medikamente<br />

innerhalb einer halben Stunde verabreicht<br />

werden können und diese in den Altersheimen<br />

vorrätig sind. Für 58 % der Pfle­<br />

genden trafen diese Voraussetzungen nicht<br />

zu, kritisierte Osterbrink.<br />

Im Rahmen der Interventionsphase wurden<br />

ergebnisbasierte Schulungen für die Pflegenden<br />

durchgeführt und Qualitätszirkel in<br />

den jeweiligen Einrichtungen gegründet, um<br />

das <strong>Schmerz</strong>management zu verbessern. Ein<br />

Schwerpunkt war das Medikamentenmanagement,<br />

bei dem z.B. dafür gesorgt werden soll,<br />

dass Bedarfsmedikamente immer verfügbar<br />

sind. Die Interventionsphase wurde im Sommer<br />

<strong>2012</strong> abgeschlossen. Die Reevaluation<br />

läuft bis Frühsommer 2013.<br />

Hausarztbefragung<br />

Von den Befragungen der 193 niedergelassenen<br />

Hausärzte in Münster konnten 39,9 %<br />

ausgewertet werden. 64,6 % nutzten eine<br />

<strong>Schmerz</strong>skala zur Selbsteinschätzung (VAS<br />

oder NRS), aber nur 8 % Skalen für die Fremdeinschätzung.<br />

Behandelt wurde von den<br />

Haus ärzten das komplette <strong>Schmerz</strong>spektrum<br />

(somatoforme <strong>Schmerz</strong>en, rheumatische<br />

<strong>Schmerz</strong>en, Tumorschmerzen, Neuropathien,<br />

viszerale <strong>Schmerz</strong>en, Rheuma, Rückenschmerzen<br />

und somatische Beschwerden).<br />

An <strong>Schmerz</strong>mitteln wurden bevorzugt<br />

Substanzen der WHO­Stufe 1 (Ibuprofen, Metamizol,<br />

Paracetamol), trizyklische Antidepressiva<br />

und seltener Opioide sowie Antikonvulsiva<br />

eingesetzt. Auch hier wiesen die Befra­<br />

Prof. Dr. Osterbrink und Prof. Dr. Augustin, (v.l.) freuen sich über die positive ökonomische<br />

Bilanz der münsterischen <strong>Schmerz</strong>versorgung.<br />

6 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)


gungsergebnisse auf einen Optimierungsbedarf<br />

hin. Eine besondere Schwachstelle im<br />

<strong>Schmerz</strong>management ist die interdisziplinäre<br />

Kommunikation vor allem mit anderen Berufsgruppen<br />

wie Physiotherapeuten, Psychotherapeuten,<br />

ambulanten Pflegekräften sowie pflegenden<br />

Angehörigen und Ärzten und Pflegenden<br />

aus Kliniken.<br />

Hausärzte nehmen eine zentrale Schlüsselfunktion<br />

ein, weshalb speziell themenzentrierte<br />

Fortbildungen für die hausärztliche<br />

Praxis entwickelt wurden. Darin sollen die praxisrelevanten<br />

schmerztherapeutischen Leitlinien<br />

und das multiprofessionelle <strong>Schmerz</strong>management<br />

vermittelt werden. Die Vernetzung<br />

der beteiligten Berufsgruppen Ärzte,<br />

Pflegende und Apotheker mit unter Einbindung<br />

von Pain Nurses ist ein zentrales Anliegen<br />

des Aktionsbündnisses. Erleichtert wird<br />

dies z. B. mit Hilfe von mobilen Anwendungsprogrammen<br />

wie einer painApp, die entwickelt<br />

werden soll und damit künftig ein mobiles<br />

<strong>Schmerz</strong>monitoring ermöglichen könnte.<br />

Postoperatives<br />

<strong>Schmerz</strong>management<br />

Über die Daten der postoperativen <strong>Schmerz</strong>therapie<br />

im Forschungsstrang Krankenhaus<br />

informierte Prof. Esther Pogatzki­Zahn,<br />

Müns ter. Gute <strong>Schmerz</strong>therapie ist eines der<br />

bedeutendsten Kriterien bei der Krankenhausauswahl.<br />

Dabei ist nicht nur der akute<br />

post operative <strong>Schmerz</strong> ein Problem, sondern<br />

auch der hohe Anteil an chronischen<br />

<strong>Schmerz</strong>en. Insgesamt wurden bei der Erst­<br />

und der Zweit evaluation 1643 Patienten,<br />

577 Pflegende und 385 ärztliche Mitarbeiter<br />

aus sechs Krankenhäusern befragt. Bei der<br />

Ist­Analyse wurden 708 Patienten im Alter<br />

zwischen 18 bis 90 Jahren mit einem Netbook<br />

am ersten postoperativen Tag nach<br />

einem elektiven Eingriff, sowie 278 Pflegende,<br />

102 Stationsärzte und 73 Anästhesisten<br />

befragt. Auf Basis der gewonnenen<br />

Ergebnisse wurden dann Maßnahmen zur<br />

Qualitätssicherung und zur Optimierung<br />

des <strong>Schmerz</strong>managements durchgeführt.<br />

Nach einem Jahr wurde eine Re­Evaluation<br />

durchgeführt, um mögliche Veränderungen<br />

des <strong>Schmerz</strong>managements aufzuzeigen.<br />

Diesmal wurden 935 Patienten, 78 Anästhesisten,<br />

132 Stationsärzte und 299 Pflegende<br />

befragt.<br />

Bereits bei der Erstbefragung befand sich<br />

die postoperative <strong>Schmerz</strong>therapie auf einem<br />

sehr guten Level und wurde von allen Beteiligten<br />

(Mitarbeitern und Patienten) mit gut bis<br />

sehr gut eingestuft. Das Spektrum der Eingriffe<br />

war mannigfaltig und repräsentativ. Durch gezielte<br />

Interventionen konnten die Kranken­<br />

SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />

<strong>Deutsche</strong>r <strong>Schmerz</strong>kongress <strong>2012</strong><br />

Abb. 2: Die postoperative <strong>Schmerz</strong>therapie – von Anfang an starke Opioide.<br />

Gabe von Oxygesic akut® 5 mg p.o.<br />

(maximal alle 4 h)<br />

Weiterhin <strong>Schmerz</strong> NRS ≥4* und<br />

>4 × 5 mg Oxygesic akut® /Tag<br />

Targin®-Dosis um 10 mg pro Gabe<br />

erhöhen max. 80 mg Targin®/Tag<br />

(2 × 40 mg)**<br />

häuser, bei denen Defizite bestanden, bei der<br />

Re­Evaluation aufholen.<br />

Beim <strong>Schmerz</strong>assessment zeigten sich vor<br />

allem Defizite bei Patien ten mit unzureichenden<br />

Deutschkenntnissen und verwirrten<br />

dementen oder wachkomatösen Patienten.<br />

Erfreulich war laut Pogatzki­Zahn, dass trotz<br />

der ohnehin guten Ausgangssituation die<br />

postoperativen <strong>Schmerz</strong>intensitäten durch die<br />

Schulungen noch weiter gesenkt werden<br />

konnten. Der Ruheschmerz sank von 2,23 auf<br />

1,98, der Belastungsschmerz von 3,81 auf 3, 65<br />

und der Mittelwert des Maximalschmerzes<br />

von 4,7 auf 4,46.<br />

Diese Verbesserung entstand laut der Münsteraner<br />

Expertin vor allem durch einen Shift<br />

von den schwachen Analgetika der Stufe I zu<br />

den Opioiden der Stufe III sowohl bei der Basismedikation<br />

als auch bei der Bedarfsmedikation<br />

(Abb. 2). Bedeutsam für die Verbesserung<br />

war auch, dass die Ärzte darin geschult wurden,<br />

den <strong>Schmerz</strong> zu erfassen und die Grenzwerte<br />

für die Intervention zu kennen. Ein weiterer<br />

wichtiger Faktor war die Bildung von<br />

berufsgruppenübergreifenden Arbeitsgruppen.<br />

Aufgrund der guten postoperativen<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie sind die sechs Kliniken aus<br />

Münster nach Einschätzung von Pogatzki­<br />

Zahn möglicherweise als schmerzfreie Krankenhäuser<br />

zertifizierbar.<br />

Intervention rechnet sich<br />

Ebenso positiv ist auch die ökonomische Bilanz<br />

an den münsterischen Krankenhäusern,<br />

die Professor Dr. Matthias Augustin, Vorstand<br />

des Hamburg Center for Health Economics<br />

(HCHE) vorstellte. Durchschnittlich kostet ein<br />

Patient mit chronischen <strong>Schmerz</strong>en die GKV<br />

Targin®-Schema<br />

Basisanalgesie/Tag:<br />

Targin® 10/5 mg oder 20/10 mg um 8:00 h und 20:00 h<br />

+ ggf. Nicht-Opiod-Analgetikum<br />

Mäßiger/starker <strong>Schmerz</strong> NRS ≥4*<br />

Ja Nein<br />

Ja<br />

Nein<br />

Targin® weiter<br />

bis mindestens 2. postoperativen Tag<br />

Targin® absetzen (ggf. reduzieren)<br />

ab 3. postoperativen Tag<br />

Akutschmerzdienst anfunken, falls<br />

Targin®-Bedarf >80 mg/Tag oder 1h nach<br />

Oxygesic akut® 5 mg weiterhin NRS >4<br />

Wichtig: Nach jeder Opioidgabe müssen Wirkung und Nebenwirkungen erhoben und dokumentiert werden.<br />

* Die Ursache bestehender oder ansteigender postoperativer <strong>Schmerz</strong>en sollte durch den behandelnden chirurgischen Kollegen untersucht werden.<br />

DD: Wundschmerz , enge Verbände, Infektionen, Blutungen/Hämatom, schlechte Lagerung, Kompartment, volle Blase, Ileus etc.<br />

** Erfolg oder Misserfolg der veränderten Basisanalgesie müssen überprüft werden.<br />

nach aktuellen Daten der Barmer GEK 8107<br />

Euro im Jahr. Neben den direkten und indirekten<br />

Kosten (Arbeitsunfähigkeit und Rente)<br />

sind dabei zusätzlich aber auch die deutlichen<br />

Einbußen an Lebensqualität, die sog.<br />

intangiblen Kosten zu berücksichtigen. Dies<br />

veranschaulicht laut dem Hamburger Gesundheitsökonomen<br />

die große Bedeutung<br />

einer sachgerechten <strong>Schmerz</strong>therapie und<br />

<strong>Schmerz</strong> prävention, die ein erhebliches Nutzenpotenzial<br />

besitzt.<br />

Legt man die einmalig angefallenen Interventionskosten<br />

auf die Anzahl an zusätzlich<br />

schmerzkontrollierten Patienten in einem Jahr<br />

um, dann konnte in Münster mit einem Aufwand<br />

von 77 Euro ein Patient mehr schmerzkontrolliert<br />

werden. Dies war definiert mit<br />

einem Ruheschmerz unter 3 und einem Belastungsschmerz<br />

unter 5.<br />

Bei der postoperativen <strong>Schmerz</strong>therapie in<br />

Münster entstanden am ersten postoperativen<br />

Tag Verordnungskosten von 5,46 Euro,<br />

die sich aus 1,78 Euro als Basismedikation und<br />

aus 3,68 Euro für die Bedarfsmedikation zusammensetzten.<br />

Nach der Intervention sanken<br />

die Arzneimittelkosten auf 3,40 Euro im<br />

Mittel, da die Basismedikation mit 2,84 Euro<br />

besser griff und mit 0,57 Euro deutlich weniger<br />

Bedarfsmedikation benötigt wurde. Die<br />

<strong>Schmerz</strong>versorgung am ersten Tag nach der<br />

Operation konnte somit ohne Mehrkosten an<br />

Arzneimitteln verbessert werden. Insgesamt,<br />

so das Fazit Augustins, steht der Mehrnut ­<br />

zen mit der besseren <strong>Schmerz</strong>kontrolle<br />

akzeptablen Mehrkosten gegenüber. Weitere<br />

Informationen zum Projekt sind unter<br />

www.schmerzfreie­stadt.de abrufbar. ■<br />

Stk<br />

7


Südwestdeutsche <strong>Schmerz</strong>tage<br />

Verhindern Heiler Heilung?<br />

Trotz aller Fortschritte in der Medizin, Physiotherapie und Psychotherapie chronifizieren<br />

immer mehr <strong>Schmerz</strong>en. Die Patienten kommen immer wieder in die<br />

Praxen. Warum lassen wir unsere Patienten nicht gesund werden? Antworten auf<br />

