5zig Jahre
Theater im Bahnhof
Z E I T I M
RAMPENLICHT
Dokumentation
zu einer besonderen
Kraichgauer Bühne,
gefüllt mit Texten,
Bildern und Wissenswertem
über viele
Jahre Amateurtheater.
50
Jahre
Theater im
Bahnhof,
Dielheim
Diese Broschüre
ist ein Dankeschön an
unser Publikum, unsere
Freunde und nicht zuletzt
auch an alle, die auf der
Bühne, hinter der Bühne
und weit um die Bühne
herum dazu beigetragen
haben, dass alles
so gut gelang.
E I N E R E T R O S P E K T I V E
Titelbild: Willi Mann, als Pater Lorenzo in der satirischen Komödie
„Es war die Lerche“ von Ephraim Kishon, 2010. Bild: Holger Segnitz, Bammental
2
IMPRESSUM
Herausgeber Theater im Bahnhof e.V. , Dielheim
Verantwortlich im Sinne des Presserechts Edgar Kloé
Konzept, Layout, Grafik, Satz Friedrich E. Becht
Recherche Edgar Kloé, Roland Laier, Arno Friedrich, Edgar Sauer, Heinz Laier
Texte wenn nicht anderweitig gekennzeichnet Friedrich E. Becht
Bilder Der weitaus größte Teil Friedrich E. Becht, weitere Urheber nicht bekannt.
Korrektorat Judith Stier Druck Saxoprint, Dresden
eMail info@theaterimbahnhof.com Web www.theaterimbahnhof.com
Theater im Bahnhof, Dielheim
Gefördert vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst über
den Landesverband Amateurtheater Baden-Württemberg.
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Z E I T I M
RAMPENLICHT
theater
im bahnhof
1 9 6 3 – 2 0 1 3
5zig
Jahre!!
Theater im Bahnhof
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[Editorial]
Geburtstage sind Anlass in Erinnerungen zu schwelgen, Freunde zu treffen,
aber auch in die Zukunft zu blicken. Doch fortschreitendes Alter bringt es mit
sich, dass Fitness und Tatendrang sich mindern. Es gibt auch Ausnahmen:
unser „Theater im Bahnhof“ zum Beispiel - in diesem Jahr ein halbes Jahrhundert
jung - kommt noch ohne diese Mängel aus. Bretter, die die Welt bedeuten, haben
wir nach Dielheim geholt, viel riskiert und noch mehr erreicht. In der vorliegenden
Chronik haben wir alles aufgelistet: Die Gründerjahre, den Aufschwung bis
hin zum heutigen Theaterbetrieb. Deshalb wollen wir unseren Geburtstag angemessen
feiern. Wir wollen das zusammen mit Menschen tun, die uns begleitet
haben - und das waren viele. So die Initiatoren in den 60ziger Jahren, die aus dem
„Nichts“ starteten und belächelt wurden, aber auch die vielen Helfer und Förderer,
die den oft verschlungenen Weg voller Optimismus mit uns gegangen sind.
Nicht vergessen wollen wir auch den Mut den wir brauchten und der noch heute
unser Angebot auszeichnet: Es wird bei uns kein „Dorfprogramm“ geboten, sondern
ein interessanter Querschnitt aus Komödien, Schauspielen, Kleinkunst, Konzerten,
Kinder- und Jugendtheater und Lesungen. Immer im Auge hatten wir die Finanzen.
Mit Aufführungen haben wir die notwendigen Mittel eingespielt um Geld für Kostüme,
Mieten und Manuskripte zu haben. Und an Fasching wurde mit originellen Bällen
Zählbares in die Kassen gespült. Das alles wäre nichts, hätte es nicht Menschen
gegeben, die mit viel Idealismus bei der Sache waren und noch immer sind.
Unser Jubiläum ist mehr als nur ein Geburtstag. Es ist der Beweis, dass wir etwas
bewegt haben. Mit Hilfe von Gönnern und dank der guten Zusammenarbeit mit
der Gemeinde Dielheim und dem Landesverband Amateurtheater Baden Württemberg
konnten wir auch große Pläne verwirklichen. So haben wir mit unserem
Theaterraum ein Schmuckstück geschaffen, auf das auch unsere Mitbürger Stolz
sein dürfen. Lassen Sie uns also feiern, plaudern, zurück schauen und froh in die
Zukunft blicken. Es wird neue, ungekannte Herausforderungen geben, an denen wir
weiter wachsen können. Und betrachten wir das Geschaffene als ein Vermächtnis an
unsere Jugend - frei zur eigenen Gestaltung.
Edgar Kloé [Vorsitzender]
Gibt es das eigentlich, ein persönliches Lieblingsstück? Eigentlich nein - Lieblingsstücke vielleicht.
Und doch, einem Theatergänger über 5 Jahrzehnte, sollte so etwas festzustellen möglich sein -
auch wenn es schwerfällt. Versuchen wir es und beschränken uns auf das Amateurtheater. Nehmen
wir, weil es naheliegt, das Theater im Bahnhof in Dielheim. Und nehmen wir weiter an, wir haben
alle Stücke gesehen - die eigenen Produktionen natürlich. So fokussiert, bleibt uns die Selektion als
Mittel der Wahl. Wir teilen auf in Kinder- und Erwachsenenstücke, heiter und ernst, und stellen fest,
wir kommen ins Schwitzen. Mit der Transpiration steigt die Inspiration, und Letztere sagt uns: Leg die
Suchkriterien neu fest! Die neuen Fragen lauten dann so: Welches Stück hat am meisten berührt?
Sind Szenen daraus in uns noch lebendig? Was hat beeindruckt? Und voilà, wir werden fündig!
Die Freude ist groß, doch die Überraschung
größer: Wie kann es sein, dass es kaum „heitere“
Stücke ins innere Ranking geschafft haben? Bei
mir, dem Autor dieser Zeilen, ist es so. All die gut
gemachten Lustspiele und Schwänke, die einen
angenehmen, gelungenen Abend bescherten,
kommen in der Nachsicht kaum zum tragen.
Woran liegt das? Möglicherweise ist es bei Ihnen,
lieber Leser, ganz anders. Bei mir überwiegen
auf jeden Fall die Stücke, die eine packende
Geschichte erzählten, dramatische Wendungen
hatten und bei denen der Autor die schicksalhaften
Züge der Story auf einen Punkt brachte,
der noch heute nachwirkt. Blieb dabei der
Bezug zur Realität erhalten, dann scheint in mir
etwas haften zu bleiben, was ich für mein Leben
brauchen kann, was mir hilft, die Welt ein wenig
Vom Lieblingsstück
besser zu verstehen - um vielleicht mit diesem
Wissen in meinem Leben etwas besser zurecht
zu kommen. Kurz gesagt: Stoff, aus dem großee
Dramen „gestrickt“ sind. Damit breche ich keine
Lanze allein für das „ernste“ Schauspiel. Nicht
umsonst ist das Angebot im Theater breit gefächert.
Auch die anderen Genres haben ihre
gleiche und volle Berechtigung. Es braucht beides:
Große, beindruckende Geschichten und
„Geschichtchen“, die den Alltag, den Frust vergessen
lassen und uns einen unbeschwerten
Abend bescheren. Wenn beide Formen sich
darüber hinaus an geltenden dramatischen Regeln
orientieren, umso schöner und ergiebiger.
Wer sich die Mühe macht, die Stücke während
der 50 Jahre beim Theater im Bahnhof, Dielheim
durchzusehen, wird unter anderm eine
Entdeckung machen. Er wird feststellen, wie um
eine Balance gerungen wird zwischen den vermeintlichen
Polen „Ernst“ und „Heiter“, mit mehr
Ausschlägen mal nach der einen, mal nach der
anderen Seite. Aus meiner Sicht: Weiter so! Wir
haben ein aufgeschlossenes Publikum, das uns
dieses Ringen wert ist. Ihr Friedrich E. Becht
Ach ja, Sie wollten mein Lieblingsstück
wissen: „Von Mäusen und Menschen“ von
John Steinbeck, bereits 1979 gespielt auf der
Bühne der Kulturhalle in Dielheim und auf einer
kleinen Tournee an Gymnasien im Umkreis.
Oben links ein Szenenbild aus diesem Stück.
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[Worte]
Seit 50 Jahren bildet das Theater im Bahnhof ein lebendiges Element der
regionalen Kulturszene. Dabei waren gerade zu Anfang die Hindernisse
groß, doch die gemeinsame Faszination für die Bühne ließ eine Gruppe
junger Dielheimer im Jahr 1963 den mutigen Schritt machen, ein eigenes
Amateurtheater zu gründen. Als erstes Domizil diente eine alte Bäckerei,
wo zwar ein Proberaum, aber noch kein Platz für Aufführungen zur Verfügung
stand. Bessere Räumlichkeiten bot das ehemalige Bahnhofsgebäude,
das von den Mitgliedern mit großem Einsatz renoviert wurde. Dort erfüllte
sich auch der Wunsch nach einer eigenen Spielstätte mit dem Anbau eines
Theaterraums. Der Anbau liefert den Rahmen für Aufführungen unterschiedlichster
Art, für die eigenen Produktionen, auch die erfolgreichen Inszenierungen
der Jugendgruppen und für eine breite Vielfalt von Gastauftritten.
Das anspruchsvolle Projektziel der Gründer ist aufgegangen. Sie haben
bewiesen, dass mit großem Engagement, mit ihrer ansteckender Begeisterung
und dem nötigen Durchhaltevermögen der Aufbau, die Etablierung
und erfolgreiche Führung eines sehr lebendigen Amateurtheaters glückt.
Das Theater im Bahnhof hat sich zu einem Vorzeigeobjekt für die Gemeinde
Dielheim entwickelt und hat in den zurückliegenden Jahren mit der Durchführung
von drei Kraichgauer Theatertagen und den deutsch-französischen
Theatertagen schon besondere kulturelle Ereignisse nach Dielheim geholt.
Meine herzliche Gratulation zum Jubiläum verbinde ich mit der Hoffnung, dass
das Theater im Bahnhof seine Vielfalt, Frische und Originalität auch weiterhin
bewahren kann. Ich wünsche den Vereinsmitgliedern für die Zukunft alles Gute
für Ihr Theater, weiter viel Erfolg und ein großes, begeistertes Publikum.
Hans-Dieter Weis [Bürgermeister]
Hans-Dieter Weis, Bürgermeister von Dielheim,
ist Schirmherr der Jubiläumsveranstaltungen
5zig Jahre Theater im Bahnhof e.V., Dielheim
Vom Licht und dem guten Ton
Es werde Licht! Dieser Satz hat bei uns im Theater im Bahnhof beileibe keine biblische Dimension,
aber eine Parallele: Auch hier bliebe alles „wüst und leer“, die Bühne unbespielbar dunkel. Um alles
mit Leben zu füllen, braucht es nun mal Licht, auch bei uns. Und dafür sind unsere Bühnentechniker
zuständig. Sie sind es, die die Schauspieler ins rechte Licht rücken und so ganz nebenbei noch für
den guten Ton sorgen. Mit moderner Bühnentechnik legen sie, weit vor der Aufführung, die Beleuchtung
der einzelnen Szenen fest. Beleuchtung ist heute das falsche Wort. Immer mehr werden sie zu
Light-Sound-Designern, die emotionale Stimmungen für die Szenen kreieren.
Die Zeiten, in denen sich das Bühnenlicht mit
zwei Rampenleuchten auf „Hell“ und „Düster“
reduzieren ließ, sind vorbei. Unseren Bühnentechnikern
geht es heute darum, mit ausgeklügelter
audiovisueller Technik das szenische
Arrangement so effektvoll wie
möglich zu unterstützen. Dabei sind
eine ganze Reihe von unterschiedlichen
Scheinwerfern, über programmierbare
Regiepulte gesteuert, im Einsatz.
Neben der Beleuchtung gehört
effektvoller Sound ebenso dazu. Ohne
Computer „geht“ da nichts mehr. Hier
wird eingespielt, gesampelt, arrangiert
und schließlich aus einzelnen Tracks
die endgültige Audiodatei gemixt.
Von dort werden die Dateien, fein
säuberlich aufbereitet, auch wieder abgerufen
und über die Audioanlage im Saal wiedergegeben.
Gut gemacht, erzeugen sie zusammen
mit dem dramatischen Geschehen tiefe Gefühle
und mitreißende Stimmungen bei den Theaterbesuchern.
Unsere Techniker haben alles im
Griff, von der Pyrotechnik bis hin zu Schnee und
Nebel. Das ist die kreative Seite der Arbeit. Die
andere ist, wie so oft, schlichterer Natur, aber
ebenso wichtig: Auf- und Abbau, verkabeln, bedienen,
überprüfen, warten und instandhalten
sind die Stichworte dazu. Die Bühnentechnik unterliegt
besonderen Sicherheitsbestimmungen
und gesetzlichen Vorschriften. Diese müssen
penibel eingehalten werden, um niemanden
zu gefährden. Auch dafür sind unsere Bühnen-
techniker verantwortlich. Da ist es von großem
Vorteil, wenn man, wie wir, nicht nur auf „alte
Hasen“ zurückgreifen kann, die schon mehrere
Jahrzehnte verantwortlich tätig sind,
Die Ton und Lichtechniker Ihr Arbeitsbereich
ist bei uns auf der Empore. Von dort aus
steuern sie die ganze Saaltechnik, das Saallicht,
das Bühnenlicht und die Toneinspielungen. Mit den
Akteuren hinter der Bühne, können sie per Interkom
sprachlich kommunizieren.
sondern sich auch schon auf den jungen, ehrgeizigen
Nachwuchs stützen kann. Die Freude
am Theater und an der feinen Technik ist bei
beiden Generationen vorhanden. Wie sagte
schon der große Theatermann Berthold Brecht:
Denn man sieht nur die im Lichte, die im Dunkeln
sieht man nicht...
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[Worte]
Junge Männer, zwischen 15 und 16 Jahren alt, legten 1963 den Grundstein
zum heutigen Theater im Bahnhof. 21 dieser „jungen Männer“, aber auch
Frauen dieser Zeit, sind noch heute aktiv bzw. eng mit dem Theater verbunden.
Diese personelle Kontinuität ist sehr selten, jedoch wahrscheinlich ein
Grundstein für die überaus positive Entwicklung, die das Theater im Bahnhof
Dielheim in den letzten 50 jahren genommen hat. Eine weitere Komponente zur
positiven Vereinsentwicklung war sicher auch 1973 die Anmietung und der Um-
und Ausbau des alten SWEG-Bahnhofs zur eigenen Produktions- und Spielstätte.
Getreu dem Goethe-Zitat: „Wer vieles bringt, wird manchem etwas bringen“, sind
die Spielpläne im Theater im Bahnhof seit der Gründung zu sehen. Fast alles ist
zu finden, bis hin zu Kinderstücken und Kleinkunst. Die Anzahl der Produktionen
verdient Respekt und Anerkennung, und auch die künstlerische Qualität
sowie die Besucherzahlen stimmen.
Die Verantwortlichen haben auch die Wichtigkeit der Jugendarbeit schnell erkannt.
Seit 20 Jahren gibt es eine Kooperation mit der Musikschule Horrenberg-
Dielheim. Unter der Leitung von professionellen Theaterpädagogen werden
8- bis 19-Jährige an das Theaterspielen herangeführt. Über 25 eigenständige,
interessante Inszenierungen wurden erarbeitet und aufgeführt. Das Theater im
Bahnhof war auch mehrmals souveräner und liebevoller Gastgeber des regionalen
Festivals „Kraichgauer Theatertage“, das federführend von der Theater- und Spielberatung
Baden-Württemberg Heidelberg, in Kooperation mit dem Landesverband
Amateurtheater Baden-Württemberg, durchgeführt wird.
Das Theater im Bahnhof Dielheim ist durch seine Vielseitigkeit, seinen umfangreichen
Spielplan sowie seine professionell geführte Jugendarbeit ein Glanzlicht unter
den über 600 Mitgliedsbühnen des LABW. Dass dies auch in Zukunft so bleibt
und dass immer genügend engagierte Führungskräfte und motivierte Mitwirkende
zur Verfügung stehen sowie dass zahlreiche Zuschauer kommen, wünsche ich
persönlich und im Namen des Präsidiums und der über 600 Mitgliedsbühnen im
Landesverband Amateurtheater Baden-Württemberg (LABW).
Rolf Wenhardt [LABW Präsident]
Angenehm ist am Gegenwärtigen die Tätigkeit,
am Künftigen die Hoffnung und am Vergangenen
die Erinnerung. (Aristoteles)
Masken bilden und Frisuren kreieren
„Maskenbildnerei soll nicht bemerkt werden, sondern wirken“. Dieser Satz ist Leitspruch und Anspruch
zugleich für unsere Damen von der Maske. Sie sind für den optisch stimmigen, charaktervollen Auftritt
der SchauspielerInnen verantwortlich. Unter ihren fachkundigen Händen werden junge Menschen
zu Greisen, Männer zu Charakterköpfen, hübsche Frauen zu Monstern oder schöne Mädchen noch
schöner, ganz nach Bedarf. Das alles will erlernt, gekonnt und vor jeder Aufführung geschafft sein.
Dazu braucht es Akribie, Feingefühl und ein feines Händchen. Kein Wunder, dass in diesem Metier
die Frauen das Sagen haben - so auch bei uns, und das schon über Jahrzehnte.
In der Tat haben wir in unseren Reihen Damen,
die schon über 40 Jahre die „Puderquaste
schwingen“. Das ist nicht despektierlich gemeint -
im Gegenteil. Wer weiß, was vor den Aufführungen
geleistet werden muss, wird ihnen Respekt
zollen. Oft Stunden vor der Aufführung sind sie
am „werkeln“, um die DarstellerInnen im Rampenlicht
optisch so passabel, wie von der Regie
gewünscht, erscheinen zu lassen. Den in Abstimmung
und in Proben mit der Spielleitung festgelegten
Schminkplan gilt es penibel abzuarbeiten.
„Eine Maske anlegen“ ist kein Schminken im
landläufigen Sinn, sondern erfordert Talent und
eine spezielle Ausbildung. Fachseminare, Workshops
und Kurse im eigenen Haus vermitteln
das nötige Rüstzeug. Die Hautpflege unter Berücksichtigung
unterschiedlicher Hauttypen und
die Verhinderung von Infektionen stehen dabei
ebenso auf dem Programm, wie die umfangreiche
Material- und Werkzeugkunde. Dieses
Wissen findet in der Praxis verantwortungsvoll
Anwendung: Für jede Person gibt es aus hygienischen
Gründen ein eigenes Set an Schminkutensilien.
Auf diese Basis baut dann der kreative
Teil des Schaffens auf: das „Grundieren“,
das „Auszeichnen“ bis hin zum Herstellen von
Bärten aus echtem Haar oder der Modelage
von Nasen, Warzen, Wunden oder gar einer
Vollglatze - um nur einiges zu nennen. Das alles
ist echte feinfühlige Handarbeit mit künstlerischem
Anspruch am „lebenden Objekt“, z.B. bei
Tier- und Fantasiemasken. „Maske machen“ ist
wichtig. Denn nur so werden aus DarstellerInnen
auch optisch klare Charaktere. Schließlich soll
der jugendliche Liebhaber auch begehrenswert
erscheinen, und dem kauzigen Alten sollte man
seinen Hang zum „Süffeln“ schon ansehen...
Die Maskenbildnerinnen Lange bevor der
Vorhang sich hebt, sind sie in Aktion. Aber auch nach
dem Schlussvorhang sind sie wieder gefragt, um
beim Abschminken zu helfen und um Perücken, Bärte
und andere Hilfsmittel für den nächsten Einsatz zu
präparieren.
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[ ]
Frühe
Jahre
Das Ensemble aus dem ersten eigenverantwortlich
erarbeiteten Stück „Der Bergteufel“ von 1964
Lorem ipsum dolor sit amet, consectetuer adipiscing
elit. Aenean commodo Aenean massa.
