18.06.2013 Aufrufe

Gesamte Ausgabe als PDF - 1,4 MB - Wir Frauen

Gesamte Ausgabe als PDF - 1,4 MB - Wir Frauen

Gesamte Ausgabe als PDF - 1,4 MB - Wir Frauen

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

DAS FEMINISTISCHE BLATT<br />

Hartz: Wohin des Wegs?<br />

22. JAHRGANG<br />

HERBST 3/2003<br />

€ 3,–<br />

global brutal – brutal global


1Eine Schweigeminute<br />

Nach einer Idee von Adriana Domingues<br />

Wenn du noch immer den<br />

Schock fühlen kannst angesichts<br />

der Bilder vom Angriff<br />

auf die Twin Towers in New York, dann<br />

schweige bitte für eine Minute,um jenen<br />

3.100 toten AmerikanerInnen sowie all den<br />

anderen Menschen anderer Nationalität<br />

deinen Respekt zu erweisen. Sie waren<br />

unschuldige Zivilisten und wurden feige<br />

von Terroristen ermordet.<br />

Nachdem du nun für eine Minute<br />

geschwiegen hast, bleibe bitte stumm für<br />

weitere 42 Minuten, um der 130.000 IrakerInnen<br />

zu gedenken,die allein 1991 getötet<br />

wurden, auf Geheiß des alten George<br />

Bush, viele davon auf der Flucht auf dem<br />

sogenannten „Highway to Hell“. Schweige<br />

3 Stunden für die 555.000 irakischen<br />

Kleinkinder, die zwischen 1991 und 2003<br />

infolge des Embargos an unzureichender<br />

medizinischer Versorgung und Mangelernährung<br />

gestorben sind.<br />

Bitte verwende eine weitere Stunde<br />

und 5 Minuten auf die 200.000 IranerInnen,<br />

die von den Soldaten Saddam Husseins<br />

getötet wurden, mit Waffen, die von<br />

den USA geliefert worden waren.<br />

Schweige dann 58 Minuten für die<br />

30.000 Russen und 150.000 Afghanen, die<br />

im Kampf gegen die Taliban starben,welche<br />

ebenfalls von den USA mit Waffen und Geldern<br />

in dreistelliger Millionenhöhe ausgestattet<br />

wurden.<br />

Gedenke der 200.000 ZivilistInnen,die<br />

starben, <strong>als</strong> die USA 1954 Arbenz, den<br />

demokratisch gewählten Präsidenten Guatemalas,<br />

stürzten sowie der 5.000 ChilenInnen,<br />

die unter Pinochet ermordet wurden,<br />

der an die Macht kam, nachdem die<br />

USA den Putsch gegen Allende angezettelt<br />

hatten.Vergesse weder die 70.000 Salvadorianer<br />

und die 4 amerikanischen Nonnen,<br />

die unter der von den USA unterstützten<br />

Militärregierung getötet wurden, noch die<br />

3.000 ZivilistInnen, die 1989 beim Einmarsch<br />

der US-Truppen in Panama starben.<br />

Schweige auch für die 30.000 NicaraguanerInnen,<br />

die Anfang der 80er Jahre zu<br />

Opfern eines Krieges „mit niedriger Intensität“<br />

wurden, ausgeführt durch die Contras,<br />

ihrerseits finanziert und ausgebildet<br />

durch die USA. Für all diese Opfer im „Hinterhof<br />

der USA“ verwende mindestens<br />

1 Stunde und 40 Minuten.<br />

Schweige für mindestens 21 Stunden,<br />

um der 4 Millionen ZivilistInnen zu<br />

gedenken, die zwischen 1963 und 1975 in<br />

Südostasien von der US-Armee getötet wurden.<br />

Widme 32 Minuten der Stille den<br />

100.000 JapanerInnen, die in Hiroshima<br />

und Nagasaki durch amerikanische Atombomben<br />

starben.<br />

Schweige auch für die Opfer der<br />

militärischen US-Interventionen im Kongo<br />

(1964), in Libyen (1986), im Sudan (1998)<br />

und Jugoslawien (1999).


