schmerzmedizin 4 / 2012 - Schmerz Therapie Deutsche Gesellschaft ...
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ISSN 2194-2536<br />
SCHMERZMEDIZIN<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>therapie e.V.<br />
und <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>medizin e.V.<br />
28. Jahrgang <strong>2012</strong> 4 I <strong>2012</strong><br />
Neue Wege in der<br />
<strong>Schmerz</strong>medizin<br />
© XXX / Fotolia.com<br />
Editorial<br />
Heiße Eisen ... _______________________ 2<br />
<strong>Schmerz</strong>offensive Deutschland<br />
Start der Online-Plattform der<br />
DGS-PraxisLeitlinien <strong>Schmerz</strong>therapie ___ 4<br />
<strong>Deutsche</strong>r <strong>Schmerz</strong>kongress <strong>2012</strong><br />
Aktionsbündnis<br />
<strong>Schmerz</strong>freie Stadt Münster ___________ 6<br />
Südwestdeutsche <strong>Schmerz</strong>tage<br />
Verhindern Heiler Heilung? ____________ 8<br />
Abrechnung<br />
Die Honorare 2013 steigen –<br />
auch für <strong>Schmerz</strong>therapeuten? ________ 10<br />
Impressum ________________________11<br />
Psychologie<br />
Seelische <strong>Schmerz</strong>en tun auch weh! ____ 12<br />
Palliativmedizin<br />
Terminale Sedierung – eine Maßnahme<br />
der Symptomkontrolle _______________ 15<br />
Der besondere Fall<br />
Mit Radiofrequenzläsion der lumbalen<br />
Facettengelenke gegen chronischen<br />
Rückenschmerz ____________________ 17<br />
Neurologie<br />
Occipitalis-Nervenstimulation gegen<br />
chronische Migräne _________________ 18<br />
<strong>Schmerz</strong>therapie und Palliativversorgung<br />
bei sterbenden Schlaganfallpatienten___ 20<br />
<strong>Schmerz</strong>en bei multipler Sklerose ______ 22<br />
Geriatrie<br />
Pflege und <strong>Schmerz</strong> –<br />
eine tagtägliche Katastrophe __________ 23<br />
Internet<br />
Chancen und Risiken der Social Media –<br />
Facebook, Google etc. _______________ 25<br />
Kasuistik<br />
Spezifische <strong>Therapie</strong> für unspezifische<br />
<strong>Schmerz</strong>en? ________________________26<br />
DGS-Veranstaltungen _______________27<br />
www.dgschmerztherapie.de
2<br />
Editorial<br />
Heiße Eisen ...<br />
Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />
wieder einmal packt die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>therapie e. V. mit<br />
dem „Facharzt für <strong>Schmerz</strong>medizin“ und den „DGS-PraxisLeitlinen“ zwei heiße<br />
Eisen an.<br />
Facharzt für <strong>Schmerz</strong>medizin<br />
Warum gerade jetzt, mögen Sie sich fragen, kommt die DGS<br />
mit der Forderung nach einem Facharzt für <strong>Schmerz</strong>medizin,<br />
wo doch die Bundesärztekammer bemüht ist, die Anzahl der<br />
Spezialisierungen und Fachgebiete eher einzugrenzen, und<br />
die <strong>schmerzmedizin</strong>ische Versorgung besser denn je zu sein<br />
scheint. 1.900 zertifizierte „spezielle <strong>Schmerz</strong>therapeuten“,<br />
von denen rund 1.400 in irgendeiner Form auch mit Patienten<br />
arbeiten, müssten doch die Versorgung in Deutschland<br />
enorm verbessert haben.<br />
Versorgung verschlechtert sich dramatisch<br />
Das Gegenteil ist leider der Fall. War noch in den 80iger Jahren<br />
die Devise der Kassenärztlichen Vereinigungen und Kammern:<br />
„<strong>Schmerz</strong>therapie, das kann jeder Arzt“, ist inzwischen<br />
klar geworden, dass wir deutliche Defizite in der Ausbildung<br />
und auch in der Versorgung haben.<br />
Das ab 2016 in die Approbationsordnung als Querschnittsfach<br />
Q 14 eingeführte Pflichtfach <strong>Schmerz</strong>medizin ist hier nur<br />
ein geringer Trost, da die so mit Grundkenntnissen versehenen<br />
Ärzte erst nach einer Facharztausbildung in der Regel<br />
ab 2021 oder 2022 in die Versorgung kommen werden.<br />
Die 1996 mit mühsamen Vorarbeiten eingeführte Zusatzbezeichnung<br />
„spezielle <strong>Schmerz</strong>therapie“ krankt daran, dass<br />
sie jeweils fachgebietsbezogen ist und Zusatzbezeichnungen<br />
Fachgebietsgrenzen nicht überschreiten dürfen. Patienten<br />
mit chronischen problematischen <strong>Schmerz</strong>erkrankungen<br />
halten sich allerdings nicht an Fachgebietsgrenzen, sondern<br />
leiden an komplexen Erkrankungen, die mit den Methoden<br />
und Grenzen eines Fachgebietes in aller Regel nicht ausreichend<br />
zu behandeln sind. So sehen wir und viele andere<br />
<strong>Schmerz</strong>zentren zunehmend <strong>Schmerz</strong>patienten mit chronischen<br />
<strong>Schmerz</strong>en, die bereits bei mehreren „speziellen<br />
<strong>Schmerz</strong>therapeuten“ erfolglos behandelt wurden.<br />
Multimodal und interdisziplinär<br />
Multimodal und interdisziplinär sind die neuen Zauberworte<br />
der <strong>Schmerz</strong>medizin geworden, die alle Probleme des monodisziplinären<br />
Zugangs lösen sollen. Die ursprünglich von<br />
Bonica bereits in den 60iger Jahren aufgestellte Forderung<br />
Gerhard H. H. Müller-<br />
Schwefe, Göppingen<br />
nach Behandlungskonzepten, bei denen aufgrund der Komplexität<br />
der chronischen <strong>Schmerz</strong>erkrankungen verschiedene<br />
Fachgebiete gemeinsam und im Austausch an Patienten<br />
arbeiten sollten und dabei auch verschiedene sich ergänzende<br />
zielführende Methoden einsetzen sollten, hat etwas<br />
Betörendes: Sie kommt der Versorgungsnotwendigkeit der<br />
Patienten mit chronischen <strong>Schmerz</strong>en nach. Im praktischen<br />
Alltag stößt dieses Konzept jedoch permanent an seine Grenzen.<br />
Bei komplexen <strong>Schmerz</strong>problemen sind häufig mehr als<br />
vier Professionen nötig, z. B. Anästhesiologie, Psychologie,<br />
Physiotherapie, funktionelle Diagnostik und <strong>Therapie</strong> im<br />
Sinne konservativer Orthopädie, und hierbei stößt das Behandlungskonzept<br />
dann häufig an seine Grenzen.<br />
Die Notwendigkeit des Austausches der die im jeweiligen<br />
Fachgebiet erhobenen Befunde und der Diskussion der Gewichtigkeit<br />
der Befunde, die Etablierung und Absprache von<br />
<strong>Therapie</strong>konzepten können dann häufig mehr Zeitraum in<br />
Anspruch nehmen als die eigentliche Diag nostik und <strong>Therapie</strong><br />
dieser Patienten. Mehrere Patienten nach diesem Strickmuster<br />
zu behandeln, würde damit zu einem zeitökonomischen<br />
Problem. Aus dieser Sichtweise muss versorgungsorientiert<br />
ein Ausweg gefunden werden, bei dem <strong>Schmerz</strong>mediziner<br />
komplexere Fähigkeiten entwickeln, als die spezialisierte<br />
<strong>Schmerz</strong>therapie ihnen bisher zugesteht.<br />
Bedarfsplanung<br />
Die Sicherstellung der Versorgung erfordert zwingend einen<br />
Facharzt für <strong>Schmerz</strong>medizin. Die Bedarfsplanung regelt in<br />
der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung die Anzahl<br />
der genehmigten Kassenarztsitze und orientiert sich ausschließlich<br />
an den medizinischen Fachgebieten. Da <strong>Schmerz</strong>medizin<br />
bisher (noch) nicht als Fachgebiet etabliert ist, gibt<br />
es in keinem KV-Bereich Deutschlands eine Bedarfsplanung<br />
für <strong>Schmerz</strong>medizin. <strong>Schmerz</strong>medizinisch tätige niedergelassenen<br />
Ärzte und Ambulanzen werden deshalb ihren<br />
„Ursprungs“-Fachgebieten zugerechnet. Ihr Bestand hängt<br />
vom jeweiligen Versorgungsgrad in diesen Fachgebieten<br />
(z.B. Anästhesie, Orthopädie, Allgemeinmedizin etc.) ab.<br />
Nur mit einer Bedarfsplanung für das Fachgebiet<br />
„<strong>Schmerz</strong>medizin“ werden <strong>schmerzmedizin</strong>isch tätige Pra-<br />
SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)
xen und Einrichtungen Bestand haben, können unabhängig<br />
von dem Ursprungsfachgebiet der jeweils tätigen Ärzte weitervergeben<br />
und weitergeführt werden und sind nicht ständig<br />
von Regressen durch den Leistungsvergleich mit nicht<br />
schmerztherapeutisch tätigen fachgebietsgleichen Praxen<br />
bedroht.<br />
So werden zum Beispiel ausschließlich schmerztherapeutisch<br />
tätige Anästhesisten hinsichtlich ihrer Gesprächsleistungen<br />
mit anästhesiologisch tätigen Kollegen verglichen.<br />
Der normale Menschenverstand sagt bereits, dass der<br />
<strong>schmerzmedizin</strong>isch tätige Anästhesist mit dem <strong>Schmerz</strong>patienten<br />
mehr reden muss als der anästhesierende Anästhesist<br />
mit dem Betäubten reden kann. Trotzdem gibt es hier einen<br />
Vergleich innerhalb der Fachgruppe der niedergelassen Tätigen<br />
und entsprechende Kürzungen werden ausgesprochen.<br />
Steuern wir in Deutschland ohnedies auf einen Ärztemangel<br />
zu, wird sich in dem Bereich der <strong>Schmerz</strong>medizin kaum<br />
ein junger Kollege motivieren lassen, niedergelassen tätig zu<br />
werden angesichts der völlig unsicheren wirtschaftlichen<br />
Perspektiven und dem durch die Fachgebietszugehörigkeit<br />
entstehenden Bedrohungsszenario.<br />
Abgestufte Versorgung<br />
Wie in allen Versorgungsbereichen ist auch in der <strong>Schmerz</strong>medizin<br />
eine abgestufte Versorgung notwendig. Die Basis<br />
und erste Anlaufstelle ist dabei die allgemeine <strong>Schmerz</strong>medizin,<br />
die vom Allgemeinarzt/Primärarzt wahrgenommen<br />
wird.<br />
Darauf baut die fachgebietsbezogene schmerztherapeutische<br />
Versorgung auf, die auf der jedem Fachgebiet eigenen<br />
<strong>Schmerz</strong>kompetenz beruht. Typische fachgebietsbezogene<br />
<strong>Schmerz</strong>probleme beispielsweise in der Orthopädie oder<br />
Neurologie etc. können und sollen in diesen Gebieten gelöst<br />
werden. Für kompliziertere Probleme steht dann die fachgebietsbezogene<br />
(und begrenzte) spezielle <strong>Schmerz</strong>therapie<br />
zur Verfügung, die sich immer noch an einem Urspungsfachgebiet<br />
orientiert.<br />
Für Patienten, die nach mindestens einem halben Jahr<br />
<strong>Schmerz</strong>chronifizierung und unzureichender <strong>Schmerz</strong>therapie<br />
in der spezialisierten fachgebietsbezogenen <strong>Schmerz</strong>therapie<br />
zu versorgen sind, stellt der Facharzt für <strong>Schmerz</strong>medizin<br />
die adäquate Versorgungsform dar. Für eine effektive<br />
Versorgung braucht er eine patientenzentrierte Kompetenz,<br />
die fachgebietsübergreifend dem eigenen Fachgebiet<br />
<strong>Schmerz</strong>medizin zuzuordnen ist und neben anästhesiologischen<br />
Inhalten funktionell orthopädische Diagnostik und<br />
<strong>Therapie</strong> benötigt wie auch pharmakologische Kenntnisse<br />
und psychologische/psychiatrische Weiterbildung. Diese Versorgungsform<br />
des Facharztes für <strong>Schmerz</strong>medizin stellt keinen<br />
Primärarzt dar und ist für Patienten vorbehalten, denen<br />
in den anderen Versorgungsebenen inkl. fachgebietsbezogener<br />
spezieller <strong>Schmerz</strong>therapie nicht ausreichend geholfen<br />
werden konnte.<br />
Der Vorteil ist die breite schmerzbezogene Ausbildung<br />
und Kenntnis dieses Arztes, die eine interdisziplinäre Kooperation<br />
nicht vollständig überflüssig macht, aber durch<br />
die Vereinigung mehrerer Kompetenzen eine zielgerichtete<br />
Diagnostik und <strong>Therapie</strong> erlaubt. Die Kooperation mit weiteren<br />
Fachgebieten wie Psychologen und Physiotherapeuten<br />
wird trotzdem weiterhin notwendig bleiben.<br />
SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />
Niemand verliert<br />
Verlustängste einzelner Fachgebiete, die befürchten, bei der<br />
Etablierung eines Facharztes für <strong>Schmerz</strong>medizin ihre eigenen<br />
Patienten und Behandlungskompetenz zu verlieren, sind<br />
völlig unbegründet. Kein „normaler Rückenschmerzpatient“<br />
wird den primären Zugang zum Facharzt für <strong>Schmerz</strong>medizin<br />
erhalten. Diese spezielle Versorgungsform bleibt klar definierten<br />
Patienten vorbehalten.<br />
Auch wenn das noch nicht von allen Fachgesellschaften<br />
so gesehen wird, wird sich die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
<strong>Schmerz</strong>therapie weiterhin mit allen Mitteln dafür einsetzen,<br />
hier Überzeugungsarbeit zu leisten, um die Versorgung<br />
von Patienten mit chronischen <strong>Schmerz</strong>erkrankungen auch<br />
in Zukunft sicherzustellen und jungen <strong>Schmerz</strong>medizinern<br />
eine Berufsperspektive zu geben. Bitte unterstützen Sie uns<br />
in diesem Anliegen durch Ihr Verständnis und Ihre Argumentation!<br />
DGS-PraxisLeitlinien<br />
Ein weiteres heißes Eisen, das die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
<strong>Schmerz</strong>therapie e. V. anpackt, sind die PraxisLeitlinien. Die<br />
ersten Leitlinien befinden sich zurzeit in der Kommentierungsphase.<br />
Diese Leitlinien werden einen Meilenstein in<br />
Hinsicht auf Transparenz und Aktualität darstellen. Ein wesentlicher<br />
Gesichtspunkt dieser Leitlinien wird sein, dass sie<br />
neben der externen (studienbelegten) Evidenz auch Ihre interne<br />
Evidenz, d. h. Ihre praktische klinische Erfahrung<br />
miteinbeziehen. Ich bitte Sie sehr herzlich: beteiligen Sie sich<br />
an der Kommentierung, bringen Sie Ihr Wissen und Ihre Erfahrungen<br />
in diese Leitlinien mit ein, damit ein wirklich praxisnahes<br />
und realistisches Leitlinieninstrument entsteht, das<br />
Ärzte bei ihrer täglichen Entscheidung unterstützen kann<br />
und gleichzeitig vor ausschließlich auf Studien basierten Regressen<br />
schützen kann. Beteiligen Sie sich an der Kommentierung<br />
unter www.dgs-praxisleitlinien.de (s.a. den Beitrag<br />
von Michael Überall auf Seite 4).<br />
Auch dieses Heft <strong>Schmerz</strong>medizin gibt Ihnen einen Einblick<br />
in die spannende Vielfalt des Fachgebietes <strong>Schmerz</strong>medizin.<br />
Der Bogen spannt sich von interventioneller <strong>Therapie</strong><br />
mit Radiofrequenzläsion und Occipitalis-Nervenstimulation<br />
bis zur Palliativmedizin und Grundlagenforschung mit einem<br />
ausführlichen Beitrag von Manfred Spitzer, der das Verständnis<br />
der <strong>Schmerz</strong>entstehung und –chronifizierung erleichtert.<br />
Ich wünsche Ihnen viel Freude und viele Erkenntnisse<br />
beim Lesen dieses Heftes. Für die bevorstehenden Feiertage<br />
wünsche ich Ihnen Ruhe, Entspannung, glückliche und zufriedene<br />
Tage und zum Neuen Jahr alles Gute.<br />
Herzlichst<br />
Ihr<br />
Dr. med. Gerhard H. H. Müller-Schwefe<br />
Präsident der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>therapie e. V.<br />
Editorial<br />
3
<strong>Schmerz</strong>offensive Deutschland<br />
Start der Online-Plattform der<br />
DGS-PraxisLeitlinien <strong>Schmerz</strong>therapie<br />
Als weiteren Meilenstein auf ihrem gemeinsam mit der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>liga<br />
(DSL) e.V. beschrittenen Weg hin zu einer Verbesserung der <strong>schmerzmedizin</strong>ischen<br />
Versorgung in Deutschland stellte die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
<strong>Schmerz</strong>therapie (DGS) e.V. am 01. November <strong>2012</strong> im Rahmen ihrer <strong>Schmerz</strong>offensive<br />
Deutschland die InternetRepräsentanz ihrer PraxisLeitlinien online<br />
(http://dgspraxisleitlinien.de), berichtet Priv.Doz. Dr. med. Michael A. Überall,<br />
Präsident der DSL und Vizepräsident der DGS. Dies ist auch der Start der Kommentierungsphase<br />
für die beiden ersten PraxisLeitlinien zu Tumorschmerzen<br />
und tumorbedingten Durchbruchschmerzen.<br />
M it<br />
ihrer OnlinePlattform (Abb. 1) plant<br />
die DGS, allen an einer patientenorientierten<br />
<strong>Schmerz</strong>medizin Interessierten (Fachkreisen,<br />
Betroffenen und Angehörigen) konkrete<br />
Handlungsempfehlungen, Hintergrundinformationen<br />
und Hilfsinstrumente für die<br />
tägliche Praxis online zur Verfügung zu stellen.<br />
Abb. 1: Die neue PraxisLeitlinienPlattform der DGS und DSL.<br />
Hierzu gehören die DGSPraxisFragebögen zu<br />
tumorbedingten Durchbruchschmerzen, zur<br />
<strong>Therapie</strong> mit entzündungshemmenden Analgetika<br />
und zur Behandlung muskulär bedingter<br />
Kreuz/Rückenschmerzen. Zum anderen<br />
möchte sie evidenzbasierte Praxisempfehlungen<br />
und Leitlinien für verschiedenste<br />
Michael Überall,<br />
Nürnberg<br />
<strong>schmerzmedizin</strong>ische Problemfelder präsentieren,<br />
die entsprechend den Empfehlungen<br />
von David Sackett – einem der Urväter der<br />
„evidencebased medicine“ – von praktisch<br />
erfahrenen <strong>Schmerz</strong>spezialisten, Wissenschaftlern<br />
und Patienten gemeinsam entwickelt<br />
wurden.<br />
Gemeinsam neue Wege gehen<br />
Parallel beschreiten DGS und DSL mit der<br />
Kommentierungsphase der beiden ersten<br />
PraxisLeitlinien auch Neuland, was die partizipativen<br />
Dimensionen der Leitlinienentwicklung<br />
betrifft. Die Plattform ist eine Einladung<br />
für <strong>Schmerz</strong>spezialisten und Palliativmediziner<br />
aus Klinik und Praxis und ausdrücklich<br />
auch für schmerztherapeutisch<br />
bzw. palliativmedizinisch interessierte<br />
Haus und Fachärzte, algesiologische Psycho<br />
und Physiotherapeuten, Apotheker,<br />
algesiologische Fachkräfte und Angehörige<br />
der Pflegeberufe sowie insbesondere auch<br />
Betroffene und Angehörige. Sie sind aufgefordert,<br />
die jeweils für entsprechende Stellungnahmen<br />
freigegebenen PraxisLeitlinien<br />
zu sichten, zu prüfen und zu kommentieren.<br />
Das hierfür entwickelte OnlineSystem<br />
erlaubt – weltweit einmalig – nicht nur die<br />
konkrete Kommentierung, sondern darüber<br />
hinaus auch die abschließende Konsentierung<br />
jeder einzelnen PraxisLeitlinienempfehlung. In<br />
Verbindung mit der ab Anfang 2013 – ebenfalls<br />
auf der Website der DGSPraxisLeitlinien<br />
für DGSMitglieder – verfügbaren OnlineDatenbank<br />
aller in Deutschland <strong>schmerzmedizin</strong>isch<br />
genutzten Wirkstoffe und Fertigarzneimittel<br />
(inkl. deren Evidenzprofilen für verschiedenste<br />
<strong>schmerzmedizin</strong>ische Indikationen)<br />
entsteht somit Schritt für Schritt eine der weltweit<br />
umfangreichsten schmerz und palliativmedizinischen<br />
Ressourcen und ein einmaliges<br />
4 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)
OnlineNachschlagewerk für Betroffene und<br />
Fachkreise.<br />
Konkrete Hilfestellung für<br />
individuelle Einzelfälle<br />
Ziel der DGSPraxisLeitlinien ist es nicht, das<br />
mittlerweile umfangreiche Spektrum praxisferner,<br />
wissenschaftstheoretisch dominierter<br />
Leitlinien zu erweitern, sondern vielmehr hilfreiche<br />
Alternativen für die alltägliche Arbeit<br />
mit Betroffenen anzubieten, deren Schwerpunkt<br />
auf konkreten bedürfnis und beschwerdeorientierten<br />
praktischen Handlungsempfehlungen<br />
liegt. Um diesem Anspruch<br />
gerecht zu werden, bedarf es nicht<br />
nur umfangreicher Recherchen und entsprechender<br />
Aufbereitungen der jeweils verfügbaren<br />
externen wissenschaftlichen Evidenz,<br />
sondern auch der kritischen Überprüfung der<br />
daraus resultierenden Ausgangssituation<br />
hinsichtlich ihrer Praxisrelevanz für konkrete<br />
individuelle Behandlungssituationen durch<br />
schmerz und palliativmedizinisch erfahrene<br />
Praktiker (interne Evidenz) und der sich daraus<br />
ergebenden Behandlungsfortschritte<br />
bzgl. der individuell zu definierenden Bedürfnisse<br />
Betroffener.<br />
Aus diesem Grund kommt der aktiven<br />
Teilhabe/nahme aller interessierten/betroffenen<br />
Kreise an der Entwicklung der PraxisLeitlinien<br />
DGS eine entscheidende Bedeutung zu.<br />
Nur so wird es möglich sein, das bestehende<br />
Leit liniendilemma zu lösen und Perspektiven<br />
für eine bessere schmerz und palliativmedizinische<br />
Versorgung in Deutschland zu öffnen.<br />
SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />
Insbesondere sollen durch das PraxisLeitlinienProgramm<br />
der DGS für die Mitglieder der<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>therapie<br />
(DGS) e.V. die formalen inhaltlichen und praktischrationalen<br />
Grundlagen sowohl für eine<br />
rechtssichere praktische Versorgung in Praxis<br />
und Klinik als auch für die Ausgestaltung von<br />
Konzepten der strukturierten und integrierten<br />
Versorgung gelegt und Mitgliedern der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Schmerz</strong>liga (DSL) e.V. der Zugang zu<br />
entsprechenden Informationen ermöglicht<br />
werden. Doch auch Nichtmitglieder beider<br />
Organisationen werden von einem Besuch der<br />
Website nachhaltig profitieren, da sie – mit<br />
wenigen Ausnahmen – nahezu alle Teile der<br />
PraxisLeitlinien DGS für ihre tägliche Arbeit<br />
einsehen, nutzen und jederzeit aktiv an dem<br />
virtuellen Wissenskollektiv teilhaben können.<br />
Zwei Prototypen<br />
gemeinsam am Start<br />
Mit den PraxisLeitlinien zu Tumorschmerzen<br />
und tumorbedingten Durchbruchschmerzen<br />
untermauern DGS und DSL gleichzeitig<br />
ihren Anspruch, auch heiße Eisen im Rahmen<br />
