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Wiedergutmachung am Volk der Herero?

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<strong>Wie<strong>der</strong>gutmachung</strong> <strong>am</strong> <strong>Volk</strong> <strong>der</strong> <strong>Herero</strong>?<br />

Eine Analyse zu den deutschen »Greueltaten« in Deutsch-Südwestafrika 1904/05.<br />

Was war <strong>der</strong> sogenannte Vernichtungsbefehl des General Lothar von Trotha?<br />

von Dr. Claus Nordbruch<br />

Im Zeitalter <strong>der</strong> <strong>Wie<strong>der</strong>gutmachung</strong>szahlungen und Entschädigungsfor<strong>der</strong>ungen an<br />

Deutschland wun<strong>der</strong>t es nicht mehr, wenn vermeintliche Ansprüche historisch gesehen immer<br />

weiter zurückgedreht werden. Im September 2001 wurde bekannt, daß nunmehr auch das <strong>Volk</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Herero</strong>, genauer gesagt ein nicht uneingeschränkt akzeptierter »Häuptling«, <strong>der</strong> vorgibt, die<br />

Interessen des <strong>Herero</strong>volkes zu vertreten, entsprechende For<strong>der</strong>ungen stellt. Kuaima Riruako<br />

beabsichtigt die Deutsche Bank und die Ree<strong>der</strong>ei Deutsche Afrika Linie wegen Versklavung,<br />

Völkermord und Raub vor einem Bundesgericht in Washington auf zwei Milliarden Dollar<br />

Entschädigung zu verklagen. Die Chance, vor einem <strong>am</strong>erikanischen Gericht Recht zu<br />

bekommen, hält er für »möglich, denn wir gehen ja denselben Weg wie die Juden. Der Genozid<br />

an unserem <strong>Volk</strong> war Vorreiter des Holocaust.« 1 . Starker Tobak, <strong>der</strong> es wert ist, einer Analyse<br />

unterzogen zu werden.<br />

Als das <strong>Volk</strong> <strong>der</strong> <strong>Herero</strong> sich im Januar 1904 gegen die deutsche Obrigkeit in Deutsch-<br />

Südwestafrika erhob, einem Land, das mit über 820.000 km² eineinhalb mal größer ist als das<br />

Deutsche Reich in seinen Grenzen von 1914, dachte man we<strong>der</strong> in Berlin noch in Windhuk<br />

daran, daß sich aus dieser Aufruhr <strong>der</strong> Krieg <strong>der</strong> deutschen Kolonialgeschichte entwickeln<br />

würde. Man hatte von deutscher Seite her we<strong>der</strong> das Grundmotiv für den Aufstand noch die<br />

Qualität <strong>der</strong> <strong>Herero</strong>krieger richtig eingeschätzt. Es handelte sich eben nicht um das Aufbegehren<br />

einiger »Flitzebogenwil<strong>der</strong>«, die aus einer Laune heraus ihren nie<strong>der</strong>en Gelüsten freien Lauf<br />

ließen. Es handelte sich um nichts weniger als um den Existenzk<strong>am</strong>pf eines <strong>Volk</strong>es. Wie naiv<br />

deutscherseits anzunehmen, daß <strong>der</strong> Aufstand bereits im Februar mit <strong>der</strong> - wenn auch<br />

heroischen - Entsetzung einiger Stationen und Ortschaften so gut wie nie<strong>der</strong>geschlagen worden<br />

sei! Der Militärchronist Hauptmann Maximilian Bayer gibt diese Fehleinschätzung treffend<br />

wie<strong>der</strong>: »Was Wun<strong>der</strong>, wenn viele von uns sich einbildeten, die Hauptarbeit sei getan, nun<br />

käme noch ein rasches Siegen gegen den min<strong>der</strong>wertigen Gegner, und dann, sagen wir nach<br />

einem Vierteljahr, sei alles vorüber und abgetan; dann hänge man die Mör<strong>der</strong>, stelle den Frieden<br />

her und folge wie<strong>der</strong> heim.« 2 Wie naiv an<strong>der</strong>erseits von den <strong>Herero</strong> anzunehmen, daß die zur<br />

Verfügung stehende militärische Macht des Deutschen Reiches sich mit <strong>der</strong> Anwesenheit von<br />

rund 700 Soldaten <strong>der</strong> Schutztruppe bereits erschöpft haben würde!<br />

Die deutsche Geschichte ist nach den Worten des ehemaligen deutschen Bundeskanzlers<br />

Helmut Schmidt kein Verbrecheralbum. Richtig! Und dies gilt für die Geschichte Deutsch-


Südwestafrikas nicht min<strong>der</strong>. Geschichtsschreibung, will sie die tatsächlichen Geschehnisse und<br />

Ereignisse sowie <strong>der</strong>en Ursachen und Folgen darlegen, und mit ihren Schlußfolgerungen nicht<br />

nur um die Gunst des gerade angesagten Zeitgeists buhlen, kann keine Rücksicht auf<br />

einschränkende, den Sachverhalt verfälschende Tabus nehmen. Genau diese Unterschlagungen<br />

gehören jedoch oftmals zum festen Bestandteil <strong>der</strong> gängigen Auseinan<strong>der</strong>setzung, gerade in <strong>der</strong><br />

BRD. Ein gewisses Anbie<strong>der</strong>n hat sich inzwischen bei vielen Zeitgenossen als<br />

selbstverständliche Geisteshaltung eingenistet. Wir wollen uns mit einer solchen fragwürdigen<br />

Einstellung nicht zufrieden geben. Geschichte kann eben nicht als eine im Dienste vergänglicher<br />

Ideologien stehende, abstrakte Vergangenheitsinterpretation abgetan werden. Geschichte ist als<br />

unabdingbarer Nährboden zu begreifen, auf dem die Zukunft gedeiht, die heute bereits gesät<br />

wird. Wir wollen uns deshalb bemühen, Geschichte gewissermaßen ganzheitlich zu erfassen.<br />

Das stolze <strong>Volk</strong> <strong>der</strong> <strong>Herero</strong> hat dies längst begriffen: Sie ehren heute noch ihre Ahnen - auch<br />

jene, die zu Lebzeiten in Mißgunst gefallen sind, und erhalten so das eherne Band zwischen<br />

Vergangenheit und Zukunft lebendig.<br />

Die Betrachtungsweise, mit <strong>der</strong> man dem <strong>Herero</strong>krieg begegnete und über ihn berichtete,<br />

erlebte in den vergangenen 100 Jahren massive Wandlungen. Im Wilhelminischen Zeitalter<br />

waren oftmals allzu unkritische Darstellungen üblich. Über die von <strong>Herero</strong> an Deutschen<br />

begangenen Verstümmelungen behauptete beispielsweise <strong>der</strong> Kriegsteilnehmer Peter Rossa:<br />

»Mit den Toten und Verwundeten beschäftigten sich hauptsächlich die Weiber, die ihnen die<br />

Geschlechtsteile, Herz usw. vom Körper abtrennten, mit Rindfleisch vermengt kochten und<br />

verzehrten, um nach Ansicht <strong>der</strong> Eingeborenen sich deutschen Mut anzufressen.« 3 Der<br />

aufmerks<strong>am</strong>e Leser findet in <strong>der</strong> Literatur des Kaiserreichs auch eine Fülle von Phantastereien,<br />

die als Tatsachen o<strong>der</strong> Selbsterlebnisse suggeriert werden: »Mich ängstigten immer seine<br />

Erzählungen von wilden Tieren, welche <strong>der</strong> Werft nächtliche Besuche abstatteten. Erst war es<br />

ein Tiger, <strong>der</strong> sich einige Male Lämmer holte [...]« 4 Selbst einem erfahrenen und an den<br />

Kämpfen maßgeblich beteiligten Offizier, Oberst Berthold von Deimling, wi<strong>der</strong>fuhr ein<br />

<strong>der</strong>artiger Schnitzer, als er während einer Rede 1906 allen Ernstes behauptete: »Löwen und<br />

Tiger gibt es nur noch in <strong>der</strong> Kalahari.« 5 Ein an<strong>der</strong>er Offizier berichtet in seinen<br />

»Erinnerungen« über mit Bajonetten aufgespießte, »fast zwei Meter« lange Puffottern und<br />

verkauft mehrfach seinen Lesern die Python als »die gefährlichste Giftschlange in Deutsch-<br />

