Reverse-Tailoring – Ein Verfahren zur Projektplanung und ...
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Christian Roth: <strong>Reverse</strong>-<strong>Tailoring</strong>- <strong>Ein</strong> <strong>Verfahren</strong> <strong>zur</strong> <strong>Projektplanung</strong> <strong>und</strong> Aufwandschätzung Seite 3<br />
Erschienen im Objektspektrum 02/2012 www.sv-gutachten.de<br />
Der gesamte Projektaufwand lässt sich also erst ermitteln, wenn man neben den über die<br />
Features bestimmten Release-Aufwänden auch alle weiteren Aufwandspositionen in den<br />
Release-Rahmen <strong>und</strong> dem Gesamtprojekt-Rahmen kennt.<br />
Die genannten „Rahmen“, das „Drumherum“, werden über die nachfolgend erläuterten<br />
Projektvorgehensweisen bestimmt. Entscheidend ist zunächst, dass eine tragfähige Aufwandschätzung<br />
ohne Berücksichtigung der Projektvorgehensweisen nicht zu Stande<br />
kommt bzw. dass die Betrachtung allein der fachlichen Release-Aufwände zu kurz greift.<br />
Auch, wenn die über die Fachfunktionen hinausgehenden Anforderungen vereinzelt im<br />
Vertrag oder im Anforderungsdokument vorkommen, eine Gewähr für die notwendig vollständige<br />
Erfassung aller Projektanforderungen bietet das ebenso wenig, wie sich eigene,<br />
unternehmensinterne Vorgehenspraktiken dabei einbeziehen lassen. Hierzu bedarf es einer<br />
systematischen Herangehensweise.<br />
Diese gewinnt zusätzlichen Wert über die Aufwandschätzung hinaus auch dadurch, als<br />
dass ein der Aufwandschätzung zu Gr<strong>und</strong>e gelegtes, definiertes <strong>und</strong> adäquates Projektvorgehen<br />
natürlich auch die Gr<strong>und</strong>lage für die spätere Projektsteuerung bildet, der insbesondere<br />
in agilen Projekten ein hoher Stellenwert zukommt. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> wäre<br />
es geradezu sträflich, mit pauschalen Zuschlägen beim Aufwand zu arbeiten oder notwendige<br />
Projektschritte einfach auszublenden.<br />
<strong>Projektplanung</strong> <strong>–</strong> wie man es nicht machen sollte<br />
Trotz aller berechtigter Begeisterung über Scrum [4] <strong>und</strong> ähnlicher Agiler Vorgehensweisen<br />
ersetzt Agilität als primär Zusammenarbeits-Paradigma kein Vorgehensmodell <strong>–</strong> die<br />
Hoffnung, über Agilität allein zu einer Systematik des Projektvorgehens zu finden, ist deswegen<br />
unberechtigt. Geeigneter erscheinen da schon die gängigen Vorgehensmodelle.<br />
Diesen ist i.d.R. auch gemein, dass sie sich über das sog. „<strong>Tailoring</strong>“ an konkrete Projekterfordernisse<br />
anpassen lassen <strong>–</strong> ist das nicht genau die Systematik, nach der wir suchen?<br />
Fast, wenn da nicht der berühmte „Teufel im Detail“ stecken würde. Betrachten wir <strong>zur</strong><br />
Erläuterung beispielhaft das V-Modell XT [3]. Es berücksichtigt moderne Projektkonzepte<br />
wie Komponentenorientierung, Standardsoftware-Integration <strong>und</strong> sogar Agilität, es differenziert<br />
verschiedene Projektszenarien für das <strong>Tailoring</strong> <strong>und</strong> es bietet sogar eine Werkzeugunterstützung<br />
dafür an.<br />
Haben Sie das schon einmal für ein konkretes Projekt ausprobiert? Sie nehmen sich die<br />
gut 800 Seiten V-Modell, müssen sich, jedenfalls dann, wenn Sie nicht gerade jede Woche<br />
damit arbeiten, zuerst einarbeiten, „tailoren“ danach auf Ihre Anforderungen <strong>und</strong> sind das<br />
erste Mal erstaunt: Aus den 800 ursprünglichen Seiten sind um die 500 geworden. Das<br />
macht die Sache besser, aber nicht gut, denn zum zweiten Mal sind sie erstaunt festzustellen,<br />
dass viele Spezifika Ihrer Projektsituation trotz <strong>Tailoring</strong>s leider noch nicht in Ihrem<br />
Modell enthalten sind. Und so kommt „das dicke Ende“ zum Schluss: Der Versuch, in 500<br />
Seiten getailortem Modell eigene Projektspezifika unter zu bringen, endet spätestens nach<br />
zwei bis drei Tagen mehr oder weniger ergebnislos <strong>–</strong> dann nämlich werden Sie gefragt,<br />
warum das alles so lange dauert <strong>und</strong> so kompliziert ist.<br />
Trösten Sie sich, Sie nicht allein <strong>und</strong> eine Antwort auf das „so lange“ <strong>und</strong> „so kompliziert“<br />
können Sie jetzt auch geben: Das V-Modell <strong>Tailoring</strong> ist für die Praxis in dieser Form<br />
schlicht nicht geeignet! Dabei bezieht sich die Kritik nicht allein auf den <strong>Tailoring</strong>-