ihrer gemeinsamen <strong>Schmerz</strong>offensive<br />
Deutschland anzupacken. Die Empfehlungen<br />
beider PraxisLeitlinien stehen bis<br />
Ende des Jahres im Netz und können – nach<br />
einmaliger OnlineRegistrierung – von jedem<br />
Interessierten online eingesehen und<br />
kommentiert werden.<br />
In einem zweiten Schritt folgt dann – nach<br />
Durchsicht der eingegangenen Kommentare<br />
und entsprechender Überarbeitung der Pra<br />
Procedere beim Einstellen auf<br />
starke Opioide<br />
Zum Beitrag „Opioidtherapie – Retardpräparate von Anfang an?“ von Dr. med.<br />
Johannes Horlemann in der Ausgabe 3/<strong>2012</strong> der Zeitschrift <strong>Schmerz</strong>medizin, erreichte<br />
uns folgender Brief unserer Leserin Dr. Ingrid Spohr, Hofheim:<br />
Mit leichter Verwunderung habe ich im<br />
Beitrag von Herrn Horlemann gelesen,<br />
dass zur Einstellung auf starke Opioide<br />
auch heute noch unretardiertes Morphin in<br />
Tablettenform oder sogar intravenöses Morphin<br />
im Abstand von vier Stunden empfohlen<br />
werden.<br />
Das erscheint mir nicht mehr zeitgemäß,<br />
da es mittlerweise von jedem starken oralen<br />
retardierten Opioid auch sehr kleine Wirkstärken<br />
gibt (2 mg Hydromorphon, 5 mg<br />
Oxycodon, 10 mg Morphin), die bei zweimal<br />
täglicher Gabe eine zügige Auftitrierung<br />
von einem Tag auf den anderen erlauben.<br />
Für die Einstellung auf transdermale Systeme<br />
kann das von Keßler und Barden heuer<br />
im Anästhesist (Ausgabe 7/2011) beschriebene<br />
Vorgehen angewendet werden.<br />
<strong>Schmerz</strong>offensive Deutschland<br />
xisLeitlinien durch die verantwortlichen Arbeitsgruppen<br />
– ab Anfang Februar 2013 die<br />
abschließende Konsentierung durch die Leiter<br />
der regionalen DGS <strong>Schmerz</strong> und Palliativzentren<br />
und die DSLSelbsthilfegruppenleiter,<br />
womit gewährleistet wird, dass diese beiden<br />
PraxisLeitlinien auf dem <strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>tag<br />
Anfang März 2013 in Frankfurt am Main in<br />
finalisierter Form der Öffentlichkeit vorgestellt<br />
werden können.<br />
Leitlinien endlich wieder<br />
einen praktischen Sinn geben<br />
Mit ihren kritischen Überlegungen zum Umgang<br />
mit bestehenden Leitlinien in<br />
<strong>Schmerz</strong>therapie und Palliativmedizin haben<br />
DGS und DSL 2011 einen ersten Schritt,<br />
mit der nun gestarteten OnlinePlattform<br />
und den ersten beiden PraxisLeitlinien zu<br />
Tumorschmerzen bzw. tumorbedingten<br />
Durchbruchschmerzen <strong>2012</strong> konsequent<br />
weitere wichtige Schritte in die richtige<br />
Richtung getan. Nun liegt es an den interessierten<br />
Fachkreisen und den betroffenen<br />
Personen, diese Entwicklung weiter voran<br />
zu bringen und Flagge zu zeigen – für eine<br />
patientenorientierte humane <strong>Schmerz</strong>medizin<br />
und PraxisLeitlinien, die im Alltag Behandlungsspielräume<br />
und perspektiven<br />
öffnen, um Betroffenen das wieder zurück<br />
zu geben, was sie im Kampf mit ihren chronischen<br />
<strong>Schmerz</strong>en häufig verloren haben:<br />
Lebensfreude und Lebensqualität. ■<br />
Michael Überall, Nürnberg<br />
Neben der Belastung der Patienten durch<br />
häufige Injektionen oder Tablettengaben ist<br />
das im Artikel beschriebene Vorgehen auch<br />
im Hinblick auf die knappen Personalresourcen<br />
in Klinik, Hospiz und der stationären<br />
bzw. ambulanten Pflege nicht mehr zu vertreten.<br />
■<br />
Ingrid Spohr, Hofheim<br />
5<br />
© mattilda – Fotolia.com
<strong>Deutsche</strong>r <strong>Schmerz</strong>kongress <strong>2012</strong><br />
Aktionsbündnis <strong>Schmerz</strong>freie Stadt Münster –<br />
eine Stadt verbannt den <strong>Schmerz</strong><br />
Seit 2010 wird in der Stadt Münster im Rahmen dieses bundesweit einmaligen<br />
Modellprojekts unter der Schirmherrschaft von Daniel Bahr sektorenübergreifend<br />
das <strong>Schmerz</strong>management analysiert und in einem zweiten Schritt gemäß den<br />
medizinischen Leitlinien und pflegerischen Standards optimiert. Die Gesamtdaten<br />
ermöglichen erstmalig einen umfassenden Einblick in die schmerztherapeutische<br />
Versorgungssituation einer deutschen Kommune, die von den Experten beim<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>kongress <strong>2012</strong> in Mannheim präsentiert wurden*.<br />
S eit<br />
2010 wird das <strong>Schmerz</strong>management<br />
in den verschiedenen Versorgungseinrichtungen<br />
(sechs Krankenhäuser, 14 stationäre<br />
Altenheime, 15 ambulante Pflegedienste,<br />
77 Hausärzte, zwei <strong>Schmerz</strong>praxen und alle<br />
Hospize) untersucht.<br />
Warum das Ganze?<br />
Nach wie vor fehlen valide Daten zur <strong>Schmerz</strong>prävalenz<br />
insbesondere im Bereich der stationären<br />
Altenpflegeinrichtungen. Aufgrund der<br />
steigenden Lebenserwartung ist zudem zu<br />
befürchten, dass die Inzidenz chronischer<br />
<strong>Schmerz</strong>en weiter zunehmen wird. Chronischer<br />
<strong>Schmerz</strong> verursacht bereits jetzt Kosten<br />
von bis zu 38 Milliarden Euro pro Jahr in<br />
Deutschland. Dies waren Gründe für das<br />
Projekt Aktionsbündnis <strong>Schmerz</strong>freie Stadt<br />
Münster, erläuterte der Projektleiter Prof. Dr.<br />
Dr. h.c. Jürgen Osterbrink.<br />
Die Inhalte der Untersuchung widmeten<br />
sich den fünf Ebenen des <strong>Schmerz</strong>managements:<br />
dem <strong>Schmerz</strong>assessment, der Dokumentation,<br />
der medikamentösen und der<br />
nicht medikamentösen <strong>Therapie</strong> sowie der<br />
Beratung und Schulung. Die aktuellen Daten<br />
aus den Forschungssträngen „Stationäre<br />
Alten hilfe“ und „Hausärzte“ präsentierte der<br />
Projektleiter auf dem <strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>kongress.<br />
Stationäre Altenpflege:<br />
Ist-Zustand mangelhaft<br />
Bei der IstAnalyse wurden von gemeldeten<br />
1067 Heimbewohnern 937 eingeschlossen<br />
und 436, also 47 %, ausgewertet. Bei 225 Be<br />
*Nach Vorträgen beim Symposium „Sektorenübergreifende<br />
Versorgungsforschung – eine Stadt verbannt<br />
den <strong>Schmerz</strong>“ am 18.10.<strong>2012</strong> im Rahmen des<br />
<strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>kongresses <strong>2012</strong> in Darmstadt;<br />
Veranstalter Mundipharma GmbH, Aachen,<br />
Hauptförderer des Aktionsbündnisses<br />
wohnern konnte die Befragung mittels<br />
Selbsteinschätzung, bei 61 mittels Selbst<br />
und Fremdeinschätzung und bei 150 nur mit<br />
Fremdeinschätzung mit Hilfe des BESD und<br />
CMAID Tests (CohenMansfield Skala) bestimmt<br />
werden. Von 349 Pflegenden wurden<br />
151 befragt. Bei der Erstevaluation zeigte<br />
sich, dass fast jeder zweite Altenheimbewohner<br />
bei Belastung <strong>Schmerz</strong>en bekam (46,3–<br />
62,6 %). Die Altenpfleger waren trotz dieser<br />
hohen Prävalenz kaum handlungsfähig,<br />
um die <strong>Schmerz</strong>en akut zu lindern: Nur 42 %<br />
hatten für das <strong>Schmerz</strong>management Verfahrensanweisun<br />
gen. Dem liegt zugrunde,<br />
dass Pflegende als handlungsfähig bezeichnet<br />
werden können, wenn Anweisungen<br />
von ärztlicher Seite überwiegend oder ausschließlich<br />
schriftlich bestehen, Medikamente<br />
innerhalb einer halben Stunde verabreicht<br />
werden können und diese in den Altersheimen<br />
vorrätig sind. Für 58 % der Pfle<br />
genden trafen diese Voraussetzungen nicht<br />
zu, kritisierte Osterbrink.<br />
Im Rahmen der Interventionsphase wurden<br />
ergebnisbasierte Schulungen für die Pflegenden<br />
durchgeführt und Qualitätszirkel in<br />
den jeweiligen Einrichtungen gegründet, um<br />
das <strong>Schmerz</strong>management zu verbessern. Ein<br />
Schwerpunkt war das Medikamentenmanagement,<br />
bei dem z.B. dafür gesorgt werden soll,<br />
dass Bedarfsmedikamente immer verfügbar<br />
sind. Die Interventionsphase wurde im Sommer<br />
<strong>2012</strong> abgeschlossen. Die Reevaluation<br />
läuft bis Frühsommer 2013.<br />
Hausarztbefragung<br />
Von den Befragungen der 193 niedergelassenen<br />
Hausärzte in Münster konnten 39,9 %<br />
ausgewertet werden. 64,6 % nutzten eine<br />
<strong>Schmerz</strong>skala zur Selbsteinschätzung (VAS<br />
oder NRS), aber nur 8 % Skalen für die Fremdeinschätzung.<br />
Behandelt wurde von den<br />
Haus ärzten das komplette <strong>Schmerz</strong>spektrum<br />
(somatoforme <strong>Schmerz</strong>en, rheumatische<br />
<strong>Schmerz</strong>en, Tumorschmerzen, Neuropathien,<br />
viszerale <strong>Schmerz</strong>en, Rheuma, Rückenschmerzen<br />
und somatische Beschwerden).<br />
An <strong>Schmerz</strong>mitteln wurden bevorzugt<br />
Substanzen der WHOStufe 1 (Ibuprofen, Metamizol,<br />
Paracetamol), trizyklische Antidepressiva<br />
und seltener Opioide sowie Antikonvulsiva<br />
eingesetzt. Auch hier wiesen die Befra<br />
Prof. Dr. Osterbrink und Prof. Dr. Augustin, (v.l.) freuen sich über die positive ökonomische<br />
Bilanz der münsterischen <strong>Schmerz</strong>versorgung.<br />
6 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)
gungsergebnisse auf einen Optimierungsbedarf<br />
hin. Eine besondere Schwachstelle im<br />
<strong>Schmerz</strong>management ist die interdisziplinäre<br />
Kommunikation vor allem mit anderen Berufsgruppen<br />
wie Physiotherapeuten, Psychotherapeuten,<br />
ambulanten Pflegekräften sowie pflegenden<br />
Angehörigen und Ärzten und Pflegenden<br />
aus Kliniken.<br />
Hausärzte nehmen eine zentrale Schlüsselfunktion<br />
ein, weshalb speziell themenzentrierte<br />
Fortbildungen für die hausärztliche<br />
Praxis entwickelt wurden. Darin sollen die praxisrelevanten<br />
schmerztherapeutischen Leitlinien<br />
und das multiprofessionelle <strong>Schmerz</strong>management<br />
vermittelt werden. Die Vernetzung<br />
der beteiligten Berufsgruppen Ärzte,<br />
Pflegende und Apotheker mit unter Einbindung<br />
von Pain Nurses ist ein zentrales Anliegen<br />
des Aktionsbündnisses. Erleichtert wird<br />
dies z. B. mit Hilfe von mobilen Anwendungsprogrammen<br />
wie einer painApp, die entwickelt<br />
werden soll und damit künftig ein mobiles<br />
<strong>Schmerz</strong>monitoring ermöglichen könnte.<br />
Postoperatives<br />
<strong>Schmerz</strong>management<br />
Über die Daten der postoperativen <strong>Schmerz</strong>therapie<br />
im Forschungsstrang Krankenhaus<br />
informierte Prof. Esther PogatzkiZahn,<br />
Müns ter. Gute <strong>Schmerz</strong>therapie ist eines der<br />
bedeutendsten Kriterien bei der Krankenhausauswahl.<br />
Dabei ist nicht nur der akute<br />
post operative <strong>Schmerz</strong> ein Problem, sondern<br />
auch der hohe Anteil an chronischen<br />
<strong>Schmerz</strong>en. Insgesamt wurden bei der Erst<br />
und der Zweit evaluation 1643 Patienten,<br />
577 Pflegende und 385 ärztliche Mitarbeiter<br />
aus sechs Krankenhäusern befragt. Bei der<br />
IstAnalyse wurden 708 Patienten im Alter<br />
zwischen 18 bis 90 Jahren mit einem Netbook<br />
am ersten postoperativen Tag nach<br />
einem elektiven Eingriff, sowie 278 Pflegende,<br />
102 Stationsärzte und 73 Anästhesisten<br />
befragt. Auf Basis der gewonnenen<br />
Ergebnisse wurden dann Maßnahmen zur<br />
Qualitätssicherung und zur Optimierung<br />
des <strong>Schmerz</strong>managements durchgeführt.<br />
Nach einem Jahr wurde eine ReEvaluation<br />
durchgeführt, um mögliche Veränderungen<br />
des <strong>Schmerz</strong>managements aufzuzeigen.<br />
Diesmal wurden 935 Patienten, 78 Anästhesisten,<br />
132 Stationsärzte und 299 Pflegende<br />
befragt.<br />
Bereits bei der Erstbefragung befand sich<br />
die postoperative <strong>Schmerz</strong>therapie auf einem<br />
sehr guten Level und wurde von allen Beteiligten<br />
(Mitarbeitern und Patienten) mit gut bis<br />
sehr gut eingestuft. Das Spektrum der Eingriffe<br />
war mannigfaltig und repräsentativ. Durch gezielte<br />
Interventionen konnten die Kranken<br />
SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />
<strong>Deutsche</strong>r <strong>Schmerz</strong>kongress <strong>2012</strong><br />
Abb. 2: Die postoperative <strong>Schmerz</strong>therapie – von Anfang an starke Opioide.<br />
Gabe von Oxygesic akut® 5 mg p.o.<br />
(maximal alle 4 h)<br />
Weiterhin <strong>Schmerz</strong> NRS ≥4* und<br />
>4 × 5 mg Oxygesic akut® /Tag<br />
Targin®-Dosis um 10 mg pro Gabe<br />
erhöhen max. 80 mg Targin®/Tag<br />
(2 × 40 mg)**<br />
häuser, bei denen Defizite bestanden, bei der<br />
ReEvaluation aufholen.<br />
Beim <strong>Schmerz</strong>assessment zeigten sich vor<br />
allem Defizite bei Patien ten mit unzureichenden<br />
Deutschkenntnissen und verwirrten<br />
dementen oder wachkomatösen Patienten.<br />
Erfreulich war laut PogatzkiZahn, dass trotz<br />
der ohnehin guten Ausgangssituation die<br />
postoperativen <strong>Schmerz</strong>intensitäten durch die<br />
Schulungen noch weiter gesenkt werden<br />
konnten. Der Ruheschmerz sank von 2,23 auf<br />
1,98, der Belastungsschmerz von 3,81 auf 3, 65<br />
und der Mittelwert des Maximalschmerzes<br />
von 4,7 auf 4,46.<br />
Diese Verbesserung entstand laut der Münsteraner<br />
Expertin vor allem durch einen Shift<br />
von den schwachen Analgetika der Stufe I zu<br />
den Opioiden der Stufe III sowohl bei der Basismedikation<br />
als auch bei der Bedarfsmedikation<br />
(Abb. 2). Bedeutsam für die Verbesserung<br />
war auch, dass die Ärzte darin geschult wurden,<br />
den <strong>Schmerz</strong> zu erfassen und die Grenzwerte<br />
für die Intervention zu kennen. Ein weiterer<br />
wichtiger Faktor war die Bildung von<br />
berufsgruppenübergreifenden Arbeitsgruppen.<br />
Aufgrund der guten postoperativen<br />
<strong>Schmerz</strong>therapie sind die sechs Kliniken aus<br />
Münster nach Einschätzung von Pogatzki<br />
Zahn möglicherweise als schmerzfreie Krankenhäuser<br />
zertifizierbar.<br />
Intervention rechnet sich<br />
Ebenso positiv ist auch die ökonomische Bilanz<br />
an den münsterischen Krankenhäusern,<br />
die Professor Dr. Matthias Augustin, Vorstand<br />
des Hamburg Center for Health Economics<br />
(HCHE) vorstellte. Durchschnittlich kostet ein<br />
Patient mit chronischen <strong>Schmerz</strong>en die GKV<br />
Targin®-Schema<br />
Basisanalgesie/Tag:<br />
Targin® 10/5 mg oder 20/10 mg um 8:00 h und 20:00 h<br />
+ ggf. Nicht-Opiod-Analgetikum<br />
Mäßiger/starker <strong>Schmerz</strong> NRS ≥4*<br />
Ja Nein<br />
Ja<br />
Nein<br />
Targin® weiter<br />
bis mindestens 2. postoperativen Tag<br />
Targin® absetzen (ggf. reduzieren)<br />
ab 3. postoperativen Tag<br />
Akutschmerzdienst anfunken, falls<br />
Targin®-Bedarf >80 mg/Tag oder 1h nach<br />
Oxygesic akut® 5 mg weiterhin NRS >4<br />
Wichtig: Nach jeder Opioidgabe müssen Wirkung und Nebenwirkungen erhoben und dokumentiert werden.<br />
* Die Ursache bestehender oder ansteigender postoperativer <strong>Schmerz</strong>en sollte durch den behandelnden chirurgischen Kollegen untersucht werden.<br />
DD: Wundschmerz , enge Verbände, Infektionen, Blutungen/Hämatom, schlechte Lagerung, Kompartment, volle Blase, Ileus etc.<br />
** Erfolg oder Misserfolg der veränderten Basisanalgesie müssen überprüft werden.<br />
nach aktuellen Daten der Barmer GEK 8107<br />
Euro im Jahr. Neben den direkten und indirekten<br />
Kosten (Arbeitsunfähigkeit und Rente)<br />
sind dabei zusätzlich aber auch die deutlichen<br />
Einbußen an Lebensqualität, die sog.<br />
intangiblen Kosten zu berücksichtigen. Dies<br />
veranschaulicht laut dem Hamburger Gesundheitsökonomen<br />
die große Bedeutung<br />
einer sachgerechten <strong>Schmerz</strong>therapie und<br />
<strong>Schmerz</strong> prävention, die ein erhebliches Nutzenpotenzial<br />
besitzt.<br />
Legt man die einmalig angefallenen Interventionskosten<br />
auf die Anzahl an zusätzlich<br />
schmerzkontrollierten Patienten in einem Jahr<br />
um, dann konnte in Münster mit einem Aufwand<br />
von 77 Euro ein Patient mehr schmerzkontrolliert<br />
werden. Dies war definiert mit<br />
einem Ruheschmerz unter 3 und einem Belastungsschmerz<br />
unter 5.<br />
Bei der postoperativen <strong>Schmerz</strong>therapie in<br />
Münster entstanden am ersten postoperativen<br />
Tag Verordnungskosten von 5,46 Euro,<br />
die sich aus 1,78 Euro als Basismedikation und<br />
aus 3,68 Euro für die Bedarfsmedikation zusammensetzten.<br />
Nach der Intervention sanken<br />
die Arzneimittelkosten auf 3,40 Euro im<br />
Mittel, da die Basismedikation mit 2,84 Euro<br />
besser griff und mit 0,57 Euro deutlich weniger<br />
Bedarfsmedikation benötigt wurde. Die<br />
<strong>Schmerz</strong>versorgung am ersten Tag nach der<br />
Operation konnte somit ohne Mehrkosten an<br />
Arzneimitteln verbessert werden. Insgesamt,<br />
so das Fazit Augustins, steht der Mehrnut <br />
zen mit der besseren <strong>Schmerz</strong>kontrolle<br />
akzeptablen Mehrkosten gegenüber. Weitere<br />
Informationen zum Projekt sind unter<br />
www.schmerzfreiestadt.de abrufbar. ■<br />
Stk<br />
7
Südwestdeutsche <strong>Schmerz</strong>tage<br />
Verhindern Heiler Heilung?<br />
Trotz aller Fortschritte in der Medizin, Physiotherapie und Psychotherapie chronifizieren<br />
immer mehr <strong>Schmerz</strong>en. Die Patienten kommen immer wieder in die<br />
Praxen. Warum lassen wir unsere Patienten nicht gesund werden? Antworten auf<br />
diese Frage gibt Dipl.-Psych. Gideon Franck, Fulda.<br />
W ir<br />
Gideon Franck,<br />
Fulda<br />
können immer spezifischer, immer<br />
mehr behandeln mit immer neueren<br />
Techniken und Medikamenten. Gleichzeitig<br />
steigt die Zahl der an <strong>Schmerz</strong>en leidenden<br />
Menschen und schlimmer noch, wir scheinen<br />
der Chronifizierung wenig entgegensetzen zu<br />
können.<br />
In welche Richtung arbeiten wir mit<br />
unseren Patienten?<br />
<strong>Schmerz</strong> wird von vielen Patienten als unerträglich<br />
erlebt und gefährlich angesehen. Dies<br />
führt meist dazu, dass sie anfangen, alles zu<br />
vermeiden, was mit <strong>Schmerz</strong> zu tun hat oder<br />
<strong>Schmerz</strong> auslösen kann (McCracken & Samuel,<br />
2007). Gleichzeitig verstricken sie sich leicht in<br />
einen andauernden Kampf gegen <strong>Schmerz</strong>.<br />
Damit einher gehen häufig Angst vor <strong>Schmerz</strong><br />
und Depression, ausgelöst dadurch, dass die<br />
Kontrollbemühungen langfristig erfolglos<br />
sind.<br />
Unbestritten verfügen Patienten über Strategien,<br />
oder bekommen sie beispielsweise in<br />
der Psychotherapie beigebracht, um <strong>Schmerz</strong><br />
kurzfristig einigermaßen kontrollieren zu können.<br />
Letztlich erweisen sich diese Techniken<br />
jedoch meist als unfunktional und auf lange<br />
Sicht wenig nützlich (McCracken & Vowles,<br />
2007; Vowles & McCracken, 2010). Die Idee<br />
der Kontrolle aversiver Stimuli und das da-<br />
mit verbundene „Sich-Kümmern“ um den<br />
<strong>Schmerz</strong> ist jedoch nicht nur bei Patienten zu<br />
finden, sondern auch bei uns Behandlern.<br />
Der abhängige Patient?<br />
Das gemeinsame Vermeiden und Kontrollieren<br />
von <strong>Schmerz</strong> kann fatal werden, da sich<br />
der Patient auf seine Behandler verlässt, und<br />
diese seinen Glauben an die Schädlichkeit von<br />
<strong>Schmerz</strong> durch ihr Handeln unterstützen.<br />
Tatsächlich ist nicht unbedingt die Medikation<br />
das Ausschlaggebende, sondern der<br />
Kontext, in dem sie gegeben wird. Dient sie<br />
dem Kampf gegen den <strong>Schmerz</strong>, gesteuert<br />
durch den Experten, oder der expliziten Ermöglichung<br />
der Selbständigkeit des Patienten?<br />
Der Unterschied scheint marginal, doch<br />
verläuft er auf des Messers Schneide zwischen<br />
Abhängigkeit des Patienten von seinem<br />
Behandler und Patientenautonomie.<br />
Allzu oft verstricken sich hierbei Patient und<br />
Behandler in einen aussichtslos erscheinenden<br />
Kampf gegen den <strong>Schmerz</strong>, welcher so<br />
immer mehr Raum und Bedeutung im Leben<br />
des Patienten gewinnt. Wenn wir selber<br />
zum Teil des Systems werden, können wir uns<br />
schlecht über mangelnde Mitarbeit der<br />
Patien ten beschweren.<br />
Die Aussage „Niemand braucht <strong>Schmerz</strong>en<br />
zu haben!“ hat sich in den Köpfen der Patienten<br />
fest verankert, wird auch heute noch gelegentlich<br />
wiederholt und durch gesellschaftliche<br />
Prozesse (z.B. Werbung für <strong>Schmerz</strong>mittel)<br />
gestützt. Die Frage, die sich hier stellt, ist:<br />
Versuchen wir nicht etwas zu kontrollieren,<br />
was sich kaum oder nur sehr schwer kontrollieren<br />
lässt? Und veranlassen wir unsere Patien<br />
ten nicht, sich immer mehr in den Kampf<br />
gegen ihre <strong>Schmerz</strong>en zu verheddern, indem<br />
wir sie im wahrsten Sinne des Wortes darin<br />
begleiten und im Glauben stärken, dass der<br />