D
ie Welt im Kraichgau und ganz
besonders im beschaulichen Dielheim
war im Jahr 1963 noch „irgendwie“
in Ordnung. Die drei örtlichen Gewalten:
Pfarrer, Bürgermeister und „Doktor“, hatten
noch richtig viel zu sagen - nicht nur auf ihrem
Fachgebiet. Die politischen Entscheidungen
lagen, praktischerweise und demokratisch
gewählt, in mehreren Händen einer Partei.
Die „Zerstreuungs- und Unterhaltungsindustrie“
zeigte erste zaghafte Ansätze in Form
von 13 Wirtschaften (teilweise auch mit
Kegelbahnen) und, man höre und staune,
einem Kino. Letzteres, sehr argwöhnisch
beäugt, zeigte ein durch den örtlichen
Klerus mit „Filmempfehlungen nach Alter“
belegtes Programm. Und das klassische
kulturelle Leben in der „aufstrebenden,
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Theater-
spiele?
Wass
wolle
die?
1963 Bislang standen
auf den Dielheimer
Bühnen gestandene
Mannsbilder und brave
Hausfrauen in tränenreichen
Stücken. Das sollte
sich bald ändern. Ganz
junge „Wilde“ waren
zunächst äußerst zahm
dabei, den „Laden“
aufzumischen...
Des a noch?
modernen Gemeinde“ (O-Ton der damaligen
Gemeindebroschüre) mit ihren hochfliegenden
Plänen (Autobahn, Lehrschwimmbecken,
etc.) zeigte sich vielfältig nach außen, aber
nicht ganz so vielgestaltig nach innen. Das
klassisch-kulturelle Angebot für Erwachsene
und Jugendliche (!) bestand aus Gesang,
Blasmusik und Sport - alles verteilt auf mehrere
Vereine. Und das sei nicht unterschlagen:
auch aus theatralem Spiel, treffender, aus dem
Laienspiel: gepflegt, ganzjährig zu kirchlichen
Anlässen und zur dunklen Jahreszeit in Form
von Winterfeiern. Fast jeder Verein im Ort
zelebrierte geradezu diese Form der Unterhaltung
zum Zwecke des eigenen finanziellen
Überlebens. Die Feier war zielführend ausgerichtet
und bestand meist aus wenigen, dem
Vereinszweck entsprechenden Darbietungen,
aus einer Tombola mit Gewinnen, die man bei
den örtlichen Geschäftsleuten und Mitgliedern
eingesammelt hatte, und einem großen theatralen
Ereignis, einem Schau- und Rührstück
mit lehrhaftem Charakter. Alles, was im Kino
mit Bann belegt war, durfte auf offener Bühne
gezeigt werden: hinterhältiger Mord, Lug und
Trug in allen Variationen, anrührende Liebesbeziehungen,
die durch Teufelsblendwerk in
Gefahr gerieten und, wie durch Zauberhand,
zum Guten fanden. Doch nicht nur das, auch
Lustiges wurde geboten, bis die „Schwarte
krachte“!
Vom Laienspiel bis zum Amateurtheater
ist oft ein langer Weg.
Wir wählten überraschenderweise
den kürzesten. Der Dielheimer
kulturellen Szene (1963) sei Dank.
Denn wir erkannten schnell:
Es muss etwas geschehen.
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Dies wurde zu allgemeiner Erheiterung und bis
zum Schenkelklopfen der Anwesenden durch
dorfweit bekannte Mimen dargestellt, die
auch im richtigen Leben Züge der gezeigten
Charaktere glaubhaft machen konnten. Fast
jede darstellerische Form gab es zu sehen.
Von Mysterienspielen mit „lebendem Bild“
(die Schauspieler froren die Szene ein, indem
sie minutenlang unbeweglich auf der Stelle
standen, um die Botschaft zu verdichten*) über
Schwänke von brachialer Gewalt und tränenreiche
Wald- und Forststücke spannte sich der
Bogen. Bei Titeln wie „Maria Goretti“ wurde
sogar eine knappe Stunde lang auf der
Bühne gestorben. Einmalig und unvergessen
die Resonanz: Das Stück wurde zum Dorfgespräch
und die junge, schöne und schön
„sterbende Schauspielerin“ zum Star der ledigen
Männer. Allen Aufführungen war gemein:
Sie wurden gerne gesehen, von Erwachsenen
wie von Jugendlichen. Durch einen Kunstgriff
ließ man auch die ganz Kleinen am Genuss
teilhaben: Am Nachmittag der Premiere um
14 Uhr gab es die Generalprobe vor einer
„riesigen“ lärmenden Kinderschar; unter ihnen
auch der Autor dieser Zeilen und einige noch
heute im Theater im Bahnhof tätige Mitglieder.
Dermaßen vorgeprägt, verwundert es nicht,
Auch nach der Gründung des heutigen
Theater im Bahnhof gab es noch christliche
Mysterienspiele zu sehen. Hier „Syra, die
christliche Sklavin“, 1966, von H. Caron. Als
Dank an den kath. Ortsgeistlichen, unterstützt
durch SchauspielerInnen der neuformierten
„Spielgruppe 63“.
*Unten:
Ein „Lebendes Bild“, wie oben beschrieben.
Mit Stücken wie „Versöhnung am Hubertushof“
oder „Der Meisterlügner“ wurde die
Laienspieltradition unter anderem Vorzeichen
zunächst weitergeführt. Sehr zur Freude des
Publikums und der jungen Truppe - meist auf
der Pfarrsaalbühne, aber auch auf Tournee in
der nahen Region.
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Bild unten:
Die
jungen
Theaterpioniere
wagten sich
auch an
ungewohnte
Aufgaben:
Hier eine
unbekannte,
aber mutige
Person beim
Schminken
mit dem
Fettstift.
Die Idee:
Weitreichend,
mutig und,
wie alle
guten Ideen,
zunächst
belächelt!
dass diese später als junge „Männer“ mit gerade
mal 16 Jahren (ok, einer war schon 18)
eine Idee hatten: Wie wäre es, selbst Theater
zu spielen und vielleicht berühmt zu werden?
Die jungen Leute kannten sich von der Schule,
vom Sport und anderen Interessen, was die
Idee beflügelte. Und in einzelnen Familien der
Freunde gab es auch Laienschauspieler, denen
man nacheifern wollte. Bereits nach den
ersten Überlegungen gab es einen Entschluss,
entsprungen jungendlichem Mut und sehr
weitreichend: Wir wollen Theater spielen! Unabhängig,
als reine Theatergruppe! Gesagt,
getan. Der Gründungsversammlung am 15.
Dezember 1963 stand nichts mehr entgegen.
Noch am selben Tag wurde ein Stück geplant.
Dazu brauchte es „Mittäter“. Sie wurden
gesucht und im erweiterten Freundeskreis
schnell gefunden. Das Abenteuer Bühnenspiel
begann. Und ganz Dielheim fragte sich: Was
wolle die? Theater spiele? Des a noch! Ja, sie
wollten - und wie.
Hinter einem großen Werk steckt immer eine mehr oder weniger zündende Idee. Diese gilt es zu
entwickeln. Dazu wird sie „abgeklopft“, geprüft, verworfen, verglichen, geformt, geändert, angepasst,
feingeschliffen, realisiert und schließlich dem staunenden Publikum präsentiert. Die Rede ist hier nicht
von einer erhabenen Inszenierung, sondern vom Bühnenbild schlechthin, dem Ort einer dramatischen
Handlung. Genauer gesagt handelt es sich um ein Bild, das die Zuschauer sich vom Ort des
Geschehens machen sollen, oder eben auch nicht. Und genau das ist die Crux. Deshalb ist die Idee
wichtig, und zwar lange bevor die erste Schraube ihren Weg durch Holz windet.
Den Spielort gibt der Autor des Stückes vor. Soweit,
so gut. Wie ist er aber nun beschaffen?
Was zeichnet ihn aus? Diese und viele weitere
Fragen verschweigt uns der Autor. Und das ist
gut so, denn nur so können die Männer vom
Bühnenbau kreativ werden und eine Idee, in
Absprache mit der Regie, gebären, entwickeln
und... (siehe oben). Die Idee hat in unserem Falle
viele Väter: das Stück, die Regie, den oder die
Bühnenbildner. Ideen sind Produkte mit einer
kurzen Verfallzeit. Deshalb werden sie festgehalten
als Skizze und als Beschreibung. Danach
wechselt die Idee ihren Aggregatzustand in
kurzen Intervallen: vom Skizzenblatt in den Kopf
und zurück in immer kürzeren Zeitabständen.
(Dazu bitte den Bildteil beachten). Der Vorgang
hält an, bis schließlich der, erst auf den zweiten
Blick weise, Satz fällt: „Wenn alles stimmig
ist, dann passt es auch.“ Gemeint ist: Liegt eine
Einheit zwischen Autor, Bühnenbildnerei und Regie
vor und ist anzunehmen, dass alle Anliegen
des Stückes fehlerlos zum Besucher transportiert
werden und das Ganze alle praktischen,
gesetzgeberischen, sicherheitstechnischen und
natürlich auch alle künstlerischen Kriterien erfüllt,
dann ist es an der Zeit, Holz, Nägel, Schrauben,
Farbe und Textilien zu bestellen.
Was ab jetzt passiert, ist Handwerkskunst, nicht
vom Allerfeinsten, da alles nicht lange gebraucht
wird, aber dafür vom Haltbarsten für kurze Zeit
und von besonderen Nutzen und oft mit dem
bei den Erbauern beliebten Ah- und Oh-Effekt.
Vom Publikum geäußert, wird dieser als „beson-
Von Bildern und Bauten
ders wertvoll“ eingestuft. Und wenn beim Spiel
das Bühnenbild hält, was seine Optik verspricht,
dann lächelt sogar die Spielleitung unauffällig.
Was aber, wenn verlangt wird, den Ort zu verschweigen,
bzw. die Regie es für besser erachtet,
der Zuschauer möge doch bitteschön den
Ort in seinem Kopf herstellen und mit eigenen
Farben ausmalen? Dann und wirklich nur dann,
bleibt die Bühne leer; von ein paar Requisiten
abgesehen. Aber auch diesem Zustand liegt
eine Idee zu Grunde, die erst einmal geboren
und entwickelt werden muss.
Der profane Auf- und Abbau der Kulissen ist auf
der nach oben offenen Genuss-Skala für Bautenteams
unten angesiedelt. Trotzdem geschieht
auch das ohne Murren, dafür aber rustikal und
lautstark.
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Bühnenbilder können ganz
schön aufwändig sein. Sorgfältige
Planung ist deshalb unerlässlich.
Ganz wichtig ist die Bildidee. Sie
muss den Charakter des Stückes
optisch „tragen“. Links, bei dem Stück
„Die deutschen Kleinstädter“, 1999,
ergänzten sich das skurille Bild und
die groteske Inszenierung ideal.
Stimmig
wirken, ohne
naturalistisch
zu sein, das
war 2004
beim Stück
„Ein wahrer
Held“, gefragt.
Links das
Szenenbild
und darüber
der Entwurf.
Aufbruch durch Abruch oder „Auferstanden aus Ruinen“
Zugegeben, die Überschrift ist salopp formuliert, doch sie trifft den Kern: Der Weg zu den „Sternen“
war mühselig, aber spannend und lohnend. Bühnenspiel ist nun mal ohne Infrastruktur nicht zu
haben. Deshalb war man schon früh bestrebt, dies zu ändern. Ein ehrwürdiger Backofen musste
als erster den Mimen weichen, und später war ein kleiner Bahnhof Schauplatz dramatischer Veränderungen.
Viel Schmutz, Schweiß und manche blutunterlaufene Finger mussten in Kauf genommen
werden, um dem Bühnenspiel die notwendige Bühne zu geben und es neu auferstehen zu lassen.
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[ ]
Aufbruch
Aufbruch Sturm und Drang.
Zukunftsweisende Entscheidungen. Hilfe von außen.
Mut, Schweiß, Ideen und - viel Spaß.
Was
soll en Des?
Was
machen die do?
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„Schinderhannes“, war für die noch junge
„Spielgruppe“ das „Gesellenstück“. Die Vorstellung
war ausverkauft und der Verein war
über Nacht, in der Umgebung, in aller Munde.
Der Mut hatte sich gelohnt - der Aufbruch war
geschafft.
Nun standen sie also da, die neuen
Theaterspieler, voller Tatendrang und
buchstäblich mit nichts. Keine Räume,
keine Kulissen, keine Kostüme, keine Texte,
nur ausgerüstet mit einem Schreibblock als
Protokollbuch. Und darauf stand etwas ganz
Wichtiges, das Gründungsprotokoll. Schnell
war klar, Drang allein genügt nicht. Doch Not
macht erfinderisch und schlau. Die Cleverness
bestand darin, das zu nutzen, was es bereits
gab - und das war einiges. Doch wie, ohne
sich preiszugeben? Dazu muss man wissen,
das wichtigste, selbstauferlegte eherne Gesetz
lautete unmissverständlich: selbstständig
bleiben. Einige Zeit später kam ein ebenso
folgenreicher Passus dazu: „Es dürfen nur aktive
Mitglieder aufgenommen werden, die nicht älter
sind als die derzeit vorhandenen!“ Und die
„Vorhandenen“ waren jung, sehr jung sogar.
Dieser Satz war nicht als Affront gegen „Ältere“
gedacht. Vielmehr sollte dem eigenen Weg,
„Theater zu machen“, unbeeinflusst von der örtlichen
Laienspieltradition Vorrang eingeräumt
werden. Auch die in nur wenigen Tagen neu
hinzugekommenen Mitglieder wurden darauf
Erste Aufführungen in eigener Verantwortung. Bereits das zweite
Historienstück bescherte ein ausverkauftes Haus. Über 600 Menschen
wollten die Premiere in der Sport- und Kulturhalle in Dielheim sehen.
eingeschworen. Aus diesem Grund gingen die
jungen „Herren“, (genauer gesagt waren es
Teenager) sehr sorgsam zu Werke. Kompromisse
wurden eingeplant, Etappen festgelegt und
Teilverbündete gesucht. Schon kurze Zeit später
wurde ein wichtiger Erfolg verbucht, einer der
wichtigsten Männer im Ort, Pf. Martin Walter,
(„Der Fußballpfarrer“) konnte als Sympathisant
gewonnen werden. Das war bereits ein
Meilenstein. Denn mit Ihm war der Zugriff auf
den Pfarrsaal mit Bühne und auf einen großen
Fundus an Kostümen gegeben. Die Symphatie
wurde kurzerhand und klugerweise zur Allianz
ausgebaut: Ihm wurde nahegelegt, die im
Pfarrsaal für seinen Fußballclub SG Dielheim
stattfindende Weihnachtsfeier mit Laienspieleinlage
doch einfach den jungen Spielwilligen zu
überlassen. Er war begeistert über so viel jugendlichen
Elan und stellte dafür einen Probenraum
zur Verfügung. Neudeutsch ausgedrückt,
war eine Win Win-Situation entstanden. Beide
Parteien profitierten voneinander. Allerdings
überließ er nichts dem Zufall. Stück und Inhalt
unterlagen der freiwilligen Selbstkontrolle und
zu den Proben war er meist anwesend. Das
vorgeschlagene Stück mit Namen „Der Bergteufel“
überzeugte ihn, da der Teufel im Stück
vom Guten besiegt wurde. Es konnte losgehen.
Jetzt galt es nur noch ein kleines Problem zu
überwinden: Es gab keinen Spielleiter, geschweige
denn genügend SchauspielerInnen
für die 11 Rollen, inklusive der 2 Damenrollen.
Nach dem Motto, wenn man will, geht alles,
wurde der Spielleiter festgelegt. Bestimmt wurde
derjenige in der Runde, der auf die größte
Erfahrung seiner seit Jahren schauspielernden
Brüder verweisen konnte. Das restliche Ensemble
wurde aus dem Freundeskreis und oft unter
Bitten und Betteln rekrutiert. Jetzt wurde heftig
Text gelernt und geprobt in einem per Ölofen
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überhitzten Raum, in dem es alt und nach
Weihrauch roch. Nach fast einem Jahr Vorbereitung
wude das Stück aufgeführt, und das mit
durchschlagendem Erfolg: Das abendfüllende
Stück mit seinem Sieg über Tod und Teufel
rührte die Herzen und dann die Hände der
Zuschauer zum fast frenetischen Applaus. Die
Winterfeier selbst geriet zur Nebensache, und
noch am selben Abend wurden die glücklichen
Akteure für ein Gastspiel im Nachbarort
Rauenberg verpflichtet. Vor Freude trunken
nahmen sie an. Ein Tross spielwütiger Teenager
brach kurze Zeit später, bepackt mit Kulissen,
Requsiten und mit „Mann und Maus“ auf, um
in Rauenberg seine Kunst zu zeigen. In einem
umfunktionierten Raum mit Kegelbahn wurden
zunächst die Hühner von der Bühne getrieben
(kein Witz!) und alles
gründlich gereinigt,
um die Grundlage
für einen ähnlichem
Erfolg wie zuvor zu
schaffen. Um diesen
sicherzustellen, wurde
eigens ein Musiker mit
Akkordeon verpflichtet.
Er musizierte laut
Protokollbuch „zwischen den Pausen“. Wie wir
uns das vorzustellen haben, bleibt ein historisches
Geheimnis. Doch den Teenagern auf der
Bühne blieb der Erfolg auf den Fersen. Derart
verwöhnt war klar, der Erfolg braucht einen
Namen. Gewählt wurde der Kürze wegen
„Spielgruppe 63“. Und sozusagen obendrauf
gab man sich auch noch einen organisatorischen,
vereinsmäßigen Halt. Ein Spielleiter mit
Assistent, ein Schriftführer, 8 Beiräte und ein
Vereinsdiener bildeten die Führungscrew. Und
um dem Schlendrian vorzubeugen, wurde
unter Strafandrohung Disziplin eingefordert. So
abgefedert gerieten große, nein sehr große
Ziele ins Visier. Und ganz wichtig: losgelöst von
Abhängigkeiten, also alles auf eigene Faust
und Verantwortung. Der Spielleiter, ein Fan
„Der Bandit von Venedig“ als letztes
historisches Spektakel markierte
den Wendepunkt in der Stückauswahl,
hin zu Komödien und bekannten
Schauspielen, aber auch zeitkritischen
kleineren Stücken.
Die Idee
setzt sich durch!
historischer Epen und von „Sandalenfilmen“,
gab die Richtung vor. „Hasso, der Rebell“ hieß
schließlich das monströse Werk. Das bedeutete:
viele Mitspieler, Statisten, Helfer und „viel“ Technik,
mit noch mehr historischen Kostümen, dafür
aber, der Kosten wegen, weniger aufwändigen
Kulissen. Ohne Vorkenntnisse, geschweige
denn Erfahrung, wurde ein Stück auf die große
Bühne der Dielheimer Mehrzweckhalle gestellt,
das von der Saalmiete bis zur letzten Requisite
eigenverantwortlich über die Bühne ging und,
man höre und staune, die Besucher in seinen
Bann zog. Schnell wurde der Ruf: „mehr davon“
unüberhörbar. Was jetzt folgte, ist für dörfliche
Verhältnisse phänomenal: Ein noch aufwändigeres
Stück sollte es nun sein. Mit „Schinderhannes“
von Fritz Kanders, so die Idee,
sollte der Durchbruch gelingen. Das Ansinnen
gestaltete sich äußerst schwierig, denn die Verbindungen
zur Pfarrgemeinde und den Spielmöglichkeiten
dort mussten aus wirtschaftlichen
Gründen beibehalten werden. Das bedeutete:
zweigleisig fahren - das große Stück in der
Mehrzweckhalle und die kleineren Stücke im
Pfarrsaal. Dass dabei die sogenannten kleinen
Stücke oft abendfüllende Wald- und Forststücke
waren, machte die Sache nicht einfacher.
Mit jugendlichem Elan und einer mittlerweile
„stattlichen“ Anzahl an Bühnenpersonal und
Mitgliedern sollte alles gelingen. Und es gelang.
