Weidezeit â Ernährung und Gesunderhaltung einer ... - IPZV
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40 DIP 3/10 Ernährung<br />
<strong>Weidezeit</strong> – Ernährung <strong>und</strong><br />
Ges<strong>und</strong>erhaltung <strong>einer</strong> genügsamen<br />
Pferderasse Von Dr.med.vet. Margret Böhme<br />
Nicht nur in punkto Wohlfühltemperaturen<br />
hatte der<br />
Winter seine guten Seiten<br />
für unsere Pferde, auch Zusammensetzung<br />
<strong>und</strong> Be-<br />
Die Nahrung hat ein<br />
Eigenleben<br />
Mit steigenden Temperaturen im März/<br />
April kommt die Vegetation in Gang. Das<br />
Wachstum erfolgt regelmäßig bei Nachttemperaturen<br />
oberhalb 8 bis 10 Grad <strong>und</strong> genügend<br />
Feuchtigkeit. Die ersten grünen<br />
Keime vervielfachen besonders bei starker<br />
schaffenheit des Futters<br />
wurden bei entsprechender<br />
Qualität ihren Erfordernissen<br />
ohne Weiteres gerecht.<br />
Nun müssen die Tiere mit<br />
Stickstoff-Düngung durch Wasseraufnahme<br />
<strong>und</strong> Streckung in kürzester Zeit ihre Länge,<br />
gefolgt von Plasmawachstum mit Vermehrung<br />
der Strukturbestandteile (Zellulose,<br />
Lignin u.a.), die sie zum Erhalt der Standfestigkeit<br />
ab <strong>einer</strong> gewissen Größe vermehrt<br />
bilden müssen.<br />
Mit Erscheinen der Blütenstände wird das<br />
Längenwachstum eingestellt, dann liegt<br />
völlig neuen Bedingungen<br />
zurechtkommen, die teilweise<br />
gar nicht so zuträglich<br />
sind …<br />
z. B. der Eiweißgehalt nur noch bei 12 bis 13<br />
Prozent. Strukturfasern bilden quasi das<br />
Skelett, das erhalten bleibt, wenn die Pflanze<br />
mit Erreichen der Samenreife nicht mehr<br />
stoffwechselaktiv ist (sichtbar am Verblassen<br />
bzw. Verlust des Grüns).<br />
Dementsprechend verändern sich die Nährstoff-<br />
<strong>und</strong> Energiegehalte von Weidegras<br />
bzw. die Zusammensetzung mit dem Vege-<br />
Vegetationsstadium Im Schossen/ Beginn Ähren-/ Volles Ähren-/ Beginn der Tendenz<br />
Längenwachstum Rispenschieben Rispenschieben Blüte<br />
Trockensubstanz 16 % 17 % 18 % 22 %<br />
Wassergehalt 84 % 83 % 82 % 78 %<br />
Rohprotein 235 g/kg TS 225 g/kg TS 207 g/kg TS 187 g/kg TS<br />
Strukturwert 1,4 1,7 1,9 2,1<br />
Rohfaser 172 g/kg TS 204 g/kg TS 231 g/kg TS 261 g/kg TS<br />
Energie (Brennwert) 7,38 MJ 6,99 MJ 6,58 MJ 6,3 MJ<br />
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FoTo: DIE AuToRIN<br />
tationszeitpunkt: Während junges Gras sehr<br />
wasserreich, hoch verdaulich, energie- <strong>und</strong><br />
eiweißreich <strong>und</strong> relativ strukturarm ist (Extremfall<br />
Rasenschnitt!), sind abgeblühtes,<br />
lange, überständige Stadien sperrig, rohfaserreich<br />
<strong>und</strong> zuckerarm.<br />
Zuckerarm? Bestimmte Kohlehydrate dienen<br />
der Pflanze unter anderem für Speicherung<br />
<strong>und</strong> Transport: Fructosyl-Zucker, kurz<br />
Fruktane (botanisch auch Laevane). Ihr Gehalt<br />
kann in Abhängigkeit von Grasart <strong>und</strong><br />
Zuchtsorte, Boden <strong>und</strong> vor allem Klimabedingungen<br />
beträchtlich schwanken: Bei<br />
Dürre <strong>und</strong> Kälte/Frost bilden <strong>und</strong> speichern<br />
die Pflanzen besonders viel langkettige<br />
Fruktane, bei wüchsigem Wetter (Wärme,<br />
