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Weidezeit – Ernährung und Gesunderhaltung einer ... - IPZV

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40 DIP 3/10 Ernährung<br />

<strong>Weidezeit</strong> – Ernährung <strong>und</strong><br />

Ges<strong>und</strong>erhaltung <strong>einer</strong> genügsamen<br />

Pferderasse Von Dr.med.vet. Margret Böhme<br />

Nicht nur in punkto Wohlfühltemperaturen<br />

hatte der<br />

Winter seine guten Seiten<br />

für unsere Pferde, auch Zusammensetzung<br />

<strong>und</strong> Be-<br />

Die Nahrung hat ein<br />

Eigenleben<br />

Mit steigenden Temperaturen im März/<br />

April kommt die Vegetation in Gang. Das<br />

Wachstum erfolgt regelmäßig bei Nachttemperaturen<br />

oberhalb 8 bis 10 Grad <strong>und</strong> genügend<br />

Feuchtigkeit. Die ersten grünen<br />

Keime vervielfachen besonders bei starker<br />

schaffenheit des Futters<br />

wurden bei entsprechender<br />

Qualität ihren Erfordernissen<br />

ohne Weiteres gerecht.<br />

Nun müssen die Tiere mit<br />

Stickstoff-Düngung durch Wasseraufnahme<br />

<strong>und</strong> Streckung in kürzester Zeit ihre Länge,<br />

gefolgt von Plasmawachstum mit Vermehrung<br />

der Strukturbestandteile (Zellulose,<br />

Lignin u.a.), die sie zum Erhalt der Standfestigkeit<br />

ab <strong>einer</strong> gewissen Größe vermehrt<br />

bilden müssen.<br />

Mit Erscheinen der Blütenstände wird das<br />

Längenwachstum eingestellt, dann liegt<br />

völlig neuen Bedingungen<br />

zurechtkommen, die teilweise<br />

gar nicht so zuträglich<br />

sind …<br />

z. B. der Eiweißgehalt nur noch bei 12 bis 13<br />

Prozent. Strukturfasern bilden quasi das<br />

Skelett, das erhalten bleibt, wenn die Pflanze<br />

mit Erreichen der Samenreife nicht mehr<br />

stoffwechselaktiv ist (sichtbar am Verblassen<br />

bzw. Verlust des Grüns).<br />

Dementsprechend verändern sich die Nährstoff-<br />

<strong>und</strong> Energiegehalte von Weidegras<br />

bzw. die Zusammensetzung mit dem Vege-<br />

Vegetationsstadium Im Schossen/ Beginn Ähren-/ Volles Ähren-/ Beginn der Tendenz<br />

Längenwachstum Rispenschieben Rispenschieben Blüte<br />

Trockensubstanz 16 % 17 % 18 % 22 %<br />

Wassergehalt 84 % 83 % 82 % 78 %<br />

Rohprotein 235 g/kg TS 225 g/kg TS 207 g/kg TS 187 g/kg TS<br />

Strukturwert 1,4 1,7 1,9 2,1<br />

Rohfaser 172 g/kg TS 204 g/kg TS 231 g/kg TS 261 g/kg TS<br />

Energie (Brennwert) 7,38 MJ 6,99 MJ 6,58 MJ 6,3 MJ<br />

?<br />

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FoTo: DIE AuToRIN<br />

tationszeitpunkt: Während junges Gras sehr<br />

wasserreich, hoch verdaulich, energie- <strong>und</strong><br />

eiweißreich <strong>und</strong> relativ strukturarm ist (Extremfall<br />

Rasenschnitt!), sind abgeblühtes,<br />

lange, überständige Stadien sperrig, rohfaserreich<br />

<strong>und</strong> zuckerarm.<br />

Zuckerarm? Bestimmte Kohlehydrate dienen<br />

der Pflanze unter anderem für Speicherung<br />

<strong>und</strong> Transport: Fructosyl-Zucker, kurz<br />

Fruktane (botanisch auch Laevane). Ihr Gehalt<br />

kann in Abhängigkeit von Grasart <strong>und</strong><br />

Zuchtsorte, Boden <strong>und</strong> vor allem Klimabedingungen<br />

beträchtlich schwanken: Bei<br />

Dürre <strong>und</strong> Kälte/Frost bilden <strong>und</strong> speichern<br />

