Aspekte der Mehrkomponententechnik - Provvido
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ISSN: 1863-4699
Im Fokus: Klebstoffe
Dynamische
Entwicklung 14
Automotive Chemie
Langlebigkeit und
Wirtschaftlichkeit 16
Standzeit erhöht,
Problemstellen beseitigt 24
TRIALOG DER DICHTUNGS- UND KLEBETECHNIK 04-2010 | € 8,50
22 | AUTOMOTIVE
Einfache Rechnung
Aspekte der Mehrkomponententechnik »1 Zylinderabdeckung
BE- UND VERARBEITUNG – Die Mehrkomponententechnik
setzt seit vielen Jahren
immer wieder neue Impulse in der Verarbeitung
von Kunststoffen. Höherwertige
Teile, Funktionsintegration und Stückkostensenkung
sind die Schlagworte, die die
Technik immer wieder neu beflügeln. Wertschöpfung
ist das zentrale Thema dieser
Technik.
An den Hochpreisstandorten Europas mit ho -
hen Qualitätsansprüchen bietet die Mehrkomponententechnik
(MK) zahlreiche Antworten
in punkto Kundenorientierung und
für die Herausforderungen der Zukunft. Im
Fokus stehen dazu drei Ansatzpunkte für
die Verantwortlichen in der Produktion: Praxisgerechte
Werkzeugtechnik, hochwertige
und flexible Maschinentechnik und sinnvolle
Verfahrens- und Materialkombinationen.
Praxisgerechte Werkzeugtechnik
Der europäische Werkzeugbau macht große
Fortschritte bei seinen Angeboten für die
MK-Praxis. Werkzeugpioniere und -experten
der Mehrkomponententechnik vernetzen
zunehmend Wissen von Verfahrensoptionen,
Materialkombinationen und Methoden
der Werkzeugkonstruktion. Ziel ist es praxisgerechte
Formen anzubieten, die hinsichtlich
Verfügbarkeit, Stückkosten und funktionaler
Wertigkeit, klassischen 1K-Werkzeugen überlegen
sind. Für den Verarbeiter ein wichtiger
Impuls zur Wertschöpfung und Wettbewerbsabgrenzung.
Zum Einsatz kommen klassische Drehwerkzeuge
mit Stationentaktung, Würfelwerkzeuge
(Wendeplattentechnik), Indexplattenwerkzeuge
oder Mehrstationenanlagen, um einige
zu nennen. Das Verfahren bedingt die Vorreiterrolle
der Werkzeugtechnik. Bei der
Wahl des Partners aus dem Werkzeugbau
lohnt sich ein Blick in die Referenzlisten des
Unternehmens. Bedingt durch die Komplexität
bis Serienanlauf muss der Werkzeugpartner
verstehen, was die Produktion genau
vom Teil erwartet. Das Stichwort ist hier
Stückkostendegression. Bei neuen Teilen
04 | 2010
lohnt sich die Kalkulation von klassischen
1K-Teilen plus Montagen versus automatisierten
2K-Teilen. Fast immer hat die Mehrkomponenten-Strategie
trotz Investition in
Werkzeuge, Maschinen und Wissen Vorteile:
Günstigere Stückkosten, verbesserte
Medienbeständigkeit und Funktionalität.
Hochwertige und flexible Maschinentechnik
Die für den Einsatz gewählte Werkzeugtechnik
stellt spezifische Anforderungen an die
Maschinentechnik:
aggregaten in Parallel- oder Winkelstellung
(auch als Beistellaggregate)
einheit
und seitlich stehenden Spritzeinheiten
ren
Spritzaggregaten, die es ermöglichen,
die einzelnen Komponenten nacheinander,
ineinander oder intermittierend einzuspritzen
schinen.
Horizontalmaschinen haben dabei die größte
Marktbedeutung, aber auch Maschinen
mit einer Düse und mehreren Aggregaten
haben zunehmend Gewicht. Die anderen
Maschinen bieten sich für Sonderanwendungen
an (z.B. Mehrfarbentechnik). Jedes
Teil stellt bestimmte Anforderungen an die
zum Einsatz kommende Technik von Werkzeug
und Maschine: Die Vielfalt der möglichen
Lösungen verdeutlichen wir daher
exemplarisch an konkreten Anwendungen.
Praxisbeispiel 1: Zylinderabdeckung
Aufgabenstellung war es für eine Zylinderabdeckung
im Motorraum eine hohe Temperaturbeständigkeit
(< 225 ºC) sicher zu
stellen »1. Die Wahl fiel auf ein Polyamid PA
6.6. mit 50% GF von DuPont für den Grundkörper
(Hauptkomponente, Gewicht 220 g).