Kampf zu gewinnen sei? Alles in der Behandlung<br />
dreht sich um <strong>Schmerz</strong>, aber wie viel um<br />
das restliche Leben des Patienten?<br />
Das Konzept der psychologischen<br />
Flexibilität<br />
Interessanterweise finden sich in den erfolgreichen<br />
neueren psychotherapeutischen Ansätzen<br />
wenige bis keine Interventionen in Bezug<br />
auf <strong>Schmerz</strong>reduktion (Thieme & Turk,<br />
<strong>2012</strong>; Wicksell, Olsson & Hayes, 2010; Wicksell,<br />
Olsson & Hayes, 2011). Da der operante Ansatz<br />
dieses Jahr in der <strong>Schmerz</strong>medizin schon kurz<br />
vorgestellt wurde, soll hier nun auf das Kon-<br />
zept der psychologischen Flexibilität eingegangen<br />
werden (für eine ausführliche Darstellung<br />
siehe auch: Hayes, Strohsal & Wilson,<br />
2011). Die Kernidee in Bezug auf <strong>Schmerz</strong> ist,<br />
dass eine dahinter liegende Grunderkrankung<br />
natürlich gefährlich sein kann, der <strong>Schmerz</strong><br />
per se aber nicht.<br />
Im Kontakt mit <strong>Schmerz</strong> verfallen wir in rigide<br />
Verhaltensmuster, die soziale Isolation,<br />
ständiges Grübeln, Aufgeben von wertgeschätzten<br />
Aktivitäten usw. auslösen. Ziel des<br />
Modells der psychologischen Flexibilität ist es,<br />
ein flexibleres Verhältnis zur Symptomatik zu<br />
erlangen, um sein Leben in eine aktive, wertgeschätzte<br />
Richtung lenken zu können. Empirisch<br />
scheint es gut getestet und für die Behandlung<br />
von <strong>Schmerz</strong>patienten geeignet<br />
(Evidenz nach der APA 2011 „Very Strong“)<br />
(McCracken & Eccleston, 2003; McCracken &<br />
Vowles, 2007; Vowles & McCracken, 2010).<br />
Trotz eines fehlenden Fokus auf <strong>Schmerz</strong>reduktion<br />
findet diese dennoch statt. Und dies<br />
in einem vergleichbaren Maß wie in anderen<br />
<strong>Therapie</strong>formen, die auf <strong>Schmerz</strong>reduktion<br />
fokussieren. Die sechs zentralen Komponenten<br />
des Modells sind:<br />
1. Akzeptanz – ein aktiver, offener und mitfühlender<br />
Umgang mit sich und dem eigenen<br />
Erleben.<br />
2. Defusion – eine Loslösung von wenig hilfreichen<br />
Kognitionen, ohne diese ändern<br />
zu müssen.<br />
Abb. 1: <strong>Schmerz</strong>behandlung benötigt Zeit<br />
und Hinwendung.<br />
8 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />
© Alexander Raths / Fotolia.com
3. Präsent sein – Kontakt zum gegenwärtigen<br />
Moment, oft auch als Achtsamkeit<br />
bezeichnet.<br />
4. Selbst als Kontext – die Perspektive von<br />
sich als Beobachter des eigenen Erlebens<br />
im Gegensatz zur Verstrickung mit Identitätszuschreibungen<br />
wie „Ich bin <strong>Schmerz</strong>patient“<br />
oder der eigenen Geschichte,<br />
wenn dies hinderlich ist und zu mehr Rigidität<br />
führt.<br />
5. Werte – Herausfinden, was für den Patienten<br />
im Leben wichtig ist und wonach er<br />
sein Leben ausrichten möchte, wenn er<br />
könnte.<br />
6. Engagiertes Handeln – bezeichnet das<br />
konkrete Verhalten, welches in Richtung<br />
der Werte geht.<br />
Während die ersten vier Punkte hauptsächlich<br />
dazu dienen, das Verhältnis zum <strong>Schmerz</strong> zu<br />
verändern, stellen Werte und engagiertes<br />
Handeln die zentralen Aspekte der <strong>Therapie</strong><br />
dar. Letztlich geht es darum, ein wertgeschätztes<br />
Leben zu leben und somit die Autonomie<br />
der Patienten maximal zu fördern (ähnlich<br />
der operanten <strong>Therapie</strong>).<br />
Die <strong>Therapie</strong>maßnahmen sollten sich also<br />
an einem gewünschten und wertgeschätzten<br />
Leben orientieren. Der Behandler sollte sie als<br />
Mittel zur Förderung von Selbständigkeit einsetzen<br />
und dies dem Patienten auch so vermitteln.<br />
Es geht hier um eine zielorientierte Behandlung,<br />
die sich auf das Leben des Patienten<br />
bezieht und nicht auf die völlige Eliminierung<br />
störender Einflüsse. Ohne sich an diesem Modell<br />
zu orientieren, wird dies bereits seit Jahren<br />
auch von anderen Forschern wie Prof. Walter<br />
Ziegelgänsberger propagiert.<br />
Chronifizierungsfaktoren im Patienten<br />
Behandler konzentrieren sich zu stark auf den<br />
Patienten. Wenn in PubMed nach Chronifizierungsfaktoren<br />
gesucht wird, folgt eine lange<br />
Liste mit 178 Einträgen. Sie reichen von<br />
Depres sion über Bewegungsmangel bis zu<br />
vererbbaren Merkmalen. Hierüber haben wir<br />
uns offensichtlich schon viele Gedanken gemacht<br />
– und dies berechtigt. Einige Faktoren,<br />
welche die Behandlung von <strong>Schmerz</strong> so<br />
schwierig machen, sind beispielsweise Angst<br />
und Depres sion (Esteve, Ramirez-Maestre &<br />
Lopez-Martinez, <strong>2012</strong>), sowie das damit einhergehende<br />
Vermeidungsverhalten.<br />
Gerade aufgrund dieser Komplexität wird<br />
immer wieder auf die multimodale Behandlung<br />
von <strong>Schmerz</strong> verwiesen. Sehen wir uns in<br />
der Behandlungslandschaft um, so ist sie jedoch<br />
noch eher die Ausnahme als die Regel.<br />
Das Problem, welches sich hier stellt, ist, dass<br />
ein Behandler alleine oft nicht in der Lage ist,<br />
alle Problembereiche zeitlich, zufriedenstel-<br />
SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />
lend und fachlich kompetent mit dem Patienten<br />
anzugehen. Eine parallele Behandlung im<br />
Team stellt in den meisten Fällen die beste<br />
Möglichkeit dar, <strong>Schmerz</strong> effektiver zu begegnen.<br />
Warum dies noch recht selten geschieht,<br />
hat viele Gründe. Zum einen stehen Behandler<br />
der jeweils anderen Profession oft nicht zur<br />
Disposition, was wohl vor allem für uns Psychotherapeuten<br />
gilt. Weiterhin ist die Gewöhnung<br />
daran, im niedergelassenen Bereich der<br />
einzige Behandler zu sein, ein wesentlicher<br />
Faktor. Letztlich spielt aber auch der Mythos,<br />
<strong>Schmerz</strong>patienten seien schwierig zu behandeln,<br />
eine Rolle. Das mag stimmen im „alleinigen<br />
Kampf“. Doch sich hier die Zeit für Kooperation<br />
mit den anderen Disziplinen zu nehmen,<br />
lohnt sich.<br />
Gibt es sonst noch Fallen?<br />
Schon vor elf Jahren wurden typische Fehler<br />
in der Behandlung von <strong>Schmerz</strong>patienten<br />
publiziert (für eine Übersicht: Ritzert, 2001).<br />
Sieht man sich die Inhalte heutiger Workshops<br />
und Vorträge an, scheint sich nicht viel geändert<br />
zu haben. Noch immer wird lange Zeit<br />
untermedikamentiert oder, ganz das Gegenteil,<br />
übermedikamentiert. Auch wird oft zu<br />
Schonung geraten, wo es nicht angebracht ist<br />
und wenig auf das verwiesen, was der Patient<br />
selbst tun kann. Eine Kontrolle der <strong>Therapie</strong><br />
über <strong>Schmerz</strong>tagebücher erfolgt kaum, wird<br />
nicht zeitnah ausgewertet oder mit dem Patienten<br />
besprochen, so dass diese nicht als<br />
wertvolles Mittel zur Steuerung von <strong>Therapie</strong><br />
beitragen können. Des weiteren werden soziale<br />
und psychologische Aspekte meist vernachlässigt<br />
oder deren Anwendung in der<br />
<strong>Therapie</strong> nicht konsequent verfolgt.<br />
Einen weiteren schwierigen Bereich stellt<br />
die Diagnostik dar. Zum einen wird häufig sehr<br />
spezifisch diagnostiziert bei unspezifischen<br />
Beschwerden (typischerweise bei Rückenschmerzen)<br />
und zum anderen werden – meist<br />
manuelle – Untersuchungsmethoden ausgelassen,<br />
so dass ein inadäquates Bild entsteht.<br />
Letztlich spielt sicherlich auch die Nichtbeachtung<br />
von Leitlinien eine Rolle.<br />
Die meisten dieser Punkte verlangen einen<br />
gewissen Aufwand und somit Zeit, um sich darum<br />
kümmern zu können. Diese wird in unserem<br />
Gesundheitssystem leider nicht oder<br />
nur unzureichend honoriert. Die meisten Behandler<br />
sind zu einem raschen Arbeiten gezwungen,<br />
bei dem Behandlungsfehler<br />
zwangsläufig auftauchen. Letztlich ist dies ein<br />
Dilemma, aus dem wir nur mit der Bereitschaft,<br />
uns die Zeit zu nehmen, entkommen<br />
können. Vielleicht könnte dies aber auch zu<br />
mehr Zufriedenheit bei uns Behandlern füh-<br />
Südwestdeutsche <strong>Schmerz</strong>tage<br />
Abb. 2: Rückenschmerzen – oft überdiagnostiziert.<br />
ren, auch mit dem Wissen, die Patienten so<br />
ver sorgen zu können, wie es sich die meisten<br />
von uns wünschen.<br />
Fazit<br />
Es gibt zahlreiche Faktoren, die dazu beitragen,<br />
dass auch unsere Behandlung zur Chronifizierung<br />
von <strong>Schmerz</strong>en führt. Diese sind<br />
selbstverständlich nicht beabsichtigt, lösen<br />
jedoch oft auf Patienten- und Behandlerseite<br />
Frustration aus. Es ist möglich, dem effektiv zu<br />
begegnen, indem wir vor allem auf drei Fak-<br />
toren achten:<br />
● ● interdisziplinäre Zusammenarbeit, welche<br />
parallel, nicht sequenziell, erfolgt,<br />
● ● sich Zeit nehmen und<br />
● ● eine werteorientierte <strong>Therapie</strong>.<br />
Allein durch diese drei Faktoren lassen sich<br />
zahlreiche Behandlungsfehler ausschließen<br />
und vor allem eher zufrieden stellende Ergebnisse<br />
für Patient und Therapeut erzielen. Im<br />
Grunde ist es zwingend notwendig, diese<br />
Punkte in der Behandlung von chronischen<br />
<strong>Schmerz</strong>patienten zu beachten, wenn wir als<br />
Behandler nicht Teil der Chronifizierung werden<br />
wollen. Dennoch haben wir noch einen<br />
langen Weg zu einer wirklich effektiven und<br />
guten <strong>Schmerz</strong>therapie zu gehen – in allen<br />
Disziplinen. ■<br />
Literatur beim Verfasser<br />
Gideon Franck, Fulda<br />
9<br />
© K. Dobler / Fotolia.com
Abrechnung<br />
Die Honorare 2013 steigen – auch für<br />
<strong>Schmerz</strong>therapeuten?<br />
Nach einem in dieser Form noch nie dagewesenen Protest gegen eine geplante<br />
weitere neuerliche faktische Nullrunde (nur 0,9 % nach Jahren ohne Erhöhung)<br />
bei den Honorarverhandlungen auf Bundesebene kam es nun zur „Einigung“ der<br />
Verhandlungspartner KBV und Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen.<br />
Danach kann das Gesamthonorar für die niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten<br />
2013 um einen Korridorbetrag zwischen 1,15 und 1,27 Milliarden Euro<br />
steigen, informiert SanRat Dr. med. Oliver M. D. Emrich, Vizepräsident der DGS<br />
und Leiter des DGS-<strong>Schmerz</strong>zentrum in Ludwigshafen am Rhein.<br />
Oliver Emrich,<br />
Ludwigshafen<br />
Im Zuge des Protestes der niedergelassenen<br />
Ärzte gegen die derzeitige Honorarentwicklung<br />
für die Behandlung gesetzlich<br />
Krankenversicherter, den die DGS nachhaltig<br />
unterstützt hat, stellt sich insbesondere<br />
die Frage nach der Entwicklung der ambulanten<br />
Kassen-<strong>schmerzmedizin</strong>ischen Versorgung<br />
unter den gegebenen (unzureichenden)<br />
Bedingungen. Nach über einem<br />
Monat nachhaltiger Proteste der niedergelassenen<br />
Ärzteschaft unter einem so noch<br />
nie dagewesenen Konsens freier Ärzteverbände,<br />
der KBV und den Regional-KVen kam<br />
am 9.10.<strong>2012</strong> in Berlin doch noch eine Einigung<br />
zustande: „Das Paket umfasst sowohl<br />
Preis als auch Menge: Orientierungswert<br />
(270–290 Millionen Euro), Herausnahme der<br />
Psychotherapie (130 Millionen), Stärkung<br />
der hausärztlichen und fachärztlichen<br />
Grundversorgung (250 Millionen), extrabudgetäre<br />
Leistungen (150 Millionen) sowie<br />
auf Landesebene Mengenentwicklung und<br />
Zuschläge zum Orientierungswert für förderungswürdige<br />
Leistungen (330–450 Millionen)“.<br />
„Das ist ein guter Kompromiss für die<br />
Patienten. Hervorheben möchte ich die Herausnahme<br />
der Psychotherapie aus der<br />
mengenbegrenzten Gesamtvergütung“, betonte<br />
Dr. Andreas Köhler, KBV-Vorstandsvorsitzender.<br />
Zur Begründung des noch im September<br />
sehr mageren Angebots der Kassen von<br />
0,9 % (Einigungsmarge jetzt ca. 3–4 %) hatte<br />
der GKV-Spitzenverband ein sog. „Gutachten“<br />
des Instituts „Prognos“ vorgelegt, nach<br />
dem Ärzte deutlich weniger arbeiten würden,<br />
als sie behaupten, was bei zudem sinkenden<br />
Fallzahlen bedeuten würde, dass die<br />
Ärzte nicht mehr, sondern sogar weniger<br />
Geld bräuchten, um ihre Leistungen honoriert<br />
zu bekommen. Der Spitzenverband<br />
hatte deshalb sogar eine Absenkung des<br />
Honorars um 7 % gefordert.<br />
Die KBV hatte hart und unmissverständlich<br />
reagiert. Köhler: „Eine Erhöhung des<br />
Orientierungswertes um niedrige 0,9 % ist<br />
mit uns nicht zu machen. Seit 2008 haben<br />
die niedergelassenen Ärzte keinen Inflationsausgleich<br />
und keinen Ausgleich für<br />
gestiegene Praxiskosten erhalten. Deshalb<br />
haben wir eine Steigerung um 11 % gefordert.<br />
Dies auch vor dem Hintergrund, dass<br />
der betriebswirtschaftlich kalkulierte Punkt-<br />
Abb. 1: Es wird mehr Geld verteilt. Doch wer profitiert?<br />
wert im EBM bei 5,11 Cent liegt, wir aber<br />
bisher nur rund 3,5 Cent bekommen.“ Die<br />
Kassen sitzen gleichzeitig weiter auf einem<br />
Polster von über 22 Mrd. Euro, Tendenz steigend,<br />
und geben dieses Geld zur Versorgung<br />
ihrer Versicherten nicht weiter. Das<br />
aber wäre ihr gesetzlicher Auftrag, den sie<br />
damit missachten. Dabei sinkt die Morbidität<br />
nicht, sondern wächst. Das zeigen alle<br />
gesundheitspolitischen Indikatoren.<br />
Und die Konsequenzen?<br />
Die Bedingungen unter denen die ambulante<br />
<strong>Schmerz</strong>therapie derzeit stattfindet,<br />
ist alles andere als befriedigend: Praxen<br />
schließen wegen ökonomischer Unterdeckung,<br />
was zunehmend auch regionale<br />
DGS-<strong>Schmerz</strong>zentren betrifft. Die Inhaber<br />
gehen z.T. ins benachbarte Ausland. Viele<br />
ambulante <strong>Schmerz</strong>zentren finden keine<br />
Nachfolger mehr. Der Trend zur Niederlassung<br />
als „<strong>Schmerz</strong>therapeut“ (kein geschützter<br />
Begriff) ist rückläufig. Die Honorarsituation<br />
in den 17 KV-Regionen Deutschlands<br />
könnte unterschiedlicher kaum sein,<br />
obwohl es einen „einheitlichen Bewertungsmaßstab“<br />
(EBM) gibt, in dem seit 2005 ein<br />
Kapitel „<strong>Schmerz</strong>therapie“ mit allgemeinen<br />
und besonderen qualifikationsgebundenen<br />
Leistungen die ambulante <strong>Schmerz</strong>medizin<br />
abbilden möchte.<br />
Und genau darin liegt der „Kernpunkt“<br />
für künftige Aussichten. Mindestens mittelfristig<br />
wird sich am grundsätzlichen<br />
Konstrukt eines Kapitels <strong>Schmerz</strong>therapie<br />
10 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />
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im Leistungsverzeichnis für gesetzlich Krankenversicherte<br />
kaum etwas ändern. Die<br />
neue Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) und<br />
vor allem ein Kapitel „spezielle <strong>Schmerz</strong>therapie“<br />
darin, lassen weiter auf sich warten.<br />
Dagegen häufen sich Versuche, einige <strong>Therapie</strong>richtungen<br />
und -inhalte zu desavouieren,<br />
wie z.B. der (bislang misslungene) Versuch<br />
gezeigt hat, Infusionen mit Lokalanästhetika<br />
als definierte Leistung mit fadenscheinigen<br />
Argumenten zu streichen.<br />
Der EBM in der vorliegenden Form wird<br />
die <strong>schmerzmedizin</strong>ische Versorgung für<br />
Versicherte gesetzlicher Krankenkassen<br />
grundsätzlich sehr wahrscheinlich noch lange<br />
Zeit beschreiben. Gleichzeitig ist im Kanon<br />
der fachärztlichen Versorgung „<strong>Schmerz</strong>medizin“<br />
nur als Zusatzbezeichnung „spezielle<br />
<strong>Schmerz</strong>therapie“ repräsentiert, obwohl sie<br />
nun als „Q14-Querschnittsfach“ zum Ausbildungsinhalt<br />
der Approbationsordnung und<br />
Prüfungsfach aufgerückt ist.<br />
Obschon mit genügend Alleinstellungsmerkmalen<br />
versehen ist „<strong>Schmerz</strong>medizin“<br />
weiterhin nicht als eigenständiger Facharzt<br />
bezeichnet und selbst die <strong>schmerzmedizin</strong>ischen<br />
Fachgesellschaften sind sich wohl<br />
auch künftig leider nicht einig im nachhaltigen<br />
Einsatz für die Beantragung eines<br />
„Facharztes für <strong>Schmerz</strong>medizin“ bei der<br />
Bundesärztekammer. Beispielsweise hat die<br />
Mitgliederversammlung der „<strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Schmerz</strong>gesellschaft“ – vormals DGSS – einen<br />
entsprechenden Antrag am 17.10.<strong>2012</strong><br />
abgelehnt.<br />
Wegen der anhaltend unzureichen-<br />
den Honorierungssituation, der ungelösten<br />
Nach wuchsproblematik und der Minus-Akzeptanz<br />
im Facharztsektor, kann dies nur<br />
bedeuten, dass sich <strong>Schmerz</strong>mediziner auf<br />
allen Kanälen (KV, Krankenkassen, Gesundheitspolitik<br />
und Medienberichterstattung),<br />
vehement für die nachhaltige Verbesserung<br />
der Situation einsetzen müssen. Dazu gehören<br />
als mindestens mittelfristige Ziele ein<br />
Punktwert von 5,11 Cent im EBM, wie ursprünglich<br />
betriebswirtschaftlich kalkuliert,<br />
und unzweifelhaft auch die Forderung nach<br />
Etablierung eines „Facharztes für <strong>Schmerz</strong>medizin“.<br />
<strong>Schmerz</strong>medizin außerhalb<br />
der Regelversorgung?<br />
Ein vielleicht auch sehr kurzfristig realisierbarer<br />
Weg, die <strong>schmerzmedizin</strong>ische Ver-<br />
sorgung, Bewertung und Honorierung zu<br />
verbessern, ist sicherlich gesetzlich durch<br />
Struktur verträge nach §75 c SGBV, und<br />
durch die in tegrierte Versorgung nach § 140<br />
SGBV möglich. Hier braucht es keine große<br />
SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />
Phantasie, aber Verhandlungswillen, zusammen<br />
mit Krankenkassen Versorgungsverträge<br />
außerhalb der Regelversorgung aufzubauen.<br />
Beispiele gibt es genug und vielleicht<br />
beflügelt das angewachsene Finanzpolster<br />
der Kassen deren Experimientierfreudigkeit.<br />
Dabei sind Beispiele für ein<br />
besseres und strukturiertes pluriprofessionelles<br />
und multimodales Behandlungssetting<br />
bereits lange Realität. Ein Beispiel ist<br />
die erfolgreiche und medizinökonomisch<br />
validierte „IVR“ (Integrierte Versorgung Rückenschmerz)<br />
zwischen DGS und Techniker<br />
Krankenkasse (TK), in der in hoher <strong>Therapie</strong>dichte<br />
mit <strong>Schmerz</strong>medizin, Physiotherapie,<br />
Edukation und Psychotherapie Rückenschmerzpatienten,<br />
die wegen ihres Leiden<br />
über vier Wochen arbeitsunfähig bleiben,<br />
innerhalb maximal vier bis acht Wochen zu<br />
über 80 % wieder arbeitsfähig werden. Die<br />
TK hat dies als suffizientes Modell erkannt<br />
und etabliert und andere Kassen werden<br />
sicher folgen.<br />
Weitere Beispiele wären Netzfinanzierungen<br />
durch BKKs mit schneller Übernahme<br />
in eine spezialisierte Versorgung, armiert<br />
und finanziert durch Rabattverträge mit<br />
Pharmafirmen. Hier werden ganz neue Partnerschaften<br />
und „Win-win-Situationen“ geschaffen,<br />
die letztlich allen dienen: Der Zukunft<br />
der <strong>Schmerz</strong>medizin, der Verbesserung<br />
der Versorgung und der kurz- bis auch<br />
langfristigen Ökonomisierung der Ressourcen.<br />
Hier helfen Modelle, die die praktische<br />
patientennahe Versorgung in ambulanten<br />
Zentren mit hoher und höchster Qualität,<br />
abgestuft in Netzverbünden, definieren.<br />
Die ambulante praktische <strong>Schmerz</strong>medizin<br />
hat nach über 20 Jahren bis zu ihrer Aufnahme<br />
in Leistungsverzeichnisse einen<br />
schweren Kampf hinter sich. Und es ist noch<br />
nicht sicher, ob sich dieser Weg überhaupt<br />
lohnt. Da wir aber den Benefit der Übersetzung<br />
von Erkenntnissen und Erfahrungen der<br />
<strong>Schmerz</strong>medizin in die praktische Versorgung<br />
am Patienten, den Nutzen der Empathie<br />
qualifizierter Behandler und der praktischen<br />
Erprobung neuer Versorgungmodelle<br />
kennen, lohnt sich der Einsatz für weitere<br />
sichtbare Verbesserungen sicherlich allemal.<br />
In diesem Sinne unterstützt die <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />
für <strong>Schmerz</strong>therapie (DGS) ohne<br />
Abstriche den Einsatz für Verbesserungen des<br />
Honorars, aber auch für Verbesserungen der<br />
qualitätsbezogenen (Facharzt für <strong>Schmerz</strong>medizin)<br />
und besseren strukturellen Voraussetzungen.<br />
■<br />
Oliver Emrich, Ludwigshafen,<br />
für den Vorstand der DGS<br />
Impressum<br />
Impressum<br />
Organ der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>therapie und<br />
der Deutschten <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>medizin<br />
Herausgeber<br />
Gerhard H. H. Müller-Schwefe,<br />
Schillerplatz 8/1, D-73033<br />
Göppingen; Tel. 07161/976476, Fax 07161/976477<br />
E-Mail: gp@dgschmerztherapie.de<br />
Schriftleitung<br />
Oliver Emrich, Ludwigshafen; Johannes Horlemann, Kevelaer;<br />
Klaus Längler, Erkelenz; Silvia Maurer, Bad Bergzabern; Michael A.<br />