Kurz gesagt: Die historische Handlung um
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den Räuberhauptmann „Schinderhannes“, sehr
direkt und inklusive Enthauptung auf offener
Bühne dargestellt und in den Pausen mit Blasmusik
verziert, übertraf alle Erwartungen. Mehr
als 600 Zuschauer wollten die Premiere sehen:
Die eilends herbeigeschafften Stühle reichten
bei weitem nicht aus. „Schinderhannes“ wurde
zum Dorfgespräch und auch die Zeitungen
würdigten die Leistung der „Newcomer“. Die
Erfolge der „Spielgruppe“, wie das Theater im
Bahnhof oft noch heute in der Bevölkerung genannt
wird, hatten damit einen Status erreicht,
der es erforderlich machte, Flagge zu zeigen.
Immer öfter sah man deshalb die Theaterleute
bei Umzügen oder Veranstaltungen der Gemeinde.
Die öffentliche Präsenz führte zu einem
Mitgliederzuwachs. Der ermöglichte es „locker“,
zwei Spielorte zu bedienen: Im Pfarrsaal wurden
die noch immer herzzereißenden Stücke
gespielt, und zu Pf. Walters Geburtstag durfte
es auch mal was Christliches sein. Und in der
Schnell zeigte die „Spielgruppe 63“ öffentliche
Präsenz durch Teilnahme an örtlichen
Festen. Auch für die Mitglieder gab es intern
Veranstaltungen wie Ausflüge und Partys.
Bei den jährlichen Hauptaufführungen im
Spätherbst reihte sich von nun an Komödie
an Komödie. Szenen aus „Kirsch und Kern“
links oben, „Mein Mann der Dieb“ rechts,
„Zirkus“ unten und unten rechts das Ensemble
von „Der kerngesunde Kranke“.
Mehrzweckhalle gingen die historischen Stücke
wie „Der Bandit von Venedig“, über die Bühne;
Stücke, die den guten Ruf der Theatermacher
festigten. Nach innen gelang es überraschend
gut, trotz der vielen Arbeitseinsätze, die Mitglieder
bei Laune zu halten. Schließlich waren alle
noch jung, und zu feiern verstand man, ohne
dafür proben zu müssen. Ausflüge, Grill-, Silvester-
und unzählige andere Partys, aber auch
die „Tourneeeinsätze“ festigten den Zusammenhalt.
Und wo es nichts zu feiern gab, wurde
ein Grund erfunden. Die sogenannte „Blinde
Kindstaufe“ war ein geflügeltes Wort, um eine
feierarme Zeit zu überbrücken - ein Fest ohne
Kind, aber mit Feier. Das alles waren Maßnahmen,
die dazu dienten, den Spaß hochzuhalten.
Und wenn Sie jetzt fragen, ja, aber woher
wusste die „Spielgruppe 63“, wie „Theater
geht“? Das ist eine gute Frage, und auf diese
gibt es eine gute Antwort - im nächsten Kapitel.
Unser Theaterhaus, unsere Spielstätten
„Die Besucher des großen Hauses werden gebeten, ihre Plätze einzunehmen!“ Wer kennt diese
Ansage nicht? In ganz großen Musentempeln üblich, doch in Dielheim nicht. Der Grund liegt nicht
am fehlenden „Großen Haus“, sondern ist bautechnisch bedingt: Die Spielstätten für das Theater
im Bahnhof haben getrennte Dächer. Und das ist gut so. Denn zwei Theaterhäuser könnten wir uns
wirklich nicht leisten. Was wir aber können, ist: auf beide zurückgreifen. Und das tun wir regelmäßig,
je nach Anforderung oder besser gesagt, je nach Jahreszeit:
Meist im Herbst auf das „Großes Haus“, die
Kulturhalle in Dielheim, und in der übrigen Zeit
auf unser „Schmuckkästchen“, das Theater im
Bahnhof. Der Name ist hier Programm, oder wie
es der römische Komödiendichter Plautus (um
250–184 v. Chr.) ausgedrückt hat: Nomen est
omen! Und das, obgleich er unser Theaterhaus
noch gar nicht kannte. Aber sicher hätte er die
gleiche Freude daran gehabt wie wir. Womit
auch fast bewiesen wäre, dass es diesen Zustand
lange Zeit nicht gab und er hart erarbeitet
werden musste. Zunächst auch, je nach Blickwinkel,
gegen etablierte Kulturträger oder ältere
Rechte am Kulturleben. Dass dabei zum Zwecke
der Schlichtung auch mal Anwälte beauftragt
werden mussten, zeugt vom „Kampf“ der jungen
Ideen gegen tradierte Rechte. Heute ist ein gutes
Miteinander gegeben und es kann den Besuchern,
aufgrund der beiden Häuser, ein breites
Spektrum an Stücken und Veranstaltungen angeboten
werden. Das ist nicht selbstverständlich.
Deshalb geht ein großes Dankeschön an die
Gemeinde Dielheim, die uns die Kulturhalle nun
schon seit mehreren Jahrzehnten zur geflissentlichen
Nutzung und zur Erbauung und Freude
der Zuschauer überlässt. Danke.
Unsere Spielstätten Links unser
Schmuckstück und ganzer Stolz, das
Theater im Bahnhof in der Bahnhofstraße,
und unten das „Große Haus“, die Dielheimer
Kulturhalle in der Pestalozzistr. 11
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[ ]
Die
Etablierung
Die Etablierung
Suche nach Raum. Engagements und Erweiterungen.
Feste, Bälle, Open Air. Aus der Backstube zu größeren „Brötchen“.
Vom Spieltrieb zum Spielbetrieb.
Zukunft?
ja bitte!
Mut bestimmte die ersten Jahre
der wild entschlossenen
„Theatermacher“. Vielleicht
war es auch einfach der unbekümmerte,
jugendliche Drang, etwas „Großes“
schaffen zu wollen. Wie dem auch sei,
die Fakten sprachen für die junge Truppe,
denn der Erfolg beim Publikum war
gegeben. Das ist bemerkenswert, waren
doch die Voraussetzungen äußest dürftig:
Geprobt wurde in Wohnstuben und
Wirtshäusern, und Proben auf der Bühne
waren erst eine Woche vor den Aufführungen
möglich, da andere Vereine
die Halle ebenfalls nutzten. Noch in der
Nacht der Premiere musste abgebaut
und am nächsten Tag die Halle gereinigt
werden, um sie für den Schulsport
freizugeben. Das hatte einmal sogar
unerfreuliche Konsequenzen: Wenige
Tage vor der Premiere fand das entsetzte
Theatervölkchen seine fertigen Kulissen,
zerstört durch Wind und Wetter, im Freien
liegend vor. Sie wurden als gefährlich
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für Kinder eingestuft und kurzerhand ins Freie
befördert. Die Antwort darauf war ein offener
Brief in Form eines Flugblattes, der Ärger und
eine Gerichtsverhandlung einbrachte. Dessen
ungeachtet ging der Spielbetrieb weiter: Immer
mehr gab es „Tourneen“ mit Stücken, wie der
„Meisterlügner“, die zunächst im Pfarrsaal
Premiere feierten, und im Spätherbst gab man
ein aufwändiges Stück auf der großen Bühne
der heutigen Kulturhalle. Der Erfolg war schwer
erkauft: ohne Raum zum Proben, auch nicht
für den Bau und die Lagerung der Kulissen. In
allen Sälen herrschte „Bauverbot“, und nicht
der kleinste Nagel durfte in den Bühnenboden
versenkt werden. Es brauchte Erfindergeist und
Glück, denn dieser Zustand gefährdete das
Theaterprojekt. Das Glück kam
in Gestalt einer kleinen ehemaligen
Bäckerei und wurde
beim Schopf gepackt: Besichtigen,
Pläne schmieden, Preis
verhandeln, zuschlagen. In
dieser Reihenfolge kam man
zum ersehnten Clubraum und
einer Scheune als Lager. Die
Freude war groß und legte
sich schnell: Der riesige Backofen
störte und musste raus.
Überlegungen halfen nichts;
Muskelkraft war angesagt. Das so heimelig
aussehende Teil mit seiner riesigen Brotluke
erwies sich als hartnäckiges Unikum. Viel
Schweiß, gepaart mit einem unbeugsamen
Willen, zwangen den Backofen raus und einen
ansehlichen Clubraum rein. Diese Maßnahme
wirke sich strukturell und personell positiv aus:
Zu der inzwischen zum e.V. mutierten „Spielgruppe
63“ stießen immer mehr Mitglieder,
was hochfliegenden Plänen Auftrieb verlieh.
So gerüstet, wurden jetzt ganz große „Brötchen“
gebacken: gesprochener Text allein
auf der Bühne genügte plötzlich nicht mehr,
jetzt sollten es auch Lieder sein. Das Musical
„Halleluja Billy“, bescheiden als „Songstück“
angekündigt, entsprach den Vorstellungen und
geriet unversehens zum „Gesellenstück“ oder,
besser gesagt, zum Start in eine Ära, die bis
heute in ihren Grundzügen noch besteht. Den
über 40 Mitwirkenden gelang es spielend,
singend und tanzend und unterstützt von der
6 Mann starken Band „Blue Dominos“, die
Herzen der Zuschauer zu erobern. Obgleich
bei den Vorbereitungen wegen der Dimensionen
fast gescheitert, wurde mit „Halleluja Billy“
ein Meilenstein gesetzt. Eine Einladung zu den
Deutsch-Französischen-Theatertagen in Barle-Duc
(Frankreich) war die Folge. Auch dort
erregte die Inszenierung Aufsehen und
Plakat und Szenenbilder aus Halleluja Billy, 1973
wurde mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.
Ereignisreiche Tage und eine kleine Tournee
schlossen sich an. Im Rückblick lässt sich
feststellen, das Stück war ein Kraftakt in allen
Bereichen und brachte die Mitwirkenden an
die Grenze des Machbaren, auf der Bühne
und in der Organisation. Gleichzeitig wurde
ein deutliches Zeichen gesetzt, nach innen wie
nach außen; nach innen, weil es gelang, auch
mit Hilfe von Fachkräften in der Choreografie
und der Musik die eigenen Grenzen weit
hinauszuschieben; und nach außen, weil die
Bereits ab 1971 kamen kleine Theaterformen auf die Dielheimer Bühne. Oben „Dunkelrote Rosen“
eine Persiflage. Mitte „Der Lügner“, „Die Mauer“ und unten „Picknick im Felde“.
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vermeintliche „Schnapsidee“ einiger Jugendlicher
den Kritikern offensichtlich Respekt und
Achtung abnötigte. Der junge Verein begann,
so etwas wie einen Spielplan aufzulegen. Der
wurde nach außen nicht kommentiert, aber
nach innen mit einem klaren Konzept verwirklicht.
Hilfe von außen wurde nicht nur zugelassen,
sondern bewusst gesucht. Schulungen,
Workshops, Seminare im ganzen Spektrum
der Theaterarbeit wurden intensiviert und die
Begegnung mit Gleichgesinnten und anderen
Amateutheatern ausgebaut. Begleitet wurden
diese Ideen durch Hans Bernhard, dem Leiter
der Spielberatung Baden-Württemberg. Er
brachte, durch intensiven Austausch mit der
Führungscrew, die junge Truppe behutsam auf
einen Weg, der noch heute nachwirkt. Besuche
von Spieltagen, Amateurtheaterfestivals,
aber auch Besuche bei befreundeten Theatern
setzten eine tiefgreifende Entwicklung in
Gang: Man begann, die eigene Arbeit kritisch
zu hinterfragen. Die Ergebnisse dieser Reflektion
zeigten sich bald in einem veränderten
Spielplan. Herz-Schmerz-Stücke wurden
ersetzt durch zeitgemäßere Literatur,
ohne das Publikum vor den Kopf zu
stoßen. Und der „alte Zopf“ Laienspiel
war eigentlich schon durch „Halleluja
Billy“ abgeschnitten worden. Um das Publikum
nicht zu vergraulen, wurde das Projekt „Gutes
Amateurtheater“ bedächtig, aber zielgerichtet
angegangen. Der Spielleitung kam dabei eine
große Bedeutung zu. Die damaligen Spielleiter
hatten rasch erkannt, auf was es ankommt und
gingen, auch in Sachen Ausbildung und im
Lernen mit „Augen und Ohren“, vorneweg. Folgerichtig
entwickelte sich der Spielplan schnell
weiter, und man begann, organisatorisch und
technisch aufzurüsten. Werbung, Öffentlichkeitsarbeit,
Technik, Maske, Bühnenbau bis hin zur
Vorstandschaft erlebten Veränderungen, die
alle das gleiche Ziel hatten: besser zu werden.
Die Kommunikation über die wenigen Medien
wurde prägnanter, galt es doch, das veränderte
Profil deutlich zu machen: Im Frühjahr wurde
versucht, kleinere Produktionen kabarettistischer-
und kleinkünstlerischer Natur sowie Kammerstücke
zu etablieren; wohlwissend, damit
nur ein kleines Publikum zu erreichen; gedacht
als „Fingerübungen“ für alle, aber auch für
die im Spätjahr nicht zum Zuge gekommenen
SpielerInnen. Und im Spätherbst sollte eine
„große“ Aufführung folgen, die aus zeitgenössischen
Stücken, Klassikern oder „gehobenen“
Komödien besteht. Und so kam es auch, bis
auf ganz wenige Ausnahmen. Stücke, wie
John Steinbecks „Von Mäusen und Menschen“,
Alfonso Pasos „Lasst uns Lügen erzählen“ oder
auch „Arsen und Spitzehäubchen“ von Josef
Kesselring standen auf dem Spielplan. Stücke
die echte „Knaller“ wurden, waren nicht selten.
„Spiel‘s nochmal Sam“ von Woddy Allen oder
Dario Fo‘s „Zufälliger Tod eines Anarchisten“
zählen dazu. (Eine komplette Auflistung finden
Sie in diesem Heft) Vergessen sei auch nicht
Volles Programm?
Aber hall0!
die kleine Theaterform, die vielen Einakter von
Kishon bis Valentin, von Cocteau bis Arrabal,
oder das absurde „Taschentheater“; immer
fand die „Spielgruppe 63“ ihr Publikum. Viel
Mut zum Risiko bedurfte es Kleinkunstfestivals
mit einem Non-Stop-Tagesprogramm unter
freiem Himmel auf die Beine zu stellen. Jazzer,
Liedermacher, Gaukler, Sängerinnen und
die Sketche der Gastgeber standen auf dem
Programm. Der Kultur im ländlichen Raum
zuliebe war es bereits ein Erfolg, wenn Einnahmen
und Ausgaben sich ausglichen. Und wenn
sich „Miese“ einstellten, schaute man darüber
hinweg, weil der Bekanntheitsgrad durch diese
Aktivität geradzu nach oben schoss. Kein Wunder,
denn im Rundfunk wurden Durchsagen
und Interviews gesendet, und überregionale
Zeitungen berichteten darüber. Bei so viel
künstlerischem und organisatorischem Aufwand
für Aufführungen und Veranstaltungen
stellt sich natürlich die Frage: Wer zahlte das
alles? Klar, die Spielgruppe! - und zwar mit
jenem Geld, das anderswo eingespielt wurde.
Alle waren jung und wussten deshalb genau,
was die jungen Leute suchten - und lieferten,
was fehlte: Musik, Tanz, Spaß! Mittlerweile
auch im „Theatergeschäft“ zur Erkenntnis
gelangt: „Qualität bringt‘s“, entschied man sich
beim musikalischen Personal auf der Showbühne
bewusst immer für die zwar Teureren, dafür
aber Besten ihres Faches. Und das funktionierte
hervorragend. Die ersten Versuche mit dieser
Unterhaltungsform firmierten noch als „Tanz in
den Mai“ oder „Frühlingsball“, doch bald stiegen
die ersten richtig großen Faschingsbälle,
ausgestattet mit zugkräftigem Motto, angereichert
mit Showelementen und prächtiger,
auf das jeweilige Motto
abgestimmter Saaldeko,
in den närrischen Himmel.
Sie „trafen ins Schwarze“,
und Erfolg reihte sich an
Erfolg. Mehr als anderthalb
Jahrzehnte bildeten die
begeistert gefeierten Faschingsbälle das monetäre
Polster für große Pläne. Der Einsatz auf der
Theaterbühne litt nicht darunter, im Gegenteil.
Das spielerische Vermögen wurde gesteigert,
auch mit willkommener Hilfe von Seiten des
BDAT (Bundesverbandes deutscher Amateurtheaters),
des LABW (Landesverband Amateurtheater
Baden-Württemberg) und der Theater-
und Spielberatung Baden-Württemberg in
Heidelberg. Zu allen Institutionen wurden und
werden bis heute, über die normale Verbundenheit
hinaus, freudschaftliche Beziehungen
gepflegt. Die anfängliche Skepsis
Theater
im Bahnhof!
Wie bitte?
in der Bevölkerung und der Gemeindeverwaltung
gegenüber den „jungen Leuten“ wich
langsam, aber sicher einer „kontrollierten“ Achtung.
Mit der wachsenden Leistungfähigkeit kamen
Aufführungen auf die Bühne, die aufhorchen
ließen. Die Erfolge bei Spielbegegnungen
und die Ausrichtung der Deutsch-Französischen
Theatertage und die mehrmalige Ausrichtung
der Kraichgauer Theatertage förderten ihrerseits
den guten Ruf der Dielheimer Theaterfreunde.
Die heraufbrechenden gesellschaftlichen
Veränderungen zeigten im Theaterbetrieb
früh Wirkung. Die Macher
der „Spielgruppe 63“ hatten
Familie und berufliche
Aufgaben, die zwangsläufig
das Engagement
einschränkten. Und ganz
junge Leute stießen kaum
dazu. Trotzdem gelang es immer wieder bei
den Aufführungen, die Lücken zu „stopfen“
mit SpielerInnen, die erstaunlich schnell in das
Ensemble integriert wurden. Klar, gab es auch
oft nur kurzfristige Einsätze. Doch über die
Jahre gesehen, war das Glück, MitmacherInnen
zu finden, bis zum heutigen Tag erstaunlich
oft präsent. An Tourneeeinsätze war nicht
mehr zu denken, und die finanzielle Quelle
„Fasching“ wurde beendet, ehe sie versiegte.
Die Veränderungen im gesellschaftlichen
Umfeld wurden zwar früh erkannt, aber etwas
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37
unterschätzt, noch lief ja alles „richtig“ und gut;
wenn auch mit sehr viel Aufwand verbunden.
Das führte etwas später bei den „Motoren“
der Gruppe zu ernsten Überlegungen und
gewagten Ideen: Den Veränderungen sollte
mit einer „großen Sache“ begegnet werden.
Ein eigenes Haus sollte es sein, denn die
Zustände in der „Backstube“ waren durch Lage
und Räumlichkeiten schlicht nicht mehr hinzunehmen.
Jetzt wurde gesucht, gefunden und
meist wegen Unbezahlbarkeit verworfen. Die
gesellschaftlichen Veränderungen bewirkten
aber auch, dass die durch Dielheim führende
Nebenbahnstrecke und damit auch das kleine
Bahnhofgebäude aufs „Abstellgleis“ musste. Als
noch niemand ahnte, wie es mit dem Gebäude
und dem Gelände weitergehen würde,
spielten die Theaterleute auf volles Risiko. Sie
mieteten, unter den mitleidig-fragenden Blicken
der Betreiberin SWEG, kurzerhand das äußerst
marode Bahnhofgebäude an. Die nach außen
nicht geäußerten Pläne sahen eine „Instand-
Besetzung“ mit einer Totalrenovierung innen
vor - aus eigener Kraft und auf eigene Kosten,
versteht sich. Weiter sollten eine rasche „kulturelle
Belebung“ durch kleine Veranstaltungen, ein
politsches Engagement in Sachen Vorplatz und,
wie so oft, auch Allianzen für die gute Idee
gebildet werden - denn auch die Nachbarn
waren nicht gerade entzückt. Das Gebäude,
im miserablen Zustand aber in der Phantasie
der Mieter einem Palast nicht unähnlich und
in der Raumaufteilung ideal, wurde postwendend
auf „Erhaltungswürdigkeit“ getrimmt. Das
Kalkül war: „Wenn alles ganz toll aussieht, wird
man uns schon nicht rausschmeißen, wenn das
Gebäude an die Gemeinde verkauft wird“.