diese Frage gibt Dipl.-Psych. Gideon Franck, Fulda.<br />

W ir<br />

Gideon Franck,<br />

Fulda<br />

können immer spezifischer, immer<br />

mehr behandeln mit immer neueren<br />

Techniken und Medikamenten. Gleichzeitig<br />

steigt die Zahl der an <strong>Schmerz</strong>en leidenden<br />

Menschen und schlimmer noch, wir scheinen<br />

der Chronifizierung wenig entgegensetzen zu<br />

können.<br />

In welche Richtung arbeiten wir mit<br />

unseren Patienten?<br />

<strong>Schmerz</strong> wird von vielen Patienten als unerträglich<br />

erlebt und gefährlich angesehen. Dies<br />

führt meist dazu, dass sie anfangen, alles zu<br />

vermeiden, was mit <strong>Schmerz</strong> zu tun hat oder<br />

<strong>Schmerz</strong> auslösen kann (McCracken & Samuel,<br />

2007). Gleichzeitig verstricken sie sich leicht in<br />

einen andauernden Kampf gegen <strong>Schmerz</strong>.<br />

Damit einher gehen häufig Angst vor <strong>Schmerz</strong><br />

und Depression, ausgelöst dadurch, dass die<br />

Kontrollbemühungen langfristig erfolglos<br />

sind.<br />

Unbestritten verfügen Patienten über Strategien,<br />

oder bekommen sie beispielsweise in<br />

der Psychotherapie beigebracht, um <strong>Schmerz</strong><br />

kurzfristig einigermaßen kontrollieren zu können.<br />

Letztlich erweisen sich diese Techniken<br />

jedoch meist als unfunktional und auf lange<br />

Sicht wenig nützlich (McCracken & Vowles,<br />

2007; Vowles & McCracken, 2010). Die Idee<br />

der Kontrolle aversiver Stimuli und das da-<br />

mit verbundene „Sich-Kümmern“ um den<br />

<strong>Schmerz</strong> ist jedoch nicht nur bei Patienten zu<br />

finden, sondern auch bei uns Behandlern.<br />

Der abhängige Patient?<br />

Das gemeinsame Vermeiden und Kontrollieren<br />

von <strong>Schmerz</strong> kann fatal werden, da sich<br />

der Patient auf seine Behandler verlässt, und<br />

diese seinen Glauben an die Schädlichkeit von<br />

<strong>Schmerz</strong> durch ihr Handeln unterstützen.<br />

Tatsächlich ist nicht unbedingt die Medikation<br />

das Ausschlaggebende, sondern der<br />

Kontext, in dem sie gegeben wird. Dient sie<br />

dem Kampf gegen den <strong>Schmerz</strong>, gesteuert<br />

durch den Experten, oder der expliziten Ermöglichung<br />

der Selbständigkeit des Patienten?<br />

Der Unterschied scheint marginal, doch<br />

verläuft er auf des Messers Schneide zwischen<br />

Abhängigkeit des Patienten von seinem<br />

Behandler und Patientenautonomie.<br />

Allzu oft verstricken sich hierbei Patient und<br />

Behandler in einen aussichtslos erscheinenden<br />

Kampf gegen den <strong>Schmerz</strong>, welcher so<br />

immer mehr Raum und Bedeutung im Leben<br />

des Patienten gewinnt. Wenn wir selber<br />

zum Teil des Systems werden, können wir uns<br />

schlecht über mangelnde Mitarbeit der<br />

Patien ten beschweren.<br />

Die Aussage „Niemand braucht <strong>Schmerz</strong>en<br />

zu haben!“ hat sich in den Köpfen der Patienten<br />

fest verankert, wird auch heute noch gelegentlich<br />

wiederholt und durch gesellschaftliche<br />

Prozesse (z.B. Werbung für <strong>Schmerz</strong>mittel)<br />

gestützt. Die Frage, die sich hier stellt, ist:<br />

Versuchen wir nicht etwas zu kontrollieren,<br />

was sich kaum oder nur sehr schwer kontrollieren<br />

lässt? Und veranlassen wir unsere Patien<br />

ten nicht, sich immer mehr in den Kampf<br />

gegen ihre <strong>Schmerz</strong>en zu verheddern, indem<br />

wir sie im wahrsten Sinne des Wortes darin<br />

begleiten und im Glauben stärken, dass der<br />

Kampf zu gewinnen sei? Alles in der Behandlung<br />

dreht sich um <strong>Schmerz</strong>, aber wie viel um<br />

das restliche Leben des Patienten?<br />

Das Konzept der psychologischen<br />

Flexibilität<br />

Interessanterweise finden sich in den erfolgreichen<br />

neueren psychotherapeutischen Ansätzen<br />

wenige bis keine Interventionen in Bezug<br />

auf <strong>Schmerz</strong>reduktion (Thieme & Turk,<br />

<strong>2012</strong>; Wicksell, Olsson & Hayes, 2010; Wicksell,<br />

Olsson & Hayes, 2011). Da der operante Ansatz<br />

dieses Jahr in der <strong>Schmerz</strong>medizin schon kurz<br />

vorgestellt wurde, soll hier nun auf das Kon-<br />

zept der psychologischen Flexibilität eingegangen<br />

werden (für eine ausführliche Darstellung<br />

siehe auch: Hayes, Strohsal & Wilson,<br />

2011). Die Kernidee in Bezug auf <strong>Schmerz</strong> ist,<br />

dass eine dahinter liegende Grunderkrankung<br />

natürlich gefährlich sein kann, der <strong>Schmerz</strong><br />

per se aber nicht.<br />

Im Kontakt mit <strong>Schmerz</strong> verfallen wir in rigide<br />

Verhaltensmuster, die soziale Isolation,<br />

ständiges Grübeln, Aufgeben von wertgeschätzten<br />

Aktivitäten usw. auslösen. Ziel des<br />

Modells der psychologischen Flexibilität ist es,<br />

ein flexibleres Verhältnis zur Symptomatik zu<br />

erlangen, um sein Leben in eine aktive, wertgeschätzte<br />

Richtung lenken zu können. Empirisch<br />

scheint es gut getestet und für die Behandlung<br />

von <strong>Schmerz</strong>patienten geeignet<br />

(Evidenz nach der APA 2011 „Very Strong“)<br />

(McCracken & Eccleston, 2003; McCracken &<br />

Vowles, 2007; Vowles & McCracken, 2010).<br />

Trotz eines fehlenden Fokus auf <strong>Schmerz</strong>reduktion<br />

findet diese dennoch statt. Und dies<br />

in einem vergleichbaren Maß wie in anderen<br />

<strong>Therapie</strong>formen, die auf <strong>Schmerz</strong>reduktion<br />

fokussieren. Die sechs zentralen Komponenten<br />

des Modells sind:<br />

1. Akzeptanz – ein aktiver, offener und mitfühlender<br />

Umgang mit sich und dem eigenen<br />

Erleben.<br />

2. Defusion – eine Loslösung von wenig hilfreichen<br />

Kognitionen, ohne diese ändern<br />

zu müssen.<br />

Abb. 1: <strong>Schmerz</strong>behandlung benötigt Zeit<br />

und Hinwendung.<br />

8 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />

© Alexander Raths / Fotolia.com


3. Präsent sein – Kontakt zum gegenwärtigen<br />

Moment, oft auch als Achtsamkeit<br />

bezeichnet.<br />

4. Selbst als Kontext – die Perspektive von<br />

sich als Beobachter des eigenen Erlebens<br />

im Gegensatz zur Verstrickung mit Identitätszuschreibungen<br />

wie „Ich bin <strong>Schmerz</strong>patient“<br />

oder der eigenen Geschichte,<br />

wenn dies hinderlich ist und zu mehr Rigidität<br />

führt.<br />

5. Werte – Herausfinden, was für den Patienten<br />

im Leben wichtig ist und wonach er<br />

sein Leben ausrichten möchte, wenn er<br />

könnte.<br />

6. Engagiertes Handeln – bezeichnet das<br />

konkrete Verhalten, welches in Richtung<br />

der Werte geht.<br />

Während die ersten vier Punkte hauptsächlich<br />

dazu dienen, das Verhältnis zum <strong>Schmerz</strong> zu<br />

verändern, stellen Werte und engagiertes<br />

Handeln die zentralen Aspekte der <strong>Therapie</strong><br />

dar. Letztlich geht es darum, ein wertgeschätztes<br />

Leben zu leben und somit die Autonomie<br />

der Patienten maximal zu fördern (ähnlich<br />

der operanten <strong>Therapie</strong>).<br />

Die <strong>Therapie</strong>maßnahmen sollten sich also<br />

an einem gewünschten und wertgeschätzten<br />

Leben orientieren. Der Behandler sollte sie als<br />

Mittel zur Förderung von Selbständigkeit einsetzen<br />

und dies dem Patienten auch so vermitteln.<br />

Es geht hier um eine zielorientierte Behandlung,<br />

die sich auf das Leben des Patienten<br />

bezieht und nicht auf die völlige Eliminierung<br />

störender Einflüsse. Ohne sich an diesem Modell<br />

zu orientieren, wird dies bereits seit Jahren<br />

auch von anderen Forschern wie Prof. Walter<br />

Ziegelgänsberger propagiert.<br />

Chronifizierungsfaktoren im Patienten<br />

Behandler konzentrieren sich zu stark auf den<br />

Patienten. Wenn in PubMed nach Chronifizierungsfaktoren<br />

gesucht wird, folgt eine lange<br />

Liste mit 178 Einträgen. Sie reichen von<br />

Depres sion über Bewegungsmangel bis zu<br />

vererbbaren Merkmalen. Hierüber haben wir<br />

uns offensichtlich schon viele Gedanken gemacht<br />

– und dies berechtigt. Einige Faktoren,<br />

welche die Behandlung von <strong>Schmerz</strong> so<br />

schwierig machen, sind beispielsweise Angst<br />

und Depres sion (Esteve, Ramirez-Maestre &<br />

Lopez-Martinez, <strong>2012</strong>), sowie das damit einhergehende<br />

Vermeidungsverhalten.<br />

Gerade aufgrund dieser Komplexität wird<br />

immer wieder auf die multimodale Behandlung<br />

von <strong>Schmerz</strong> verwiesen. Sehen wir uns in<br />

der Behandlungslandschaft um, so ist sie jedoch<br />

noch eher die Ausnahme als die Regel.<br />

Das Problem, welches sich hier stellt, ist, dass<br />

ein Behandler alleine oft nicht in der Lage ist,<br />

alle Problembereiche zeitlich, zufriedenstel-<br />

SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />

lend und fachlich kompetent mit dem Patienten<br />

anzugehen. Eine parallele Behandlung im<br />

Team stellt in den meisten Fällen die beste<br />

Möglichkeit dar, <strong>Schmerz</strong> effektiver zu begegnen.<br />

Warum dies noch recht selten geschieht,<br />

hat viele Gründe. Zum einen stehen Behandler<br />

der jeweils anderen Profession oft nicht zur<br />

Disposition, was wohl vor allem für uns Psychotherapeuten<br />

gilt. Weiterhin ist die Gewöhnung<br />

daran, im niedergelassenen Bereich der<br />

einzige Behandler zu sein, ein wesentlicher<br />

Faktor. Letztlich spielt aber auch der Mythos,<br />

<strong>Schmerz</strong>patienten seien schwierig zu behandeln,<br />

eine Rolle. Das mag stimmen im „alleinigen<br />

Kampf“. Doch sich hier die Zeit für Kooperation<br />

mit den anderen Disziplinen zu nehmen,<br />

lohnt sich.<br />

Gibt es sonst noch Fallen?<br />

Schon vor elf Jahren wurden typische Fehler<br />

in der Behandlung von <strong>Schmerz</strong>patienten<br />

publiziert (für eine Übersicht: Ritzert, 2001).<br />

Sieht man sich die Inhalte heutiger Workshops<br />

und Vorträge an, scheint sich nicht viel geändert<br />

zu haben. Noch immer wird lange Zeit<br />

untermedikamentiert oder, ganz das Gegenteil,<br />

übermedikamentiert. Auch wird oft zu<br />

Schonung geraten, wo es nicht angebracht ist<br />

und wenig auf das verwiesen, was der Patient<br />

selbst tun kann. Eine Kontrolle der <strong>Therapie</strong><br />

über <strong>Schmerz</strong>tagebücher erfolgt kaum, wird<br />

nicht zeitnah ausgewertet oder mit dem Patienten<br />

besprochen, so dass diese nicht als<br />

wertvolles Mittel zur Steuerung von <strong>Therapie</strong><br />

beitragen können. Des weiteren werden soziale<br />

und psychologische Aspekte meist vernachlässigt<br />

oder deren Anwendung in der<br />

<strong>Therapie</strong> nicht konsequent verfolgt.<br />

Einen weiteren schwierigen Bereich stellt<br />

die Diagnostik dar. Zum einen wird häufig sehr<br />

spezifisch diagnostiziert bei unspezifischen<br />

Beschwerden (typischerweise bei Rückenschmerzen)<br />

und zum anderen werden – meist<br />

manuelle – Untersuchungsmethoden ausgelassen,<br />

so dass ein inadäquates Bild entsteht.<br />

Letztlich spielt sicherlich auch die Nichtbeachtung<br />

von Leitlinien eine Rolle.<br />

Die meisten dieser Punkte verlangen einen<br />

gewissen Aufwand und somit Zeit, um sich darum<br />

kümmern zu können. Diese wird in unserem<br />

Gesundheitssystem leider nicht oder<br />

nur unzureichend honoriert. Die meisten Behandler<br />

sind zu einem raschen Arbeiten gezwungen,<br />

bei dem Behandlungsfehler<br />

zwangsläufig auftauchen. Letztlich ist dies ein<br />

Dilemma, aus dem wir nur mit der Bereitschaft,<br />

uns die Zeit zu nehmen, entkommen<br />

können. Vielleicht könnte dies aber auch zu<br />

mehr Zufriedenheit bei uns Behandlern füh-<br />

Südwestdeutsche <strong>Schmerz</strong>tage<br />

Abb. 2: Rückenschmerzen – oft überdiagnostiziert.<br />

ren, auch mit dem Wissen, die Patienten so<br />

ver sorgen zu können, wie es sich die meisten<br />

von uns wünschen.<br />

Fazit<br />

Es gibt zahlreiche Faktoren, die dazu beitragen,<br />

dass auch unsere Behandlung zur Chronifizierung<br />

von <strong>Schmerz</strong>en führt. Diese sind<br />

selbstverständlich nicht beabsichtigt, lösen<br />

jedoch oft auf Patienten- und Behandlerseite<br />

Frustration aus. Es ist möglich, dem effektiv zu<br />

begegnen, indem wir vor allem auf drei Fak-<br />

toren achten:<br />

● ● interdisziplinäre Zusammenarbeit, welche<br />

parallel, nicht sequenziell, erfolgt,<br />

● ● sich Zeit nehmen und<br />

● ● eine werteorientierte <strong>Therapie</strong>.<br />

Allein durch diese drei Faktoren lassen sich<br />

zahlreiche Behandlungsfehler ausschließen<br />

und vor allem eher zufrieden stellende Ergebnisse<br />

für Patient und Therapeut erzielen. Im<br />

Grunde ist es zwingend notwendig, diese<br />

Punkte in der Behandlung von chronischen<br />

<strong>Schmerz</strong>patienten zu beachten, wenn wir als<br />

Behandler nicht Teil der Chronifizierung werden<br />

wollen. Dennoch haben wir noch einen<br />

langen Weg zu einer wirklich effektiven und<br />

guten <strong>Schmerz</strong>therapie zu gehen – in allen<br />

Disziplinen. ■<br />

Literatur beim Verfasser<br />

Gideon Franck, Fulda<br />

9<br />

© K. Dobler / Fotolia.com


Abrechnung<br />

Die Honorare 2013 steigen – auch für<br />

<strong>Schmerz</strong>therapeuten?<br />

Nach einem in dieser Form noch nie dagewesenen Protest gegen eine geplante<br />

weitere neuerliche faktische Nullrunde (nur 0,9 % nach Jahren ohne Erhöhung)<br />

bei den Honorarverhandlungen auf Bundesebene kam es nun zur „Einigung“ der<br />

Verhandlungspartner KBV und Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen.<br />

Danach kann das Gesamthonorar für die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten<br />

2013 um einen Korridorbetrag zwischen 1,15 und 1,27 Milliarden Euro<br />

steigen, informiert SanRat Dr. med. Oliver M. D. Emrich, Vizepräsident der DGS<br />

und Leiter des DGS-<strong>Schmerz</strong>zentrum in Ludwigshafen am Rhein.<br />

Oliver Emrich,<br />

Ludwigshafen<br />

Im Zuge des Protestes der niedergelassenen<br />

Ärzte gegen die derzeitige Honorarentwicklung<br />

für die Behandlung gesetzlich<br />

Krankenversicherter, den die DGS nachhaltig<br />

unterstützt hat, stellt sich insbesondere<br />

die Frage nach der Entwicklung der ambulanten<br />

Kassen-<strong>schmerzmedizin</strong>ischen Versorgung<br />

unter den gegebenen (unzureichenden)<br />

Bedingungen. Nach über einem<br />

Monat nachhaltiger Proteste der niedergelassenen<br />

Ärzteschaft unter einem so noch<br />

nie dagewesenen Konsens freier Ärzteverbände,<br />

der KBV und den Regional-KVen kam<br />

am 9.10.<strong>2012</strong> in Berlin doch noch eine Einigung<br />

zustande: „Das Paket umfasst sowohl<br />

Preis als auch Menge: Orientierungswert<br />

(270–290 Millionen Euro), Herausnahme der<br />

Psychotherapie (130 Millionen), Stärkung<br />

der hausärztlichen und fachärztlichen<br />

Grundversorgung (250 Millionen), extrabudgetäre<br />

Leistungen (150 Millionen) sowie<br />

auf Landesebene Mengenentwicklung und<br />

Zuschläge zum Orientierungswert für förderungswürdige<br />

Leistungen (330–450 Millionen)“.<br />

„Das ist ein guter Kompromiss für die<br />

Patienten. Hervorheben möchte ich die Herausnahme<br />

der Psychotherapie aus der<br />

mengenbegrenzten Gesamtvergütung“, betonte<br />

Dr. Andreas Köhler, KBV-Vorstandsvorsitzender.<br />

Zur Begründung des noch im September<br />

sehr mageren Angebots der Kassen von<br />

0,9 % (Einigungsmarge jetzt ca. 3–4 %) hatte<br />

der GKV-Spitzenverband ein sog. „Gutachten“<br />

des Instituts „Prognos“ vorgelegt, nach<br />

dem Ärzte deutlich weniger arbeiten würden,<br />

als sie behaupten, was bei zudem sinkenden<br />

Fallzahlen bedeuten würde, dass die<br />

Ärzte nicht mehr, sondern sogar weniger<br />

Geld bräuchten, um ihre Leistungen honoriert<br />

zu bekommen. Der Spitzenverband<br />

hatte deshalb sogar eine Absenkung des<br />

Honorars um 7 % gefordert.<br />

Die KBV hatte hart und unmissverständlich<br />

reagiert. Köhler: „Eine Erhöhung des<br />

Orientierungswertes um niedrige 0,9 % ist<br />

mit uns nicht zu machen. Seit 2008 haben<br />

die niedergelassenen Ärzte keinen Inflationsausgleich<br />

und keinen Ausgleich für<br />

gestiegene Praxiskosten erhalten. Deshalb<br />

haben wir eine Steigerung um 11 % gefordert.<br />

Dies auch vor dem Hintergrund, dass<br />

der betriebswirtschaftlich kalkulierte Punkt-<br />

Abb. 1: Es wird mehr Geld verteilt. Doch wer profitiert?<br />

wert im EBM bei 5,11 Cent liegt, wir aber<br />

bisher nur rund 3,5 Cent bekommen.“ Die<br />

Kassen sitzen gleichzeitig weiter auf einem<br />

Polster von über 22 Mrd. Euro, Tendenz steigend,<br />

und geben dieses Geld zur Versorgung<br />

ihrer Versicherten nicht weiter. Das<br />

aber wäre ihr gesetzlicher Auftrag, den sie<br />

damit missachten. Dabei sinkt die Morbidität<br />

nicht, sondern wächst. Das zeigen alle<br />

gesundheitspolitischen Indikatoren.<br />

Und die Konsequenzen?<br />

Die Bedingungen unter denen die ambulante<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie derzeit stattfindet,<br />

ist alles andere als befriedigend: Praxen<br />

schließen wegen ökonomischer Unterdeckung,<br />

was zunehmend auch regionale<br />

DGS-<strong>Schmerz</strong>zentren betrifft. Die Inhaber<br />

gehen z.T. ins benachbarte Ausland. Viele<br />

ambulante <strong>Schmerz</strong>zentren finden keine<br />

Nachfolger mehr. Der Trend zur Niederlassung<br />

als „<strong>Schmerz</strong>therapeut“ (kein geschützter<br />

Begriff) ist rückläufig. Die Honorarsituation<br />

in den 17 KV-Regionen Deutschlands<br />

könnte unterschiedlicher kaum sein,<br />

obwohl es einen „einheitlichen Bewertungsmaßstab“<br />

(EBM) gibt, in dem seit 2005 ein<br />

Kapitel „<strong>Schmerz</strong>therapie“ mit allgemeinen<br />

und besonderen qualifikationsgebundenen<br />

Leistungen die ambulante <strong>Schmerz</strong>medizin<br />

abbilden möchte.<br />

Und genau darin liegt der „Kernpunkt“<br />

für künftige Aussichten. Mindestens mittelfristig<br />

wird sich am grundsätzlichen<br />

Konstrukt eines Kapitels <strong>Schmerz</strong>therapie<br />

10 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />

© [M] Schmeling / fotolia.com | sth/sb


im Leistungsverzeichnis für gesetzlich Krankenversicherte<br />

kaum etwas ändern. Die<br />

neue Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und<br />

vor allem ein Kapitel „spezielle <strong>Schmerz</strong>therapie“<br />

darin, lassen weiter auf sich warten.<br />

Dagegen häufen sich Versuche, einige <strong>Therapie</strong>richtungen<br />

und -inhalte zu desavouieren,<br />

wie z.B. der (bislang misslungene) Versuch<br />

gezeigt hat, Infusionen mit Lokalanästhetika<br />

als definierte Leistung mit fadenscheinigen<br />

Argumenten zu streichen.<br />

Der EBM in der vorliegenden Form wird<br />

die <strong>schmerzmedizin</strong>ische Versorgung für<br />

Versicherte gesetzlicher Krankenkassen<br />

grundsätzlich sehr wahrscheinlich noch lange<br />

Zeit beschreiben. Gleichzeitig ist im Kanon<br />

der fachärztlichen Versorgung „<strong>Schmerz</strong>medizin“<br />

nur als Zusatzbezeichnung „spezielle<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie“ repräsentiert, obwohl sie<br />

nun als „Q14-Querschnittsfach“ zum Ausbildungsinhalt<br />

der Approbationsordnung und<br />

Prüfungsfach aufgerückt ist.<br />

Obschon mit genügend Alleinstellungsmerkmalen<br />

versehen ist „<strong>Schmerz</strong>medizin“<br />

weiterhin nicht als eigenständiger Facharzt<br />

bezeichnet und selbst die <strong>schmerzmedizin</strong>ischen<br />

Fachgesellschaften sind sich wohl<br />

auch künftig leider nicht einig im nachhaltigen<br />

Einsatz für die Beantragung eines<br />

„Facharztes für <strong>Schmerz</strong>medizin“ bei der<br />

Bundesärztekammer. Beispielsweise hat die<br />

Mitgliederversammlung der „<strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Schmerz</strong>gesellschaft“ – vormals DGSS – einen<br />

entsprechenden Antrag am 17.10.<strong>2012</strong><br />

abgelehnt.<br />

Wegen der anhaltend unzureichen-<br />

den Honorierungssituation, der ungelösten<br />

Nach wuchsproblematik und der Minus-Akzeptanz<br />

im Facharztsektor, kann dies nur<br />

bedeuten, dass sich <strong>Schmerz</strong>mediziner auf<br />

allen Kanälen (KV, Krankenkassen, Gesundheitspolitik<br />

und Medienberichterstattung),<br />

vehement für die nachhaltige Verbesserung<br />

der Situation einsetzen müssen. Dazu gehören<br />

als mindestens mittelfristige Ziele ein<br />

Punktwert von 5,11 Cent im EBM, wie ursprünglich<br />

betriebswirtschaftlich kalkuliert,<br />

und unzweifelhaft auch die Forderung nach<br />

Etablierung eines „Facharztes für <strong>Schmerz</strong>medizin“.<br />

<strong>Schmerz</strong>medizin außerhalb<br />

der Regelversorgung?<br />

Ein vielleicht auch sehr kurzfristig realisierbarer<br />

Weg, die <strong>schmerzmedizin</strong>ische Ver-<br />

sorgung, Bewertung und Honorierung zu<br />

verbessern, ist sicherlich gesetzlich durch<br />

Struktur verträge nach §75 c SGBV, und<br />

durch die in tegrierte Versorgung nach § 140<br />

SGBV möglich. Hier braucht es keine große<br />

SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />

Phantasie, aber Verhandlungswillen, zusammen<br />

mit Krankenkassen Versorgungsverträge<br />

außerhalb der Regelversorgung aufzubauen.<br />

Beispiele gibt es genug und vielleicht<br />

beflügelt das angewachsene Finanzpolster<br />

der Kassen deren Experimientierfreudigkeit.<br />

Dabei sind Beispiele für ein<br />

besseres und strukturiertes pluriprofessionelles<br />

und multimodales Behandlungssetting<br />

bereits lange Realität. Ein Beispiel ist<br />

die erfolgreiche und medizinökonomisch<br />

validierte „IVR“ (Integrierte Versorgung Rückenschmerz)<br />

zwischen DGS und Techniker<br />

Krankenkasse (TK), in der in hoher <strong>Therapie</strong>dichte<br />

mit <strong>Schmerz</strong>medizin, Physiotherapie,<br />

Edukation und Psychotherapie Rückenschmerzpatienten,<br />

die wegen ihres Leiden<br />

über vier Wochen arbeitsunfähig bleiben,<br />

innerhalb maximal vier bis acht Wochen zu<br />

über 80 % wieder arbeitsfähig werden. Die<br />

TK hat dies als suffizientes Modell erkannt<br />

und etabliert und andere Kassen werden<br />

sicher folgen.<br />

Weitere Beispiele wären Netzfinanzierungen<br />

durch BKKs mit schneller Übernahme<br />

in eine spezialisierte Versorgung, armiert<br />

und finanziert durch Rabattverträge mit<br />

Pharmafirmen. Hier werden ganz neue Partnerschaften<br />

und „Win-win-Situationen“ geschaffen,<br />

die letztlich allen dienen: Der Zukunft<br />

der <strong>Schmerz</strong>medizin, der Verbesserung<br />

der Versorgung und der kurz- bis auch<br />

langfristigen Ökonomisierung der Ressourcen.<br />

Hier helfen Modelle, die die praktische<br />

patientennahe Versorgung in ambulanten<br />

Zentren mit hoher und höchster Qualität,<br />

abgestuft in Netzverbünden, definieren.<br />

Die ambulante praktische <strong>Schmerz</strong>medizin<br />

hat nach über 20 Jahren bis zu ihrer Aufnahme<br />

in Leistungsverzeichnisse einen<br />

schweren Kampf hinter sich. Und es ist noch<br />

nicht sicher, ob sich dieser Weg überhaupt<br />

lohnt. Da wir aber den Benefit der Übersetzung<br />

von Erkenntnissen und Erfahrungen der<br />

<strong>Schmerz</strong>medizin in die praktische Versorgung<br />

am Patienten, den Nutzen der Empathie<br />

qualifizierter Behandler und der praktischen<br />

Erprobung neuer Versorgungmodelle<br />

kennen, lohnt sich der Einsatz für weitere<br />

sichtbare Verbesserungen sicherlich allemal.<br />

In diesem Sinne unterstützt die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

für <strong>Schmerz</strong>therapie (DGS) ohne<br />

Abstriche den Einsatz für Verbesserungen des<br />

Honorars, aber auch für Verbesserungen der<br />

qualitätsbezogenen (Facharzt für <strong>Schmerz</strong>medizin)<br />

und besseren strukturellen Voraussetzungen.<br />

■<br />

Oliver Emrich, Ludwigshafen,<br />

für den Vorstand der DGS<br />

Impressum<br />

Impressum<br />

Organ der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>therapie und<br />

der Deutschten <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>medizin<br />