Überall, Nürnberg; Stephanie Kraus (verantw.), Stephanskirchen,<br />
Tel.: 08036/1031<br />
Beirat<br />
Christoph Baerwald, Leipzig; Wolfgang Bartel, Halberstadt; Heinz-<br />
Dieter Basler, Marburg; Günter Baust, Halle/ Saale; Klaus Borchert,<br />
Greifswald; Burkhard Bromm, Hamburg; Ingunde Fischer, Halle;<br />
Gideon Franck, Fulda; Gerd Geiss linger, Frankfurt; Hartmut Göbel,<br />
Kiel; Olaf Günther, Magdeburg; Winfried Hoerster, Gießen; Stein<br />
Husebø, Bergen; Uwe Junker, Remscheid; Uwe Kern, Wiesbaden;<br />
Edwin Klaus, Würzburg; Eberhard Klaschik, Bonn; Lothar<br />
Klimpel, Speyer; Bruno Kniesel, Hamburg; Marianne Koch,<br />
Tutzing; Bernd Koßmann, Wangen; Michael Küster, Bad Godesberg-Bonn;<br />
Klaus Längler, Erkelenz; Peter Lotz, Bad Lippspringe;<br />
Eberhard A. Lux, Lünen; Christoph Müller-Busch, Berlin; Joachim<br />
Nadstawek, Bonn; Thomas Nolte, Wiesbaden; Robert Reining,<br />
Passau; Robert F. Schmidt, Würzburg; Günter Schütze, Iserlohn;<br />
Harald Schweim, Bonn; Hanne Seemann, Heidelberg; Ralph<br />
Spintge, Lüdenscheid; Birgit Steinhauer, Limburg; Roland Wörz,<br />
Bad Schönborn; Walter Zieglgänsberger, München; Manfred<br />
Zimmermann, Heidelberg<br />
In Zusammenarbeit mit: <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für Algesiologie<br />
– <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>forschung und <strong>Schmerz</strong>therapie;<br />
<strong>Deutsche</strong> Akademie für Algesiologie – Institut für<br />
schmerztherapeutische Fort- und Weiterbildung; <strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong><br />
für interdisziplinäre Palliativversorgung e. V.; <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Schmerz</strong>liga e.V. (DSL); <strong>Gesellschaft</strong> für algesiologische<br />
Fortbildung mbH (gaf mbH); Gesamtdeutsche <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
Manuelle Medizin e.V. (GGMM); Institut für Qualitätssicherung<br />
in <strong>Schmerz</strong>therapie und Palliativmedizin (IQUISP); Berufsverband<br />
der <strong>Schmerz</strong>therapeuten in Deutschland e.V. (BVSD).<br />
Mit der Annahme eines Beitrags zur Veröffent lichung erwirbt<br />
der Verlag vom Autor alle Rechte, insbesondere das Recht der<br />
weiteren Vervielfältigung zu gewerblichen Zwecken mithilfe<br />
fotomechanischer oder anderer Verfahren. Die Zeitschrift sowie<br />
alle in ihr enthaltenen einzelnen Beiträge und Abbildungen<br />
sind urheberrechtlich geschützt.<br />
Hinweis: Die in dieser Zeitschrift angegebenen Dosierungen<br />
– vor allem von Neuzulassungen – sollten in jedem Fall mit<br />
dem Beipackzettel der verwendeten Medikamente verglichen<br />
werden.<br />
Bezugspreis: Einzelheft 12,– Euro; Abonnement für 4 Ausgaben<br />
pro Jahr 40,– Euro (zzgl. Versand, inkl. MwSt.). Der Mitgliedsbeitrag<br />
der DGS schließt den Bezugspreis der Zeitschrift<br />
mit ein. Die Zeitschrift erscheint im 28. Jahrgang.<br />
Verlag: Springer Medizin © Urban & Vogel GmbH,<br />
München, Dezember <strong>2012</strong><br />
Leitung Corporate Publishing: Ulrike Hafner (verantw.)<br />
Redaktion: Dr. Melanie Leshel<br />
Druck: Stürtz GmbH, Würzburg<br />
Titelbild: © Daniel Loretto / Fotolia.com<br />
Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse: Die Urban & Vogel<br />
GmbH ist 100%ige Tochter gesellschaft der Springer Medizin<br />
Verlag GmbH, Heidelberg. Die alleinige <strong>Gesellschaft</strong>erin der<br />
Springer Medizin Verlag GmbH ist die Springer-Verlag GmbH<br />
mit einer Beteiligung von 100%. Die Springer-Verlag GmbH ist<br />
eine 100%ige Tochtergesellschaft der Springer Science + Business<br />
Media Deutschland GmbH. Die alleinige <strong>Gesellschaft</strong>erin<br />
der Springer Science + Business Media Deutschland GmbH ist<br />
die Springer Science + Business Media Netherlands B.V., die<br />
100% der Anteile hält. Die Springer Science + Business Media<br />
Netherlands B.V. ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der<br />
Springer Science + Business Media Finance S.àR.L. Die Springer<br />
Science+Business Media Finance S.àR.L. ist eine 100%ige Tochter<br />
der Springer Science+Business Media S.A.<br />
11
Psychologie<br />
Seelische <strong>Schmerz</strong>en tun auch weh!<br />
Dass nicht nur unser Körper, sondern auch die Seele <strong>Schmerz</strong> ertragen kann,<br />
weiß der Volksmund schon lange: „Herz“ reimt sich auf „<strong>Schmerz</strong>“, in unendlich<br />
vielen Gedichten und Liedern, die von Abschied, Trennung und Alleinsein handeln.<br />
Der Abschied von einem geliebten Menschen ist schmerzlich. Und geht<br />
es um Trauer nach endgültigem Abschied, geht es auch um zuweilen unerträglichen<br />
<strong>Schmerz</strong>. Die komplexen Zusammenhänge zwischen Psyche und <strong>Schmerz</strong><br />
erläutert Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie,<br />
Ulm.<br />
Als Arzt nimmt man die Sorgen und Nöte<br />
seiner Patienten ernst, sieht nicht nur<br />
den Körper, sondern den „ganzen Menschen“.<br />
Zugleich hat man aber auch ein<br />
wissenschaftliches Studium durchlaufen,<br />
glaubt also nicht an „Hokuspokus“, sondern<br />
beruft sich auf die Erkenntnisse der modernen<br />
Naturwissenschaft. Deren Anwendung<br />
im Einzelfall wird immer eine Kunst sein,<br />
weswegen man ja auch von der ärztlichen<br />
Kunst spricht. Aber was da angewendet<br />
wird, ist immer allgemeines, verifizierbares<br />
Wissen, das entweder in allgemeinen Ursache-Wirkung-Beziehungen<br />
(Keim X wird<br />
Abb. 1: Die linke senkrechte Linie erscheint<br />
kürzer.<br />
Abb. 3: Die Tasse fällt, obwohl auf dem<br />
Standbild keine Bewegung vorliegt.<br />
durch Medikament Y aufgrund von Mechanismus<br />
Z an der Vermehrung gehindert)<br />
oder in statistisch aufgearbeiteten klinischen<br />
Erfahrungen vieler Kollegen (Harnwegsinfekte<br />
sind meistens durch Keim X verursacht)<br />
besteht.<br />
Im Falle eines Patienten, der <strong>Schmerz</strong>en<br />
hat, kommt dann der „ganze Mensch“ durchaus<br />
vor, aber eben nur in dem Sinne, dass<br />
man das Wissen in einem „psychosozialen<br />
Umfeld“ anwendet und sich beispielsweise<br />
klar macht, dass es diesem Patienten gar<br />
nicht gut gehen kann, wo doch gerade seine<br />
geliebte Frau gestorben ist. Empathie ge-<br />
Abb. 2: Die Flächen A und B erscheinen<br />
schwarz und weiß, sind aber tatsächlich<br />
von gleicher Helligkeit.<br />
Abb. 4: Typisches Beispiel einer haptischen<br />
Täuschung.<br />
Manfred Spitzer, Ulm<br />
hört zum menschlichen Leben einfach dazu<br />
und damit auch zum Alltag des Arztes. Allerdings<br />
gehört es auch zu seiner „Professionalität“,<br />
sich durch sie nicht irreführen zu lassen<br />
und schon gar nicht zu viel mitzuleiden,<br />
weil das niemandem nützt und dem Arzt auf<br />
Dauer nur schaden würde.<br />
Der naturwissenschaftlich informierte<br />
Arzt wird also die Rede vom <strong>Schmerz</strong> durch<br />
Abschied, Trauer und Alleinsein als Metapher<br />
verstehen und kann sich dabei auf ein<br />
breites Fundament von der Theologie bis zur<br />
kognitiven Linguistik stützen (Bader 1990;<br />
Johnson & Lakoff 2011). Was aber wäre,<br />
wenn aus der Naturwissenschaft selbst Erkenntnisse<br />
kämen, die zeigen, dass der<br />
<strong>Schmerz</strong> der Seele keineswegs eine Metapher<br />
ist, sondern einfach nur beschreibt, wie<br />
man sich fühlt? „Ja, schon, aber wie man sich<br />
fühlt, das weiß ich doch. Dazu braucht man<br />
nun wirklich keine Gehirnforschung!“ mag<br />
mancher – vielleicht sogar entrüstet – einwenden.<br />
Unser Empfinden kann uns täuschen<br />
Denn was immer wir erleben, bemerken,<br />
fühlen und wahrnehmen fällt nicht passiv in<br />
uns hinein, sondern wird aktiv produziert –<br />
sogar der <strong>Schmerz</strong>! Nur ein lebendiger Organismus<br />
von recht hoher Komplexität (eine<br />
Amöbe reicht nicht!) bringt <strong>Schmerz</strong>en<br />
überhaupt zustande!<br />
Und nur sehr komplexe Organismen können<br />
sich täuschen, d.h. können bemerken,<br />
dass ihr erster spontaner Eindruck falsch war.<br />
Die (sehr bekannten) beiden Linien in Abbildung<br />
1 sind gleich lang, die beiden Flächen A<br />
und B in Abbildung 2 sind gleich hell, und die<br />
Tasse in Abbildung 3 fällt nicht, obwohl das<br />
so aussieht, sondern schwebt einfach so in<br />
der Luft (was nicht sein kann, weswegen es<br />
auch nicht so aussieht). Und wenn wir einen<br />
Bleistift so in die Finger nehmen, wie Abbildung<br />
4 darstellt und die Augen schließen,<br />
12 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)
Abb. 5: Soziale Isolierung führt zu einer<br />
ACC-Aktivierung.<br />
dann täuschen wir uns darin, dass wir zwei<br />
Bleistifte zu berühren glauben. Unser unmittelbares<br />
Erleben, das reine Gefühl, kann uns<br />
also durchaus Streiche spielen, uns täuschen.<br />
Einsamkeit tut weh<br />
Die erste Arbeit zu seelischen <strong>Schmerz</strong>en<br />
durch Einsamkeit erschien im Jahr 2003 im<br />
Fachblatt Science. Soziale Ablehnung kann<br />
das <strong>Schmerz</strong>zentrum (d.h. den anterioren Gyrus<br />
cinguli, engl. anterior cingulate gyrus, kurz<br />
ACC) aktivieren, wie Naomi Eisenberger und<br />
Mitarbeiter (2003) durch ein cleveres Experiment<br />
herausgefunden hatten. Drei Probanden<br />
spielten zunächst ein virtuelles Ballspiel (mit<br />
Joystick und Bildschirm), bei dem zwei Spieler<br />
nach einer gewissen Zeit dem Dritten den Ball<br />
nicht mehr zuwerfen. Dies führte beim dritten<br />
Spieler zu einer Aktivierung des ACC (Abb. 5).<br />
Jahre zuvor war bereits gezeigt worden,<br />
dass der ACC auch durch <strong>Schmerz</strong>en aktiviert<br />
wird (Rainville et al. 1997). Diese Aktivierung<br />
korreliert sogar mit der <strong>Schmerz</strong>stärke: Bei wenig<br />
<strong>Schmerz</strong>en war der ACC gering aktiv, bei<br />
starken <strong>Schmerz</strong>en dagegen sehr aktiv (Abb.<br />
6). Weil bei <strong>Schmerz</strong>en beispielsweise an der<br />
Hand auch der die Hand repräsentierende sensorische<br />
Kortex aktiviert ist, dessen Aktivierung<br />
jedoch nicht mit der Stärke der <strong>Schmerz</strong>en<br />
korreliert ist (Rainville et al. 1997), kann<br />
man folgern, dass dieser den Ort der <strong>Schmerz</strong>en<br />
anzeigt, der ACC hingegen deren Stärke.<br />
Beide zusammen gehören zu dem, was man<br />
mittlerweile das <strong>Schmerz</strong>netzwerk nennt.<br />
Warum ist das gleiche Stückchen Gehirnrinde,<br />
dass für das Ausmaß der <strong>Schmerz</strong>stärke<br />
zuständig ist, auch für Einsamkeit zuständig<br />
(vgl. Eisenberger & Lieberman 2004; Eisenberger<br />
et al. 2006; MacDonald & Leary 2005; Herman<br />
& Panksepp 1978; Panksepp 2003)? Aus<br />
evolutionärer Sicht lässt sich zunächst sagen,<br />
dass <strong>Schmerz</strong>en nicht etwa dazu da sind, uns<br />
zu quälen und ärgern, sondern eine ganz<br />
wichtige Funktion für das Überleben haben:<br />
SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />
Abb. 6: Starken <strong>Schmerz</strong>en bewirken eine<br />
verstärkte Aktivität des ACC (unten links).<br />
Wenn ich die Hand auf die heiße Herdplatte<br />
lege und es so lange nicht bemerkte bis es<br />
übel riecht, ist das nicht gut für meine Hand.<br />
<strong>Schmerz</strong>en sichern unsere körperliche Unversehrtheit.<br />
Menschen, die keine <strong>Schmerz</strong>en<br />
empfinden können, sterben in aller Regel vor<br />
ihrem 30. Lebensjahr.<br />
Soziale und körperliche Integrität:<br />
Social Brain<br />
Zum Überleben brauchen in Gruppen lebende<br />
Wesen neben einem unversehrten Körper<br />
auch eine funktionierende Gemeinschaft.<br />
Warf vor Jahrtausenden die Horde ein Mitglied<br />
hinaus, war dies dessen Todesurteil.<br />
Zudem vollziehen sich auch die Fortpflanzung<br />
und die Aufzucht der Nachkommen bei<br />
sozialen Lebewesen immer in der Gruppe.<br />
Dass also beim Menschen das gleiche Stückchen<br />
Gehirn für körperliche und soziale Integrität<br />
zuständig ist, wundert nicht. Aus neurowissenschaftlicher<br />
Sicht kann man ergänzen,<br />
dass der ACC mittlerweile fester Bestandteil<br />
eines größeren Verbandes zentralnervöser<br />
Module darstellt, die man mittlerweile<br />
unter dem Begriff „Social Brain“<br />
zusammenfasst (vgl. Spitzer <strong>2012</strong>a).<br />
Aus klinischer Sicht lassen sich durch den<br />
Befund von Eisenberger und Mitarbeitern eine<br />
ganze Reihe bekannter Phänomene erklären:<br />
Depressive Syndrome gehen mit sozialem<br />
Rückzug bzw. dem Erleben von Einsamkeit<br />
einher – und mit <strong>Schmerz</strong>en verschiedenster<br />
Art. Entsprechend besteht bei chronisch depressiven<br />
Menschen oft auch ein <strong>Schmerz</strong>mittelmissbrauch.<br />
Wer an chronischen <strong>Schmerz</strong>en<br />
leidet und zu allem Überfluss dann auch noch<br />
vom Partner verlassen wird, braucht oft eine<br />
intensivere <strong>Schmerz</strong>therapie. Umgekehrt<br />
kennt jeder Kliniker Fälle, bei denen man sich<br />
wundert, was der Patient oder die Patientin<br />
mit intaktem sozialen Umfeld alles aushält.<br />
Der Volksmund weiß um den Zusammenhang<br />
von Einsamkeit und <strong>Schmerz</strong>en. Diese<br />
Psychologie<br />
Weisheit der Sprache wurde bislang jedoch<br />
immer metaphorisch gedeutet: So reden wir<br />
eben! Seit dem Jahr 2003 wird demgegenüber<br />
zunehmend klar, dass die Sprache hier einem<br />
genuin phänomenalen Aspekt des Erlebens<br />
Ausdruck verleiht. Wenn dasselbe Gehirnmodul<br />
Einsamkeit und <strong>Schmerz</strong>en meldet,<br />
dann muss es zu entsprechenden Überschneidungen<br />
kommen, ähnlich den Überschneidungen<br />
beispielsweise bei den Rezeptoren auf<br />
der Zunge: Dort ist beispielsweise der gleiche<br />
Rezeptor für „heiß“ und „scharf“ zuständig,<br />
und so wundert weder, dass wir zu scharfen<br />
Speisen gerne etwas Kühles trinken noch, dass<br />
die Engländer scharfes Essen als „heißes“ Essen<br />
(hot food) bezeichnen. Das ist keine Metaphorik,<br />
sondern beschreibt die Dinge, wie sie wirklich<br />
sind.<br />
Dass sowohl <strong>Schmerz</strong>en als auch Einsamkeit<br />
den ACC aktivieren, erklärt somit zwanglos<br />
eine ganze Reihe bekannter Erfahrungen.<br />
Jede gute wissenschaftliche Einsicht erklärt<br />
jedoch nicht nur bereits Bekanntes, sondern<br />
führt auch zu neuen Fragen, auf die man ohne<br />
sie gar nicht gekommen wäre. In Anlehnung<br />
an Archimedes, der eine Einsicht hatte und<br />
nackt „Heureka!“ („Ich hab’s gefunden!“) rufend<br />
durch die Stadt rannte, spricht man vom<br />
heuristischen Wert einer wissenschaftlichen<br />
Erkenntnis.<br />
Neue Fragen und<br />
erstaunliche Antworten<br />
In einem anlässlich des jährlichen Kongresses<br />
der internationalen Society of Neuroscience in<br />
Washington, DC/USA, im November 2011 gehaltenen<br />
Vortrag, verdeutlichte Frau Eisenberger<br />
diesen heuristischen Wert mit einer Vierfeldertafel,<br />
die ich mir damals rasch notierte<br />
(Tab. 1). Wenn man die Dinge so betrachtet<br />
und sich zugleich vergegenwärtigt, dass die<br />
<strong>Schmerz</strong>en vom gleichen Modul registriert<br />
werden, leuchtet unmittelbar ein, dass Gedanken<br />
an soziale Einbettung/Unterstützung somatische<br />
<strong>Schmerz</strong>en lindern können.<br />
Um dies nachzuweisen, zeigten Master<br />
und Mitarbeiter (2009) ihren Versuchspersonen<br />
entweder Bilder von deren jeweiligem<br />
Tab. 1: Verstärkung und Abschwächung<br />
sozialer und somatischer <strong>Schmerz</strong>en.<br />
Verstärkung<br />
der <strong>Schmerz</strong>en<br />
Verminderung<br />
der <strong>Schmerz</strong>en<br />
Soziale<br />
<strong>Schmerz</strong>en<br />
Somatische<br />
<strong>Schmerz</strong>en<br />
Einsamkeit Entzündung<br />
Soziale<br />
Unterstützung/<br />
Einbettung<br />
Paracetamol<br />
13
Psychologie<br />
Abb. 7: Das Bild des Lebenspartners lindert<br />
<strong>Schmerz</strong>en im Gegensatz zum Bild<br />
eines Fremden oder eines Objekts.<br />
<strong>Schmerz</strong>en<br />
(Selbsteinschätzung)<br />
1,0<br />
0,5<br />
0<br />
–0,5<br />
–1,0<br />
–1,5<br />
Partner Fremder Objekt<br />
Partner oder fremder Person oder von Objekten,<br />
während ihnen zugleich experimentell<br />
<strong>Schmerz</strong>en zugefügt wurden, deren Stärke<br />
jeweils einzuschätzen war. Das Bild des<br />
Partners verringerte dabei die <strong>Schmerz</strong>en<br />
deutlich, während Bilder von anderen Personen<br />
oder Objekten die <strong>Schmerz</strong>wahrnehmung<br />
unverändert ließen bzw. numerisch<br />
sogar leicht verstärkten (Abb. 7).<br />
Eine Studie von Younger und Mitarbeitern<br />
(2010) konnte mittels funktioneller Magnetresonanztomografie<br />
(fMRT) nachweisen,<br />
dass der Anblick eines geliebten Menschen die<br />
Aktivität des ACC verringert. Ver glichen wurde<br />
die Aktivität (unter Zufügen von <strong>Schmerz</strong>en)<br />
beim Betrachten des geliebten Partners mit<br />
der Aktivität (unter Zufügen von <strong>Schmerz</strong>en)<br />
beim Anblick einer attraktiven bekannten<br />
(aber nicht geliebten) Person bzw. beim Abarbeiten<br />
einer Ablenkungsaufgabe.<br />
Der heuristische Wert der oben dargestellten<br />
Vierfeldertafel beschränkt sich jedoch keineswegs<br />
auf psychologische Effekte im Hinblick<br />
auf somatische <strong>Schmerz</strong>en. Vielmehr legt<br />
er auch das Umgekehrte nahe, d.h. somatische<br />
Effekte auf psychologische <strong>Schmerz</strong>en. So<br />
konnten Eisenberger und Mitarbeiter (2010)<br />
zeigen, dass die Gabe von inflammatorisch<br />
wirkendem Endotoxin nicht nur zu einem (erwarteten)<br />
Anstieg bekannter Entzündungsmediatoren<br />
wie Interleukin-6 und Tumornekrosefaktor-alpha<br />
(IL-6, TNF-alpha) führt, sondern<br />
auch zu einem Anstieg von Gefühlen der<br />
so zialen Isolation (Abb. 8).<br />
Dies passt gut zu den in der Psycho-Neuro-Endokrinologie<br />
seit längerer Zeit diskutierten<br />
Zusammenhängen von Entzündung<br />
und Depression. Zugleich stellt sie deren<br />
theo retische Basis auf den Kopf: Bislang wurde<br />
zumeist ein direkter Weg von Entzündung<br />
zur Depression postuliert. Nach den Befunden<br />
von Eisenberger und Mitarbeitern führt<br />
der Weg jedoch über die Aktivierung des ACC<br />
und die daraus resultierenden Gefühle der<br />
sozialen Isolation. Da man Depressivität und<br />
soziale Isolation getrennt erfragte, zeigte<br />
eine entsprechende Auswertung der Daten,<br />
dass das Ausmaß der sozialen Isolation das<br />
der Depression vollständig statistisch erklären<br />
konnte. Es ist also durchaus denkbar, dass<br />
die (durch Entzündungsmediatoren bedingten)<br />
<strong>Schmerz</strong>en das Gefühl von Einsamkeit<br />
und dieses dann den depressiven Affekt<br />
verursacht, und nicht – wie bisher von den<br />
Endokrinologen (zumeist implizit) angenommen<br />
– die Entzündung die Depression und<br />
damit auch (indirekt) die Gefühle der Einsamkeit<br />
bewirkt.<br />
<strong>Schmerz</strong>mittel wirken gegen<br />
Einsamkeit<br />
Die somatischen Effekte auf psychologische<br />
<strong>Schmerz</strong>en beschränken sich keineswegs auf<br />
die Verstärkung. Vielmehr lässt sich aus der<br />
Tatsache, dass somatische und psychologische<br />
<strong>Schmerz</strong>en im ACC unmittelbar verknüpft<br />
sind, auch die Schlussfolgerung ableiten, dass<br />
<strong>Schmerz</strong>mittel auch gegen Einsamkeit wirken<br />
(Tab. 1). Dies wurde tatsächlich im Rahmen<br />
zweier randomisierter placebokontrollierter<br />
Doppelblindstudien nachgewiesen (DeWall et<br />
al. 2010).<br />
An der ersten Studie nahmen 62 Probanden<br />
teil, die über einen Zeitraum von drei Wochen<br />
jeweils morgens und abends entweder<br />
500 mg Paracetamol in Tablettenform oder<br />
Placebo einnahmen und täglich abends einen<br />
Fragebogen zu verletzenden Gefühlen am jeweiligen<br />
Tag ausfüllen mussten. Von diesem<br />
Fragebogen ist bekannt, dass er besonders<br />
empfindlich für Empfindungen sozialer Ablehnung<br />
ist. Zudem mussten die Probanden täg-<br />
lich einen weiteren Fragebogen zu positiven<br />
Emotionen ausfüllen, um die Frage zu klären,<br />
ob Paracetamol einen Einfluss auf positive<br />
Emotionen hat. Es zeigte sich, dass Paracetamol<br />
über den Versuchszeitraum von 21 Tagen<br />
zu einer signifikanten Verminderung von Gefühlen<br />
der Verletztheit führte, was nicht auf ein<br />
vermehrtes Auftreten positiver Gefühle zurückgeführt<br />
werden konnte. Das <strong>Schmerz</strong>mittel<br />
bewirkte also bei dreiwöchiger Einnahme<br />
eine Reduktion der erlebten Einsamkeit.<br />
Die zweite Studie wurde mit 25 Probanden<br />
durchgeführt, die ebenfalls über einen Zeitraum<br />
von drei Wochen täglich 2000 mg Paracetamol<br />
oder Placebo einnahmen und am<br />