die Pflanzen besonders viel langkettige<br />

Fruktane, bei wüchsigem Wetter (Wärme,<br />

Feuchtigkeit) verwenden sie mehr oder weniger<br />

schlagartig diese Speicher, d. h., sie<br />

transportieren sie – kürzer kettig – zu den<br />

Wachstums zonen. Bedeutsam ist, dass<br />

Pferde keine körpereigenen Verdauungsenzyme<br />

für die schmackhaften Verbindungen<br />

bilden, sie sind aber neben einfachen Zuckern<br />

u.a. von Milch- <strong>und</strong> anderen Säurebakterien<br />

umsetzbar, daher konservierungstechnisch<br />

als Siliersubstrat, weniger in der<br />

Dickdarmflora, erwünscht.<br />

Vollwertkost Gras?<br />

41<br />

Wenn Gras das Gr<strong>und</strong>futter der Steppen tiere,<br />

Rinder wie Pferde ist, <strong>und</strong> die gesündeste<br />

haltung letzterer in ganztägigem Weidegang<br />

der herde zu sehen ist, sollte man<br />

meinen, diese ohne jede Zufütterung sorgenfrei<br />

auf die Sommerweide entlassen zu<br />

können. Aber Fehlanzeige! Entsprechend<br />

der wirtschaftlichen Bedeutung ist das heutige<br />

Kulturgrünland Stätte der Futterproduktion<br />

insbesondere für Milchvieh <strong>und</strong> hat eine<br />

ebenso rasante Entwicklung durchgemacht.<br />

Die Leistungsanforderungen <strong>und</strong> damit Ansprüche<br />

an das Futter haben sich stark aus-<br />

Lesen Sie weiter auf Seite 44.<br />

FoTo: ChRISTIANE SPÄTE


42 DIP 3/10 Ernährung<br />

Fressen <strong>und</strong> gefressen werden – ein Ausflug in die<br />

Ernährungsphysiologie<br />

Verdauung bedeutet ganz allgemein die Zerlegung<br />

der Nahrungsbestandteile in kleine,<br />

für die Resorption (Aufnahme durch die Darmwand<br />

ins Blut) geeignete Bruch stücke: Kohlehydrate<br />

werden in Traubenzucker bzw. Glucose<br />

aufgespalten, Eiweiße in Aminosäuren,<br />

Fette <strong>und</strong> das pflanzliche Strukturkohlehydrat<br />

Zellulose (hauptsächlich) in Fettsäuren,<br />

die dann teils als „Brennstoff“, teils als „Bausteine“<br />

der Körpersubstanz dienen.<br />

Die Energielieferanten sind primär Glucose<br />

<strong>und</strong> sek<strong>und</strong>är Fettsäuren. Glucose sorgt für<br />