Herausgeber<br />

Gerhard H. H. Müller-Schwefe,<br />

Schillerplatz 8/1, D-73033<br />

Göppingen; Tel. 07161/976476, Fax 07161/976477<br />

E-Mail: gp@dgschmerztherapie.de<br />

Schriftleitung<br />

Oliver Emrich, Ludwigshafen; Johannes Horlemann, Kevelaer;<br />

Klaus Längler, Erkelenz; Silvia Maurer, Bad Bergzabern; Michael A.<br />

Überall, Nürnberg; Stephanie Kraus (verantw.), Stephanskirchen,<br />

Tel.: 08036/1031<br />

Beirat<br />

Christoph Baerwald, Leipzig; Wolfgang Bartel, Halberstadt; Heinz-<br />

Dieter Basler, Marburg; Günter Baust, Halle/ Saale; Klaus Borchert,<br />

Greifswald; Burkhard Bromm, Hamburg; Ingunde Fischer, Halle;<br />

Gideon Franck, Fulda; Gerd Geiss linger, Frankfurt; Hartmut Göbel,<br />

Kiel; Olaf Günther, Magdeburg; Winfried Hoerster, Gießen; Stein<br />

Husebø, Bergen; Uwe Junker, Remscheid; Uwe Kern, Wiesbaden;<br />

Edwin Klaus, Würzburg; Eberhard Klaschik, Bonn; Lothar<br />

Klimpel, Speyer; Bruno Kniesel, Hamburg; Marianne Koch,<br />

Tutzing; Bernd Koßmann, Wangen; Michael Küster, Bad Godesberg-Bonn;<br />

Klaus Längler, Erkelenz; Peter Lotz, Bad Lippspringe;<br />

Eberhard A. Lux, Lünen; Christoph Müller-Busch, Berlin; Joachim<br />

Nadstawek, Bonn; Thomas Nolte, Wiesbaden; Robert Reining,<br />

Passau; Robert F. Schmidt, Würzburg; Günter Schütze, Iserlohn;<br />

Harald Schweim, Bonn; Hanne Seemann, Heidelberg; Ralph<br />

Spintge, Lüdenscheid; Birgit Steinhauer, Limburg; Roland Wörz,<br />

Bad Schönborn; Walter Zieglgänsberger, München; Manfred<br />

Zimmermann, Heidelberg<br />

In Zusammenarbeit mit: <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Algesiologie<br />

– <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>forschung und <strong>Schmerz</strong>therapie;<br />

<strong>Deutsche</strong> Akademie für Algesiologie – Institut für<br />

schmerztherapeutische Fort- und Weiterbildung; <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />

für interdisziplinäre Palliativversorgung e. V.; <strong>Deutsche</strong><br />

<strong>Schmerz</strong>liga e.V. (DSL); <strong>Gesellschaft</strong> für algesiologische<br />

Fortbildung mbH (gaf mbH); Gesamtdeutsche <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

Manuelle Medizin e.V. (GGMM); Institut für Qualitätssicherung<br />

in <strong>Schmerz</strong>therapie und Palliativmedizin (IQUISP); Berufsverband<br />

der <strong>Schmerz</strong>therapeuten in Deutschland e.V. (BVSD).<br />

Mit der Annahme eines Beitrags zur Veröffent lichung erwirbt<br />

der Verlag vom Autor alle Rechte, insbesondere das Recht der<br />

weiteren Vervielfältigung zu gewerblichen Zwecken mithilfe<br />

fotomechanischer oder anderer Verfahren. Die Zeitschrift sowie<br />

alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen<br />

sind urheberrechtlich geschützt.<br />

Hinweis: Die in dieser Zeitschrift angegebenen Dosierungen<br />

– vor allem von Neuzulassungen – sollten in jedem Fall mit<br />

dem Beipackzettel der verwendeten Medikamente verglichen<br />

werden.<br />

Bezugspreis: Einzelheft 12,– Euro; Abonnement für 4 Ausgaben<br />

pro Jahr 40,– Euro (zzgl. Versand, inkl. MwSt.). Der Mitgliedsbeitrag<br />

der DGS schließt den Bezugspreis der Zeitschrift<br />

mit ein. Die Zeitschrift erscheint im 28. Jahrgang.<br />

Verlag: Springer Medizin © Urban & Vogel GmbH,<br />

München, Dezember <strong>2012</strong><br />

Leitung Corporate Publishing: Ulrike Hafner (verantw.)<br />

Redaktion: Dr. Melanie Leshel<br />

Druck: Stürtz GmbH, Würzburg<br />

Titelbild: © Daniel Loretto / Fotolia.com<br />

Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse: Die Urban & Vogel<br />

GmbH ist 100%ige Tochter gesellschaft der Springer Medizin<br />

Verlag GmbH, Heidelberg. Die alleinige <strong>Gesellschaft</strong>erin der<br />

Springer Medizin Verlag GmbH ist die Springer-Verlag GmbH<br />

mit einer Beteiligung von 100%. Die Springer-Verlag GmbH ist<br />

eine 100%ige Tochtergesellschaft der Springer Science + Business<br />

Media Deutschland GmbH. Die alleinige <strong>Gesellschaft</strong>erin<br />

der Springer Science + Business Media Deutschland GmbH ist<br />

die Springer Science + Business Media Netherlands B.V., die<br />

100% der Anteile hält. Die Springer Science + Business Media<br />

Netherlands B.V. ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der<br />

Springer Science + Business Media Finance S.àR.L. Die Springer<br />

Science+Business Media Finance S.àR.L. ist eine 100%ige Tochter<br />

der Springer Science+Business Media S.A.<br />

11


Psychologie<br />

Seelische <strong>Schmerz</strong>en tun auch weh!<br />

Dass nicht nur unser Körper, sondern auch die Seele <strong>Schmerz</strong> ertragen kann,<br />

weiß der Volksmund schon lange: „Herz“ reimt sich auf „<strong>Schmerz</strong>“, in unendlich<br />

vielen Gedichten und Liedern, die von Abschied, Trennung und Alleinsein handeln.<br />

Der Abschied von einem geliebten Menschen ist schmerzlich. Und geht<br />

es um Trauer nach endgültigem Abschied, geht es auch um zuweilen unerträglichen<br />

<strong>Schmerz</strong>. Die komplexen Zusammenhänge zwischen Psyche und <strong>Schmerz</strong><br />

erläutert Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie,<br />

Ulm.<br />

Als Arzt nimmt man die Sorgen und Nöte<br />

seiner Patienten ernst, sieht nicht nur<br />

den Körper, sondern den „ganzen Menschen“.<br />

Zugleich hat man aber auch ein<br />

wissenschaftliches Studium durchlaufen,<br />

glaubt also nicht an „Hokuspokus“, sondern<br />

beruft sich auf die Erkenntnisse der modernen<br />

Naturwissenschaft. Deren Anwendung<br />

im Einzelfall wird immer eine Kunst sein,<br />

weswegen man ja auch von der ärztlichen<br />

Kunst spricht. Aber was da angewendet<br />

wird, ist immer allgemeines, verifizierbares<br />

Wissen, das entweder in allgemeinen Ursache-Wirkung-Beziehungen<br />

(Keim X wird<br />

Abb. 1: Die linke senkrechte Linie erscheint<br />

kürzer.<br />

Abb. 3: Die Tasse fällt, obwohl auf dem<br />

Standbild keine Bewegung vorliegt.<br />

durch Medikament Y aufgrund von Mechanismus<br />

Z an der Vermehrung gehindert)<br />

oder in statistisch aufgearbeiteten klinischen<br />

Erfahrungen vieler Kollegen (Harnwegsinfekte<br />

sind meistens durch Keim X verursacht)<br />

besteht.<br />

Im Falle eines Patienten, der <strong>Schmerz</strong>en<br />

hat, kommt dann der „ganze Mensch“ durchaus<br />

vor, aber eben nur in dem Sinne, dass<br />

man das Wissen in einem „psychosozialen<br />

Umfeld“ anwendet und sich beispielsweise<br />

klar macht, dass es diesem Patienten gar<br />

nicht gut gehen kann, wo doch gerade seine<br />

geliebte Frau gestorben ist. Empathie ge-<br />

Abb. 2: Die Flächen A und B erscheinen<br />

schwarz und weiß, sind aber tatsächlich<br />

von gleicher Helligkeit.<br />

Abb. 4: Typisches Beispiel einer haptischen<br />

Täuschung.<br />

Manfred Spitzer, Ulm<br />

hört zum menschlichen Leben einfach dazu<br />

und damit auch zum Alltag des Arztes. Allerdings<br />

gehört es auch zu seiner „Professionalität“,<br />

sich durch sie nicht irreführen zu lassen<br />

und schon gar nicht zu viel mitzuleiden,<br />

weil das niemandem nützt und dem Arzt auf<br />

Dauer nur schaden würde.<br />

Der naturwissenschaftlich informierte<br />

Arzt wird also die Rede vom <strong>Schmerz</strong> durch<br />

Abschied, Trauer und Alleinsein als Metapher<br />

verstehen und kann sich dabei auf ein<br />

breites Fundament von der Theologie bis zur<br />

kognitiven Linguistik stützen (Bader 1990;<br />

Johnson & Lakoff 2011). Was aber wäre,<br />

wenn aus der Naturwissenschaft selbst Erkenntnisse<br />

kämen, die zeigen, dass der<br />

<strong>Schmerz</strong> der Seele keineswegs eine Metapher<br />

ist, sondern einfach nur beschreibt, wie<br />

man sich fühlt? „Ja, schon, aber wie man sich<br />

fühlt, das weiß ich doch. Dazu braucht man<br />

nun wirklich keine Gehirnforschung!“ mag<br />

mancher – vielleicht sogar entrüstet – einwenden.<br />

Unser Empfinden kann uns täuschen<br />

Denn was immer wir erleben, bemerken,<br />

fühlen und wahrnehmen fällt nicht passiv in<br />

uns hinein, sondern wird aktiv produziert –<br />

sogar der <strong>Schmerz</strong>! Nur ein lebendiger Organismus<br />

von recht hoher Komplexität (eine<br />

Amöbe reicht nicht!) bringt <strong>Schmerz</strong>en<br />

überhaupt zustande!<br />

Und nur sehr komplexe Organismen können<br />

sich täuschen, d.h. können bemerken,<br />

dass ihr erster spontaner Eindruck falsch war.<br />

Die (sehr bekannten) beiden Linien in Abbildung<br />

1 sind gleich lang, die beiden Flächen A<br />

und B in Abbildung 2 sind gleich hell, und die<br />

Tasse in Abbildung 3 fällt nicht, obwohl das<br />

so aussieht, sondern schwebt einfach so in<br />

der Luft (was nicht sein kann, weswegen es<br />

auch nicht so aussieht). Und wenn wir einen<br />

Bleistift so in die Finger nehmen, wie Abbildung<br />

4 darstellt und die Augen schließen,<br />

12 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)