Ende dieses Zeitraums im MRT mittels eines zu<br />
dritt gespielten Ballspiels (ein Spieler lag dabei<br />
im Scanner) ein Erlebnis des sozialen Ausschlusses<br />
erfuhren. Man ging damit direkt der<br />
Hypothese nach, dass das Signal eines aktivierten<br />
ACC während des Erlebens von sozialem<br />
Ausschluss durch Paracetamol verringert<br />
sein würde. Genau dies war der Fall.<br />
ACC als Soziometer<br />
Die Autoren (2010, S. 936) fassen die Ergebnisse<br />
beider Studien wie folgt zusammen:<br />
„Die gegenwärtigen Studien liefern neue Einsichten<br />
zum engen Zusammenhang von sozialen<br />
und körperlichen <strong>Schmerz</strong>en, indem<br />
sie der überraschenden Konsequenz der<br />
Überlegung nachgehen, dass seelische und<br />
körperliche <strong>Schmerz</strong>en das gleiche neurobiologische<br />
Substrat besitzen. Wir haben erstmals<br />
gezeigt, dass Paracetamol, ein rezeptfrei<br />
erhältliches <strong>Schmerz</strong>mittel zur Behandlung<br />
körperlicher <strong>Schmerz</strong>en, auch die durch sozia<br />
le Zurückweisung verursachten seelischen<br />
Abb. 8: Inflammatorisch wirksames Endotoxin führt zum Anstieg der Entzündungsparameter<br />
und zu Gefühlen der sozialen Isolation.<br />
IL-6 [pg/ml]<br />
Symptome<br />
200<br />
150<br />
100<br />
50<br />
0<br />
–50<br />
1,5<br />
1,0<br />
0,5<br />
0<br />
Inflammatorisch wirksames Endotoxin Kochsalzlösung<br />
*<br />
*<br />
*p
<strong>Schmerz</strong>en zu reduzieren vermag, „auf der<br />
Ebene des <strong>Schmerz</strong>erlebens und auf der Ebene<br />
der Gehirnaktivierung“ (Übersetzung<br />
durch den Autor).<br />
Weitere Studien konnten zeigen, dass<br />
allein ein Gesichtsausdruck der Mißbilligung<br />
(Burklund et al. 2007) oder ein Wort der Ablehnung<br />
(„Das Interview mit Dir war langweilig“;<br />
Eisenberger et al. 2011) genügen,<br />
um den ACC zu aktivieren und ein entsprechendes<br />
Gefühl der sozialen Ablehnung zu<br />
erzeugen. Auch das Betrachten eines Fotos<br />
der Person, mit der man bis vor Kurzem liiert<br />
war (Kross et al. 2011) und selbst das Erleben<br />
von unfairer Behandlung in einem Spiel<br />
führt zu dessen Aktivierung (Sanfey et al.<br />
2003), so dass der ACC auch schon als „Soziometer“<br />
bezeichnet wurde (Eisenberger et al.<br />
2011). Entsprechend schwächen Gefühle<br />
der sicheren Bindung an eine bestimmte<br />
Person die Reaktion des ACC auf Vereinsamung<br />
ab (Karremans et al. 2011). Ein geringes<br />
Selbstwertgefühl verstärkt sie, ein<br />
hohes schwächt sie ab (Onoda et al. 2010).<br />
Jugendliche besonders empfindlich<br />
Neueste Befunde aus der Entwicklungsneurobiologie<br />
zeigen zudem, dass dieses soziale<br />
SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />
„Messinstrument“ in unseren Köpfen einer<br />
interessanten Entwicklung unterliegt: Im<br />
Laufe des Heranwachsens werden Beziehungen<br />
zu Gleichaltrigen immer bedeutender.<br />
Dementsprechend reagieren Jugendliche<br />
mit zunehmendem Alter verstärkt<br />
auf sozia len Ausschluss, wie eine Studie an<br />
7- bis 17-Jährigen ergab (Bolling et al. 2011).<br />
Altersabhängige Effekte konnten im übrigen<br />
auch bei Erwachsenen nachgewiesen<br />
werden. Hier zeigte sich bei experimenteller<br />
sozialer Ausgrenzung im oben beschriebenen<br />
Ballspiel ein stärkeres Gefühl der Einsamkeit<br />
bei jüngeren (18–25 Jahre) als bei<br />
älteren Erwachsenen (26–50 bzw. 51–86 Jahre)<br />
(Hawkley et al. 2010)). Aus diesen Ergebnissen<br />
kann also die Hypothese gebildet werden,<br />
dass es eine Zeit besonderer Empfindlichkeit<br />
gegenüber sozialem Ausschluss gibt:<br />
die Adoleszenz.<br />
Eine protektive Wirkung auf eine erhöhte<br />
Sensitivität für sozialen <strong>Schmerz</strong> scheint die<br />
Zeit zu haben, die Jugendliche mit ihren<br />
Freunden verbringen (Masten et al. 2010).<br />
Die verbrachte Zeit mit Freunden korrelierte<br />
negativ mit der Aktivierung des ACC und der<br />
anterioren Insula während einer Ausschlusssitua<br />
tion zwei Jahre später. Insge-<br />
Psychologie / Palliativmedizin<br />
samt mehren sich die Befunde dazu, dass<br />
soziale Unterstützung und Gruppenzugehörigkeit<br />
die neuronalen und psychologischen<br />
Auswirkungen von sozialem <strong>Schmerz</strong> (Eisenberger<br />
et al. 2007; Onoda et al. 2009; Krill<br />
& Platek 2009; Bernstein et al. 2010), aber<br />
auch die von physischem <strong>Schmerz</strong> mindern<br />
(Brown et al. 2003; Master et al. 2009). Entsprechend<br />
findet man nicht nur Fotos der<br />
Familie, sondern gelegentlich auch des<br />
Lieblingsfußballvereins auf den Nachttischchen<br />
der Patienten. Sie wissen schon selbst<br />
am besten, was gut für sie ist.<br />
Und wer hätte gedacht, dass sich unsere<br />
chronisch einsamen älteren subdepressiven<br />
Menschen mit <strong>Schmerz</strong>mittalabusus nicht<br />
einfach „betäuben“ oder einem völlig inadäquaten<br />
Verhalten anheim gefallen sind, sondern<br />
sich effektiv selbst behandeln? Entsprechend<br />
lautet die klinische Konsequenz<br />
in diesen Fällen unter Umständen nicht unbedingt:<br />
„Alles absetzen, das bringt sowieso<br />
gar nichts!“ ■<br />
Literatur beim Verfasser<br />
Terminale Sedierung – eine Maßnahme der<br />
Symptomkontrolle<br />
In der Palliativmedizin besteht breiter Konsens im Bemühen um Symptomlinderung<br />
als zentrales Ziel der palliativen Begleitung. Terminale Sedierung wird nur<br />
dann erwogen, wenn leichtere Sedierungsmaßnahmen nicht ausreichen. Sie ist<br />
beschränkt auf existenzielle Extremsituationen, erläutert Dr. med. Johannes<br />
Horlemann, Kevelaer, Vizepräsident der DGS.<br />
Der Begriff „terminale Sedierung“ bedeutet,<br />
dass es sich um eine gezielte<br />
Herabsetzung des Bewusstseinszustandes<br />
handelt. Dieser wird bewusst in Kauf genommen,<br />
mit Einverständnis des Patienten,<br />
und ist in der Regel irrerversibel bis zum Todeseintritt.<br />
Definition<br />
Bis heute besteht keine einheitliche Terminologie.<br />
Die European Association for Palliative<br />
Care (EAPC) hat seit vielen Jahren die<br />
palliative Maßnahme der Sedierung als eine<br />
Maßnahme kommuniziert und verstanden,<br />
die die Absicht verfolgt, unerträgliches Leiden<br />
zu lindern ohne Tötungsabsicht. Abzugrenzen<br />
sind Maßnahmen im Rahmen der<br />
„Euthanasie“, die die Absicht verfolgt, einen<br />
Patienten zu töten.<br />
Bei der terminalen Sedierung wäre die<br />
verbesserte Symptomkontrolle durch Verabreichung<br />
von Sedativa das Ziel. Erfolg wäre<br />
also die Beschwerdelinderung. Die terminale<br />
Sedierung kann auf bestimmte Zeit als best-<br />
Manfred Spitzer, Ulm<br />
Johannes<br />
Horlemann,<br />
Kevelaer<br />
mögliche <strong>Therapie</strong>form in Betracht kommen.<br />
Sie kann intermittierend oder kontinuierlich,<br />
primär oder sekundär, oberflächlich oder tief<br />
ausgeführt werden. Das erfolgreiche Ergebnis<br />
einer Euthanasie wäre hingegen der möglichst<br />
komplikationslose Eintritt des Todes<br />
durch Verabreichung eines todbringenden<br />
Medikamentes.<br />
15
© Ugurhan Betin / istockphoto.com Ein friedvoller Tod – das Hauptziel der terminalen Sedierung.<br />
Palliativmedizin<br />
Euthanasie<br />
Die ethische Debatte um den Begriff der sogenannten<br />
Euthanasie bedarf einiger Klarstellungen.<br />
1. Aktive Sterbehilfe: Hierunter versteht<br />
man die schmerzlose Tötung eines Patienten<br />
auf dessen ausdrücklichen oder mutmaßlichen<br />
Wunsch hin. Die Maßnahme ist in<br />
Deutschland strafrechtlich verboten.<br />
2. Passive Sterbehilfe: Hierunter fällt ein<br />
sogenannter Behandlungsabbruch bzw.<br />
eine <strong>Therapie</strong>zieländerung, nämlich der Verzicht<br />
auf lebensverlängernde Maßnahmen<br />
(oder ihr Abbruch) entsprechend dem ausdrücklichen<br />
oder mutmaßlichen Willen des<br />
Patienten. Diese Maßnahme ist rechtlich zulässig<br />
und ethisch geboten, wenn die <strong>Therapie</strong>zieländerung<br />
zu einer palliativen Betreuung<br />
dem Patientenwillen entspricht.<br />
3. Indirekte Sterbehilfe: Hierbei wird eine<br />
Lebensverkürzung bei der <strong>Schmerz</strong>- und<br />
Symptomlinderung am Lebensende inkaufgenommen.<br />
Sie ist ethisch und rechtlich<br />
zulässig und geboten, wenn die Symptomlinderung<br />
dem Patientenwillen entspricht.<br />
4. Ärztlich assistierter Suizid: Beihilfe zur<br />
Selbsttötung beim einwilligungs- und urteilsfähigen<br />
Patienten. Die Maßnahme stellt<br />
keinen eigenständigen Straftatbestand da,<br />
ist aber standesrechtlich untersagt und wird<br />
aktuell heftig diskutiert.<br />
Der Begriff der Euthanasie wird in Großbritannien<br />
anders eingestuft: Hier unterscheidet<br />
man die freiwillige Euthanasie<br />
(ärztliche Lebensbeendigung auf ausdrücklichen<br />
Wunsch des informierten Patienten),<br />
die nicht freiwillige Euthanasie (Lebensbeendigung<br />
bei einwilligungsunfähigen bzw.<br />
bewusstlosen Patienten entsprechend seinem<br />
mutmaßlichen Willen oder Todeswunsch)<br />
und die unfreiwillige Euthanasie<br />
(Mitleidstötung entgegen dem Wunsch des<br />
Patienten).<br />
Terminale Sedierung<br />
Vor dem Hintergrund der oben aufgeführten<br />
Definitionen muss die terminale Sedierung<br />
als eine palliativmedizinische Maßnahme<br />
definiert werden, deren Indikation von<br />
schwerwiegenden Symptomen abgeleitet<br />
wird: Zu diesen gehören unkontrollierbarer<br />
<strong>Schmerz</strong>, Unruhe und Dyspnoe.<br />
Es handelt sich um eine Maßnahme<br />
der sogenannten indirekten Sterbehilfe,<br />
mit dem Ziel der Symptomlinderung und<br />
der Inkaufnahme einer Lebensverkürzung.<br />
Der nationale Ethik rat hat 2010 empfohlen,<br />
den Begriff umzuändern in „<strong>Therapie</strong> am<br />
Lebens ende“.<br />
Jede palliativmedizinische Maßnahme,<br />
die wir an unseren schwerkranken Patienten<br />
ausführen, muss Antworten auf folgende<br />
Fragen bieten:<br />
z z Welche Maßnahme soll durchgeführt wer-<br />
den?<br />
z z Welcher Preis muss bezahlt werden?<br />
z z Welche Verbesserung der Lebensqualität<br />
ist zu erreichen?<br />
z z Um wessen Lebensqualität geht es?<br />
z z Wie lange soll die entsprechende Maßnahme<br />
durchgeführt werden?<br />
Die Antworten auf diese Fragen sollen für die<br />
letzten Wochen und Tage eines Patienten klären,<br />
um welche Behandlungsziele es sich<br />
handelt und ob die getroffenen Maßnahmen<br />
nicht eher der Lebensqualität der den Ster-<br />
benden Begleitenden als der Lebensqualität<br />
des Patienten dient.<br />
In diesem Sinne wird nicht nur die Sedierung,<br />
sondern auch die Rehydratation am<br />
Lebensende heftig diskutiert. Morphinperfusoren<br />
bei Unruhe am Lebensende können<br />
sehr wohl hinterfragt werden: Eine Maßnahme<br />
gegen den <strong>Schmerz</strong>? Eine Maßnahme zur<br />
Sedierung des Patienten? Eine Maßnahme<br />
mit mutmaßlichem Einverständnis? Unruhezustände<br />
am Lebensende bedürfen einer<br />
neuropsychiatrische Differenzialdiagnostik<br />
insbesondere des Delirs.<br />
Die terminale Sedierung kann nur die<br />
„bestmögliche Lösung“ unter vielen Möglichkeiten<br />
der Symptomkontrolle sein. Sie<br />
setzt eine respektvolle Kommunikation mit<br />
dem Patien ten und mit seinen Angehörigen<br />
voraus, die neben den begleitenden Helfern<br />
in die Entscheidungen einbezogen werden<br />
sollen. Der „informed consent“ stellt die Patientenautonomie<br />
als die maßgebliche Größe<br />
in der Fürsorge heraus.<br />
Im Vorfeld aufklären<br />
Eine Aufklärung über die Sedierung sollte<br />
deshalb, falls möglich, außerhalb akuter Bedrohungssituationen<br />
erfolgen, besonders bei<br />
Grunderkrankungen, die mit starken Ängsten<br />
einhergehen, wie beispielsweise die amyotrophe<br />
Lateralsklerose. In akuten Situationen<br />
kann die Indikation natürlich auch ohne expressive<br />
Einwilligung des Patienten erlaubt<br />
und geboten sein, beispielsweise bei massiven<br />
Blutungen. Solche Maßnahmen setzen<br />
klare Absprachen im Team, eine sorgfältige<br />
Dokumentation, Transparenz und eindeutige<br />
klinische Kriterien voraus. Es handelt sich<br />
nicht um eine sogenannte „langsame Euthanasie“<br />
die eine Sedierung bis ins Koma darstellt,<br />
beispielsweise durch Benzodiazepine<br />
oder Morphine, ohne anschließende Flüssigkeits-<br />
und Kalorienzufuhr.<br />
Erschreckend erscheint, dass solche Maßnahmen<br />
in den Niederlanden bei vielen Patienten<br />
im Vorfeld nicht abgesprochen worden<br />
sind (Rietjens C et al. 2004). Die Lebenswirklichkeit<br />
in der hospizlichen Begleitung<br />
hat gezeigt, dass Patienten im fortgeschrittenen<br />
Leiden oft doch besser zurecht kommen<br />
können, als sie sich selbst und andere<br />
zuvor vorstellen konnten. Wir sollten deshalb<br />
misstrauisch gegenüber allen Formen<br />
von Fremddefinition der Lebensqualität<br />
sein. Den palliativen Grundfragen wäre vielleicht<br />
hinzuzufügen: Wer fühlt sich unglücklich?<br />
Der schwerkranke Mensch oder seine<br />
Umgebung? ■<br />
Johannes Horlemann, Kevelaer<br />
16 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)
SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />
Der besondere Fall<br />
Mit Radiofrequenzläsion der lumbalen<br />
Facettengelenke gegen chronischen Rückenschmerz<br />
Die Radiofrequenzneurotomie kann Patienten mit einem Zustand nach endoprothetischem<br />
Bandscheibenersatz und hartnäckigem Rückenschmerz belastende<br />
operative Revisionen ersparen. Dies zeigt die Kasuistik aus der Gemeinschaftspraxis<br />
für Orthopädie, Unfallchirurgie und spezielle <strong>Schmerz</strong>therapie, die<br />
Dr. med. Thomas Bambach, Parsberg, vorstellt.<br />
Thomas Bambach,<br />
Parsberg<br />
Bei Revisionen nach fehlgeschlagenem<br />
Bandscheibenersatz sind teils posteriore<br />
Fusionen unter Belassen der Prothese und teils<br />
kombinierte Spondylodesen nach Entfernung<br />
des Implantats beschrieben [1]. Beide Verfahren<br />
erfordern große Eingriffe mit entsprechenden<br />
Risiken [1]. Bei zahlreichen Patienten<br />
hat sich die risikoärmere Radiofrequenzneurotomie<br />
der lumbalen Facettengelenke und des<br />
Iliosacralgelenkes als wirkungsvoll erwiesen<br />
[2]. Daher stellte sich in unserem Fall die Frage,<br />
ob wir einer Patientin mit chronischem Kreuzschmerz<br />
nach Implantation einer Bandscheibenprothese<br />
bei gleichzeitiger Anschlussdegeneration<br />
des Nachbarsegmentes mit<br />
dieser Methode eine größere Operation ersparen<br />
würden können.<br />
Vortherapie und Verlauf<br />
Unsere inzwischen 52jährige Patientin steht<br />
seit über acht Jahren in laufender orthopädischschmerztherapeutischer<br />
Behandlung.<br />
Die Untersuchungen ergaben keine wesentlichen<br />
psychologischen Belastungsfaktoren. In<br />
sozialer Hinsicht ist die teils körperlich stark<br />
belastende Tätigkeit in der Altenpflege als Belastungsfaktor<br />
anzusehen. Auf somatischer<br />
Ebene ergab die eingehende Untersuchung<br />
einschließlich der Schnittbildgebung Residuen<br />
eines alten M. Scheuermann mit juvenilen<br />
Aufbaustörungen, kräftige Osteochondrosen<br />
in den Segmenten L4/5 und L5/S1, Spondylarthrosen<br />
in den genannten Segmenten<br />
und eine resultierende mäßige Foramenstenose<br />
präsacral, ohne neurologische Ausfälle.<br />
Ende 2005 entwickelten sich massive progrediente<br />
<strong>Schmerz</strong>en sowie eine radikuläre<br />
Symptomatik, für die sich als Hauptursache ein<br />
neu aufgetretener rechts mediolateraler Bandscheibenvorfall<br />
L4/5 mit erheblicher diskogener<br />
Spinalstenose fand. Auf Grund dieser<br />
Situation erfolgte 2006 an der Orthopädischen<br />
Fachklinik Schwarzach die Implantation einer<br />
Bandscheibenprothese. Es kam rasch zu einer<br />
Rückbildung der radikulären <strong>Schmerz</strong>en. Allerdings<br />
wurden schon nach der AHB anhaltende<br />
lokale tief sitzende Kreuzschmerzen von<br />
dumpfdrückendem Charakter beklagt.<br />
Akute Exazerbation<br />
Anfang Januar 2011 nach „Verhebetrauma“<br />
anhaltende <strong>Schmerz</strong>exazerbation mit Ischialgie<br />
rechts und <strong>Schmerz</strong>grad 7 auf der numerischen<br />
Analogskala. Hier lang anhaltende<br />
lumbale Bewegungseinschränkung, Belastungs<br />
min de rung und auch nächtliche Ruheschmerzen<br />
mit Störung des Schlafes.<br />
Zur weiteren Differenzierung der somatischen<br />
<strong>Schmerz</strong>quellen erfolgten bildwandlerkontrollierte<br />
Facettenblockaden. Es kam<br />
dadurch zu einer 75%igen <strong>Schmerz</strong>reduktion<br />
Abb. 1: Ausdruck des Bildwandlers, der die<br />
Thermoläsionskanüle in situ zeigt.<br />
Foto: Bambach<br />
über mehrere Tage. Auf Grund des guten Ansprechens<br />
auf die Testinfiltration wurde nach<br />
entsprechender Aufklärung die bildwandlerkontrollierte<br />
Denervierung an den Segmenten<br />
L3, L4 und L5 re. mittels Radiofrequenzläsion<br />
vorgenommen. Die Denervierung erfolgte bei<br />
80 °C über 60 Sekunden. Die korrekte Lage der<br />
Thermoläsionskanülen wurde im a.p. sowie<br />
im schrägen Strahlengang verifiziert (Abb. 1).<br />
Vor der Denervierung wurde eine sensorische<br />
und motorische Testung mit 100 bzw. 2 Hz und<br />
1.5 V Spannung durchgeführt.<br />
Innerhalb weniger Tage war die Patientin<br />
beschwerdefrei und nach einer Woche in der<br />
Lage, wieder schwere Gartenarbeiten zu verrichten.<br />
Sie konnte auch den Arbeitsalltag wieder<br />
problemlos bewältigen. Bei der Nachuntersuchung<br />
nach drei Monaten Rückgang<br />
der <strong>Schmerz</strong>en von 7 auf 1 auf einer zehnstufigen<br />
NASSkala, subjektiv große Zufriedenheit<br />
mit dem Ergebnis, Verbesserung der Beweglichkeit,<br />
volle Arbeitsfähigkeit.<br />
Diskussion<br />
Chronische Rückenschmerzen sind eine ernst<br />
zu nehmende Herausforderung für den Therapeuten.<br />
Neben der Berücksichtigung entsprechender<br />
psychosozialer Faktoren kann eine<br />
differenzierte Diagnostik [3] mit Anwendung<br />
diagnostischprognostischer Blockaden helfen,<br />
die <strong>Schmerz</strong>quelle präziser einzugrenzen.<br />
Bei Patienten mit endoprothetischem Bandscheibenersatz<br />
sind Folgeprobleme, anhaltende<br />
Beschwerden und auch Rezidive bekannt,<br />
welche teils aufwändige Revisionseingriffe<br />
nach sich ziehen [1].<br />
Im vorliegenden Fall wurde mit dem ambulanten,<br />
minimalinvasiven Verfahren der<br />
Radio frequenzläsion der lumbalen Facettengelenke<br />
die Lebensqualität unserer Patientin<br />
ohne große operative Prozeduren erheblich<br />
vergessert. Zudem besteht die Option, den<br />
Eingriff gegebenenfalls im Falle eines Rezidivs<br />
ipsi oder auch bilateral zu wiederholen.<br />
Dieses minimalinvasive interventionelle Verfahren<br />
kann auch bei komplexen und langwierigen<br />
<strong>Schmerz</strong>verläufen signifikant als Baustein<br />
zur Beschwerdelinderung im Rahmen<br />
eines mehrgleisigen therapeutischen Vorgehens<br />
beitragen. ■<br />
Thomas Bambach, Parsberg<br />
Literatur beim Verfasser<br />
17
Neurologie<br />
Occipitalis-Nervenstimulation<br />
gegen chronische Migräne<br />
Für die chronische Migräne, bei der die schwer betroffenen Patienten an mindestens<br />
15 Tagen im Monat an schweren Kopfschmerzen leiden, gibt es nur wenige<br />
wirksame <strong>Therapie</strong>optionen. In neuester Zeit rückt die periphere Nervenstimulation<br />
(PNS) des Nervus occipitalis als Behandlungsmöglichkeit zunehmend<br />
in den Fokus. Über den aktuellen Stand informiert Prof. Dr. med. Hartmut Göbel,<br />
Migräne- und Kopfschmerzzentrum an der <strong>Schmerz</strong>klinik Kiel.<br />
D ie<br />
Hartmut Göbel,<br />
<strong>Schmerz</strong>klinik Kiel<br />
chronische Migräne ist eine besonders<br />
schwere Verlaufsform der Migräne. Die<br />
betroffenen Patienten leiden an mehr als 15<br />
Tagen pro Monat an schweren Migränekopfschmerzen.<br />
Diese hohe Häufigkeit der Kopfschmerztage<br />
pro Monat besteht seit mindestens<br />
drei Monaten. Ein Medikamentenübergebrauch<br />
liegt nicht vor, so dass es sich bei der<br />
chronischen Migräne um eine spontan hohe<br />
Attackenfrequenz handelt, bei der auch eine<br />
Medikamentenpause keine Besserung bringt.<br />
Die <strong>Schmerz</strong>en sind auch im Hinterhauptkopfund<br />
Schulter-Nackenbereich lokalisiert. Vorbeugende<br />
Medikamente bewirken trotz ausreichender<br />
Dosierung und zeitlicher Dauer<br />
keine Besserung des schweren Verlaufes.<br />
Was ist die PNS?<br />
Die periphere Nervenstimulation ist eine spezielle<br />
Anwendung der Neurostimulation. Diese<br />
wird bereits seit mehreren Jahrzehnten zur<br />
Linderung und Behandlung von chronischen<br />
<strong>Schmerz</strong>en eingesetzt. Eine erfolgreiche Anwendung<br />
ist möglich bei Rückenschmerzen,<br />
Nackenschmerzen, Arm- und Beinschmerzen.<br />