Deshalb wurden rasch und schweißtreibend
Kabel, sanitäre Anlagen, Treppen und Raumaufteilung
unter den kritischen Augen des
natürlich hauseigenen Architekten verlegt und
angepasst. Das Ergebnis kann sich noch heute
sehen lassen. Noch während der Arbeiten
ging man den politischen Teil an, denn die
Alternativen für das Areal lauteten: Abriss und
Wohngebiet oder Sanierung und Parkanlage.
Kaum fertig, lud man die Gemeinderäte zu
Kleinkust in den nun innen sehr schmucken
Bahnhof ein und natürlich auch zu Verhandlungen.
Um es kurz zu machen: Mit viel Glück,
Arbeit und Menschen, die für einen Park um
den Bahnhof Partei ergriffen, wurde schließlich
das fast Unmögliche geschafft - dank vieler
...und es
bewegt sich
doch!
Mitbürger und der Gemeinde Dielheim gab
es nun ein ausreichend großes „Clubhaus“
für.. na, was wohl? - Das „Theater im Bahnhof“.
Die immer mal wieder laut gewordenen Rufe
nach einem neuen Namen, der zum theatralen
Tun passt, konnte mit dem „neuen Haus“,
recht schnell erhört werden. Den alten Namen
gab es nur noch kurze Zeit als Anhängsel
zum neuen Namen - Theater im Bahnhof. Im
Nachhinein kann festgestellt werden, mit den
neuen Möglichkeiten begann auch eine neue
Zeit. Alles war jetzt da, Club- und Proberaum,
Kulissenlager, eine kleine Werkstatt und Platz
im Keller und unterm Dach für den Fundus. Die
Außenanlagen wurden von der Gemeinde
als Park angelegt und das Bahnhofsgebäude
fachgerecht renoviert und unter Denkmalschutz
gestellt - ein existenzieller Meilenstein, ohne
den es das Theater im Bahnhof wahrscheinlich
nicht mehr gäbe...
Bild links oben,
symbolische Schlüsselübergabe
für das neue Theaterhaus 2003.
Theater braucht Besucher. Eine Binsenweisheit, auch für uns als Amateurtheater. Schon kurz nach der
Gründung haben wir deshalb entschlossen gehandelt. Zunächst kamen wir zum Publikum, indem
wir für andere Vereine spielten. Eine gute Idee. Doch wir wollten unabhängig sein. Auf die Frage, wie
fülle ich einen Saal mit Zuschauern, gaben wir uns eine einfache Antwort: Spiele ein volksnahes Stück
und erzähle es vielen Menschen, und es wird gut werden. Und das tat es auch. Ganz so, wie es bei
exotischen Neuheiten üblich ist. Im Grunde hat sich daran bis auf den heutigen Tag wenig geändert.
Gut, wir sind mit unseren Fünfzig nicht mehr
taufrisch und kaum mehr exotisch. Auch hat
sich das gesellschaftliche Umfeld total verändert,
und damit auch die Wahl der kommunikativen
„Waffen“. Uns war früh bewusst, dass
wir uns auf die gepflegte Mundwerbung nicht
mehr verlassen konnten. Zu einflussreich waren
schnell die flimmernden, musikalischen und
sonstigen Konkurrenten geworden. Öffentlichkeitsarbeit
hieß das Zauberwort welches nun,
neben der jetzt „gehaltvollen Inszenierung“, alles
richten musste. Lehrgänge wurden besucht
und ein eigenes „Amt“ mit Namen „WerbÖff“
(Werbung und Öffentlichkeitsarbeit) dem Vorstand
angegliedert. Ein wichtiger Schritt, der
heute als unverzichtbar gilt und seiner Zeit
voraus war. Noch immer erzählen wir den
Menschen draußen, was wir tun, was sie erwartet
und wer wir sind. Die verbale Kommunikation
ist dabei nur noch ein winziger Teil.
Von Artikeln, Heften, Plakaten und dem Web
Denn heute bestimmen kommunikative Medien
unser Bild in der Öffentlichkeit. Die Klassiker Plakat
und Programmheft, mit viel Liebe gemacht
und auf das Stück abgestimmt, haben noch immer
hohen Stellenwert. Regelmäßige Berichte
und Ankündigungen in der Presse, oft mit unserem
Logo, sind selbstverständlich geworden.
Und bei den Online-Medien, wie das Internet,
gehörten wir ebenfalls zu den ersten Vereinen in
Dielheim, die dessen Notwendigkeit erkannten
und darüber nach außen und innen kommunizierten.
Aktuelles, Hintergrundinfos und Bilder
stehen hier kurzfristig bereit. Wir investieren in
das Aussehen unserer Website (schon 3x überarbeitet)
genauso wie in Dienste, die den Aufenthalt
auf unserer Site angenehmer machen
und den Nutzern helfen, schnell zur gesuchten
Info zu gelangen. Und es geht weiter. Karten-
und andere Services sind angesagt. Damit Sie
wissen, was wir meinen: Einfach nachschauen
oder auf unseren Seiten schmökern. Und zwar
hier: www.theaterimbahnhof.com
Plakat, Website, Presseartikel Grundlage
der Kommunikation mit unserem Publikum. Dazu
gehören auch unsere Artikel in der Presse, damit unsere
Besucher immer wissen, was läuft.
38
39
[ ]
Heute
Neuzeit Wie, was, wo und wie.
Alt und Jung im Tandem. Spielplan, und dann?
Quo vadis, Theater im Bahnhof?
A
lter Bahnhof - neue Möglichkeiten! So
könnte man, zugegeben etwas
gerafft, die heraufbrechende „neue
Zeit“ für das Theater im Bahnhof bezeichnen.
Gesellschaftliche Veränderungen hielten in
immer stärkerem Maße in der Gruppe und
auch im nun nicht mehr ganz so beschaulichen
Dielheim Einzug.
Tradierte und
liebgewonnene
Veranstaltungen
„zogen“ nicht mehr.
Tanzveranstaltungen
mit Livemusik
wurden von
Diskotheken
abgelöst, und auch
diese bekamen
relativ schnell das Etikett „out“. Die Macher der
ehemaligen „Spielgruppe“ kamen ins „gesetzte“
Alter und Familie und Beruf forderten ihren
Tribut. Noch wurden Hochzeiten und andere
Feste im Theaterkreis „würdig“ begangen, doch
immer schneller wurde klar: Der Vereinsbetrieb
im herkömmlichen Stil lässt sich nicht mehr
halten. Tourneen waren schon längere Zeit auf
Grund des Verschwindens der „Winterfeiern“
und aus Mangel an Helfern obsolet geworden.
Zu aufwändig gerieten die Vor- und Nacharbeiten.
Spielstätten, wie den Pfarrsaal, hat man
einer anderen Bestimmung zugeführt, und die
Kleinkunstfestivals wurden noch rechtzeitig vor
den roten Zahlen aus dem Programm genommen.
Neue Ideen waren also gefragt. Und was
lag näher, als den neuen Namen „Theater im
Bahnhof“ mit Leben zu füllen und den Bahnhof
zum Mittelpunkt zu machen? Schnell gab es
erste zaghafte
Versuche: Der
Spielplan
Wirtschaft.
ehemalige
Schalterraum mit
seinem originellen
Schild: „Bitte nicht
auf den Boden
spucken“ wurde
kurzerhand zur
Kabarettbühne
umfunktioniert und
erfolgreich bespielt. Viele Honoratioren und
„Multiplikatoren“ wurden dazu eingeladen.
Denn es galt zu zeigen, was geschaffen wurde:
ein ordentliches Haus mit vielen Möglichkeiten.
Doch das Wichtigste war, das Haus ermöglichte
das Proben ohne Hinternisse. Das wiederum
begünstigte die Qualität der Aufführungen.
Produktionen, wie „Der zufällige Tod eines
Anarchisten“ von Dario Fo, um nur ein Stück
herauszugreifen, wurden möglich; ein Stück,
das auch auf Spieltagen und einer Profibühne
in Heidelberg gespielt wurde. Die neue
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Ausrichtung zeigte sich bald auch im weiteren
Veranstaltungkalender: „Die Sommernacht am
Bahnhof“, als „Volksfest“ mit Musik, Feuerwerk
und Kleinkunst rund um den Bahnhof inszeniert,
ersetzte die bisherigen Großveranstaltungen
und wurde über viele Jahre zur einträglichen
„Cash-Cow“. Durch die vielen kleinen und
großen Erfolge ermuntert, stießen die Überlegungen
einiger kreativer „Theater-Funktionäre“
rasch in neue Dimensionen vor. Vielleicht war
es schlichte Weitsicht oder einfach das Gespür,
die Zeichen der Zeit zu erkennen und den
kommenden, sehr tief gehenden Veränderungen
in Gesellschaft und Arbeitswelt zuvorzukommen.
Vielleicht war es aber auch schlicht
die Liebe zu den „Brettern“ und zum Verein.
Wahrscheinlich war es von beidem etwas, das
die Überlegung reifen ließ: Wie wäre es, ein
eigenes, „richtiges“ Theaterhaus zu haben? Die
Idee erschien zu verwegen und die Ablehnung
folgte auf dem Fuße. Noch mehr Arbeit wurde
befürchtet. Selbst der vom Hausarchitekten
entworfene, etwas kühne, aber durchaus
realistische Entwurf eines Theateranbaus
mitsamt der Versicherung, hierin liege die
Zukunft und keineswegs ein mehr an Arbeit,
sondern eher das Gegenteil; auch die besten
Argumente konnten die ablehnende Haltung
nicht auflösen. Doch, wie die Erfahrung zeigt,
brauchen gute Ideen ihre passende Zeit. Eine
wichtige Änderung für die Theaterleute ergab
sich dafür anderenorts: Die Dielheimer „Sport-
u. Kulturhalle“ mutierte sehr zur Freude der
kulturtragenden Vereine in Dielheim zur reinen
Kulturhalle. Das eröffnete mehr Spielraum und
die Aussicht, stressfreier proben zu können. Im
Bahnhof stand inzwischen Kleinkunst auf dem
Programm, von der Jazz-Matinee bis hin zu
literarischem Kabarett. Auch Theatergästen aus
dem fernen Norwegen bot man ein Forum mit
der Aufführung „Lofoten-Walzer“. Eine weitere
Neuerung stach dabei besonders ins Auge:
Lasst uns Lügen erzählen - 1984
Hier sind sie richtig - 1991
Arsen und Spitzenhäubchen - 1988
Kinder und Jugendliche, vor allem die eigenen,
wollten und sollten ebenfalls Theater spielen.
War das der Beginn einer heraufdämmernden
„Ära der Jungen“? Fest steht, es war der Beginn
der Spiel-Planwirtschaft. Ab sofort musste
abgestimmt geplant werden - eine gute
Vorübung für das Kommende. Mit den jungen
Leuten vor Augen setzte sich zeitgleich bei den
Machern und einem Teil der Mitglieder eine
Erkenntnis durch: Wir sind in die Jahre gekommen.
Welche Jahre mit „die“ gemeint sind,
konnten die Verantwortlichen im Rückblick
erkennen: Zwischen dem eigenen Lebensalter
und den jungen Leuten klaffte eine „Generationen-Lücke“.
Der Rückblick wirkte, da gewissenhaft
ausgeführt, erhellend. Wichtig ist dann,
dass daraus die richtigen Schlüsse gezogen
werden. Doch diese zogen sich zunächst etwas
hin, bis der gefallene
Groschen das Resultat
freigab: „Uns fehlen junge
Menschen, und das darf
nicht so bleiben“. Es war
nicht so, dass generell MitspielerInnen bei den
Stücken fehlten. Nein, die wurden überraschenderweise
und mit sehr viel Glück immer wieder
gefunden und mal mehr oder weniger, auf
lange Sicht gesehen, erfolgreich intergriert.
Nein, was fehlte, war eine ganze Generation
fast überall im Verein. Von „Überalterung“
konnte guten Gewissens noch nicht gesprochen
werden, doch die Frage nagte immer
deutlicher. „Was kommt eigentlich nach uns?“
Ein gutmeinendes Echo antwortete: “Nichts“.
Die gute Absicht hinter dem „Nichts“ erkannten
die Macher und machten sich auf den Weg,
das zu ändern. Ähnlich der Bibel, die da sagt:
„Wer klopfet, dem wird aufgetan.“, klopften die
Macher bei ihren kulturellen Freunden der
Musikschule Horrenberg-Dielheim an. Aufgetan
Alles Jugend,
oder was?
wurde die Tür und kurze Zeit später auch eine
geniale Idee. Die Idee wurde nicht auf die
lange Bank geschoben - sie wurde umgesetzt
und gipfelte in der Zusammenarbeit der
Musikschule Horrenberg-Dielheim und dem
Theater im Bahnhof in Sachen Jugendarbeit.
Über die musischen Sparten hinweg sind bis
heute bei der Musikschule ausgebildete
Theaterpädagogen und -innen angestellt, die
mit Kindern und Jugendli-
chen, in Gruppen
eingeteilt, arbeiten. Das
Theater im Bahnhof zahlt
für die Ausbilder bei der
Musikschule, stellt seine Infrastruktur, wie
Bühnen, Technik und Fundus samt Betreuung
und vieles mehr zur Verfügung und erhebt bei
den Eltern der KInder einen geringen Mitgliedsbeitrag.
Die Kinder und Jugendlichen
werden also vom Theater im Bahnhof subventioniert.
Diese geniale Idee zeigte bald Früchte.
Ohne jegliche Übertreibung lässt sich feststellen:
Die Ausbildung ist sehr erfolgreich. Angeleitet
durch die Fachkräfte zeigte sich früh, was
bei guter Ausbildung machbar ist, nämlich
herausragendes Amateurtheater. Die vielen
guten Aufführungen, vom liederlich, literarischen
Jugendkabarett „Liebe in jeder Beziehung“
über die wundervollen Aufführungen
von „Der kleine Prinz“ über „Warten auf Godot“
bis hin zu der aktuellen Kinder-für-Kinder-
Links: „Der zufällige
Tod eines
Anarchisten“,
1984, erregte
Aufsehen und
wurde auf Spieltagen
und auch
mehrere male
auf einer Profibühne
gespielt.
42
43
Lauf doch nicht immer weg -1986
Literarisches Kabarett - 1985
Die beiden untersten
Bilder:
„Antigone“,
wurde 1985 auch
auf einer kleinen
Tournee in den
Gymnasien
der Umgebung
gespielt.
Haus mit „Maschimaschine“ weiter. Ein
volles Haus erwartete die übrigens über
Produktion „Urmel aus dem Eis“; immer äußerst
sehenwert, immer Aufführungen, die ihresgleichen
suchen. Doch bis zu den heutigen
angesehenen Produktionen bei den Erwachsenen
wie auch Kindern und Jugendlichen war
noch viel Arbeit und Schweiß angesagt. Die
ersten Aufführungen im Bahnhof fanden im
Probenraum und sogar im umgebauten
Clubraum statt; gut besucht, aber so nicht auf
Dauer zu halten: zu eng,
feuerpolizeilich problematisch
und für die
SchauspielerInnen und
Helfer mit unzumutbarem
Aufwand verknüpft. Der Probenraum, schon
einmal Ausgangspunkt hochfliegender Pläne,
geriet, nachdem der Ernst der Lage zum Thema
wurde, erneut in den Fokus. Für die vor einigen
Jahren gereifte Idee, ein kleines Theater
anzubauen, war unversehens die Zeit gekommen.
Erste Überlegungen führten zu Plänen,
die zunächst noch kritisch beäugt wurden. Die
alten Argumente aber griffen nicht mehr so
richtig. Lag den Mitgliedern das Theaterspielen
am Herzen, mussten sie handeln. Die Überzeugungsarbeit
gestaltete sich äußerst mühsam.
Doch wer Überzeugen will, muss im Herzen
brennen und einen langen Atem haben. Und
es gab Mitglieder und Multiplikatoren, die
genau dieses hatten. Kleine Allianzen halfen
Karate Billy kehrt zurück - 1994
Rentnerband,
oder wie?
auch, und schließlich war sogar der kontrovers
diskutierte Finanzierungplan unter Dach und
Fach und die Baupläne für das eigene Haus,
badisch korrekt, auf das „Machbare“ geschrumpft.
Macht nichts, was einmal gebaut ist,
kann angepasst werden. Die „Aborigines“ in
der Führungcrew hatten das Feuer weitergetragen
- und schließlich brannte es mal mehr oder
weniger hell - aber es brannte. Harte Arbeit
war nun angesagt, auch
zu ungewöhnlicher Zeit
für Berufstätige. Denn der
Finanzierungsplan, sehr
freundlich unterstützt von
der Gemeinde Dielheim, dem Land Baden-
Württemberg über den Landesverband
Amateutheater Baden-Württemberg, sah
schweißtreibende Eigeninititve vor. In Sonderschichten
und mit Hilfe der Bauleute und
unserem leitenden Architekten gelang das
Werk. Korrekt denkmalschützerisch angebaut
an den Bahnhof, stand es nun stolz vor seinen
Erbauern: Knapp über hundert Sitzplätze, ein
Balkon für die Technik und als Bühne der
ehemalige Schalterraum bzw. Probenraum,
nun aber ohne das Schild „Nicht auf den
Boden spucken“. Der „Tag der offenen Tür“
sollte allen zeigen: Wir haben es geschafft!
Doch zu nah ans Bauende gelegt, war den
Akteuren eine gewisse, verständliche Müdigkeit
44
45
Außer Kontrolle - 1995
nicht abzusprechen. Dessen ungeachtet war
klar, das neue Haus eröffnet neue Möglichkeiten:
einfachere Abläufe, ungestörtes Proben, ein
Jahresprogramm für die Bühne, organisatorisch
problemlose Sitzungen und Platz zum Feiern.
Die Vorteile überwogen und schafften der
klaren Erkenntnis Raum: Gut so. Der geordnete
Proben- und Spielbetrieb begann. Auf der
Bahnhofsbühne spielen heute alle, die Erwachsenen,
die Jugendlichen und auch die Kinder.
Hinzu kam schnell auch ein kleines Jahresprogramm
an Gastspielen. Alles, was auf dieser
Bühne möglich ist, wurde schon angeboten:
Liederabende, Schauspiele, Komödien,
Kindertheater, Kabarett, Comedy, kleine
Konzerte, Lesungen, Buchvorstellungen und so
Ich will Muissow sehen - 1976
Pension Schöller - 2001 Von Mäusen und Menschen - 1979
weiter. Mit diesem Haus ist es gelungen, der
Bevölkerung im Umkreis ein kulturelles Zentrum
zu geben, dessen Programme gerne angenommen
werden. Derzeit, um es einmal
deutlich zu sagen, ist diese Form des Arbeitens
für das Amateurtheater in Dielheim die einzig
mögliche - wie lange das so bleibt, weiß
niemand. Auf Grund rasanter, einschneidender
Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft
kommen nicht nur auf das Theater im Bahnhof
tiefgreifende Herausforderungen zu. Es gilt,
nicht weniger als einem Paradigmenwechsel zu
begegnen. Etwas flapsig ausgegedrückt:
Rentnerband, oder wie? - Jugend, oder was?
der Blick in
die Kristallkugel
Das „Geschäft“ läuft (noch) gut, auch für das
Theater im Bahnhof. Mit „Geschäft“ ist der kulturelle
Auftrag gemeint, den zweifelsfrei unser
Amateurtheater hat. Die Realisierung dieses
Auftrags zeigt sich zunächst freundlich: Es
wurde noch nie soviel Amateurtheater gespielt,
wie derzeit, und noch nie in einer so hohen
Qualität. Heißt das, der Auftrag ist erfüllt, das
Amateurtheater ist bei den Menschen angekommen?
„Kultur boomt“, ist zwar ein gängiges
Schlagwort, und es gilt auch für das Amateurtheater.