Feuchtigkeit) verwenden sie mehr oder weniger<br />
schlagartig diese Speicher, d. h., sie<br />
transportieren sie – kürzer kettig – zu den<br />
Wachstums zonen. Bedeutsam ist, dass<br />
Pferde keine körpereigenen Verdauungsenzyme<br />
für die schmackhaften Verbindungen<br />
bilden, sie sind aber neben einfachen Zuckern<br />
u.a. von Milch- <strong>und</strong> anderen Säurebakterien<br />
umsetzbar, daher konservierungstechnisch<br />
als Siliersubstrat, weniger in der<br />
Dickdarmflora, erwünscht.<br />
Vollwertkost Gras?<br />
41<br />
Wenn Gras das Gr<strong>und</strong>futter der Steppen tiere,<br />
Rinder wie Pferde ist, <strong>und</strong> die gesündeste<br />
haltung letzterer in ganztägigem Weidegang<br />
der herde zu sehen ist, sollte man<br />
meinen, diese ohne jede Zufütterung sorgenfrei<br />
auf die Sommerweide entlassen zu<br />
können. Aber Fehlanzeige! Entsprechend<br />
der wirtschaftlichen Bedeutung ist das heutige<br />
Kulturgrünland Stätte der Futterproduktion<br />
insbesondere für Milchvieh <strong>und</strong> hat eine<br />
ebenso rasante Entwicklung durchgemacht.<br />
Die Leistungsanforderungen <strong>und</strong> damit Ansprüche<br />
an das Futter haben sich stark aus-<br />
Lesen Sie weiter auf Seite 44.<br />
FoTo: ChRISTIANE SPÄTE
42 DIP 3/10 Ernährung<br />
Fressen <strong>und</strong> gefressen werden – ein Ausflug in die<br />
Ernährungsphysiologie<br />
Verdauung bedeutet ganz allgemein die Zerlegung<br />
der Nahrungsbestandteile in kleine,<br />
für die Resorption (Aufnahme durch die Darmwand<br />
ins Blut) geeignete Bruch stücke: Kohlehydrate<br />
werden in Traubenzucker bzw. Glucose<br />
aufgespalten, Eiweiße in Aminosäuren,<br />
Fette <strong>und</strong> das pflanzliche Strukturkohlehydrat<br />
Zellulose (hauptsächlich) in Fettsäuren,<br />
die dann teils als „Brennstoff“, teils als „Bausteine“<br />
der Körpersubstanz dienen.<br />
Die Energielieferanten sind primär Glucose<br />
<strong>und</strong> sek<strong>und</strong>är Fettsäuren. Glucose sorgt für<br />
eine rasche, hohe Ausbeute für die Bewe-<br />
gung. Fettsäuren sind weniger effizient <strong>und</strong><br />
langsamer verfügbar, aber bei ihrer Verbrennung<br />
entsteht „Abwärme“ <strong>und</strong> Wasser, was<br />
beim Ausharren in arktischer Witterung von<br />
Vorteil ist.<br />
Aminosäuren sind die stickstoffhaltigen<br />
Bausteine körpereigener Eiweiße (Proteine).<br />
Diese bilden mit Fettsäuren die Körpersubstanz<br />
(Zellwände, aktive <strong>und</strong> passive Strukturen)<br />
oder sind enzymatisch aktiv. Zell bildung<br />
geschieht bei Wachstum <strong>und</strong> Milchbildung,<br />
Muskelaufbau <strong>und</strong> W<strong>und</strong>heilung.<br />
Auch Regeneration <strong>und</strong> haarwechsel gehen<br />
ABBILDuNGEN: DIE AuToRIN<br />
mit gesteigerter Proteinsynthese <strong>und</strong> entsprechendem<br />
Bedarf einher.<br />
Liegt kein Proteinaufbau an, werden überschüssige<br />
Aminosäuren zur Energiegewinnung<br />
genutzt („verbrannt“) bzw. in die Fettspeicher<br />
umgeleitet – in beiden Fällen bleiben<br />
Abbauprodukte wie harnstoff übrig, die<br />
den organismus belasten <strong>und</strong> ausgeschieden<br />
werden müssen.<br />
Die Zerlegungsvorgänge erfolgen durch<br />
Enzyme, das sind funktionelle Eiweiße, die<br />
jeweils darauf spezialisiert sind, gewisse<br />