Durch den zunehmenden Fortschritt der<br />
Mikroelektronik ist es möglich, ein schrittmacherähnliches<br />
Gerät unter die Haut zu implantieren<br />
und damit eine kontinuierliche periphere<br />
Nervenstimulation zu ermöglichen.<br />
Zur Behandlung der chronischen Migräne<br />
kann ein spezielles System implantiert werden<br />
(Abb. 1). Dieses sendet elektrische Signale an<br />
den sich direkt unter der Nackenhaut befindlichen<br />
Occipitalnerven. Aufgrund dieser besonderen<br />
Lokalisation wird diese Behandlungsmöglichkeit<br />
auch Occipitalis-Nervenstimulation<br />
(ONS) genannt.<br />
Die Wirkungsweise der Occipitalis-Nervenstimulation<br />
wird durch Veränderungen der<br />
elektrischen Regulation im Hirnstamm erklärt.<br />
Das Muster der <strong>Schmerz</strong>signale wird durch die<br />
kontinuierliche Stimulation moduliert und<br />
überdeckt. Die ständige Überempfindlichkeit<br />
im Nervensystem wird dadurch ausgeglichen<br />
und reduziert.<br />
Die Funktion des Neurostimulatorsystems<br />
und die periphere Nervenstimulation sind mit<br />
denen von Herzschrittmachern zu vergleichen.<br />
Das Gerät sendet Impulse über den Hinterhauptsnerv<br />
zum trigeminalen Hirnstammkomplex.<br />
Es wird angenommen, dass dadurch<br />
die körpereigene <strong>Schmerz</strong>abwehr aktiviert<br />
und stabilisiert wird und somit auf natürlichem<br />
Weg die Empfindlichkeit für <strong>Schmerz</strong>signale<br />
reduziert werden kann.<br />
Für Patienten mit therapieresistenten chronischen<br />
Migräneschmerzen ergeben sich<br />
durch die Occipitalis-Nervenstimulation (ONS)<br />
neue Möglichkeiten in der Behandlung. Die<br />
Betroffenen haben oft eine jahrelange Leidensgeschichte.<br />
Sämtliche leitliniengerechten<br />
vorbeugenden Medikamente und sonstige<br />
<strong>Therapie</strong>maßnahmen wurden ohne Effekt<br />
durchgeführt, oder aber sie wurden nicht vertragen.<br />
Für diese Patientengruppe gibt es nur<br />
sehr limitierte Möglichkeiten in der Behandlung.<br />
Eine Option stellt die Behandlung mit<br />
Botulinumtoxin dar. Dieses Arzneimittel ist seit<br />
September 2011 für die Behandlung der chronischen<br />
Migräne zugelassen.<br />
Zertifizierte Zentren<br />
Mittlerweile ist auch die periphere Nervenstimulation<br />
in Form der Occipitalis-Nervenstimulation<br />
(ONS) für die Behandlung der chronischen<br />
Migräne zugelassen. Die Patienten<br />
Kann ihr geholfen werden?<br />
können daher mit ihrem Arzt entscheiden, ob<br />
diese Behandlungsform für sie eine geeignete<br />
Möglichkeit darstellt.<br />
Diese Behandlung wird in dafür zertifizierten<br />
Zentren angeboten. Entscheidend ist<br />
dabei die genaue Analyse der Kopfschmerzform,<br />
die Indikationsstellung, die Implantation<br />
durch einen zertifizierten Neurochirurgen, sowie<br />
die Langzeitbetreuung mit <strong>Therapie</strong>- und<br />
Verlaufskontrolle durch das Migränezentrum.<br />
Die Ziele der <strong>Therapie</strong> sind die Reduktion der<br />
Kopfschmerztage pro Monat, eine relevante<br />
Linderung der Kopfschmerzintensität, die Reduktion<br />
der Akutmedikamente und eine verbesserte<br />
Lebensqualität.<br />
Wie sieht das Gerät aus?<br />
Das Neurostimulationssystem für die Occipitalis-Nervenstimulation<br />
besteht aus folgenden<br />
drei Hauptbestandteilen:<br />
● ● dem Neurostimulator,<br />
● ● den Elektroden und<br />
● ● dem Bediengerät für die Patienten.<br />
Der Neurostimulator selbst entspricht in<br />
der Größe ungefähr einer Stoppuhr. Er enthält<br />
die Batterien und elektrischen Bestandteile,<br />
die die Impulse für die Elektroden erzeugen<br />
und dorthin senden. Die Elektroden bestehen<br />
aus dünnen Drähten, mit denen die elektrischen<br />
Signale vom Stimulator zu den Occipitalis-Nerven<br />
gesendet werden.<br />
Das Bediengerät für die Patienten ist einer<br />
kleinen Fernbedienung ähnlich. Es kann von<br />
den Patienten benutzt werden, um den Neurostimulator<br />
ein- oder auszuschalten und das<br />
Reizmuster dem jeweiligen Bedürfnis entsprechend<br />
anzupassen.<br />
Langzeiterfahrungen fehlen noch<br />
Die Behandlung der chronischen Migräne mit<br />
der peripheren Neurostimulation ist eine neue<br />
<strong>Therapie</strong>methode. Langzeiterfahrungen für<br />
die Behandlung der chronischen Migräne liegen<br />
nur sehr vereinzelt vor.<br />
18 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />
© fred goldstein / Fotolia.com
Die <strong>Therapie</strong> erfordert eine intensive Zusammenarbeit<br />
zwischen Neurochirurgen<br />
und Neurologen. Während eines kleinen einfachen<br />
chirurgischen Eingriffes wird das Neurostimulationssystem<br />
implantiert. Die stationäre<br />
Behandlung dauert in der Regel einen<br />
Tag. Mögliche Komplikationen sind, wie bei<br />
jeder Operation, Infektio nen oder postoperative<br />
<strong>Schmerz</strong>en. Im Langzeitverlauf können<br />
sich Risiken wie Verschiebung der Elektroden<br />
ergeben. Vor dem Eingriff wird genauestens<br />
über diese möglichen Komplikationen aufgeklärt.<br />
Die Elektroden werden unter die Haut<br />
gelegt. Eine tiefer gehende Operation erfolgt<br />
nicht.<br />
Die Langzeitbetreuung erfolgt in unserem<br />
Migräne- und Kopfschmerzzentrum.<br />
Dabei wird der genaue Verlauf der Migräne<br />
dokumentiert, der Stimulator eingestellt,<br />
und es werden Langzeiterfahrungen systematisch<br />
wissenschaftlich ausgewertet. Im<br />
Rahmen einer multinationalen Analyse können<br />
so die Behandlungsergebnisse über<br />
mehrere Jahre beobachtet und bewertet<br />
werden. Ob die Möglichkeit einer peripheren<br />
Nervenstimulation in Form der Occipitalis-Stimulation<br />
im Einzelfall helfen kann,<br />
kann nur durch eine eingehende spezialisierte<br />
neurologisch-schmerztherapeutische<br />
Untersuchung geklärt werden.<br />
Wenn die Schulter schmerzt<br />
Kopfschmerzbibel neu aufgelegt<br />
SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />
Abb. 1: Der Neurostimulator – Hoffung für<br />
Patienten mit chronischer Migräne?<br />
Dazu haben wir an der <strong>Schmerz</strong>klinik Kiel<br />
eine Spezialsprechstunde eingerichtet. Experten<br />
für Neurostimulation und Migräne analysieren<br />
eingehend den bisherigen Behandlungsverlauf,<br />
sowie die <strong>Therapie</strong>möglichkeiten<br />
mit dieser neuen Form der Vorbeugung bei<br />
chronischer Migräne. Weitere Informationen<br />
unter www.schmerzklinik.de. ■<br />
Hartmut Göbel, Kiel<br />
— Die konservative Behandlung von Schultererkrankungen, die postoperative<br />
Nachsorge und viele weitere Fragen rund um das Thema<br />
Schulterschmerzen sind Inhalt dieses Buches. Wer in seiner Praxis<br />
viele Patienten mit hartnäckigen Schultererkrankungen betreut, dem<br />
kann dieses Werk wärmstens empfohlen werden. StK<br />
Magosch, Petra (Hrsg.); Scheiderer, Wolf Dieter (Hrsg.); Habermeyer, Peter (Hrsg.);<br />
Lichtenberg, Sven (Hrsg.): Konservative <strong>Therapie</strong> und Rehabilitation von Schultererkrankungen<br />
mit Zugang zum Elsevier-Portal, 480 farb. Illustrationen, 149,00 €,<br />
ISBN 978-3-437-24195-6, 2011, Elsevier Verlag, München.<br />
— In der 3. komplett überarbeiteten Aufl age dieses Standardwerkes<br />
zeigen Behandlungspfade das optimale Vorgehen in der Kopfschmerztherapie.<br />
Erläuterungen von möglichen Komplikationen und Fallstricken<br />
helfen, den Behandlungserfolg zu sichern. Das Praxisbuch ist ein<br />
absoluter Gewinn für jeden Arzt oder Therapeuten, der Patienten mit<br />
Kopfschmerzen behandelt. StK<br />
Göbel, Hartmut: Die Kopfschmerzen. Ursachen, Mechanismen, Diagnostik und<br />
<strong>Therapie</strong> in der Praxis. 3. Aufl . <strong>2012</strong>, <strong>2012</strong>, X, 794 S., 401 Abb., Geb. , ISBN 978-3-<br />
642-20694-8, 249,00 €, Springer Verlag, Heidelberg.<br />
INFO-Telegramm<br />
Neurologie<br />
HIV-Patienten leiden<br />
Patienten mit HIV und antiretroviraler Medikation<br />
leiden in Thailand immer häufiger an<br />
chronischen <strong>Schmerz</strong>en, die nicht ernst genommen<br />
werden. Dies ergab eine Studie an<br />
254 HIV-Patienten von N. M. Robbins et al.<br />
Die Autoren fordern auch bei dieser Grunderkrankung,<br />
die <strong>Schmerz</strong>en effektiver zu behandeln,<br />
um die Lebensqualität dauerhaft zu<br />
erhöhen.<br />
Pain Symptom Manage <strong>2012</strong>, Sep 28,<br />
doi: S0885-3924(12)00358-2.<br />
Intramuskuläres Morphin zur<br />
postoperativen Analgesie<br />
Intramuskuläres Morphin reduziert bei der<br />
postoperativen Analgesie ebenso gut wie<br />
intravenöses Morphin und intranasales Fentanyl<br />
die postoperativen <strong>Schmerz</strong>en nach<br />
einer beidseitigen Parazentese mit Röhrchenimplantation<br />
bei Kindern. Intramuskuläres<br />
Morphin ist bei Kindern, die sich diesem sehr<br />
häufigen Eingriff unterziehen müssen, nach<br />
einer doppelblinden Studie von H. K. Hippard<br />
et al. am einfachsten und birgt zudem nicht<br />
die Gefahr der Risiken eines Laryngospasmus<br />
wie intranasale Medikamente, die auch die<br />
Stimmbänder irritieren können.<br />
Anesth Analg <strong>2012</strong>,115(2):356–63.<br />
Mit Mexiletin gegen die Myotonie<br />
Mexiletin in einer Dosis von oral 200 mg dreimal<br />
täglich für vier Wochen reduziert die<br />
Steifheit bei nicht dystrophischer Myotonie.<br />
Dies ergab eine randomisierte doppelblinde<br />
Crossover-Studie an 59 Patienten dieser seltenen<br />
Krankheit , die an sieben neuromuskulären<br />
Zentren von vier Ländern von J. M. Statland<br />
et al. durchgeführt wurde.<br />
JAMA <strong>2012</strong>,308(13):1357–65.<br />
Sakralnervenstimulation löst<br />
Halsschmerzen<br />
Die Behandlung einer Harnretention mit einer<br />
Sakralnervenstimulation mit Elektroden,<br />
die korrekt auf Höhe des S3-Foramens platziert<br />
wurden, linderten bei einem 58-jährigen<br />
Mann gleichzeitig <strong>Schmerz</strong>en in der<br />
Zervikal- und Lumbalregion. Sobald die Stimulationstherapie<br />
beendet wurde, traten die<br />
Beschwerden wieder auf und bei erneuter<br />
Stimulaton nahmen sie wieder ab. Mit diesem<br />
Fallbeispiel weisen J.R. Hoyt et al. auf die<br />
Komplexität der menschlichen Neurophysiologie<br />
hin. Weitere Forschungen müssen klären,<br />
ob sich damit auch neue <strong>Therapie</strong>modalitäten<br />
für Patienten mit Entleerungsstörungen<br />
und <strong>Schmerz</strong>syndromen ergeben.<br />
Clin J Pain <strong>2012</strong>,28:519–526.<br />
19
Palliativmedizin<br />
<strong>Schmerz</strong>therapie und Palliativversorgung bei<br />
sterbenden Schlaganfallpatienten<br />
Schlaganfälle sind die dritthäufigste Todesursache in europäischen Ländern.<br />
Sie sind außerdem die führende Ursache dauernder Behinderung. Etwa 80–85 %<br />
der Schlaganfälle entstehen durch Ischämien, weitere 15–20 % durch Blutungen<br />
in das Gehirngewebe. Trotz der Verbesserungen der Schlaganfallbehandlung mit<br />
Einführung der „Stroke units“ und der Lysetherapie, wird es nach wie vor eine<br />
große Zahl an Menschen geben, die einen Schlaganfall nicht überleben. Wie<br />
Schlaganfallpatienten in der palliativen Situation zu betreuen sind, erläutert<br />
Dr. Christoph Gerhard, Oberhausen.<br />
Jährlich erleiden ca. 250 000 Menschen in<br />
Deutschland einen Schlaganfall. Die Art<br />
der neurologischen Ausfälle hängt von der betroffenen<br />
Hirnregion bzw. dem betroffenen<br />
Gefäßversorgungsgebiet ab (Tab. 1). Fast<br />
50.000 Menschen pro Jahr sterben an den<br />
Folgen des Schlaganfalls, nach Angaben der<br />
Website der <strong>Deutsche</strong>n Schlaganfallhilfe<br />
(Schlaganfallhilfe 2010) ca. 40 000 davon in<br />
der Akutphase innerhalb der ersten vier Wochen.<br />
Nur die wenigsten dürften eine Palliativbetreuung<br />
erhalten.<br />
Palliative Bedürfnisse klären<br />
Schaut man in die internationale Fachliteratur,<br />
so findet man wenige Veröffentlichungen zu<br />
diesem Thema (Gerhard 2011). Eine neuere<br />
Studie (Burton et al. 2010) unterstreicht, dass<br />
Schlaganfallpatienten viele palliative Bedürfnisse<br />
haben. Eine Literaturrecherche in Datenbanken<br />
(pubmed) mit den Suchwörtern „stroke“<br />
und „palliative care“ bzw. „palliative medicine“<br />
ergab nur 116 „Treffer“, von denen lediglich<br />
28 Studien nach Durchsicht der Abstracts<br />
für das Thema tatsächlich relevant waren (Ger<br />
Tab. 1: Gefäßversorgungsgebiete und deren typische Ausfälle.<br />
Arteria cerebri media<br />
(mittlere Hirnschlagader)<br />
Arteria cerebri anterior<br />
(vordere Hirnschlagader)<br />
Arteria cerebri posterior<br />
(hintere Hirnschlagader<br />
hard 2010). Fassen wir die Studienlage zusammen,<br />
so wird klar, dass bisher wenig bis gar<br />
kein systematisiertes Wissen über die Bedürfnisse<br />
von sterbenden Schlaganfallpatienten<br />
und ihren Zugehörigen bekannt ist (Stevens<br />
2007).<br />
Studien zeigten jedoch, dass durch Richtlinien<br />
oder Pathways, die aus der Palliativbetreuung<br />
von Tumorpatienten abgeleitet wurden,<br />
ein höherer palliativer Versorgungsgrad<br />
auch für Patienten mit Schlaganfall erreicht<br />
werden kann (Blacquiere et al. 2009 und Jack<br />
et al. 2004). Es bleibt die Frage offen, ob diese<br />
Richtlinien tatsächlich die palliativen Bedürfnisse<br />
der Betroffenen abdecken.<br />
Die am häufigsten verwendeten Medikamente<br />
waren in der Literatur Morphin (93,6 %)<br />
und Scopolamin (81,9 %). Sondenernährung<br />
oder intravenöse Flüssigkeitsgaben wurden<br />
bei ca. 90 % der Betroffenen abgesetzt oder<br />
nie begonnen (Blacquiere et al. 2009).<br />
Sprachverständnis gestört<br />
In der Diagnostik ist es entscheidend, im einfühlsamen<br />
Dialog <strong>Schmerz</strong>en und Symp tome<br />
Auf der gegenüberliegenden Seite:<br />
• halbseitige Lähmung (evtl. an Gesicht und Arm betont)<br />
• halbseitige Sensibilitätsstörung<br />
• evtl. Sprachstörungen<br />
Auf der gegenüberliegenden Seite:<br />
• beinbetonte Lähmung<br />
• beinbetonte Sensibilitätsstörung<br />
Auf der gegenüberliegenden Seite:<br />
• halbseitige Gesichtsfeldeinschränkungen<br />
Hirnstammschlagadern Sogenannte gekreute Symptome<br />
z.B. auf der einen Seite Gesichtslähmung oder Augenmuskellähmung,<br />
auf der anderen Seite Lähmung der Körperhälfte<br />
Christoph Gerhard,<br />
Oberhausen<br />
in den genannten vier Dimensionen des Total<br />
Pain Konzepts (körperlich, psychisch, sozial,<br />
spirituell, vgl. Saunders und Baines 1991) aufzuspüren.<br />
Auf <strong>Schmerz</strong>, Luftnot, Obs tipation,<br />
Muskelverspannung, Fatigue u.a. muss besonders<br />
durch gezieltes Nachfragen, mit einfühlender<br />
Beobachtung und mit Hilfe von<br />
Symptomerfassungsskalen geachtet werden.<br />
Die Betroffenen sind aufgrund von Sprachstörungen,<br />
Bewusstseinsstörungen oder kognitiven<br />
Veränderungen oft nicht in der Lage, in<br />
eindimensionalen Skalen ihre Beschwerden<br />
anzugeben. Es besteht die Gefahr, dass sie aufgrund<br />
der Sprachverständnisstörungen die an<br />
sie gestellten Fragen falsch verstehen und<br />
demzufolge falsch beantworten. Bei einigen<br />
sprachgestörten Schlaganfallpatienten kann<br />
es, da nur noch eines der Wörter „Ja“ bzw.<br />
„Nein“ verfügbar ist, leicht zu falschen Antworten<br />
kommen.<br />
Gezielte Beobachtung erforderlich<br />
Lähmungen sowohl der mimischen Muskulatur<br />
als auch des Körpers verändern mimische<br />
Ausdrucksbewegungen und die Körpersprache.<br />
Da Schlaganfallpatienten meist nur halbseitige<br />
Lähmungen haben, ist oft die gezielte<br />
Beobachtung der ungestörten Seite hilfreich.<br />
Besonders schwierig ist die <strong>Schmerz</strong> und<br />
Symptombeurteilung bei Menschen mit<br />
Pseudobulbärparalyse, da sie überschießende<br />
mimische Ausdrucksbewegungen haben. Aus<br />
einem kurzen Lächeln wird ein ausgedehntes<br />
anhaltendes Lachen, das nicht mehr der eigentlichen<br />
Emotion entspricht oder aus einem<br />
traurigen Blick wird ein unsteuerbares heftiges<br />
Weinen (pathologisches Lachen und Weinen).<br />
<strong>Schmerz</strong>en und andere Symptome, die sonst<br />
meist eher unterschätzt werden, können in<br />
dieser Situation aufgrund der überschießenden<br />
mimischen Ausdrucksbewegungen<br />
leicht überschätzt werden.<br />
20 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)
<strong>Schmerz</strong> kann sich auch in Unruhe, Depression,<br />
Aggressivität, Schlaflosigkeit oder<br />
Nahrungsverweigerung äußern. Daher müssen<br />
nach Art einer „phänomenologischen<br />
<strong>Schmerz</strong>erfassung“ alle Hinweise aus der einfühlsamen<br />
Beobachtung, aus dem sozialen<br />
Umfeld etc. zusammengetragen und bewertet<br />
werden (Gerhard 2010b).<br />
Koma nicht schmerzlos<br />
Die Symptome komatöser Schlaganfallpatienten<br />
sind schwierig einzuschätzen. Oft wird<br />
hier der Fehler gemacht, davon auszugehen,<br />
dass Menschen im Koma keine <strong>Schmerz</strong>en<br />
oder andere Symptome empfinden. Gerade<br />
für die <strong>Schmerz</strong>erfassung beim komatösen<br />
Menschen eignet sich die ZOPA(Zürich Observational<br />
Pain Assessment)Skala besonders<br />
gut (Handel 2009). Als Verhaltensmerkmale<br />
gelten<br />
• Lautäußerungen,<br />
• Geschichtsausdruck,<br />
• Körpersprache und<br />
• physiologische Indikatoren.<br />
Eine schmerzreduzierende Maßnahme wird<br />
bereits eingeleitet und auf seine Wirkung hin<br />
kontrolliert, wenn nur ein Verhaltensmerkmal<br />
vorliegt, das auf <strong>Schmerz</strong> hinweist.<br />
Vorerkrankungen weiterbehandeln<br />
Gibt es aus der Krankenbeobachtung oder der<br />
Vorgeschichte Hinweise auf <strong>Schmerz</strong>probleme<br />
(z.B. bekanntes Rheuma, bekannte Rückenschmerzen),<br />
sollte in jedem Fall eine<br />
<strong>Schmerz</strong>behandlung durchgeführt werden.<br />
Die Veränderungen (z.B. entspanntere Gesichtszüge,<br />
langsamere Atmung, weniger<br />
Schwitzen etc.) in der Verlaufsbeobachtung<br />
können dann zur Evaluierung und Anpassung<br />
der <strong>Schmerz</strong>therapie genutzt werden.<br />
<strong>Schmerz</strong>therapie<br />
Die allgemeinen Prinzipien der <strong>Schmerz</strong> und<br />
Symptombehandlung können grundsätzlich<br />
auch für Schlaganfallpatienten genutzt werden.<br />
Dennoch sind zahlreiche Besonderheiten<br />
zu beachten. Sowohl in aktuellen Studien<br />
(Mazzocato et al. 2009) als auch in unserer<br />
klinischen Praxis sind vorrangig beobachtete<br />
Symptome somatisch nozizeptive<br />
<strong>Schmerz</strong>en infolge von Lähmungen (z.B. das<br />
häufige SchulterArmSyndrom) oder Kopfschmerzen<br />
aufgrund von Hirndruck. Zentral<br />
neuropathische Schmer zen (z.B. Thalamusschmerzsyndrom)<br />
sind selten. Dementsprechend<br />
werden häufig Stufe1Analgetika<br />
(nach WHOSchema), die bei somatischem<br />
Nozizeptorschmerz gut wirksam sind, eingesetzt<br />
und gegebenenfalls durch Opioide ergänzt.<br />
NSAR sind sowohl wegen ihres Neben<br />
SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />
wirkungsprofils als auch wegen der Interaktionen<br />
mit dem häufig sekundärprophylaktisch<br />
verwendeten ASS problematisch.<br />
Metamizol bei Nozizeptorschmerz<br />
Metamizol ist das bevorzugte Stufe1Analgetikum.<br />
Es kann bei den häufig schluckgestör <br />
t en und/oder komatösen Betroffenen auch als<br />
subkutane Dauerinfusion verabreicht werden.<br />
Zu beachten ist, dass bei Nichttumorschmerz<br />
die therapeutische Breite zwischen Unter und<br />
Überdosierung für Opioide oft wesentlich geringer<br />
ist als bei Tumorpatienten. Sedierende<br />
oder kognitive Nebenwirkungen wirken sich<br />
bei ohnehin schon diesbezüglich eingeschränkten<br />
Patienten besonders gravierend<br />
aus. Manche <strong>Schmerz</strong>en, z.B. durch Spastik<br />
oder durch Überbeanspruchung des Bewegungsapparats,<br />
treten nur bei Belastung auf<br />
(Incident Pain).<br />
Bei Neuropathien Opioide und<br />
Koanalgetika<br />
Neuropathische <strong>Schmerz</strong>en sprechen kaum<br />
auf Stufe1Analgetika an. Sie werden nach<br />
anerkannten Prinzipien mittels Koanalgetika<br />
behandelt. Je nach Art des neuropathischen<br />
<strong>Schmerz</strong>es erfolgt die gezielte Behandlung.<br />
Falls ein neuralgiformer, Sekunden dauernder,<br />
sich nur in Attacken äußernder<br />
<strong>Schmerz</strong> vorliegt, werden Antikonvulsiva<br />
(Carbamazepin, Oxcarbazepin, Gabapentin,<br />
Pregabalin) eingesetzt und falls ein brennender<br />
Dauerschmerz vorliegt, besteht die<br />
<strong>Therapie</strong> aus Antidepressiva (Amitritylin,<br />
Nortriptylin, Venlaflaxin) oder Gabapentin<br />
bzw. Pregabalin oft in Kombina tion mit Opioiden.<br />
Medikamente, die Opioid und „koanalgetische“<br />
Wirkungen vereinen, wie z.B. Tramadol<br />
(z.B. Tramal®), Tapentadol (z.B. Palexia®)<br />
und Levomethadon (z.B. LPolamidon®)<br />