Liebe <strong>Frauen</strong>…<br />

Im sogenannten Sommerloch, fernab der<br />

Öffentlichkeit, geschieht bekanntlich<br />

Unerhörtes. So sollen am 15. und am 27.<br />

August zwei Prozesse stattfinden, die immer<br />

wieder hinausgezögert werden. Der Prozess<br />

gegen die ehemalige kurdische Parlamentsabgeordnete<br />

und Trägerin des Sacharow-Menschenrechtspreis<br />

des Europa-Parlaments 1995<br />

Leyla Zana wurde im April, unter dem Druck<br />

des Urteils des Europäischen Gerichtshofs<br />

bezüglich eines fairen Prozesses, in Ankara<br />

neu aufgerollt. Lelya Zana ist seit fast zehn<br />

Jahren hinter Gittern.<br />

Amina Lawal, Nigeria, die Anfang 2004<br />

gesteinigt werden soll, – wenn sie ihre Tochter<br />

Wasila nicht mehr stillt – hat gegen ihre<br />

menschenrechtswidrige Verurteilung Berufung<br />

eingelegt. Apropos: Auch von uns<br />

haben sich einige an der digitalen Unterschriftensammlung<br />

gegen die Steinigung<br />

beteiligt – und sind damit einem sogenannten<br />

„Hoax“ aufgesessen. Nicht nur, dass die<br />

Aktion nicht von Amnesty International organisiert<br />

wurde: Aktionen wie diese können<br />

mitunter sogar kontraproduktiv sein,nämlich<br />

dann, wenn Regierungen angesichts des<br />

öffentlichen internationalen Drucks keine<br />

„Schwäche“ zeigen wollen.Mehr dazu in diesem<br />

Heft.<br />

Unerhörtes gibt es auch, was die individuellen<br />

Grundrechte betrifft.Während<br />

der Papst gegen die Homo-Ehe<br />

wütet und die Hamburger evangelische<br />

Bischöfin Maria Jepsen, die die Legalisierung<br />

homosexueller Lebenspartnerschaften begrüßt,<br />

vom Initiativkreis katholische Laien<br />

und Priester zur „persona non grata“ erklärt<br />

wird, wurde in Israel ein rassistisches Gesetz<br />

verabschiedet: Es zwingt künftig israelischpalästinensische<br />

Ehepaare, getrennt zu leben<br />

oder Israel zu verlassen,und es verwehrt Kindern<br />

aus den palästinensischen Gebieten<br />

sowohl die Staatsbürgerschaft <strong>als</strong> auch eine<br />

Aufenthaltsgenehmigung!<br />

Unerhört auch die Brutalität im Krieg<br />

gegen den Irak. Dass Uranmunition<br />

der USA das Land vergiftet und bei<br />

Neugeborenen zu schwersten Missbildungen<br />

führt, war bereits bekannt. Nun mussten die<br />

USA nach erstem Leugnen doch noch zugeben,<br />

international geächtete Brandbomben,<br />

Nachfolger des Napalms,eingesetzt zu haben.<br />

Zeitgleich erklärt Condoleezza Rice in einer<br />

Rede vor der Vereinigung Schwarzer Journalisten<br />

in Dallas mit einer tollkühnen Argumentationskette<br />

den Irakkrieg zu einem<br />

Krieg gegen Rassismus. Man habe den Krieg<br />

schließlich deshalb geführt, so Rice, weil<br />

westliche, insbesondere US-amerikanische<br />

Freiheiten für alle Nationalitäten zu gelten<br />

haben. Eine weitere Variante, das Unerhörte<br />

zu rechtfertigen...<br />

Aus der wissenschaftlichen <strong>Frauen</strong>ecke<br />

gibt es Trauriges wie Erfreuliches zu<br />

berichten. Die Zeitschrift „metis“, die<br />

zehn Jahre lang den Weg historischer <strong>Frauen</strong>forschung<br />

hin zu Gender Studies begleitet hat,<br />

hat leider ihr Erscheinen eingestellt. Unser<br />

Dank gilt den Herausgeberinnen, die brisante<br />

Themen aufgegriffen und aufgearbeitet haben,<br />

von „Ist die Nation weiblich?“ bis zu „Säkularisierung“<br />

und „Verwerfungen“. <strong>Wir</strong> werden,<br />

ihrer Empfehlung folgend, frauen- und<br />

geschlechtergeschichtliche Themen künftig in<br />

der Zeitschrift „Ariadne“ weiter verfolgen.<br />

<strong>Wir</strong> freuen uns über eine neue Mitarbeiterin!<br />

Sonja Vieten aus Düsseldorf<br />

gibt ihr Debut in dieser<br />

<strong>Ausgabe</strong>. Gabriele Bischoff, eine unserer verantworlichen<br />

Redakteurinnen, nimmt eine<br />

Auszeit, um wieder Kraft zu sammeln. Die<br />

braucht es, für soviel Engagement in einer<br />

Vielzahl von Projekten. <strong>Wir</strong> wünschen ihr<br />

alles Gute und freuen uns schon jetzt auf ihre<br />

Rückkehr!<br />

Unsere Mitarbeiterin Elisabeth Klaus,<br />

Hochschullehrerin am Zentrum für interdisziplinäre<br />

Medienwissenschaft der Universität<br />

Göttingen, wird im Herbst Professorin für<br />

Kommunikationswissenschaft am Institut selbigen<br />

Namens an der Universität Salzburg.<br />

Herzlichen Glückwunsch!<br />

Was uns freut: Immer mehr Leserinnen<br />

runden ihre Rechnungen auf oder steigen um<br />

auf ein Förderabo. Dafür ein dickes Dankeschön!<br />

Einen schönen Herbst wünschen<br />

Melanie und Florence<br />

Redaktionsschluss dieser <strong>Ausgabe</strong> ist der<br />

4.8.2003.<br />

Die Winterausgabe erscheint im Dezember<br />

zum Schwerpunkt „Stadtplanung“.<br />

WIR FRAUEN 1/2003<br />

3<br />

INHALT<br />

Global brutal – brutal global......................6<br />

<strong>Frauen</strong>rechte <strong>als</strong> Kriegslegitimation<br />

in den Medien ...................................7<br />

<strong>Frauen</strong> und Deserteure im Krieg<br />

Ungehorsame <strong>Frauen</strong> und Soldaten<br />

im Vernichtungskrieg 1939-45.....................10<br />

Krieg und Gewalt sind keine Lösung<br />

Bonner Schülerin mischt sich ein ...............12<br />

Free Condoms – Free Palestine ................14<br />

Zwei Heldinnen<br />

Jessica Lynch:<br />

Heldin des Irak-Kriegs? ................................16<br />

Rachel Corrie:<br />

Heldin des Widerstandes? ..........................17<br />

www.McPlanet.com<br />

Die Umwelt in der<br />

Globalisierungsfalle ......................................18<br />

Andere Länder<br />

Das eigentliche Verbrechen ist,<br />

eine Frau zu sein .............................................21<br />

Angriff auf Solidarität mit<br />

kurdischem Befreiungskampf ..................22<br />

Der Fall Andrea Wolf jetzt vor<br />

Europäischem Gerichtshof ........................23<br />

Kurzinfos ...........................................................24<br />

Kultur<br />

Renate Riemeck ..............................................25<br />

Monique Wittig..............................................26<br />

Wohin des Wegs?<br />

Arbeitsmarktreform 2003 .........................28<br />

Kultur<br />

Parnass Nachschlag .....................................30<br />

Daten und Taten<br />

Sofia Lwowna Perowskaja<br />

und Hedwig Dohm ..................................... 35<br />

Außerdem<br />

Hexenfunk ......................................................... 4<br />

Termine ..............................................................27<br />

gelesen............................................................... 31<br />

Impressum ...................................................... 34<br />

Titelfoto<br />

Das Selbstporträt stammt<br />

von der Düsseldorfer<br />

Kunstfotografin Birgitta<br />

Thaysen. Sie macht ausschließlich<br />

Schwarz-Weiß-<br />

Fotografien und wird im<br />

nächsten Jahr mit einer Einzelausstellung zum<br />

Thema „Wolken“ in München vertreten sein.


Schottinnen-Schuhe<br />

zum Schutz misshandelter<br />

<strong>Frauen</strong><br />

Zum Wohl misshandelter <strong>Frauen</strong><br />

wollen mehr <strong>als</strong> 100 prominente<br />

Schottinnen bei einer Auktion Ende<br />

des Jahres ihre Schuhe versteigern.<br />

Genau 104 Schottinnen werden ihr<br />

Schuhwerk unter den Hammer bringen<br />

– jeweils für eine der 104 <strong>Frauen</strong>,<br />

die jedes Jahr in Großbritannien<br />

durch häusliche Gewalt sterben. Der<br />

Erlös soll Hilfsvereinen für misshandelte<br />

und vergewaltigte <strong>Frauen</strong><br />

zukommen. U.a. die Sängerin Annie<br />

Lennox und die Schriftstellerin Joanne<br />

K. Rowling stellen ihre Schuhe zur<br />

Verfügung. (dieStandard)<br />

Hohe Haftstrafen für<br />

Antikriegsaktion<br />

Drei katholische Ordensschwestern<br />

des Dominikanerordens drangen<br />

am 6. Oktober 2002 auf ein<br />

Raketengelände in Colorado ein,<br />

schlugen mit Hämmern auf ein Silo<br />

mit Langstreckenraketen ein und<br />

malten mit ihrem Blut ein Kreuz auf<br />

die Betonwand. Für diese Aktion<br />

wurden die drei Nonnen im Alter<br />

von 55 bis 68 jetzt wegen Beeinträchtigung<br />

der nationalen Verteidigung<br />

und Beschädigung von Staatseigentum<br />

zu Haftstrafen zwischen<br />

zweieinhalb Jahren und drei Jahren<br />

und fünf Monaten Gefängnis verurteilt.<br />

Die Nonnen traten die Haft<br />

sofort an, auch eine vorläufige Entlassung<br />

aus der Untersuchungshaft<br />

vor Abschluss des Prozesses hatten<br />

sie abgelehnt. Schwester Platte, die<br />

das höchste Strafmaß erhielt:„Wel-<br />

Anzeige<br />

HexenFunk<br />

che Strafe ich auch erhalte, ich werde<br />

sie freudig annehmen <strong>als</strong> eine<br />

Gabe des Friedens, und mit Gottes<br />

Hilfe wird sie meinem Geist keinen<br />

Schaden zufügen.“<br />

Klima der Angst für<br />

<strong>Frauen</strong> in Afghanistan<br />

Die Menschenrechtsorganisation<br />

Human Rights Watch warnt in<br />

einem Bericht von Ende Juli 2003,<br />

dass Gewalt und Übergriffe auf<br />

<strong>Frauen</strong> und Kinder den politischen<br />

Prozess und die Fortschritte im<br />

Bereich der <strong>Frauen</strong>rechte massiv<br />

gefährden. Außerhalb von Kabul<br />

haben die Warlords wieder die<br />

Macht übernommen und begehen<br />

schreckliche Menschenrechtsverletzungen.<br />

In ländlichen Gebieten trauen<br />

sich viele <strong>Frauen</strong> nicht mehr aus<br />

dem Haus. Das Klima der Gewalt<br />

verhindert die Teilnahme der <strong>Frauen</strong><br />

am Wiederaufbau der Gesellschaft.<br />

Die meisten afghanischen Mädchen<br />

können immer noch nicht die Schule<br />

besuchen. Politische Aktivisten, Journalisten<br />

und Redakteure erhalten<br />

Morddrohungen und werden von<br />

Armee und Polizei eingeschüchtert.<br />

Und die Staatengemeinschaft, die<br />

das Taliban-Regime stürzten, um<br />

„der Demokratie zum Sieg“ zu verhelfen,<br />

sieht tatenlos zu.<br />

Mädchen <strong>Frauen</strong><br />

Meine Tage<br />

Unter diesem Titel entwickelte<br />

die Münchener <strong>Frauen</strong>ärztin Elisabeth<br />

Raith-Paula ein Projekt für<br />

Mädchen zwischen 10 und 14 Jahren,<br />

WIR FRAUEN 2/2003<br />

4<br />

damit sie die Vorgänge in ihrem Körper<br />

besser verstehen. Der sechsstündige<br />

Projekttag „Dem Geheimcode<br />

des Körpers auf der Spur“ umfasst<br />

mehrere „Zyklusshows“, die spielerisch<br />

über die Abläufe im eigenen<br />

Körper informieren. Körpergefühl<br />

und Selbstbewusstsein von Mädchen<br />

und jungen <strong>Frauen</strong> sollen<br />

damit gestärkt werden. In Deutschland<br />

gibt es mittlerweile 300 ausgebildete<br />

Kursleiterinnen, die sich im<br />

Rahmen von Schul-Projekttagen an<br />

die Schülerinnen wenden. Weitere<br />

Informationen unter: www.mfmprojekt.de<br />

(www.frauensicht/ch).<br />

Abschiebestopp für<br />

politische Flüchtlinge in<br />

den Iran!<br />

Der <strong>Frauen</strong>verband Courage<br />

sammelt Unterschriften für einen<br />

Abschiebestopp und informiert über<br />

die Situation im Iran: Gefängnis, Folterungen<br />

und öffentliche Hinrichtungen<br />

sind an der Tagesordnung.<br />

Die Journalistin Zahra Kazemi, die<br />

Fotos von Studentendemonstrationen<br />

gemacht hatte, wurde verhaftet<br />

und starb nach Folterung im Gefängnis<br />

an Hirnbluten (Rheinische<br />

Post 17.07.2003). Konkreter Hintergrund<br />

für das Engagement ist die<br />

drohende Abschiebung der Courage-<br />

Frau Shaiesteh Hakami mit ihrem<br />

Mann und zwei Kindern. Wer die<br />

Aktion unterstützen will, wende sich<br />

bitte an: <strong>Frauen</strong>verband Courage<br />

Düsseldorf, c/o Lieselotte Bähren,<br />

Velberterstr. 3, 40227 Düsseldorf.<br />

Museum für Verhütung<br />

und Schwangerschaftsabbruch<br />

Das in unmittelbarer Nähe zum<br />

Wiener Westbahnhof geplante<br />

Museum sucht noch Exponate,<br />

bevor es eröffnet werden kann.<br />

Recherchiert und zusammengetragen<br />

wird das Museum von zwei<br />

Journalistinnen, ausgestellt werden<br />

sollen Instrumente und Behelfe,<br />

Modelle, Darstellungen, Erzählungen,<br />

Plakate und Informationsschriften.<br />

Hinzu kommen Interviews mit<br />

ÄrtzInnen und ApothekerInnen, mit<br />

WissenschaftlerInnen, Kräuterkundigen,Hebammen,„Engelmacherin-<br />

nen“ und <strong>Frauen</strong> und Männern, die<br />

ihre privaten Erlebnisse beisteuern<br />

wollen. Wie war das vor der Pille?<br />

Wie haben das die Groß- und Urgroßmütter<br />

gehandhabt, wenn sie<br />

keine Kinder wollten? Welche Mittel<br />

standen ihnen zur Verfügung? Wie<br />

gingen sie mit ungewollten Schwangerschaften<br />

um, <strong>als</strong> Abbrüche<br />

lebensbedrohend waren und sie <strong>als</strong><br />

Mörderin verurteilt werden konnten?<br />

Indem das Museum auf diese<br />

Fragen eingeht, will es ein konzentriertes<br />

Stück Kultur- und Medizingeschichte<br />

bewahren und zugänglich<br />

machen. Wer etwas beisteuern<br />

oder sich informieren will, wende<br />

sich an Dr. Susanne Krejsa, Tel: 0043<br />

(699) 17817804 oder Mag. Brigitte<br />

Oettl, Tel. 0043 (699) 17817803. Weitere<br />

Infos gibt es gleichfalls unter<br />

www.verhuetungsmuseum.at<br />

Anti-Diskriminierung<br />

bei Wal-Mart<br />

Die Handelskette Wal-Mart,<br />

größter privater Arbeitgeber der<br />

USA und in Deutschland nicht gerade<br />

im Ruf, sich für Arbeitnehmerrechte<br />

einzusetzen, wird künftig<br />

aktiv gegen Homosexuellen-Diskriminierung<br />

bei den eigenen Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeitern vorgehen.<br />

