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Das Magazin der GEMA · Ausgabe April 2009 - heller & partner

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wEr Ist hIEr dEr dIEb?<br />

Hip-Hop, House, druM’n’base – saMpling ist für viele MusikricHtungen<br />

stilbildend. docH Wo Werden die grenzen <strong>der</strong> legalität überscHritten?<br />

30<br />

DteXt: BIRGIT DOLL<br />

a blätterte ein wenig <strong>der</strong> Lack vom Idol ab: Britpopper<br />

Ausgerechnet das Gitarrenriff aus „Still Got the<br />

Blues“, einem <strong>der</strong> größten Ohrwürmer <strong>der</strong> Neunziger,<br />

sollte schlichtweg geklaut sein. Diese Auffassung<br />

vertrat zumindest das Landgericht München I<br />

und entschied damit einen jahrelangen Rechtsstreit<br />

zwischen „Still Got the Blues“-Interpret Gary Moore<br />

und dem deutschen Komponisten und Musiker<br />

Jürgen Winter. Dabei gilt Moore als lebende Musiklegende,<br />

selbst Russlands Präsident Medwedjew soll<br />

auf einem seiner Konzerte begeistert Luftgitarre<br />

gespielt haben.<br />

Was war passiert? Jürgen Winter zog im Jahre<br />

2000 vor Gericht: <strong>Das</strong> Solo aus „Still got the Blues“<br />

habe er schon 1974 für sein Lied „Nordrach“<br />

geschrieben – also ganze 16 Jahre vor <strong>der</strong> Veröffentlichung<br />

von „Still got the Blues“. Damit unterstellte<br />

er Gary Moore ein sensationelles<br />

Gedächtnis: „Nordrach“ war we<strong>der</strong> auf<br />

Schallplatte noch auf einem an<strong>der</strong>en<br />

Tonträger jemals zu hören, lediglich auf<br />

diversen Live-Konzerten und wohl im<br />

Radio. Prompt gab Moore an, „Nordrach“<br />

auch gar nicht zu kennen. Doch das Gericht<br />

entschied im Sinne des Klägers, dass die<br />

Übereinstimmungen zwischen beiden Stücken<br />

einfach zu groß seien.<br />

iM trend: die „geborgte“ idee<br />

Kein Einzelfall – immer wie<strong>der</strong> sehen sich<br />

selbst bekannte Bands und Urheber mit Plagiatsvorwürfen<br />

konfrontiert. So mussten sich die<br />

von Coldplay im Dezember 2008 gegen<br />

die Anschuldigung des US-Gitarristen Joe Satriani<br />

zur Wehr setzen, sich in ihrem Lied „Viva la Vida“<br />

zu sehr von Satrianis „If I Could Fly“ inspiriert<br />

haben zu lassen. Auch R’n’B-Star Rihanna sah sich<br />

unlängst Plagiatsvorwürfen wegen eines Michael-<br />

Jackson-Songs ausgesetzt.<br />

Den eigenen Kreativ-Prozess mit fremden Vorlagen<br />

in Schwung zu bringen, ist allerdings kein<br />

neues Phänomen. Auch früher wurde schon geklaut,<br />

was das Zeug hielt, wie ein Blick in die<br />

Geschichte zeigt: So empörte sich <strong>der</strong> römische<br />

Dichter Martial, dass ein Poeten-Kollege seine Epigramme<br />

als die eigenen ausgegeben habe. Da die<br />

Gedichte für ihn wie „freigelassene Sklaven“ seien,<br />

könne man den Dieb als „Menschenräuber“<br />

bezeichnen, lateinisch „Plagiarius“ – die Geburtsstunde<br />

des Plagiats.<br />

Nach dem deutschen Urheberrechtsgesetz<br />

(UrhG) können durch das „Sampling“ verschiedene<br />

Rechte berührt sein: Zum einen urheberrechtliche<br />

Nutzungsrechte von Komponisten und Textdichtern,<br />

zum an<strong>der</strong>en die sogenannten Leistungsschutzrechte<br />

an <strong>der</strong> Tonaufnahme. Inhaber von<br />

Leistungsschutzrechten sind ausübende Künstler,<br />

die bei <strong>der</strong> Aufnahme mitgewirkt haben, und<br />

Tonträgerhersteller, die bei <strong>der</strong> Herstellung <strong>der</strong><br />