Für die Dichtfunktion wurde ein Hochleistungs-Kautschuk
Vamac Aum als Anspritzkomponente
bestimmt. Das 3-Takt-Drehwerkzeug
wurde über eine konventionelle
Spritzgießmaschinen Billion 150T angespritzt
(Hauptkomponente) und vertikal auf der
Maschine eine Gummispritzeinheit von REP
International installiert. Die vollständige Integration
in die Maschinensteuerung erlaubt
die erforderliche Überwachung und
Steuerung des Prozesses. Die Zykluszeit für
dieses Teil liegt bei unter 60 s. Das dreistufige
Drehwerkzeug ermöglicht diese kurze
Zykluszeit durch effektive und konturnahe
Wärmeableitung der Einspritzvolumen in
der Kavität.
Praxisbeispiel 2: Lüfterklappe
»2 Gummiabdichtung
an einer Lüfterklappe
Für dieses 50 g schwere Teil (Lüfterklappe
der automobilen Innenraumbelüftung) ergab
sich ein PA 6.6. mit 30% GF ergänzt
durch eine Gummiabdichtung an der Aussenkontur
»2. Die eingesetzte Maschinentechnik
ist eine elektrische Select H150/260
– 150T (1.500kN) »3, bei der das Spritzaggregat
für die Gummikomponente klassisch
auf dem Aggregat für die Hauptkomponente
in Huckepack-Stellung sitzt. Eingespritzt
wird sequenziell über eine Düse. Die Plastifiziereinheit
für das Gummi ist eine spezielle
Entwicklung von Billion, welches schonen-
de Materialhomogenisierung bei hohen
Temperaturen in kürzeren Zyklen ermöglicht.
Konstruktiv zeichnet die Plastifiziereinheit
eine 3-Zonen-Schnecke mit Rückstromsperre
aus, bei sehr niedriger Kom -
pression und niedriger Scherung des Materials.
Die Anordnung der Heizbänder erlaubt
eine sehr kontrollierte Temperierung
beim Aufschmelzen.
Praxisbeispiel 3: Flüssiges Silikon LSR
Für LSR-Anwendungen (Hochtemperatur
bis 170 ºC) kommen Sonderkomponenten
zum Einsatz: Hydraulische 2K-Beschickung,
pneumatische Nadel-Verschlussdüse, ein
besonderes LSR-Schneckenspitzendesign
und eine LSR-Förderschnecke. Die Förderschnecke
ist wie folgt zu charakterisieren:
Kein Druck oder keine Schubspannung,
ein L/D-Verhältnis 17 und ein hinterer Verschluss.
Die Zylinderkühlung wird von 5 bis
30 ºC kontrolliert.
Verfahrens- und Materialkombinationen
Für die kundenorientierte Anwendungstechnik
stehen sinnvolle Materialkombinationen,
die auf Erfahrung der Fertigung basieren
und das Know-how der Rohstoffindustrie
nutzen, im Zentrum der Beratung. Prozesstauglichkeit,
Verträglichkeit und Adhäsion
der Materialien sind zwingend für eine praxisgerechte
und kostenvorteilige Lösung. Je
nach Anforderungen an das Teil sind vier
Paarungen der Ausgangspunkt der Suche
im Detail:
oder TPE)
Compound = Faser-Matrix-Werkstoff – oft
auf Polyesterharzbasis)
Die Fähigkeit des Maschinenbauers diese
Möglichkeiten aus dem Baukasten zu bedienen
oder sogar Maschinen, die flexibel
umrüstbar sind, ergeben die wesentlichen
Kriterien zur Beurteilung des Maschinenlieferanten.
Dabei ist klar, Maschinenlösungen
umfassend, praxistauglich und kompetent
in der Überspritztechnik, der Multi-Einspritztechnik
oder der Sandwich-Technik anbieten
zu können.
Billion bietet hier einige Optionen durch
Wahl der spezifischen Aggregate oder auch
Schnecken, schnell von einer Paarung auf
eine andere umzuschalten. So kann eine
Maschine mit den gleichen Antrieben durch
unkomplizierten Tausch der oberen Plastifizierung
für ganz andere Anwendungen wei-
ter genutzt werden. Nur so wird die mögliche
Flexibilität in der Fertigung in ein positives
Betriebsergebnis umgesetzt.