Wer aber genauer hinsieht, stellt fest:
höchst wahrscheinlich nicht mehr lange. Gut,
Interventionen und Investitionen in noch bessere
Ausbildung, mit noch mehr Theaterpädagogen
und Lernangeboten, werden kurzfristig das
Niveau weiter anheben und möglicherweise
auch verbreitern. Aber eines können alle diese
Maßnahmen nicht: Die negativen Auswirkungen
der Bevölkerungspyramide aufhalten und
den Menschen Zeit schenken, damit sie diesem
Die Brautwerber von Loches - 2002
Auftrag überhaupt nachgehen und ihn erfüllen
können. Das sind die Fakten. Zu beobachten ist
dies beim Theater im Bahnhof in Dielheim. Klar
ausgedrückt, die Kinder und Jugendlichen genießen
eine qualitativ hochwertige Ausbildung,
das ist gut so, gehen dann aber von der Schule
ab zur Uni oder ins Berufsleben. Genau ab
diesem Moment bricht das Engagement beim
ausbildenden Theater ein. Allenfalls Auftritte
während der Studienzeit im Studentenkabarett
sind noch machbar. Für Berufseinsteiger
und überhaupt im Beruf bleibt keine Zeit, kein
Freiraum mehr für solche Aktivitäten. Zu sehr
fordert das „Geschäft“ die Menschen. Heute
hier, morgen dort, wie im Refrain des gleichnamigen
Liedes beschrieben, bleiben Bindungen
auf der Strecke. Wenn überhaupt, ist nur noch
Kurzfristiges an wechselnden Orten denkbar.
Von den Theaterausgebildeten aus über 20
Jahren unserer Lernoffensive blieb bisher niemand,
geschweige denn ein kleines Ensemble
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47
Kein Platz für Idioten - 2003
Ein wahrer Held - 2004
Theatercomics
übrig, um dem Auftrag Amateurtheater weiter
nachzukommen. Was bleibt? Seniorentheater,
begrüßenswert, aber kein Ersatz für die Nachfolge.
Schließen? - Noch nicht. Weitermachen
vielleicht, um dann zu schließen? Oder vom
aktiven Amateurtheater zum Kulturanbieter
professioneller Inhalte werden? Ein denkbarer
Weg. Mit anderen Worten, die Zukunft ist mitten
unter uns; je früher wir Antworten finden, je
besser. Es gibt viel zu tun. Toi, toi, toi für weitere
50 Jahre.
Schlußfolgerung
Die Herausforderung
2.0 ist da:
Amateurstatus
vs. Professionalität.
Amateurtheater in Zeiten
des allgemeinen „Tralala“.
Die Farbe der Zukunft -
schwarz oder weiß?
- Schauen wir mal!
5zig Jahre darstellendes Spiel in Bildern
Szenen einer Leidenschaft
Selbstverständlich können die Bilder im Heft nur einen kleinen Auschnitt aus 5zigjährigem theatralen
Schaffen zeigen; wohl wissend, dass sich vielleicht einige wichtige Wegbegleiter nicht im Bild
wiederfinden. Das ist keine Absicht, sondern der schieren Menge und der Qualität der Bilder, dem
Layout und natürlich auch der „Qual der Wahl“ für den großen Überblick geschuldet.
Der Revisor - 2011
Ein wahrer Held - 2004
Offene Zweierbeziehung - 2007 Der Revisor - 2011
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Otello darf nicht platzen - 2007
Der zerbrochne Krug - 2008
Die Brautwerber von Loches - 2002
Oh (je) du Fröhliche - 2006 Das Festkomitee - 2005
Essen und Trinken, halten Leib und Seele zusammen - eine Binsenweisheit auch für Bühnenmenschen.
Ganz besonders nach einer gelungenen Aufführung ist der leibliche Hunger besonders
groß. Damit in einer solchen Situation und bei einer Fülle weiterer Gelegenheiten keine Mangelerscheinungen
zu Tage treten, gibt es beim Theater im Bahnhof die Abteilung „Gegen Hunger
und Durst“, neudeutsch auch Catering genannt. Sie besteht aus Damen und Herren, die seit den
Anfängen dabei sind, uns die physiologische Basis der musischen Arbeit zu erhalten.
Eine weitere wichtige Arbeit besteht darin,
unsere Theaterbesucher zu einem „geneigten
Publikum“ werden zu lassen. Das erfordert
Feingefühl von der Küchencrew, einschließlich
des Services. Auch große bis ganz große Aufgaben
wie das Verköstigen von Festpublikum,
von hungrigen Ensembles bei Theatertagen
oder Gästen beim Open Air, bis hin zu feinen
Silvestermenüs - alles wurde schon mit Bravour
„gestemmt“. Unvergessen sind auch die legendären
Partys früherer Zeiten mit viel „Schweinereien“
vom Grill oder das immer noch aktuelle,
archaische Frühstück „off the Road“ bei den
Ausflügen - allesamt kulturell wirksame Maßnahmen,
um die Leistungsfähigkeit auf der Bühne
und um die Bühne herum zu erhalten. Den
dankbaren Genießern obliegt es, höchstes Lob
zu spenden: Hopfen und Schmalz, Gott erhalt‘s.
And last but not least: Catering and Ticketing
Das Ticketing, ein Service mit einer klaren Zielgruppe:
unsere Besucher. Das ist unser Kartenservice,
für des Deutschen Unkundige auch Ticketing
genannt. Ja genau, das sind die Leute
mit den Eintrittskarten. Besondere Kennzeichen:
ordnungsliebend, leise, exakt und, man glaubt
es kaum, servicefreundlich. Frage: Welches Amateurtheater
hat noch Platzanweiser? Sehen Sie,
wir schon. Das nennt man perfekten Service
made by Theater im Bahnhof. Gut, das ist auch
unserem Platzsystem geschuldet, da es (im „Großen
Haus“) keine Platznummern gibt, dafür aber
nummerierte Reihen. Trotzdem, das gehört einfach
dazu. Dass die korrekten Kartenkontingente
für jedes Stück und jede Vorstellung sauber
gedruckt und portioniert bei den jeweiligen Verkaufsstellen
ausliegen und es dabei auch keine
Überschneidungen mit anderen Kontingenten
gibt, braucht man eigentlich nicht erwähnen.
Das ist so! Und dass dabei die Organisation
unseren Besuchern verborgen bleibt, ist gut so.
Den korrekten Eintrittsausweis besitzend, genießen
sie einfach die Vorstellung. Damit ist aber
noch nicht Schluss, es fehlt noch etwas. Denn zur
perfekten Ordnungsliebe gehört auch die Statistik.
Fein säuberlich errechnet und zu Diagrammen
gestaucht, liefert sie Hinweise über „Besucherströme“,
„Tendenzen“ und andere knallharte
Fakten. Und um noch servicefreundlicher zu werden,
richtet sich derzeit der Blick nach weit vorne,
hin zu einem Reservierungssystem über das Internet,
damit alles noch ein Stück geräuschloser
und perfekter läuft. So sind sie halt, unsere Leute
vom K-Service.
50
51
[ ]
Daten
Fakten
Bilder
5zig Jahre
Theater im Bahnhof
Die Bausteine unseres Hauses 2013
Leitung und Organisation
Vorstandschaft Wir sind ein eingetragener Verein und als solcher organisiert. Doch schon seit den
ersten Tagen haben wir eine Vorstandschaft. Sie bestimmt die Geschicke des Vereins, setzt Leitplanken
und gibt die Richtung vor. Das war bisher so und das soll auch in Zukunft so sein. Deshalb
braucht es Menschen die sich engagieren, Macherinnen und Macher, die nicht verwalten, sondern
die Zeichen der Zeit erkennen und den Verein weiter entwickeln. Wenn dazu noch ein geeignetes
Organ namens Herz mit den zwei Kammern „Jugend“ und „Theater“ in der Brust schlägt, kann
eigentlich nichts schief gehen; so wie bisher geschehen.
Die Vorstandschaft im Jubiläumsjahr 2013
Edgae Kloé - 1. Vorsitzender
Edgar Sauer - 2. Vorsitzender, Ticketing
Karin Laier - Schriftführerin, Korrespondenz
Arno Friedrich - Schatzmeister, Buchhaltung
Winfried Fuchs - Presse u. Öffentlichkeitsarbeit
Valentin Keller - Catering
Peter Knopf - Bild und Bühne
Heinz Laier - Gastspiel-Organisation
Roland Laier - Ton und Technik
Franz Mann - Beirat Clubhaus
Rudolf Sauer - Beirat Clubhaus
Marianne Friedrich - Betreuung Jugend
Tobias Behner - Jugendvertreter
Künstlerische Organisation seit 2008
Keine Aufführung kommt ohne diejenigen aus,
die sich mühen, um bei unseren Gästen einen
guten Eindruck zu hinterlassen. Ob auf oder
hinter der Bühne, ohne Sie geht nichts - doch
bisher ging alles. Verlässlichkeit heißt das
Zauberwort.
Manfred Maier - Regie
Petra Kirsch - Regie Jugend
Heinz Laier - Regie
Michael Stier - Regie
Willi Mann - Regie
Friedrich E. Becht - Regie
Eva Rostock - Regieassistenz
Matthias Paul - Gastregie
Roland Laier - Ton u. Technik
Malte Kappelhoff - Ton u. Technik
Uwe Kornstädt - Ton u. Technik
Traudl Kloé - Maske
Lore Becht - Maske
Gabi Sauer - Maske
Annerose Schlund - Frisuren
Peter Knopf - Bild und Bühne
Heinz Laier - Bild und Bühne
Harald Rudolf - Bild und Bühne
Friedrich E. Becht - Webmaster
Die Vorstandschaft 2013
Vorne von links: Arno Friedrich, Rudolf Sauer,
Edgar Sauer, Roland Laier, Heinz Laier, Franz
Mann, Peter Knopf - Hinten: Tobias Behner,
Marianne Friedrich, Karin Laier, Winfried Fuchs,
Valentin Keller, Edgar Kloé
52
53
Weiterbildung und Festivalbesuche
Weiterbildung muss sein, keine Frage. Schon früh haben wir das erkannt und unsere SchauspielerInnen
angehalten, an Seminaren und Kursen teilzunehmen. Atem- und Sprechtechnik, Rollenarbeit,
Stehgreifspiel, etc. hießen die Angebote, die wir uns unter professioneller Anleitung erarbeiteten.
Kaum 5 Jahre nach der Gründung belegten die ersten Dielheimer Schauspieler Kurse und
Lehrgänge im damals noch überschaubaren Angebot unseres Landesverbandes Amateurtheater
Baden-Württemberg. Kaum zurück, wurde das Wissen weitergereicht an die Zuhausegebliebenen.
Später kamen Workshops für Öffentlichkeitsarbeit,
Bühnentechnik, Schminken und Regielehrgänge
hinzu. Schon früh haben einzelne Spieler
große Theaterluft geschnuppert, indem sie
am Heidelberger Stadttheater als Komparsen
auftraten. Auch der Besuch von Theaterfestivals
im In- und Ausland gehört in diese Rubrik. Bei
den Göppinger und Hanauer Theatertagen
waren wir ebenso gern gesehene Gäste, wie
bei den Deutsch-Französischen Theaterbegegnungen
oder den Deutschen Theatertagen;
nicht zu vergessen die Kraichgauer Theatertage
oder (wie die Zeit vergeht) der Auftritt im
Landespavillion Stuttgart. Immer stand und
steht dabei das Lernen und der Ausstausch
mit Gleichgesinnten im Mittelpunkt. Das ist
auch so, wenn wir uns der Kritik stellen, indem
wir uns mit einem Stück am Festival beteiligen
- wie schon so oft geschehen. Damit ist aber
das Thema Weiterbildung noch nicht erschöpft.
Im Gegenteil: Heute liegt bei uns die Ausbildung
von jungen Theaterleuten komplett in der
Hand von theaterpädagogisch ausgebildeten
Lehrkräften. Mehr dazu unter „Jugend“ in diesem
Heft. Solides Handwerk von Beginn an,
das ist unsere Devise. Besonders die Aufführungen
unserer Theaterjugend beweisen immer
wieder, dass wir auf dem richtigen Weg
sind. Selbst im eigenen Haus im alten Bahnhof
haben wir aus eigenem Antrieb heraus Workshops
veranstaltet, indem wir uns Fachkräfte ins
Haus geholt haben. So haben in jüngster Zeit
unsere Damen von der Maske ein Wochenende
lang zusammen gelernt und gearbeitet.
Probenwochenende Auch das Proben am
Wochenende, ist eine spezielle Form der Weiterbildung.
Weg vom Alltag und vom privaten Umfeld
lässt sich sehr intensiv und zielführend arbeiten.
5zig Jahre
Theater im Bahnhof
Fundament unseres Hauses seit 1963
Regisseure, Vorsitzende und andere Wegweiser
Unsere Gründungsmitglieder und die Vorsitzenden seit 1963 Nur fünf Vorsitzende in 50 Jahren
wurden „verschlissen“. Das heißt, nicht ganz: Einer ist ja noch „dran“: Das nennt man Kontinuität.
Und das zahlt sich aus, wie man leicht anhand dieser Broschüre feststellen kann.
Regisseure seit 1963 Die Menschen von der Regie sind spezielle Spezies. Sie haben immer recht,
auch wenn sie nicht recht haben. Da muss man als TheaterfreundIn durch. Dann klappt‘s.
Unsere Vorsitzenden seit der Gründung
Edgar Greulich von 1963 bis 1967
Friedrich E. Becht von 1967 bis 1969
Edgar Greulich von 1969 bis 1970
Friedrich E. Becht von 1970 bis 1984
Manfred Maier von 1984 bis 2003
Anton Ottmann von 2003 bis 2006
Edgar Kloé von 2006 bis heute
Die Gründungsmitglieder
Martin Bambach, 18 Jahre*
Edgar Greulich, 16 Jahre*
Manfred Maier, 16 Jahre*
Seit den ersten Stunden mit dabei
Friedrich E. Becht, 16 Jahre*
Edgar Kloé, 16 Jahre*
Rudolf Sauer, 14 Jahre*
*Alter zum Zeitpunkt der Gründung
Unsere Regisseure seit der Gründung
Edgar Greulich - 1963 bis 1964
Friedrich E. Becht - 1964 bis 1993, 2013
Manfred Maier - 1976 bis heute
Willi Mann - Regie*
Heinz Laier - Regie*
Michael Stier - Regie*
Petra Kirsch - Regie Jugend*
Hildegund Sauer - Regieassistenz*
Tobias Behner - Regieassistenz*
Eva Rostok - Regieassistenz*
Matthias Paul - Gastregisseur
Thorsten Kreilos - Gastregisseur
Sehr viele Regiearbeiten wurden im Laufe unserer
Geschichte mit Assistenzen ausgeführt. Alle exakt
aufzuzählen würde den Rahmen sprengen.
*in den letzten 5 Jahren.
Gruppenbild mit Vorsitzenden
Seit 1963 - von links nach rechts:
Greulich Edgar,
Friedrich E. Becht,
Manfred Maier,
Dr. Anton Ottmann,
Edgar Kloé.
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Geselligkeit und Ausflüge
Geselligkeit, wie kleine Feste und Feiern oder auch Ausflüge, sind beim Theater im Bahnhof von „Alters
her“ fester Bestandteil. Wer aber glaubt , es ginge dabei nur darum, zu feiern um des Feierns willen,
der irrt. Sicher, feiern, eine Auszeit nehmen, ist etwas Schönes. Doch gibt es auch weitere Gründe,
gesellige Veranstaltungen für die Mitglieder einzuplanen. Zusammen fröhlich sein und gemeinsames
Erleben stärken die Gemeinschaft. Denn das sich Begegnen außerhalb des regulären Tuns
lässt uns offener werden füreinander. Es zeigt uns unseren Gegenüber in einem etwas anderen Licht.
Denn wir erleben ihn als „anderen“, freieren
Menschen, losgelöst von der, wenn auch freiwilligen,
so doch zielgerichteten gemeinsamen
Aufgabe. Wir erfahren möglicherweise mehr
darüber, wie er denkt und was ihn bewegt.
Auch manche vermeintliche „Marotte“ klärt
sich auf und wird verständlich. Gemeinsames
Erleben bringt auch den Austausch über die
Theaterpläne und Ideen zum Fließen. Schon
manche gute Idee wurde unter diesem Vorzeichen
geboren und später erfolgreich umgesetzt.
Beim Theater im Bahnhof versteht man
zu feiern und Feierlichkeiten zu zelebrieren.
Lange Tradition haben Ausflüge, auch über
mehrere Tage, mit legendärem „Off the Road“-
Frühstück. Hier zeigt der Verein sich immer besonders
spendabel. Oder die schon über mehrere
Jahrzehnte stattfindende Party an Silvester.
Hier ist stets alles geboten, was eine Feier zur
Feier macht; vom hauseigen kreierten mehrgängigen
Menu bis hin zum eigenen DJ. Nicht
zu vergessen: die Grill- und Schlachtfeste, die
Mai-Wanderungen, die kleinen Abstecher und
gemeinsamen Besuche örtlicher Feste. Dabei
geht es mal zünftig, mal angemessen, immer
aber herzerfrischend unkompliziert zu. Zur
Geselligkeit zählen auch schon mal Geburtstage
oder andere, eigentlich familiäre Feiern.
Das zeigt, dass freundschaftliche Beziehungen
noch heute eine wichtige Rolle in der Theatergemeinschaft
spielen. Das festlich ausgerichtete
Miteinander war und ist gut. Was die Zukunft
bringt, wissen wir nicht. Was wir aber wissen, ist:
Geselligkeit, wohl dosiert, schafft Freiraum und
lässt für viele Vieles leichter werden.
Fahren, wandern, besichtigen Ausflüge
in die nahe Umgebung oder auch mal ins Ausland
gehören genau wie das Helferfest zum Vereinsleben
beim Theater im Bahnhof schon immer dazu.
Ob im ersten Jahrzehnt (oben) oder in den 90ziger
Jahren (unten) - diese Veranstaltungen werden
noch heute gerne angenommen.
Faschingsbälle und andere Feiern seit 1963
Fasching und Narretei - lange finanzielle Basis unserer Bühnenkunst
Faschingsbälle Unzählige Menschen haben getanzt bis spät in die Nacht, hatten viel Spaß und
Freude dabei und erinnern sich noch gerne an die legendären Faschingsbälle „Ball im All“, „Ball
Brasil“, „Dschungelball“, „Schlafmützenball“ oder den „Ball unter Wasser“, um nur einige zu nennen.
Legendär, weil immer mit Thema, immer mit Top-Bands, wie die „Blue Dominos“, „The Flippers“ oder
„The Chains“, und immer mit einer auf das Motto abgestimmen Saaldeko, mit Show-Opening und
der Service-Crew der „Spielgruppe 63“ im passenden Outfit... und immer ausverkauft.
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Feste feiern Wer feste schafft,
darf auch Feste feiern... Feiern
macht nicht nur Spaß und
gehört dazu, nein, feiern ist
auch Ausgleich und Erholung
und das Lachen dabei Wellness.
Die Leute vom Theater
im Bahnhof verstehen zu
feiern. Selbst als das Ganze
noch „Spielgruppe 63“ hieß,
war bereits feiern angesagt,
mal rustikal-ursprünglich und
manchmal durchaus fein. So
ist der feierlich begangene
Silvesterabend seit über 40
Jahren so sicher wie die Mitternachtsböller.
Und manchmal
geraten die Aufräumarbeiten
am Tag danach zum
Höhepunkt der Feier.
Feste mit Charakter oder die „Sommernacht am Bahnhof“
Eine weitere finanzielle Basis - für die Bühnenkunst
Open Air Angenehmes mit Nützlichem zu verbinden, ist für viele Menschen die hohe Schule der
Lebenskunst. Für das Theater im Bahnhof war dies, was die eigenen „Volksfeste“ angeht, über viele
Jahre gelebte Praxis. So stand z. B. die „Sommernacht am Bahnhof“ für gutes Essen und Trinken mit
Pfiff, handgemachte Musik und erfrischend präsentierte Kleinkunst; alles hausgemacht und, in der
Regel bei gutem Wetter, charmant präsentiert. Das Angenehme (für die Gäste) und das Nützliche
(für die Kasse) diente einem höheren Zweck: der finanziellen Absicherung der Theaterideen.
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Open Air Kleinkunstfestival, das Kunstforum im Wald
Einige Jahre Wirklichkeit: Dielheim, Zentrum der Kleinkünstler
Dielheim Wer Kleinkunst liebt und das Festival kannte, hat es bis heute nicht vergessen. Hier gaben
sich regional bekannte Liedermacher, Folksänger, Jazzmusiker, Pantomimen und andere Künstler
der „kleinen Muse“ die Ehre; einen ganzen Tag, bis in den Abend hinein: Bühnenkunst vom Feinsten.