Zuvor hatte eine<br />

Homosexuellen-Gruppe aus Seattle<br />

zwei Jahre u. a. über Beteiligung an<br />

Aktienpaketen intensive Lobbyarbeit<br />

betrieben. Damit verfügen neun der<br />

zehn größten US-Unternehmen<br />

über eine Anti-Diskriminierungspolitik<br />

auf Grund sexueller Orientierung,<br />

nur Exxon Mobil hält sich<br />

zurück. In 197 der 500 größten<br />

Unternehmen können gleichgeschlechtliche<br />

LebenspartnerInnen<br />

an der Krankenversicherung der MitarbeiterInnen<br />

teilhaben. Und wo<br />

bleiben die deutschen Unternehmen?<br />

Feminine Strategie<br />

gegen Aids prallt auf<br />

männliche Abwehr<br />

Zeda Rosenberg, Leiterin der<br />

„International Partnership for Microbicides“,<br />

forscht seit etlichen Jahren<br />

zum Thema HI-Viren zerstörende<br />

Salben und Gele. Die Substanzen


sollen das Eindringen der Viren in<br />

die Zellen der Vagina verhindern.<br />

Rosenberg will damit <strong>Frauen</strong> in den<br />

Mittelpunkt von Präventionsmaßnahmen<br />

stellen. Denn Mädchen und<br />

<strong>Frauen</strong> kommt eine tragische Rolle<br />

bei der Ausbreitung von Aids zu. In<br />

Staaten, in denen <strong>Frauen</strong> sich aufgrund<br />

kultureller Gegebenheiten<br />

nicht gegen ungeschützten Sex und<br />

Vergewaltigungen – auch innereheliche<br />

– wehren können, kommt es zu<br />

extrem steigenden Zahlen infizierter<br />

<strong>Frauen</strong>, die den Virus dann gleichfalls<br />

an die Kinder weitergeben. Bis 2010<br />

könnte ein Gel zu einem akzeptablen<br />

Preis auf dem Markt sein, doch<br />

bisher konnte Rosenberg kaum jemanden<br />

für diese Idee interessieren:<br />

an den Schaltstellen für wissenschaftliche<br />

Förderungen sitzen Männer,<br />

die kein Interesse an frauenspezifischer<br />

Forschung haben. So<br />

werden Rosenbergs Forschungen<br />

privat gesponsert, staatliche Förderung<br />

gibt es nicht. (dieStandard)<br />

Donnerstag ist<br />

<strong>Frauen</strong>tag<br />

in der südspanischen Gemeinde<br />

Torredonjimeno. Donnerstags haben<br />

die Männer künftig Ausgehverbot,<br />

sollen sich wenigstens einmal in der<br />

Woche um Hausputz und Kinderbetreuung<br />

kümmern anstatt mit den<br />

Freunden Biertrinken zu gehen, so<br />

der Bürgermeister Javier Checa. Auf<br />

den Straßen werden vier <strong>Frauen</strong><br />

patrouillieren, um Missachtungen<br />

zu ahnden und Übeltätern das symbolische<br />

Bußgeld von 5 € abzunehmen.<br />

Torredonjimeno hat 14.000<br />

EinwohnerInnen und einen <strong>Frauen</strong>anteil<br />

von 52 %.<br />

(K)ein Anschluss unter<br />

dieser Nummer?<br />

Unter diesem provokanten Titel<br />

veranstalteten NRO <strong>Frauen</strong>forum und<br />

das Projektbüro WOMNET in Kooperation<br />

mit dem Journalistinnenbund<br />

eine Fachtagung zu neuen Informations-<br />

und Kommunikationstechnologien<br />

(IKT). Fragestellung war: Wie<br />

kann eine Geschlechterperspektive<br />

in den 1. Weltgipfel zur Informationsgesellschaft<br />

eingebracht werden, der<br />

im Dezember 2003 in Genf stattfindet<br />

und 2005 in Tunis fortgesetzt wird?<br />

Die Ergebnisse der Fachtagung flossen<br />

in das Positionspapier „Neue<br />

Informations- und Kommunikationstechnologien“.<br />

Ein Gesichtspunkt<br />

sind die politischen Forderungen an<br />

die deutsche Regierung, wobei scharf<br />

kritisiert wird, dass der Weltgipfel in<br />

der deutschen Öffentlichkeit kaum<br />

bekannt ist und die Vorbereitungen<br />

der Bundesregierung hierzu völlig<br />

im Dunkeln liegen. Einige weitere<br />

Forderungen: Zugangsmöglichkeiten<br />

für <strong>Frauen</strong> zu IKT müssen finanziell<br />

unterstützt werden, <strong>Frauen</strong> müssen<br />

an der Definition und den Bedingungenvon<br />

Zugängen beteiligt werden,<br />

Cyber-Sicherheit muss auch <strong>als</strong> Freiheit<br />

von Gewalt, sexualisierter<br />

Gewalt durch Pornographie definiert<br />

werden und Verstöße müssen strafrechtlich<br />

verfolgt werden. Vom 15.-26.<br />

September findet in Genf eine dritte<br />

Vorbereitungskonferenz zum Weltgipfel<br />

statt. Weitere Informationen<br />

unter www.womnet.de.<br />

(womanticker)<br />

Roberta – Mädchen<br />

erobern Roboter<br />

Das Projekt soll helfen, das<br />

Interesse von <strong>Frauen</strong> und Mädchen<br />

für Informatik und Naturwissenschaften<br />

zu wecken. Mit Robotern<br />

und Roboterbaukästen lassen sich<br />

Themen der Robotik vermitteln, daraus<br />

abgeleitet ein Zugang zu einer<br />

Technologie finden, die heute in<br />

praktisch allen technischen Geräten<br />

Anwendung findet. Deshalb werden<br />

Roboterkurse entwickelt, die insbesondere<br />

Mädchen ansprechen. Sie<br />

sollen erfahren, dass Technik Spaß<br />

macht und technische Systeme<br />

selbstständig entwickeln lernen. Die<br />

bisherigen Robotik-Programme<br />

(Roboter-Fußball) stoßen dagegen<br />

bei Mädchen eher auf Desinteresse.<br />

Zielsetzung des Projekts ist, Mädchen<br />

neue Berufsperspektiven aufzuzeigen.<br />

Und: Wenn sich <strong>Frauen</strong><br />

mehr für technische Fragestellungen<br />

interessieren, besteht die Chance,<br />

dass sie solche Systeme in Zukunft<br />

mitgestalten. Federführend ist das<br />

Fraunhofer Institut Autonome Intelligente<br />

Systeme (AIS) mit Beteiligung<br />

u. a. von <strong>Frauen</strong> geben Technik<br />

neue Impulse e.V., Deutsches Museum<br />

Bonn, Schulen ans Netz e.V., ver-<br />

schiedene Universitäten. Das mit<br />

Bundesmitteln geförderte Projekt<br />

läuft bis 31. Oktober 2005. Weitere<br />

Informationen: Fraunhofer Institut<br />

AIS, Schloss Birlinghoven, 53754<br />

Sankt Augustin, Tel: (0 22 41) 14-24 41<br />

(vormittags), oder<br />

www.ais.fraunhofer.de/ROCK/roberta<br />

Jahrestagung der<br />

Lagergemeinschaft<br />

Ravensbrück/Freundeskreis<br />

e.V. (LGRF)<br />

Die Tagung findet vom 30.09.-<br />

03.10.2003 in Moringen statt. Thema<br />

wird die Geschichte des Konzentrationslagers<br />

Moringen sein, es wird<br />

Begegnungen mit Überlebenden<br />

der ehemaligen Lagergemeinschaft<br />

Moringen geben. Gleichzeitig wird<br />

die Ausstellung „Schwestern vergesst<br />

uns nicht“ eröffnet. Nähere Informationen<br />

dazu gibt es in den Ravensbrückblättern,<br />

die jetzt auch online<br />

sind: www.ravensbrueckblaetter.de.<br />

Schwerpunktthema der aktuellen<br />

<strong>Ausgabe</strong>: Euthanasie in der Landesheil-<br />

und Pflegeanstalt Bernburg,<br />

vorgestellt wird u.a. die jüdische<br />

Widerstandskämpferin Olga Benario.<br />

Laurie Anderson – „The<br />

Record of the Time“<br />

Noch bis zum 19.10.2003 wird<br />

im Kunstpalast Düsseldorf das Werk<br />

der New Yorker Performance-Künstlerin<br />

Laurie Anderson vorgestellt.<br />

Sie selbst bezeichnet sich <strong>als</strong><br />

„Geschichtenerzählerin“. Ihr Werk<br />

zeichnet sich aus durch die Verbindung<br />

von Theater, Pop-Musik, Performance<br />

und Bildender Kunst. Mittels<br />

Computertechnik und Neuer<br />

Medien schafft sie Gesamtkunstwerke,<br />

arbeitet mit Lauten und<br />

Klängen. Die ausgestellten Arbeiten<br />

illustrieren die Etappen ihrer Tätigkeit<br />

seit den siebziger Jahren bis in<br />

die neueste Zeit. Videoarbeiten und<br />

Audioinstallationen werden erlebbar<br />

gemacht, es gibt Fotodokumentationen<br />

der wichtigsten Performances<br />

und ein Katalogbuch mit<br />

CD.Ort: stiftung museum kunst<br />

palast, Ehrenhof 4-5, 40479 Düsseldorf,<br />

tgl. außer montags geöffnet;<br />

www.museum-kunst-palast.de.<br />

WIR FRAUEN 2/2003<br />

5<br />

Liebe macht blind –<br />

Gewalt macht stumm<br />