Südwestafrika«! 6 Über all diesen Mumpitz könnte man nun lächelnd hinwegsehen, wenn nicht<br />

auch vielfach bei historischen Ereignissen <strong>der</strong>artiger Unsinn verzapft worden und in Bücher mit<br />

teilweise enormer Auflagestärke als »Wahrheit« eingegangen wäre.<br />

Die Publikationen über die deutsche Kolonialgeschichte in <strong>der</strong> BRD während <strong>der</strong><br />

fünfziger und frühen sechziger Jahre hatten dagegen oft einen eher nostalgischen Klang. Mit


Anbruch <strong>der</strong> siebziger Jahre mutierte die Geschichtsschreibung mehr und mehr zu<br />

»progressiveren« Formen, die sich im Laufe <strong>der</strong> achtziger und neunziger Jahre durch die<br />

sogenannte politische Korrektheit noch verstärkten und heute tonangebend sind. Wie war dieser<br />

Wandel möglich?<br />

Die Überbleibsel des Archivs des ehemaligen Reichskolonial<strong>am</strong>tes lagen seit dem Ersten<br />

Weltkrieg in Potsd<strong>am</strong> und waren nach 1945 für deutsche Wissenschaftler zunächst überhaupt<br />

nicht zugänglich. Ab 1955/56 wurden sie wenigstens für Historiker <strong>der</strong> DDR geöffnet, ohne daß<br />

diese allerdings erschöpfende Forschungsarbeit betrieben hätten. Ihre Ergebnisse blieben weit<br />

hinter den Erwartungen zurück, die man angesichts <strong>der</strong> Fülle des auszuwertenden Materials<br />

hätte erwarten dürfen. Die ehemalige - im übrigen links, will sagen progressiv eingestellte -<br />

Nationalarchivarin in Windhuk, Frau Brigitte Lau, spricht diesen Zeitgeschichtlern denn auch<br />

mit Recht Kenntnisse über das Land selbst ab. Keiner von ihnen hatte sich je mit den<br />

geographischen, meteorologischen und demographischen Verhältnissen Südwestafrikas vertraut<br />

gemacht 7 , geschweige denn menschliche Beziehungen im Lande aufgebaut. Die meisten hatten<br />

Südwest noch nicht einmal besucht.<br />

Es wäre allerdings ein naives Unterfangen, würde man sich ernsthaft zu <strong>der</strong> Behauptung<br />

versteifen, die Leistungen <strong>der</strong> westdeutschen Historiker seien erschöpfen<strong>der</strong> gewesen als die<br />

Ergebnisse ihrer mitteldeutschen Kollegen: Die BRD-Historiker, denen <strong>der</strong> Zugang zum<br />

ehemaligen Reichsarchiv verwehrt wurde, machten es sich meist recht bequem und übernahmen<br />

oft ohne vorherige Prüfung die im Sinne <strong>der</strong> SED-Ideologie ausgerichteten Thesen ihrer<br />

Kollegen aus <strong>der</strong> DDR. Auf diese Weise konnten die marxistischen o<strong>der</strong> »fortschrittlichen« -<br />

jedenfalls immer antideutschen! - Ansichten auch Zugang in westdeutsche Schul- und<br />

Sachbücher finden.<br />

Der einflußreichste jener Geschichtswissenschaftler aus <strong>der</strong> DDR war Horst Drechsler,<br />

<strong>der</strong> Mitte <strong>der</strong> 1950er Jahre begann, die Akten des ehemaligen Deutschen Reichskolonial<strong>am</strong>tes<br />

auszuwerten und nach staatlich gewünschter Vorgabe zu interpretieren. Originalton Drechsler:<br />

»Wenn die nationale Befreiungsbewegung in den kolonialunterdrückten Län<strong>der</strong>n sowie <strong>der</strong><br />

Zus<strong>am</strong>menbruch des imperialistischen Kolonialsystems auf dem XXII. Parteitag <strong>der</strong> KPdSU als<br />

bedeutendstes welthistorisches Ereignis nach <strong>der</strong> Sozialistischen Oktoberrevolution und <strong>der</strong><br />

Entstehung des sozialistischen Weltsystems eingeschätzt worden sind, legt diese Einschätzung<br />

den fortschrittlichen Historikern die Verpflichtung auf, sich nicht nur mit <strong>der</strong> nationalen<br />

Befreiungsbewegung und dem Zus<strong>am</strong>menbruch des imperialistischen Kolonialsystems in <strong>der</strong><br />

zweiten und dritten Etappe <strong>der</strong> allgemeinen Krise des Kapitalismus zu beschäftigen, son<strong>der</strong>n<br />

den verhaßten Kolonialismus in allen seinen Spielarten zu entlarven. So haben die<br />

marxistischen Historiker <strong>der</strong> Deutschen Demokratischen Republik in den letzten Jahren eine


Reihe von Arbeiten vorgelegt, in denen sie an Hand <strong>der</strong> Akten des Reichskolonial<strong>am</strong>tes die<br />

Kolonialpolitik des deutschen Imperialismus vor dem ersten Weltkrieg analysierten. D<strong>am</strong>it<br />

leisteten sie zugleich den Afrikanern eine beson<strong>der</strong>e Form <strong>der</strong> Hilfe, indem sie ihnen bei <strong>der</strong><br />

Herausbildung ihres nationalen Geschichtsbildes halfen.« 8 Drechsler veröffentlichte zwei<br />

»akademische« Schriften zur Geschichte Deutsch-Südwestafrikas. Bezeichnen<strong>der</strong>weise wurden<br />

diese Publikationen immer wie<strong>der</strong>, auch in Westeuropa, als Standardwerke suggeriert. Diese Art<br />

<strong>der</strong> Leichtfertigkeit hat wesentlich zur heutigen Einseitigkeit über die deutsche<br />

Kolonialgeschichte beigetragen.<br />

Helga und Ludwig Helbigs Schrift Mythos Deutsch-Südwest beispielsweise ist getränkt<br />

von inflationär gebrauchten und abgedroschenen Schlagworten wie Völkermord, Faschismus,<br />

deutsche Gewaltherrschaft, Ausrottungspolitik und natürlich Holocaust. Wolfgang Mayer,<br />

einem »Redakteur einer großen Tageszeitung und Mitarbeiter einer historischen Zeitschrift«,<br />

Franz Metzger, »Chefredakteur einer historischen Zeitschrift« und Jürgen Wilhelmi »Verfasser<br />

zahlreicher Artikel und Beiträge zur Geschichte, von Rezensionen und wissenschaftlichen<br />

Arbeiten« kann man zu geistigen Ergüssen wie diesen nur gratulieren: »Für von Trotha waren<br />

die Aufständischen nichts als eine Horde wildgewordener ‘Nigger’, <strong>der</strong>en Rebellion nur durch<br />

die Vernichtung angemessen bestraft werden konnte.« 9 Ein wirklich überzeugen<strong>der</strong> Beleg<br />

sachlicher Publizistik - vom Wert <strong>der</strong> Wissenschaftlichkeit ganz zu schweigen. Da wirkt es<br />

dann schon nebensächlich, daß die Herren Wissenschaftler und Redakteure noch nicht einmal<br />

den N<strong>am</strong>en des kriegführenden Oberhäuptlings <strong>der</strong> <strong>Herero</strong> richtig schreiben können. Wenn<br />

wun<strong>der</strong>t es bei soviel geistiger Größe noch, daß es selbstredend auch möglich ist, mit einer<br />

Dissertation The Herrenvolk Mentality in German South West Africa 1884-1914 zu<br />

promovieren!? Wir wollen es uns ersparen, auf weitere Meisterleistungen fortschrittlicher<br />

Wissenschaftlichkeit hinzuweisen - wir werden ohnehin von ihnen täglich in den Massenmedien<br />

berieselt.<br />

Um uns ein objektives Bild über die d<strong>am</strong>aligen Geschehnisse zu verschaffen, wollen wir<br />

versuchen beide Parteien, also Eingeborene und Deutsche zu hören - sofern dies anhand <strong>der</strong><br />

erhalten gebliebenen Dokumente überhaupt noch möglich ist: Die englisch-südafrikanischen<br />

Invasoren vernichteten zwischen 1915 und 1919 Unmengen historischer Dokumente. Die<br />

verhältnismäßig wenigen, die nach Deutschland gerettet werden konnten, fielen zum größten<br />

Teil ebenfalls <strong>der</strong> Vernichtung anheim, als 1945 das Reichsarchiv (Akten des Generalstabes) in<br />

Potsd<strong>am</strong> durch die anglo-<strong>am</strong>erikanische Luftwaffe bombardiert wurde und in Fl<strong>am</strong>men aufging.<br />