chemische Verbindungen aufzuspalten. Die
Enzyme der körpereigenen Verdauungsdrüsen<br />
entfalten jeweils in bestimmten Darmabschnitten<br />
unter bestimmten Milieubedingungen<br />
ihre Wirkung. Verbindungen, zu denen<br />
es kein Aufspalter-Enzym gibt, werden<br />
unbehelligt wieder ausgeschieden: holz/<br />
Lignin (oder kleine Plastikstückchen) sind<br />
„unverdaulich“.<br />
Beim Pflanzenfresser kommt als symbio tischer<br />
helfer der Verdauung noch eine<br />
Armee von Mikroorganismen am Anfang<br />
bzw. Ende des Verdauungstrakts hinzu: das<br />
Vormagensystem des Wieder käuers bzw.<br />
Dickdarm (Blind- <strong>und</strong> Grimmdarm/Colon)<br />
beim Pferd erweitern sich zu großen Gärkammern,<br />
in denen ein Großteil der pflanzlichen<br />
Faserstoff-Verdauung durch Mikroben<br />
geleistet wird.<br />
1<br />
3<br />
2 4<br />
Zellulose (<strong>und</strong> interessanterweise Fruktane)<br />
werden nämlich von den körpereigenen Enzymen<br />
nicht „angebissen“, wohl aber durch<br />
Enzyme der Pansen- bzw. Dickdarmbakterien<br />
zersetzt („aufgeschlossen“), <strong>und</strong> die dabei<br />
entstehenden Produkte (vornehmlich<br />
Fett säuren) sind für ihren Wirt resorbierbar<br />
<strong>und</strong> verwertbar.<br />
Eiweiße, Kohlenhydrate <strong>und</strong> Fette können<br />
sowohl von den Enzymen des Verdauungsapparates<br />
als auch von (Darm-)Bakterien<br />
zersetzt werden, allerdings entstehen dabei<br />
unterschiedliche Spaltprodutke: Bakterien<br />
bilden auf diese Weise aus Eiweiß Ammo -<br />
niak <strong>und</strong> harnstoff, aus Kohlehydraten <strong>und</strong><br />
Fetten Milch- <strong>und</strong> andere Säuren, bei ungeeigneten<br />
Futtermitteln auch unerwünschte<br />
<strong>und</strong> sogar giftige Stoffe. Dass ein Teil der<br />
43<br />
zugeführten Nahrung der Verwertung des<br />
Wirtstieres entgeht, wird mehr als wettgemacht<br />
durch den Aufschluss der Zellulose;<br />
zudem wird das Gros der hauptnährstoffe<br />
beim Pferd bereits vorher – in Magen <strong>und</strong><br />
Dünndarm – entzogen. Für körpereigene<br />
Verdauung wie mikrobielle Vergärung gilt:<br />
Je länger der Futterbrei den Enzymen ausgesetzt<br />
ist, desto besser <strong>und</strong> vollständiger<br />
können sie einwirken; Verkürzung des Aufenthalts<br />
mindert die Wirkung <strong>und</strong> damit die<br />
Nährstoffausbeute (Abb. 2).<br />
Die Mikroben sind <strong>einer</strong>seits wie die Verdauungsenzyme<br />
auf den Abbau bestimmter<br />
Futtermittel spezialisiert, andererseits ändert<br />
sich ihre Zusammensetzung <strong>und</strong> Effektivität<br />
mit der Ration – denn das, was da<br />
her einkommt, ist für sie Lebensmilieu <strong>und</strong><br />
Existenzbedingung. Bei falscher Befüllung,<br />
wenn z. B. weiter oben nicht Zeit genug war,<br />
schnell <strong>und</strong> reichlich aufgenommene Nährstoffe<br />
komplett zu verdauen, oder bei ungeeigneten<br />
Futtermitteln kommt es leicht zu<br />
überstürzten Abbauvorgängen oder Fehlgärungen<br />
– im günstigsten Fall versucht der<br />
Darm, die unerwünschten Stoffe mit Wasser<br />
vermengt als Durchfall auszuscheiden.<br />
Plötzliche, drastische Futterumstellungen –<br />
beispielsweise durch übermäßiges Frischgrasangebot<br />
– verändern die Zusammensetzung<br />