Abb. 5: Soziale Isolierung führt zu einer<br />

ACC-Aktivierung.<br />

dann täuschen wir uns darin, dass wir zwei<br />

Bleistifte zu berühren glauben. Unser unmittelbares<br />

Erleben, das reine Gefühl, kann uns<br />

also durchaus Streiche spielen, uns täuschen.<br />

Einsamkeit tut weh<br />

Die erste Arbeit zu seelischen <strong>Schmerz</strong>en<br />

durch Einsamkeit erschien im Jahr 2003 im<br />

Fachblatt Science. Soziale Ablehnung kann<br />

das <strong>Schmerz</strong>zentrum (d.h. den anterioren Gyrus<br />

cinguli, engl. anterior cingulate gyrus, kurz<br />

ACC) aktivieren, wie Naomi Eisenberger und<br />

Mitarbeiter (2003) durch ein cleveres Experiment<br />

herausgefunden hatten. Drei Probanden<br />

spielten zunächst ein virtuelles Ballspiel (mit<br />

Joystick und Bildschirm), bei dem zwei Spieler<br />

nach einer gewissen Zeit dem Dritten den Ball<br />

nicht mehr zuwerfen. Dies führte beim dritten<br />

Spieler zu einer Aktivierung des ACC (Abb. 5).<br />

Jahre zuvor war bereits gezeigt worden,<br />

dass der ACC auch durch <strong>Schmerz</strong>en aktiviert<br />

wird (Rainville et al. 1997). Diese Aktivierung<br />

korreliert sogar mit der <strong>Schmerz</strong>stärke: Bei wenig<br />

<strong>Schmerz</strong>en war der ACC gering aktiv, bei<br />

starken <strong>Schmerz</strong>en dagegen sehr aktiv (Abb.<br />

6). Weil bei <strong>Schmerz</strong>en beispielsweise an der<br />

Hand auch der die Hand repräsentierende sensorische<br />

Kortex aktiviert ist, dessen Aktivierung<br />

jedoch nicht mit der Stärke der <strong>Schmerz</strong>en<br />

korreliert ist (Rainville et al. 1997), kann<br />

man folgern, dass dieser den Ort der <strong>Schmerz</strong>en<br />

anzeigt, der ACC hingegen deren Stärke.<br />

Beide zusammen gehören zu dem, was man<br />

mittlerweile das <strong>Schmerz</strong>netzwerk nennt.<br />

Warum ist das gleiche Stückchen Gehirnrinde,<br />

dass für das Ausmaß der <strong>Schmerz</strong>stärke<br />

zuständig ist, auch für Einsamkeit zuständig<br />

(vgl. Eisenberger & Lieberman 2004; Eisenberger<br />

et al. 2006; MacDonald & Leary 2005; Herman<br />

& Panksepp 1978; Panksepp 2003)? Aus<br />

evolutionärer Sicht lässt sich zunächst sagen,<br />

dass <strong>Schmerz</strong>en nicht etwa dazu da sind, uns<br />

zu quälen und ärgern, sondern eine ganz<br />

wichtige Funktion für das Überleben haben:<br />

SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />

Abb. 6: Starken <strong>Schmerz</strong>en bewirken eine<br />

verstärkte Aktivität des ACC (unten links).<br />

Wenn ich die Hand auf die heiße Herdplatte<br />

lege und es so lange nicht bemerkte bis es<br />

übel riecht, ist das nicht gut für meine Hand.<br />

<strong>Schmerz</strong>en sichern unsere körperliche Unversehrtheit.<br />

Menschen, die keine <strong>Schmerz</strong>en<br />

empfinden können, sterben in aller Regel vor<br />

ihrem 30. Lebensjahr.<br />

Soziale und körperliche Integrität:<br />

Social Brain<br />

Zum Überleben brauchen in Gruppen lebende<br />

Wesen neben einem unversehrten Körper<br />

auch eine funktionierende Gemeinschaft.<br />

Warf vor Jahrtausenden die Horde ein Mitglied<br />

hinaus, war dies dessen Todesurteil.<br />

Zudem vollziehen sich auch die Fortpflanzung<br />

und die Aufzucht der Nachkommen bei<br />

sozialen Lebewesen immer in der Gruppe.<br />

Dass also beim Menschen das gleiche Stückchen<br />

Gehirn für körperliche und soziale Integrität<br />

zuständig ist, wundert nicht. Aus neurowissenschaftlicher<br />

Sicht kann man ergänzen,<br />

dass der ACC mittlerweile fester Bestandteil<br />

eines größeren Verbandes zentralnervöser<br />

Module darstellt, die man mittlerweile<br />

unter dem Begriff „Social Brain“<br />

zusammenfasst (vgl. Spitzer <strong>2012</strong>a).<br />

Aus klinischer Sicht lassen sich durch den<br />

Befund von Eisenberger und Mitarbeitern eine<br />

ganze Reihe bekannter Phänomene erklären:<br />

Depressive Syndrome gehen mit sozialem<br />

Rückzug bzw. dem Erleben von Einsamkeit<br />

einher – und mit <strong>Schmerz</strong>en verschiedenster<br />

Art. Entsprechend besteht bei chronisch depressiven<br />

Menschen oft auch ein <strong>Schmerz</strong>mittelmissbrauch.<br />

Wer an chronischen <strong>Schmerz</strong>en<br />

leidet und zu allem Überfluss dann auch noch<br />

vom Partner verlassen wird, braucht oft eine<br />

intensivere <strong>Schmerz</strong>therapie. Umgekehrt<br />

kennt jeder Kliniker Fälle, bei denen man sich<br />

wundert, was der Patient oder die Patientin<br />

mit intaktem sozialen Umfeld alles aushält.<br />

Der Volksmund weiß um den Zusammenhang<br />

von Einsamkeit und <strong>Schmerz</strong>en. Diese<br />

Psychologie<br />

Weisheit der Sprache wurde bislang jedoch<br />

immer metaphorisch gedeutet: So reden wir<br />

eben! Seit dem Jahr 2003 wird demgegenüber<br />

zunehmend klar, dass die Sprache hier einem<br />

genuin phänomenalen Aspekt des Erlebens<br />

Ausdruck verleiht. Wenn dasselbe Gehirnmodul<br />

Einsamkeit und <strong>Schmerz</strong>en meldet,<br />

dann muss es zu entsprechenden Überschneidungen<br />

kommen, ähnlich den Überschneidungen<br />

beispielsweise bei den Rezeptoren auf<br />

der Zunge: Dort ist beispielsweise der gleiche<br />

Rezeptor für „heiß“ und „scharf“ zuständig,<br />

und so wundert weder, dass wir zu scharfen<br />

Speisen gerne etwas Kühles trinken noch, dass<br />

die Engländer scharfes Essen als „heißes“ Essen<br />

(hot food) bezeichnen. Das ist keine Metaphorik,<br />

sondern beschreibt die Dinge, wie sie wirklich<br />

sind.<br />

Dass sowohl <strong>Schmerz</strong>en als auch Einsamkeit<br />

den ACC aktivieren, erklärt somit zwanglos<br />

eine ganze Reihe bekannter Erfahrungen.<br />

Jede gute wissenschaftliche Einsicht erklärt<br />

jedoch nicht nur bereits Bekanntes, sondern<br />

führt auch zu neuen Fragen, auf die man ohne<br />

sie gar nicht gekommen wäre. In Anlehnung<br />

an Archimedes, der eine Einsicht hatte und<br />

nackt „Heureka!“ („Ich hab’s gefunden!“) rufend<br />

durch die Stadt rannte, spricht man vom<br />

heuristischen Wert einer wissenschaftlichen<br />

Erkenntnis.<br />

Neue Fragen und<br />

erstaunliche Antworten<br />

In einem anlässlich des jährlichen Kongresses<br />

der internationalen Society of Neuroscience in<br />

Washington, DC/USA, im November 2011 gehaltenen<br />

Vortrag, verdeutlichte Frau Eisenberger<br />

diesen heuristischen Wert mit einer Vierfeldertafel,<br />

die ich mir damals rasch notierte<br />

(Tab. 1). Wenn man die Dinge so betrachtet<br />

und sich zugleich vergegenwärtigt, dass die<br />

<strong>Schmerz</strong>en vom gleichen Modul registriert<br />

werden, leuchtet unmittelbar ein, dass Gedanken<br />

an soziale Einbettung/Unterstützung somatische<br />

<strong>Schmerz</strong>en lindern können.<br />

Um dies nachzuweisen, zeigten Master<br />

und Mitarbeiter (2009) ihren Versuchspersonen<br />

entweder Bilder von deren jeweiligem<br />

Tab. 1: Verstärkung und Abschwächung<br />

sozialer und somatischer <strong>Schmerz</strong>en.<br />

Verstärkung<br />

der <strong>Schmerz</strong>en<br />

Verminderung<br />

der <strong>Schmerz</strong>en<br />

Soziale<br />

<strong>Schmerz</strong>en<br />

Somatische<br />

<strong>Schmerz</strong>en<br />

Einsamkeit Entzündung<br />

Soziale<br />

Unterstützung/<br />

Einbettung<br />

Paracetamol<br />

13


Psychologie<br />

Abb. 7: Das Bild des Lebenspartners lindert<br />

<strong>Schmerz</strong>en im Gegensatz zum Bild<br />

eines Fremden oder eines Objekts.<br />

<strong>Schmerz</strong>en<br />

(Selbsteinschätzung)<br />

1,0<br />

0,5<br />

0<br />

–0,5<br />

–1,0<br />

–1,5<br />

Partner Fremder Objekt<br />

Partner oder fremder Person oder von Objekten,<br />

während ihnen zugleich experimentell<br />

<strong>Schmerz</strong>en zugefügt wurden, deren Stärke<br />

jeweils einzuschätzen war. Das Bild des<br />

Partners verringerte dabei die <strong>Schmerz</strong>en<br />

deutlich, während Bilder von anderen Personen<br />

oder Objekten die <strong>Schmerz</strong>wahrnehmung<br />

unverändert ließen bzw. numerisch<br />

sogar leicht verstärkten (Abb. 7).<br />

Eine Studie von Younger und Mitarbeitern<br />

(2010) konnte mittels funktioneller Magnetresonanztomografie<br />

(fMRT) nachweisen,<br />

dass der Anblick eines geliebten Menschen die<br />

Aktivität des ACC verringert. Ver glichen wurde<br />

die Aktivität (unter Zufügen von <strong>Schmerz</strong>en)<br />

beim Betrachten des geliebten Partners mit<br />

der Aktivität (unter Zufügen von <strong>Schmerz</strong>en)<br />

beim Anblick einer attraktiven bekannten<br />

(aber nicht geliebten) Person bzw. beim Abarbeiten<br />

einer Ablenkungsaufgabe.<br />

Der heuristische Wert der oben dargestellten<br />

Vierfeldertafel beschränkt sich jedoch keineswegs<br />

auf psychologische Effekte im Hinblick<br />

auf somatische <strong>Schmerz</strong>en. Vielmehr legt<br />

er auch das Umgekehrte nahe, d.h. somatische<br />

Effekte auf psychologische <strong>Schmerz</strong>en. So<br />

konnten Eisenberger und Mitarbeiter (2010)<br />

zeigen, dass die Gabe von inflammatorisch<br />

wirkendem Endotoxin nicht nur zu einem (erwarteten)<br />

Anstieg bekannter Entzündungsmediatoren<br />

wie Interleukin-6 und Tumornekrosefaktor-alpha<br />

(IL-6, TNF-alpha) führt, sondern<br />

auch zu einem Anstieg von Gefühlen der<br />

so zialen Isolation (Abb. 8).<br />

Dies passt gut zu den in der Psycho-Neuro-Endokrinologie<br />

seit längerer Zeit diskutierten<br />

Zusammenhängen von Entzündung<br />

und Depression. Zugleich stellt sie deren<br />

theo retische Basis auf den Kopf: Bislang wurde<br />

zumeist ein direkter Weg von Entzündung<br />

zur Depression postuliert. Nach den Befunden<br />

von Eisenberger und Mitarbeitern führt<br />

der Weg jedoch über die Aktivierung des ACC<br />

und die daraus resultierenden Gefühle der<br />

sozialen Isolation. Da man Depressivität und<br />

soziale Isolation getrennt erfragte, zeigte<br />

eine entsprechende Auswertung der Daten,<br />

dass das Ausmaß der sozialen Isolation das<br />

der Depression vollständig statistisch erklären<br />

konnte. Es ist also durchaus denkbar, dass<br />

die (durch Entzündungsmediatoren bedingten)<br />

<strong>Schmerz</strong>en das Gefühl von Einsamkeit<br />

und dieses dann den depressiven Affekt<br />

verursacht, und nicht – wie bisher von den<br />

Endokrinologen (zumeist implizit) angenommen<br />

– die Entzündung die Depression und<br />

damit auch (indirekt) die Gefühle der Einsamkeit<br />

bewirkt.<br />

<strong>Schmerz</strong>mittel wirken gegen<br />

Einsamkeit<br />

Die somatischen Effekte auf psychologische<br />

<strong>Schmerz</strong>en beschränken sich keineswegs auf<br />

die Verstärkung. Vielmehr lässt sich aus der<br />

Tatsache, dass somatische und psychologische<br />

<strong>Schmerz</strong>en im ACC unmittelbar verknüpft<br />

sind, auch die Schlussfolgerung ableiten, dass<br />

<strong>Schmerz</strong>mittel auch gegen Einsamkeit wirken<br />

(Tab. 1). Dies wurde tatsächlich im Rahmen<br />

zweier randomisierter placebokontrollierter<br />

Doppelblindstudien nachgewiesen (DeWall et<br />

al. 2010).<br />

An der ersten Studie nahmen 62 Probanden<br />

teil, die über einen Zeitraum von drei Wochen<br />

jeweils morgens und abends entweder<br />

500 mg Paracetamol in Tablettenform oder<br />

Placebo einnahmen und täglich abends einen<br />

Fragebogen zu verletzenden Gefühlen am jeweiligen<br />

Tag ausfüllen mussten. Von diesem<br />

Fragebogen ist bekannt, dass er besonders<br />

empfindlich für Empfindungen sozialer Ablehnung<br />

ist. Zudem mussten die Probanden täg-<br />

lich einen weiteren Fragebogen zu positiven<br />

Emotionen ausfüllen, um die Frage zu klären,<br />

ob Paracetamol einen Einfluss auf positive<br />

Emotionen hat. Es zeigte sich, dass Paracetamol<br />

über den Versuchszeitraum von 21 Tagen<br />

zu einer signifikanten Verminderung von Gefühlen<br />

der Verletztheit führte, was nicht auf ein<br />

vermehrtes Auftreten positiver Gefühle zurückgeführt<br />

werden konnte. Das <strong>Schmerz</strong>mittel<br />

bewirkte also bei dreiwöchiger Einnahme<br />

eine Reduktion der erlebten Einsamkeit.<br />

Die zweite Studie wurde mit 25 Probanden<br />

durchgeführt, die ebenfalls über einen Zeitraum<br />

von drei Wochen täglich 2000 mg Paracetamol<br />

oder Placebo einnahmen und am<br />

Ende dieses Zeitraums im MRT mittels eines zu<br />

dritt gespielten Ballspiels (ein Spieler lag dabei<br />

im Scanner) ein Erlebnis des sozialen Ausschlusses<br />

erfuhren. Man ging damit direkt der<br />

Hypothese nach, dass das Signal eines aktivierten<br />

ACC während des Erlebens von sozialem<br />

Ausschluss durch Paracetamol verringert<br />

sein würde. Genau dies war der Fall.<br />

ACC als Soziometer<br />

Die Autoren (2010, S. 936) fassen die Ergebnisse<br />

beider Studien wie folgt zusammen:<br />

„Die gegenwärtigen Studien liefern neue Einsichten<br />

zum engen Zusammenhang von sozialen<br />

und körperlichen <strong>Schmerz</strong>en, indem<br />

sie der überraschenden Konsequenz der<br />

Überlegung nachgehen, dass seelische und<br />

körperliche <strong>Schmerz</strong>en das gleiche neurobiologische<br />

Substrat besitzen. Wir haben erstmals<br />

gezeigt, dass Paracetamol, ein rezeptfrei<br />

erhältliches <strong>Schmerz</strong>mittel zur Behandlung<br />

körperlicher <strong>Schmerz</strong>en, auch die durch sozia<br />

le Zurückweisung verursachten seelischen<br />

Abb. 8: Inflammatorisch wirksames Endotoxin führt zum Anstieg der Entzündungsparameter<br />

und zu Gefühlen der sozialen Isolation.<br />

IL-6 [pg/ml]<br />

Symptome<br />

200<br />

150<br />

100<br />

50<br />

0<br />

–50<br />

1,5<br />

1,0<br />

0,5<br />

0<br />

Inflammatorisch wirksames Endotoxin Kochsalzlösung<br />

*<br />

*<br />

*p


<strong>Schmerz</strong>en zu reduzieren vermag, „auf der<br />

Ebene des <strong>Schmerz</strong>erlebens und auf der Ebene<br />

der Gehirnaktivierung“ (Übersetzung<br />

durch den Autor).<br />

Weitere Studien konnten zeigen, dass<br />

allein ein Gesichtsausdruck der Mißbilligung<br />

(Burklund et al. 2007) oder ein Wort der Ablehnung<br />

(„Das Interview mit Dir war langweilig“;<br />

Eisenberger et al. 2011) genügen,<br />

um den ACC zu aktivieren und ein entsprechendes<br />

Gefühl der sozialen Ablehnung zu<br />

erzeugen. Auch das Betrachten eines Fotos<br />

der Person, mit der man bis vor Kurzem liiert<br />

war (Kross et al. 2011) und selbst das Erleben<br />

von unfairer Behandlung in einem Spiel<br />

führt zu dessen Aktivierung (Sanfey et al.<br />

2003), so dass der ACC auch schon als „Soziometer“<br />

bezeichnet wurde (Eisenberger et al.<br />

2011). Entsprechend schwächen Gefühle<br />

der sicheren Bindung an eine bestimmte<br />

Person die Reaktion des ACC auf Vereinsamung<br />

ab (Karremans et al. 2011). Ein geringes<br />

Selbstwertgefühl verstärkt sie, ein<br />

hohes schwächt sie ab (Onoda et al. 2010).<br />

Jugendliche besonders empfindlich<br />

Neueste Befunde aus der Entwicklungsneurobiologie<br />

zeigen zudem, dass dieses soziale<br />

SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />

„Messinstrument“ in unseren Köpfen einer<br />

interessanten Entwicklung unterliegt: Im<br />

Laufe des Heranwachsens werden Beziehungen<br />

zu Gleichaltrigen immer bedeutender.<br />

Dementsprechend reagieren Jugendliche<br />

mit zunehmendem Alter verstärkt<br />

auf sozia len Ausschluss, wie eine Studie an<br />

7- bis 17-Jährigen ergab (Bolling et al. 2011).<br />

Altersabhängige Effekte konnten im übrigen<br />

auch bei Erwachsenen nachgewiesen<br />

werden. Hier zeigte sich bei experimenteller<br />

sozialer Ausgrenzung im oben beschriebenen<br />

Ballspiel ein stärkeres Gefühl der Einsamkeit<br />

bei jüngeren (18–25 Jahre) als bei<br />

älteren Erwachsenen (26–50 bzw. 51–86 Jahre)<br />

(Hawkley et al. 2010)). Aus diesen Ergebnissen<br />

kann also die Hypothese gebildet werden,<br />

dass es eine Zeit besonderer Empfindlichkeit<br />

gegenüber sozialem Ausschluss gibt:<br />

die Adoleszenz.<br />

Eine protektive Wirkung auf eine erhöhte<br />

Sensitivität für sozialen <strong>Schmerz</strong> scheint die<br />

Zeit zu haben, die Jugendliche mit ihren<br />

Freunden verbringen (Masten et al. 2010).<br />

Die verbrachte Zeit mit Freunden korrelierte<br />

negativ mit der Aktivierung des ACC und der<br />

anterioren Insula während einer Ausschlusssitua<br />

tion zwei Jahre später. Insge-<br />

Psychologie / Palliativmedizin<br />

samt mehren sich die Befunde dazu, dass<br />

soziale Unterstützung und Gruppenzugehörigkeit<br />

die neuronalen und psychologischen<br />

Auswirkungen von sozialem <strong>Schmerz</strong> (Eisenberger<br />

et al. 2007; Onoda et al. 2009; Krill<br />

& Platek 2009; Bernstein et al. 2010), aber<br />

auch die von physischem <strong>Schmerz</strong> mindern<br />

(Brown et al. 2003; Master et al. 2009). Entsprechend<br />

findet man nicht nur Fotos der<br />

Familie, sondern gelegentlich auch des<br />

Lieblingsfußballvereins auf den Nachttischchen<br />

der Patienten. Sie wissen schon selbst<br />

am besten, was gut für sie ist.<br />

Und wer hätte gedacht, dass sich unsere<br />

chronisch einsamen älteren subdepressiven<br />

Menschen mit <strong>Schmerz</strong>mittalabusus nicht<br />

einfach „betäuben“ oder einem völlig inadäquaten<br />

Verhalten anheim gefallen sind, sondern<br />

sich effektiv selbst behandeln? Entsprechend<br />

lautet die klinische Konsequenz<br />

in diesen Fällen unter Umständen nicht unbedingt:<br />

„Alles absetzen, das bringt sowieso<br />

gar nichts!“ ■<br />

Literatur beim Verfasser<br />

Terminale Sedierung – eine Maßnahme der<br />

Symptomkontrolle<br />

In der Palliativmedizin besteht breiter Konsens im Bemühen um Symptomlinderung<br />

als zentrales Ziel der palliativen Begleitung. Terminale Sedierung wird nur<br />

dann erwogen, wenn leichtere Sedierungsmaßnahmen nicht ausreichen. Sie ist<br />

beschränkt auf existenzielle Extremsituationen, erläutert Dr. med. Johannes<br />

Horlemann, Kevelaer, Vizepräsident der DGS.<br />

Der Begriff „terminale Sedierung“ bedeutet,<br />

dass es sich um eine gezielte<br />

Herabsetzung des Bewusstseinszustandes<br />

handelt. Dieser wird bewusst in Kauf genommen,<br />

mit Einverständnis des Patienten,<br />

und ist in der Regel irrerversibel bis zum Todeseintritt.<br />

Definition<br />

Bis heute besteht keine einheitliche Terminologie.<br />

Die European Association for Palliative<br />

Care (EAPC) hat seit vielen Jahren die<br />

palliative Maßnahme der Sedierung als eine<br />

Maßnahme kommuniziert und verstanden,<br />

die die Absicht verfolgt, unerträgliches Leiden<br />

zu lindern ohne Tötungsabsicht. Abzugrenzen<br />

sind Maßnahmen im Rahmen der<br />

„Euthanasie“, die die Absicht verfolgt, einen<br />

Patienten zu töten.<br />

Bei der terminalen Sedierung wäre die<br />

verbesserte Symptomkontrolle durch Verabreichung<br />

von Sedativa das Ziel. Erfolg wäre<br />

also die Beschwerdelinderung. Die terminale<br />

Sedierung kann auf bestimmte Zeit als best-<br />

Manfred Spitzer, Ulm<br />

Johannes<br />

Horlemann,<br />

Kevelaer<br />

mögliche <strong>Therapie</strong>form in Betracht kommen.<br />

Sie kann intermittierend oder kontinuierlich,<br />

primär oder sekundär, oberflächlich oder tief<br />

ausgeführt werden. Das erfolgreiche Ergebnis<br />

einer Euthanasie wäre hingegen der möglichst<br />

komplikationslose Eintritt des Todes<br />

durch Verabreichung eines todbringenden<br />

Medikamentes.<br />

15


© Ugurhan Betin / istockphoto.com Ein friedvoller Tod – das Hauptziel der terminalen Sedierung.<br />

Palliativmedizin<br />

Euthanasie<br />

Die ethische Debatte um den Begriff der sogenannten<br />

Euthanasie bedarf einiger Klarstellungen.<br />

1. Aktive Sterbehilfe: Hierunter versteht<br />

man die schmerzlose Tötung eines Patienten<br />

auf dessen ausdrücklichen oder mutmaßlichen<br />

Wunsch hin. Die Maßnahme ist in<br />

Deutschland strafrechtlich verboten.<br />

2. Passive Sterbehilfe: Hierunter fällt ein<br />

sogenannter Behandlungsabbruch bzw.<br />

eine <strong>Therapie</strong>zieländerung, nämlich der Verzicht<br />

auf lebensverlängernde Maßnahmen<br />

(oder ihr Abbruch) entsprechend dem ausdrücklichen<br />

oder mutmaßlichen Willen des<br />

Patienten. Diese Maßnahme ist rechtlich zulässig<br />

und ethisch geboten, wenn die <strong>Therapie</strong>zieländerung<br />

zu einer palliativen Betreuung<br />

dem Patientenwillen entspricht.<br />

3. Indirekte Sterbehilfe: Hierbei wird eine<br />

Lebensverkürzung bei der <strong>Schmerz</strong>- und<br />

Symptomlinderung am Lebensende inkaufgenommen.<br />

Sie ist ethisch und rechtlich<br />

zulässig und geboten, wenn die Symptomlinderung<br />

dem Patientenwillen entspricht.<br />

4. Ärztlich assistierter Suizid: Beihilfe zur<br />

Selbsttötung beim einwilligungs- und urteilsfähigen<br />

Patienten. Die Maßnahme stellt<br />

keinen eigenständigen Straftatbestand da,<br />

ist aber standesrechtlich untersagt und wird<br />

aktuell heftig diskutiert.<br />

Der Begriff der Euthanasie wird in Großbritannien<br />

anders eingestuft: Hier unterscheidet<br />

man die freiwillige Euthanasie<br />

(ärztliche Lebensbeendigung auf ausdrücklichen<br />

Wunsch des informierten Patienten),<br />

die nicht freiwillige Euthanasie (Lebensbeendigung<br />

bei einwilligungsunfähigen bzw.<br />

bewusstlosen Patienten entsprechend seinem<br />

mutmaßlichen Willen oder Todeswunsch)<br />

und die unfreiwillige Euthanasie<br />

(Mitleidstötung entgegen dem Wunsch des<br />

Patienten).<br />

Terminale Sedierung<br />

Vor dem Hintergrund der oben aufgeführten<br />

Definitionen muss die terminale Sedierung<br />

als eine palliativmedizinische Maßnahme<br />

definiert werden, deren Indikation von<br />

schwerwiegenden Symptomen abgeleitet<br />

wird: Zu diesen gehören unkontrollierbarer<br />

<strong>Schmerz</strong>, Unruhe und Dyspnoe.<br />

Es handelt sich um eine Maßnahme<br />

der sogenannten indirekten Sterbehilfe,<br />

mit dem Ziel der Symptomlinderung und<br />

der Inkaufnahme einer Lebensverkürzung.<br />

Der nationale Ethik rat hat 2010 empfohlen,<br />

den Begriff umzuändern in „<strong>Therapie</strong> am<br />

Lebens ende“.<br />

Jede palliativmedizinische Maßnahme,<br />

die wir an unseren schwerkranken Patienten<br />

ausführen, muss Antworten auf folgende<br />

Fragen bieten:<br />

z z Welche Maßnahme soll durchgeführt wer-<br />

den?<br />

z z Welcher Preis muss bezahlt werden?<br />

z z Welche Verbesserung der Lebensqualität<br />

ist zu erreichen?<br />

z z Um wessen Lebensqualität geht es?<br />

z z Wie lange soll die entsprechende Maßnahme<br />

durchgeführt werden?<br />

Die Antworten auf diese Fragen sollen für die<br />

letzten Wochen und Tage eines Patienten klären,<br />

um welche Behandlungsziele es sich<br />

handelt und ob die getroffenen Maßnahmen<br />

nicht eher der Lebensqualität der den Ster-<br />

benden Begleitenden als der Lebensqualität<br />

des Patienten dient.<br />

In diesem Sinne wird nicht nur die Sedierung,<br />

sondern auch die Rehydratation am<br />

Lebensende heftig diskutiert. Morphinperfusoren<br />

bei Unruhe am Lebensende können<br />

sehr wohl hinterfragt werden: Eine Maßnahme<br />

gegen den <strong>Schmerz</strong>? Eine Maßnahme zur<br />

Sedierung des Patienten? Eine Maßnahme<br />

mit mutmaßlichem Einverständnis? Unruhezustände<br />

am Lebensende bedürfen einer<br />

neuropsychiatrische Differenzialdiagnostik<br />

insbesondere des Delirs.<br />

Die terminale Sedierung kann nur die<br />

„bestmögliche Lösung“ unter vielen Möglichkeiten<br />

der Symptomkontrolle sein. Sie<br />

setzt eine respektvolle Kommunikation mit<br />

dem Patien ten und mit seinen Angehörigen<br />

voraus, die neben den begleitenden Helfern<br />

in die Entscheidungen einbezogen werden<br />

sollen. Der „informed consent“ stellt die Patientenautonomie<br />

als die maßgebliche Größe<br />

in der Fürsorge heraus.<br />

Im Vorfeld aufklären<br />

Eine Aufklärung über die Sedierung sollte<br />

deshalb, falls möglich, außerhalb akuter Bedrohungssituationen<br />

erfolgen, besonders bei<br />

Grunderkrankungen, die mit starken Ängsten<br />

einhergehen, wie beispielsweise die amyotrophe<br />

Lateralsklerose. In akuten Situationen<br />

kann die Indikation natürlich auch ohne expressive<br />

Einwilligung des Patienten erlaubt<br />

und geboten sein, beispielsweise bei massiven<br />

Blutungen. Solche Maßnahmen setzen<br />

klare Absprachen im Team, eine sorgfältige<br />

Dokumentation, Transparenz und eindeutige<br />

klinische Kriterien voraus. Es handelt sich<br />

nicht um eine sogenannte „langsame Euthanasie“<br />

die eine Sedierung bis ins Koma darstellt,<br />

beispielsweise durch Benzodiazepine<br />

oder Morphine, ohne anschließende Flüssigkeits-<br />

und Kalorienzufuhr.<br />

Erschreckend erscheint, dass solche Maßnahmen<br />

in den Niederlanden bei vielen Patienten<br />

im Vorfeld nicht abgesprochen worden<br />

sind (Rietjens C et al. 2004). Die Lebenswirklichkeit<br />

in der hospizlichen Begleitung<br />

hat gezeigt, dass Patienten im fortgeschrittenen<br />

Leiden oft doch besser zurecht kommen<br />

können, als sie sich selbst und andere<br />

zuvor vorstellen konnten. Wir sollten deshalb<br />

misstrauisch gegenüber allen Formen<br />

von Fremddefinition der Lebensqualität<br />

sein. Den palliativen Grundfragen wäre vielleicht<br />

hinzuzufügen: Wer fühlt sich unglücklich?<br />

Der schwerkranke Mensch oder seine<br />

Umgebung? ■<br />

Johannes Horlemann, Kevelaer<br />

16 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)


SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />

Der besondere Fall<br />

Mit Radiofrequenzläsion der lumbalen<br />

Facettengelenke gegen chronischen Rückenschmerz<br />

Die Radiofrequenzneurotomie kann Patienten mit einem Zustand nach endoprothetischem<br />

Bandscheibenersatz und hartnäckigem Rückenschmerz belastende<br />

operative Revisionen ersparen. Dies zeigt die Kasuistik aus der Gemeinschaftspraxis<br />

für Orthopädie, Unfallchirurgie und spezielle <strong>Schmerz</strong>therapie, die<br />