So lautet die Botschaft eines<br />

Plakates, das Teil einer neuen Kampagne<br />

des Frankfurter Präventionsrates<br />

ist. In den kommenden zwei<br />

Jahren sollen dieses und ein weiteres<br />

Plakat (Der Partner fürs Leben ...<br />

kann das Leben zur Hölle machen)<br />

die Öffentlichkeit unter dem Motto:<br />

„Gewalt ist nie privat“ für das Problem<br />

der Gewalt in privaten Haushalten<br />

sensibilisieren. Die Kampagne<br />

ist Teil eines Aktionsplans des Arbeitskreises<br />

<strong>Frauen</strong> des Frankfurter<br />

Präventionsrates. Mit diesem Aktionsplan<br />

soll das im Januar 2002 verabschiedete<br />

Gewaltschutzgesetz auf<br />

kommunaler Ebene umgesetzt werden.<br />

Parallel zu dieser Plakataktion<br />

hat die Beratungsstelle <strong>Frauen</strong>notruf<br />

eine Hotline (069 / 70 94 94)<br />

geschaltet, die für Opfer, aber auch<br />

für Angehörige und all diejenigen,<br />

die Zeuge von Gewalthandlungen<br />

im privaten Bereich wurden, eine<br />

professionell betreute Erstberatung<br />

anbietet. (www.frankfurt.de)<br />

zusammengestellt von<br />

Marion Gaidusch


Global brutal –<br />

brutal global!<br />

Für den Titel dieser <strong>Ausgabe</strong> haben wir<br />

uns inspirieren lassen:„Global brutal“<br />

heißt ein empfehlenswertes Buch von<br />

Michel Chossudovsky, das anschaulich die<br />

Logik eines entfesselten Welthandels<br />

beschreibt, welcher in seiner Konsequenz<br />

zu Armut und Hungerkatastrophen und<br />

immer wieder zu Krieg und Staatsterror<br />

führt. „Die Allianz der Reichen forciert die<br />

Globalisierung der Armut, der Umweltzerstörung,<br />

der sozialen Apartheid, des Rassismus<br />

und der ethnischen Zwietracht“,<br />

belegt Chossudovsky.<br />

„Der Einkommensunterschied zwischen<br />

den reichsten und den ärmsten Ländern<br />

lag 1820 noch bei 3 zu 1,1950 bei 35<br />

zu 1,1973 bereits bei 44 zu 1 und 1992<br />

schließlich bei 72 zu 1. (...) Das Vermögen<br />

der 358 Milliardäre auf der Welt überstieg<br />

das jährliche <strong>Gesamte</strong>inkommen der Länder,<br />

in denen 45 % der Weltbevölkerung<br />

leben“, heißt es im Human Development<br />

Report des United Nations Development<br />

Programms von 1996. Armut, das Fehlen<br />

medizinischer Versorgung, die de-facto-<br />

Entmachtung demokratisch gewählter<br />

Regierungen durch von Gläubigerländern<br />

auferlegte, sozial höchst unverträgliche<br />

<strong>Wir</strong>tschaftsprogramme sind vielleicht weni-<br />

ger spektakulär <strong>als</strong> ein Krieg, letztendlich<br />

aber genauso tödlich.<br />

Die kapitalistische Globalisierung ist<br />

brutal – in ihren Methoden wie in ihren<br />

Konsequenzen.In Zeiten,in denen die eine<br />

Weltmacht daran geht, den arabischen<br />

Raum und in der Folge die ganze Welt neu<br />

zu ordnen, um – wie sie zynisch kundtut –<br />

durchaus auch offensiv ihre „vitalen Interessen“<br />

zu sichern, in Zeiten, in denen fast<br />

allerorts zur Wahrung der „inneren Sicherheit“<br />

BürgerInnenrechte in Frage gestellt<br />

werden und politisch Andersdenkende auf<br />

schwarzen Listen landen, wollen wir dem<br />

Thema globale Brutalität einen Schwerpunkt<br />

widmen.Der Krieg gegen den Irak ist<br />

offenkundig noch nicht vorbei und die<br />

nächsten Aggressionen (Syrien? Iran?) sind<br />

bereits in Vorbereitung. Dass auch die BRD<br />

dann wieder mitmischt, ist durchaus möglich<br />

– der bundesdeutsche Regierungspazifismus<br />

bezieht sich nicht auf Kriege<br />

generell – das zeigte schon der Jugoslawienkrieg.2001<br />

begrüßte Schröder gar „die<br />

Enttabuisierung des Militärischen in der<br />

deutschen Außenpolitik“. Gegen den Irak-<br />

Krieg war diese Regierung erst dann (auch<br />

mehr mit Worten <strong>als</strong> mit Taten),<strong>als</strong> klar war,<br />

dass es für bundesdeutsche <strong>Wir</strong>tschaftsin-<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

6<br />

teressen nicht viel zu holen geben würde.<br />

Mal ist es ein erfundener Hufeisenplan,mal<br />

der „Kampf gegen den Terror“ oder, wie<br />

zuletzt, sind es angebliche Massenvernichtungswaffen,<br />

die den Angriffskrieg legitimieren<br />

sollen.Wie <strong>Frauen</strong> dafür herhalten<br />

müssen, Kriege zu rechtfertigen, beschreiben<br />

Elisabeth Klaus und Susanne Kassel.<br />

Das Thema inspirierte unsere Zeichnerin<br />

Kornelia Wigh zu einem Vorher-nachher-<br />

Quiz.Birgit Gärtner stellt eine Gruppe israelischer<br />

Lesben und Schwule vor, die einfallsreich<br />

und provokant gegen die<br />

Besetzung Palästinas protestieren und Marit<br />

Büttner beleuchtet, was <strong>Frauen</strong> dazu<br />

bewegte und bewegt, ihr Leben zu riskieren,<br />

um Deserteuren zu helfen. Monika<br />

Morres stellt Alex vor, eine Schülerin aus<br />

Bonn, die wie viele angeblich doch so<br />

unpolitische Jugendliche mitgemischt hat<br />

im Widerstand gegen den Krieg. Und <strong>Wir</strong><br />

<strong>Frauen</strong>-Redakteurin Sonja Vieten berichtet<br />

vom Kongress www.McPlanet.com, wo<br />

„Ökos und Attacies“ diskutierten. An anderer<br />

Stelle stellt sie die Frage nach den „Heldinnen“<br />

in diesen kriegerischen Zeiten und<br />

der „Verwertung“, die sie in den Medien<br />

erfahren.<br />

Melanie Stitz


<strong>Frauen</strong>rechte <strong>als</strong><br />

Kriegslegitimation<br />

in den Medien<br />

Foto: Birgit Gärtner<br />

Der Irakkrieg, der zugleich der 3.<br />

Golfkrieg war,hat in vielen Ländern<br />

der Welt zu großen Protest- und<br />

Friedensdemonstrationen geführt. Unter<br />

den DemonstrantInnen befanden sich<br />

zurecht viele <strong>Frauen</strong>. Der 2. Golfkrieg von<br />

1991 war ein Krieg ohne Fotos,„ein Videospielkrieg“.<br />

Die Medienkritik vermutete<br />

dam<strong>als</strong> das „Verschwinden der Opfer“ in<br />

zukünftigen Kriegen und befürchtete ein<br />

Ende des Mitleids – denn unser Mitleid<br />

braucht anscheinend Bilder, die es erregen<br />

können. Die danach stattfindenden Kriege<br />

in Bosnien, Ruanda, Kosovo, Afghanistan,<br />

jetzt wiederum im Irak haben diese Vermutungen<br />

auf grausame Art widerlegt. Die<br />

Opfer sind auf die Bildschirme zurückgekehrt,<br />

ihre Not und ihr Elend bevölkern<br />

kurzfristig unsere Wohnzimmer. Opfer<br />

haben immer auch ein „weibliches<br />

Gesicht“, ist doch die Opferrolle in den<br />

Medien seit eh und je weiblich besetzt,wie<br />

bereits die frühen Studien zum <strong>Frauen</strong>bild<br />

in den deutschsprachigen Medien belegen.<br />

Neu ist hingegen, dass Verstöße gegen die<br />

Gleichberechtigung von <strong>Frauen</strong> und eine<br />

Verletzung von <strong>Frauen</strong>rechten in Konflikten<br />

eine zentrale Legitimation für militärisches<br />

Handeln liefern. So forderten selbst<br />

<strong>Frauen</strong>- und Friedensgruppen in Bosnien<br />

ein militärisches Eingreifen, nachdem die<br />

Vergewaltigung von <strong>Frauen</strong> zum zentralen<br />

Medienthema geworden war. Die Wiederherstellung<br />

von <strong>Frauen</strong>rechten lieferte<br />

zuletzt in Afghanistan eine wichtige Rechtfertigung<br />

für den von den USA und den mit<br />

ihnen verbündeten Staaten geführten<br />

Krieg.<br />

Der Terrorangriff am 11. September<br />

2001 in den USA erfuhr schnell eine Deutung<br />

<strong>als</strong> Krieg, der gegen die Amerikaner<br />

erklärt worden sei, und darüber hinaus<br />

gegen die gesamte zivilisierte Welt. Kaum<br />

ein Medium hinterfragte die Folgerichtigkeit,<br />

mit der ein Gegenschlag vorbereitet<br />

wurde. Zumindest einsichtig gemacht wer-<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