Lei<strong>der</strong> sind auch viele Privats<strong>am</strong>mlungen während des Zweiten Weltkriegs, wie z.B. das Archiv<br />

im Schloß Dhyrenfurth bei Breslau, zerstört worden. Heute gibt es auch in Südwest für diese<br />

unersetzlichen Dokumente keinen Ersatz. Das ist jedoch nicht die einzige Schwierigkeit, mit <strong>der</strong>


wir uns konfrontiert sehen: Lei<strong>der</strong> findet es sich in <strong>der</strong> Sekundärliteratur (auch und gerade bei<br />

solchen Büchern, die als »Standardwerke« gelten) immer wie<strong>der</strong>, daß Zitate - häufig sogar<br />

gravierend! - falsch wie<strong>der</strong>gegeben werden. Es sollte deshalb wenn irgend möglich versucht<br />

werden, die Originalquellen einzusehen.<br />

Dem Unverständnis und Unwissen vieler Deutscher zur Zeit des Wilhelminischen<br />

Kaiserreiches nicht unähnlich, macht man sich selbstverständlich auch in <strong>der</strong> vom Spaß- und<br />

Schuldsyndrom befallenen G’sellschaft <strong>der</strong> BRD keine Vorstellungen über die Strapazen <strong>der</strong><br />

jungen, meist unerfahrenen Soldaten <strong>der</strong> Kaiserlichen Schutztruppe und ihrer K<strong>am</strong>eraden von<br />

<strong>der</strong> Marineinfanterie. Man hat im allgemeinen keinen blassen Schimmer von den<br />

übermenschlichen Leistungen dieser Männer. Aber auch das unermeßliche Leid, das über die<br />

<strong>Herero</strong> gekommen war, wird in <strong>der</strong> gängigen Literatur meist nicht unter dem menschlichen<br />

Aspekt behandelt, was man eigentlich erwarten sollte, son<strong>der</strong>n wird lediglich aus <strong>der</strong> Position<br />

<strong>der</strong> Ankläger gegen Deutschland dargestellt. Es geht vielen Publizisten denn auch weniger um<br />

eine sachliche Auseinan<strong>der</strong>setzung mit dem Schicksal <strong>der</strong> <strong>Herero</strong>, als vielmehr darum, dieses<br />

gegen eine an<strong>der</strong>e Nation, die deutsche nämlich, zu mißbrauchen. Angewandt wird<br />

diesbezüglich eine ebenso einfache wie falsche Faustregel: hier die Eingeborenen in <strong>der</strong> Rolle<br />

<strong>der</strong> unschuldigen Opfer, dort die Deutschen als ewige Aggressoren und Unterdrücker. In <strong>der</strong><br />

»Bewältigungsliteratur« <strong>der</strong> BRD wird bezüglich des <strong>Herero</strong>aufstandes und <strong>der</strong><br />

Nie<strong>der</strong>schlagung desselben denn auch mit erhobenem Zeigefinger auf ein selbstredend »dunkles<br />

Kapitel« deutscher Kolonialgeschichte verwiesen. Mit dieser schon obligatorischen<br />

Betroffenheitshaltung wird jedoch übersehen, daß diese zwar mit den Anfor<strong>der</strong>ungen des<br />

augenblicklichen Zeitgeists konform gehen mag und auch politisch korrekt sein dürfte, aber mit<br />

historischer Wahrhaftigkeit und einem ausgeprägten Geschichtsbewußtsein nichts gemein hat.<br />

Die zur Norm gewordene einseitige Schuldzuweisung ist reine Schwarzweißmalerei.<br />

Wenden wir uns nun konkret den Anschuldigungen zu. Im Laufe <strong>der</strong> vergangenen<br />

Jahrzehnte hat gerade General Lothar v. Trothas Aufruf an das <strong>Volk</strong> <strong>der</strong> <strong>Herero</strong> vom 2. Oktober<br />

1904 immer wie<strong>der</strong> zu heftigen Auseinan<strong>der</strong>setzungen geführt. Im günstigsten Falle hieß es,<br />

daß es sich hierbei um einen Schießbefehl gehandelt habe. Meist war die Ausgangsposition<br />

jedoch, daß dieser Aufruf ein Befehl zur Völkervernichtung gewesen und d<strong>am</strong>it <strong>der</strong> Grundtenor<br />

<strong>der</strong> politisch-militärischen Intention v. Trothas bewiesen sei: Er »steckte sich zum Ziel, die<br />

<strong>Herero</strong> auszurotten.« Und deshalb stehe selbstredend fest: »Die <strong>Herero</strong> wurden die Opfer eines<br />

verbrecherischen Staates, <strong>der</strong> jene beseitigte, die seinen wirtschaftlichen Interessen im Wege<br />

standen.« 10 Ob explizit darauf hingewiesen o<strong>der</strong> lediglich unbewußt miteingearbeitet, die<br />

meisten dieser voreiligen bzw. diff<strong>am</strong>ierenden Urteile fußen erstens auf den Behauptungen <strong>der</strong><br />

englischen Kriegspropaganda unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg und zweitens auf


einseitigen Darstellungen oft marxistisch-leninistischer Historiker und Publizisten. Diese meist<br />

unsachlichen, teilweise sogar volkverhetzenden Darlegungen und Mutmaßungen, wurden von<br />

vielen Verfassern <strong>der</strong> gängigen Literatur teils aus Leichtsinnigkeit, teils weil sie in die eigene<br />

Ideologie passen, unkritisch übernommen. Vor allem für politisch links stehende Autoren ist<br />

dieser spezielle Abschnitt <strong>der</strong> deutschen Kolonialgeschichte längst zur Gewißheit, zur<br />

»historischen Tatsache« zementiert. An <strong>der</strong> Universität Freiburg beispielsweise fand im<br />

Sommersemester ’99 ein Seminar mit dem bezeichnenden N<strong>am</strong>en Deutscher<br />

Kolonialimperialismus und koloniale Kriegsführung statt. Hier wurde allen Ernstes die<br />

Auffassung vertreten, daß als »markantestes Beispiel für eine erstmals praktizierte<br />

Vernichtungsstrategie [...] die Nie<strong>der</strong>schlagung des <strong>Herero</strong>-Aufstandes in Südwestafrika (1904-<br />

7)« gelte.<br />

Diese Unterstellung ist um so bezeichnen<strong>der</strong> als bereits vor 40 Jahren die d<strong>am</strong>alige<br />

Präsidentin <strong>der</strong> südwestafrikanischen Kunstvereinigung Olga Levinson in <strong>der</strong> CAPE TIMES und<br />

daraufhin auch in <strong>der</strong> Windhuker ALLGEMEINEN ZEITUNG zunächst meinte: »Mit dem Auftrag,<br />

die <strong>Herero</strong> die volle Macht <strong>der</strong> Deutschen fühlen zu lassen und ihren Wi<strong>der</strong>stand für alle Zeiten<br />

zu brechen, setzte er [General v. Trotha, Anm. d. Verf., C. N.] seine bekannte<br />

Ausrottungspolitik durch, wonach je<strong>der</strong> <strong>Herero</strong>-Mann, jede Frau und jedes Kind unbarmherzig<br />

zu töten war.« 11 Diese ebenso unsachliche wie demagogische Behauptung rief einen ungeheuren<br />

und zurechtweisenden Proteststurm in den Leserbriefspalten südafrikanischer und<br />

südwestafrikanischer Zeitungen hervor. Frau Levinson hatte aber, im Gegensatz zu den meisten<br />

fragwürdigen Publizisten <strong>der</strong> Gegenwart, genug Mumm und Anstand, sich mit den<br />

Gegendarstellungen auseinan<strong>der</strong>zusetzen und ihre Meinung zu revidieren. Sie bekannte bald,<br />

daß sie den »Vernichtungsbefehl« als »nackte Tatsache <strong>der</strong> Geschichte« betrachtet und es<br />

niemals für möglich gehalten habe, daß eine offizielle Quelle, nämlich das sogenannte<br />

Blaubuch, »unzuverlässig sei«. Frau Levinson k<strong>am</strong> schließlich zu <strong>der</strong> Überzeugung, »daß <strong>der</strong><br />

Befehl nur für die bewaffneten <strong>Herero</strong> galt und daß alle Anschuldigungen, die das Gegenteil<br />

behaupten, nicht richtig sind. Je mehr ich darüber nachdenke, um so mehr werde ich mir<br />

bewußt, daß solch ein Befehl niemals von einem Offizier <strong>der</strong> kaiserlichen Armee erlassen<br />

werden konnte.« Konsequenterweise endete sie ihr Eingeständnis d<strong>am</strong>it, »daß ich in meinem<br />