Dr. med. Thomas Bambach, Parsberg, vorstellt.<br />

Thomas Bambach,<br />

Parsberg<br />

Bei Revisionen nach fehlgeschlagenem<br />

Bandscheibenersatz sind teils posteriore<br />

Fusionen unter Belassen der Prothese und teils<br />

kombinierte Spondylodesen nach Entfernung<br />

des Implantats beschrieben [1]. Beide Verfahren<br />

erfordern große Eingriffe mit entsprechenden<br />

Risiken [1]. Bei zahlreichen Patienten<br />

hat sich die risikoärmere Radiofrequenzneurotomie<br />

der lumbalen Facettengelenke und des<br />

Iliosacralgelenkes als wirkungsvoll erwiesen<br />

[2]. Daher stellte sich in unserem Fall die Frage,<br />

ob wir einer Patientin mit chronischem Kreuzschmerz<br />

nach Implantation einer Bandscheibenprothese<br />

bei gleichzeitiger Anschlussdegeneration<br />

des Nachbarsegmentes mit<br />

dieser Methode eine größere Operation ersparen<br />

würden können.<br />

Vortherapie und Verlauf<br />

Unsere inzwischen 52­jährige Patientin steht<br />

seit über acht Jahren in laufender orthopädisch­schmerztherapeutischer<br />

Behandlung.<br />

Die Untersuchungen ergaben keine wesentlichen<br />

psychologischen Belastungsfaktoren. In<br />

sozialer Hinsicht ist die teils körperlich stark<br />

belastende Tätigkeit in der Altenpflege als Belastungsfaktor<br />

anzusehen. Auf somatischer<br />

Ebene ergab die eingehende Untersuchung<br />

einschließlich der Schnittbildgebung Residuen<br />

eines alten M. Scheuermann mit juvenilen<br />

Aufbaustörungen, kräftige Osteochondrosen<br />

in den Segmenten L4/5 und L5/S1, Spondylarthrosen<br />

in den genannten Segmenten<br />

und eine resultierende mäßige Foramenstenose<br />

präsacral, ohne neurologische Ausfälle.<br />

Ende 2005 entwickelten sich massive progrediente<br />

<strong>Schmerz</strong>en sowie eine radikuläre<br />

Symptomatik, für die sich als Hauptursache ein<br />

neu aufgetretener rechts mediolateraler Bandscheibenvorfall<br />

L4/5 mit erheblicher diskogener<br />

Spinalstenose fand. Auf Grund dieser<br />

Situation erfolgte 2006 an der Orthopädischen<br />

Fachklinik Schwarzach die Implantation einer<br />

Bandscheibenprothese. Es kam rasch zu einer<br />

Rückbildung der radikulären <strong>Schmerz</strong>en. Allerdings<br />

wurden schon nach der AHB anhaltende<br />

lokale tief sitzende Kreuzschmerzen von<br />

dumpf­drückendem Charakter beklagt.<br />

Akute Exazerbation<br />

Anfang Januar 2011 nach „Verhebetrauma“<br />

anhaltende <strong>Schmerz</strong>exazerbation mit Ischialgie<br />

rechts und <strong>Schmerz</strong>grad 7 auf der numerischen<br />

Analogskala. Hier lang anhaltende<br />

lumbale Bewegungseinschränkung, Belastungs<br />

min de rung und auch nächtliche Ruheschmerzen<br />

mit Störung des Schlafes.<br />

Zur weiteren Differenzierung der somatischen<br />

<strong>Schmerz</strong>quellen erfolgten bildwandlerkontrollierte<br />

Facettenblockaden. Es kam<br />

dadurch zu einer 75%­igen <strong>Schmerz</strong>reduktion<br />

Abb. 1: Ausdruck des Bildwandlers, der die<br />

Thermoläsionskanüle in situ zeigt.<br />

Foto: Bambach<br />

über mehrere Tage. Auf Grund des guten Ansprechens<br />

auf die Testinfiltration wurde nach<br />

entsprechender Aufklärung die bildwandlerkontrollierte<br />

Denervierung an den Segmenten<br />

L3, L4 und L5 re. mittels Radiofrequenzläsion<br />

vorgenommen. Die Denervierung erfolgte bei<br />

80 °C über 60 Sekunden. Die korrekte Lage der<br />

Thermoläsionskanülen wurde im a.p.­ sowie<br />

im schrägen Strahlengang verifiziert (Abb. 1).<br />

Vor der Denervierung wurde eine sensorische<br />

und motorische Testung mit 100 bzw. 2 Hz und<br />

1.5 V Spannung durchgeführt.<br />

Innerhalb weniger Tage war die Patientin<br />

beschwerdefrei und nach einer Woche in der<br />

Lage, wieder schwere Gartenarbeiten zu verrichten.<br />

Sie konnte auch den Arbeitsalltag wieder<br />

problemlos bewältigen. Bei der Nachuntersuchung<br />

nach drei Monaten Rückgang<br />

der <strong>Schmerz</strong>en von 7 auf 1 auf einer zehnstufigen<br />

NAS­Skala, subjektiv große Zufriedenheit<br />

mit dem Ergebnis, Verbesserung der Beweglichkeit,<br />

volle Arbeitsfähigkeit.<br />

Diskussion<br />

Chronische Rückenschmerzen sind eine ernst<br />

zu nehmende Herausforderung für den Therapeuten.<br />

Neben der Berücksichtigung entsprechender<br />

psychosozialer Faktoren kann eine<br />

differenzierte Diagnostik [3] mit Anwendung<br />

diagnostisch­prognostischer Blockaden helfen,<br />

die <strong>Schmerz</strong>quelle präziser einzugrenzen.<br />

Bei Patienten mit endoprothetischem Bandscheibenersatz<br />

sind Folgeprobleme, anhaltende<br />

Beschwerden und auch Rezidive bekannt,<br />

welche teils aufwändige Revisionseingriffe<br />

nach sich ziehen [1].<br />

Im vorliegenden Fall wurde mit dem ambulanten,<br />

minimal­invasiven Verfahren der<br />

Radio frequenzläsion der lumbalen Facettengelenke<br />

die Lebensqualität unserer Patientin<br />

ohne große operative Prozeduren erheblich<br />

vergessert. Zudem besteht die Option, den<br />

Eingriff gegebenenfalls im Falle eines Rezidivs<br />

ipsi­ oder auch bilateral zu wiederholen.<br />

Dieses minimal­invasive interventionelle Verfahren<br />

kann auch bei komplexen und langwierigen<br />

<strong>Schmerz</strong>verläufen signifikant als Baustein<br />

zur Beschwerdelinderung im Rahmen<br />

eines mehrgleisigen therapeutischen Vorgehens<br />

beitragen. ■<br />

Thomas Bambach, Parsberg<br />

Literatur beim Verfasser<br />

17


Neurologie<br />

Occipitalis-Nervenstimulation<br />

gegen chronische Migräne<br />

Für die chronische Migräne, bei der die schwer betroffenen Patienten an mindestens<br />

15 Tagen im Monat an schweren Kopfschmerzen leiden, gibt es nur wenige<br />

wirksame <strong>Therapie</strong>optionen. In neuester Zeit rückt die periphere Nervenstimulation<br />

(PNS) des Nervus occipitalis als Behandlungsmöglichkeit zunehmend<br />

in den Fokus. Über den aktuellen Stand informiert Prof. Dr. med. Hartmut Göbel,<br />

Migräne- und Kopfschmerzzentrum an der <strong>Schmerz</strong>klinik Kiel.<br />

D ie<br />

Hartmut Göbel,<br />

<strong>Schmerz</strong>klinik Kiel<br />

chronische Migräne ist eine besonders<br />

schwere Verlaufsform der Migräne. Die<br />

betroffenen Patienten leiden an mehr als 15<br />

Tagen pro Monat an schweren Migränekopfschmerzen.<br />

Diese hohe Häufigkeit der Kopfschmerztage<br />

pro Monat besteht seit mindestens<br />

drei Monaten. Ein Medikamentenübergebrauch<br />

liegt nicht vor, so dass es sich bei der<br />

chronischen Migräne um eine spontan hohe<br />

Attackenfrequenz handelt, bei der auch eine<br />

Medikamentenpause keine Besserung bringt.<br />

Die <strong>Schmerz</strong>en sind auch im Hinterhauptkopfund<br />

Schulter-Nackenbereich lokalisiert. Vorbeugende<br />

Medikamente bewirken trotz ausreichender<br />

Dosierung und zeitlicher Dauer<br />

keine Besserung des schweren Verlaufes.<br />

Was ist die PNS?<br />

Die periphere Nervenstimulation ist eine spezielle<br />

Anwendung der Neurostimulation. Diese<br />

wird bereits seit mehreren Jahrzehnten zur<br />

Linderung und Behandlung von chronischen<br />

<strong>Schmerz</strong>en eingesetzt. Eine erfolgreiche Anwendung<br />

ist möglich bei Rückenschmerzen,<br />

Nackenschmerzen, Arm- und Beinschmerzen.<br />

Durch den zunehmenden Fortschritt der<br />

Mikroelektronik ist es möglich, ein schrittmacherähnliches<br />

Gerät unter die Haut zu implantieren<br />

und damit eine kontinuierliche periphere<br />

Nervenstimulation zu ermöglichen.<br />

Zur Behandlung der chronischen Migräne<br />

kann ein spezielles System implantiert werden<br />

(Abb. 1). Dieses sendet elektrische Signale an<br />

den sich direkt unter der Nackenhaut befindlichen<br />

Occipitalnerven. Aufgrund dieser besonderen<br />

Lokalisation wird diese Behandlungsmöglichkeit<br />

auch Occipitalis-Nervenstimulation<br />

(ONS) genannt.<br />

Die Wirkungsweise der Occipitalis-Nervenstimulation<br />

wird durch Veränderungen der<br />

elektrischen Regulation im Hirnstamm erklärt.<br />

Das Muster der <strong>Schmerz</strong>signale wird durch die<br />

kontinuierliche Stimulation moduliert und<br />

überdeckt. Die ständige Überempfindlichkeit<br />

im Nervensystem wird dadurch ausgeglichen<br />

und reduziert.<br />

Die Funktion des Neurostimulatorsystems<br />

und die periphere Nervenstimulation sind mit<br />

denen von Herzschrittmachern zu vergleichen.<br />

Das Gerät sendet Impulse über den Hinterhauptsnerv<br />

zum trigeminalen Hirnstammkomplex.<br />

Es wird angenommen, dass dadurch<br />

die körpereigene <strong>Schmerz</strong>abwehr aktiviert<br />

und stabilisiert wird und somit auf natürlichem<br />

Weg die Empfindlichkeit für <strong>Schmerz</strong>signale<br />

reduziert werden kann.<br />

Für Patienten mit therapieresistenten chronischen<br />

Migräneschmerzen ergeben sich<br />

durch die Occipitalis-Nervenstimulation (ONS)<br />

neue Möglichkeiten in der Behandlung. Die<br />

Betroffenen haben oft eine jahrelange Leidensgeschichte.<br />

Sämtliche leitliniengerechten<br />

vorbeugenden Medikamente und sonstige<br />

<strong>Therapie</strong>maßnahmen wurden ohne Effekt<br />

durchgeführt, oder aber sie wurden nicht vertragen.<br />

Für diese Patientengruppe gibt es nur<br />

sehr limitierte Möglichkeiten in der Behandlung.<br />

Eine Option stellt die Behandlung mit<br />

Botulinumtoxin dar. Dieses Arzneimittel ist seit<br />

September 2011 für die Behandlung der chronischen<br />

Migräne zugelassen.<br />

Zertifizierte Zentren<br />

Mittlerweile ist auch die periphere Nervenstimulation<br />

in Form der Occipitalis-Nervenstimulation<br />

(ONS) für die Behandlung der chronischen<br />

Migräne zugelassen. Die Patienten<br />

Kann ihr geholfen werden?<br />

können daher mit ihrem Arzt entscheiden, ob<br />

diese Behandlungsform für sie eine geeignete<br />

Möglichkeit darstellt.<br />

Diese Behandlung wird in dafür zertifizierten<br />

Zentren angeboten. Entscheidend ist<br />

dabei die genaue Analyse der Kopfschmerzform,<br />

die Indikationsstellung, die Implantation<br />

durch einen zertifizierten Neurochirurgen, sowie<br />

die Langzeitbetreuung mit <strong>Therapie</strong>- und<br />

Verlaufskontrolle durch das Migränezentrum.<br />

Die Ziele der <strong>Therapie</strong> sind die Reduktion der<br />

Kopfschmerztage pro Monat, eine relevante<br />

Linderung der Kopfschmerzintensität, die Reduktion<br />

der Akutmedikamente und eine verbesserte<br />

Lebensqualität.<br />

Wie sieht das Gerät aus?<br />

Das Neurostimulationssystem für die Occipitalis-Nervenstimulation<br />

besteht aus folgenden<br />

drei Hauptbestandteilen:<br />

● ● dem Neurostimulator,<br />

● ● den Elektroden und<br />

● ● dem Bediengerät für die Patienten.<br />

Der Neurostimulator selbst entspricht in<br />

der Größe ungefähr einer Stoppuhr. Er enthält<br />

die Batterien und elektrischen Bestandteile,<br />

die die Impulse für die Elektroden erzeugen<br />

und dorthin senden. Die Elektroden bestehen<br />

aus dünnen Drähten, mit denen die elektrischen<br />

Signale vom Stimulator zu den Occipitalis-Nerven<br />

gesendet werden.<br />

Das Bediengerät für die Patienten ist einer<br />

kleinen Fernbedienung ähnlich. Es kann von<br />

den Patienten benutzt werden, um den Neurostimulator<br />

ein- oder auszuschalten und das<br />

Reizmuster dem jeweiligen Bedürfnis entsprechend<br />

anzupassen.<br />

Langzeiterfahrungen fehlen noch<br />

Die Behandlung der chronischen Migräne mit<br />

der peripheren Neurostimulation ist eine neue<br />

<strong>Therapie</strong>methode. Langzeiterfahrungen für<br />

die Behandlung der chronischen Migräne liegen<br />

nur sehr vereinzelt vor.<br />

18 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />

© fred goldstein / Fotolia.com


Die <strong>Therapie</strong> erfordert eine intensive Zusammenarbeit<br />

zwischen Neurochirurgen<br />

und Neurologen. Während eines kleinen einfachen<br />

chirurgischen Eingriffes wird das Neurostimulationssystem<br />

implantiert. Die stationäre<br />

Behandlung dauert in der Regel einen<br />

Tag. Mögliche Komplikationen sind, wie bei<br />

jeder Operation, Infektio nen oder postoperative<br />

<strong>Schmerz</strong>en. Im Langzeitverlauf können<br />

sich Risiken wie Verschiebung der Elektroden<br />

ergeben. Vor dem Eingriff wird genauestens<br />

über diese möglichen Komplikationen aufgeklärt.<br />

Die Elektroden werden unter die Haut<br />

gelegt. Eine tiefer gehende Operation erfolgt<br />

nicht.<br />

Die Langzeitbetreuung erfolgt in unserem<br />

Migräne- und Kopfschmerzzentrum.<br />

Dabei wird der genaue Verlauf der Migräne<br />

dokumentiert, der Stimulator eingestellt,<br />

und es werden Langzeiterfahrungen systematisch<br />

wissenschaftlich ausgewertet. Im<br />

Rahmen einer multinationalen Analyse können<br />

so die Behandlungsergebnisse über<br />

mehrere Jahre beobachtet und bewertet<br />

werden. Ob die Möglichkeit einer peripheren<br />

Nervenstimulation in Form der Occipitalis-Stimulation<br />

im Einzelfall helfen kann,<br />

kann nur durch eine eingehende spezialisierte<br />

neurologisch-schmerztherapeutische<br />

Untersuchung geklärt werden.<br />

Wenn die Schulter schmerzt<br />

Kopfschmerzbibel neu aufgelegt<br />

SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />

Abb. 1: Der Neurostimulator – Hoffung für<br />

Patienten mit chronischer Migräne?<br />

Dazu haben wir an der <strong>Schmerz</strong>klinik Kiel<br />

eine Spezialsprechstunde eingerichtet. Experten<br />

für Neurostimulation und Migräne analysieren<br />

eingehend den bisherigen Behandlungsverlauf,<br />

sowie die <strong>Therapie</strong>möglichkeiten<br />

mit dieser neuen Form der Vorbeugung bei<br />

chronischer Migräne. Weitere Informationen<br />

unter www.schmerzklinik.de. ■<br />

Hartmut Göbel, Kiel<br />

— Die konservative Behandlung von Schultererkrankungen, die postoperative<br />

Nachsorge und viele weitere Fragen rund um das Thema<br />

Schulterschmerzen sind Inhalt dieses Buches. Wer in seiner Praxis<br />

viele Patienten mit hartnäckigen Schultererkrankungen betreut, dem<br />

kann dieses Werk wärmstens empfohlen werden. StK<br />

Magosch, Petra (Hrsg.); Scheiderer, Wolf Dieter (Hrsg.); Habermeyer, Peter (Hrsg.);<br />

Lichtenberg, Sven (Hrsg.): Konservative <strong>Therapie</strong> und Rehabilitation von Schultererkrankungen<br />

mit Zugang zum Elsevier-Portal, 480 farb. Illustrationen, 149,00 €,<br />

ISBN 978-3-437-24195-6, 2011, Elsevier Verlag, München.<br />

— In der 3. komplett überarbeiteten Aufl age dieses Standardwerkes<br />

zeigen Behandlungspfade das optimale Vorgehen in der Kopfschmerztherapie.<br />

Erläuterungen von möglichen Komplikationen und Fallstricken<br />

helfen, den Behandlungserfolg zu sichern. Das Praxisbuch ist ein<br />

absoluter Gewinn für jeden Arzt oder Therapeuten, der Patienten mit<br />

Kopfschmerzen behandelt. StK<br />

Göbel, Hartmut: Die Kopfschmerzen. Ursachen, Mechanismen, Diagnostik und<br />

<strong>Therapie</strong> in der Praxis. 3. Aufl . <strong>2012</strong>, <strong>2012</strong>, X, 794 S., 401 Abb., Geb. , ISBN 978-3-<br />

642-20694-8, 249,00 €, Springer Verlag, Heidelberg.<br />

INFO-Telegramm<br />

Neurologie<br />

HIV-Patienten leiden<br />

Patienten mit HIV und antiretroviraler Medikation<br />

leiden in Thailand immer häufiger an<br />

chronischen <strong>Schmerz</strong>en, die nicht ernst genommen<br />

werden. Dies ergab eine Studie an<br />

254 HIV-Patienten von N. M. Robbins et al.<br />

Die Autoren fordern auch bei dieser Grunderkrankung,<br />

die <strong>Schmerz</strong>en effektiver zu behandeln,<br />

um die Lebensqualität dauerhaft zu<br />

erhöhen.<br />

Pain Symptom Manage <strong>2012</strong>, Sep 28,<br />

doi: S0885-3924(12)00358-2.<br />

Intramuskuläres Morphin zur<br />

postoperativen Analgesie<br />

Intramuskuläres Morphin reduziert bei der<br />

postoperativen Analgesie ebenso gut wie<br />

intravenöses Morphin und intranasales Fentanyl<br />

die postoperativen <strong>Schmerz</strong>en nach<br />

einer beidseitigen Parazentese mit Röhrchenimplantation<br />

bei Kindern. Intramuskuläres<br />

Morphin ist bei Kindern, die sich diesem sehr<br />

häufigen Eingriff unterziehen müssen, nach<br />

einer doppelblinden Studie von H. K. Hippard<br />

et al. am einfachsten und birgt zudem nicht<br />

die Gefahr der Risiken eines Laryngospasmus<br />

wie intranasale Medikamente, die auch die<br />

Stimmbänder irritieren können.<br />

Anesth Analg <strong>2012</strong>,115(2):356–63.<br />

Mit Mexiletin gegen die Myotonie<br />

Mexiletin in einer Dosis von oral 200 mg dreimal<br />

täglich für vier Wochen reduziert die<br />

Steifheit bei nicht dystrophischer Myotonie.<br />

Dies ergab eine randomisierte doppelblinde<br />

Crossover-Studie an 59 Patienten dieser seltenen<br />

Krankheit , die an sieben neuromuskulären<br />

Zentren von vier Ländern von J. M. Statland<br />

et al. durchgeführt wurde.<br />

JAMA <strong>2012</strong>,308(13):1357–65.<br />

Sakralnervenstimulation löst<br />

Halsschmerzen<br />

Die Behandlung einer Harnretention mit einer<br />

Sakralnervenstimulation mit Elektroden,<br />

die korrekt auf Höhe des S3-Foramens platziert<br />

wurden, linderten bei einem 58-jährigen<br />

Mann gleichzeitig <strong>Schmerz</strong>en in der<br />

Zervikal- und Lumbalregion. Sobald die Stimulationstherapie<br />

beendet wurde, traten die<br />

Beschwerden wieder auf und bei erneuter<br />

Stimulaton nahmen sie wieder ab. Mit diesem<br />

Fallbeispiel weisen J.R. Hoyt et al. auf die<br />

Komplexität der menschlichen Neurophysiologie<br />

hin. Weitere Forschungen müssen klären,<br />

ob sich damit auch neue <strong>Therapie</strong>modalitäten<br />

für Patienten mit Entleerungsstörungen<br />

und <strong>Schmerz</strong>syndromen ergeben.<br />

Clin J Pain <strong>2012</strong>,28:519–526.<br />

19


Palliativmedizin<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie und Palliativversorgung bei<br />

sterbenden Schlaganfallpatienten<br />

Schlaganfälle sind die dritthäufigste Todesursache in europäischen Ländern.<br />