7<br />

No War<br />

Eine Fotoserie von Birgit Gärtner<br />

Es gibt viele Möglichkeiten, „NEIN!“<br />

zum Krieg zu sagen. Einige davon sind<br />

in dieser Ausstellung dokumentiert:<br />

Graffities, Transparente und individuelle<br />

Fenstergestaltung. In allen Beispielen<br />

wird die Ablehnung der imperialistischen<br />

Kreuzzüge deutlich zum Ausdruck<br />

gebracht.<br />

Die Aufnahmen entstanden – bis<br />

auf wenige Ausnahmen – in der Zeit<br />

von März bis Mai ‘03 in Hamburg. Ab<br />

dem 1. September ‘03 werden die Fotos<br />

im Kafé X in Hamburg (Schulterblatt)<br />

ausgestellt sein. Die Ausstellung umfasst<br />

insgesamt mehr <strong>als</strong> 50 Abbildungen<br />

und kann für 5 € pro Bild (20 x<br />

30 cm) plus Versandkosten bezogen<br />

werden. Anfragen unter: birgit.gaertner@hamburg.de<br />


’<br />

Foto: Birgit Gärtner<br />

den musste aber, wieso dieser sich gegen<br />

Afghanistan richten sollte,um dort ein Regime<br />

abzulösen, das lange von den USA <strong>als</strong><br />

kleineres Übel geduldet worden war. Eine<br />

solche Rahmung geschah in den deutschsprachigen<br />

Medien mittels des Themas<br />

Islam.Diese Argumentation wurde wesentlich<br />

durch die mediale Thematisierung der<br />

Rechte von <strong>Frauen</strong> gestützt.<br />

Dabei fand erst nach dem 11. September<br />

die seit Jahren offenkundige Unterdrückung<br />

von <strong>Frauen</strong> in Afghanistan in großem<br />

Umfang Eingang in die Medienagenda,<br />

wohingegen sie bereits vorher in verschiedenen<br />

<strong>Frauen</strong>zeitschriften thematisiert<br />

worden war. Die Bilder von burkatragenden<br />

<strong>Frauen</strong> wurden nun zum Symbol für<br />

die behauptete Unberechenbarkeit,Fremdheit<br />

und Irrationalität des Islam und für die<br />

Unmenschlichkeit der Taliban-Regierung.<br />

Im Rahmen dieser Kriegslogik war kein<br />

Platz für die vielschichtige Geschichte der<br />

Burka – <strong>als</strong> Mittel zugleich der kulturellen<br />

Eigenständigkeit gegenüber den Kolonial-<br />

mächten und der Unterwerfung der <strong>Frauen</strong>,wie<br />

es die algerisch-französische Schriftstellerin<br />

Assia Djebar eindrucksvoll beschrieben<br />

hat. Das Kleidungsstück wird in<br />

dieser Verkürzung zum Kriegsargument,da<br />

die NATO verspricht,das Land im Interesse<br />

der <strong>Frauen</strong> von den Taliban zu befreien.<br />

Drei Tage vor dem Angriff der USA auf<br />

Afghanistan zeigte das deutsche Magazin<br />

Der Stern das ganzseitige Foto einer Gruppe<br />

von burkatragenden <strong>Frauen</strong>, aus denen<br />

ein unverschleiertes Gesicht herausschaut.<br />

Das Bild verheißt in diesem Kontext die<br />

Befreiung der <strong>Frauen</strong>.Der erste Schleier ist<br />

gelüftet, bald werden andere folgen. Der<br />

Stern erwähnt jedoch nicht, dass das Foto<br />

bereits am 13. November 1996 von der<br />

Nachrichtenagentur AP verbreitet wurde.<br />

Dam<strong>als</strong>,wenige Wochen nach der Machtergreifung<br />

der Taliban, enthielt es keine Verheißung,<br />

sondern legte ein düsteres Zeugnis<br />

davon ab, was den <strong>Frauen</strong> unter den<br />

Taliban bevorstand: Nur eine einzige ist<br />

noch unverschleiert. Die Geschichte des<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

8<br />

Stern-Titels ist symptomatisch: Plötzlich<br />

wurden die <strong>Frauen</strong> und ihre Rechte ins<br />

Spiel gebracht, obwohl seit Jahren die<br />

afghanische <strong>Frauen</strong>organisation RAWA<br />

erfolglos versucht hatte, das Schicksal der<br />

afghanischen <strong>Frauen</strong> auf die politische Bühne<br />

oder auf die Medienagenda zu setzen.<br />

Nach dem Sieg über die Taliban begaben<br />

sich die westlichen Medien auf die<br />

Suche nach den entschleierten <strong>Frauen</strong>. Die<br />

wenigen,immergleichen Bilder von <strong>Frauen</strong><br />

ohne Burka wurden von den Medien<br />

gebraucht, um den Krieg auch im Nachhinein<br />

moralisch zu rechtfertigen. Relativ<br />

selten scheinen sie fündig geworden zu<br />

sein. Eine Kommentatorin bemerkte dazu:<br />

„Man braucht keine Übung,um den Bildern<br />

sofort ihre Künstlichkeit und ihren Inszenierungscharakter<br />

anzusehen.“ Die tatsächliche<br />

Situation von <strong>Frauen</strong> interessierte<br />

Medien und Politik kaum, passte sie doch<br />

weniger gut in das Bild des „gerechten<br />

Krieges“. Für die Menschen in Afghanistan<br />

fügte er sich nahtlos ein in die Geschichte


Die Situation der Frau vor dem Krieg und nach dem Krieg<br />

Finden Sie mindestens 10 gravierende Unterschiede.<br />

Die Lösung finden Sie auf der nächsten Seite.<br />

gewalttätiger Konflikte, die das Leben existenziell<br />

verändert haben.Gelegentlich erreichen<br />

uns auch heute Bilder aus Afghanistan.Auf<br />

den Straßen von Kabul sind einige<br />

wenige <strong>Frauen</strong>gesichter zu sehen, geprägt<br />

wird das Stadtbild nach wie vor von Männern<br />

und unförmigen Gestalten unter der<br />

Burka. Das aber ist genauso wenig ein Thema<br />

wie die Anstrengungen,die afghanische<br />

<strong>Frauen</strong> heute unternehmen, um das universelle<br />

Menschenrecht auf Gleichberechtigung<br />

einzulösen.<br />

Die Gender Studies haben immer wieder<br />

darauf hingewiesen, dass sich<br />

Geschlechterstereotype in Kriegs- und Konfliktzeiten<br />

verfestigen. Eine Erhebung des<br />

deutschen Journalistinnenbundes ergab<br />

entsprechend, dass bereits in der Vorkriegsberichterstattung<br />

zum Irakkrieg <strong>Frauen</strong><br />

<strong>als</strong> Nachrichtenmacherinnen und <strong>als</strong><br />

Subjekte der Nachrichten aus der Presse<br />

verschwanden. Auch das erhärtet unsere<br />

Beobachtung von der zunehmenden Instrumentalisierung<br />

von <strong>Frauen</strong>rechten zur Legi-<br />

timierung von Kriegen.<strong>Frauen</strong>gruppen und<br />

–verbände sollten diskutieren, wie sie darauf<br />

reagieren können – ohne sich für militärische<br />

Lösungen vereinnahmen zu lassen,<br />

aber auch ohne sich gegenüber dem Leid<br />

anderer <strong>Frauen</strong> gleichgültig zu verhalten.<br />

Susanne Kassel, MA, ist wissenschaftliche<br />

Mitarbeiterin am Zentrum für interdisziplinäre<br />

Medienwissenschaft der<br />

Universität Göttingen und promoviert zu<br />

Legitimationsstrategien in modernen<br />

Kriegen.<br />

Prof. Dr. Elisabeth Klaus ist Hochschullehrerin<br />

am Zentrum für interdisziplinäre<br />

Medienwissenschaft der Universität<br />

Göttingen und hat einen Ruf an das<br />

Institut für Kommunikationswissenschaft<br />

der Universität Salzburg erhalten.<br />

Elisabeth Klaus<br />

und Susanne Kassel<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

9<br />

Du hast Lust,<br />

bei der <strong>Wir</strong> <strong>Frauen</strong><br />

mitzumachen,<br />

die Zeitung <strong>als</strong> Forum zu nutzen, Artikel<br />

zu schreiben oder zu organisieren,<br />

AnzeigenkundInnen zu gewinnen,<br />

Inhalte auszuwählen etc.?<br />

Dann möchten wir Dich kennen lernen!<br />

<strong>Wir</strong>, das sind <strong>Frauen</strong> – nicht nur aus<br />

Düsseldorf und Umland – mit unterschiedlichen<br />

Hintergründen, Sicht- und<br />

Arbeitsweisen. Was wir gemeinsam<br />

haben: Viel Freude am Erstellen der<br />

<strong>Wir</strong> <strong>Frauen</strong>!<br />

Wenn Du mal „schnuppern“ möchtest,<br />

noch Fragen und Ideen hast, dann wende<br />

Dich einfach per E-Mail direkt an uns:<br />

wirfrauen@reviera.de oder nutze unsere<br />

Postanschrift.