Tonaufnahme die wirtschaftliche, organisatorische<br />

und technische Leistung erbringen. Von diesen<br />

Rechteinhabern muss vor <strong>der</strong> Veröffentlichung und<br />

<strong>der</strong> Verwertung eines Musikwerks, das Samples<br />

enthält, eine Erlaubnis eingeholt werden.<br />

langer Weg zuM legalen<br />

„saMpling“<br />

Wer in seinen eigenen Werken Samples verwenden<br />

möchte, muss im Normalfall mehrere<br />

Wege beschreiten: Sofern <strong>der</strong> Urheber des genutzten<br />

Musikwerks ein <strong>GEMA</strong>-Mitglied ist,<br />

nimmt die <strong>GEMA</strong> für diesen das beim Sampling<br />

berührte mechanische Vervielfältigungsrecht wahr.<br />

Der Nutzer muss daher bei <strong>der</strong> <strong>GEMA</strong> eine Erlaubnis<br />

zur Nutzung des mechanischen Vervielfältigungsrechts<br />

einholen. Zudem kann beim Sampling auch<br />

das sogenannte Bearbeitungsrecht des Urhebers<br />

berührt sein. Dieses nimmt <strong>der</strong> Urheber grundsätzlich<br />

selbst wahr, das heißt <strong>der</strong> Nutzer muss<br />

auch bei diesem o<strong>der</strong> dessen Verlag eine Erlaubnis<br />

einholen, bevor er das neu geschaffene Musikwerk<br />

veröffentlicht und verwertet. Schließlich ist für<br />

die Verwendung von Teilen einer Tonaufnahme<br />

auch die Erlaubnis <strong>der</strong> daran beteiligten ausübenden<br />

Künstler sowie des Tonträgerherstellers<br />

erfor<strong>der</strong>lich.<br />

Allen Samplern, die sich nicht an die Vorschriften<br />

des Urheberrechts halten, drohen folgende<br />

Konsequenzen: Sampling ohne den erfor<strong>der</strong>lichen<br />

vorherigen Rechteerwerb ist rechtswidrig und hat<br />

insbeson<strong>der</strong>e Beseitigungs-, Unterlassungs- und<br />

Schadensersatzansprüche <strong>der</strong> Rechteinhaber zur<br />

Folge. Dies ergibt sich aus den §§ 97 ff. UrhG. Die<br />

Strafbarkeit von Urheberrechts- und Leistungsschutzrechtsverletzungen,<br />

die in schweren Fällen<br />

eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren zur Folge<br />

haben kann, ergibt sich aus §§ 106 ff. UrhG.<br />

Und das kann kosten. Jüngstes Beispiel: Rapper<br />

Bushido, <strong>der</strong> von <strong>der</strong> französischen Band<br />

„Dark Sanctuary“ <strong>der</strong> Urheberrechtsverletzung in<br />

mehreren Fällen bezichtigt wird. Streitwert: rund<br />

100.000 Euro.<br />

obJekt <strong>der</strong> MusikaliscHen<br />

begierde: zWei sekunden<br />

rHytHMus<br />

Auch <strong>der</strong> Bundesgerichtshof (BGH) beschäftigt<br />

sich in einem viel beachteten Urteil vom 20. November<br />

2008 (Aktenzeichen I ZR 112/06) mit dem Thema<br />

„Sampling“. In dieser Entscheidung vertritt <strong>der</strong><br />

BGH die Ansicht, dass ein Eingriff in das Leistungsschutzrecht<br />

des Tonträgerherstellers bereits dann<br />

gegeben ist, „wenn einem Tonträger kleinste Tonfetzen<br />

entnommen werden“. In <strong>der</strong> Entscheidung ging<br />

es um einen Rechtsstreit zwischen <strong>der</strong> Band<br />

„Kraftwerk“ und dem Frankfurter Musikprodu-<br />

PolItIk<br />

Plagiat o<strong>der</strong> Eigenleistung?<br />

zenten Moses Pelham. Hintergrund: 1977 veröffentlichte<br />

die Düsseldorfer Band „Kraftwerk“ eine Platte,<br />

die den Titel „Metall auf Metall“ enthielt. Darauf<br />