Buch ein für allemal die alten Anschuldigungen, die bedauerlicherweise von den meisten<br />

Südafrikanern und im Ausland geglaubt werden, ausmerzen werde.« 12<br />

Bevor wir uns nun mit <strong>der</strong> »Ausrottungspolitik« v. Trothas auseinan<strong>der</strong>setzen, möchten<br />

wir zuvor an das große Wort des bedeutenden deutschen Gelehrten und Staatsmannes Wilhelm<br />

von Humboldt erinnern, <strong>der</strong> erkannt hatte:<br />

»Der Historiker muß sich in das Innere <strong>der</strong> Personen und Epochen,


mit denen er zu tun hat, hineinversetzen,<br />

wenn er mehr als eine zus<strong>am</strong>menhanglose Aufzählung äußerer Ereignisse bieten will.«<br />

Handeln wir nach dieser Maxime, erkennen wir recht bald, daß dem General<br />

»Völkermordabsichten« zu unterstellen, eher dem gegen ihn gerichteten konformistischen<br />

Kesseltreiben entspringen dürfte als daß sie den historischen Tatsachen entsprechen.<br />

Wenig bekannt ist, daß bis heute eine authentische Textfassung des besagten Aufrufes<br />

gar nicht vorliegt. Das Original gilt als verschollen! Die bislang bekannten Versionen<br />

unterscheiden sich teilweise gravierend voneinan<strong>der</strong>. Der Text findet sich bezeichnen<strong>der</strong>weise<br />

in keiner offiziellen o<strong>der</strong> halb<strong>am</strong>tlichen Publikation. We<strong>der</strong> im Generalstabswerk noch bei<br />

Bayer noch in den Wan<strong>der</strong>ungen des v. Trotha abgeneigten Major v. Estorff findet die<br />

»Prokl<strong>am</strong>ation« eine Erwähnung. Die erste Fassung des Aufrufs wurde erst 1905 vom<br />

Herausgeber <strong>der</strong> WINDHUKER NACHRICHTEN, Conrad Rust, ohne Quellennachweis<br />

veröffentlicht und Ende des gleichen Jahres im sozialdemokratischen VORWÄRTS zitiert. Um<br />

Unterstellungen gleich vorzubeugen: Wir bezweifeln nicht, daß General v. Trotha einen Aufruf<br />

bezüglich <strong>der</strong> Verfahrensweise mit bewaffneten <strong>Herero</strong>banden erlassen hat. Aber die ges<strong>am</strong>ten<br />

Umstände sind sehr merkwürdig. Lediglich eine Abschrift, <strong>der</strong>en Herkunft unbekannt ist, kann<br />

beim Nationalarchiv in Windhuk eingesehen werden. Sie lautet:<br />

»Ich, <strong>der</strong> große General <strong>der</strong> deutschen Soldaten, sende diesen Brief an das <strong>Volk</strong> <strong>der</strong> <strong>Herero</strong>.<br />

Die <strong>Herero</strong> sind nicht mehr deutsche Untertanen. Sie haben gemordet und gestohlen, haben<br />

verwundeten Soldaten Ohren und Nasen und an<strong>der</strong>e Körperteile abgeschnitten, und wollen jetzt<br />

aus Feigheit nicht mehr kämpfen. Ich sage dem <strong>Volk</strong>: Je<strong>der</strong>, <strong>der</strong> einen Kapitän abliefert, erhält<br />

1000 Mark, wer S<strong>am</strong>uel bringt erhält 5000 Mark. Das <strong>Volk</strong> <strong>der</strong> <strong>Herero</strong> muß jedoch das Land<br />

verlassen. Wenn das <strong>Volk</strong> dies nicht tut, so werde ich es mit dem Groot Rohr dazu zwingen.<br />

Innerhalb <strong>der</strong> deutschen Grenzen wird je<strong>der</strong> <strong>Herero</strong> mit o<strong>der</strong> ohne Gewehr, mit o<strong>der</strong> ohne Vieh,<br />

erschossen, ich nehme keine Weiber, Kin<strong>der</strong> mehr auf, treibe sie zu ihrem <strong>Volk</strong> zurück o<strong>der</strong><br />

lasse auch auf sie schießen.<br />

Dies sind meine Worte an das <strong>Volk</strong> <strong>der</strong> <strong>Herero</strong>.<br />

Der große General des mächtigen deutschen Kaisers.«<br />

Die Intention dieser ohne Zweifel in großspurigen Worten verfaßten Erklärung ist, wie wir im<br />

folgenden darlegen werden, erstrangig psychologisch begründet. Hierauf läßt schon <strong>der</strong><br />

pathetische Wortgebrauch schließen. Es galt, die noch umherziehenden <strong>Herero</strong>banden<br />

abzuschrecken und von den Farmen fernzuhalten, o<strong>der</strong> wie es die <strong>am</strong>erikanische Historikern<br />

Karla Poewe kurz und bündig auf den Nenner bringt: »The intent was to keep small guerrilla


ands away from German troops.« 13 Darauf weist auch das theatralisch anmutende Gehabe <strong>der</strong><br />

deutschen Militärgewalt hin: Zwei kriegsgerichtlich zum Tode verurteilte <strong>Herero</strong> wurden in<br />

Gegenwart von etwa 30 Gefangenen gehängt. Nach <strong>der</strong> Hinrichtung wurde den anwesenden<br />

<strong>Herero</strong> <strong>der</strong> Aufruf in ihrer Sprache vorgelesen. Daraufhin wurde ihnen die Freiheit geschenkt<br />

und d<strong>am</strong>it garantiert, daß <strong>der</strong> Inhalt <strong>der</strong> Erklärung auch die entlegensten Verstecke <strong>der</strong> <strong>Herero</strong><br />

erreichte.<br />

In <strong>der</strong> DEUTSCHEN ZEITUNG rechtfertigte v. Trotha seine Kriegführung mit den Worten:<br />

»Die Stämme Afrikas führen untereinan<strong>der</strong> so lange Krieg, bis einer zerstört <strong>am</strong> Boden liegt.<br />

Dies mußte auch hier einmal geschehen. Daß ein Krieg in Afrika sich nicht nach den Gesetzen<br />

<strong>der</strong> Genfer Konvention führen läßt, ist selbstverständlich. Die Zurückweisung <strong>der</strong> Weiber von<br />

den Wasserstellen <strong>der</strong> Kalahari fiel mir sehr schwer. Ich stand aber vor einer Katastrophe für<br />

meine Truppe. Wenn ich die kleineren vorhandenen Wasserstellen den Weibern zugänglich<br />

machte, so gewärtigte ich in Afrika ein Beresina zu erleben.« 14 Womit General v. Trotha auf die<br />

vernichtende Flußüberquerung <strong>der</strong> Grande Armée Napoleons beim Rückzug von Moskau im<br />

November 1812 anspielte. Auch die Erwähnung <strong>der</strong> Genfer Konvention ist angesichts <strong>der</strong><br />

Verwendung von Dum-Dum- und an<strong>der</strong>en verbotenen Geschossen sowie angesichts <strong>der</strong><br />

völkerrechtswidrigen Behandlung deutscher Verwundeter durch die <strong>Herero</strong> berechtigt und<br />

aufschlußreich. Es ergibt sich unter dem Strich, daß General v. Trotha unter den genannten<br />

Umständen den Krieg so schnell, aber auch so gründlich wie möglich, beendet wissen wollte,<br />

galt es doch ein nochmaliges Erheben des Feindes für alle Zukunft und zum Wohle einer<br />

friedlichen Entwicklung des Landes ein für allemal auszuschalten.<br />

Wenig bekannt ist, daß dem Aufruf umgehend ein Truppenbefehl folgte, <strong>der</strong> den<br />

Propagandazweck bzw. die psychologische Absicht dieser auf den ersten Blick durchaus<br />

barbarisch anmutenden Erklärung deutlich macht. Der im Gegensatz zum Aufruf den <strong>Herero</strong><br />

nicht bekannt gemachte Zusatzbefehl lautet:<br />

»Dieser Erlaß ist bei den Appells den Truppen mitzuteilen mit dem Hinzufügen, daß auch <strong>der</strong> Truppe, die einen <strong>der</strong><br />

Kapitäne fängt, die entsprechende Belohnung zu teil wird, und daß das Schießen auf Weiber und Kin<strong>der</strong> so zu<br />

verstehen ist, daß über sie hinweggeschossen wird, um sie zum Laufen zu zwingen. Ich nehme mit Bestimmtheit<br />

an, daß dieser Erlaß dazu führen wird, keine männlichen Gefangenen mehr zu machen, aber nicht zu<br />