der Darmflora radikal <strong>und</strong> sie<br />
„kippt“: Fehlt den Zelluloseverwertern der<br />
hauptnährstoff, resultieren daraus verminderte<br />
Verdauungsaktivitäten mit entsprechenden<br />
Folgen auch für Leistung <strong>und</strong> Stoffwechsel<br />
des Wirtes. Vermehren sich bei reichem<br />
Angebot die Eiweißzersetzer, verschlechtern<br />
sich die Lebens- <strong>und</strong> Vermehrungsbedingungen<br />
der Zelluloseverwerter,<br />
deren Nährsubstrat ohnehin Mangelware<br />
ist – ammoniakhaltige Fäulnisgase können<br />
dann z.B. Gaskoliken hervorrufen. Auch bei<br />
Kohlehydraten hat ein Zuviel im Dickdarm<br />
unerwünschte Wirkung – mehr dazu weiter<br />
unten.<br />
Die Mikroorganismen des Dickdarms bilden<br />
in Ihrer Gesamtheit ein anpassungsfähiges<br />
Ökosystem <strong>und</strong> können sich auf neue Futtersituationen<br />
einstellen. Dieser Prozess der<br />
Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichts<br />
beansprucht genügend Zeit <strong>und</strong><br />
spezielle Fütterungsmaßnahmen.
FoTo: ChRISTIANE SPÄTE<br />
44 DIP 3/10 Ernährung<br />
Fressverhalten<br />
Der Magendarmtrakt hat beim Pferd<br />
etwa 10- bis 12fache Körperlänge, die<br />
Futterpassage bis zur Ausscheidung der<br />
Reste dauert 35 bis 52 St<strong>und</strong>en, bei<br />
strukturreichem Futter für bessere Ausnutzung<br />
auch 3 (bis 5) Tage!<br />
Damit das System funktionieren kann,<br />
muss kontinuierlich Nachschub in geeigneter<br />
Form geliefert werden: Extensiv<br />
gehaltene Pferde nahmen in 18 über<br />
den ganzen Tag verteilten Fressst<strong>und</strong>en<br />
unter ständiger Bewegung (die die<br />
Darmtätigkeit unterstützt) bis 2,5 Prozent<br />
des Eigengewichts an rohfaser -<br />
reichem, eiweißarmem Futter auf. Die<br />
tatsächliche Verzehrsmenge variiert<br />
natürlich, aber ein Islandpferd geht mit<br />
jeder Lebensgr<strong>und</strong>lage auf die gleiche<br />
Weise um – es weiß ja nicht, dass es<br />
besser aufhören sollte – <strong>und</strong> kommt<br />
bei emsigem Grasen am Tag auf 35 bis<br />
45 kg Frischgras!<br />
Das hat aufgr<strong>und</strong> des Wassergehalts<br />
(80 Prozent) zwar eine geringere Energiedichte,<br />
wird aber ohne Fressbremse<br />
Rohfaser viermal so schnell gefressen<br />
bzw. geschlungen wie z. B. heu – gut<br />
<strong>und</strong> gerne 5 kg pro St<strong>und</strong>e, was energetisch<br />
gesehen jeweils eine gute Kilo-<br />
Schaufel Müsli ersetzt. Der kleine<br />
Magen ist schnell voll <strong>und</strong> muss sich in<br />
den Dünndarm entleeren, um Platz zu<br />
machen (es kommt vor, dass dieser<br />
durch Klumpenbildung verstopft!). Der<br />
Futterbrei wird unerbittlich weiter geschoben<br />
mit vorgegebener Geschwindigkeit<br />
wie auf <strong>einer</strong> Autobahn, <strong>und</strong><br />
was nach ein, zwei St<strong>und</strong>en noch unverdaut<br />
im Blinddarm ankommt, bringt<br />
dessen Flora aus dem Gleichgewicht.<br />
einander entwickelt: Vor der Motorisierung<br />
mussten Pferde viel körperliche Arbeit leisten,<br />
<strong>und</strong> weil der hauptenergiespender Getreide<br />
primär den Menschen ernähren<br />
musste, wurden sie auch auf Leichtfuttrigkeit<br />
gezüchtet oder die Genügsamkeit der<br />
Verdauungstypen genutzt. heute müssen<br />
sie nur noch in Ausnahmefällen hohe Leistungen<br />