<strong>Frauen</strong> und<br />

Deserteure<br />

im Krieg<br />

Im Nation<strong>als</strong>ozialismus hatte man bedingungslos<br />

zu gehorchen. Davon waren<br />

nicht nur Soldaten betroffen. Auch die<br />

<strong>Frauen</strong> der „NS-Volksgemeinschaft“ hatten<br />

sich zu unterwerfen.Viele passten sich dem<br />

System an. Andere verrichteten ihren<br />

„Dienst in der Volksgemeinschaft“ nur<br />

widerwillig, verhielten sich abweichend,<br />

verweigerten die Unterstützung des<br />

Systems und leisteten Widerstand. Auch in<br />

der Wehrmacht gab es ein Heer von Unfreiwilligen,<br />

die zwar Soldat sein, aber nicht<br />

unbedingt kämpfen wollten und sich den<br />

Befehlen verweigerten.Ganz zu schweigen<br />

von den Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern.<br />

1<br />

Wollte ein Soldat der Wehrmacht desertieren,<br />

musste er sich geschickt verstellen,<br />

und eine günstige Gelegenheit wie den Heimaturlaub<br />

abwarten. Häufig war er dabei<br />

auf die Hilfe von Angehörigen und Freunden<br />

angewiesen.<br />

Was viele nicht wissen: Es waren vor<br />

allem <strong>Frauen</strong>,die Deserteuren Unterschlupf<br />

gewährten, ihnen Essen verschafften und<br />

sie unter Lebensgefahr versteckten. 2<br />

Soldaten nutzten den Fronturlaub oder<br />

den Lazarettaufenthalt, um zu desertieren.<br />

Manchmal brachten Eheprobleme, sich<br />

anbahnende Liebesbeziehungen und andere<br />

persönliche Beziehungen die Soldaten<br />

in Gewissenskonflikt und zu dem spontanen<br />

Entschluss, der Truppe fernzubleiben.<br />

Häufig gerieten <strong>Frauen</strong> unbewusst in<br />

die strafbare „Beihilfe zur Fahnenflucht“.<br />

Sie lernten Soldaten in einem Lokal oder<br />

einem Luftschutzbunker kennen und nahmen<br />

sie mit nach Hause – ohne zu wissen,<br />

dass diese keine Urlaubsscheine besaßen.<br />

Oder sie wurden zu einer Freundin gerufen,<br />

deren Ehemann unerwartet zurückgekommen<br />

war. Die <strong>Frauen</strong> mussten dann<br />

sofort handeln und den Deserteur verstekken,<br />

denn Blockwarte wachten sorgsam<br />

über das Treiben ihrer „Volksgenossen“.<br />

Unter dem Druck der Illegalität entwickelten<br />

sich oft enge Beziehungen oder gar Liebesbeziehungen.<br />

3 Manch ein Deserteur ließ<br />

sich bewusst auf eine Liebschaft mit einer<br />

Frau ein,um sich bei ihr verstecken zu können.<br />

Schätzungsweise mehr <strong>als</strong> 100.000<br />

Deserteure versteckten sich bis zum Kriegsende<br />

oder flohen über die Grenze in die<br />

Schweiz. 4<br />

<strong>Frauen</strong>, die sich der staatlichen Aufforderung,<br />

Drückeberger zur Pflicht zu rufen,<br />

widersetzten, riskierten durch drohende<br />

Haben Sie 10 gravierende Unterschiede gefunden? Nein?<br />

<strong>Wir</strong> leider auch nicht.<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

10<br />

Ungehorsame <strong>Frauen</strong><br />

und Soldaten im<br />

Vernichtungskrieg<br />

1939-45<br />

„Sippenhaft“ 5 ihre Freiheit oder ihr Leben<br />

und das ihrer Angehörigen. Wer erwischt<br />

wurde, galt <strong>als</strong> „Beihelferin zur Fahnenflucht“<br />

oder „Zersetzerin der Wehrkraft“<br />

und wurde nach Paragraph 5 der Kriegssonderstrafrechtsverordnung<br />

zu Zuchthausstrafen<br />

von bis zu vier Jahren verurteilt.<br />

Hatten <strong>Frauen</strong> nachweislich politisch<br />

motiviert gehandelt, wurde die Todesstrafe<br />

verhängt.<br />

Die Beweggründe der <strong>Frauen</strong> waren,<br />

abgesehen von pazifistischen und politischen<br />

Motiven, häufig persönlicher Natur.<br />

Sie wollten ihre Männer,Söhne und Brüder<br />

schützen, oder wenigstens für ein paar<br />

Stunden, manchmal nur für eine Nacht, die<br />

Strapazen des Kriegsalltags vergessen.Partnerbeziehungen<br />

und Familie galten in vielen<br />

Fällen <strong>als</strong> sicherster Ort des Widerstands<br />

und der Verweigerung gegen den<br />

Vernichtungskrieg. 6 Auch in den Kriegen<br />

der Gegenwart finden Deserteure am<br />

ehesten Unterstützung und Unterschlupf<br />

bei <strong>Frauen</strong> und ihren Familien.<br />

Deserteure und<br />

Unterstützerinnen heute<br />

Ein aktuelles Beispiel: der Zweite Golfkrieg.<br />

Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“<br />

schrieb im März diesen Jahres in einem<br />

Artikel: „Die Iraker desertieren in Massen,<br />

eine komplette irakische Heeresdivision<br />

mit 8000 Mann soll sich nach US-Berichten<br />

bereits ergeben haben.“ 7 Doch was<br />

geschah mit geflohenen Soldaten,die nicht<br />

den Verfolgern und Alliierten in die Hände<br />

fielen, sondern sich bei Angehörigen und<br />

Freunden verstecken konnten?<br />

Wie unter Hitler drohte Deserteuren<br />

und Kriegsunwilligen auch unter dem Diktator<br />

Saddam Hussein eine schwere Strafe.<br />

Um Fahnenflüchtige zu stigmatisieren, ließ


Foto: Birgit Gärtner<br />

Saddam Hussein Tausenden von Deserteuren<br />

ein Ohr abschneiden und zeichnete sie<br />

damit fürs Leben. Der „Spiegel“ erzählt die<br />

Leidensgeschichte des heute 31-jährigen<br />

irakischen Deserteurs Amer Mokassin.<br />

Amers Flucht begann 1990 an seinem 18.<br />

Geburtstag.Er begründet den Entschluss zu<br />

seiner Desertion so: „Ich hatte einfach<br />

Angst. Außerdem konnte ich mit dem Drill<br />

des Militärs und der Anbetung Saddams<br />

nichts anfangen.“ Das erste Versteck fand<br />

Amer bei seiner Tante Zainab in einem<br />

kleinen Dorf bei Basra. Zwar war er hier<br />

zunächst vor dem Zugriff der Armee sicher.<br />

Doch im Dorf hielt der al-Mukthar Ausschau<br />

nach Fremden und Verdächtigen.Wie<br />

im Nation<strong>als</strong>ozialismus hatten jeder Wohnblock<br />

und jede Straße im Irak einen solchen<br />

Blockwart der Baath-Partei, der seine<br />

Nachbarn beobachtete. Amer wurde nach<br />

einer Odyssee durch diverse Verstecke<br />

schließlich gefasst. Es wurde ihm ein Ohr<br />

abgeschnitten.Lange Zeit war er inhaftiert.<br />

Ohne die Hilfe seiner Tante und der Familie<br />

hätte er nicht überlebt. 8<br />

In Kriegen, Bürgerkriegen und Diktaturen<br />

sind besonders <strong>Frauen</strong> die Leidtragenden.<br />

Seit dem 20. Jahrhundert fordern Kriege<br />

mehr und mehr Opfer in der<br />

Zivilbevölkerung. <strong>Frauen</strong> sind für die Versorgung<br />

und den Familienzusammenhalt<br />

unter Kriegsbedingungen verantwortlich,<br />

<strong>als</strong> Schwestern,Töchter, Ehefrauen und vor<br />

allem <strong>als</strong> Mütter müssen sie den Verlust von<br />

in den Krieg gezogenen Angehörigen ver-<br />

kraften. Aus diesem Grund wurden verschiedene<br />

internationale <strong>Frauen</strong>-Friedensinitiativen<br />

gegründet,die sich besonders um<br />

die Deserteure kümmern.Beispielsweise die<br />

1991 von Belgrader <strong>Frauen</strong> gegründete<br />

Organisation „Schwarze <strong>Frauen</strong>“, angeregt<br />

von dem Vorbild der gleichnamigen israelischen<br />

Friedensorganisation.Gemeinsam mit<br />

anderen Gruppen forderten sie im Mai 2000<br />

von der jugoslawischen Regierung eine<br />

Amnestie für Deserteure. In einem Aufruf<br />

in Studenica fordern sie „die augenblickliche<br />

Freilassung aller Gefangenen und die<br />

Einstellung aller Strafverfahren gegen Militärdienstverweigerer<br />

während des letztjährigen<br />

Krieges“.Und weiter:„Veränderungen<br />

in der Gesetzgebung (...), um das Recht auf<br />

Kriegsdienstverweigerung anzuerkennen<br />

und praktische Bedingungen für die Umsetzung<br />

des Rechts auf Zivildienst statt des<br />

Militärdienstes ohne irgendeine Form der<br />

Diskriminierung zu schaffen.“ 9 Die Vereinigung<br />

ist Anlaufstelle für Deserteure,Kriegsdienstverweigerer<br />

und deren Angehörige.<br />

Die Aktivistinnen helfen Flüchtlingen und<br />

Kriegsopfern und veranstalten Seminare für<br />

Gewaltfreiheit. Sie treten für Emanzipation<br />

und <strong>Frauen</strong>rechte ein. <strong>Frauen</strong>bewegung<br />

und Friedensbewegung sind für sie miteinander<br />

verbunden, da der Kampf gegen<br />

Nationalismus und Krieg auch ein Kampf<br />

gegen propagierte Geschlechtsrollen ist.<br />

Dem Männlichkeitsideal der Nationalisten<br />

stellen sie konsequenten Pazifismus entgegen:<br />

So proklamiert die 84-jährige ehemali-<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