Sie sind außerdem die führende Ursache dauernder Behinderung. Etwa 80–85 %<br />

der Schlaganfälle entstehen durch Ischämien, weitere 15–20 % durch Blutungen<br />

in das Gehirngewebe. Trotz der Verbesserungen der Schlaganfallbehandlung mit<br />

Einführung der „Stroke units“ und der Lysetherapie, wird es nach wie vor eine<br />

große Zahl an Menschen geben, die einen Schlaganfall nicht überleben. Wie<br />

Schlaganfallpatienten in der palliativen Situation zu betreuen sind, erläutert<br />

Dr. Christoph Gerhard, Oberhausen.<br />

Jährlich erleiden ca. 250 000 Menschen in<br />

Deutschland einen Schlaganfall. Die Art<br />

der neurologischen Ausfälle hängt von der betroffenen<br />

Hirnregion bzw. dem betroffenen<br />

Gefäßversorgungsgebiet ab (Tab. 1). Fast<br />

50.000 Menschen pro Jahr sterben an den<br />

Folgen des Schlaganfalls, nach Angaben der<br />

Website der <strong>Deutsche</strong>n Schlaganfallhilfe<br />

(Schlaganfallhilfe 2010) ca. 40 000 davon in<br />

der Akutphase innerhalb der ersten vier Wochen.<br />

Nur die wenigsten dürften eine Palliativbetreuung<br />

erhalten.<br />

Palliative Bedürfnisse klären<br />

Schaut man in die internationale Fachliteratur,<br />

so findet man wenige Veröffentlichungen zu<br />

diesem Thema (Gerhard 2011). Eine neuere<br />

Studie (Burton et al. 2010) unterstreicht, dass<br />

Schlaganfallpatienten viele palliative Bedürfnisse<br />

haben. Eine Literaturrecherche in Datenbanken<br />

(pubmed) mit den Suchwörtern „stroke“<br />

und „palliative care“ bzw. „palliative medicine“<br />

ergab nur 116 „Treffer“, von denen lediglich<br />

28 Studien nach Durchsicht der Abstracts<br />

für das Thema tatsächlich relevant waren (Ger­<br />

Tab. 1: Gefäßversorgungsgebiete und deren typische Ausfälle.<br />

Arteria cerebri media<br />

(mittlere Hirnschlagader)<br />

Arteria cerebri anterior<br />

(vordere Hirnschlagader)<br />

Arteria cerebri posterior<br />

(hintere Hirnschlagader<br />

hard 2010). Fassen wir die Studienlage zusammen,<br />

so wird klar, dass bisher wenig bis gar<br />

kein systematisiertes Wissen über die Bedürfnisse<br />

von sterbenden Schlaganfallpatienten<br />

und ihren Zugehörigen bekannt ist (Stevens<br />

2007).<br />

Studien zeigten jedoch, dass durch Richtlinien<br />

oder Pathways, die aus der Palliativbetreuung<br />

von Tumorpatienten abgeleitet wurden,<br />

ein höherer palliativer Versorgungsgrad<br />

auch für Patienten mit Schlaganfall erreicht<br />

werden kann (Blacquiere et al. 2009 und Jack<br />

et al. 2004). Es bleibt die Frage offen, ob diese<br />

Richtlinien tatsächlich die palliativen Bedürfnisse<br />

der Betroffenen abdecken.<br />

Die am häufigsten verwendeten Medikamente<br />

waren in der Literatur Morphin (93,6 %)<br />

und Scopolamin (81,9 %). Sondenernährung<br />

oder intravenöse Flüssigkeitsgaben wurden<br />

bei ca. 90 % der Betroffenen abgesetzt oder<br />

nie begonnen (Blacquiere et al. 2009).<br />

Sprachverständnis gestört<br />

In der Diagnostik ist es entscheidend, im einfühlsamen<br />

Dialog <strong>Schmerz</strong>en und Symp tome<br />

Auf der gegenüberliegenden Seite:<br />

• halbseitige Lähmung (evtl. an Gesicht und Arm betont)<br />

• halbseitige Sensibilitätsstörung<br />

• evtl. Sprachstörungen<br />

Auf der gegenüberliegenden Seite:<br />

• beinbetonte Lähmung<br />

• beinbetonte Sensibilitätsstörung<br />

Auf der gegenüberliegenden Seite:<br />

• halbseitige Gesichtsfeldeinschränkungen<br />

Hirnstammschlagadern Sogenannte gekreute Symptome<br />

z.B. auf der einen Seite Gesichtslähmung oder Augenmuskellähmung,<br />

auf der anderen Seite Lähmung der Körperhälfte<br />

Christoph Gerhard,<br />

Oberhausen<br />

in den genannten vier Dimensionen des Total<br />

Pain Konzepts (körperlich, psychisch, sozial,<br />

spirituell, vgl. Saunders und Baines 1991) aufzuspüren.<br />

Auf <strong>Schmerz</strong>, Luftnot, Obs tipation,<br />

Muskelverspannung, Fatigue u.a. muss besonders<br />

durch gezieltes Nachfragen, mit einfühlender<br />

Beobachtung und mit Hilfe von<br />

Symptomerfassungsskalen geachtet werden.<br />

Die Betroffenen sind aufgrund von Sprachstörungen,<br />

Bewusstseinsstörungen oder kognitiven<br />

Veränderungen oft nicht in der Lage, in<br />

eindimensionalen Skalen ihre Beschwerden<br />

anzugeben. Es besteht die Gefahr, dass sie aufgrund<br />

der Sprachverständnisstörungen die an<br />

sie gestellten Fragen falsch verstehen und<br />

demzufolge falsch beantworten. Bei einigen<br />

sprachgestörten Schlaganfallpatienten kann<br />

es, da nur noch eines der Wörter „Ja“ bzw.<br />

„Nein“ verfügbar ist, leicht zu falschen Antworten<br />

kommen.<br />

Gezielte Beobachtung erforderlich<br />

Lähmungen sowohl der mimischen Muskulatur<br />

als auch des Körpers verändern mimische<br />

Ausdrucksbewegungen und die Körpersprache.<br />

Da Schlaganfallpatienten meist nur halbseitige<br />

Lähmungen haben, ist oft die gezielte<br />

Beobachtung der ungestörten Seite hilfreich.<br />

Besonders schwierig ist die <strong>Schmerz</strong>­ und<br />

Symptombeurteilung bei Menschen mit<br />

Pseudobulbärparalyse, da sie überschießende<br />

mimische Ausdrucksbewegungen haben. Aus<br />

einem kurzen Lächeln wird ein ausgedehntes<br />

anhaltendes Lachen, das nicht mehr der eigentlichen<br />

Emotion entspricht oder aus einem<br />

traurigen Blick wird ein unsteuerbares heftiges<br />

Weinen (pathologisches Lachen und Weinen).<br />

<strong>Schmerz</strong>en und andere Symptome, die sonst<br />

meist eher unterschätzt werden, können in<br />

dieser Situation aufgrund der überschießenden<br />

mimischen Ausdrucksbewegungen<br />

leicht überschätzt werden.<br />

20 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)


<strong>Schmerz</strong> kann sich auch in Unruhe, Depression,<br />

Aggressivität, Schlaflosigkeit oder<br />

Nahrungsverweigerung äußern. Daher müssen<br />

nach Art einer „phänomenologischen<br />

<strong>Schmerz</strong>erfassung“ alle Hinweise aus der einfühlsamen<br />

Beobachtung, aus dem sozialen<br />

Umfeld etc. zusammengetragen und bewertet<br />

werden (Gerhard 2010b).<br />

Koma nicht schmerzlos<br />

Die Symptome komatöser Schlaganfallpatienten<br />

sind schwierig einzuschätzen. Oft wird<br />

hier der Fehler gemacht, davon auszugehen,<br />

dass Menschen im Koma keine <strong>Schmerz</strong>en<br />

oder andere Symptome empfinden. Gerade<br />

für die <strong>Schmerz</strong>erfassung beim komatösen<br />

Menschen eignet sich die ZOPA­(Zürich Observational<br />

Pain Assessment­)Skala besonders<br />

gut (Handel 2009). Als Verhaltensmerkmale<br />

gelten<br />

• Lautäußerungen,<br />

• Geschichtsausdruck,<br />

• Körpersprache und<br />

• physiologische Indikatoren.<br />

Eine schmerzreduzierende Maßnahme wird<br />

bereits eingeleitet und auf seine Wirkung hin<br />

kontrolliert, wenn nur ein Verhaltensmerkmal<br />

vorliegt, das auf <strong>Schmerz</strong> hinweist.<br />

Vorerkrankungen weiterbehandeln<br />

Gibt es aus der Krankenbeobachtung oder der<br />

Vorgeschichte Hinweise auf <strong>Schmerz</strong>probleme<br />

(z.B. bekanntes Rheuma, bekannte Rückenschmerzen),<br />

sollte in jedem Fall eine<br />

<strong>Schmerz</strong>behandlung durchgeführt werden.<br />

Die Veränderungen (z.B. entspanntere Gesichtszüge,<br />

langsamere Atmung, weniger<br />

Schwitzen etc.) in der Verlaufsbeobachtung<br />

können dann zur Evaluierung und Anpassung<br />

der <strong>Schmerz</strong>therapie genutzt werden.<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie<br />

Die allgemeinen Prinzipien der <strong>Schmerz</strong>­ und<br />

Symptombehandlung können grundsätzlich<br />

auch für Schlaganfallpatienten genutzt werden.<br />

Dennoch sind zahlreiche Besonderheiten<br />

zu beachten. Sowohl in aktuellen Studien<br />

(Mazzocato et al. 2009) als auch in unserer<br />

klinischen Praxis sind vorrangig beobachtete<br />

Symptome somatisch nozizeptive<br />

<strong>Schmerz</strong>en infolge von Lähmungen (z.B. das<br />

häufige Schulter­Arm­Syndrom) oder Kopfschmerzen<br />

aufgrund von Hirndruck. Zentral<br />

neuropathische Schmer zen (z.B. Thalamusschmerzsyndrom)<br />

sind selten. Dementsprechend<br />

werden häufig Stufe­1­Analgetika<br />

(nach WHO­Schema), die bei somatischem<br />

Nozizeptorschmerz gut wirksam sind, eingesetzt<br />

und gegebenenfalls durch Opioide ergänzt.<br />

NSAR sind sowohl wegen ihres Neben­<br />

SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />

wirkungsprofils als auch wegen der Interaktionen<br />

mit dem häufig sekundärprophylaktisch<br />

verwendeten ASS problematisch.<br />

Metamizol bei Nozizeptorschmerz<br />

Metamizol ist das bevorzugte Stufe­1­Analgetikum.<br />

Es kann bei den häufig schluckgestör ­<br />

t en und/oder komatösen Betroffenen auch als<br />

subkutane Dauerinfusion verabreicht werden.<br />

Zu beachten ist, dass bei Nichttumorschmerz<br />

die therapeutische Breite zwischen Unter­ und<br />

Überdosierung für Opioide oft wesentlich geringer<br />

ist als bei Tumorpatienten. Sedierende<br />

oder kognitive Nebenwirkungen wirken sich<br />

bei ohnehin schon diesbezüglich eingeschränkten<br />

Patienten besonders gravierend<br />

aus. Manche <strong>Schmerz</strong>en, z.B. durch Spastik<br />

oder durch Überbeanspruchung des Bewegungsapparats,<br />

treten nur bei Belastung auf<br />

(Incident Pain).<br />

Bei Neuropathien Opioide und<br />

Koanalgetika<br />

Neuropathische <strong>Schmerz</strong>en sprechen kaum<br />

auf Stufe­1­Analgetika an. Sie werden nach<br />

anerkannten Prinzipien mittels Koanalgetika<br />

behandelt. Je nach Art des neuropathischen<br />

<strong>Schmerz</strong>es erfolgt die gezielte Behandlung.<br />

Falls ein neuralgiformer, Sekunden dauernder,<br />

sich nur in Attacken äußernder<br />

<strong>Schmerz</strong> vorliegt, werden Antikonvulsiva<br />

(Carbamazepin, Oxcarbazepin, Gabapentin,<br />

Pregabalin) eingesetzt und falls ein brennender<br />

Dauerschmerz vorliegt, besteht die<br />

<strong>Therapie</strong> aus Antidepressiva (Amitritylin,<br />

Nortriptylin, Venlaflaxin) oder Gabapentin<br />

bzw. Pregabalin oft in Kombina tion mit Opioiden.<br />

Medikamente, die Opioid­ und „koanalgetische“<br />

Wirkungen vereinen, wie z.B. Tramadol<br />

(z.B. Tramal®), Tapentadol (z.B. Palexia®)<br />

und Levomethadon (z.B. L­Polamidon®)<br />

werden teilweise genutzt und sind vorteilhaft,<br />

da die Zahl der verabreich ten Medikamente<br />

verringert werden kann.<br />

Mit Scopolamin gegen Lungenrasseln<br />

Terminales Lungenrasseln (death rattle) ist<br />

gerade bei sterbenden Schlaganfallpatienten<br />

häufig. Die <strong>Therapie</strong> mit (N­Butyl­)Scopolamin<br />

(z.B. Buscopan®) und gleichzeitiger Flüssigkeitsrestriktion<br />

ist, rechtzeitig begonnen,<br />

erfolgreich. Das gewohnheitsmäßige, unkritische<br />

und für die Betroffenen so quälende<br />

Absaugen wird damit meistens vermieden.<br />

Aus palliativer Sicht ist das Absaugen ungüns<br />

tig, weil es den Sterbenden sehr belastet,<br />

die Lebensqualität einschränkt und nicht<br />

sehr effektiv ist, da durch den Reiz des Absaugens<br />

eine neuerliche Sekretproduktion begünstigt<br />

werden kann.<br />

Palliativmedizin<br />

Tab. 2: Häufige Ursachen für <strong>Schmerz</strong>en<br />

bei Schlaganfallpatienten und deren Behandlung.<br />

<strong>Schmerz</strong> durch Fehlbelastung des<br />

Bewegungsapparates (z.B. Schulter-Arm-Syndrom):<br />

• Medikamentöse <strong>Therapie</strong> nach dem<br />

WHO­Stufenschema<br />

• Krankengymnastik<br />

• Lagerung<br />

• Problemfall „Incident Pain“ (<strong>Schmerz</strong>en nur bei<br />

körperlicher Belastung):<br />

evtl. kurz­ und schnellwirkende Opioide (cave:<br />

„Off­Label­Use“)<br />

<strong>Schmerz</strong> durch Spastik:<br />

• Antispastika<br />

• Krankengymnastik<br />

• Medikamentöse <strong>Schmerz</strong>therapie nach dem<br />

WHO­ Stufenschema<br />

<strong>Schmerz</strong> durch Schädigung zentraler schmerzleitender<br />

oder verarbeitender Strukturen z.B.<br />

im Thalamus oder Parietalhirn (zentral neuropathischer<br />

<strong>Schmerz</strong>)<br />

• Koanalgetika (z.B. Amitriptylin, Gabapentin,<br />

Pregabalin, Duloxetin, Venlafaxin)<br />

• Opioide (WHO Stufenschema, Opioide der Stufen<br />

2 oder 3)<br />

• Medikamente, die Opiodwirkung und „koanalgetische“<br />

Wirkung haben (Tramadol, Levomethadon,<br />

Tapentadol)<br />

Tab. 3: Typische Symptome sterbender<br />

Schlaganfallpatienten und deren <strong>Therapie</strong>möglichkeiten.<br />

Luftnot<br />

Opioide (Sauerstoffgabe meist ineffizient)<br />

Terminales Lungenrasseln<br />

• (Butyl­)Scopolamin<br />

• Flüssigkeitsrestriktion<br />

Übelkeit, Erbrechen<br />

• <strong>Therapie</strong> des Hirndrucks, falls vorliegend<br />

• sonst symptomatische <strong>Therapie</strong><br />

Opioide gegen Luftnot<br />

Auch Dyspnoe ist ein häufiges Symptom sterbender<br />

Schlaganfallpatienten. In der <strong>Therapie</strong><br />

der Atemnot sind Opioide sehr erfolgreich.<br />

Dies ist nicht verwunderlich, da meist eine verminderte<br />

Atemarbeit die Ursache der Luftnot<br />

ist und zu vermindertem Abatmen des Kohlendioxids<br />

(Hyperkapnie) führt. Opioide „ökonomisieren“<br />

hier die Atmung und führen erst<br />

in einer deutlich höheren Dosis zu einer Atemdepression<br />

(Clemens und Klaschik 2007). Sauerstoffgaben,<br />

wie sie häufig unkritisch vorgenommen<br />

werden, trocknen den Mund aus und<br />

führen dadurch zu Durstgefühlen. Sie sind<br />

meist ohne Erfolg und eine reine Placebomaß­<br />

21<br />

Mod. n. Gerhard 2011<br />

Mod. n. Gerhard 2011


Palliativmedizin<br />

nahme, da in den allermeisten Fällen keine<br />

mangelnde Sauerstoffsättigung vorliegt.<br />

Übelkeit und Erbrechen entstehen bei<br />

sterbenden Schlaganfallpatienten häufig<br />

durch den erhöhten Hirndruck (z.B. durch<br />

den raumfordernden Schlaganfall oder die<br />

raumfordernde Blutung). Deshalb steht dann<br />

die <strong>Therapie</strong> des Hirndrucks im Vordergrund.<br />

Zur Hirndrucktherapie werden bei Schlaganfallpatienten<br />

üblicherweise Osmotherapeutika,<br />

z.B. Mannit eingesetzt und ggf. eine Kraniektomie<br />

durchgeführt, also an der betroffenen<br />

Seite die Schädeldecke entfernt, um<br />

Platz zu schaffen.<br />

Fazit<br />

Zusammenfassend stellt die palliative und<br />

schmerztherapeutische Betreuung sterbender<br />

Schlaganfallpatienten große Herausforderungen<br />

an die Angehörigen und das<br />

Behandlungsteam. Ein Vorgehen nach Richtlinien<br />

und Pathways kann im Alltag unterstützend<br />

wirken, wie mehrere Studien zeigten<br />

(Blacquiere et al. 2009 und Jack et al. 2004).<br />

Geeignet erscheint deshalb an dieser Stelle<br />

die Formulierung eines klaren Konzepts zur<br />

strukturierten Betreuung sterbender Schlag­<br />

Patienten mit multipler Sklerose (MS) haben häufiger <strong>Schmerz</strong>en als Nichtbetroffene.<br />

Obwohl sie schmerztherapeutisch besser versorgt sind als die Normalbevölkerung,<br />

besteht dennoch Verbesserungsbedarf. Dies ergab eine aktuelle<br />

Studie von Christoph Gerhard, Oberhausen und Kompetenzzentrum Palliativmedizin<br />

der Universität Duisburg/Essen, Bettina Kraft, Essen, Jennifer Sprick<br />

und Elke Schel (beide Fa. Merck Serono).<br />

Insgesamt wurden 156 MS­erkrankte Teilnehmer<br />

eines Betainterferon­Patientenbetreuungsprogramms<br />

(Rebistar) und 52<br />

Normalpersonen mittels eines Fragebogens<br />

von darin geschulten Personen nach<br />

<strong>Schmerz</strong>en, <strong>Schmerz</strong>therapie und <strong>Schmerz</strong>stärke<br />