Graus<strong>am</strong>keiten gegen Weiber und Kin<strong>der</strong> ausartet. Diese werden schon fortlaufen, wenn zweimal über sie<br />

hinweggeschossen wird. Die Truppe wird sich des guten Rufes <strong>der</strong> Deutschen Soldaten bewußt bleiben.<br />

Der Kommandeur<br />

gez. v. Trotha<br />

Generalleutnant« 15


Es geht aus dem Zusatzbefehl zweifelsfrei hervor, daß General v. Trotha das Töten von<br />

Frauen und Kin<strong>der</strong>n we<strong>der</strong> beabsichtigt noch gar befohlen hatte, son<strong>der</strong>n im Gegenteil eindeutig<br />

verboten hatte. Etwas An<strong>der</strong>es wäre auch nicht mit seiner preußischen Offiziersausbildung in<br />

Einklang zu bringen gewesen. Ein Schießbefehl gegen Frauen und Kin<strong>der</strong> wi<strong>der</strong>sprach dem<br />

Ehrenkodex deutscher Offiziere, ja überhaupt den traditionellen Richtlinien deutscher Soldaten<br />

im Kriegseinsatz. In einem Leserbrief in <strong>der</strong> Windhuker ALLGEMEINEN ZEITUNG vom 28. Juli<br />

1961 schrieb <strong>der</strong> ehemalige unter Estorff dienende Schutztruppenangehörige R. Sarnow aus<br />

Tsumeb »daß je<strong>der</strong> <strong>Herero</strong>-Mann, Frau o<strong>der</strong> Kind, die sich ergaben, auf die Missionsstationen<br />

gesandt und dort verpflegt wurden. [...] Wir deutschen Soldaten waren keine disziplinlose<br />

Soldateska, die sinnlos mordeten, son<strong>der</strong>n eine absolut disziplinierte Truppe, die keinem<br />

unbewaffneten <strong>Herero</strong> etwas zu Leide tat. Das ist eine ganz gemeine Entstellung! Je<strong>der</strong> Soldat,<br />

<strong>der</strong> sich eines solchen Mordes schuldig gemacht hätte, wäre unweigerlich vor ein Kriegsgericht<br />

gestellt und schwer bestraft worden.« Marxisten, wie <strong>der</strong> bereits zu Anfang zitierte Horst<br />

Drechsler, wissen es freilich besser: »Der Unterschied zwischen Männern einerseits und Frauen<br />

und Kin<strong>der</strong>n an<strong>der</strong>erseits wurde aber in Wirklichkeit gar nicht gemacht. Alle <strong>Herero</strong>,<br />

gleichgültig ob Männer, Frauen o<strong>der</strong> Kin<strong>der</strong>, wurden getötet, wenn sie deutschen Soldaten in<br />

die Hände fielen.« 16 Keine Frage, daß <strong>der</strong>artige Behauptungen vor allem in »fortschrittlichen«<br />

Medien, als Tatsachen suggeriert, immer wie<strong>der</strong> aufgetischt werden: »Massenerschießungen<br />

von Gefangenen und Nie<strong>der</strong>metzelung verwundeter <strong>Herero</strong>krieger waren an <strong>der</strong> Tagesordnung.<br />

Unterschiedslos wurden auch Frauen und Kin<strong>der</strong> bei den Kämpfen nie<strong>der</strong>gemacht, in manchen<br />

Fällen sogar lebendig verbrannt.« 17 Geschichtskenner fühlen sich hier an die propagandistischen<br />

Horrorgeschichten des Ersten Weltkrieges (abgehackte Kin<strong>der</strong>hände) und des Irak-Kuweit-<br />

Krieges (aus Brutkästen gerissene Säuglinge) erinnert. Der Wahrheitsgehalt dieser Geschichten<br />

stimmt mit <strong>der</strong> story von aus deutscher Hand abgeschlachteten <strong>Herero</strong> überein.<br />

In <strong>der</strong> Praxis sah es so aus, daß von <strong>der</strong> Schußwaffe tatsächlich nur bei bewaffneten<br />

Männern des <strong>Herero</strong>volkes Gebrauch gemacht wurde. Darüber hinaus wurden versprengte Teile<br />

von <strong>Herero</strong>banden keineswegs »nie<strong>der</strong>gemäht«, son<strong>der</strong>n als Gefangene mitgenommen. Die<br />

allgemeine humane Grundeinstellung <strong>der</strong> deutschen Soldaten unter denen diese vor Hunger,<br />

Durst und Ermattung erschöpften Menschen abgeführt wurden - aber auch die Tragik eines<br />

solchen Gefangenentransportes -, schil<strong>der</strong>t Gefreiter Paul Harrland, <strong>der</strong> Ende Januar 1905 einen<br />

solchen von Otjimbinde nach Okahandja begleitete: »Hier zeigte sich wie<strong>der</strong> <strong>der</strong> durchweg<br />

gutmütige Zug <strong>der</strong> deutschen Soldaten, die den armen Teufeln alles Entbehrliche gaben - mit<br />

ihnen teilten. [...] Hunger und abermals Hunger! Bedauert haben wir die Kin<strong>der</strong>, die für alles<br />

nichts können. Nur den stolzen ›Großmännern‹ war keine Not anzusehen. Der eine war mit<br />

einem sehr guten schwarzen Gesellschaftsrock bekleidet, während die an<strong>der</strong>en tadellos


gewaschene Truppenanzüge anhatten. Bei unserem Weitermarsch verschmähten es die stolzen<br />

Großmänner nicht, bei uns um Kost zu betteln, die ihnen auch bereitwilligst gegeben wurde.<br />

Unter allen erregte ein junges, bis zum Skelett abgemagertes Weib das Mitleid aller K<strong>am</strong>eraden.<br />

Mit kindlicher Liebe führte sie ihre alte, erblindete Mutter an einem Ochsenriemen nach.« 18<br />

Trotz <strong>der</strong> deutschen Fürsorge erreichten von den ursprünglich 150 Gefangenen dieses<br />

Transportes freilich nur 90 Okahandja - womit sicherlich ein allgemeiner Durchschnittswert <strong>der</strong><br />

hohen Verlustraten angedeutet werden kann. Nicht zuletzt spricht aber gerade das Engagement<br />

<strong>der</strong> deutschen Transportmannschaften, eine den Umständen entsprechend möglichst große<br />

Anzahl gefangener <strong>Herero</strong> heil in die Aufnahmelager zu bringen, gegen die These von <strong>der</strong><br />

»Vernichtung« von Eingeborenen.<br />

Kein geringerer als Oberst Deimling, welcher sich als General bereits 1918 <strong>der</strong> die<br />

Weimarer Republik verteidigenden Deutschen Demokratischen Partei (DDP) angeschlossen<br />

hatte, 1924 den <strong>der</strong> SPD nahestehenden K<strong>am</strong>pfverband Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold<br />

mitgestaltete und sich später zum Pazifismus bekannte, bestätigt, daß trotz <strong>der</strong> bestialischen<br />

Roheit, die die <strong>Herero</strong> den deutschen Gefangenen und Verwundeten gegenüber an den Tag<br />

gelegt hatten, insges<strong>am</strong>t Tausende <strong>Herero</strong> gefangengenommen und menschlich behandelt<br />

wurden: »Unschuldige, wehrlose Gefangene und Weiber sind stets human und mit größter<br />

Geduld behandelt worden; ich habe oft gesehen, wie unsre Leute ihr bißchen Wasser und ihr<br />

bißchen Kost mit den Gefangenen geteilt haben.« 19<br />

In <strong>der</strong> Primärliteratur stoßen wir immer wie<strong>der</strong> auf Belege, daß deutsche Soldaten<br />

gerade Kin<strong>der</strong>n gegenüber eine ausgeprägte menschliche Einstellung praktiziert hatten. So<br />

berichtet Hauptmann Bayer von einem eindrucksvollen Beispiel, das sich während <strong>der</strong><br />

Verfolgung <strong>der</strong> <strong>Herero</strong> ereignete und hier stellvertretend für die vielen artgleichen<br />

Verhaltensmaßnahmen stehen soll: »An einem Wasserloch saß ein etwa 4 Jahre altes<br />

<strong>Herero</strong>kind und sah uns mit weiten, erstaunten Augen an. Wir mußten hier einen Augenblick<br />

halten; unsere Schutztruppler umstanden das Baby neugierig und überlegten, wie man es vor<br />

dem sicheren Dursttode retten könne. Schließlich meinte einer, - es war ein Badener, ein<br />