Die Dielheimer Theaterleute waren Gastgeber und Aktive zugleich. Bewust stand das künstlerische
Angebot und nicht kommerzielles Interesse im Vordergrund. Gut, „Woodstock“ oder die
„Waldeck“ war es nicht, aber die Ausstrahlung reichte schnell bis in die Winkel der Region.
Was wäre ein Leben ohne Rückblende, ohne die guten Erinnerungen, die es meist gestatten, über
das Vergangene zu lächeln, und uns veranlassen, in der Gegenwart ein wenig nachsichtiger mit uns
zu sein? - Höchstwahrscheinlich nur schwer erträglich. Das gilt auch für eine Gemeinschaft wie unser
Theater im Bahnhof. Da gibt es die kleinen Anekdoten, Bonmots, Geschichtchen, die im Nachgang
betrachtet oder einfach, weil wir uns geändert haben, plötzlich skurril bis aberwitzig daherkommen;
Episoden am Rande, die das Bild einer Gemeinschaft vervollständigen und, wenn gleich nicht präziser,
so doch liebevoller zeichnen, als jedes Protokollbuch.
Bar le Duc - Frankreich, 1975 I Die damalige Spielgruppe
63 auf großer Gastspielreise; angereist
mit einem Überlandbus für die über 40 (!) Akteure
mit Anhang und einem Kleinbus für die
Band als Begleitfahrzeug. Das Ziel: ein riesiges
Zirkuszelt - Spielort der Deutsch-Französischen
Theatertage. Die riesige Menge an Kulissen
und Requisiten waren bereits vor Ort, transportiert
durch einen Sattelschlepper, der unterwegs
nach Spanien war, um von dort Orangen nach
Heidelberg zu bringen. Ein solches Fahrzeug,
leer auf den Weg nach Süden, wo doch unsere
Kulissen nach Bar le Duc mussten? Das war
ein Fall für unseren legendären Mann mit dem
Beinamen „Besorgungen aller Art“. Der Legende
nach soll er sogar in der Lage gewesen sein
binnen Stunden die Ausleihe eines einsatzfähigen
Leopard II zu bewerkstelligen. So klappte
natürlich der Transport vorzüglich, bis auf die
Tatsache, dass der Rücktransport sich um etliche
Wochen verzögerte. Das war kein Beinbruch,
schließlich musste ja ein leerer Fernlastzug von
Spanien über Bar le Duc nach Dielheim gefunden
werden. Aber wie gesagt: alles kein Problem.
Bar le Duc I Unser Gastspiel in Frankreich war ein
Erfolg, in jeder Hinsicht. Zu dieser Zeit waren alle
noch „richtig“ jung, und deshalb wurde, nach
der Aufführung versteht sich, auch „richtig“ gefeiert.
Aus diesem Anlass haute die Band zu später
Stunde und vom guten Wein befeuert noch einmal
kräftig in die Tasten, um dann etwas später
ebenso kräftig nachzulassen. Wenn Musiker
nicht mehr musizieren wollen, suchen sie sich ein
neues Spielfeld, möglichst besetzt mit Damen.
Anekdoten und Randnotizen
Und als es an der Zeit war, sich die möglichen
Züge mit der Dame auszudenken, der Wein
aber seinen Tribut forderte, kam es zu einem
nicht folgenschweren, aber amüsanten „Unfall“.
Alles begann mit einem trauten Bild: Bassgitarrist
und die erwählte Dame sitzen nebeneinander,
ohne Lehne, mit dem Rücken zum Publikum. Er
erklärt ihr die Welt und legt dabei seine rechte
Hand auf ihre rechte Schulter, um mit der Linken
das Gesagte zu unterstreichen. Der als Führer im
Lied angestellte Leadgitarrist gesellt sich dazu.
Auf der rechten Seite sitzend, sucht seine linke
Hand auf dem Rücken der Dame ebenfalls Halt.
Die auf der Schulter ruhende Hand rutscht, dem
schweren Wein geschuldet und der Gravitation
folgend, ab und trifft auf die suchende Hand.
Beide finden sich, sind sich zugeneigt und von
nun an zärtlich vereint. Eine schönes Bild für die
Zuschauer. Nur die Herzdame wunderte sich,
da sie noch beide Hände frei hatte. Tja.
Teil I - Andere Länder andere Sitten. I In der kurzen
Zeit unseres Aufenhaltes geschah manch Merkwürdiges.
Ein männliches Mitglied unserer fröhlichen
Theatergesellschaft war, so wurde berichtet,
auf der Suche nach einem ruhigen Ort, um
seinen eigenen Geschäften nachzugehen. Der
Suchende wurde kurze Zeit später von einem
ebenfalls suchenden männlichen Mitglied im
höchst erregten Zustand und im Zwiegespräch
mit einer Sanitärkeramik vorgefunden. Der Zweite
hörte, durch eine dünne Zwischenwand getrennt,
wie Ersterer die zu niedere und überhaupt
für seine Zwecke völlig artfremde Gestaltung der
Keramik verfluchte. Da das Fluchen, großzügig
ausgelegt, wie ein Hilferuf klang, gab er sich zu
60
61
erkennen und erklärte sich zur Hilfe bereit. Die
Rettung gestaltete sich trotz Aufklärung über
den korrekten Sachverhalt schwierig, da Ersterer
unter hohem körperlichen Druck und in Rage erklärte,
er bestehe darauf, diese aus seiner Sicht
völlig missratene Sanitärkeramik dem von Ihrem
Schöpfer zugewiesenen Zweck zu entfremden.
Im übrigen „sch..“ er darauf. Nur unter Androhung
brachialer Gewalt war der so Frustrierte
davon abzubringen, das unschuldige Bidet in
seine Gewalt zu bringen...
Teil II - Andere Länder... I Ort der Handlung: ein
Restaurant, klein, nett und romantisch am Hang
gelegen. Auf eigene Faust agierende Theaterfreunde
hatten es sich an einem Tisch bequem
gemacht, als sich eine sich ihnen gegenüber
befindliche Tür öffnete, ein Frau mittleren Alters
aus der Öffnung trat, kurz innehielt, sich den engen
Rock glatt strich und umschaute. Mit ihrer
Handlung war die Dame plötzlich ins Zentrum
des Interesses der Speisewilligen geraten. Sie
nahm sich Zeit, ihren Sitzplatz ins Visier, drehte
sich aber noch einmal um und schloss bedächtig
die Tür, nicht ohne zuvor noch einmal
kurz über den Rock zu streichen und das Licht
zu löschen. Zwischen dem Löschen des Lichts
und dem Schließen der Tür gab sie für Sekunden
die Sicht auf die Öffnung frei, aus der sie
gekommen war. Und was es zu sehen gab, war
so unerwartet, wie „anrüchig“ für ein Restaurant.
Die feine Dame war direkt vom „Thron“ in den
Gastraum herab gestiegen, darauf geben alle
Augenzeugen noch heute Brief und Siegel. Und
sie tat das, ohne adligen Geblüts zu sein.
Dielheim I Kurz vor Mitternacht: Ein Auto mit Anhänger
rumpelte den mit Randsteinen bewehrten
Gehweg hoch und kam vor einer ehemaligen
Bäckerei zum Stehen. Weitere Fahrzeuge
hielten an, Türenschlagen, Stimmengewirr, ein
Verschlag wurde knarzend geöffnet, ein großes
Eingangstor aufgewuchtet. Halblaute bis laute
Befehle hallten durch eine hallenartige Einfahrt.
Frauen kicherten, einschneidende Männerstimmen
forderten mehr Einsatz und mahnten zur
Vorsicht. Für die Nachbarn der ehemaligen Bäckerei
war dieses nächtliche Treiben ein untrügliches
Zeichen: „Die Theader-Kinschdler kumme
wieda hom - Herr hilf uns, un geb denne die
Ruh“. Die nächtliche Aktion wurde schnell und
routiniert abgeschlossen. Kulissen wie Requisiten
waren verstaut, der Hänger untergebracht,
das Eingangstor veriegelt; Zeit also, sich in der
zur Vereinszentrale umgebauten Backstube der
„Manöverkritik“ zu widmen. Junge Männer- und
junge Frauenstimmen bemühten in vielen Variationen
und teils über- und durcheinander die
Botschaft: „Mir ware ned schlecht!“. Gut getane
Theaterarbeit macht durstig und hungrig. Die
Abtlg. „Gegen Hunger und Durst - heute Catering“,
fand den für solche Notsituationen angelegten
Proviant und handelte spontan, aber
wie vorgesehen. Mit viel Ursprünglichkeit wurde
gegessen und getrunken und schließlich nur
noch getrunken. Zäh wechselten die Themen.
Zur fortgeschrittenen Stunde kam man schließlich
von der Innen- zur Weitsicht und schließlich
zur globalen Sicht auf die Dinge. Zeit und Raum
spielten kaum noch eine Rolle und der Ölofen
bullerte zuverlässig und anheimelnd-meditativ.
Auch nicht das heraufbrechende Tageslicht
störte die Dispute. Die Back- und Diskutierstube
hatte ja nur ein Fenster zum eh fast dunklen
Hof. Als sich kaum noch ein diskutierwürdiges
Thema finden ließ, traten die ersten Mahnerinnen
auf den Plan und erklärten mit hochroten
Wangen, dass Körper und Geist eines künstlerischen
Menschen ganz profan Ruhe benötige
um erneut hochgradig schöpferisch tätig werden
zu können. Nur widerwillig folgte man den
weisen aber nicht weisungsbefugten Damen.
Der Grund war einleuchtend: Alle Themen waren
sorgfältig behandelt, zugegeben, aber eben
noch nicht von allen. Und zudem schloss der
Vorrat an Proviant ein Frühstücksgespräch nicht
aus. Die Versammlung schloss demokratisch legitimiert
mit dem gemeinsam getragenen Wunsch
zur Fortsetzung. Als die nun geistig hochtrainierten
jungen Damen und Herren das freundlich
flutende morgendliche Licht erblickten, kniffen
sie erschreckt die Augen zusammen; um eben
diese Augen wenige Sekunden später, als das
Haupttor geöffnet wurde, sehr weit aufzureißen:
Vor dem Haus waren fleißige Menschen
dabei, Blumenteppiche und Altäre zu richten,
für die Fronleichnamsprozession. Die Restdiskussion
und Verabschiedungzeremonie der
Ruhewilligen brach abrupt ab. Nach wenigen
Schrecksekunden wurde die Tür geschlossen
und beratschlagt: Wenn die uns sehen, so voller
Tatendrang, morgens, auf unserem langen,
schweren Marsch nach Hause, über Blumenteppiche
wandelnd, und mit Mädchen - obwohl
doch alles rein künstlerisch - wir werden zum
Dorfgespräch! Dank hochkonzentriertem Austausch
war nach wenigen Minuten klar, einem
Imageschaden musste unter allen Umständen
vorgebeugt werden, auch unter hohem körperlich
und geistigem Einsatz und dem Verzicht auf
Ruhe. Der einstimmig gefasste Beschluss hieß:
Umkehren. Der Ölofen bullerte aus Sicherheitsgründen
erst eine halbe Stunde später erneut.
Zuvor hatten Fachkräfte den Restproviant optisch
ansprechend aufbereitet und zum Verzehr
freigegeben. Und der kleine Kaffeevorrat wurde
durch im Grunde frühstücksfremde Getränke
ergänzt. Dem Wunsch zur Fortsetzung der
Gespräche wurde schneller als erwartet stattgegeben.
So geriet die Runde über lange Zeit
zur Ideenschmiede für zukünftige große Taten.
Erst als die Stimulanzien Musik und Tanz ihren
Einsatz nicht mehr rechtfertigten und die Sonne
den Zenit überschritten hatte... Gut, Sie ahnen
es schon...
Teil I - Schwein muss man haben I So sagt der
Volksmund, und auch die theaterbeflissenen
Herren in unserer Frühgeschichte waren dieser
Meinung. Gegenüber dem Volksmund sollte
sich das Glück ganz konkret in einem gesund
ernährten und deshalb schmackhaften Landschwein
manifestieren. Der Entschluss, dieser
zur damaligen Zeit wegweisenden Art der Fleischeslust
zu frönen, wurde einstimmig aber undemokratisch
gefasst - das Schwein durfte nicht
abstimmen. Wie von der Bühne her gewohnt,
musste auch dieses Vorhaben minutiös geplant
und verwirklicht werden. Dass das Glück in
Gestalt eines ganzen Schweines auch Schattenseiten
hat, wurde schnell klar: Ihm stehen
unprofessionelle Grillgrößen gegenüber. Ein
Gang zum Baustoffhändler löste das Problem.
Und da es an Fachkräften grundsätzlicher Art
nicht mangelte, stoben im Hof zur „Backstube“
die Funken. Es wurde geschnitten, geflext, geschweißt
und gefeilt, dass selbst das Schwein
seine Freude daran gehabt hätte, wenn nicht...
Der Lohn harter Arbeit folgte auf dem Fuße: Eine
Grillmaschine ohne Fehl und Tadel, dem schweinernen
Gut exakt angepasst und versehen mit
einer von kulinarischen Kennern ausgetüftelten
Schwenkvorrichtung, stand vor den erschöpften
Erbauern. Schön, edel und kaum von der Stelle
zu bewegen. :-((
Teil II - Schwein muss man kaufen I Zum Glück gab
es bei der damaligen „Spielgruppe 63“ für alles
Fachleute. So machten sich Teile des Vorstandes,
(schon von Amts wegen Fachkräfte) und gewiefte
Händler auf, das Landschwein auszusuchen
und seinem Zweck zuzuführen. Im Ortsteil Unterhof
wurden sie fündig. Das Prachtexemplar wurde
vielfach beäugt, für würdig befunden und
unter heftigem Widerstand in den eigens geliehenen
Hänger geladen. Dann musste der Kauf
vollzogen werden. Einer uralten Gepflogenheit
zu Folge versammeln sich, aus diesem Anlass,
Kaufwillige und Schweinehändler in dessen guter
Stube um einen runden Tisch. So auch hier.
Die Dämmerung war fortgeschritten und die
Lampe über dem Tisch verbreitete wohliges Licht.
Für jeden Teilnehmer galt es nun, im Gedenken
an das brave Tier das erste Glas Schnaps zu
leeren. Dann wurde dessen Gesundheit gepriesen
und ein Glas Schnaps gelehrt. Der dritte
Schnaps leitete über zum eigentlichen Kaufakt,
indem er die Pateien freundlich stimmte, was sich
62
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direkt auf den Kaufpreis auswirkte. Die Scheine
welchselten dann diskret den Besitzer. Dieses
Ereignis wurde beglaubigt durch einen vierten
Schnaps, der einer Person verboten wurde, um
den sicheren Transport zu gewährleisten und
der Sau Unanehmlichkeiten zu ersparen. Das Ritual
verlangte zwingend noch einen Obstler unter
dem Türrahmen, mit dem das Schicksal der
Fracht entgültig besiegelt wurde. Die Heimfahrt
zur fortgeschrittenen Stunde ging für Mensch
und Tier fehlerfrei vonstatten. Die nächste Hürde
tauchte erst in Gestalt des Hauses auf, in dessen
Stall das Schwein seine letzte Nacht verbringen
sollte: Der Besitzer war ausgegangen und der
Stall konnte vom Schwein nicht bezogen werden...
:-(( Ganz im Sinne des Landschweines
wurde kurzfristige Abhilfe notwendig. Erste Anlaufstelle
für Notwendigkeiten aller Art war das
Gasthaus zur Sonne. Dort traf man unvermittelt
auf einen Rest entschlossener Schweinekäufer,
die man zuvor im Eifer hatte sitzen lassen. Diese,
ihrerseits in Ermangelung einer echten Sau
und echtem Geld, hatten das Kaufritual nachempfunden.
Entsprechend gestaltete sich die
Notbesprechung. Die erlösende Idee kam von
einem den Theaterleuten wohlgesinnten Gast,
der das Schwein für eine Nacht in seinem Stall
beherbergte. Der gelungene Abschluss der
Transaktion und die zum Wohl des Tieres gefundene
Lösung und die schwierige, aber getane
Arbeit verlangten nach nächtlicher Erholung im
Gasthaus zur Sonne. Eine „Erholung“, durch die
das morgendliche Schlachtfest fast ins Wanken
geraden wäre. Aber das ist ein weiteres Kapitel.
Teil III - Schwein gut, alles gut I Das frühmorgendliche
Zeremoniell, das unser Landschwein zur „armen
Sau“ werden ließ, soll hier nicht beschrieben
werden. Nicht aus Pietät, sondern weil dem
Autor und weiteren Helfern die Strapazen um
den Kauf so sehr zugesetzt hatten, dass ein
Aufstehen zu früher Stunde unverantwortlich
gewesen wäre. Ein ausreichend besetztes Team
erledigte, was zu erledigen war. Die zu spät
Gekommenen mussten dafür erneut Schwerst-
arbeit verrichten: den standhaften Grill zum
Austragungsort der abendlichen Feier transportieren.
Unter Einsatz aller vereinten muskulären
Kräfte wuchtete man das Qualitätsteil auf ein
Transportgerät für den Hobbywinzer, mit dem
schicken Namen Agria. Das Gerät beantwortete
den zweckfremden Gebrauch mit bedenklichem
Ächsen und Stönen, tat aber, widerwillig,
seinen Dienst. Das Ziel der Fracht war der
Rohbau(!) des SG-Clubhauses. Diesen fenster-
und türlosen Ort hatte man in weiser Vorraussicht
angemietet. Der Grill kam zu stehen, wo
er sollte, und konnte, unter frenetischem Beifall
entzündet, seiner Bestimmung übergeben werden.
Unbeeindruckt ob der Last, schaukelte das
Gerät nun Stunde um Stunde das Schwein in
voller Größe der kulinarischem Vorsehung zu.
Das Gerät machte Konstrukteuren wie Genießern
unbändige Freude. So euphorisiert, gebar
man die Idee, die abendliche Feier musikalisch
zu vervollkommnen. Der theatereigene Musikant
stand sofort bereit. Was gebraucht wurde,
war lediglich ein Instrument. Nicht irgend eins,
nein, ein Klavier. Kein Problem, denn es gab
ein alterwürdiges, doch dafür nur mittelmäßig
verstimmtes Klavier im Fundus des Theaters.
Kein Problem? Doch: Es war fast übernatürlich
schwer. Als das Problem in seiner Tragweite erkannt
wurde, richteten sich alle Augen auf die
Grill-Transporteure. Die nötige Erfahrung stand
dort bereit und wurde ergänzt um junge Männer
mit Erfahrung im muskulären Teil des Transportwesens
- der Auftrag wurde standrechtlich
erteilt. Unter Aufbieten der letzten Kraftreserven
gelang es, das altehrwürdige Stück auf den
Weg zu bringen. Alle waren froh, es geschafft
zu haben, nur die Agria nicht. Schließlich musste
der Musikant nebst Klavierhocker ja auch noch
„verladen“ werden. Seine Aufgabe bestand
darin, musikalisch den langen Weg zu begleiten.
Klavier, Hocker, Pianist, Fahrer und Agria
erreichten auf „letzter Rille“, aber glücklich ihr
Ziel. Einer fröhlichen Feier stand nichts mehr im
Wege, denn das Schwein hatte inzwischen zu
einer Farbe gefunden, die Kennern den Mund
efeuchtete. Alles war tiptop vorbereitet, und
so ging das kulinarisch-musikalische Fest, als in
der Tendenz zwischen heiter und ausgelassen
angesiedelt, in die Analen ein. Erst zu später
Stunde kamen Misstöne auf, die zunächst beim
verstimmten Klavier verortet wurden, sich später
aber zu einer Art Rütlischwur steigerten: nämlich
nie mehr Schwein, sondern nur noch Stallhasen
grillen zu wollen und dabei nie mehr Musik vom
Klavier, sondern nur noch per Blockflöte ans
Ohr gelangen zu lassen. Denn ein ganz Aufgeweckter
unter den Feiernden hatte erkannt: Grill
und Klavier können nicht vor Ort bleiben. Und
so war es auch. :-o
Abgesang auf die Entenmörder
Musik statt Triebwagen
Entenmörder I Die Strecke der Nebenbahnlinie
der SWEG (Südwestdeutsche Eisenbahngesellschaft)
Wiesloch-Walldorf - Schatthausen führte
über den Bahnhof Dielheim - der heute das
Theater im Bahnhof beherbergt. Die Triebwagen
auf dieser Strecke, aber auch die anderen,
heute seltsam anmutenden, Schienenfahrzeuge
hatten es nicht eilig. Des Nachbarn Hund, bis
hin zum sportfernen Läufer, alle konnten es
mit dem dieselnden Gefährt in Sachen Geschwindigkeit
ohne Anstrengung aufnehmen.
