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Gasthaus & Pension - Hörselberg-Bote

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„Hoch auf dem gelben Wagen“ schrieb<br />

ein „fahrender Gesell“<br />

Dr. Andreas Seifert<br />

„Hoch auf dem gelben Wagen ...“<br />

– wer hat diese Weise nicht schon<br />

einmal gehört oder selbst gesungen?<br />

Viele halten sie für ein altes<br />

Volkslied, einige wenige schreiben<br />

sie gar dem einstigen Bundespräsidenten<br />

Walter Scheel zu. Dieser<br />

hatte als Interpret des Liedes von<br />

der Postkutsche 1973 die deutschen<br />

Hitparaden gestürmt und<br />

wurde inzwischen mit der Platin-<br />

Schallplatte für über eine Million<br />

Veröffentlichungen des Titels geehrt.<br />

Kaum jemand weiß, dass die<br />

Musik erst 1922 von dem Berliner<br />

Apotheker Heinz Höhne komponiert wurde.<br />

Etwas älter ist indes der Liedtext. Dieser entstand<br />

am 15. Juli 1879 in Triest, sein Verfasser heißt<br />

Rudolf Baumbach.<br />

Der Dichter Rudolf Baumbach ist dem heutigen<br />

Leser kaum noch ein Begriff. In der Zeit zwischen<br />

Reichsgründung und Erstem Weltkrieg, der so genannten<br />

„Wilhelminischen Ära“, aber gehörten<br />

Baumbachs Gedicht- und Prosabändchen ebenso<br />

wie seine Versepen zur Lieblingslektüre breiter<br />

Bevölkerungsschichten. Viele seiner Werke<br />

wurden in fremde Sprachen übersetzt, und die<br />

Melodiösität der Baumbachschen Dichtungen<br />

regte zahlreiche Komponisten zu Vertonungen<br />

an. Zu ihnen zählen Größen wie Max Reger oder<br />

Ferruccio Busoni ebenso wie Schöpfer volksliedhafter<br />

Weisen. In Anlehnung an die Gestalten<br />

und Buchtitel seiner Vagantenpoesie aber erhielt<br />

Baumbach von Zeitgenossen Beinnamen wie<br />

„Rudolf Spielmann“ oder „Fahrender Gesell“.<br />

Rudolf Baumbach wurde am 28. September 1840<br />

in Kranichfeld bei Weimar geboren. Zwei Jahre<br />

später folgte sein Vater einem Ruf als Leibarzt<br />

des Meininger Herzogs und die Familie zog in<br />

das kleine Residenzstädtchen an der Werra. Hier<br />

besuchte Baumbach das Gymnasium und bestand<br />

das Abiturexamen. In jenen Schülerjahren galt<br />

sein Interesse mehr der Natur als der Literatur.<br />

<strong>Hörselberg</strong>-<strong>Bote</strong> Nr. 83 / 2010<br />

Rudolf Baumbach um 1880.<br />

Foto: Manfred Koch nach<br />

einem Keramikbild<br />

von R.Wagner<br />

37<br />

Folgerichtig schrieb er sich 1860 als „studiosus<br />

rerum naturalium“ an der Universität Leipzig ein.<br />

In der Messestadt ging allerdings<br />

das Probieren häufi g übers Studieren,<br />

so dass Baumbach 1863 nach<br />

Würzburg überwechselte. 1864<br />

promovierte er in Heidelberg.<br />

Noch im selben Jahr wurde Rudolf<br />

Baumbach Assistent am Botanischen<br />

Institut in Freiburg/Breisgau.<br />

Der junge Akademiker hatte<br />

klar umrissene Zukunftspläne: Er<br />

wollte Hochschullehrer werden.<br />

Doch schon Monate später bekam<br />

Baumbachs Biografi e einen Knick:<br />

Geldsorgen veranlassten ihn, Freiburg<br />

zu verlassen. Aus dem jungen<br />

„Dr. phil.“ wurde der „fahrende<br />

Geselle“, der Privatgelehrte ohne<br />

feste Anstellung. Es folgten fünf<br />

unstete Jahre mit den Stationen Wien, Brünn, Graz<br />

und Görz. Wenn Baumbach später behauptete:<br />

Bin ein fahrender Gesell, Kenne keine Sorgen<br />

..., so ist das mehr Dichtung als Wahrheit.<br />

Das Jahr 1870 markierte erneut einen Wandel in<br />

Baumbachs Lebenslauf. In der österreichischen<br />

Freihafenstadt Triest bekam der Mittellose endlich<br />

eine feste Anstellung als Hauslehrer. An der<br />

blauen Adria und auf dem Umweg des Alpinismus<br />

geschah es auch, dass sein gefälliges literarisches<br />

Talent entdeckt wurde. In Triest hatte<br />

ein Kreis naturinteressierter Bürger eine Sektion<br />

Küstenland des damaligen Deutschen und österreichischen<br />

Alpenvereins ins Leben gerufen. Der<br />

Alpinismus steckte damals noch in den Kinderschuhen:<br />

markierte Wege, gesicherte Steige oder<br />

gut geführte Unterkunftshäuser gehörten eher zu<br />

den Ausnahmen. Die junge Triester Sektion hatte<br />

das Ziel, eine Schutzhütte auf dem Krainer<br />

Schneeberg zu errichten. Um das dafür nötige<br />

Geld zu erlangen, gab man die handgeschriebene<br />

und illustrierte Kneipzeitung Enzian heraus.<br />

Dieses Blatt konnte gegen eine Hüttenspende<br />

eingesehen werden. Baumbach wurde Redakteur<br />

und sein zeichnerisches wie poetisches Können<br />

war hiermit gefordert. Auf die Enzian-Gedichte<br />

Baumbachs stieß der Leipziger Verleger Liebeskind<br />

– und der dichtende Hauslehrer bekam seinen<br />

ersten Verlagsvertrag. 1877 gelang Baumbach

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