04.04.09 - 140 Arbeitslose werden Erzieher 1 - Werkstatt Frankfurt eV
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Frankfurter Rundschau vom 04.04.09
140 Arbeitslose werden Erzieher
Neues Projekt der Werkstatt Frankfurt
VON MARTIN MÜLLER-BIALON
Noch im Januar, wenige Wochen bevor die Umschulung der 140 zu
Erziehern starten sollte, sah es so aus, als müsste das ganze Projekt
abgeblasen werden. Es fehlte ein Zertifizierungs-Siegel, das erst im letzten
Moment beizubringen war. Nun aber hat ein bundesweit einmaliges
Programm starten können: Langzeitarbeitslose werden in einer dreijährigen
Ausbildung zu vollwertigen Erziehern weitergebildet.
Ein Drittel Männer
Am Freitag kamen die Teilnehmer zur Auftakt-Feier in den Saalbau Gallus.
Schon auf den ersten Blick wurde deutlich: Es sind viele Männer dabei. Ein
Drittel der neuen Erzieher-Azubis sind männlich, im Vergleich zum
Männeranteil in den Kindergärten (acht Prozent) ein sensationeller Wert.
Sozialdezernentin Daniela Birkenfeld sprach denn auch von einer "idealen
Zusammensetzung" der angehenden Erzieher. "Sie sind die Richtigen", rief
die Christdemokratin den Gästen zu.
Umschulung
Ohne staatlich anerkannte Ausbildung darf niemand als Erzieher in einem
Kindergarten arbeiten. Diesen Anspruch erfüllt das Projekt der Qualifizierung
von Arbeitslosen zu Erziehern. Die 140 Umschüler absolvieren
Praktika und werden in der staatlichen Berta-Jourdan-Schule unterrichtet.
Die Federführung hat die Werkstatt Frankfurt. Ein Drittel der Azubis sind
Männer, ein Drittel allein erziehend und ein Drittel stammen aus
Zuwandererfamilien. Bedingung für die Teilnahme ist der volle Bezug von
Arbeitslosengeld.
Ursprünglich hatte das Rhein-Main-Jobcenter im Benehmen mit der
Werkstatt Frankfurt 3000 Arbeitslose angeschrieben und auf das
Ausbildungsangebot hingewiesen. 400 von ihnen durchliefen ein
umfangreiches Info- und Testverfahren. Am Ende blieben 140
Kursteilnehmer übrig, die im ersten Jahr vorwiegend in
Kindertageseinrichtungen hospitieren. Im zweiten Jahr folgt eine schulische
Ausbildung in der Berta-Jourdan-Schule. Den Abschluss bildet ein
Anerkennungsjahr, in dem die Absolventen bereits sozialversichert
angestellt werden - zuvor beziehen sie Arbeitslosengeld.
Die angehenden Erzieher erwarteten "beste Job-Perspektiven", versprach
Stadträtin Birkenfeld. Bildungsdezernentin Jutta Ebeling spezifizierte: "In
den nächsten Jahren werden 4400 Erzieherinnen gesucht. Das ist auf
Jahrzehnte ein krisensicherer Job." Der hohe Anteil von Zuwanderern sei
"eine wunderbare Bereicherung" für die Kitas, hob die Grünen-Politikerin
hervor.
Wie steinig der Weg bis zum Start des Projekts war, skizzierte Conrad
Skerutsch, Geschäftsführer der städtischen Qualifizierungsgesellschaft
"Werkstatt". Neben fehlenden Zertifikaten sei auch an der Rechtsgrundlage
der Ausbildung gezweifelt worden. "Am Ende sind uns Steine vom Herzen
gefallen."
Neben Werkstatt, Jobcenter und dem Eigenbetrieb städtische Kitas
beteiligen sich auch das Staatliche Schulamt sowie verschiedene Kita-
Träger als mögliche spätere Arbeitgeber an dem Projekt. Auch die
evangelische Kirche. Er freue sich, "dass mit dem Projekt verstärkt
Pädagogen in die Kitas kommen, die das Kompetenzspektrum in den
Einrichtungen erweitern", sagte Kurt-Helmuth Eimuth, Kita-Abteilungsleiter
im Diakonischen Werk. "Wir brauchen in den Tageseinrichtungen für Kinder
bunte, multiprofessionelle Teams, Musiker ebenso wie die Kunstpädagogen,
Schreiner ebenso wie die Logopädin."
Alle Redner machten den Kursteilnehmern Mut, die Ausbildung zu dem, so
Ebeling, "anstrengenden und spannenden Beruf" durchzustehen.
Kommentar
Lauter Gewinner
VON MARTIN MÜLLER-BIALOLN
Die Idee wurde, das muss man zugeben, aus der Not geboren. Frankfurt
sucht händeringend Erzieher, um den ab 2013 geltenden Rechtsanspruch
auf einen Krippenplatz erfüllen zu können. Wenn man also auf der einen
Seite zu wenig Erzieher und auf der anderen zu viele Arbeitslose hat, was
liegt da näher, als aus den Arbeitslosen Erzieher zu machen?
So ein fach, so genial. Bloß zeigte sich in der Umsetzung, dass verschiedene
staatliche Stellen, bis hin zum Bundesarbeitsministerium, eher das Haar in
der Suppe suchten als die Projektidee zu fördern. Mehrfach stand das
Vorhaben deshalb vor dem Ende. Dass es nun doch losgehen konnte, ist der
Hartnäckigkeit der Planer, allen voran Werkstatt-Geschäftsführer Skerutsch,
zu verdanken.
Um die Seriosität der Arbeitslosen, die in die Kitas kommen, braucht sich
niemand zu sorgen. Die Bewerber mussten ein strenges Auswahlverfahren
über sich ergehen lassen, von 3000 blieben 140 übrig. Denen steht nun
eine anspruchsvolle Ausbildung bevor, sicher werden das nicht alle
durchstehen - immerhin sind die Teilnehmer für weitere zwei Jahre auf
Arbeitslosengeld angewiesen.
Der Versuch lohnt sich dennoch. Bei diesem Projekt können eigentlich alle
nur gewinnen.