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Rundbrief 1 - Bund für Soziale Verteidigung

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Hendrik Dürr<br />

Als Freiwilliger<br />

bei den Jahalin<br />

Mein Name ist Hendrik Dürr, ich<br />

bin 20 Jahre alt und komme aus<br />

Köln. In diesem Sommer machte<br />

ich mein Abitur in der Waldorfschule<br />

Köln. Über die Schule<br />

habe ich Jonas Calabrese kennen<br />

gelernt, der nach dem Abitur seinen<br />

Zivildienst als „Anderen<br />

Dienst im Ausland“ im Jahalin-<br />

Projekt des BSV ableistete. So<br />

bin ich auf das Projekt gestoßen.<br />

Heut bin ich nunmehr schon<br />

zweieinhalb Monate in Jerusalem.<br />

Es ist eine lehrreiche Zeit hier, mit Höhen und Tiefen. Die Arbeit<br />

in der Jahalin- Gemeinde, die außerhalb von Azaryah in der Westbank<br />

auf dem „Jabal“ (arab. Hügel) leben, ist spannend. An drei<br />

Tagen in der Woche bin ich auf dem Hügel, um mit einigen Jungs<br />

Englisch zu lernen. Das läuft mit größerem und kleinerem Erfolg.<br />

Wenn es dann aber zum Unterricht kommt, ist es schön, mit den<br />

Highschool-Studenten Suleiman, Iyad, Hääni, und manchmal auch<br />

Hiyyad zusammenzusitzen und die Aufgaben aus ihren Schulheften<br />

zu lösen. Dazu gibt es dann leckeren arabischen Tee und Kekse.<br />

Seit einem Monat unterstützt mich James, ein Theologiestudent<br />

aus Sambia. Er spricht fließend arabisch und so erreicht er noch<br />

mal andere Jungs, wie Iyad, der seine Schule abgebrochen hat. Vor<br />

einer Woche hatte James mit ihm das erste Mal Englisch und es<br />

war schön zu sehen, wie Iyad mit James im Caravan saß und wie<br />

James, mit Stiften und Scheren in der Hand, mit Iyad über „I have<br />

a scissor and you have a pen“ sprach.<br />

Nebenher spiele ich auch manchmal mit den Jungs auf dem Fußballplatz,<br />

der seit einem Monat mit strahlend weißen Toren und<br />

einem großem Fußballfangzaun in der Sonne glänzt.<br />

Abseits von der Arbeit auf dem Hügel werde ich nach den Winterferien<br />

in der Anwuar- Schule wieder mit Sport- und Englischunterricht<br />

beginnen. In dieser Schule, die von einem Beduinen gegründet<br />

wurde, werden Kinder der Jahalin-Beduinen gemeinsam<br />

mit palästinensischen Kindern aus Azariyah unterrichtet. Zur Schule<br />

gehört auch ein Garten, der vor kurzem von den Schülern und uns<br />

mit Möhren und allerlei Kräutern bepflanzt wurde der sich langsam<br />

zum schönen Schulgarten entwickelt.<br />

Es jährt sich in diesen Tagen, am 27. Januar 1997, als 35 Jahalin-<br />

Familien an einem kalten, stürmischen, regnerischen Januar-Tag<br />

auf den „Hügel“ vertrieben wurden“, einen unwirtlichen Hügel,<br />

500 m von Jerusalems größter Mülldeponie entfernt. Schiffscontainer<br />

hatte die israelische Armee den Menschen zur Verfügung<br />

gestellt, fast alle ihre Zelte und Unterkünfte wurden zerstört.<br />

Als ich Suleiman darauf ansprach und er James und mir erzählte,<br />

mir wie seine Familie von der israelischen Polizei in die Busse<br />

zum Abtransport getrieben wurde, während ihr Haus zerstört wurde,<br />

kann ich nur schweigend in die Weite staunen im Anblick seiner<br />

herzlichen Art und den ausgelassenen Begegnungen mit ihm.<br />

Quergeschrieben<br />

Ein Zaun, sechs Tornados<br />

und die christliche Familie<br />

Im Jahr 2000, dem letzten Jahr der Regierung Clinton, betrug<br />

das US-Militärbudget etwas über 300 Mrd. US$. In der letzten<br />

Woche legte Präsident Bush einen Haushaltsentwurf vor, indem<br />

insgesamt 716,5 Milliarden Dollar Kriegs- und Rüstungsausgaben<br />

enthalten sind, darunter 235,1 Mrd. Dollar <strong>für</strong> die laufenden<br />