(numerische [NRS] bzw. verbale<br />

Rangskala [VRS]) befragt. Außerdem wurde<br />

erfasst, wie lange die Betroffenen an der<br />

multiplen Sklerose erkrankt sind.<br />

Fast jeder zweite MS-Kranke leidet<br />

an <strong>Schmerz</strong>en<br />

Bezüglich der Geschlechtsverteilung waren<br />

die Normalgruppe (69,2 % Frauen, 30,8 %<br />

Männer) und die Patientengruppe (77,6 %<br />

Frauen, 22,4 % Männer) ähnlich. Der Alters­<br />

anfallpatienten, das folgende Schritte vorsieht<br />

(Gerhard 2011):<br />

• Einschätzung des Schlaganfallpatienten als<br />

möglicherweise sterbend und palliativ zu<br />

betreuen aufgrund der Klinik, des klinischen<br />

Verlaufs und der bildgebenden Befunde<br />

• Kommunikation mit dem Betroffenen bzw.<br />

den Vorsorgebevollmächtigten/Angehörigen<br />

über die Diagnose, Prognose und die<br />

neurologischerseits anzubietende <strong>Therapie</strong><br />

• Erfragen von mutmaßlichen Willensäußerungen,<br />

Patientenverfügungen, Vollmachten<br />

etc.<br />

• Ethische Entscheidungsfindung mit dem Betroffenen,<br />

den Vorsorgebevollmächtigen, im<br />

Familiengespräch und/oder im Team. Eventuell<br />

Benutzung z.B. des Modells von Jonsen<br />

et al. oder des Nijmegener Modell der<br />

ethischen Fallbesprechung<br />

• Überprüfung der aktuellen Diagnostik und<br />

<strong>Therapie</strong>, Absetzen nicht notwendiger Maßnahmen<br />

und Einsatz vorausschauend palliativer<br />

Medikamente auch als Bedarfsmedikation<br />

nach dem DNA Prinzip der WHO (D =<br />

durch den Mund, N = ´nach der Uhr, A = Analgetikaschema)<br />

möglichst oral oder subkutan<br />

<strong>Schmerz</strong>en bei multipler Sklerose<br />

durchschnitt lag in der Patientengruppe bei<br />

40,1 Jahren und in der Normalgruppe bei<br />

51,7 Jahren.<br />

In dieser Studie ergab sich für die MS­ Betroffenen<br />

eine <strong>Schmerz</strong>prävalenz von 46,1 %<br />

und für die Normalpersonen von 30,8 %. Das<br />

Auftreten der <strong>Schmerz</strong>en war weitgehend<br />

unabhängig von der Krankheitsdauer. Es lag<br />

bei 50 % (0–5 Jahre), 37,5 % (6–10 Jahre),<br />

48,1 % (11–20 Jahre) bzw. 50 % (> 20 Jahre).<br />

Der durchschnittliche NRS lag für die von<br />

<strong>Schmerz</strong> Betroffenen in der Patientengruppe<br />

bei 4,9 und in der Normalgruppe bei 6,3.<br />

MS­Betroffene mit <strong>Schmerz</strong>en erhielten<br />

häufiger (72,6 %) eine <strong>Schmerz</strong>therapie als<br />

Personen in der Kontrollgruppe mit <strong>Schmerz</strong>en<br />

(41,7 %).<br />

• Klären der pflegerischen, psychosozialen<br />

und spirituellen Bedürfnisse mit den Betroffenen<br />

und/oder Angehörigen<br />

• Kontinuierliche Begleitung durch mindestens<br />

tägliche Visiten unter palliativen Gesichtspunkten,<br />

falls ein eigenes palliatives<br />

Team vorhanden ist, enge Absprachen mit<br />

den Primärbehandlern (Stationsärzten, Pflegenden,<br />

etc.) und den Angehörigen<br />

• Tägliche Evaluationen: Sowohl die Prognose<br />

anhand des Verlaufs als auch die eingeschlagenen<br />

palliativen Maßnahmen müssen<br />

ebenso wie die weitere Planung täglich sowohl<br />

aus neurologischer wie auch aus palliativer<br />

Sicht reevaluiert und angepasst werden.<br />

• Unmittelbare Sterbephase: Anpassung der<br />

Medikation (z.B. Medikamente gegen Rasselatmung,<br />

Änderung der Symptombehandlung),<br />

Benachrichtigung der Angehörigen,<br />

Freunde, Seelsorge (ggf. Krankensalbung)<br />

• Nach dem Tod des Patienten: Gesprächsangebote<br />

an Angehörige, Verweis auf Trauergruppen<br />

und Angebote ambulanter Hospizdienste.<br />

■<br />

Christoph Gerhard, Oberhausen<br />

20 der 73 (27,4 %) MS­Betroffenen, die<br />

<strong>Schmerz</strong>en bejahten, erhielten keine<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie. Der durchschnittliche NRS<br />

der nicht therapierten Personen lag bei 4,5.<br />

In der Normalgruppe erhielten dagegen sogar<br />

7 von 12 Personen (58,3 %) mit <strong>Schmerz</strong>en<br />

keine <strong>Schmerz</strong>therapie (durchschnittlicher<br />

NRS: 4,9).<br />

In der Patientengruppe fiel auf, dass vor<br />

allem die weniger als fünf Jahre lang Erkrankten<br />

mit <strong>Schmerz</strong>en mit 11/36 = 30,6 %<br />

häufiger keine <strong>Schmerz</strong>therapie erhielten,<br />

wogegen die 6–10 Jahre bzw. 11–20 Jahre<br />

Erkrankten mit <strong>Schmerz</strong>en nur in 13,3 (2/15)<br />

bzw. 23,1 % (3/13) der Fälle keine <strong>Schmerz</strong>therapie<br />

erhielten.<br />

Es dürfte daher wichtig sein, besonders<br />

bei den erst seit Kurzem Erkrankten (< 5 Jahre)<br />

auf eine gute <strong>Schmerz</strong>erfassung zu achten.<br />

Da viele dieser Patietnen eine immunmoduliernde<br />

<strong>Therapie</strong> erhalten, könnten<br />

diese Betroffenen gut durch Patientenbegleitprogramme<br />

erreicht werden. ■<br />

Christoph Gerhard, Oberhausen<br />

22 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)


Pflege und <strong>Schmerz</strong> –<br />

eine tagtägliche Katastrophe<br />

In Altenheimen und generell in der Pflege alter Menschen leiden erheblich<br />

mehr Menschen an chronischen <strong>Schmerz</strong>en als in der Normalbevölkerung. Ihre<br />

schmerztherapeutische Versorgung lässt massiv zu wünschen übrig. In diese<br />

Problematik führt SanRat Dr. med. Oliver M. D. Emrich, Leiter des DGS <strong>Schmerz</strong>zentrums<br />

Ludwigshafen und Vizepräsident der DGS, ein.<br />

Die Prävalenz von chronischen <strong>Schmerz</strong>en<br />

bei betagten Patienten wird auf<br />

50–80 % geschätzt. Seit 2005 ist ein „Pflegestandard<br />

<strong>Schmerz</strong>“ (zur Zeit in Überarbeitung)<br />

etabliert. Das deutsche Netzwerk für<br />

Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP)<br />

hat unter Federführung von Prof. Jürgen<br />

Osterbrink, Salzburg, Vorgaben und Empfehlungen<br />

entwickelt, wie ein <strong>Schmerz</strong>assessment<br />

in der Pflege, besonders bei alten<br />

kommunikationsgestörten Menschen,<br />

ablaufen sollte. In der Beobachtung sind wir<br />

in Deutschland noch sehr weit von einer Erfüllung<br />

der formulierten Vorgaben entfernt.<br />

Jeder zweite Ältere betroffen<br />

Leider gibt es nur sehr wenige bis gar keine<br />

belastbaren Daten zur Prävalenz von<br />

<strong>Schmerz</strong> im Alter und schon gar keine, die<br />

die häufigsten <strong>Schmerz</strong>ursachen valide differenzieren<br />

würden. Wenn wir Studien zugrundelegen,<br />

die zehn Jahre und älter sind,<br />

so scheint etwa jeder zweite ältere Patient<br />

an chronischen <strong>Schmerz</strong>en zu leiden. Dieser<br />

Anteil ist erheblich höher als in der jüngeren<br />

Population.<br />

SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />

Dafür verantwortlich ist wahrscheinlich<br />

in erster Linie die Degeneration und fortschreitende<br />

Funktionsminderung des Bewegungsapparates,<br />

allen voran des Muskel­<br />

Sehnen­Apparates, der Gelenke und Knochen.<br />

Folglich steht der Bewegungsapparat<br />

im Fokus des <strong>Schmerz</strong>es. Hinzu kommt<br />

sicherlich auch eine veränderte <strong>Schmerz</strong>wahrnehmung<br />

durch Veränderung der neuronalen<br />

Systeme und der kognitiven Prozesse.<br />

Der fulminante Endpunkt des neuronalen<br />

Abbaus ist die Demenz, deren Prävalenz<br />

bei über 100­Jährigen derzeit auf ca.<br />

30–40 % taxiert wird, wobei sie bei 60­Jährigen<br />

noch unter 1 % liegt. Die Demenz ist<br />

damit ein großes Problem einer zunehmenden<br />

alternden <strong>Gesellschaft</strong> und ein erhebliches<br />

praktisches Problem für das<br />

<strong>Schmerz</strong>assessment in der Altenpflege und<br />

im Umgang mit alten Menschen.<br />

Einfacheres <strong>Schmerz</strong>assessment<br />

gefragt<br />

Dies bedeutet auch, dass sehr umfangreiche<br />

Fragebogeninventare, wie der <strong>Deutsche</strong><br />

<strong>Schmerz</strong>fragebogen (DSF) und noch mehr<br />

Abb. 1: Prüfergebnisse des medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen (MDK)<br />

Bayern für den Bereich „Pflege und medizinische Betreuung“ (0=gut, 5=mangelhaft).<br />

Prüfkriterien<br />

12<br />

„Erhalten Bewohner mit chronischen<br />

<strong>Schmerz</strong>en die verordneten<br />

Medikamente?“<br />

20<br />

„Erfolgt eine systematische<br />

<strong>Schmerz</strong>einschätzung?“<br />

21<br />

„Kooperiert das Pflegeheim bei<br />

<strong>Schmerz</strong>patienten eng mit dem<br />

behandelndem Arzt?“<br />

28<br />

27<br />

29<br />

26<br />

25<br />

30<br />

24<br />

31<br />

23<br />

32<br />

22<br />

33<br />

21<br />

34<br />

20<br />

35 Frage 1 2<br />

5<br />

19<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

0<br />

18<br />

17<br />

3<br />

16<br />

4<br />

15<br />

5<br />

14<br />

6<br />

13<br />

7<br />

8<br />

12<br />

9<br />

10<br />

11<br />

Läßt sich ihr <strong>Schmerz</strong> messen?<br />

Geriatrie<br />

dessen Abwandlung durch die großen Fachgesellschaften<br />

besonders alte Menschen<br />

überfordern. Patienten mit demenziellen<br />

Erkrankungen sind im Proporz der mnestischen­kognitiven<br />

Defizite gar nicht in der<br />

Lage, an dieser Stelle reliable Aussagen zu<br />

ihrem <strong>Schmerz</strong> zu formulieren, auch wenn<br />

sie überwiegend „nur Kreuzchen“ setzen sollen.<br />

Der Fokus liegt auf der<br />

Fremdbeobachtung<br />

In der praktischen Pflege wird deshalb die<br />

Fremdbeobachtung, aus der auf signifikante<br />

<strong>Schmerz</strong>en geschlossen werden kann, immer<br />

wichtiger. Seit 1992 bis heute wurden<br />

ca. 24 Erfassungsskalen entwickelt, die<br />

dieses Prob lem adressieren. Das gemeinsame<br />

Merkmal der meisten dieser Instrumente<br />

ist die Fremdbeobachtung durch die<br />

Pflegenden und Angehörigen. Hierfür werden<br />

bei schwer kommunikationsdefizienten<br />

Patienten folgende Faktoren erfasst:<br />

● ● der Gesichtsausdruck,<br />

● ● Lautäußerungen .<br />

● ● Körperbewegungen und<br />

● ● das Verhalten.<br />

Im Anschluss folgt die Bewertung in Punkten,<br />

was schließlich eine einigermaßen valide<br />

Einschätzung des <strong>Schmerz</strong>niveaus erlauben<br />

soll. Ein in Pflegeheimen und bei Sozialstationen<br />

häufig eingesetztes Manual ist der<br />

ECPA (Echelle comportementale de la douleur<br />

pour personnes ágées non communicantes,<br />

Tab. 1). Die großen <strong>Schmerz</strong>fachgesellschaften<br />

empfehlen die deutsche Übersetzung<br />

des PAINAD (Pain Assessment in<br />

Advanced Dementia – PAINAD Scale), der<br />

seit Jahren als BESD (Beurteilung von<br />

23<br />

© Wissmann Design / Fotolia.com


Geriatrie<br />

<strong>Schmerz</strong>en bei Demenz) in der Validierungsphase<br />

schwebt.<br />

Wann intervenieren?<br />

Allen diesen Instrumenten gemeinsam ist<br />

die schwer einzuschätzende Spezifität und<br />

Sensitivität der Beurteilung konkreter<br />

<strong>Schmerz</strong>en. Noch schwieriger ist es, Empfehlungen<br />

zu Interventionszeitpunkten und<br />

Art und Umfang der Intervention zu geben,<br />

die im Wesentlichen in der mehr oder weniger<br />

rationalen Verabreichung schmerzwirksamer<br />

Medikamente besteht.<br />

Andererseits bieten diese Inventare eine<br />

gute Grundlage zur Verlaufsbeobachtung.<br />

Dies ist im Endeffekt das Wesentliche für das<br />

zu erreichende Ziel, nämlich <strong>Schmerz</strong> bei<br />

kommunika tionsdefizitären Patienten zu lindern<br />

und deren Wohlbefinden zu stärken.<br />

Flächendeckende Versorgung<br />

katastrophal<br />

Das wesentliche Gütekriterium für <strong>Schmerz</strong>messung<br />

im Alter ist die einfache Handbarkeit<br />

von Fragebögen für alternde Menschen,<br />

die noch, aber vielleicht eingeschränkt, kommunizieren,<br />

und für das beobachtende Personal,<br />

bzw. für die Bezugspersonen, bei<br />

schwer oder gar nicht mehr kommunizierenden<br />

Menschen. Die Pflegerealität dagegen<br />

ist noch weit davon entfernt, dass Empfehlungen<br />

zum Umgang mit <strong>Schmerz</strong>en bei<br />

zu pflegenden bis hin zu schwer dementen<br />

Patienten flächendeckend als Standard eingeführt<br />

wären.<br />

Eine Umfrage des MDK Bayern aus 2010<br />

malt ein katastrophales Bild (Abb. 1) Zwar<br />

erhalten diese Patienten in der Regel ihre<br />

verordneten Medikamente, aber die Kooperation<br />

mit dem verschreibenden Arzt ist<br />

nicht besonders „eng“ und ein standardisiertes<br />

<strong>Schmerz</strong>assessment, in welcher Form<br />

auch immer, findet nur in den seltensten<br />

Fällen statt.<br />

Fokus des Frankfurter <strong>Schmerz</strong>- und<br />

Palliativtages<br />

Zusammenfassend kann man sagen, dass<br />

<strong>Schmerz</strong> in der Pflege und im Alter deutlich<br />

an Bedeutung zunimmt, aber obwohl Instrumente<br />

für ein Assessment, das diesen<br />

Namen verdient, vorhanden wären, dem<br />

Umfang dieses Problems kaum Rechnung<br />

getragen wird. Die deutsche <strong>Gesellschaft</strong> für<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie (DGS) sieht hier ein<br />

Problem allerersten Ranges und widmet daher<br />

den nächsten <strong>Schmerz</strong>­ und Palliativtag<br />

dem Leitthema „<strong>Schmerz</strong> im Alter“ ■<br />

Oliver Emrich, Ludwigshafen<br />

Tab. 1: Die <strong>Schmerz</strong>skala ECPA – ein valides Instrument zur <strong>Schmerz</strong>messung bei älteren,<br />

kommunikationseingeschränkten Menschen.<br />

Dimension 1: Beobachtungen außerhalb der Pflege<br />

Item 1 – verbale Äußerungen (Stöhnen, Klagen, Weinen, Schreien)<br />

0 Patient macht keine Äußerungen<br />

1 <strong>Schmerz</strong>äußerungen, wenn der Patient angesprochen wird<br />

2 <strong>Schmerz</strong>äußerungen, sobald jemand beim Patienten ist<br />

3 spontane <strong>Schmerz</strong>äußerungen oder spontanes leises Weinen, Schluchzen<br />

4 spontanes Schreien bzw. qualvolle Äußerungen<br />

Item 2 – Gesichtsausdruck (Blick und Mimik)<br />

0 entspannter Gesichtsausdruck<br />

1 besorgter, gespannter Gesichtsausdruck<br />

2 ab und zu Verziehen des Gesichts, Grimassen<br />

3 verkrampfter und/oder ängstlicher Blick<br />

4 vollständig starrer Blick/Ausdruck<br />

Item 3 – spontane Ruhehaltung<br />

0 keinerlei Schonhaltung<br />

1 Vermeidung einer bestimmten Position bzw. Haltung<br />

2 Patient wählt eine Schonhaltung, Patient kann sich nicht bewegen<br />

3 Patient sucht erfolglos eine schmerzfreie Schonhaltung<br />

4 Patient ist vollständig immobil<br />

Dimension 2: Beobachtungen während der Pflege<br />

Item 4 – ängstliche Abwehr bei der Pflege<br />

0 Patient zeigt keine Angst<br />

1 ängstlicher Blick, ängstlicher Ausdruck<br />

2 Patient reagiert mit Unruhe<br />

3 Patient reagiert aggressiv<br />

4 Patient schreit, jammert, stöhnt<br />

Item 5 – Reaktionen bei der Mobilisation<br />

0 Patient steht auf bzw. lässt sich mobilisieren ohne spezielle Beachtung<br />

1 Patient hat gespannten Blick bzw. scheint Mobilisation und Pflege zu fürchten<br />

2 Patient klammert mit den Händen bzw. macht Gebärden bei der Mobilisation und Pflege<br />

3 Patient nimmt während der Mobilisation und Pflege eine Schonhaltung ein<br />

4 Patient wehrt sich gegen Mobilisation und Pflege<br />

Item 6 – Raktionen während der Pflege von schmerzhaften Zonen<br />

0 keinerlei negative Reaktionen während der Pflege<br />

1 Reaktionen während der Pflege, ohne weitere Bezeichnung<br />

2 Reaktionen beim Anfassen oder Berühren schmerzhafter Zonen<br />

3 Reaktionen bei flüchtiger Berührung schmerzhafter Zonen<br />

4 Unmöglichkeit, sich schmerzhaften Zonen zu nähern<br />

Item 7 – verbale Äußerungen während der Pflege<br />

0 keine Äußerungen während der Pflege<br />

1 <strong>Schmerz</strong>äußerungen, wenn man sich an den Patienten wendet<br />

2 <strong>Schmerz</strong>äußerungen, sobald der Pflegende beim Patienten ist<br />

3 spontane <strong>Schmerz</strong>äußerungen oder spontanes leises Weinen, Schluchzen<br />

4 spontanes Schreien bzw. qualvolle Äußerungen<br />

Dimension 3: Auswirkungen auf Aktivitäten<br />

Item 8 – Auswirkungen auf den Appetit<br />

0 keine Veränderung des Appetits<br />

1 leicht reduzierter Appetit, isst nur einen Teil der Mahlzeiten<br />

2 muss animiert werden, einen Teil der Mahlzeiten zu essen<br />

3 isst trotz Aufforderung nur ein paar Bissen<br />

4 verweigert jegliche Nahrung<br />

Item 9 – Auswirkungen auf den Schlaf<br />

0 guter Schlaf, beim Aufwachen ist der Patient ausgeruht<br />

1 Einschlafschwierigkeiten oder verfrühtes Erwachen<br />

2 Einschlafschwierigkeiten und verfrühtes Erwachen<br />

3 zusätzliches nächtliches Erwachen<br />

4 seltener oder fehlender Schlaf<br />

Item 10 – Auswirkungen auf die Bewegung<br />

0 Patient bewegt sich wie gewohnt<br />

1 Patient bewegt sich wie gewohnt, vermeidet aber gewisse Bewegungen<br />

2 seltenere/verlangsamte Bewegungen<br />

3 Immobilität<br />

4 Apathie oder Unruhe<br />

Item 11 – Auswirkungen auf die Kommunikation bzw. Kontaktfähigkeit<br />

0 üblicher Kontakt<br />

1 Herstellen von Kontakt erschwert<br />

2 Patient vermeidet Kontaktaufnahme<br />

3 Fehlen jeglichen Kontaktes<br />

4 Totale Indifferenz<br />

Gesamtanzahl der Punkte (0=kein <strong>Schmerz</strong>, 44=maximaler <strong>Schmerz</strong>)<br />

24 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)


Chancen und Risiken der Social Media –<br />

Facebook, Google etc.<br />

Sich zu vernetzen ist in – oder doch schon wieder out? Vielen ist der unsensible<br />