vollbringen. Der Energie- <strong>und</strong> Eiweißbedarf<br />
der in den letzten Jahrzehnten<br />
gezüchteten hochleistungskühe ist hingegen<br />
immens gestiegen; für den Proteinaufbau<br />
(mindestens 7000 l, gern 16000 l Milch<br />
im Jahr, Fleisch) werden hohe Kraftfuttermengen<br />
<strong>und</strong> -konzentrationen benötigt.<br />
Dementsprechend sind Wiesen <strong>und</strong> Weiden,<br />
Aufwuchs <strong>und</strong> Boden auf hohe Produktivität<br />
ausgelegt Der Rohfasergehalt wird<br />
sek<strong>und</strong>är, da die eigentlich genügsameren<br />
Rinder durch ihr Vormagensystem <strong>und</strong> die<br />
Ruhephasen des Wiederkauens dem Pferd<br />
in der Ausnutzung „wertlosen“ Futters weit<br />
überlegen sind <strong>und</strong> es zudem die Futteraufnahmekapazität<br />
begrenzt.<br />
Genuß mit Tücken<br />
Auf interessante Aspekte der Veränderungen<br />
des Grünlandes <strong>und</strong> ihre Auswirkungen<br />
auf die Ges<strong>und</strong>heit der Pferde weist die Biologin<br />
Dr. R. Vanselow hin: Die auf modernem<br />
Grünland „anbauwürdigen“, qualitativ<br />
extrem hochwertigen Gräser mit hohem<br />
Energiegehalt stammen in ihren ursprüng -<br />
Knaulgras<br />
8g/130g<br />
Wiesen-Lieschgras<br />
2g/111g<br />
lichen Wildformen aus feuchten bis nassen,<br />
nährstoffreichen Biotopen. Dementsprechend<br />
stellen sie zwar hohe Ansprüche an<br />
den Boden <strong>und</strong> es muss durch entsprechend<br />
intensive Pflege- <strong>und</strong> Düngemaßnahmen<br />
ständig für optimale Ernährungsverhältnisse<br />
gesorgt werden. Aber wenn das geleistet<br />
ist, können sie nahezu standortunabhängig<br />
kultiviert werden, von Moor über Lehm bis<br />
zum Sand, auch auf drainierten, also vertrittfesten<br />
<strong>und</strong> befahrbaren Böden: Stickstoffdünger<br />
macht ihren Wasserverbrauch<br />
effizienter <strong>und</strong> gleicht schlechte Wurzel -<br />
belüftung aus, er fördert Wachstum <strong>und</strong><br />
Konkurrenzstärke der kampfkräftigen Züchtungen<br />
– die typische Düngeweide ist ausgesprochen<br />
artenarm, ihr Bewuchs konservierfreudig<br />
<strong>und</strong> ertragreich dank sehr gutem<br />
Nachwuchsvermögen. Der hohe Nährstoffwert<br />
(Energie) <strong>und</strong> die in der modernen<br />
Grünlandbewirtschaftung erwünschten Eigenschaften<br />
der hochwüchsigen, mastigen<br />
<strong>und</strong> schmackhaft „süßen“ Qualitätsgräser<br />
beruht auf ihrem Gehalt an Transport- <strong>und</strong><br />
Speicherkohlehydraten, den schon beschriebenen<br />
(<strong>und</strong> für Pferde zunächst unverdau -<br />
lichen) Fruktanen, deren Anteile mit der<br />
Zucht auf hohe Energiegehalte gleichsinnig<br />
steigen. Für Weidelgräser ist zudem bekannt,<br />
dass hochleistungsfähige tetraploide<br />
Sorten (verdoppelter Erbgutsatz, entsprechend<br />
wie bei den Getreiden) im Schnitt<br />
höhere Fruktanwerte zeigen als normale<br />
diploide Sorten.<br />
Wiesenschwingel<br />
0g/220g<br />
Weidelgras<br />
10g/210g
Auf einen Blick<br />
Als Auslöser klinischer hufrehe rechnet man<br />
beim Pferd mit 7,5 Gramm Fruktan pro Kilogramm<br />
Lebendgewicht; der als kritisch geltende<br />
Wert (5 Gramm/Kilogramm LG) kann<br />
aber bei ungebremster Futteraufnahme<br />
durchaus auch erreicht werden, wenn die<br />