zwei Takte lang eine metallisch peitschende Schlagwerksequenz,<br />

keine drei Sekunden lang. Diese gefiel<br />

dem Hip-Hop-Produzenten Moses Pelham so gut,<br />

dass er sie kurzerhand borgte und in Endlosschleife<br />

unter den Sabrina-Setlur-Hit „Nur mir“ legte.<br />

Nicht ohne Folgen: Der erste Zivilsenat des<br />

BGH entschied zugunsten <strong>der</strong> Düsseldorfer Elektro-<br />

Pioniere „Kraftwerk“. Eine Grundsatzentscheidung.<br />

Nach dem Urteil sind somit nicht nur längere Tonfolgen,<br />

son<strong>der</strong>n auch ganz kurze „Tonfetzen“ grundsätzlich<br />

geschützt, wenn sie auf einem Tonträger<br />

eingespielt sind.<br />

Nach dem Urteil des BGH sind dabei jedoch die<br />

gesetzlichen Ausnahmen <strong>der</strong> „freien Benutzung“ gemäß<br />

§ 24 Abs. 1 UrhG zu berücksichtigen. Die Weite<br />

des Schutzes wurde wie<strong>der</strong> relativiert: So kann die<br />

Benutzung frem<strong>der</strong> Tonträger ohne Zustimmung<br />

des Tonträgerherstellers erlaubt sein, wenn das neue<br />

Werk zu <strong>der</strong> entnommenen Tonfolge einen so großen<br />

Abstand hält, dass es als selbstständig anzusehen<br />

ist. Dies gilt nicht, wenn aus dem Originalwerk erkennbar<br />

eine Melodie entnommen und dem neuen<br />

Werk zugrunde gelegt wird. Übertragen auf „Samples“<br />

bedeutet das: Der Einbau von Sounds, einzelnen<br />

Tönen o<strong>der</strong> Rhythmuselementen kann eine „freie<br />

Benutzung“ sein, wenn <strong>der</strong> Hörer nicht erkennt, woher<br />

das Material kommt. Wesentliche Teile von<br />

Refrains, sogenannte „Hooklines“, sind damit freilich<br />

nicht gemeint.<br />

Eine „freie Benutzung“ ist nach dem Urteil des<br />

BGH zudem ausgeschlossen, wenn <strong>der</strong> Samplenutzer<br />

„befähigt und befugt“ wäre, die Töne o<strong>der</strong> Klänge<br />

selbst neu einzuspielen. Wer nur Kosten für Studiomusiker<br />

sparen will, darf nicht auf das fremde<br />

Material zugreifen. Der BGH for<strong>der</strong>t einen „gewissen<br />

Notstand“ zur Rechtfertigung <strong>der</strong> Samplenutzung.<br />

Diese Entscheidung des BGH lässt allerdings weiteren<br />

Raum für Interpretationen, mit denen sich<br />

auch in Zukunft die Gerichte werden befassen<br />

müssen.<br />

Da war es in <strong>der</strong> Vergangenheit schon einfacher –<br />

da entstanden Plagiate zum Teil aus reiner Bewun<strong>der</strong>ung.<br />

Zum Beispiel die „Schöpfungsmesse“ von<br />

Luigi Gatti, die sich ganz explizit auf „Die Schöpfung“<br />

von Joseph Haydn bezog. Probleme gab es damit<br />

keine, da Gatti in seiner Funktion als Hof- und<br />

Domkapellmeister in Salzburg einfach nur den bewun<strong>der</strong>ten<br />

Chören und Arien <strong>der</strong> „Schöpfung“ den<br />

lateinischen Messetext unterlegte – ohne dabei das<br />

Original zu verfälschen, nur zu Ehren des Meisters.<br />

krAftwErk<br />

Die deutsche<br />

Elektropop-Legende<br />

klagte gegen die<br />

Verwendung einer<br />

knapp drei Sekunden<br />

langen Sequenz aus<br />

einem ihrer Songs.<br />

virtuos <strong>Ausgabe</strong> <strong>April</strong> <strong>2009</strong> virtuos <strong>Ausgabe</strong> <strong>April</strong> <strong>2009</strong><br />

31

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