11<br />

ge Partisanin und Widerstandskämpferin<br />

gegen die nation<strong>als</strong>ozialistische Herrschaft<br />

und heutiges Mitglied der „<strong>Frauen</strong> in<br />

Schwarz“ Neda Bozinovic:„Hört mal,Jungs,<br />

das ist doch überholt, dermaßen veraltet,<br />

heutzutage den bewaffneten Kampf propagieren<br />

zu wollen. [...] Ihr, die Ihr so jung<br />

seid,hängt einer antiquierten Idee an,deren<br />

Prinzip selbst überholt ist.Ich,eine Frau mit<br />

Erfahrung im bewaffneten Kampf, wähle<br />

heute die Gewaltlosigkeit. Gewaltlosigkeit<br />

ist keine Feigheit. Sie ist einfach der heutigen<br />

Zeit am besten angepasst. Daran solltet<br />

Ihr Euch mit aller Entschiedenheit halten“.<br />

Maren Pauline Büttner<br />

1 Bröckling, Ulrich (1997): Disziplin, Soziologie und<br />

Geschichte militärischer Gehorsamsproduktion,<br />

München. S. 11<br />

2 Siehe dazu: Büttner, Maren: „Der ganze Krieg ist ja<br />

Wahnsinn“. Erinnerungen an <strong>Frauen</strong> im Kontext<br />

von Wehrmachtsdesertionen. In: Büttner, Maren;<br />

Koch, Magnus (2003): Zwischen Gehorsam und<br />

Desertion. Handeln, Erinnern, Deuten im Kontext<br />

des Zweiten Weltkriegs. Köln.<br />

3 Rothmaler, Christiane (1997): „...weil ich Angst<br />

hatte, daß er erschossen würde“. <strong>Frauen</strong> und<br />

Deserteure. In: Ebbinghaus, Angelika; Linne,<br />

Karsten (Hg.) (1997): Kein abgeschlossenes Kapitel:<br />

Hamburg im „Dritten Reich“, Hamburg, S. 461-486.<br />

Vgl. auch: Büttner, Maren; Koch, Magnus (2003):<br />

Zwischen Gehorsam und Desertion. Handeln,<br />

Erinnern, Deuten im Kontext des Zweiten<br />

Weltkriegs. Köln. S. 171<br />

4 Haase, Norbert (1994): Alltag in der Katastrophe.<br />

Anmerkungen zur Geschichte der Überlebensstrategien<br />

deutscher Deserteure im Zweiten Weltkrieg.<br />

In: Alltagskultur, Subjektivität und Geschichte.<br />

Hrsg. von der Berliner Geschichtswerkstatt.<br />

Münster. S. 280<br />

5 Sippenhaftung bedeutete im Nation<strong>als</strong>ozialismus,<br />

dass jeder Angehörige einer Familie für die<br />

Handlungen eines anderen Familienmitglieds mithaften<br />

musste, wenn dieser vermeintlich straffällig<br />

geworden war. Es konnte auch bedeuten, dass das<br />

gesamte Vermögen der Familie eingezogen wurde,<br />

was schwerwiegende wirtschaftliche Schwierigkeiten<br />

nach sich zog.<br />

6 Hervé, Florence (1997): „<strong>Wir</strong> fühlten uns frei“.<br />

Deutsche und Französische <strong>Frauen</strong> im Widerstand.<br />

Essen. S. 75<br />

7 Der Spiegel vom 22. März 2003: Wohin mit dem<br />

Gefangenen-Heer? http://www.spiegel.de/politik/<br />

ausland/0,1518,241734,00.htm. 20. Juli 2003<br />

8 Der Spiegel vom 21. April 2003: Saddams Opfer.<br />

Die Männer ohne Ohren. Matthias Gebauer,<br />

http://www.spiegel.de/politik/ausland/<br />

0,1518,245529,00.html.20. Juli 2003<br />

9 Netzwerk Friedenskooperative (Network für<br />

German Peace Movement): Appell für eine<br />

Amnestie der Deserteure in der BR Jugoslawien<br />

von den Teilnehmern des Treffens zur Kriegsdienstverweigerung<br />

am 5.-7. Mai 2000 in Studenica.<br />

www.friedenskooperative.de/ff/ff00/4-16.htm.<br />

20. Juli 2003. Siehe auch: www.frauen-in-schwarz.de<br />

oder http://www.dfg-vk.de/connection.


Krieg und Gewalt<br />

sind keine Lösung<br />

Bonner Schülerin<br />

mischt sich ein<br />

Schon vor dem Beginn des Aggressionskrieges<br />

gegen den Irak gab es<br />

weltweit massiven Protest. Auch in<br />

Deutschland gingen Hunderttausende<br />

Demonstrant(inn)en auf die Straßen. Zur<br />

großen Verwunderung Vieler, die alle<br />

Jugendlichen schon <strong>als</strong> eine kollektive<br />

Spaßgesellschaft abgeschrieben hatten,<br />

gehörten gerade Schülerinnen und Schüler<br />

zu den Aktivsten gegen den Krieg.Eine von<br />

ihnen ist die 16-jährige Alex aus Bonn. Sie<br />

besucht den bilingualen Zweig eines Gymnasiums,ist<br />

Klassensprecherin der 10.Klasse<br />

und seit drei Jahren in der Schülermitverantwortung.<br />

Zu ihren Lieblingsfächern<br />

gehören Geschichte und Politik. „Ich war<br />

im September 2002 in Köln auf einer Antikriegs-Demo<br />

von attac. Das hat mich motiviert,<br />

mehr über die Hintergründe dieses<br />

Krieges zu erfahren und aktiv zu werden“,<br />

erzählt sie.In der Schule war der drohende<br />

Krieg kein zentrales Thema.Selbst <strong>als</strong> schon<br />

Soldaten in den Irak einmarschiert waren,<br />

meinte ein Lehrer, noch sei kein Krieg und<br />

es passierten jeden Tag so viele andere Dinge,<br />

über die man eigentlich reden müsste.<br />

Nach dem 11. September 2001 war das<br />

ganz anders: Es gab Schweigeminuten für<br />

die Opfer und das Fernbleiben von Schüler(inn)en<br />

von der Schule wurde entschuldigt.<br />

Über einige Tage hinweg waren die<br />

Anschläge Gesprächsstoff in jedem Unterrichtsfach.Von<br />

einigen Lehrern wurde die<br />

Frage aufgeworfen, ob diese Ereignisse zu<br />

einem dritten Weltkrieg führen könnten.<br />

„Ich fand,die Lehrer haben Panik gemacht.<br />

Sie waren ziemlich einseitig.<strong>Wir</strong> haben versucht,im<br />

Unterricht über mögliche Hintergründe<br />

zu diskutieren. Gegenargumente<br />

wurden aber nicht zugelassen. Für die Lehrer<br />

waren das Terroristen und Ende,“<br />

erinnert sich die Schülerin. Sie jedenfalls<br />

gewann den Eindruck, dass es scheinbar<br />

einen Unterschied macht, ob Amerikaner<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