eine rasche, hohe Ausbeute für die Bewe-<br />

gung. Fettsäuren sind weniger effizient <strong>und</strong><br />

langsamer verfügbar, aber bei ihrer Verbrennung<br />

entsteht „Abwärme“ <strong>und</strong> Wasser, was<br />

beim Ausharren in arktischer Witterung von<br />

Vorteil ist.<br />

Aminosäuren sind die stickstoffhaltigen<br />

Bausteine körpereigener Eiweiße (Proteine).<br />

Diese bilden mit Fettsäuren die Körpersubstanz<br />

(Zellwände, aktive <strong>und</strong> passive Strukturen)<br />

oder sind enzymatisch aktiv. Zell bildung<br />

geschieht bei Wachstum <strong>und</strong> Milchbildung,<br />

Muskelaufbau <strong>und</strong> W<strong>und</strong>heilung.<br />

Auch Regeneration <strong>und</strong> haarwechsel gehen<br />

ABBILDuNGEN: DIE AuToRIN<br />

mit gesteigerter Proteinsynthese <strong>und</strong> entsprechendem<br />

Bedarf einher.<br />

Liegt kein Proteinaufbau an, werden überschüssige<br />

Aminosäuren zur Energiegewinnung<br />

genutzt („verbrannt“) bzw. in die Fettspeicher<br />

umgeleitet – in beiden Fällen bleiben<br />

Abbauprodukte wie harnstoff übrig, die<br />

den organismus belasten <strong>und</strong> ausgeschieden<br />

werden müssen.<br />

Die Zerlegungsvorgänge erfolgen durch<br />

Enzyme, das sind funktionelle Eiweiße, die<br />

jeweils darauf spezialisiert sind, gewisse<br />

chemische Verbindungen aufzuspalten. Die


Enzyme der körpereigenen Verdauungsdrüsen<br />

entfalten jeweils in bestimmten Darmabschnitten<br />

unter bestimmten Milieubedingungen<br />

ihre Wirkung. Verbindungen, zu denen<br />

es kein Aufspalter-Enzym gibt, werden<br />

unbehelligt wieder ausgeschieden: holz/<br />

Lignin (oder kleine Plastikstückchen) sind<br />

„unverdaulich“.<br />

Beim Pflanzenfresser kommt als symbio tischer<br />

helfer der Verdauung noch eine<br />

Armee von Mikroorganismen am Anfang<br />

bzw. Ende des Verdauungstrakts hinzu: das<br />

Vormagensystem des Wieder käuers bzw.<br />

Dickdarm (Blind- <strong>und</strong> Grimmdarm/Colon)<br />

beim Pferd erweitern sich zu großen Gärkammern,<br />

in denen ein Großteil der pflanzlichen<br />

Faserstoff-Verdauung durch Mikroben<br />

geleistet wird.<br />

1<br />

3<br />

2 4<br />

Zellulose (<strong>und</strong> interessanterweise Fruktane)<br />

werden nämlich von den körpereigenen Enzymen<br />

nicht „angebissen“, wohl aber durch<br />

Enzyme der Pansen- bzw. Dickdarmbakterien<br />

zersetzt („aufgeschlossen“), <strong>und</strong> die dabei<br />

entstehenden Produkte (vornehmlich<br />

Fett säuren) sind für ihren Wirt resorbierbar<br />

<strong>und</strong> verwertbar.<br />

Eiweiße, Kohlenhydrate <strong>und</strong> Fette können<br />

sowohl von den Enzymen des Verdauungsapparates<br />

als auch von (Darm-)Bakterien<br />

zersetzt werden, allerdings entstehen dabei<br />

unterschiedliche Spaltprodutke: Bakterien<br />

bilden auf diese Weise aus Eiweiß Ammo -<br />

niak <strong>und</strong> harnstoff, aus Kohlehydraten <strong>und</strong><br />