werden teilweise genutzt und sind vorteilhaft,<br />
da die Zahl der verabreich ten Medikamente<br />
verringert werden kann.<br />
Mit Scopolamin gegen Lungenrasseln<br />
Terminales Lungenrasseln (death rattle) ist<br />
gerade bei sterbenden Schlaganfallpatienten<br />
häufig. Die <strong>Therapie</strong> mit (NButyl)Scopolamin<br />
(z.B. Buscopan®) und gleichzeitiger Flüssigkeitsrestriktion<br />
ist, rechtzeitig begonnen,<br />
erfolgreich. Das gewohnheitsmäßige, unkritische<br />
und für die Betroffenen so quälende<br />
Absaugen wird damit meistens vermieden.<br />
Aus palliativer Sicht ist das Absaugen ungüns<br />
tig, weil es den Sterbenden sehr belastet,<br />
die Lebensqualität einschränkt und nicht<br />
sehr effektiv ist, da durch den Reiz des Absaugens<br />
eine neuerliche Sekretproduktion begünstigt<br />
werden kann.<br />
Palliativmedizin<br />
Tab. 2: Häufige Ursachen für <strong>Schmerz</strong>en<br />
bei Schlaganfallpatienten und deren Behandlung.<br />
<strong>Schmerz</strong> durch Fehlbelastung des<br />
Bewegungsapparates (z.B. Schulter-Arm-Syndrom):<br />
• Medikamentöse <strong>Therapie</strong> nach dem<br />
WHOStufenschema<br />
• Krankengymnastik<br />
• Lagerung<br />
• Problemfall „Incident Pain“ (<strong>Schmerz</strong>en nur bei<br />
körperlicher Belastung):<br />
evtl. kurz und schnellwirkende Opioide (cave:<br />
„OffLabelUse“)<br />
<strong>Schmerz</strong> durch Spastik:<br />
• Antispastika<br />
• Krankengymnastik<br />
• Medikamentöse <strong>Schmerz</strong>therapie nach dem<br />
WHO Stufenschema<br />
<strong>Schmerz</strong> durch Schädigung zentraler schmerzleitender<br />
oder verarbeitender Strukturen z.B.<br />
im Thalamus oder Parietalhirn (zentral neuropathischer<br />
<strong>Schmerz</strong>)<br />
• Koanalgetika (z.B. Amitriptylin, Gabapentin,<br />
Pregabalin, Duloxetin, Venlafaxin)<br />
• Opioide (WHO Stufenschema, Opioide der Stufen<br />
2 oder 3)<br />
• Medikamente, die Opiodwirkung und „koanalgetische“<br />
Wirkung haben (Tramadol, Levomethadon,<br />
Tapentadol)<br />
Tab. 3: Typische Symptome sterbender<br />
Schlaganfallpatienten und deren <strong>Therapie</strong>möglichkeiten.<br />
Luftnot<br />
Opioide (Sauerstoffgabe meist ineffizient)<br />
Terminales Lungenrasseln<br />
• (Butyl)Scopolamin<br />
• Flüssigkeitsrestriktion<br />
Übelkeit, Erbrechen<br />
• <strong>Therapie</strong> des Hirndrucks, falls vorliegend<br />
• sonst symptomatische <strong>Therapie</strong><br />
Opioide gegen Luftnot<br />
Auch Dyspnoe ist ein häufiges Symptom sterbender<br />
Schlaganfallpatienten. In der <strong>Therapie</strong><br />
der Atemnot sind Opioide sehr erfolgreich.<br />
Dies ist nicht verwunderlich, da meist eine verminderte<br />
Atemarbeit die Ursache der Luftnot<br />
ist und zu vermindertem Abatmen des Kohlendioxids<br />
(Hyperkapnie) führt. Opioide „ökonomisieren“<br />
hier die Atmung und führen erst<br />
in einer deutlich höheren Dosis zu einer Atemdepression<br />
(Clemens und Klaschik 2007). Sauerstoffgaben,<br />
wie sie häufig unkritisch vorgenommen<br />
werden, trocknen den Mund aus und<br />
führen dadurch zu Durstgefühlen. Sie sind<br />
meist ohne Erfolg und eine reine Placebomaß<br />
21<br />
Mod. n. Gerhard 2011<br />
Mod. n. Gerhard 2011
Palliativmedizin<br />
nahme, da in den allermeisten Fällen keine<br />
mangelnde Sauerstoffsättigung vorliegt.<br />
Übelkeit und Erbrechen entstehen bei<br />
sterbenden Schlaganfallpatienten häufig<br />
durch den erhöhten Hirndruck (z.B. durch<br />
den raumfordernden Schlaganfall oder die<br />
raumfordernde Blutung). Deshalb steht dann<br />
die <strong>Therapie</strong> des Hirndrucks im Vordergrund.<br />
Zur Hirndrucktherapie werden bei Schlaganfallpatienten<br />
üblicherweise Osmotherapeutika,<br />
z.B. Mannit eingesetzt und ggf. eine Kraniektomie<br />
durchgeführt, also an der betroffenen<br />
Seite die Schädeldecke entfernt, um<br />
Platz zu schaffen.<br />
Fazit<br />
Zusammenfassend stellt die palliative und<br />
schmerztherapeutische Betreuung sterbender<br />
Schlaganfallpatienten große Herausforderungen<br />
an die Angehörigen und das<br />
Behandlungsteam. Ein Vorgehen nach Richtlinien<br />
und Pathways kann im Alltag unterstützend<br />
wirken, wie mehrere Studien zeigten<br />
(Blacquiere et al. 2009 und Jack et al. 2004).<br />
Geeignet erscheint deshalb an dieser Stelle<br />
die Formulierung eines klaren Konzepts zur<br />
strukturierten Betreuung sterbender Schlag<br />
Patienten mit multipler Sklerose (MS) haben häufiger <strong>Schmerz</strong>en als Nichtbetroffene.<br />
Obwohl sie schmerztherapeutisch besser versorgt sind als die Normalbevölkerung,<br />
besteht dennoch Verbesserungsbedarf. Dies ergab eine aktuelle<br />
Studie von Christoph Gerhard, Oberhausen und Kompetenzzentrum Palliativmedizin<br />
der Universität Duisburg/Essen, Bettina Kraft, Essen, Jennifer Sprick<br />
und Elke Schel (beide Fa. Merck Serono).<br />
Insgesamt wurden 156 MSerkrankte Teilnehmer<br />
eines BetainterferonPatientenbetreuungsprogramms<br />
(Rebistar) und 52<br />
Normalpersonen mittels eines Fragebogens<br />
von darin geschulten Personen nach<br />
<strong>Schmerz</strong>en, <strong>Schmerz</strong>therapie und <strong>Schmerz</strong>stärke<br />
(numerische [NRS] bzw. verbale<br />
Rangskala [VRS]) befragt. Außerdem wurde<br />
erfasst, wie lange die Betroffenen an der<br />
multiplen Sklerose erkrankt sind.<br />
Fast jeder zweite MS-Kranke leidet<br />
an <strong>Schmerz</strong>en<br />
Bezüglich der Geschlechtsverteilung waren<br />
die Normalgruppe (69,2 % Frauen, 30,8 %<br />
Männer) und die Patientengruppe (77,6 %<br />
Frauen, 22,4 % Männer) ähnlich. Der Alters<br />
anfallpatienten, das folgende Schritte vorsieht<br />
(Gerhard 2011):<br />
• Einschätzung des Schlaganfallpatienten als<br />
möglicherweise sterbend und palliativ zu<br />
betreuen aufgrund der Klinik, des klinischen<br />
Verlaufs und der bildgebenden Befunde<br />
• Kommunikation mit dem Betroffenen bzw.<br />
den Vorsorgebevollmächtigten/Angehörigen<br />
über die Diagnose, Prognose und die<br />
neurologischerseits anzubietende <strong>Therapie</strong><br />
• Erfragen von mutmaßlichen Willensäußerungen,<br />
Patientenverfügungen, Vollmachten<br />
etc.<br />
• Ethische Entscheidungsfindung mit dem Betroffenen,<br />
den Vorsorgebevollmächtigen, im<br />
Familiengespräch und/oder im Team. Eventuell<br />
Benutzung z.B. des Modells von Jonsen<br />
et al. oder des Nijmegener Modell der<br />
ethischen Fallbesprechung<br />
• Überprüfung der aktuellen Diagnostik und<br />
<strong>Therapie</strong>, Absetzen nicht notwendiger Maßnahmen<br />
und Einsatz vorausschauend palliativer<br />
Medikamente auch als Bedarfsmedikation<br />
nach dem DNA Prinzip der WHO (D =<br />
durch den Mund, N = ´nach der Uhr, A = Analgetikaschema)<br />
möglichst oral oder subkutan<br />
<strong>Schmerz</strong>en bei multipler Sklerose<br />
durchschnitt lag in der Patientengruppe bei<br />
40,1 Jahren und in der Normalgruppe bei<br />
51,7 Jahren.<br />
In dieser Studie ergab sich für die MS Betroffenen<br />
eine <strong>Schmerz</strong>prävalenz von 46,1 %<br />
und für die Normalpersonen von 30,8 %. Das<br />
Auftreten der <strong>Schmerz</strong>en war weitgehend<br />
unabhängig von der Krankheitsdauer. Es lag<br />
bei 50 % (0–5 Jahre), 37,5 % (6–10 Jahre),<br />
48,1 % (11–20 Jahre) bzw. 50 % (> 20 Jahre).<br />
Der durchschnittliche NRS lag für die von<br />
<strong>Schmerz</strong> Betroffenen in der Patientengruppe<br />
bei 4,9 und in der Normalgruppe bei 6,3.<br />
MSBetroffene mit <strong>Schmerz</strong>en erhielten<br />
häufiger (72,6 %) eine <strong>Schmerz</strong>therapie als<br />
Personen in der Kontrollgruppe mit <strong>Schmerz</strong>en<br />
(41,7 %).<br />
• Klären der pflegerischen, psychosozialen<br />
und spirituellen Bedürfnisse mit den Betroffenen<br />
und/oder Angehörigen<br />
• Kontinuierliche Begleitung durch mindestens<br />
tägliche Visiten unter palliativen Gesichtspunkten,<br />
falls ein eigenes palliatives<br />
Team vorhanden ist, enge Absprachen mit<br />
den Primärbehandlern (Stationsärzten, Pflegenden,<br />
etc.) und den Angehörigen<br />
• Tägliche Evaluationen: Sowohl die Prognose<br />
anhand des Verlaufs als auch die eingeschlagenen<br />
palliativen Maßnahmen müssen<br />
ebenso wie die weitere Planung täglich sowohl<br />
aus neurologischer wie auch aus palliativer<br />
Sicht reevaluiert und angepasst werden.<br />
• Unmittelbare Sterbephase: Anpassung der<br />
Medikation (z.B. Medikamente gegen Rasselatmung,<br />
Änderung der Symptombehandlung),<br />
Benachrichtigung der Angehörigen,<br />
Freunde, Seelsorge (ggf. Krankensalbung)<br />
• Nach dem Tod des Patienten: Gesprächsangebote<br />
an Angehörige, Verweis auf Trauergruppen<br />
und Angebote ambulanter Hospizdienste.<br />
■<br />
Christoph Gerhard, Oberhausen<br />
20 der 73 (27,4 %) MSBetroffenen, die<br />
<strong>Schmerz</strong>en bejahten, erhielten keine<br />
<strong>Schmerz</strong>therapie. Der durchschnittliche NRS<br />
der nicht therapierten Personen lag bei 4,5.<br />
In der Normalgruppe erhielten dagegen sogar<br />
7 von 12 Personen (58,3 %) mit <strong>Schmerz</strong>en<br />
keine <strong>Schmerz</strong>therapie (durchschnittlicher<br />
NRS: 4,9).<br />
In der Patientengruppe fiel auf, dass vor<br />
allem die weniger als fünf Jahre lang Erkrankten<br />
mit <strong>Schmerz</strong>en mit 11/36 = 30,6 %<br />
häufiger keine <strong>Schmerz</strong>therapie erhielten,<br />
wogegen die 6–10 Jahre bzw. 11–20 Jahre<br />
Erkrankten mit <strong>Schmerz</strong>en nur in 13,3 (2/15)<br />
bzw. 23,1 % (3/13) der Fälle keine <strong>Schmerz</strong>therapie<br />
erhielten.<br />
Es dürfte daher wichtig sein, besonders<br />
bei den erst seit Kurzem Erkrankten (< 5 Jahre)<br />
auf eine gute <strong>Schmerz</strong>erfassung zu achten.<br />
Da viele dieser Patietnen eine immunmoduliernde<br />
<strong>Therapie</strong> erhalten, könnten<br />
diese Betroffenen gut durch Patientenbegleitprogramme<br />
erreicht werden. ■<br />
Christoph Gerhard, Oberhausen<br />
22 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)
Pflege und <strong>Schmerz</strong> –<br />
eine tagtägliche Katastrophe<br />
In Altenheimen und generell in der Pflege alter Menschen leiden erheblich<br />
mehr Menschen an chronischen <strong>Schmerz</strong>en als in der Normalbevölkerung. Ihre<br />
schmerztherapeutische Versorgung lässt massiv zu wünschen übrig. In diese<br />
Problematik führt SanRat Dr. med. Oliver M. D. Emrich, Leiter des DGS <strong>Schmerz</strong>zentrums<br />
Ludwigshafen und Vizepräsident der DGS, ein.<br />
Die Prävalenz von chronischen <strong>Schmerz</strong>en<br />
bei betagten Patienten wird auf<br />
50–80 % geschätzt. Seit 2005 ist ein „Pflegestandard<br />
<strong>Schmerz</strong>“ (zur Zeit in Überarbeitung)<br />
etabliert. Das deutsche Netzwerk für<br />
Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP)<br />
hat unter Federführung von Prof. Jürgen<br />
Osterbrink, Salzburg, Vorgaben und Empfehlungen<br />
entwickelt, wie ein <strong>Schmerz</strong>assessment<br />
in der Pflege, besonders bei alten<br />
kommunikationsgestörten Menschen,<br />
ablaufen sollte. In der Beobachtung sind wir<br />
in Deutschland noch sehr weit von einer Erfüllung<br />
der formulierten Vorgaben entfernt.<br />
Jeder zweite Ältere betroffen<br />
Leider gibt es nur sehr wenige bis gar keine<br />
belastbaren Daten zur Prävalenz von<br />
<strong>Schmerz</strong> im Alter und schon gar keine, die<br />
die häufigsten <strong>Schmerz</strong>ursachen valide differenzieren<br />
würden. Wenn wir Studien zugrundelegen,<br />
die zehn Jahre und älter sind,<br />
so scheint etwa jeder zweite ältere Patient<br />
an chronischen <strong>Schmerz</strong>en zu leiden. Dieser<br />
Anteil ist erheblich höher als in der jüngeren<br />
Population.<br />
SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />
Dafür verantwortlich ist wahrscheinlich<br />
in erster Linie die Degeneration und fortschreitende<br />
Funktionsminderung des Bewegungsapparates,<br />
allen voran des Muskel<br />
SehnenApparates, der Gelenke und Knochen.<br />
Folglich steht der Bewegungsapparat<br />
im Fokus des <strong>Schmerz</strong>es. Hinzu kommt<br />
sicherlich auch eine veränderte <strong>Schmerz</strong>wahrnehmung<br />
durch Veränderung der neuronalen<br />
Systeme und der kognitiven Prozesse.<br />
Der fulminante Endpunkt des neuronalen<br />
Abbaus ist die Demenz, deren Prävalenz<br />
bei über 100Jährigen derzeit auf ca.<br />
30–40 % taxiert wird, wobei sie bei 60Jährigen<br />
noch unter 1 % liegt. Die Demenz ist<br />
damit ein großes Problem einer zunehmenden<br />
alternden <strong>Gesellschaft</strong> und ein erhebliches<br />
praktisches Problem für das<br />
<strong>Schmerz</strong>assessment in der Altenpflege und<br />
im Umgang mit alten Menschen.<br />
Einfacheres <strong>Schmerz</strong>assessment<br />
gefragt<br />
Dies bedeutet auch, dass sehr umfangreiche<br />
Fragebogeninventare, wie der <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Schmerz</strong>fragebogen (DSF) und noch mehr<br />
Abb. 1: Prüfergebnisse des medizinischen Dienstes der Krankenversicherungen (MDK)<br />
Bayern für den Bereich „Pflege und medizinische Betreuung“ (0=gut, 5=mangelhaft).<br />
Prüfkriterien<br />
12<br />
„Erhalten Bewohner mit chronischen<br />
<strong>Schmerz</strong>en die verordneten<br />
Medikamente?“<br />
20<br />
„Erfolgt eine systematische<br />
<strong>Schmerz</strong>einschätzung?“<br />
21<br />
„Kooperiert das Pflegeheim bei<br />
<strong>Schmerz</strong>patienten eng mit dem<br />
behandelndem Arzt?“<br />
28<br />
27<br />
29<br />
26<br />
25<br />
30<br />
24<br />
31<br />
23<br />
32<br />
22<br />
33<br />
21<br />
34<br />
20<br />
35 Frage 1 2<br />
5<br />
19<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
18<br />
17<br />
3<br />
16<br />
4<br />
15<br />
5<br />
14<br />
6<br />
13<br />
7<br />
8<br />
12<br />
9<br />
10<br />
11<br />
Läßt sich ihr <strong>Schmerz</strong> messen?<br />
Geriatrie<br />
dessen Abwandlung durch die großen Fachgesellschaften<br />
besonders alte Menschen<br />
überfordern. Patienten mit demenziellen<br />
Erkrankungen sind im Proporz der mnestischenkognitiven<br />
Defizite gar nicht in der<br />
Lage, an dieser Stelle reliable Aussagen zu<br />
ihrem <strong>Schmerz</strong> zu formulieren, auch wenn<br />
sie überwiegend „nur Kreuzchen“ setzen sollen.<br />
Der Fokus liegt auf der<br />
Fremdbeobachtung<br />
In der praktischen Pflege wird deshalb die<br />
Fremdbeobachtung, aus der auf signifikante<br />
<strong>Schmerz</strong>en geschlossen werden kann, immer<br />
wichtiger. Seit 1992 bis heute wurden<br />
ca. 24 Erfassungsskalen entwickelt, die<br />
dieses Prob lem adressieren. Das gemeinsame<br />
Merkmal der meisten dieser Instrumente<br />
ist die Fremdbeobachtung durch die<br />
Pflegenden und Angehörigen. Hierfür werden<br />
bei schwer kommunikationsdefizienten<br />
Patienten folgende Faktoren erfasst:<br />
● ● der Gesichtsausdruck,<br />
● ● Lautäußerungen .<br />
● ● Körperbewegungen und<br />
● ● das Verhalten.<br />
Im Anschluss folgt die Bewertung in Punkten,<br />
was schließlich eine einigermaßen valide<br />
Einschätzung des <strong>Schmerz</strong>niveaus erlauben<br />
soll. Ein in Pflegeheimen und bei Sozialstationen<br />
häufig eingesetztes Manual ist der<br />
ECPA (Echelle comportementale de la douleur<br />
pour personnes ágées non communicantes,<br />
Tab. 1). Die großen <strong>Schmerz</strong>fachgesellschaften<br />
empfehlen die deutsche Übersetzung<br />
des PAINAD (Pain Assessment in<br />
Advanced Dementia – PAINAD Scale), der<br />
seit Jahren als BESD (Beurteilung von<br />
23<br />
© Wissmann Design / Fotolia.com
Geriatrie<br />
<strong>Schmerz</strong>en bei Demenz) in der Validierungsphase<br />
schwebt.<br />
Wann intervenieren?<br />
Allen diesen Instrumenten gemeinsam ist<br />
die schwer einzuschätzende Spezifität und<br />
Sensitivität der Beurteilung konkreter<br />
<strong>Schmerz</strong>en. Noch schwieriger ist es, Empfehlungen<br />
zu Interventionszeitpunkten und<br />
Art und Umfang der Intervention zu geben,<br />
die im Wesentlichen in der mehr oder weniger<br />
rationalen Verabreichung schmerzwirksamer<br />
Medikamente besteht.<br />
Andererseits bieten diese Inventare eine<br />
gute Grundlage zur Verlaufsbeobachtung.<br />
Dies ist im Endeffekt das Wesentliche für das<br />
zu erreichende Ziel, nämlich <strong>Schmerz</strong> bei<br />
kommunika tionsdefizitären Patienten zu lindern<br />
und deren Wohlbefinden zu stärken.<br />
Flächendeckende Versorgung<br />
katastrophal<br />
Das wesentliche Gütekriterium für <strong>Schmerz</strong>messung<br />
im Alter ist die einfache Handbarkeit<br />
von Fragebögen für alternde Menschen,<br />
die noch, aber vielleicht eingeschränkt, kommunizieren,<br />
und für das beobachtende Personal,<br />
bzw. für die Bezugspersonen, bei<br />
schwer oder gar nicht mehr kommunizierenden<br />
Menschen. Die Pflegerealität dagegen<br />
ist noch weit davon entfernt, dass Empfehlungen<br />
zum Umgang mit <strong>Schmerz</strong>en bei<br />
zu pflegenden bis hin zu schwer dementen<br />
Patienten flächendeckend als Standard eingeführt<br />
wären.<br />
Eine Umfrage des MDK Bayern aus 2010<br />
malt ein katastrophales Bild (Abb. 1) Zwar<br />
erhalten diese Patienten in der Regel ihre<br />
verordneten Medikamente, aber die Kooperation<br />
mit dem verschreibenden Arzt ist<br />
nicht besonders „eng“ und ein standardisiertes<br />
<strong>Schmerz</strong>assessment, in welcher Form<br />
auch immer, findet nur in den seltensten<br />
Fällen statt.<br />
Fokus des Frankfurter <strong>Schmerz</strong>- und<br />
Palliativtages<br />
Zusammenfassend kann man sagen, dass<br />
<strong>Schmerz</strong> in der Pflege und im Alter deutlich<br />
an Bedeutung zunimmt, aber obwohl Instrumente<br />
für ein Assessment, das diesen<br />
Namen verdient, vorhanden wären, dem<br />
Umfang dieses Problems kaum Rechnung<br />
getragen wird. Die deutsche <strong>Gesellschaft</strong> für<br />
<strong>Schmerz</strong>therapie (DGS) sieht hier ein<br />
Problem allerersten Ranges und widmet daher<br />
den nächsten <strong>Schmerz</strong> und Palliativtag<br />
dem Leitthema „<strong>Schmerz</strong> im Alter“ ■<br />
Oliver Emrich, Ludwigshafen<br />
Tab. 1: Die <strong>Schmerz</strong>skala ECPA – ein valides Instrument zur <strong>Schmerz</strong>messung bei älteren,<br />
kommunikationseingeschränkten Menschen.<br />
Dimension 1: Beobachtungen außerhalb der Pflege<br />
Item 1 – verbale Äußerungen (Stöhnen, Klagen, Weinen, Schreien)<br />
0 Patient macht keine Äußerungen<br />
1 <strong>Schmerz</strong>äußerungen, wenn der Patient angesprochen wird<br />
2 <strong>Schmerz</strong>äußerungen, sobald jemand beim Patienten ist<br />
3 spontane <strong>Schmerz</strong>äußerungen oder spontanes leises Weinen, Schluchzen<br />
4 spontanes Schreien bzw. qualvolle Äußerungen<br />
Item 2 – Gesichtsausdruck (Blick und Mimik)<br />
0 entspannter Gesichtsausdruck<br />
1 besorgter, gespannter Gesichtsausdruck<br />
2 ab und zu Verziehen des Gesichts, Grimassen<br />
3 verkrampfter und/oder ängstlicher Blick<br />
4 vollständig starrer Blick/Ausdruck<br />
Item 3 – spontane Ruhehaltung<br />
0 keinerlei Schonhaltung<br />
1 Vermeidung einer bestimmten Position bzw. Haltung<br />
2 Patient wählt eine Schonhaltung, Patient kann sich nicht bewegen<br />
3 Patient sucht erfolglos eine schmerzfreie Schonhaltung<br />
4 Patient ist vollständig immobil<br />
Dimension 2: Beobachtungen während der Pflege<br />
Item 4 – ängstliche Abwehr bei der Pflege<br />
0 Patient zeigt keine Angst<br />
1 ängstlicher Blick, ängstlicher Ausdruck<br />
2 Patient reagiert mit Unruhe<br />
3 Patient reagiert aggressiv<br />
4 Patient schreit, jammert, stöhnt<br />
Item 5 – Reaktionen bei der Mobilisation<br />
0 Patient steht auf bzw. lässt sich mobilisieren ohne spezielle Beachtung<br />
1 Patient hat gespannten Blick bzw. scheint Mobilisation und Pflege zu fürchten<br />
2 Patient klammert mit den Händen bzw. macht Gebärden bei der Mobilisation und Pflege<br />
3 Patient nimmt während der Mobilisation und Pflege eine Schonhaltung ein<br />
4 Patient wehrt sich gegen Mobilisation und Pflege<br />
Item 6 – Raktionen während der Pflege von schmerzhaften Zonen<br />
0 keinerlei negative Reaktionen während der Pflege<br />
1 Reaktionen während der Pflege, ohne weitere Bezeichnung<br />
2 Reaktionen beim Anfassen oder Berühren schmerzhafter Zonen<br />
3 Reaktionen bei flüchtiger Berührung schmerzhafter Zonen<br />
4 Unmöglichkeit, sich schmerzhaften Zonen zu nähern<br />
Item 7 – verbale Äußerungen während der Pflege<br />
0 keine Äußerungen während der Pflege<br />
1 <strong>Schmerz</strong>äußerungen, wenn man sich an den Patienten wendet<br />
2 <strong>Schmerz</strong>äußerungen, sobald der Pflegende beim Patienten ist<br />