Landsmann von mir -: ›Da müsse mer dem Kindle halt e Mutter suche.‹ Schnell liefen ein paar<br />

Reiter in die Büsche und brachten bald triumphierend und fröhlich lachend eine alte <strong>Herero</strong>frau<br />

an, ein verhutzeltes, verschrumpeltes Weibchen, dem sie das Kind auf den Schoß setzten. Dann<br />

holten sie eine Milchziege herbei, und ein Sachverständiger begann sie zu melken. Das schlappe<br />

Euter gab etwa einen Viertel Becher voll; den gaben sie dem Kinde. Sie banden <strong>der</strong> Ziege einen<br />

Strick um den Hals und steckten das Ende des Stricks dem <strong>Herero</strong>weib in die Hand. Es war ein<br />

hübscher Anblick: Die alte, über das ganze Gesicht lachende <strong>Herero</strong>frau, das Kind und die<br />

Milchziege; davor unsere Soldaten, die sich über das friedliche Bild freuten.« 20


Bei einer nüchternen Beurteilung des Aufrufs, und dies wollen wir im Sinne Humboldts<br />

ja tun, müssen nicht zuletzt v. Trothas Beweggründe für die Ausgabe dieses Befehls und seiner<br />

Wortwahl Berücksichtigung finden:<br />

• Tatsache ist, daß Anfang Oktober die Lage <strong>der</strong> deutschen Schutztruppe bedrohliche, ja<br />

geradezu katastrophale Ausmaße erreicht hatte: Seit <strong>der</strong> Schlacht <strong>am</strong> Waterberg nahmen<br />

durch eklatanten Nahrungs- und Wassermangel verursachte gefährliche Erkrankungen, wie<br />

z.B. Typhus, Ruhr, Herzmuskelschwäche, akute Magen- und Darminfektionen, unter den<br />

Angehörigen <strong>der</strong> Schutztruppe explosionsartig zu. 21 Darüber hinaus starben zu Hun<strong>der</strong>ten<br />

Pferde, Maultiere und Zugochsen, so daß man mit weiteren lebensbedrohlichen<br />

Transportengpässen konfrontiert wurde. Die so dringend benötigten Verpflegungstransporte<br />

blieben wegen Erschöpfung <strong>der</strong> Tiere oft tagelang liegen. Die direkte Folge war ein akuter<br />

Mangel an Nahrung, Wasser und Medik<strong>am</strong>enten. Dieser Notstand verursachte ein erneutes<br />

Ansteigen <strong>der</strong> Infektionsrate. 22 Am Ende büßten die deutschen Truppen mehr<br />

Menschenleben durch Krankheiten ein als durch Einwirkung des Feindes!<br />

• General von Trotha hatte mit dem Ausgang <strong>der</strong> Schlacht <strong>am</strong> Waterberg sein Kriegsziel nicht<br />

erreicht. Die Behauptung, daß <strong>der</strong> Aufruf als ein »Eingeständnis des Mißerfolges« und »als<br />

ohnmächtige Reaktion des deutschen Befehlshabers im Hinblick auf diese Lage angesehen<br />

werden« 23 könne, wird nicht völlig zu Unrecht gemacht. Tatsächlich entspricht <strong>der</strong><br />

pathetische Wortgebrauch des Aufrufes aber <strong>der</strong> Ausdrucksweise jener Tage. In <strong>der</strong><br />

sogenannten Hunnenrede 24 des Kaisers anläßlich <strong>der</strong> Verabschiedung des deutschen China-<br />

Korps <strong>am</strong> 27. Juli 1900 in Bremerhaven hieß es u.a.: »Eine große Aufgabe harrt eurer: ihr<br />

sollt das schwere Unrecht, das geschehen ist, sühnen. Die Chinesen haben das Völkerrecht<br />

umgeworfen, sie haben in einer in <strong>der</strong> Weltgeschichte nicht erhörten Weise <strong>der</strong> Heiligkeit<br />

des Gesandten, den Pflichten des Gastrechts Hohn gesprochen. [...] Ihr wißt es wohl, ihr<br />

sollt fechten gegen einen verschlagenen, tapferen, gut bewaffneten, graus<strong>am</strong>en Feind.<br />

Kommt ihr an ihn, so wißt: Pardon wird nicht gegeben. Gefangene werden nicht gemacht.<br />

Führt eure Waffen so, daß auf tausend Jahre hinaus kein Chinese mehr es wagt, einen<br />

Deutschen scheel anzusehen.«<br />

• Auch ist ein weiterer psychologischer Beweggrund, <strong>der</strong> zu dem Aufruf führte, nicht zu<br />

übersehen: Die <strong>Herero</strong> trugen nicht wie Kombattanten in Europa Uniformen, son<strong>der</strong>n traten<br />

im »Räuberzivil« auf. Man begegnete ihnen überall, im dichten Buschfeld ebenso wie auf<br />

Farmen, tagsüber und nachts - es war äußerlich nicht erkennbar, ob es sich um einen<br />

friedlichen Menschen handelte o<strong>der</strong> um einen Partisan. Es gab immer wie<strong>der</strong> Patrouillen,<br />

denen dieser Umstand zum tödlichen Verhängnis wurde. Folglich ist die Prokl<strong>am</strong>ation


Trothas auch in diesem Sinne als eine Art Schutz gegenüber <strong>der</strong> eigenen Truppe zu<br />

verstehen. 25<br />

Der deutsche Gymnasiallehrer für Geschichte, Gunter Spraul, hat die psychologischstigmatisierende<br />

Bedeutung <strong>der</strong> Wortwahl im Zus<strong>am</strong>menhang mit Trothas Prokl<strong>am</strong>ation<br />

durchaus richtig erkannt: »›Völkermord‹«, so Spraul, »gehört seit dem Zweiten Weltkrieg zu<br />

den Begriffen <strong>der</strong> deutschen historisch-politischen Sprache, die beson<strong>der</strong>e Emotionen und<br />

Assoziationen auslösen. Der Vorstellungsgehalt [in <strong>der</strong> BRD, Anm. d. Verf. C. N.] ist so sehr<br />

von den Praktiken des Nationalsozialismus bestimmt, daß je<strong>der</strong> Vergleich d<strong>am</strong>it in Konkurrenz<br />

o<strong>der</strong> in Kollision geraten muß. Generaloberst v. Schlieffen ›von Deutschland aus den<br />

Völkermord leiten‹ o<strong>der</strong> General von Trotha einen ›Genozidbefehl‹ erteilen zu lassen, führt<br />

zwangsläufig zur Annahme, es mit Schreibtischmör<strong>der</strong>n o<strong>der</strong> Mör<strong>der</strong>n ›an <strong>der</strong> Grube o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

R<strong>am</strong>pe‹ zu tun gehabt zu haben.« 26 D<strong>am</strong>it wird die Auseinan<strong>der</strong>setzung aber geschickt in eine<br />

bestimmte Ecke gezwängt, aus <strong>der</strong> heraus eine frei (im Sinne von sachlich und zwanglos) zu<br />

führende Diskussion nicht mehr möglich ist und von vornherein abgewürgt wird. So ist schon<br />

allein <strong>der</strong> Hinweis »relativierend«, daß vor 100 Jahren die Bedeutung des Wortes<br />

»Vernichtung« eine gänzlich an<strong>der</strong>e war als heute, wo er dem Begriff <strong>der</strong> Auslöschung o<strong>der</strong> <strong>der</strong><br />

Ausrottung gleichkommt. 27<br />

D<strong>am</strong>als verstand man unter »Vernichtung« die Ausschaltung, die Zerschlagung, die<br />

Neutralisierung des Feindes o<strong>der</strong> auch, als Eigenschaftswort gebraucht, dem Feind eine<br />

verheerende Nie<strong>der</strong>lage zu bereiten und zwar <strong>der</strong>gestalt, daß die Wi<strong>der</strong>standskraft des Feindes<br />

gebrochen wurde und sich dieser nicht mehr zu weiterem K<strong>am</strong>pf stellen konnte. In diesem<br />

Sinne kommentiert auch das Generalstabswerk die Flucht <strong>der</strong> <strong>Herero</strong> in das Sandfeld: »Wie die<br />

kommenden Ereignisse indessen lehren sollten, wurde gerade dieser fluchtartige Abzug <strong>der</strong><br />

<strong>Herero</strong>s nach Südosten in die zu dieser Zeit wasserlose Omaheke ihr Verhängnis, und die Natur<br />

ihres Landes sollte ihnen ein vernichten<strong>der</strong>es Schicksal bereiten, als es je die deutschen Waffen<br />

selbst durch eine noch so blutige und verlustreiche Schlacht hätten tun können.« 28<br />