Fetten Milch- <strong>und</strong> andere Säuren, bei ungeeigneten<br />

Futtermitteln auch unerwünschte<br />

<strong>und</strong> sogar giftige Stoffe. Dass ein Teil der<br />

43<br />

zugeführten Nahrung der Verwertung des<br />

Wirtstieres entgeht, wird mehr als wettgemacht<br />

durch den Aufschluss der Zellulose;<br />

zudem wird das Gros der hauptnährstoffe<br />

beim Pferd bereits vorher – in Magen <strong>und</strong><br />

Dünndarm – entzogen. Für körpereigene<br />

Verdauung wie mikrobielle Vergärung gilt:<br />

Je länger der Futterbrei den Enzymen ausgesetzt<br />

ist, desto besser <strong>und</strong> vollständiger<br />

können sie einwirken; Verkürzung des Aufenthalts<br />

mindert die Wirkung <strong>und</strong> damit die<br />

Nährstoffausbeute (Abb. 2).<br />

Die Mikroben sind <strong>einer</strong>seits wie die Verdauungsenzyme<br />

auf den Abbau bestimmter<br />

Futtermittel spezialisiert, andererseits ändert<br />

sich ihre Zusammensetzung <strong>und</strong> Effektivität<br />

mit der Ration – denn das, was da<br />

her einkommt, ist für sie Lebensmilieu <strong>und</strong><br />

Existenzbedingung. Bei falscher Befüllung,<br />

wenn z. B. weiter oben nicht Zeit genug war,<br />

schnell <strong>und</strong> reichlich aufgenommene Nährstoffe<br />

komplett zu verdauen, oder bei ungeeigneten<br />

Futtermitteln kommt es leicht zu<br />

überstürzten Abbauvorgängen oder Fehlgärungen<br />

– im günstigsten Fall versucht der<br />

Darm, die unerwünschten Stoffe mit Wasser<br />

vermengt als Durchfall auszuscheiden.<br />

Plötzliche, drastische Futterumstellungen –<br />

beispielsweise durch übermäßiges Frischgrasangebot<br />

– verändern die Zusammensetzung<br />

der Darmflora radikal <strong>und</strong> sie<br />

„kippt“: Fehlt den Zelluloseverwertern der<br />

hauptnährstoff, resultieren daraus verminderte<br />

Verdauungsaktivitäten mit entsprechenden<br />

Folgen auch für Leistung <strong>und</strong> Stoffwechsel<br />

des Wirtes. Vermehren sich bei reichem<br />

Angebot die Eiweißzersetzer, verschlechtern<br />

sich die Lebens- <strong>und</strong> Vermehrungsbedingungen<br />

der Zelluloseverwerter,<br />

deren Nährsubstrat ohnehin Mangelware<br />

ist – ammoniakhaltige Fäulnisgase können<br />

dann z.B. Gaskoliken hervorrufen. Auch bei<br />

Kohlehydraten hat ein Zuviel im Dickdarm<br />

unerwünschte Wirkung – mehr dazu weiter<br />

unten.<br />

Die Mikroorganismen des Dickdarms bilden<br />

in Ihrer Gesamtheit ein anpassungsfähiges<br />

Ökosystem <strong>und</strong> können sich auf neue Futtersituationen<br />

einstellen. Dieser Prozess der<br />

Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichts<br />

beansprucht genügend Zeit <strong>und</strong><br />

spezielle Fütterungsmaßnahmen.


FoTo: ChRISTIANE SPÄTE<br />

44 DIP 3/10 Ernährung<br />

Fressverhalten<br />

Der Magendarmtrakt hat beim Pferd<br />

etwa 10- bis 12fache Körperlänge, die<br />

Futterpassage bis zur Ausscheidung der<br />

Reste dauert 35 bis 52 St<strong>und</strong>en, bei<br />

strukturreichem Futter für bessere Ausnutzung<br />

auch 3 (bis 5) Tage!<br />

Damit das System funktionieren kann,<br />

muss kontinuierlich Nachschub in geeigneter<br />

Form geliefert werden: Extensiv<br />

gehaltene Pferde nahmen in 18 über<br />

den ganzen Tag verteilten Fressst<strong>und</strong>en<br />

unter ständiger Bewegung (die die<br />

Darmtätigkeit unterstützt) bis 2,5 Prozent<br />

des Eigengewichts an rohfaser -<br />

reichem, eiweißarmem Futter auf. Die<br />

tatsächliche Verzehrsmenge variiert<br />

natürlich, aber ein Islandpferd geht mit<br />

jeder Lebensgr<strong>und</strong>lage auf die gleiche<br />

Weise um – es weiß ja nicht, dass es<br />

besser aufhören sollte – <strong>und</strong> kommt<br />

bei emsigem Grasen am Tag auf 35 bis<br />

45 kg Frischgras!<br />

Das hat aufgr<strong>und</strong> des Wassergehalts<br />

(80 Prozent) zwar eine geringere Energiedichte,<br />

wird aber ohne Fressbremse<br />

Rohfaser viermal so schnell gefressen<br />

bzw. geschlungen wie z. B. heu – gut<br />

<strong>und</strong> gerne 5 kg pro St<strong>und</strong>e, was energetisch<br />