3 spontane <strong>Schmerz</strong>äußerungen oder spontanes leises Weinen, Schluchzen<br />
4 spontanes Schreien bzw. qualvolle Äußerungen<br />
Dimension 3: Auswirkungen auf Aktivitäten<br />
Item 8 – Auswirkungen auf den Appetit<br />
0 keine Veränderung des Appetits<br />
1 leicht reduzierter Appetit, isst nur einen Teil der Mahlzeiten<br />
2 muss animiert werden, einen Teil der Mahlzeiten zu essen<br />
3 isst trotz Aufforderung nur ein paar Bissen<br />
4 verweigert jegliche Nahrung<br />
Item 9 – Auswirkungen auf den Schlaf<br />
0 guter Schlaf, beim Aufwachen ist der Patient ausgeruht<br />
1 Einschlafschwierigkeiten oder verfrühtes Erwachen<br />
2 Einschlafschwierigkeiten und verfrühtes Erwachen<br />
3 zusätzliches nächtliches Erwachen<br />
4 seltener oder fehlender Schlaf<br />
Item 10 – Auswirkungen auf die Bewegung<br />
0 Patient bewegt sich wie gewohnt<br />
1 Patient bewegt sich wie gewohnt, vermeidet aber gewisse Bewegungen<br />
2 seltenere/verlangsamte Bewegungen<br />
3 Immobilität<br />
4 Apathie oder Unruhe<br />
Item 11 – Auswirkungen auf die Kommunikation bzw. Kontaktfähigkeit<br />
0 üblicher Kontakt<br />
1 Herstellen von Kontakt erschwert<br />
2 Patient vermeidet Kontaktaufnahme<br />
3 Fehlen jeglichen Kontaktes<br />
4 Totale Indifferenz<br />
Gesamtanzahl der Punkte (0=kein <strong>Schmerz</strong>, 44=maximaler <strong>Schmerz</strong>)<br />
24 SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)
Chancen und Risiken der Social Media –<br />
Facebook, Google etc.<br />
Sich zu vernetzen ist in – oder doch schon wieder out? Vielen ist der unsensible<br />
Umgang mit persönlichen Daten unheimlich. Dass und wie Sie Social Media aber<br />
durchaus nutzbringend verwenden können, erläutert Hans-Jörg Andonovic-Wagner,<br />
der Webmaster DGS, AOS-Design, Eislingen.<br />
V orneweg<br />
SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />
Hans-Jörg<br />
Andonovic,<br />
Eislingen<br />
möchte ich zum Thema sagen,<br />
dass ich ein Mensch bin, dem seine Privatsphäre<br />
sehr wichtig ist. Das Wissen über<br />
meine Gewohnheiten und Vorlieben möchte<br />
ich gerne meiner Familie und guten Freunden<br />
vorbehalten. Daher pflege ich im privaten Bereich<br />
einen vorsichtigen Umgang mit sozialen<br />
Netzwerken. Aus unternehmerischer Sicht jedoch<br />
sehe ich die sozialen Netzwerke als einen<br />
tollen Zugewinn für das Marketingportfolio.<br />
Was ist eigentlich Facebook?<br />
Die Idee von Mark Zuckerberg war und ist einfach:<br />
Ermögliche es allen Menschen miteinander<br />
zu kommunizieren! Facebook ist im Grunde<br />
eine Software, mit der man sich gegenseitig<br />
Nachrichten schicken kann, mit ein paar<br />
Zusatzfunktionen. Die Software ist auf einem<br />
Server installiert und kann damit von jedem<br />
beliebigen Rechner weltweit angesteuert werden.<br />
Wohin gehen meine Daten?<br />
Alle Dateien, die bei Facebook hochgeladen<br />
werden, wie Texte, Bilder, Videos etc. können<br />
von Facebook frei dargestellt werden. Teilweise<br />
gehen sogar die Nutzungsrechte an Facebook<br />
über. Der Gerichtsstand ist – genau wie<br />
bei Google – Kanada. Der Grund ist einfach:<br />
Die Kanadier haben so gut wie keine Rechtsprechung<br />
zum Thema Datenschutz. Damit ist<br />
den Firmen Tür und Tor geöffnet, mit unseren<br />
Daten frei zu hantieren. Dazwischengeschaltet<br />
ist noch der europäische Firmensitz in Irland.<br />
Man sollte sich also zwei- bis dreimal überlegen,<br />
was man von sich preisgibt und was nicht.<br />
Ist das denn legal?<br />
Nach einigen Startschwierigkeiten und massiven<br />
datenschutzrechtlichen Auseinandersetzungen<br />
hat es Facebook bis zur Marktreife<br />
geschafft. Stand <strong>2012</strong> ist es das größte sozia le<br />
Netzwerk weltweit. Inzwischen hat Facebook<br />
sogar schon Google mit den Klickzahlen im<br />
Internet geschlagen. Die Frage nach der Legalität<br />
wurde von der Ergonomie weggespült.<br />
Zum Zeitpunkt der größten datenschutzrechtlichen<br />
Debatten (2010) waren aller Bedenken<br />
zum Trotz bereits ca. 14 Mio. deutsche User<br />
angemeldet. Dieses Rad ließ sich nicht mehr<br />
zurückdrehen. Es ist eine Frage der Zeit, bis<br />
unsere Gesetze daran angepasst werden.<br />
Wie kann ich Social Media<br />
für mich nutzen?<br />
Es gibt zwei Sorten von Konten, einmal die<br />
persönlichen Profile, zum anderen die Unternehmensseiten.<br />
Für eine Praxis eignet sich die<br />
Unternehmensseite hervorragend. Hier können<br />
allgemeine Informationen wie Öffnungszeiten,<br />
Behandlungsgebiete und Änliches<br />
eingetragen werden. Im Grunde können alle<br />
Informationen, die auch auf der „konventionellen“<br />
Homepage dargestellt sind, auch auf<br />
Facebook gelagert werden. Im Optimalfall<br />
wird einmal alle paar Tage eine kurze Meldung<br />
ausgegeben, um den Viralfaktor zu nutzen.<br />
Aber welche Praxis hat jeden Tag erwähnenswerte<br />
Neuigkeiten? Selbst einmal im Monat<br />
kann das schon richtig zu Arbeit werden.<br />
Ein schönes Beispiel finden Sie unter:<br />
• http://facebook.com/schmerz.bonn<br />
Was erwartet mich,<br />
wenn ich mitspielen will?<br />
Ohne Arbeit geht es nicht. Selbst wenn eine<br />
rein statisch aufgebaute Facebookseite vorliegt,<br />
muss man in regelmäßigen Abständen<br />
über das Projekt drüber schauen, ob unpassende<br />
Kommentare erscheinen (insofern man<br />
Kommentare anderer zugelassen hat) oder ob<br />
Facebook Änderungen vorgenommen hat, die<br />
eine Aktion des Seiteninhabers notwendig<br />
Internet<br />
machen. Auch Änderungen der Rechtslage<br />
sind im Auge zu behalten.<br />
Der Optimalfall ist ein Facebookaccount, in<br />
dem einmal im Monat oder auch öfters eine<br />
Meldung erscheint: die neue Fortbildung, die<br />
neue Behandlungsmethode, der Betriebsurlaub<br />
oder personelle Änderungen. Bevor man<br />
sich darauf einlässt, sollte man sich den redaktionellen<br />
Aufwand klar vor Augen führen.<br />
Gibt es noch andere lohnende<br />
Register?<br />
Es sind einige Anbieter auf dem Markt, bei denen<br />
man aus marketingtechnischer Sicht mitmachen<br />
sollte und die man zu einem netten<br />
Gespann zusammenführen kann: Neben Facebook<br />
stellt ein GoogleBlog in Kombination mit<br />
Google+ eine hervorragende Möglichkeit dar,<br />
Informationen nach außen zu tragen. Und<br />
dann gibt es noch Twitter – der Kurznachrichtendienst.<br />
Nun sollte man denken, dass bei mehreren<br />
Registern der Pflegeaufwand steigt – weit gefehlt.<br />
Das Internet bietet hier einige sehr gute<br />
Automationsmöglichkeiten. Ein Eintrag im<br />
Blog wird vollautomatisch an die Homepage,<br />
an Facebook, Google+ und Twitter weitergegeben.<br />
• http://schmerzliga.blogspot.com<br />
• http://facebook.com/schmerzliga<br />
• http://twitter.com/schmerzliga<br />
• http://www.schmerzliga.de<br />
Hiermit haben Sie mit moderatem Aufwand<br />
die wichtigsten Register inkl. Ihrer eigenen<br />
Homepage sauber beschickt. Jedes der Register<br />
ist wiederum mit Ihrer Homepage verlinkt.<br />
Sind Sie nicht im „Facebook Kontinent“ vertreten,<br />
geht der komplette Markt an Ihnen vorbei,<br />
ohne Sie zu registrieren.<br />
Sie dürfen keine Wunder von den sozialen<br />
Netzwerken erwarten, aber die Besucherzahlen<br />
Ihrer Homepage werden sich mittelfristig<br />
merklich steigern und Ihr Unternehmen wird<br />
sichtlich davon profitieren.<br />
■<br />
Hans-Jörg Andonovic, Eislingen<br />
25
26<br />
Kasuistik<br />
Spezifische <strong>Therapie</strong> für<br />
unspezifische <strong>Schmerz</strong>en?<br />
Sogenannte unspezifische Rückenschmerzen lassen Patient und Arzt häufig<br />
verzweifeln. Von Leitlinien empfohlene <strong>Therapie</strong>n schließen die Gabe stark wirksamer<br />
Analgetika vom Opioidtyp aus. Trotzdem kann eine derartige <strong>Therapie</strong><br />
durchaus sinnvoll und wirksam sein, wie der vorliegende Praxisfall zeigt.<br />
Der 35-jährige Kaufmann bemerkte erstmals<br />
im Jahr 2005 Akutschmerzen im<br />
Bereich des Kreuzes. Röntgendiagnostik<br />
und Kernspintomogramm hatten keine pathologischen<br />
Befunde gezeigt. Eine Spontanremission<br />
blieb aus. Einfache Analgetika<br />
(Paracetamol und Ibuprofen) führten zu keiner<br />
Besserung und auch Injektionstherapien<br />
blieben ohne jeden Effekt. Krankengymnastik<br />
und manuelle <strong>Therapie</strong> waren ebensowenig<br />
erfolgreich. Die <strong>Schmerz</strong>en nahmen in<br />
den folgenden Jahren an Intensität und<br />
Häufigkeit zu, waren aber noch auf die Lumbalregion<br />
beschränkt. Im Jahr 2009 kamen<br />
zunehmend <strong>Schmerz</strong>en im Bereich der<br />
Schulter hinzu, insbesondere der gegenüberliegenden<br />
Schulter. <strong>Schmerz</strong>en zwischen<br />
Schulterblatt und Wirbelsäule mit<br />
Ausstrahlung in den Nacken, teilweise auch<br />
in den ganzen Rücken, kamen hinzu.<br />
Neben Störungen des Nachtschlafes waren<br />
vor allem die Dauerschmerzen und die Unfähigkeit,<br />
die <strong>Schmerz</strong>en positiv zu beeinflussen,<br />
für den niedrigen Wert im QLIP ausschlaggebend.<br />
In der <strong>Schmerz</strong>empfindensskala dominierten<br />
Affektiv-Items mit einem Score von 25<br />
gegenüber sensorischen Items mit einem<br />
Score von 12. Im Hospital Excited Depression<br />
Scale waren die Werte für Depressivität auffällig<br />
(9), für Angst grenzwertig (7). Der SF12<br />
zeigte ebenfalls deutliche Einschränkungen<br />
der körperlichen Lebensqualität mit einem<br />
Wert von 32,5, der psychische Score war mit<br />
53,30 ohne Befund.<br />
Nachdem Paracetamol und Cyclooxygenasehemmer<br />
keinen Effekt gehabt hatten,<br />
waren <strong>Therapie</strong>versuche mit Amitriptylin und<br />
Duloxetin sowie Venlafaxin erfolgt, alle ohne<br />
nennenswerte Ergebnisse. Schließlich folgte<br />
eine zehnwöchige stationäre Behandlung in<br />
einer psychosomatischen Einrichtung unter<br />
der Annahme, dass insbesondere in Anbetracht<br />
des hohen affektiven Anteils die<br />
<strong>Schmerz</strong>en psychosomatisch sein müssten.<br />
In dieser Zeit kam es trotz intensiver aktiver<br />
Teilnahme an allen physiotherapeutischen<br />
und aktivierenden Maßnahmen, Gesprächen<br />
und Ergotherapie zu keiner Linderung der<br />
<strong>Schmerz</strong>en.<br />
Zum Zeitpunkt der Vorstellung im <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />
zeigte sich im <strong>Deutsche</strong>n <strong>Schmerz</strong>fragebogen<br />
eine <strong>Schmerz</strong>intensität auf der visuellen<br />
Analogscala VAS 100 von 76. Die Beeinträchtigung<br />
der Lebensqualität (QLIP) war mit<br />
einem Wert 15 aus 40 ausgesprochen auffällig.<br />
Der Patient hatte inzwischen 1½ Jahre nicht<br />
mehr gearbeitet.<br />
Befund und Verlauf<br />
Die sorgfältige Untersuchung zeigte bei dem<br />
Patienten eine ausgeprägte Fehlstellung des<br />
Beckens mit Beckenverwringung und<br />
Beckentiefstand links, anhaltende Blockierung<br />
des IIeosakralgelenks mit entsprechender<br />
s-förmiger Skoliosierung der Wirbelsäule<br />
linkskonvex lumbal mit thorakaler Gegenschwingung<br />
und ausgeprägter Dystonie<br />
aus der körperaufrichtenden Muskulatur. Inzwischen<br />
war sowohl die HWS-Rotation eingeschränkt<br />
als auch die Rotation im thorakolumbalen<br />
Übergang. Es fanden sich keine<br />
neurologischen Auffälligkeiten, aber massiv<br />
aktivierte Muskeltriggerpunkte und Spannungsphänomene<br />
im Becken-Band-Apparat.<br />
<strong>Therapie</strong><br />
Wegen der inzwischen 7-jährigen Chronifizierung<br />
erschien ein multimodales <strong>Therapie</strong>konzept<br />
sinnvoll. Darüber hinaus waren durch die<br />
anhaltende <strong>Schmerz</strong>symptomatik Chronifizierungsprozesse<br />
erfolgt, die den Patienten zu<br />
Angst-Vermeidungsstrategien geführt hatten.<br />
Unter diesem Aspekt erfolgte die medikamentöse<br />
<strong>Therapie</strong> mit Oxycodon/Naloxon, das<br />
innerhalb von 14 Tagen auf 2 x 20/10 mg Oxycodon/Naloxon<br />
auftitriert wurde. Die Auswahl<br />
für diese Kombination erfolgte vor allem<br />
unter dem Gesichtspunkt, dass der Patient vigilant<br />
blieben und keine opioidtypischen Magen-Darm-Symptome<br />
erfahren sollte, um so<br />
die ohnedies schon schwierige Motivationslage<br />
nicht weiter zu verschlechtern.<br />
Mit der analgetischen <strong>Therapie</strong> mit Oxycodon/Naloxon<br />
gelang dies sehr gut. Die<br />
Kreuzschmerzen – oft eine Herausforderung<br />
für <strong>Schmerz</strong>therapeut und Patient.<br />
<strong>Schmerz</strong>intensität konnte auf der visuellen<br />
Analogscala von 100 auf 25 reduziert werden<br />
(individuelles Behandlungsziel 16). Hierunter<br />
konnte der Patient zunehmend wieder<br />
schmerzfrei Übungseinheiten durchführen<br />
und konnte auch verhaltenstherapeutisch<br />
wieder sinnvoll arbeiten, da der <strong>Schmerz</strong> in<br />
sitzender und liegender Position nicht mehr<br />
alle Aktivitäten blockierte.<br />
Die intensive multimodale <strong>Therapie</strong> wurde<br />
über einen Zeitraum von sechs Monaten<br />
durchgeführt, in deren Verlauf der Patient immer<br />
mehr Kraft, Koordination und Ausdauer<br />
erreichte und immer längere Phasen von<br />
<strong>Schmerz</strong>armut und <strong>Schmerz</strong>freiheit erlebte.<br />
Diskussion und Zusammenfassung<br />
Bei unserem Patienten handelte es sich sicherlich<br />
nicht um „unspezifische“ Rückenschmerzen,<br />
sondern um ein klares pathomorphologisches<br />
Substrat im Sinne einer Störung<br />
des Ileosakralgelenkes mit konsekutiver Veränderung<br />
der gesamten körperaufrichtenden<br />
Muskelkette sowie des Skelettsystems mit<br />
multietageren funktionellen Blockierungen.<br />
Erschwerend hinzugekommen waren negative<br />
Erfahrungen beim Versuch, aktive <strong>Therapie</strong>n<br />
durchzuführen, die zu weiteren Angst-<br />
Vermeidungsstrategien geführt hatten.<br />
Eine effektive medikamentöse <strong>Schmerz</strong>therapie<br />
mit Oxycodon/Naloxon wurde nicht<br />
nur gut vertragen, sondern versetzte ihn auch<br />
in die Lage, die Angst-Vermeidungsstrategien<br />
zu durchbrechen und effektive Übungsbehandlung<br />
und Verhaltenstherapie zu ermöglichen.<br />
Die drohende Frühberentung konnte so<br />
abgewendet werden. ■<br />
Gerhard H. H. Müller-Schwefe, Göppingen<br />
SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />
© Kitty / Fotolia.com
DGS-Veranstaltungen<br />
Weitere Informationen zu den Seminaren erhalten Sie über die Geschäftsstelle<br />
des DGS Oberursel, Tel.: 06171/286060, Fax: 06171/286069, E-Mail:<br />
info@dgschmerztherapie.de. Die aktuellsten Informationen zu den Veranstaltungen<br />
und den Details finden Sie im Internet unter<br />
www.dgschmerztherapie.de mit der Möglichkeit der Online-Anmeldung.<br />
Dezember <strong>2012</strong><br />
Medizinethik<br />
01.12.<strong>2012</strong> in Bocholt; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />
DGS – Bocholt<br />
CME-Update <strong>Schmerz</strong>: Arzneimittelinteraktionen<br />
bei Polypharmakotherapie<br />
03.12.<strong>2012</strong> in Ludwigshafen; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Ludwigshafen<br />
Curriculum Psychosomatische Grundversorgung<br />
– Kurs 3<br />
08.12.-09.12.<strong>2012</strong> in Dürkheim; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Ludwigshafen<br />
Die Logik des Mißlingens –<br />
über Fehlentscheidungen<br />
13.12.<strong>2012</strong> in Miltenberg; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Miltenberg<br />
Psychometrie in der <strong>Schmerz</strong>therapie<br />
20.12.<strong>2012</strong> in Bad Säckingen; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Bad Säckingen<br />
Januar 2013<br />
CME-Update <strong>Schmerz</strong>: Pharmakotherapie im Alter<br />
07.01.2013 in Ludwigshafen; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Ludwigshafen<br />
Update Osteoporose<br />
10.01.2013 in Miltenberg; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Miltenberg<br />
QZ Palliativmedizin - Palliativversorgung an der<br />
Schnittstelle zwischen Krankenhaus und Zuhause<br />
15.01.2013 in Solingen; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />
DGS – Solingen<br />
Kopfschmerz I<br />
17.01.2013 in Bad Säckingen; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Bad Säckingen<br />
7. Bonner <strong>Schmerz</strong>tag<br />
18.01.–19.01.2013 in Bonn; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Bonn/Bad Godesberg<br />
SCHMERZMEDIZIN 4/<strong>2012</strong> (28. Jg.)<br />
Interaktion von Analgetika und<br />
Co-Analgetika<br />
21.01.2013 in Fürth; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Fürth<br />
Palliative Chemotherapie – Chancen,<br />
Nutzen, Risiken<br />
21.01.2013 in Hannover; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Hannover<br />
Diagnose und <strong>Therapie</strong><br />
neuropathischer <strong>Schmerz</strong>en – alles<br />
brennt, was hilft?<br />
23.01.2013 in Celle; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Celle<br />
Lübecker <strong>Schmerz</strong>therapie – Praxis -<br />
seminar 2013<br />
26.01.2013 in Lübeck; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />
DGS – Neustadt/Holstein<br />
Notfallseminar – Reanimation mit praktischen<br />
Übungen<br />
30.01.2013 in Halle; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />
DGS – Halle Saale<br />
Februar 2013<br />
Psychoneurobiologische Grundlagen der<br />
Placeboanalgesie und Implikationen für die<br />
<strong>Schmerz</strong>therapie<br />
02.02.2013 in Stade; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />
DGS – Stade<br />
CME-Update <strong>Schmerz</strong>:<br />
Funktionelle <strong>Schmerz</strong>konzepte<br />
04.02.2013 in Ludwigshafen; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Ludwigshafen<br />
Curriculum Biofeedback-Therapeut DGS /<br />
Biofeedback-Trainer DGS – Grundlagenseminar 1<br />
09.02.–10.02.2013 in Frankfurt am Main;<br />
Geschäftsstelle DGS<br />
<strong>Schmerz</strong> und Schlaf<br />
09.02.2013 in Lüdenscheid; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Lüdenscheid<br />
Fehlbiss als Herausforderung in der<br />
schmerztherapeutischen Praxis<br />
13.02.2013 in Osnabrück; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Osnabrück<br />
Untersuchungstechniken beim Rückenschmerz<br />
– Hands-on-Workshop für Nicht-Orthopäden<br />
16.02.2013 in Wuppertal; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Wuppertal<br />
Update: Tumorschmerztherapie<br />
18.02.2013 in Erkelenz; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />
DGS – Erkelenz<br />
Kopfschmerz II<br />
21.02.2013 in Bad Säckingen; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Bad Säckingen<br />
DGS Termine / Nachrichten<br />
Synopsis der TLA<br />
23.02.–24.02.2013 in Würzburg; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Würzburg<br />
<strong>Schmerz</strong>therapie-Praxisseminar:<br />
Schulung der Wahrnehmung<br />
26.02.2013 in Wiesbaden; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Wiesbaden<br />
Burn-out-Syndrom – bei uns Ärzten und Patienten<br />
27.02.2013 in Halle; Regionales <strong>Schmerz</strong>zentrum<br />
DGS – Halle Saale<br />
Multimodale <strong>Schmerz</strong>therapie<br />
27.02.2013 in Unterhaching; Regionales<br />
<strong>Schmerz</strong>zentrum DGS – Taufkirchen<br />
<strong>Schmerz</strong>therapieführer <strong>2012</strong><br />
Rund 4000 Anschriften umfasst das aktuelle Mitgliederverzeichnis<br />
der <strong>Deutsche</strong>n <strong>Gesellschaft</strong><br />
für <strong>Schmerz</strong>therapie e.V., der „<strong>Schmerz</strong>therapieführer<br />
Deutschland <strong>2012</strong>“. Das Nachschlagewerk<br />
listet 244 <strong>Schmerz</strong>spezialisten auf, die die<br />
ver bandsinterne Qualifikation der <strong>Deutsche</strong>n<br />
<strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>therapie e.V. „Algesiologe<br />
DGS“ erworben haben. Ebenfalls aufgeführt<br />
sind 11 psychologische schmerztherapeutische<br />
Einrichtungen, die nach den Richtlinien der<br />
<strong>Gesellschaft</strong> qualifiziert sind. Hinzu kommen<br />
129 regionale <strong>Schmerz</strong>zentren, die regelmäßig<br />
<strong>Schmerz</strong>konferenzen und Weiterbildungsveranstaltungen<br />
organisieren.<br />
Der <strong>Schmerz</strong>therapieführer kann von Ärzten,<br />
ärztlichen Vereinigungen und Verbänden,<br />
Krankenkassen und anderen Institutionen des<br />
Gesundheitswesens bei der DGS- Geschäftsstelle<br />
angefordert werden:<br />
<strong>Deutsche</strong> <strong>Gesellschaft</strong> für <strong>Schmerz</strong>therapie e.V.<br />
– Geschäftsstelle –<br />
Adenauerallee 18 • 61440 Oberursel<br />
Tel.: 06171-2860-60 • Fax: 06171-2860-69<br />
E-mail: info@dgschmerztherapie.de<br />
www.dgschmerztherapie.de<br />
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