Trotzdem, so der Volksmund, soll es zu folgenleichten,
aber mörderischen Unfällen mit freilaufendem
Federvieh gekommen sein. Deshalb
gab der Volksmund - nicht die Enten- diesem
rasenden Unheil den Namen „Entenmörder“.
Das blieb so, bis auch der „Entenmörder“
Federn lassen musste und die Weichen ihn auf
das Altenteil führten.
Entenmörder II Fast 20 Jahre später sollte exakt
dieser Name fröhliche Urständ feiern; und das
kam so: Die Aufführung des Stückes „Karate-
Billy kehrt zurück“ verlangte zwingend, weil
von der Regie gewünscht, nach musikalischer
Aufwertung. Ohne die halbe Musikwelt casten
zu müssen, konnten Musiker aus den eigenen
Reihen verpflichtet werden. Um zur Spielreife
zu gelangen, war lediglich Fleiß von Seiten der
Musikanten notwendig. Ihnen oblag es, möglichst
rasch die notwendige Geschmeidigkeit
der verschollen geglaubten Kunst auf Bühnenniveau
zu hieven. Der Applaus der Massen
lockte, und die Herren gaben sich keine musikalische
Blöße. Alles lief wie am Schnürchen.
Dergestalt gepusht, kam der Wunsch auf, die
Formation klangtechnisch zu erweitern und
am besten zeitgleich „Schauspiel und Musik“,
sozusagen in einem 2 Sparten-Haus, zu vereinen.
Da Musikern ein starker Freiheitsdrang
innewohnt, „besorgten“ sie sich eifrig allerlei
stimmstützendes und tonverschönerndes Gerät,
ohne zu vergessen, das „Große Ganze“ um
milde Gaben zu bitten. Um die noch bestehende
Diskrepanz zwischen dem sehr guten
Gerät und der ins Auge gefassten guten Musik
zu schmälern, hieß das Motto: proben, proben,
proben! Zuvor jedoch stand die Frage im
Raum: Was? Und da alle Musikgeküssten die
wilden 60er erlebt hatten, war diese Frage nur
theoretischer Natur. Es sollte Rock, Soul oder
so, mit einem Hauch Pop sein. Die Idee enthielt
auch den Gedanken, bei der „Sommernacht
am Bahnhof“ die eventuell auftretende Kühle
mit heißer Musik erwärmen zu wollen. Da alles
einen Namen braucht, damit man es überhaupt
denken kann, und der Verkehr an der
„Dielheimer Eisenbahnlinie“ in der verklärten
Erinnerung der Musiker der ersten amerikanischen
Union Pacific Railroad verdammt nahe
kam, sollte der Name an die Eisenbahnpioniere
im Kraichgau denken lassen. Fortan nannten
sie sich „Die Entenmörder“. Ein dem Einklopfen
der Schwellen beim Eisenbahnbau im tiefen
Westen ähnlicher Rhythmus erscholl ab sofort
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zu Probenzeiten jetzt auch im ehrwürdigen
Bahnhof an der ehemaligen Railroad nach
Schatthausen. Kaum war die musikalischspielerische
Geschmeidigkeit wieder hergestellt,
erklärte man den fehlenden Rest zum Stilmittel.
„Die Entenmörder“ erfreuten sich bald einer
Beliebtheit, wie ihr Namensgeber zu seinen
besten Zeiten. Sie spielten variabel in der
Besetzung bei der „Sommernacht am Bahnhof“
und zu allen möglichen und unmöglichen
Anlässen und immer mit ehrlichem Herzen und
gesunder Kehle, viele Jahre lang.
Vergleichbares, wie dem zu früheren Zeiten am
Bahnhof angeklebten Kiosk mit seinen Süßwaren
und den schädlichen Comics, der einmal
der letzte Kiosk vor der Autobahn hätte sein
können - wenn es eine solche schon gegeben
hätte - geschah auch den „Entenmördern“.
Noch vor dem globalen Durchbruch wurden
Weichen umgelegt, und der Zug „Entenmörder
II“ fuhr, der glutrot am Horizont versinkenden
Sonne entgegen, - ins „Nirgendwo“.
Die Entenmörder
(The Ducks Murderer)
1994 - 1999
Starring:
Wolfgang Rössler (Guitar, Bass)
Edgar Sauer (Guitar, Vocal)
Günter Heber (Guitar, Bass, Vocal)
Arnold Ramp (Piano/Keyboard)
Gerald Teufel (Accordeon)
Andrea Knopf (Vocal)
Die Entenmörder, in der Stammformation,
bei der Probe im Alten Bahnhof.
5zig Jahre
Theater im Bahnhof
Ein wenig Statistik - von 1963 bis 2013
Kaum zu glauben, aber beglaubigt - Auszüge
Unsere Stücke Auch wir mussten erst einmal lernen. (Das tun wir immer noch.) Zunächst haben wir
Stücke aufgegriffen, die wir kannten: vom Laientheater in der Gemeinde und vom Schultheater.
Doch wir haben schnell gemerkt, dass das nicht alles sein kann, und begriffen, was unser Ziel sein
muss: gutes Amateurtheater. Theater, das sich ernst nimmt, ohne dass der Spaß dabei verloren
geht. Schließlich mussten und müssen wir ja nicht spielen und für andere da sein, sondern wir wollen
es. Wir haben zielgerichtet gearbeitet, uns Hilfe geholt und nie aufgegeben. Heute können wir
zurückblicken auf eine lange Liste an Inszenierungen. Alle haben etwas gemeinsam: Sie sind Stufen
unserer Entwicklung. Wer aufmerksam liest, kann den Fortschritt erkennen, aber auch manchen
Rückschlag; und er kann die Meilensteine zählen. Diese haben wir für Sie hervorgehoben.
Inszenierungen der Erwachsenen nach Genres
Dramen 2
Farcen 7
Improvisationen 1
Kabarettabende 8
Komödien 35
Krimis 1
Kurzstücke 33
Märchen 1
Kinderstücke 2
Mysterienspiele 2
Parodien 5
Phantasiespiele 2
Rezitationen 6
Schauspiele 14
Schwänke 7
Sketche 10
Songstücke 3
Tragikomödien 2
Tragödien 2
Volksstücke 7
Das sind: 150 Inszenierungen seit 1963
In den 50 Jahren des Bestehens haben Jung und Alt
zusammen 175 Stücke auf die Bühne gebracht!!
Inszenierungen der Theaterjugend nach Genres
Grusicals 1
Kinderstücke 5
Komödie 4
Krimi 1
Märchen 4
Mitmachkrimi 1
Szenen 1
Theaterstücke 7
Tragödie 1
Die Theaterjugend „Bahnhofkids“ und die
„Jungen Erwachsenen“, gegründet 1993,
präsentierten seither 25 Inszenierungen.
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Unsere Inszenierungen seit 1963
1964 Der Bergteufel Volksstück P. Hardt
1965 Hasso, der Rebell Schauspiel W. Webels
1966 Versöhnung am Hubertushof Volksstück F. Rieder
1966 Die Hexe von Bergamo Volksstück P. Hardt
1966 Die Nudelberger Feuerwehr Humoreske Webels/Silber
1966 Der Verlobungsstürmer Humoreske H. Kirchhoff
1966 Der Schinderhannes Schauspiel F. Kanders
1966 Syra, die christliche Sklavin Myst.-Spiel H. Caron
1966 Vergib uns unsere Schuld Myst.-Spiel H. Caron
1966 Mutter Therese Volksstück H. Caron
1967 Der Meisterlügner Schwank H. Kirchhoff
1967 Der Bandit von Venedig Schauspiel A. Seidel
1968 Kirsch und Kern Komödie L. Bender
1969 Die Erbtante Luststück M. Krinner
1969 Mein Mann, der Dieb Schwank L. Bender
1969 Der kerngesunde Kranke Komödie P. Pflug
1971 Warum 17. Juni Szenen Eig. Texte
1971 Die Mauer Szene E. St. V. Miley
1971 Später Besuch Szene P. Pflug
1971 Das Ferienparadies Komödie M. Brett
1972 Der Lügner Szene J. Cocteau
1972 Kabarett des Teufels Kurzstück M. Kadow
1972 Lies deine Zeitung Szene J. Cocteau
1972 Der Plakatträger Szene H. Engelhardt
1972 An diesem Dienstag Szene W. Borchert
1972 Zirkus Komödie E. Autengruber
1973 Die verzauberten Brüder Märchen J. Schwarz
1973 Halleluja Billy Songstück Lange/Ernst
1974 Der Lügner und die Nonne Komödie C. Götz
1974 Dunkelrote Rosen Parodie P. Nicolai
1975 Charlys Tante Schwank B. Thomas
1975 Ein Wort für das Andere Szene J. Tadieu
1975 Die Glocke Szene P. Slavik
1975 Box und Cox Komödie J. M. Morton
1975 Schwarz auf Weiß Komödie M. Brett
1976 Fazz und Zwoo Kinderstück K. Campell
1976 Ich will Muissow sehen Komödie V. Katajew
1977 Zwischen den Stühlen Kabarett Tucholsky etc.
1977 Das Rennen Drama K. Hughes
1977 Charlys Tante Schwank B. Thomas
1978 Die Maus Komödie P. King
1979 Von Mäusen und Menschen Schauspiel J. Steinbeck
1980 Was Sie wollen Einakter E.m Kishon
1981 Werdende Väter Einakter E. Kishon
1981 Heiraten ist immer ein Risiko Komödie S. O‘Hara
1981 Abseits Szene E. Kishon
1982 Der Dompteur Szene H. Wiener
1982 Schattenspiele Szenen Eig. Produktion
1982 Ritter Unkenstein Parodie K. Valentin
1982 Maschimaschine Kinderstück P. Maar
Schinderhannes 1966
Halleluja Billy 1973
Von Mäusen und Menschen
1979
1982 Ehemann auf nüchternen Magen Komödie J. Mitchell
1984 Zufäll. Tod eines Anarchisten Farce D. Fo
1984 Lasst uns Lügen erzählen Komödie A. Paso
1984 Szenario Sketche Kishon/Loriot
1985 Antigone Tragödie Jean Anouilh
1985 Musik und Dichtung lit. Kabarett Eig. Produktion
1985 Picknick im Felde Farce F. Arrabal
1986 Lauf doch nicht immer weg Komödie P. King
1987 Spiel‘s nochmal Sam Komödie W. Allen
1987 Kurzstücke Szenen div. Autoren
1988 Arsen und Spitzenhäubchen Komödie J. Kesselring
1988 Kurzstücke Szenen div. Autoren
1989 Biedermann u. d. Brandstifter Schauspiel M. Frisch
1989 Kurzstücke Szenen div. Autoren
1990 Vorsicht Trinkwasser Komödie W. Allen
1990 Kurzstücke Szenen div. Autoren
1991 Hier sind Sie richtig Komödie M.Camoletti
1991 Theater v. Kindern für Kinder* Szenen div. Autoren
1992 Warte bis es dunkel ist Krimi F. Knott
1992 Kabarett, Satire, Mundart Szenen div. Autoren
1993 Der nackte Wahnsinn Komödie M. Frayn
1993 Kabarett, Satire, Mundart II Szenen div. Autoren
1993 Traum-Theater v. Kindern* Szenen div. Autoren
1994 Wunschmaschine v. Kindern* Kinderstück Eig. Produktion
1994 Karate Billy kehrt zurück Schauspiel K. Pohl
1994 Kurzstücke Szenen div. Autoren
1995 Außer Kontrolle Komödie R. Cooney
1995 Der kleine Prinz* Märchen S. Exùpery
1995 Gemalte Fensterscheiben Rezitation div. Autoren
1996 Die Maus Komödie P. King
1996 Der Kontrabass Stück P. Süßkind
1996 Kurzstücke Szenen div. Autoren
1997 Heimatlos Schauspiel Gruber/Reinh.
1997 Momo* Märchen M. Ende
1997 Ich Narr des Glücks Rezitation H. Heine
1997 Prinzessin von Oz* Märchen L.. F. Brown
1998 Hexenschuss Komödie J. Graham
1998 Kurzstücke Szenen div. Autoren
1999 Die deutschen Kleinstädter Stück A. v. Kotzebue
1999 Theater Comics I Sketche div. Autoren
1999 Das Kabinett der Dr. Caligari Grusical C. Trafik
1999 Der 35. Mai* Stück E. Kästner
2000 Ewig rauschen die Gelder Komödie M. Cooney
2000 Kugeln und Kisten v. Kindern* Stück Eig. Text
2000 Übergangszeit Rezitation div. Autoren
2001 Pension Schöller Schwank Laufs/Jakobi
2001 Theatercomics II Sketche div. Autoren
2001 Liebe in jeder Beziehung Revue Eig. Texte
2002 Die Brautwerber von Loches Komödie G. Feydeau
2002 Die Physiker Stück F. Dürrenmatt
Der zufällige Tod eines
Anarchisten 1984
Spiels nochmal Sam 1987
Die deutschen Kleinstädter
1999
68
69
2003 Eine Woche voller SamsTage* Stück P. Maar
2003 Warten auf Godot Stück S. Becket
2003 Theatercomics III Sketche div. Autoren
2003 Kein Platz für Idioten Volksstück F. Mitterer
2004 Bunbury Komödie O. Wild
2004 Die verflixte Hexenprüfung* Kinderstück S. Rippegather
2004 Ein wahrer Held Tragikomödie J. M. Synge
2005 Alles „K“ na klar* Mitmachkrimi Eig. Produktion
2005 Theatercomics IV Sketche div. Autoren
2005 Hinter verschlossenen Türen Komödie Eig. Produktion
2005 Das Festkomitee Komödie A. Ayckbourn
2005 Gretchen 89ff Komödie L. Hübner
2005 Liebeslust Lyrik div. Autoren
2006 Blue Box* Komödie Eig. Produktion
2006 Ibrahim u.d. Blumen d. Koran Phantasie E. Schmitt
2006 Schaurige Beauty-Woche* Komödie E. Karl
2006 Shake... Macbeth Dramödie H. Laier
2006 Oh(je) du Fröhliche Komödie W. Binder
2006 Yvonne, Burgunderprinzessin* Märchen W. Gombrovic
2007 Banden, Tod und Freunde* Improvisation Eig. Produktion
2007 Offene Zweierbeziehung Farce Fo/Rame
2007 Theatercomics V Sketche div. Autoren
2007 Die Sache mit dem Bild* Stück E. Karl
2007 Otello darf nicht platzen Komödie K. Ludwig
2008 Trotzdem Comedy H. Laier
2008 Leonce und Lena Stück G. Büchner
2008 Der zerbrochne Krug Lustspiel H. v. Kleist
2009 Bezahlt wird nicht Farce Dario Fo
2009 Kraftvoll im Abgang Komödie Wolf, Siegel
2009 Mit aller Freundschaft Comedy Laier/Stier
2009 Die 8 Frauen Stück R. Thomas
2010 Ganz nah dran Comedy Laier/Stier
2010 Der widerspenstigen Zähmung Schauspiel Shakespeare
2010 Es war die Lerche Komödie E. Kishon
2010 Josef und Maria Stück P. Turini
2011 Dazwischen Comedy Laier/Stier
2011 Sieghard&Grimm Dramödie H. Laier
2011 Der Revisor Komödie N. Gogol
2012 Kurz vor knapp Comedy Laier/Stier
2012 Die spanische Fliege Schwank Arnold/Bach
2013 Urmel aus dem Eis* Kinderstück Kruse/Pinkus
2013 Antigone Tragödie Jean Anouilh
2013 Der Hauptmann von Köpenik Tragödie C. Zuckmayer
*Aufführungen unserer Bahnhofkids im Alter von 8 bis 16 Jahren.
Kein Platz für Idioten 2003
Der zerbrochne Krug 2008
Der Revisor 2011
Die spanische Fliege 2012
5zig Jahre
Theater im Bahnhof
Merkwürdiges in Zahlen von 1963 bis 2013
Kaum zu glauben, aber so war es.
Arbeitsnachweise So richtig müssen wir natürlich niemandem etwas nachweisen. Doch interessant
ist es schon, einmal das „nebenbei“ Geschehene aufzuschlüsseln. Erstaunliches kommt so zutage;
selbst für uns, die wir dabei waren. Auch wir hatten vergessen, dass wir einmal die Dielheimer
Straßenkerwe und den Maiausschank „erfanden“ oder den „Tanz in den Mai“ und den „Ostertanz“
lange Jahre gepflegt haben, oder auch, dass wir Gastgeber des Lofoten-Theaters aus Norwegen
und einer Theatergruppe aus Japan waren. Stichwort „Gastgeber“: Wir haben auch die Deutsch-
Französischen Theatertage und die Kraichgauer Theatertage nach Dielheim geholt. Auch waren
wir Initiatoren der „Hobby und Kunst-Austellungen“. Besonders stolz sind wir auch darauf, dass wir
schon viele kulturelle „Hochkaräter“ nach Dielheim holen konnten. Unvergessen ist dabei eine der
letzten Lesungen der großen deutschen Lyrikerin Hilde Domin auf der Dielheimer Bahnhof-Bühne.
Zahlen die es in sich haben
Inszenierungen 172
Zuschauer bis heute 65.000*
Proben 7500
Gastspiele im Ausland 2
Gastspiele Theatertage Inland 9
Sitzungen bis heute 300*
Feste mit Volksfestcharakter 30
Große Faschingsbälle 15
Ausflüge u. große Wanderungen 100*
Kleinkunstfestivals 5
Deutsch-Französische Theatertage 1
Kraichgauer-Theatertage 3
Hobby u. Kunstausstellungen 3
Kunstausstellungen 3
Jazzfrühschoppen 1
Hinzu kommen Lesungen, Buchvorstellungen,
Kabarett- und Mundartabende, kleinere Konzerte
mit moderner oder klassischer Ausrichtung
und A-Cappella-Chorkonzerte.
Von uns initiiert und eine Zeit lang realisiert
Dielheimer Straßenkerwe
Hobby- und Kunstausstellungen
Große Tanzveranstaltungen an Ostern
Großer „Tanz in den Mai“
Maiausschank
und viele, viele weitere Aktionen.
...und dazu unzählige vereinsinterne Aktionen
Gastpiele außerhalb der Region
Theaterbesuche
Kulturbegegnungen
Festivalbesuche
Kleinere Wanderungen und Ausflüge
Silvesterpartys
Grill- und andere Partys
und vieles mehr.
*Die Zahlen sind auf- bzw. abgerundet.
70
71
Dabei sein ist nicht alles
Von dicken Brettern, die die Welt bedeuten
Wer sie oft betreten hat, um zu spielen, kennt die Standfestigkeit, die sie vermitteln. Er kennt aber
auch die Barriere, die sie bilden, das unsichtbare Hindernis, das sich auftut, wenn man sie zum
ersten Mal betritt. Da ist das flaue Gefühl im Magen, die kurze innere Unsicherheit, wenn das Herz
im Hals schlägt statt in der Brust. Da ist auch das Gefühl des Ausgeliefert-Seins, das sich kurz nach
dem ersten Satz aus dem Staube macht, um Platz zu schaffen für das Spiel zwischen dem Ich und
dem Publikum. Wer Erfahrung hat im Betreten dieser „Bretter, die die Welt bedeuten“, kennt das
alles. Er hat erlebt, dass ihn dieser Schritt stärkt; nicht nur im Spiel, sondern auch draußen im rauhen
„Spiel des Lebens“, in vielfältiger Weise und in unterschiedlicher Intensität.