gesehen jeweils eine gute Kilo-<br />

Schaufel Müsli ersetzt. Der kleine<br />

Magen ist schnell voll <strong>und</strong> muss sich in<br />

den Dünndarm entleeren, um Platz zu<br />

machen (es kommt vor, dass dieser<br />

durch Klumpenbildung verstopft!). Der<br />

Futterbrei wird unerbittlich weiter geschoben<br />

mit vorgegebener Geschwindigkeit<br />

wie auf <strong>einer</strong> Autobahn, <strong>und</strong><br />

was nach ein, zwei St<strong>und</strong>en noch unverdaut<br />

im Blinddarm ankommt, bringt<br />

dessen Flora aus dem Gleichgewicht.<br />

einander entwickelt: Vor der Motorisierung<br />

mussten Pferde viel körperliche Arbeit leisten,<br />

<strong>und</strong> weil der hauptenergiespender Getreide<br />

primär den Menschen ernähren<br />

musste, wurden sie auch auf Leichtfuttrigkeit<br />

gezüchtet oder die Genügsamkeit der<br />

Verdauungstypen genutzt. heute müssen<br />

sie nur noch in Ausnahmefällen hohe Leistungen<br />

vollbringen. Der Energie- <strong>und</strong> Eiweißbedarf<br />

der in den letzten Jahrzehnten<br />

gezüchteten hochleistungskühe ist hingegen<br />

immens gestiegen; für den Proteinaufbau<br />

(mindestens 7000 l, gern 16000 l Milch<br />

im Jahr, Fleisch) werden hohe Kraftfuttermengen<br />

<strong>und</strong> -konzentrationen benötigt.<br />

Dementsprechend sind Wiesen <strong>und</strong> Weiden,<br />

Aufwuchs <strong>und</strong> Boden auf hohe Produktivität<br />

ausgelegt Der Rohfasergehalt wird<br />

sek<strong>und</strong>är, da die eigentlich genügsameren<br />

Rinder durch ihr Vormagensystem <strong>und</strong> die<br />

Ruhephasen des Wiederkauens dem Pferd<br />

in der Ausnutzung „wertlosen“ Futters weit<br />

überlegen sind <strong>und</strong> es zudem die Futteraufnahmekapazität<br />

begrenzt.<br />

Genuß mit Tücken<br />

Auf interessante Aspekte der Veränderungen<br />

des Grünlandes <strong>und</strong> ihre Auswirkungen<br />

auf die Ges<strong>und</strong>heit der Pferde weist die Biologin<br />

Dr. R. Vanselow hin: Die auf modernem<br />

Grünland „anbauwürdigen“, qualitativ<br />

extrem hochwertigen Gräser mit hohem<br />

Energiegehalt stammen in ihren ursprüng -<br />

Knaulgras<br />

8g/130g<br />

Wiesen-Lieschgras<br />

2g/111g<br />

lichen Wildformen aus feuchten bis nassen,<br />

nährstoffreichen Biotopen. Dementsprechend<br />

stellen sie zwar hohe Ansprüche an<br />

den Boden <strong>und</strong> es muss durch entsprechend<br />

intensive Pflege- <strong>und</strong> Düngemaßnahmen<br />

ständig für optimale Ernährungsverhältnisse<br />

gesorgt werden. Aber wenn das geleistet<br />

ist, können sie nahezu standortunabhängig<br />

kultiviert werden, von Moor über Lehm bis<br />

zum Sand, auch auf drainierten, also vertrittfesten<br />

<strong>und</strong> befahrbaren Böden: Stickstoffdünger<br />

macht ihren Wasserverbrauch<br />

effizienter <strong>und</strong> gleicht schlechte Wurzel -<br />

belüftung aus, er fördert Wachstum <strong>und</strong><br />

Konkurrenzstärke der kampfkräftigen Züchtungen<br />

– die typische Düngeweide ist ausgesprochen<br />

artenarm, ihr Bewuchs konservierfreudig<br />

<strong>und</strong> ertragreich dank sehr gutem<br />

Nachwuchsvermögen. Der hohe Nährstoffwert<br />

(Energie) <strong>und</strong> die in der modernen<br />

Grünlandbewirtschaftung erwünschten Eigenschaften<br />

der hochwüchsigen, mastigen<br />

<strong>und</strong> schmackhaft „süßen“ Qualitätsgräser<br />

beruht auf ihrem Gehalt an Transport- <strong>und</strong><br />

Speicherkohlehydraten, den schon beschriebenen<br />

(<strong>und</strong> für Pferde zunächst unverdau -<br />

lichen) Fruktanen, deren Anteile mit der<br />

Zucht auf hohe Energiegehalte gleichsinnig<br />

steigen. Für Weidelgräser ist zudem bekannt,<br />

dass hochleistungsfähige tetraploide<br />

Sorten (verdoppelter Erbgutsatz, entsprechend<br />