Oftmals wird in <strong>der</strong> Beurteilung von Trothas Aufruf übersehen, daß er <strong>am</strong> 22. April<br />

1905 den Hottentotten gegenüber eine ganz ähnliche Erklärung erlassen hatte, aus <strong>der</strong> das<br />

bereits eingetroffene »vernichtende« Schicksal <strong>der</strong> <strong>Herero</strong> klar hervorgeht. Hier heißt es unter<br />

an<strong>der</strong>em.: »Ich frage Euch, wo ist heute das <strong>Volk</strong> <strong>der</strong> <strong>Herero</strong>, wo sind heute seine Häuptlinge?<br />

S<strong>am</strong>uel Maharero, <strong>der</strong> einst Tausende von Rin<strong>der</strong>n sein eigen nannte, ist, gehetzt wie ein wildes<br />

Tier, über die englische Grenze gelaufen; er ist so arm geworden wie <strong>der</strong> ärmste Feldherero und<br />

besitzt nichts mehr. Ebenso ist es den an<strong>der</strong>en Großleuten, von denen die meisten das Leben<br />

verloren haben, und dem ganzen <strong>Volk</strong> <strong>der</strong> <strong>Herero</strong> ergangen, das teils im Sandfeld verhungert<br />

und verdurstet, teils von deutschen Reitern getötet, teils von den Ov<strong>am</strong>bo gemordet ist. Nicht


an<strong>der</strong>s wird es dem <strong>Volk</strong> <strong>der</strong> Hottentotten ergehen, wenn es sich nicht freiwillig stellt und seine<br />

Waffen abgibt.« 29 Wir können deshalb Gert Sudholt in seinem Urteil folgen, wenn er feststellt:<br />

»Wenn in Trothas Operationsbefehl von ›vernichten‹ die Rede ist, so ist unzweifelhaft d<strong>am</strong>it die<br />

Brechung <strong>der</strong> militärischen Wi<strong>der</strong>standskraft <strong>der</strong> <strong>Herero</strong> gemeint. Aufnahmelager für 8.000<br />

Gefangene waren vorbereitet worden. Die Absicht war, den Gegner durch Gefangennahme<br />

seiner Krieger abzuschalten: das war ›Vernichtung‹ in <strong>der</strong> europäischen Generalstabssprache<br />

jener Zeit. Nach Moltkes Strategie wie in <strong>der</strong> Schlacht von Sedan 1870 (an diesem Krieg hatte<br />

Trotha teilgenommen) sollten die <strong>Herero</strong> besiegt werden.« 30<br />

Nichts an<strong>der</strong>es geht aus Trothas Strategie hervor: »Mein anfänglich gefaßter und immer<br />

festgehaltener Plan für die Operationen war <strong>der</strong>, die <strong>Herero</strong>masse, die <strong>am</strong> Waterberg saß, zu<br />

umkl<strong>am</strong>mern, und die Masse durch einen gleichzeitig geführten Schlag zu vernichten, dann<br />

einzelne Stationen zu bilden, um die abströmenden Teile zu suchen und zu entwaffnen, durch<br />

Preise auf die Köpfe <strong>der</strong> Capitäne diese später in meine Gewalt zu bringen, und zum Schluß mit<br />

dem Tod zu bestrafen.« 31 Die <strong>Herero</strong> sollten also nicht »ausgerottet«, son<strong>der</strong>n im Gegenteil,<br />

nach ihrer Entwaffnung gefangengenommen und befriedet werden. Die Vorsorge für die<br />

Aufnahme dieser Menschenmassen war bereits durch den Bau eines gewaltigen, aus Dornbusch<br />

und Stacheldraht gesicherten, für viele tausend Gefangene berechneten Kraals bei Okahandja<br />

getroffen worden. 32<br />

Wir können nach <strong>der</strong> oben angeführten Analyse zu keinem an<strong>der</strong>en Ergebnis kommen,<br />

als festzustellen, daß General Lothar v. Trothas »Aufruf an das <strong>Volk</strong> <strong>der</strong> <strong>Herero</strong>« vom 2.<br />

Oktober 1904 kein »Völkervernichtungsbefehl« war. Vielmehr handelte es sich um eine dem<br />

pathetischen Vokabular <strong>der</strong> Jahrhun<strong>der</strong>twende entsprechende psychologisch-propagandistische<br />

Erklärung eines sich <strong>der</strong> Notlage seiner eigenen Truppe bewußten verantwortungsvollen<br />

Offiziers, <strong>der</strong> sein eigentliches militärisches Ziel <strong>am</strong> Waterberg verfehlt hatte. Zu<br />

ungerechtfertigten Gewaltanwendungen, zu Exzessen en gros o<strong>der</strong> gar zu einem »Völkermord«<br />

ist es von deutscher Seite her nicht gekommen.<br />

Diese Grundsatzrede von Dr. Claus Nordbruch basiert auf dessen im Januar 2002 erscheinenden<br />

Bildband Der <strong>Herero</strong>krieg, <strong>der</strong> auf Wunsch mit Widmung direkt beim Autor bestellt werden<br />

kann: geistesfreiheit@hotmail.com<br />

1<br />

Die Welt v. 8. Sep. 2001.<br />

2<br />

Maximilian Bayer: Mit dem Hauptquartier in Südwestafrika. 2. Aufl. - Leipzig: Sp<strong>am</strong>er 1909, S. 2.<br />

3<br />

Peter Rossa: Aus Hauptmann Frankes Zug. - in: Friedrich von Dincklage-C<strong>am</strong>pe: Deutsche Reiter in Südwest. -<br />

Berlin: Deutsches Verlagshaus [ca. 1907], S. 103.


4 Helene von Falkenhausen: Ansiedlerschicksale. Elf Jahre in Deutsch-Südwestafrika 1893-1904. 3. Aufl. - Berlin:<br />

Reimer 1906, S. 66.<br />

5 Berthold von Deimling: Südwestafrika. Land und Leute - Unsere Kämpfe - Wert <strong>der</strong> Kolonie. - Berlin:<br />

Eisenschmidt 1906, S. 22. Selbst in seinen 1930 erschienenen Lebenserinnerungen findet sich das gleiche Zitat.<br />

Nachfragen bei alten Südwestern haben ergeben, daß die Bezeichnung »Tiger« offensichtlich gedankenlos aus dem<br />

Afrikaansen übersetzt bzw. übernommen worden ist. Dort bedeutet das phonetisch fast gleichlautende Wort »tier«<br />

Leopard.<br />

6 Anonym (Von einem Offizier <strong>der</strong> Schutztruppe): Meine Kriegs-Erlebnisse in Deutsch-Süd-West-Afrika. 140. Tsd.<br />

- Minden: Köhler 1907, S. 87, 98 und 91.<br />

7 Vgl. Brigitte Lau: Uncertain certainities: The <strong>Herero</strong>-German war of 1904. - in: MIBAGUS. Journal of Free<br />

Thought and Culture, No 2, Apr. 1989, S. 5.<br />

8 Horst Drechsler: Südwestafrika unter deutscher Kolonialherrschaft. 2. Aufl. - Berlin: Akademie 1985, S. 14.<br />

9 Wolfgang Mayer (u.a.): Schwarz-Weiß-Rot in Afrika. Die deutschen Kolonien 1883-1918. - Puchheim: Idea 1985,<br />

S. 183.<br />

10 Yves Ternon: Der verbrecherische Staat. Völkermord im 20. Jahrhun<strong>der</strong>t. – H<strong>am</strong>burg: H<strong>am</strong>burger Edition 1996,<br />

S. 257.<br />

Daß Trotha die Prokl<strong>am</strong>ation bereits <strong>am</strong> 12.12.1904 auf Drängen des Reichskanzlers und auf Veranlassung des<br />

Kaisers zurücknehmen mußte, bestätigt mitnichten »den völkerrechtswidrigen Tenor« <strong>der</strong> Erklärung, wie man<br />

vielleicht voreilig annehmen könnte. Man war in den höchsten Kreisen <strong>der</strong> Regierung nicht etwa »zur Einsicht«<br />

gekommen und teilte nun plötzlich die in einflußreichen Medien propagierte Auffassung von dem<br />

»menschenrechtsverletzenden Charakter« des Aufrufs. Die Rücknahme des Aufrufs deutet auf nicht weniger hin,<br />

daß man auch d<strong>am</strong>als schon an den Schalthebeln <strong>der</strong> Politik kein Rückgrat besessen hatte, um einer<br />

veröffentlichten Meinung standhalten zu können o<strong>der</strong> aber arroganterweise glaubte, Geschehnisse aus einer<br />