Er hat gelernt, dass dieses ständige Überschreiten
der Grenze zwischen Realität und der immer
wieder neu zu erschaffenden Wirklichkeit
im Spiel in ihm etwas bewirkt: Selbstsicherheit.
Mit dem Begehen der Bühnenbretter, die ihm
stets festen Halt geben, gewinnt er zunehmend
Vertrauen in die eigene Stärke. Innere Barrieren
werden als überwindbar gesehen, er überspringt
sie leichter. So beginnt sich etwas zu
drehen: das vermeintliche Bretter-Hindernis wird
unversehens zum Sprungbrett für vielgestaltiges
Erleben. Ein Schatz an tiefen, reichen Erfahrungen
winkt als Lohn. Immer neu positiv „aufgeladen“
kann er so auch die unausweichlichen,
unsäglichen Widrigkeiten, die eine freiwillige
Vereinigung von Menschen nun mal mit sich
bringt, nicht nur ertragen, sondern vom Negativen
ins Positive kehren. Denn er weiß auch: Dabei
sein ist wirklich nicht alles. Vor diesen Erfahrungen
riecht es auf den Amateurbühnen der
Welt nicht nur nach Schminke, Farbe und alten
Klamotten, sondern immer auch nach Schweiß.
Das kommt von den „dicken Brettern“, die gebohrt
werden müssen, bevor sie zu den Brettern,
die die Welt bedeuten, werden können.
Vieldeutige Bretter Sie sind die bauliche
Grundlage für unser Spiel. Die metaphorische Bedeutung
müssen wir ihnen selbst beimessen.
5zig Jahre
Theater im Bahnhof
Unsere Theaterjugend
„Es gibt keine Jugend ohne Theater und es gäbe auch längst kein
Theater mehr auf der Welt oder hätte es nie gegeben, wäre es nicht
zu jeder Zeit und in jeder Generation vor allem eine Sache und ein
Gebot der Jugend, die es neu erleben, neu erproben, neu zu
schaffen bestimmt und berufen ist.“
Carl Zuckmayer
1993, das Theater im Bahnhof in Dielheim
erkennt die Zeichen der Zeit und ergreift
die Initiative: Ab sofort sollen Kinder und
Jugendliche an das Bühnenspiel herangeführt
werden, in einer möglichst professionellen
Form. Schnell war klar, aus eigener Kraft konnte
dieses Vorhaben nicht gestemmt werden. Nach
kurzem Suchen fand man mit der Musikschule
Horrenberg-Dielheim den idealen Kooperationspartner.
Zusammen wurde ein Theater-
Unterrichts-Projekt ins
Jung und Alt
in Kooperation
Leben gerufen, um
Kindern und Jugendlichen
die Möglichkeit
zu eröffnen, die
Grundtechniken des Theaterspiels zu erlernen
und natürlich auch selbst Stücke auf die Bühne
zu bringen. Unterrichtet werden die jungen
TeilnehmerInnnen von speziell ausgebildeten
Theaterpädagogen und Lehrern. Der Unterricht
besteht aus Übungsspielen und aus
Proben für das aktuelle Stück. Atemtechniken,
Stimm- und Sprachübungen, Ausdrucksspiele,
die die gestischen, mimischen und stimmlichen
Darstellungsmöglichkeiten fördern, sind weitere
Bestandteile des Unterrichts. Wenn ein Stück
schon weit gediehen ist, wird nur noch geprobt,
viel geprobt. Dann müssen auch die Bühne
gestaltet, die Kostüme genäht und die Requisiten
beschafft werden. Selbst das Bühnenbild
und die Beleuchtung, alles gehört zur Aufgabe
und kommt, wenn möglich, aus eigener
Hand. Manchmal gehen auch Eltern oder
andere Erwachsenen hilfreich zur Hand, wenn
die eigenen Möglichkeiten nicht ausreichen.
Beim Bühnenbau und bei der Beleuchtung
ist logischerweise öfter die Hilfe der Fachleute
vom Theater im Bahnhof gefragt. Nicht ohne
Grund: Unter ihrer Anlei-
tung sollen die jungen
Spieler auch hinter den
Kulissen aktiv werden,
selbst Bühnenbauer
oder Beleuchter werden. Das Miteinander in
allen Bereichen, das Arbeiten auf ein gemeinsames
Ziel hin ist gewollt und wird gefördert.
Musikalisch steht den jungen Theaterleuten
ebenfalls professionelle Hilfe zur Seite. Hansjörg
Widmer, Klavierlehrer der Musikschule, hat
schon manche Inszenierung begleitet und ihr
die musikalische Note verliehen. Wie überall,
so kommt es auch hier auf das verlässliche
Zusammenspiel an; zwischen den Kooperationspartnern,
den Kindern und Jugendlichen
und ihren Lehrkräften. Das Projekt ist erfolgreich
und läuft gut, aber wie alles, nie ganz
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störungsfrei, das ist klar. Doch wenn sich alle,
wie bisher geschehen, verständigen und auch
ein wenig Kindsein bewahrt haben, dann wird
noch lange Erfolg beschieden sein. Schon ist
mehr als eine ganze Generation durch diese
Theaterschule gegangen und herangereift, um
bei den Erwachsenen spielen zu können; zugegeben,
es bleiben nicht so viele wie erhofft,
das ist wohl dem Zeitgeist geschuldet, aber sie
tragen immer die Liebe zum Theater im Herzen;
eine Affinität, die alle TeilnehmerInnen ein
Leben lang zu ihrem persönlichen, beruflichen
und gesellschaftlichen Vorteil begleiten wird.
Antigone - 2013
Bunbury - 2004 Warten auf Godot - 2003
Urmel aus dem Eis - 2013
5zig Jahre
Theater im Bahnhof
Unsere Theaterjugend
Aufgeschlossen, lernbegierig und einfach gut!
Das Theater-Unterrichtprojekt für Kinder und Jugendliche Seit nunmehr 20 Jahren lebt dieses Projekt
als Kooperation zwischen dem Theater im Bahnhof und der Musikschule Horrenberg-Dielheim und
zeigt, was bewirkt werden kann, wenn zwei an einem Strang ziehen und wenn die Ziele und die
Zuordnungen klar definiert sind: Hier die pädagogischen Fachkräfte, die mit den jungen Menschen
arbeiten, und dort die persönliche Hilfe in der Organisation und Administration, das Vorhalten der
Infrastruktur, wie Bühne, Technik, Fundus, Werkstatt und vielem mehr. Das alles ergibt in der Summe
junge Menschen mit Selbstsicherheit und Vertrauen in die eigene Stärke.; jene Stärke, die befähigt,
Ziele zu formulieren und diese auch zu erreichen. Hinzu kommen die heute so geschätzten Dinge,
wie Sicherheit im Sprechen und Präsentieren. Und nicht zuletzt lernen und erleben alle TeilnehmerInnen
soziale Intelligenz und erkennen, wie wichtig Phantasie und Krativität sind; alles gute
Voraussetzungen für ein achtsames Leben in Beruf, Gesellschaft und Freizeit.
Das Theater-Unterrichtprojekt in Zahlen
Gründung 1993
Inszenierungen 25
Eigene Stücke 3
Die Partner
Theater im Bahnhof, Dielheim
Musikschule Horrenberg-Dielheim
Die Lehrkräfte aktuell
Matthias Paul
Petra Kirsch
Die Lehrkräfte bislang
Vera Bühl
Jutta Werbelow
Ariane Hellinger
Yvonne Zahn
Ann Kristin Ebert
Jan-Bart de Clerc
Gisela Sieron
In 20 Jahren wurden durch das Theater-
Unterrichtprojekt 80 Kinder und Jugendliche
ausgebildet!
Die Aufführungsorte
Kulturhalle, Dielheim
Theater im Bahnhof, Dielheim
Rathaus II, Innenhof, Dielheim
Beteiligungen
Schultheaterwochen, Mannheim
Spezielle Aufführungen
Leimbachtalschule, Dielheim
Ottheinrich Gymnasium, Wiesloch
Johann-Philipp-Bronner-Schule, Wiesloch
Berta-Benz Realschule, Wiesloch
Aufführungen pro Inszenierung
Zwischen 4 und 10 Aufführungen
Die Gruppen aktuell
Altersklasse 10-17 Jahre mit 10 Teilnehmern
Altersklasse 18-25 Jahre mit 7 Teilnehmern
Anzahl der Gruppen und Teilnehmer
Die Anzahl bewegt sich zwischen 2 und 3,
die Teilnehmerzahl zwischen 15 und über 30.
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Aufgaben im Theater gibt es viele und ganz
spezielle wie die Bühnentechnik, der Kulissenbau,
die Herstellung der Requisiten und Kostüme. Alles
aber dient nur einem großen Ziel: der Aufführung.
Eine Unterrichtstunde bei den Bahnhofkids
ist, von außen betrachtet, etwas chaotisch.
Doch dahinter steckt System. Denn Theater
ist zunächst mal das Spiel mit Kreativität und
Phantasie. Wenn alles in die richtigen Bahnen
gelenkt wird, entstehen daraus Tragödien, Komödien
oder auch Kinderstücke, wie bei den
Bahnhofkids. Deshalb lautet die Devise: Spaß
muss es machen! So erklärt sich auch das
scheinbare Chaos. Ja, da wird oft gelacht und
herumgealbert, was sich aber beim genaueren
Betrachten als bewusste Improvisationsübung
herausstellt, mit dem Ziel, Selbstsicherheit und
Vertrauen zu fördern. Da ist auch die Lust
am Verkleiden, dem In-eine-andere-Rolleschlüpfen
zu spüren. Dazu werden gezielt aber
spielerisch Ausdrucksmöglichkeiten erarbeitet,
Bewegungs- und Haltungsformen und die
Wahrnehmung trainiert, um alles später in der
Rolle abrufbereit zu haben. Auch das macht
Spaß. Es macht auch Freude festzstellen, was
man aus abgelegter Kleidung und Schaumstoff
an phantastischen Gebilden erschaffen kann.
Und das geht weiter, wenn es darum geht, im
Kleister zu matschen und mit Farbe dem kreativen
Spiel freien Lauf zu lassen für das Bühnenbild,
oder Gags und Ideen entstehen zu lassen,
um sie dann in das Stück einzubauen. Doch es
ist auch die Freude am Tag der Aufführung, die
Gewissheit, etwas Großes geleistet zu haben,
die freudigen Gesichter im Publikum und die
herzliche Umarmung zu erleben, wenn alles
geklappt hat. Das alles lohnt die Mühe - die
Mühe? Ja, es ist auch Mühe. Aber gern getane
Mühe ist Freude. Auf die richtige Balance
kommt es an. Und darum sorgen und kümmeen
sich bei uns in Dielheim speziell ausgebildete
Theaterlehrerinnen und -lehrer zusammen
mit dem Theater im Bahnhof.
Darstellendes Spiel in Bildern
Theater mit jungen Menschen im Theater im Bahnhof
Bahnhofskids und Junge Erwachsene Unter diesen Namen firmiert der Nachwuchs im Theater im
Bahnhof. Unter professioneller Führung ausgebildet, geben die jungen Menschen Zeugnis davon,
was heute im Jugendtheater möglich ist: Aufführungen, die berühren, die vor Spielfreude sprühen
und die spüren lassen, wie sinnvoll kreatives Tun für die Entwicklung von Menschen ist.
Links von oben nach unten:
„Ferienspaß“ freie Improvisationen -
„Bühnentechnik“ für Kinder
„Der Widerspenstigen Zähmung“ - 2010
Rechts von oben nach unten:
„Eine Woche voller Samstage“ - 2003
„Momo“ - 1997
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Links oben bis unten:
„Urmel aus dem Eis“
- 2013
„Bunbury“ - 2004
„Eine Woche voller
Samstage“ - 2003
Rechts Mitte u. unten:
„Warten auf Godot“
- 2003
„Momo“ - 1997
Drei Wörter, zwei Bedeutungen, ein Haus
Theater im Bahnhof Diese drei Worte sind nicht nur ein Name, sondern Programm. Möglich wurde
dies durch etwas Glück, gute Ideen, beherzte Entscheidungen, Hilfe von außen und eine Menge
Tatkraft. Theater im Bahnhof steht nicht nur für eine Vereinigung von Theaterfreunden, sondern auch
für ein Theaterhaus; klein, fein, überschaubar und unendlich wichtig für den Verein „Theater im Bahnhof“.
Wir sind überzeugt: Dieses Haus ist darüberhinaus ein wichtiger kultureller Beitrag für unsere
Gemeinde und die nahe Region. Die Bilder zeigen, worauf wir alle ein wenig Stolz sein dürfen.
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Der Hauptmann von Köpenik von Carl Zuckmayer
Eine Tragikomödie - Jubiläumsaufführung zum 5zigsten
Manfred Maier Schuster Wilhelm Voigt
Peter Laier Schwager Friedrich Hoprecht
Sabine Rachel Frau Marie Hoprecht
Willi Mann Bürgermeister Obermüller, Kallenberg und Gefangener
Gudrun Göhler Frau Mathilde Obermüller und Tingel-Tangel-Sängerin
Bernd Winter Adolf Wormser, Prokurist Knell, Buttje, Zuchthausdirektor, 1. Bahnbeamter
Edgar Sauer Zuschneider Wabschke, Jellinek, Gefangener, 2. Bahnbeamter, Soldat
Sophie Herrmann Krankes Mädchen, Kellnerin
Winfried Fuchs Krakauer, Gebweiler, Gefangener, Rosencrantz, Kriminaldirektor
Tobias Behner Hauptmann von Schlettow, Feldwebel, Kriminalinspektor
Hildegund Sauer Herbergsmutter, Tingel-Tangel-Sängerin
Edgar Greulich Oberwachtmeister, Grenadier, Gefangener, Zeck
Hannelore Weinmann Fanny, Tingel-Tangel-Sängerin, Bänkelsängerin
Rudolf Sauer Arbeitsuchender, Solojodler, Gefangener, Stadtschutzmann Killian
Gill Herrmann Plörösenmieze, Sängerin
Eberhard Weinmann Soldat, Bulcke, Zivilist, Gefangener, Gefreiter
Tatjana Stadter Tingel-Tangel-Direktorin, Bänkelsängerin
Klaus Hofstetter Zivilist, Soldat, Gefangener
Hristina Wagner Kellnerin, Tingel-Tangel-Tänzerin
Gilbert Ritz Bänkelsänger, Schlangenbeschwörer, Aufseher
Dieter Fuchs Zivilist, Gefangener, Dienstmann
Franz Mann Schutzmann
Masken, Frisuren Waltraud Kloé, Lore Becht, Gabriele Sauer, Annerose Sutter
Kostüme Loni Rössler, Roswita Ferdinand
Bühne Peter Knopf, Harald Rudolf, Rudolf Sauer
Technik Roland Laier, Malte Kappelhoff
Souffleuse Evelyne Sauer
Regieassistenz Hildegund Sauer
Inszenierung Manfred Maier
Carl Zuckmayer entlarvt in dem Stück „Der Hauptmann von Köpenick“ die Obrigkeitsgläubigkeit
im Deutschen Reich. So wie David sich Goliath stellt und ihn besiegt, führt der „Hauptmann von
Köpenick“ pfiffig und unerschrocken einen Schelmenstreich gegen die Staatsmacht durch. Das
dient Carl Zuckmayer dazu, sowohl den Bürokratismus als auch den Militarismus in Preußen
satirisch aufs Korn zu nehmen. Geschickt entwickelt er neben der eigentlichen Handlung auch
die gegenläufige Geschichte der Hauptmanns-Uniform.
5zig Jahre
Theater im Bahnhof
Zu guter Letzt
Zeit im Rampenlicht - eine wertvolle Zeit, auch in Zukunft
Aus bescheidenen Anfängen heraus... Immer
wieder werden solche Worte bemüht, wenn
es um einen Rückblick geht, weil es meist auch
stimmt. Doch viel wichtiger ist, was daraus
geworden ist, und noch interessanter, was
diese Zeit mit uns gemach hat, mit denjenigen,
die eine weite Strecke mitgegangen sind,
vielleicht sogar bis heute? Letzteres lässt sich
nur feststellen, wenn man das Vergangene
nicht nur betrachtet, sondern wertet, wenn
man kaum sichtbaren Strängen folgend die
dem System Amateurtheater innewohnenden
Regeln erkennt, die wegweisend, bestimmend,
ausschlaggebend dafür waren und noch
immer sind. Oder ist es eher die freiwillige
Organisationsform „Verein“, die stärker prägt
als die zugrunde liegende Idee? Nach 50
Jahren Theater im Bahnhof lässt sich feststellen:
Amateurtheater prägt die Beteiligten äußerst
nachhaltig und sehr positiv. Da ist zunächst die
Form: Bühnenspiel, angesiedelt zwischen Berufs-
und Laienbühne; eine Theaterform, die die
Laienspieltradition nicht verneint, keinem kommerziellen
Zwang unterliegt und die Theater
als Kunstform begreift, bereit, sich künstlerischen
Kriterien zu stellen. Ein weiterer Aspekt ist für
Amateure noch bedeutender: Theaterspielen
heißt nicht nur, anderen Menschen Unterhaltung
zu bringen, sondern durch das Erarbeiten
dramatischer Texte die eigene Persönlichkeit
im Zusammenspiel mit Anderen zu entfalten. Es
heißt auch, sich einordnen in das Gesetz des
Kreises, in dem jeder seine Aufgabe erfüllt, die
seiner Fähigkeit entspricht. So kann sich soziales
Empfinden, Sensibilität, die Fähigkeit zur Empa-
thie und zu künstlerischem Erleben entfalten;
alles Dinge, die nicht verkümmern dürfen; ganz
besonders in unserer Gesellschaft, in der Beliebigkeit
triumphiert. Wenn wir Menschen uns in
unserem Wesen verwirklichen wollen, brauchen
wir das; um so dringlicher, je mehr die Beliebigkeit
Raum greift. Theater verlangt körperliche
Aktivität und fordert geistige Beweglichkeit
beim Arbeiten mit Text und dem Umsetzen des
Stoffes in die mediengerechte Form. Spieler, Regie,
die Technik, die Maske und Werbung sehr
direkt, aber auch indirekt die Administration
und Verwaltung, also alle Beteiligten schaffen
zusammen einen Wert, der durch die Präsentation
vor Publikum zu einem starken Erlebnis
wird. Das alles geschieht freiwillig, organisiert in
einem Verein. Immer noch machen sich nur wenige
Vereine Gedanken über ihre Vereinskultur:
Wie ist das Miteinander beschaffen, was fügt
zusammen, was trennt? Gibt es ungeschriebene
Gesetze? Sind diese sinnvoll? Wie gut oder
schlecht wird kommuniziert, nach innen und
nach außen? Gehen wir achtsam miteinander
um? Dies alles sind wichtige Kriterien, die über
den Erfolg entscheiden und prägend wirken.
Dass Theater zur Mitmenschlicheit erzieht, deutet,
anregt, herausfordert, unterhält und erbaut,
gilt für theaterschaffende Amateure und Publikum
gleichermaßen. Die 5zig Jahre Theater
im Bahnhof haben allen Beteilgten auf ihrem
Weg durch die Zeit geholfen, ihre Persönlichkeit
zum Positiven für sich und die Gesellschaft zu
entwickeln - eine wertvolle Zeit. Es bleibt zu
wünschen, dass junge Menschen nachkommen
und Gleiches empfinden und erleben.
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Der Revisor - 2011
Das Leben geht weiter. Annehmen, gute
Entscheidungen treffen. Miteinander und für
einander da sein. Und für unser Publikum.
Danke
unserem Publikum!
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www.theaterimbahnhof.com
„Wer bereit ist, aus Liebe zu einigen Quadratmeter Bretterboden und
aus Begeisterung für das Stück Leben, das aus diesen Brettern entstehen
kann, alles auf sich zu nehmen und jede Kleinigkeit und jede
Schmutzarbeit mit der gleichen Liebe zu tun, mit der er eine große Rolle
spielt oder faszinierende Regie führt – das ist ein Theatermensch.“
J.B. Barrault