Potenziale bei der Energieeffizienz
Der Paradigmenwechsel im Übergang von
hydraulischer Maschinentechnik auf elektrische
Maschinentechnik geht auch an der
Mehrkomponententechnik nicht spurlos
vorbei. Im Gegenteil, bei der Neuinvestition
sollte sehr genau kalkuliert werden, ob der
Verarbeiter nicht besser auf die elektrische
Karte setzt. Dazu sollte man sich ein paar
Relationen im Energieverbrauch vergegenwärtigen:
Ein moderner Wäschetrockner
verbraucht ca. 4.490 W, ein Haartrockner
ca. 2.300 W – eine 500 kN Spritzgießmaschine
dagegen (Select H80-50T) rund
1.040 W. Der Grund für die vergleichsweise
niedrige Energieaufnahme liegt in den Antrieben,
die sehr schonend mit der Energie
umgehen, denn die E-Motoren verbrauchen
nur während der Bewegung Energie.
Der Stromverbrauch gegenüber einer hydraulischen
Lösung sinkt – je nach Anwendung
zwischen 30 und 70%. Zudem sind
keine Ölfilter zu wechseln, es gibt kein Ölmanagement
und keinen Wasserverbrauch
für die Ölkühlung. Auch haben die Maschinen
einen geringerer Geräuschpegel von
< 65 dB. Präzisionsverhalten und Prozesssicherheit
des klassischen Kniehebels in
der Krafteinleitung oder auch Leistungsreserven
in der Düsenanpresskraft sorgen für
weniger Ausschuss und bessere Qualitäten.
Die Bandbreite der Select-Baureihe von
500 bis 6.000 kN deckt ohnehin die mit
dem elektrischen Konzept erreichbaren Anwendungen
vollständig ab.
Kosten im Vergleich
Bezogen auf eine vergleichbare hydrauli sche
Maschine Hercule H470-140T (1.400 kN)
gegen eine elektrische Select H470-125T
ergeben sich beim Kauf rund 18% Mehrkosten
für die elektrische Maschine selbst.
Auch bei den Maschinen-Fixkosten (Verzinsung,
Abschreibung, Stellflächenmiete) ist
mit rd. 15% höheren Kosten pro Jahr zur
rechnen. Bei der Betrachtung der Energiekosten
stehen bei der hydraulischen Maschine
16.130 €/a, 6.594 €/a bei der
elek trischen Maschinen gegenüber – eine
Einsparung von knapp 60%. Veranschlagt
man noch Maschinenkühlungsaufwand,
Wartung und Instandhaltung so landet
man bei Maschinenkosten pro Stunde von
8,20 €/h (hydraulisch) gegenüber 6,66 €/h
(elektrisch). Das Einsparpotenzial dieser
elektrischen Maschine liegt bei rund
8.417 €/a.
»3 Elektrische Systeme
wie die Select H150/260 –
150T bieten gegenüber
hydraulischen Systemen
deutliche Kostenvorteile
AUTOMOTIVE | 23
Diese Effekte sollen an einer konkreten
Mehrkomponentenanwendung verdeut -
licht werden: Das Vergleichsteil ist ein 2K-
Food-Container-Deckel mit zwei Kavitäten.
Das Gewicht der Hauptkomponente liegt
bei 40,8 g und 10,8 g für die Anspritzung
(Brutto 51,6 g), bei einer Zykluszeit von
12 s. Betrachtet man den Energieeffizienzkoeffizienten
für das verarbeitete kg Kunststoff,
so verbraucht die hydraulische Maschine
1,47 kWh/kg, die elektrische Select
0,54 kWh/kg. Dies entspricht einer Stromeinsparung
von 63,3%. Bei angesetzten
5.400 Betriebsstunden p.a. und einem
Energiepreis von 0,092 €/kW) entspricht
dies 7.449 € pro Jahr. Der Vergleich lohnt
sich wirklich.
FAKTEN FÜR KONSTRUKTEURE
Funktionsintegration und Mehrfarbendesign
FAKTEN FÜR EINKÄUFER
sich im Vergleich zu hydraulischen
rd. 60% der Betriebskosten sparen.
Somit amortisieren sich diese
Systeme trotz höherer Anschaffungskosten
schneller
FAKTEN FÜR QUALITÄTSMANAGER
höhere Prozesssicherheit sowie
Leistungsreserven in der Düsenanpresskraft
sorgen bei elektrischen
Systemen für weniger Ausschuss
und bessere Qualitäten
Billion Kunststofftechnik GmbH
www.billion-kunststtechnik.de
von Dipl.-Ing. (FH) Jörg Wittgrebe,
Geschäftsführer
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