Umgang mit persönlichen Daten unheimlich. Dass und wie Sie Social Media aber<br />

durchaus nutzbringend verwenden können, erläutert Hans-Jörg Andonovic-Wagner,<br />

der Webmaster DGS, AOS-Design, Eislingen.<br />

V orneweg<br />

SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />

Hans-Jörg<br />

Andonovic,<br />

Eislingen<br />

möchte ich zum Thema sagen,<br />

dass ich ein Mensch bin, dem seine Privatsphäre<br />

sehr wichtig ist. Das Wissen über<br />

meine Gewohnheiten und Vorlieben möchte<br />

ich gerne meiner Familie und guten Freunden<br />

vorbehalten. Daher pflege ich im privaten Bereich<br />

einen vorsichtigen Umgang mit sozialen<br />

Netzwerken. Aus unternehmerischer Sicht jedoch<br />

sehe ich die sozialen Netzwerke als einen<br />

tollen Zugewinn für das Marketingportfolio.<br />

Was ist eigentlich Facebook?<br />

Die Idee von Mark Zuckerberg war und ist einfach:<br />

Ermögliche es allen Menschen miteinander<br />

zu kommunizieren! Facebook ist im Grunde<br />

eine Software, mit der man sich gegenseitig<br />

Nachrichten schicken kann, mit ein paar<br />

Zusatzfunktionen. Die Software ist auf einem<br />

Server installiert und kann damit von jedem<br />

beliebigen Rechner weltweit angesteuert werden.<br />

Wohin gehen meine Daten?<br />

Alle Dateien, die bei Facebook hochgeladen<br />

werden, wie Texte, Bilder, Videos etc. können<br />

von Facebook frei dargestellt werden. Teilweise<br />

gehen sogar die Nutzungsrechte an Facebook<br />

über. Der Gerichtsstand ist – genau wie<br />

bei Google – Kanada. Der Grund ist einfach:<br />

Die Kanadier haben so gut wie keine Rechtsprechung<br />

zum Thema Datenschutz. Damit ist<br />

den Firmen Tür und Tor geöffnet, mit unseren<br />

Daten frei zu hantieren. Dazwischengeschaltet<br />

ist noch der europäische Firmensitz in Irland.<br />

Man sollte sich also zwei- bis dreimal überlegen,<br />

was man von sich preisgibt und was nicht.<br />

Ist das denn legal?<br />

Nach einigen Startschwierigkeiten und massiven<br />

datenschutzrechtlichen Auseinandersetzungen<br />

hat es Facebook bis zur Marktreife<br />

geschafft. Stand <strong>2012</strong> ist es das größte sozia le<br />

Netzwerk weltweit. Inzwischen hat Facebook<br />

sogar schon Google mit den Klickzahlen im<br />

Internet geschlagen. Die Frage nach der Legalität<br />

wurde von der Ergonomie weggespült.<br />

Zum Zeitpunkt der größten datenschutzrechtlichen<br />

Debatten (2010) waren aller Bedenken<br />

zum Trotz bereits ca. 14 Mio. deutsche User<br />

angemeldet. Dieses Rad ließ sich nicht mehr<br />

zurückdrehen. Es ist eine Frage der Zeit, bis<br />

unsere Gesetze daran angepasst werden.<br />

Wie kann ich Social Media<br />

für mich nutzen?<br />

Es gibt zwei Sorten von Konten, einmal die<br />

persönlichen Profile, zum anderen die Unternehmensseiten.<br />

Für eine Praxis eignet sich die<br />

Unternehmensseite hervorragend. Hier können<br />

allgemeine Informationen wie Öffnungszeiten,<br />

Behandlungsgebiete und Änliches<br />

eingetragen werden. Im Grunde können alle<br />

Informationen, die auch auf der „konventionellen“<br />

Homepage dargestellt sind, auch auf<br />

Facebook gelagert werden. Im Optimalfall<br />

wird einmal alle paar Tage eine kurze Meldung<br />

ausgegeben, um den Viralfaktor zu nutzen.<br />

Aber welche Praxis hat jeden Tag erwähnenswerte<br />

Neuigkeiten? Selbst einmal im Monat<br />

kann das schon richtig zu Arbeit werden.<br />

Ein schönes Beispiel finden Sie unter:<br />

• http://facebook.com/schmerz.bonn<br />

Was erwartet mich,<br />

wenn ich mitspielen will?<br />

Ohne Arbeit geht es nicht. Selbst wenn eine<br />

rein statisch aufgebaute Facebookseite vorliegt,<br />

muss man in regelmäßigen Abständen<br />

über das Projekt drüber schauen, ob unpassende<br />

Kommentare erscheinen (insofern man<br />

Kommentare anderer zugelassen hat) oder ob<br />

Facebook Änderungen vorgenommen hat, die<br />

eine Aktion des Seiteninhabers notwendig<br />

Internet<br />

machen. Auch Änderungen der Rechtslage<br />

sind im Auge zu behalten.<br />

Der Optimalfall ist ein Facebookaccount, in<br />

dem einmal im Monat oder auch öfters eine<br />

Meldung erscheint: die neue Fortbildung, die<br />

neue Behandlungsmethode, der Betriebsurlaub<br />

oder personelle Änderungen. Bevor man<br />

sich darauf einlässt, sollte man sich den redaktionellen<br />

Aufwand klar vor Augen führen.<br />

Gibt es noch andere lohnende<br />

Register?<br />

Es sind einige Anbieter auf dem Markt, bei denen<br />

man aus marketingtechnischer Sicht mitmachen<br />

sollte und die man zu einem netten<br />

Gespann zusammenführen kann: Neben Facebook<br />

stellt ein GoogleBlog in Kombination mit<br />

Google+ eine hervorragende Möglichkeit dar,<br />

Informationen nach außen zu tragen. Und<br />

dann gibt es noch Twitter – der Kurznachrichtendienst.<br />

Nun sollte man denken, dass bei mehreren<br />

Registern der Pflegeaufwand steigt – weit gefehlt.<br />

Das Internet bietet hier einige sehr gute<br />

Automationsmöglichkeiten. Ein Eintrag im<br />

Blog wird vollautomatisch an die Homepage,<br />

an Facebook, Google+ und Twitter weitergegeben.<br />

• http://schmerzliga.blogspot.com<br />

• http://facebook.com/schmerzliga<br />

• http://twitter.com/schmerzliga<br />

• http://www.schmerzliga.de<br />

Hiermit haben Sie mit moderatem Aufwand<br />

die wichtigsten Register inkl. Ihrer eigenen<br />

Homepage sauber beschickt. Jedes der Register<br />

ist wiederum mit Ihrer Homepage verlinkt.<br />

Sind Sie nicht im „Facebook Kontinent“ vertreten,<br />

geht der komplette Markt an Ihnen vorbei,<br />

ohne Sie zu registrieren.<br />

Sie dürfen keine Wunder von den sozialen<br />

Netzwerken erwarten, aber die Besucherzahlen<br />

Ihrer Homepage werden sich mittelfristig<br />

merklich steigern und Ihr Unternehmen wird<br />

sichtlich davon profitieren.<br />

■<br />

Hans-Jörg Andonovic, Eislingen<br />

25


26<br />

Kasuistik<br />

Spezifische <strong>Therapie</strong> für<br />

unspezifische <strong>Schmerz</strong>en?<br />

Sogenannte unspezifische Rückenschmerzen lassen Patient und Arzt häufig<br />

verzweifeln. Von Leitlinien empfohlene <strong>Therapie</strong>n schließen die Gabe stark wirksamer<br />

Analgetika vom Opioidtyp aus. Trotzdem kann eine derartige <strong>Therapie</strong><br />

durchaus sinnvoll und wirksam sein, wie der vorliegende Praxisfall zeigt.<br />

Der 35-jährige Kaufmann bemerkte erstmals<br />

im Jahr 2005 Akutschmerzen im<br />

Bereich des Kreuzes. Röntgendiagnostik<br />

und Kernspintomogramm hatten keine pathologischen<br />

Befunde gezeigt. Eine Spontanremission<br />

blieb aus. Einfache Analgetika<br />

(Paracetamol und Ibuprofen) führten zu keiner<br />

Besserung und auch Injektionstherapien<br />

blieben ohne jeden Effekt. Krankengymnastik<br />

und manuelle <strong>Therapie</strong> waren ebensowenig<br />

erfolgreich. Die <strong>Schmerz</strong>en nahmen in<br />

den folgenden Jahren an Intensität und<br />

Häufigkeit zu, waren aber noch auf die Lumbalregion<br />

beschränkt. Im Jahr 2009 kamen<br />

zunehmend <strong>Schmerz</strong>en im Bereich der<br />

Schulter hinzu, insbesondere der gegenüberliegenden<br />

Schulter. <strong>Schmerz</strong>en zwischen<br />

Schulterblatt und Wirbelsäule mit<br />

Ausstrahlung in den Nacken, teilweise auch<br />

in den ganzen Rücken, kamen hinzu.<br />

Neben Störungen des Nachtschlafes waren<br />

vor allem die Dauerschmerzen und die Unfähigkeit,<br />

die <strong>Schmerz</strong>en positiv zu beeinflussen,<br />

für den niedrigen Wert im QLIP ausschlaggebend.<br />

In der <strong>Schmerz</strong>empfindensskala dominierten<br />

Affektiv-Items mit einem Score von 25<br />

gegenüber sensorischen Items mit einem<br />

Score von 12. Im Hospital Excited Depression<br />

Scale waren die Werte für Depressivität auffällig<br />

(9), für Angst grenzwertig (7). Der SF12<br />

zeigte ebenfalls deutliche Einschränkungen<br />

der körperlichen Lebensqualität mit einem<br />

Wert von 32,5, der psychische Score war mit<br />

53,30 ohne Befund.<br />

Nachdem Paracetamol und Cyclooxygenasehemmer<br />

keinen Effekt gehabt hatten,<br />

waren <strong>Therapie</strong>versuche mit Amitriptylin und<br />

Duloxetin sowie Venlafaxin erfolgt, alle ohne<br />

nennenswerte Ergebnisse. Schließlich folgte<br />

eine zehnwöchige stationäre Behandlung in<br />

einer psychosomatischen Einrichtung unter<br />

der Annahme, dass insbesondere in Anbetracht<br />

des hohen affektiven Anteils die<br />

<strong>Schmerz</strong>en psychosomatisch sein müssten.<br />

In dieser Zeit kam es trotz intensiver aktiver<br />

Teilnahme an allen physiotherapeutischen<br />

und aktivierenden Maßnahmen, Gesprächen<br />

und Ergotherapie zu keiner Linderung der<br />

<strong>Schmerz</strong>en.<br />

Zum Zeitpunkt der Vorstellung im <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

zeigte sich im <strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>fragebogen<br />

eine <strong>Schmerz</strong>intensität auf der visuellen<br />

Analogscala VAS 100 von 76. Die Beeinträchtigung<br />

der Lebensqualität (QLIP) war mit<br />

einem Wert 15 aus 40 ausgesprochen auffällig.<br />

Der Patient hatte inzwischen 1½ Jahre nicht<br />

mehr gearbeitet.<br />

Befund und Verlauf<br />

Die sorgfältige Untersuchung zeigte bei dem<br />

Patienten eine ausgeprägte Fehlstellung des<br />

Beckens mit Beckenverwringung und<br />

Beckentiefstand links, anhaltende Blockierung<br />

des IIeosakralgelenks mit entsprechender<br />

s-förmiger Skoliosierung der Wirbelsäule<br />

linkskonvex lumbal mit thorakaler Gegenschwingung<br />

und ausgeprägter Dystonie<br />

aus der körperaufrichtenden Muskulatur. Inzwischen<br />

war sowohl die HWS-Rotation eingeschränkt<br />

als auch die Rotation im thorakolumbalen<br />

Übergang. Es fanden sich keine<br />

neurologischen Auffälligkeiten, aber massiv<br />

aktivierte Muskeltriggerpunkte und Spannungsphänomene<br />

im Becken-Band-Apparat.<br />

<strong>Therapie</strong><br />

Wegen der inzwischen 7-jährigen Chronifizierung<br />

erschien ein multimodales <strong>Therapie</strong>konzept<br />

sinnvoll. Darüber hinaus waren durch die<br />

anhaltende <strong>Schmerz</strong>symptomatik Chronifizierungsprozesse<br />

erfolgt, die den Patienten zu<br />

Angst-Vermeidungsstrategien geführt hatten.<br />

Unter diesem Aspekt erfolgte die medikamentöse<br />

<strong>Therapie</strong> mit Oxycodon/Naloxon, das<br />

innerhalb von 14 Tagen auf 2 x 20/10 mg Oxycodon/Naloxon<br />

auftitriert wurde. Die Auswahl<br />

für diese Kombination erfolgte vor allem<br />

unter dem Gesichtspunkt, dass der Patient vigilant<br />

blieben und keine opioidtypischen Magen-Darm-Symptome<br />

erfahren sollte, um so<br />

die ohnedies schon schwierige Motivationslage<br />

nicht weiter zu verschlechtern.<br />

Mit der analgetischen <strong>Therapie</strong> mit Oxycodon/Naloxon<br />

gelang dies sehr gut. Die<br />

Kreuzschmerzen – oft eine Herausforderung<br />

für <strong>Schmerz</strong>therapeut und Patient.<br />

<strong>Schmerz</strong>intensität konnte auf der visuellen<br />

Analogscala von 100 auf 25 reduziert werden<br />

(individuelles Behandlungsziel 16). Hierunter<br />

konnte der Patient zunehmend wieder<br />

schmerzfrei Übungseinheiten durchführen<br />

und konnte auch verhaltenstherapeutisch<br />

wieder sinnvoll arbeiten, da der <strong>Schmerz</strong> in<br />

sitzender und liegender Position nicht mehr<br />

alle Aktivitäten blockierte.<br />

Die intensive multimodale <strong>Therapie</strong> wurde<br />

über einen Zeitraum von sechs Monaten<br />

durchgeführt, in deren Verlauf der Patient immer<br />

mehr Kraft, Koordination und Ausdauer<br />

erreichte und immer längere Phasen von<br />

<strong>Schmerz</strong>armut und <strong>Schmerz</strong>freiheit erlebte.<br />

Diskussion und Zusammenfassung<br />

Bei unserem Patienten handelte es sich sicherlich<br />

nicht um „unspezifische“ Rückenschmerzen,<br />

sondern um ein klares pathomorphologisches<br />

Substrat im Sinne einer Störung<br />

des Ileosakralgelenkes mit konsekutiver Veränderung<br />

der gesamten körperaufrichtenden<br />

Muskelkette sowie des Skelettsystems mit<br />

multietageren funktionellen Blockierungen.<br />

Erschwerend hinzugekommen waren negative<br />

Erfahrungen beim Versuch, aktive <strong>Therapie</strong>n<br />

durchzuführen, die zu weiteren Angst-<br />

Vermeidungsstrategien geführt hatten.<br />

Eine effektive medikamentöse <strong>Schmerz</strong>therapie<br />

mit Oxycodon/Naloxon wurde nicht<br />

nur gut vertragen, sondern versetzte ihn auch<br />

in die Lage, die Angst-Vermeidungsstrategien<br />

zu durchbrechen und effektive Übungsbehandlung<br />

und Verhaltenstherapie zu ermöglichen.<br />

Die drohende Frühberentung konnte so<br />

abgewendet werden. ■<br />

Gerhard H. H. Müller-Schwefe, Göppingen<br />

SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />

© Kitty / Fotolia.com


DGS-Veranstaltungen<br />

Weitere Informationen zu den Seminaren erhalten Sie über die Geschäftsstelle<br />

des DGS Oberursel, Tel.: 06171/286060, Fax: 06171/286069, E-Mail:<br />

info@dgschmerztherapie.de. Die aktuellsten Informationen zu den Veranstaltungen<br />

und den Details finden Sie im Internet unter<br />

www.dgschmerztherapie.de mit der Möglichkeit der Online-Anmeldung.<br />

Dezember <strong>2012</strong><br />

Medizinethik<br />

01.12.<strong>2012</strong> in Bocholt; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS – Bocholt<br />

CME-Update <strong>Schmerz</strong>: Arzneimittelinteraktionen<br />

bei Polypharmakotherapie<br />

03.12.<strong>2012</strong> in Ludwigshafen; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Ludwigshafen<br />

Curriculum Psychosomatische Grundversorgung<br />

– Kurs 3<br />

08.12.-09.12.<strong>2012</strong> in Dürkheim; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Ludwigshafen<br />

Die Logik des Mißlingens –<br />

über Fehlentscheidungen<br />

13.12.<strong>2012</strong> in Miltenberg; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Miltenberg<br />

Psychometrie in der <strong>Schmerz</strong>therapie<br />

20.12.<strong>2012</strong> in Bad Säckingen; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Bad Säckingen<br />

Januar 2013<br />

CME-Update <strong>Schmerz</strong>: Pharmakotherapie im Alter<br />

07.01.2013 in Ludwigshafen; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Ludwigshafen<br />

Update Osteoporose<br />

10.01.2013 in Miltenberg; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Miltenberg<br />

QZ Palliativmedizin - Palliativversorgung an der<br />

Schnittstelle zwischen Krankenhaus und Zuhause<br />

15.01.2013 in Solingen; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS – Solingen<br />

Kopfschmerz I<br />

17.01.2013 in Bad Säckingen; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Bad Säckingen<br />

7. Bonner <strong>Schmerz</strong>tag<br />

18.01.–19.01.2013 in Bonn; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Bonn/Bad Godesberg<br />

SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />

Interaktion von Analgetika und<br />

Co-Analgetika<br />

21.01.2013 in Fürth; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Fürth<br />

Palliative Chemotherapie – Chancen,<br />

Nutzen, Risiken<br />

21.01.2013 in Hannover; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Hannover<br />

Diagnose und <strong>Therapie</strong><br />

neuropathischer <strong>Schmerz</strong>en – alles<br />

brennt, was hilft?<br />

23.01.2013 in Celle; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Celle<br />

Lübecker <strong>Schmerz</strong>therapie – Praxis -<br />

seminar 2013<br />

26.01.2013 in Lübeck; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS – Neustadt/Holstein<br />

Notfallseminar – Reanimation mit praktischen<br />

Übungen<br />

30.01.2013 in Halle; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS – Halle Saale<br />

Februar 2013<br />

Psychoneurobiologische Grundlagen der<br />

Placeboanalgesie und Implikationen für die<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie<br />

02.02.2013 in Stade; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS – Stade<br />

CME-Update <strong>Schmerz</strong>:<br />

Funktionelle <strong>Schmerz</strong>konzepte<br />

04.02.2013 in Ludwigshafen; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Ludwigshafen<br />

Curriculum Biofeedback-Therapeut DGS /<br />

Biofeedback-Trainer DGS – Grundlagenseminar 1<br />

09.02.–10.02.2013 in Frankfurt am Main;<br />

Geschäftsstelle DGS<br />

<strong>Schmerz</strong> und Schlaf<br />

09.02.2013 in Lüdenscheid; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Lüdenscheid<br />

Fehlbiss als Herausforderung in der<br />

schmerztherapeutischen Praxis<br />

13.02.2013 in Osnabrück; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Osnabrück<br />

Untersuchungstechniken beim Rückenschmerz<br />

– Hands-on-Workshop für Nicht-Orthopäden<br />

16.02.2013 in Wuppertal; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Wuppertal<br />

Update: Tumorschmerztherapie<br />

18.02.2013 in Erkelenz; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS – Erkelenz<br />

Kopfschmerz II<br />

21.02.2013 in Bad Säckingen; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Bad Säckingen<br />

DGS Termine / Nachrichten<br />

Synopsis der TLA<br />

23.02.–24.02.2013 in Würzburg; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Würzburg<br />

<strong>Schmerz</strong>therapie-Praxisseminar:<br />

Schulung der Wahrnehmung<br />

26.02.2013 in Wiesbaden; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Wiesbaden<br />

Burn-out-Syndrom – bei uns Ärzten und Patienten<br />

27.02.2013 in Halle; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />

DGS – Halle Saale<br />

Multimodale <strong>Schmerz</strong>therapie<br />

27.02.2013 in Unterhaching; Regionales<br />

<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Taufkirchen<br />

<strong>Schmerz</strong>therapieführer <strong>2012</strong><br />

Rund 4000 Anschriften umfasst das aktuelle Mitgliederverzeichnis<br />

der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />

für <strong>Schmerz</strong>therapie e.V., der „<strong>Schmerz</strong>therapieführer<br />

Deutschland <strong>2012</strong>“. Das Nachschlagewerk<br />

listet 244 <strong>Schmerz</strong>spezialisten auf, die die<br />

ver bandsinterne Qualifikation der <strong>Deutsche</strong>n<br />

<strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>therapie e.V. „Algesiologe<br />

DGS“ erworben haben. Ebenfalls aufgeführt<br />

sind 11 psychologische schmerztherapeutische<br />

Einrichtungen, die nach den Richtlinien der<br />

<strong>Gesellschaft</strong> qualifiziert sind. Hinzu kommen<br />

129 regionale <strong>Schmerz</strong>zentren, die regelmäßig<br />

<strong>Schmerz</strong>konferenzen und Weiterbildungsveranstaltungen<br />

organisieren.<br />

Der <strong>Schmerz</strong>therapieführer kann von Ärzten,<br />

ärztlichen Vereinigungen und Verbänden,<br />

Krankenkassen und anderen Institutionen des<br />

Gesundheitswesens bei der DGS- Geschäftsstelle<br />

angefordert werden:<br />

<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>therapie e.V.<br />

– Geschäftsstelle –<br />

Adenauerallee 18 • 61440 Oberursel<br />

Tel.: 06171-2860-60 • Fax: 06171-2860-69<br />

E-mail: info@dgschmerztherapie.de<br />

www.dgschmerztherapie.de<br />

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