Entfernung von 10.000 km besser beurteilen zu können als die direkt im Geschehen Stehenden.<br />

11 Olga Levinson: Aus <strong>der</strong> Geschichte Südwestafrikas. - in: ALLGEMEINE ZEITUNG v. 21.7.1961, S. 4.<br />

12 Olga Levinson: Der Wahrheit die Ehre. - in: ALLGEMEINE ZEITUNG v. 2.8.1961, S. 4.<br />

13 Karla Poewe: The N<strong>am</strong>ibian <strong>Herero</strong>. A history of their psychosocial disintegration and survival. -<br />

Lewiston/Queenston: Edwin Mellen 1985, S. 65.<br />

14 Zitiert nach Walter Rahn: Sanitätsdienst <strong>der</strong> Schutztruppe für Südwestafrika während <strong>der</strong> Aufstände 1904-1907<br />

und <strong>der</strong> Kalahari-Expedition 1908, op. cit., S. 83. Unterschiedlich dazu Gerhard Pool: S<strong>am</strong>uel Maharero, op. cit.,<br />

S. 293.<br />

15 Zentrales Staatsarchiv Potsd<strong>am</strong>. Bestand: RKA, Nr. 2089, Bl. 7. Zitiert nach Gunter Spraul: Der “Völkermord”<br />

an den <strong>Herero</strong>. - in: GESCHICHTE IN WISSENSCHAFT UND UNTERRICHT, H 39/1988, S. 728f.<br />

16 Horst Drechsler: Aufstände in Südwestafrika, op. cit., S. 81.<br />

17 Gerd Bedszent: Terror und Enteignung. - in: JUNGE WELT v. 13.03.1998.<br />

18 Paul Harrland: Zwei Wochen aus dem Tagebuche eines Gefreiten bei <strong>der</strong> Kolonne. - in: Deutsche Reiter, S.<br />

288ff.<br />

19 Berthold von Deimling: Südwestafrika, op. cit., S. 13. Vgl. auch Berthold von Deimling: Aus <strong>der</strong> alten in die<br />

neue Zeit. Lebenserinnerungen. - Berlin: Ullstein 1930, S. 69.<br />

20 Maximilian Bayer: Mit dem Hauptquartier in Südwestafrika, op. cit., S. 164.<br />

21 In <strong>der</strong> DEUTSCH-SÜDWESTAFRIKANISCHEN ZEITUNG vom 6.7.1904, also noch lange vor <strong>der</strong> Schlacht <strong>am</strong><br />

Waterberg, war bereits zu lesen, daß die <strong>am</strong> Waterberg sitzenden <strong>Herero</strong> sehr unter ansteckenden Krankheiten<br />

litten. Die deutschen Ärzte befürchteten ein Übergreifen <strong>der</strong> Epidemien auf die deutschen Truppe. Es mußte »von<br />

sanitärer Seite alles nur mögliche geschehen, um <strong>der</strong> in heftigem Masse um sich greifenden Seuche nach Kräften<br />

Einhalt zu tun. Doch liegt es an den äusserst ungünstigen Wasserverhältnissen, dass dies bisher nur bis zu einem<br />

gewissen Grade erreicht ist.«<br />

22 Bereits im November 1904 waren nicht weniger als 302 Soldaten durch Krankheit k<strong>am</strong>pf- und einsatzunfähig.<br />

Dieser fürchterliche Zustand konnte unter den dargelegten Umständen nicht innerhalb weniger Tage o<strong>der</strong> Wochen<br />

behoben werden. Um sich das katastrophale Ausmaß vorstellen zu können, muß man sich vor Augen halten, daß<br />

<strong>am</strong> Ende des Krieges mehr deutsche Soldaten an Krankheiten gestorben als während <strong>der</strong> Kämpfe gefallen waren!<br />

23 Johannes C. Seybold: Der <strong>Herero</strong>krieg in Deutsch-Südwestafrika. - Maschinenschriftliche Magisterarbeit an <strong>der</strong><br />

Universität Wien 1991, S. 101.<br />

24 Wie sich einst die Hunnen unter König Etzel einen N<strong>am</strong>en gemacht hätten, <strong>der</strong> sie heute noch gewaltig<br />

erscheinen ließe, so sollten nach Auffassung Wilhelm II. auch die deutschen Soldaten in China <strong>der</strong> Geschichte<br />

einen ewig währenden Stempel einbrennen.<br />

Einen entgegengesetzten Interpretationsansatz versucht Heinrich Wendig: Er meint mit Hinweis auf Walter Krämer<br />

& Götz Trenkler: Das neue Lexikon <strong>der</strong> populären Irrtümer. 555 weitere Vorurteile, Mißverständnisse und<br />

Denkfehler. - Frankfurt/M: Eichborn 1998, daß »Wilhelm seine Soldaten vor den Boxern warnen wollte und daß<br />

diese, nicht die Deutschen, als Pardon-Verweigerer betrachtet werden müssen.« (Heinrich Wendig: Kaiser Wilhelm<br />

II. falsch zitiert. - in: RICHTIGSTELLUNGEN ZUR ZEITGESCHICHTE, Heft 13/2000, S. 7.)<br />

25 Vgl. Gert Sudholt: Die deutsche Eingeborenenpolitik in Südwestafrika. – Hildesheim: Olms 1975, S. 189.


26 Gunter Spraul: Der »Völkermord« an den <strong>Herero</strong>, op. cit., S. 726.<br />

27 Befehle zur »Vernichtung« des Feindes waren zur d<strong>am</strong>aligen Zeit nichts ungewöhnliches - auch nicht in <strong>der</strong><br />

Geschichte <strong>der</strong> <strong>Herero</strong>: Als 1880 die Hottentotten dem alten Oberhäuptling Maharero 1500 Ochsen stahlen, die<br />

bereits für seine eigene Beisetzung ausgesucht worden waren, ordnete <strong>der</strong> oberste <strong>Herero</strong> »die rücksichtslose<br />

Ausrottung aller Oorl<strong>am</strong> und N<strong>am</strong>a in Okahandja und an<strong>der</strong>en <strong>Herero</strong>gebieten« an. Dieser Befehl führte zu einer<br />

Welle exzessiver Gewalt, die schließlich in einen zehnjährigen Krieg mit den N<strong>am</strong>a unter Jan Jonker ausarten<br />

sollte.<br />

Auch die von Trotha angewandte Methode, den Feind des Landes zu verweisen (zu vertreiben), war nichts<br />

Außergewöhnliches: Nur drei, vier Jahre zuvor wurden während des Burenkrieges - mit Billigung des englischen<br />

Parl<strong>am</strong>ents! - Tausende burischer Frauen und Kin<strong>der</strong> verbannt o<strong>der</strong> in Konzentrationslager zus<strong>am</strong>mengetrieben.<br />

Und dies nachdem <strong>der</strong> konventionelle Krieg für die Briten bereits gewonnen war. (Vgl. Claus Nordbruch: Die<br />

Europäischen Freiwilligen im Anglo-Burenkrieg 1899-1902, op. cit., S. 66f.)<br />

28 Generalstabswerk, S. 189.<br />

29 Zitiert nach Otto von Weber: Geschichte des Schutzgebietes Deutsch-Südwest-Afrika, 2. Aufl. – Windhuk:<br />

S.W.A. Wissenschaftliochen Gesellschaft 1979 , S. 161.<br />

30 Gert Sudholt: Die deutsche Eingeborenenpolitik in Südwestafrika, op. cit., S. 184.<br />

Zu <strong>der</strong> gleichen Erkenntnis kommt auch Karla Poewe: »The use of the word ›vernichten‹ which unknowledgeable<br />

people translate as extermination, in fact, meant, in the usage of the times, breaking of military, national, or<br />

economic resistance.« (Karla Poewe: The N<strong>am</strong>ibian <strong>Herero</strong>, op. cit., S. 60.)<br />

31 Abschrift aus Trothas Tagebuch zitiert nach Gerhard Pool: S<strong>am</strong>uel Maharero, op. cit., S. 268.<br />

32 Vgl. Paul Rohrbach: Aus Südwest-Afrikas schweren Tagen, op. cit., S. 167.<br />

(In seinem Buch Deutsche Kolonialwirtschaft schreibt Rohrbach auf Seite 342, daß das Lager »Raum für die<br />

Unterbringung von 8.000 Mann bot«.)

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