Pflanzen unter Stress – durch mangelnde<br />
Düngung, Kälte, Trockenheit – besonders<br />
viele Speicher-Polyfruktane bilden. Deutlich<br />
über 200 Gramm pro Kilo Gras (i.Tr.) können<br />
dann auch bei kaltem Klima schwere Folgen<br />
haben.<br />
Insgesamt kann man sagen, dass das Nachwuchsvermögen<br />
der Leistungsgräser in frühen<br />
Vegetationsphasen, erhebliche ges<strong>und</strong>heitliche<br />
Risiken birgt, wohingegen bezeich-<br />
nenderweise bei gleichem Klima <strong>und</strong> Bodenverhältnissen<br />
auf unbewirtschafteten,<br />
insbesondere weidegrasfreien Magerstandorten<br />
wie Truppenübungsplätzen keine Rehefälle<br />
auftraten.<br />
Die Biologin weist außerdem auf den Einsatz<br />
symbiotischer Endophyten in der Pflanzenzucht<br />
hin: Neuerdings wird Gräsersaatgut<br />
mit bestimmten Pilzarten infiziert, um<br />
durch Produktion <strong>und</strong> Einlagerung bestimmter<br />
ungiftiger wie giftiger „sek<strong>und</strong>ärer Pflanzenstoffe“<br />
( z.T. verwandt mit Mutterkornalkaloiden<br />
) vermehrtes Wachstum <strong>und</strong> Triebentwicklung,<br />
Stresstoleranz <strong>und</strong> Fraßresistenz<br />
gegenüber Insekten <strong>und</strong> (Klein-)Säugetieren<br />
zu erreichen. Atypische Weidemyopathie,<br />
evt. auch Colitis X werden damit in Zusammenhang<br />
gebracht; ob sie auch als Auslöser<br />
für hufrehe eine Rolle spielen <strong>und</strong><br />
welche, wurde bisher nicht untersucht.<br />
Wer also wohlmeinend <strong>und</strong> womöglich unvorbereitet<br />
dem Liebling die ersehnte Freiheit<br />
auf der frischen Wiese gönnt, sollte sich<br />
nach dem oben gesagten vor Augen halten,<br />
dass die highlights der Leistungsfütterung<br />
(fette Marschweiden, frühe Schnittzeitpunkte,<br />
häufiges Mähen, Stickstoffdüngereinsatz<br />
etc.) selbst für hoch trainierte Sportpferde<br />
kritisch zu bewerten sind. Die Grünfuttergr<strong>und</strong>lage<br />
für Pferde, muss anders<br />
(„mager“) gestaltet sein, <strong>und</strong> muss von Bodenbewirtschaftung<br />
über Saatgutwahl bis<br />
hin zur Futterkonservierung ihren besonderen<br />
Anforderungen Rechnung tragen.<br />
Strukturfutter<br />
… warum es so wichtig ist!<br />
45<br />
Strukturierte Rohfaser ist nicht nur Näh r -<br />
substrat für die Dickdarmflora, sondern<br />
reguliert mechanisch die Darmtätigkeit<br />
(Förderung der Kautätigkeit sowie reflektorisch<br />
der Speichelbildung, Peristaltik<br />
<strong>und</strong> Verdauungssaftsekretion), wirkt als<br />
Barometer für den Füllungsdruck (kein<br />
Sättigungsgefühl ohne Ballaststoff!) <strong>und</strong><br />
als Absorber für Schadstoffe bei der Eindickung<br />
zu Kotballen im kleinen Grimmdarm.<br />
Das Verdauungssystem der Pferde<br />
ist nicht nur fähig, sondern besonders<br />
darauf ausgelegt, Pflanzenfaserstoffe in<br />
für den Körper verwertbare Betriebs<strong>und</strong><br />
Aufbaustoffe umzuwandeln <strong>und</strong><br />
diese aufzunehmen. Sie brauchen aufgr<strong>und</strong><br />
ihrer physiologischen Gegebenheiten<br />
Gr<strong>und</strong>futter mit einem höheren<br />
Rohfasergehalt (20 bis 25 Prozent), weniger<br />
Rohprotein, <strong>einer</strong> insgesamt geringeren<br />
Verdaulichkeit <strong>und</strong> entsprechend<br />
im Energiegehalt niedrigeren Werten.