Kriege im Irak, in Afghanistan und an weiteren Schauplätzen des<br />

„Terror-Krieges“. Schon ohne die zusätzlichen Kriegskosten liegt<br />

das Militärbudget der USA damit 62 Prozent über dem von 2001<br />

und kostet die BürgerInnen 20 Millionen Dollar pro Tag. Gespart<br />

werden soll hingegen vor allem bei der staatlichen Gesundheits<strong>für</strong>sorge<br />

<strong>für</strong> Ältere und Arme, einem Bereich, der im Vergleich<br />

mit anderen Industriestaaten nicht gerade üppig ausgestattet ist.<br />

Man fühlt sich auf geradezu perfide doppelte Weise erinnert an<br />

den alten Ostermarsch-Slogan „Krieg ist <strong>für</strong> die Reichen, die<br />

Armen stell’n die Leichen“. Nicht nur unter den Toten der US-<br />

Einheiten im Irak und in Afghanistan sind Angehörige ärmerer<br />

Familien deutlich überrepräsentiert, auch in der Heimat werden<br />

künftig wieder mehr Menschen sterben, weil sie sich keine medizinische<br />

Versorgung leisten können. Wer die Rekrutierungspraktiken<br />

in Michael Moores Film „Bowling for Colombine“<br />

gesehen hat, kommt fast automatisch zu der Vermutung, dass es<br />

(neben schier unbegrenzten Finanzen) vor allem eins braucht, um<br />

in aller Welt Kriege zu führen: eine möglichst große Zahl sozial<br />

deklassierter junger Menschen, deren einzige Chance auf soziale<br />

Absicherung das Militär zu sein scheint.<br />

Wenn dies so ist, dann brauchen wir uns um die Kampffähigkeit<br />

der <strong>Bund</strong>eswehr in den nächsten Jahren wohl auch nicht zu sorgen.<br />

Auch hierzulande klafft die soziale Schere immer weiter<br />

auseinander. Einer der Hauptrisikofaktoren <strong>für</strong> Armut ist dabei,<br />

Kind zu sein oder Kinder zu erziehen. Inzwischen ist es so, dass<br />

<strong>für</strong> Kriegseinsätze der <strong>Bund</strong>eswehr fast jede beliebige Summe<br />

zur Verfügung gestellt wird, während die sozialen Bedürfnisse<br />

von immer mehr Menschen beim Regierungshandeln außen vor<br />

bleiben. Wer fragt eigentlich noch öffentlich nach, wie viele Erzieherinnen<br />

man einstellen könnte <strong>für</strong> die Kosten, die der zusätzliche<br />

Afghanistan-Einsatz von sechs Tornados kostet?<br />

Da erntet die Familienministerin, die als berufserfahrene Mutter<br />

vermutlich weiß, warum sie das tut, einen Sturm der Entrüstung<br />

in ihrer eigenen Partei, weil sie den Ausbau von Kindertagesstätten<br />

fordert. Mit dem christlichen Familienbild sei dies nicht vereinbar,<br />

heißt es. Müssen wir nun daraus schließen, dass Kinderarmut<br />

und soziale Ausgrenzung von Millionen Kindern und<br />

ihren Familien eher dem christlichen Menschenbild entspricht?<br />

Da verwandelt die Regierung <strong>für</strong> den G8-Gipfel über 30 Quadratmeter<br />

<strong>Bund</strong>esrepublik in eine demokratiefreie Zone , in ein<br />

Hochsicherheitsgefängnis mit 280 Einwohnern und 16.000 Bewachern,<br />

eingesperrt in einen zwölf Millionen Euro teueren<br />

Zaun, um dort diejenigen zu empfangen, die in der Welt führend<br />

<strong>für</strong> dieses Konzept stehen: Reichtum auf Kosten der Armen,<br />

militärisch oder paramilitärisch im großen Stil abgesichert. Auch<br />

hier<strong>für</strong> werden, ohne mit der Wimper zu zucken, 100 Millionen<br />

Euro aufgewendet. Denn dabei handelt es sich ja um absolut<br />

notwendige Ausgaben. Im Gegensatz zu Kitas, beispielsweise…<br />

Kathrin Vogler<br />

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