50 Jahre Theater im Bahnhof
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vermeintliche „Schnapsidee“ einiger Jugendlicher<br />
den Kritikern offensichtlich Respekt und<br />
Achtung abnötigte. Der junge Verein begann,<br />
so etwas wie einen Spielplan aufzulegen. Der<br />
wurde nach außen nicht kommentiert, aber<br />
nach innen mit einem klaren Konzept verwirklicht.<br />
Hilfe von außen wurde nicht nur zugelassen,<br />
sondern bewusst gesucht. Schulungen,<br />
Workshops, Seminare <strong>im</strong> ganzen Spektrum<br />
der <strong>Theater</strong>arbeit wurden intensiviert und die<br />
Begegnung mit Gleichgesinnten und anderen<br />
Amateutheatern ausgebaut. Begleitet wurden<br />
diese Ideen durch Hans Bernhard, dem Leiter<br />
der Spielberatung Baden-Württemberg. Er<br />
brachte, durch intensiven Austausch mit der<br />
Führungscrew, die junge Truppe behutsam auf<br />
einen Weg, der noch heute nachwirkt. Besuche<br />
von Spieltagen, Amateurtheaterfestivals,<br />
aber auch Besuche bei befreundeten <strong>Theater</strong>n<br />
setzten eine tiefgreifende Entwicklung in<br />
Gang: Man begann, die eigene Arbeit kritisch<br />
zu hinterfragen. Die Ergebnisse dieser Reflektion<br />
zeigten sich bald in einem veränderten<br />
Spielplan. Herz-Schmerz-Stücke wurden<br />
ersetzt durch zeitgemäßere Literatur,<br />
ohne das Publikum vor den Kopf zu<br />
stoßen. Und der „alte Zopf“ Laienspiel<br />
war eigentlich schon durch „Halleluja<br />
Billy“ abgeschnitten worden. Um das Publikum<br />
nicht zu vergraulen, wurde das Projekt „Gutes<br />
Amateurtheater“ bedächtig, aber zielgerichtet<br />
angegangen. Der Spielleitung kam dabei eine<br />
große Bedeutung zu. Die damaligen Spielleiter<br />
hatten rasch erkannt, auf was es ankommt und<br />
gingen, auch in Sachen Ausbildung und <strong>im</strong><br />
Lernen mit „Augen und Ohren“, vorneweg. Folgerichtig<br />
entwickelte sich der Spielplan schnell<br />
weiter, und man begann, organisatorisch und<br />
technisch aufzurüsten. Werbung, Öffentlichkeitsarbeit,<br />
Technik, Maske, Bühnenbau bis hin zur<br />
Vorstandschaft erlebten Veränderungen, die<br />
alle das gleiche Ziel hatten: besser zu werden.<br />
Die Kommunikation über die wenigen Medien<br />
wurde prägnanter, galt es doch, das veränderte<br />
Profil deutlich zu machen: Im Frühjahr wurde<br />
versucht, kleinere Produktionen kabarettistischer-<br />
und kleinkünstlerischer Natur sowie Kammerstücke<br />
zu etablieren; wohlwissend, damit<br />
nur ein kleines Publikum zu erreichen; gedacht<br />
als „Fingerübungen“ für alle, aber auch für<br />
die <strong>im</strong> Spätjahr nicht zum Zuge gekommenen<br />
SpielerInnen. Und <strong>im</strong> Spätherbst sollte eine<br />
„große“ Aufführung folgen, die aus zeitgenössischen<br />
Stücken, Klassikern oder „gehobenen“<br />
Komödien besteht. Und so kam es auch, bis<br />
auf ganz wenige Ausnahmen. Stücke, wie<br />
John Steinbecks „Von Mäusen und Menschen“,<br />
Alfonso Pasos „Lasst uns Lügen erzählen“ oder<br />
auch „Arsen und Spitzehäubchen“ von Josef<br />
Kesselring standen auf dem Spielplan. Stücke<br />
die echte „Knaller“ wurden, waren nicht selten.<br />
„Spiel‘s nochmal Sam“ von Woddy Allen oder<br />
Dario Fo‘s „Zufälliger Tod eines Anarchisten“<br />
zählen dazu. (Eine komplette Auflistung finden<br />
Sie in diesem Heft) Vergessen sei auch nicht<br />
Volles Programm?<br />
Aber hall0!<br />
die kleine <strong>Theater</strong>form, die vielen Einakter von<br />
Kishon bis Valentin, von Cocteau bis Arrabal,<br />
oder das absurde „Taschentheater“; <strong>im</strong>mer<br />
fand die „Spielgruppe 63“ ihr Publikum. Viel<br />
Mut zum Risiko bedurfte es Kleinkunstfestivals<br />
mit einem Non-Stop-Tagesprogramm unter<br />
freiem H<strong>im</strong>mel auf die Beine zu stellen. Jazzer,<br />
Liedermacher, Gaukler, Sängerinnen und<br />
die Sketche der Gastgeber standen auf dem<br />
Programm. Der Kultur <strong>im</strong> ländlichen Raum<br />
zuliebe war es bereits ein Erfolg, wenn Einnahmen<br />
und Ausgaben sich ausglichen. Und wenn<br />
sich „Miese“ einstellten, schaute man darüber<br />
hinweg, weil der Bekanntheitsgrad durch diese