wie bei den Getreiden) im Schnitt<br />

höhere Fruktanwerte zeigen als normale<br />

diploide Sorten.<br />

Wiesenschwingel<br />

0g/220g<br />

Weidelgras<br />

10g/210g


Auf einen Blick<br />

Als Auslöser klinischer hufrehe rechnet man<br />

beim Pferd mit 7,5 Gramm Fruktan pro Kilogramm<br />

Lebendgewicht; der als kritisch geltende<br />

Wert (5 Gramm/Kilogramm LG) kann<br />

aber bei ungebremster Futteraufnahme<br />

durchaus auch erreicht werden, wenn die<br />

Pflanzen unter Stress – durch mangelnde<br />

Düngung, Kälte, Trockenheit – besonders<br />

viele Speicher-Polyfruktane bilden. Deutlich<br />

über 200 Gramm pro Kilo Gras (i.Tr.) können<br />

dann auch bei kaltem Klima schwere Folgen<br />

haben.<br />

Insgesamt kann man sagen, dass das Nachwuchsvermögen<br />

der Leistungsgräser in frühen<br />

Vegetationsphasen, erhebliche ges<strong>und</strong>heitliche<br />

Risiken birgt, wohingegen bezeich-<br />

nenderweise bei gleichem Klima <strong>und</strong> Bodenverhältnissen<br />

auf unbewirtschafteten,<br />

insbesondere weidegrasfreien Magerstandorten<br />

wie Truppenübungsplätzen keine Rehefälle<br />

auftraten.<br />

Die Biologin weist außerdem auf den Einsatz<br />

symbiotischer Endophyten in der Pflanzenzucht<br />

hin: Neuerdings wird Gräsersaatgut<br />

mit bestimmten Pilzarten infiziert, um<br />

durch Produktion <strong>und</strong> Einlagerung bestimmter<br />

ungiftiger wie giftiger „sek<strong>und</strong>ärer Pflanzenstoffe“<br />

( z.T. verwandt mit Mutterkornalkaloiden<br />

) vermehrtes Wachstum <strong>und</strong> Triebentwicklung,<br />

Stresstoleranz <strong>und</strong> Fraßresistenz<br />

gegenüber Insekten <strong>und</strong> (Klein-)Säugetieren<br />

zu erreichen. Atypische Weidemyopathie,<br />

evt. auch Colitis X werden damit in Zusammenhang<br />

gebracht; ob sie auch als Auslöser<br />

für hufrehe eine Rolle spielen <strong>und</strong><br />

welche, wurde bisher nicht untersucht.<br />

Wer also wohlmeinend <strong>und</strong> womöglich unvorbereitet<br />

dem Liebling die ersehnte Freiheit<br />

auf der frischen Wiese gönnt, sollte sich<br />

nach dem oben gesagten vor Augen halten,<br />

dass die highlights der Leistungsfütterung<br />

(fette Marschweiden, frühe Schnittzeitpunkte,<br />

häufiges Mähen, Stickstoffdüngereinsatz<br />

etc.) selbst für hoch trainierte Sportpferde<br />

kritisch zu bewerten sind. Die Grünfuttergr<strong>und</strong>lage<br />

für Pferde, muss anders<br />

(„mager“) gestaltet sein, <strong>und</strong> muss von Bodenbewirtschaftung<br />

über Saatgutwahl bis<br />

hin zur Futterkonservierung ihren besonderen<br />

Anforderungen Rechnung tragen.<br />

Strukturfutter<br />

… warum es so wichtig ist!<br />

45<br />

Strukturierte Rohfaser ist nicht nur Näh r -<br />

substrat für die Dickdarmflora, sondern<br />

reguliert mechanisch die Darmtätigkeit<br />

(Förderung der Kautätigkeit sowie reflektorisch<br />

der Speichelbildung, Peristaltik<br />

<strong>und</strong> Verdauungssaftsekretion), wirkt als<br />

Barometer für den Füllungsdruck (kein<br />

Sättigungsgefühl ohne Ballaststoff!) <strong>und</strong><br />

als Absorber für Schadstoffe bei der Eindickung<br />

zu Kotballen im kleinen Grimmdarm.<br />

Das Verdauungssystem der Pferde<br />

ist nicht nur fähig, sondern besonders<br />

darauf ausgelegt, Pflanzenfaserstoffe in<br />

für den Körper verwertbare Betriebs<strong>und</strong><br />

Aufbaustoffe umzuwandeln <strong>und</strong><br />

diese aufzunehmen. Sie brauchen aufgr<strong>und</strong><br />

ihrer physiologischen Gegebenheiten<br />

Gr<strong>und</strong>futter mit einem höheren<br />

Rohfasergehalt (20 bis 25 Prozent), weniger<br />

Rohprotein, <strong>einer</strong> insgesamt geringeren<br />

Verdaulichkeit <strong>und</strong> entsprechend<br />

im Energiegehalt niedrigeren Werten.

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