12<br />

sterben oder Menschen im Irak.Alex hatte<br />

erfahren, dass sich in Bonn schon im<br />

Dezember 2002 verschiedene Gruppen zu<br />

dem Bonner Friedensbündnis zusammengeschlossen<br />

und sich auf einen gemeinsamen<br />

Forderungskatalog geeinigt hatten.<br />

„Die politischen Diskussionen dort waren<br />

für mich persönlich ein großer Gewinn.<br />

Außerdem hat mir sehr gefallen, dass uns<br />

die Leute ernst genommen und uns aktiv<br />

unterstützt haben“, äußert sie.<br />

Das hat sie und ihre Mitschüler/innen<br />

darin bestärkt, in der Schule Diskussionen<br />

über den Irak-Krieg einzufordern. Schließlich<br />

ist am Beispiel der „embedded“ Journalisten<br />

über die Frage von Wahrheit und<br />

Manipulation durch die Medien gesprochen<br />

worden. Unter dem Motto „Musik für<br />

den Frieden“ fand kurz nach Kriegsbeginn<br />

ein Konzert in der Schule statt,an dem sich<br />

alle Altersstufen beteiligten.Weil das Konzert<br />

länger dauerte <strong>als</strong> die Schulpause, gab<br />

es zwar Klassenbucheintragungen,aber keine<br />

weiteren Probleme.Es folgte eine Demo<br />

am 22. März, die von der Bezirksschülervertretung<br />

organisiert wurde. „Auch hier<br />

habe ich mich eingeklinkt, Flugblätter verteilt,<br />

Leute mobilisiert und mich darum<br />

gekümmert, dass wir auch in der Schule<br />

Plakate aufhängen konnten. Der Direktor<br />

hat zugestimmt, wenn auch nur widerwillig,“<br />

sagt Alex und vergisst nicht zu erwähnen,<br />

dass ihre Philisophie-Lehrerin eigentlich<br />

die einzige war,die von den Aktivitäten<br />

der Schüler/innen sehr begeistert war und<br />

sie unterstützt hat.<br />

Trotz der kurzen Vorbereitungszeit und<br />

einer nicht so perfekten Organisierung<br />

kamen über 4.000 Schüler/innen zur<br />

Demo. Es war ein Riesenerfolg. Auch die<br />

Lokalpresse hatte breit berichtet.Bei einem<br />

Treffen nach der Demo wurden fünf<br />

Arbeitsgruppen gebildet: für eine Lichterkette,<br />

ein Konzert, einen Schulstreik, eine<br />

Blockade und für ein die-in (die<br />

Akteur/innen legen sich, gehüllt in weiße<br />

Bettlaken und beschmiert mit roter Farbe,


Foto: Birgit Gärtner<br />

reglos auf öffentliche Plätze,um vor Augen<br />

zu führen, dass Menschen im Krieg getötet<br />

werden). Bis auf den Schulstreik konnten<br />

alle Pläne umgesetzt werden. So wie Alex<br />

an all diesen Aktivitäten beteiligt war, so<br />

war ihre Teilnahme an den Aktionen des<br />

Bonner Friedensbündnisses für sie eine<br />

Selbstverständlichkeit.„Es gibt immer friedliche<br />

Lösungen bei Problemen und Konflikten,<br />

wenn es die Politiker nur wollen.<br />

Ich lehne Krieg und Gewalt ab“, sagt sie<br />

aus voller Überzeugung.<br />

Weil Alex und andere Mitschüler/innen<br />

nicht der Meinung sind, der Krieg sei zu<br />

Ende, haben sie zu einem Aktionstreffen<br />

unter dem Motto „Jugend gegen Krieg -<br />

nach dem Krieg ist vor dem Krieg? - Ohne<br />

uns!“ eingeladen. Die Resonanz war allerdings<br />

enttäuschend. „Die Leute glauben<br />

wirklich,dass im Irak niemand mehr leidet,<br />

stirbt und dass das Land und die Menschen<br />

frei sind. Ich versuche, die Leute vom<br />

Gegenteil zu überzeugen und gebe nicht<br />

auf“,betont Alex und erzählt von ihren Plänen,<br />

Kontakt zu Jugendorganisationen auf-<br />

zunehmen. „Direkt mit irakischen Jugendlichen<br />

in Verbindung zu kommen und vielleicht<br />

in den Irak zu reisen“ wäre für sie ein<br />

Zukunftsprojekt, das sie gerne angehen<br />

würde. Außerdem wünscht sie sich, dass<br />

ihre Mitschüler/innen größeres Interesse<br />

für Politik zeigen und sich intensiver einmischen.Vielleicht<br />

kann sie ihren Teil dazu<br />

beitragen, wenn in nächster Zeit wieder<br />

eine Schüler/innen-Zeitung aus der Taufe<br />

gehoben werden soll,für die sie gerne politische<br />

Beiträge schreiben würde. Sie könnte<br />

sich gut vorstellen, später journalistisch<br />

zu arbeiten.Ansonsten möchte sie Deutschland<br />

gerne für eine längere Zeit verlassen,<br />

um andere Kulturen und Lebensweisen<br />

kennenzulernen. „Ich mag nicht, wie die<br />

Menschen hier miteinander umgehen und<br />

wie wenig man sich füreinander interessiert“,<br />

beklagt sie. Seit einiger Zeit hat sie<br />

Kontakt mit einem Obdachlosen und bei<br />

der Bonner Aids-Hilfe und im Schwulenund<br />

Lesben-Zentrum hat sie ein Betriebspraktikum<br />

gemacht.<br />

Monika Morres<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

13<br />

Was fürs Auge<br />

möchten wir Euch bieten!<br />

Dazu brauchen wir allzeit neues<br />

Bildmaterial für unser Layout-Archiv, z.B.<br />

selbstgemachte oder gefundene Fotos<br />

und Zeichnungen, witzige Postkarten,<br />

die Ihr aus dem Urlaub mitgebracht<br />

habt und und und.<br />

Ganz gezielt suchen wir Bildmaterial zu<br />

unseren nächsten Schwerpunktthemen<br />

• Krieg/Neue Weltordnung<br />

• Stadtplanung<br />

• Abenteurerinnen<br />

• Heilslehren<br />

Sendet Euer Material direkt an:<br />

Birgit Unger, RevierA GmbH,<br />

Franz-Arens-Straße 15, 45139 Essen<br />

Bitte legt – falls vorhanden – die<br />

Quellenangabe bei, damit wir uns um<br />

die Rechte kümmern können. Honorare<br />

können wir leider nicht zahlen.<br />

ˇ


Free Condoms<br />

– Free Palestine<br />

Kvisa Shchora: Israelische Lesben und Schwule aktiv gegen die Besatzung Palästinas<br />

„Die Dinge<br />

sind so<br />

schrecklich<br />

hier, dass<br />

mensch weinen<br />

möchte“,<br />

schreibt Gila<br />

Svirsky, Aktivistin der Koalition<br />

<strong>Frauen</strong> für einen gerechten<br />

Frieden, in ihrem Web-Tagebuch.<br />

„Oder zuhause sitzen und gar<br />

nichts tun. Oder nach Tel Aviv fahren<br />

und verloren gehen in der Fülle<br />

der Cafés, Galerien, Gourmettempel<br />

und einer politischen<br />

Partei namens Grünes Blatt, die<br />

sich für die Legalisierung von<br />

Marihuana einsetzt. Nun, das ist<br />

ein Weg, mit der <strong>Wir</strong>klichkeit<br />

zurecht zu kommen.“<br />

Gila Svirsky und die anderen <strong>Frauen</strong><br />

der Koalition haben sich für einen<br />

anderen Weg entschieden, sich mit<br />

ihrem Alltag auseinander zu setzen:Sie wollen<br />

die israelische „Realität in das Herz des<br />

reichen, künstlichen Tel Aviv“ bringen. Sie<br />

demonstrieren für Frieden und soziale<br />

Gerechtigkeit in Palästina und Israel. Beispielsweise<br />

organisierten sie am 27.12.02<br />

ein „protest-happening“ gegen die israelische<br />

Okkupationspolitik. Etwa 1.500 Menschen<br />

aus Israel,Europa und den USA beteiligten<br />

sich an diesem Kultur-Event. Dessen<br />

Höhepunkt war die öffentliche Vorführung<br />

des Films „Jenin, Jenin“ auf einem überdimensionalen<br />

Bildschirm im Zentrum von<br />

Tel Aviv. Darin dokumentiert Regisseur<br />

Mohamad El Bakri den Schockzustand der<br />

BewohnerInnen des palästinensischen<br />

Flüchtlingslagers Jenin nach der Besetzung<br />

durch die israelische Armee im Frühjahr<br />

2002. Der Film ist in Israel verboten, da er<br />

angeblich einseitig und manipulativ sei.Die<br />

preisgekrönte Dokumentation „Jenin,<br />

Jenin“ – ausgezeichnet <strong>als</strong> „Bester Film“ auf<br />

dem Carthage International Film Festival<br />

2002 - war der erste Film,der seit 15 Jahren<br />

in Israel verboten wurde. Produzent Iyad<br />

Samudi wurde kurz nach Beendigung der<br />

Dreharbeiten in der Nähe von Jenin von<br />

israelischen Soldaten getötet.<br />

Die Koalition <strong>Frauen</strong> für einen gerechten<br />

Frieden wird bei ihren Aktionen u.a.<br />

von Kvisa Shchora (Schwarze Wäsche)<br />

unterstützt. Das ist eine Gruppe von Lesben,<br />

Schwulen, Bisexuellen und Transgender,die<br />

sich für sexuelle Freiheit und gegen<br />

die Besatzung Palästinas engagieren. Bei<br />

Kvisa Shchora arbeiten arabische und israelische,atheistische,christliche,jüdische<br />

und<br />

muslimische Menschen aus Israel und Palästina<br />

zusammen. Allerdings ist es den PalästinenserInnen<br />

häufig nicht möglich,sich an<br />

den Treffen und Aktionen zu beteiligen.Die<br />

vielen Kontrollpunkte – Checkpoints – der<br />

israelischen Armee in den besetzten palästinensischen<br />

Gebieten machen jeden Gang<br />

aus dem Haus zu einer Reise mit schier<br />

unüberwindbaren Hindernissen.<br />

Kvisa Shchora trat das erste Mal im<br />

Sommer 2000 in Aktion: Auf dem Pride<br />

March in Tel Aviv,einer Lesben- und Schwulen-Parade<br />

analog dem hiesigen Christopher<br />

Street Day (CSD). Die etwa 150 Personen<br />

der Gruppe kleideten sich in Schwarz<br />

mit pinkfarbener Schärpe, daher der Name<br />

„Schwarze Wäsche“. Ihr Anliegen war es,<br />

neben der eigenen Unterdrückung auf den<br />

Krieg gegen die palästinensische Bevölkerung<br />

aufmerksam zu machen – Zielgruppe<br />

waren auch die Lesben und Schwulen.„<strong>Wir</strong><br />

hielten es für unmöglich, unsere bürger-<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

14<br />

lichen Freiheiten in einer Atmosphäre wie<br />

beim Karneval zu feiern, und gleichzeitig<br />

zu wissen,dass nur ein paar Kilometer entfernt<br />

von uns Menschen im Belagerungszustand<br />

leben und hungern“, erläuterte<br />

Kvisa Shchora-Aktivistin Dana Rubin gegenüber<br />

<strong>Wir</strong> <strong>Frauen</strong>. Ein Mitglied der Gruppe<br />

kommt aus Ramallah in Palästina. Bei den<br />

Militäreinsätzen dort wurde das Haus seiner<br />

Familie komplett zertrümmert, einige<br />

Angehörige überlebten die Invasion nicht.<br />

Er war durch seinen von der israelischen<br />

Armee zerstörten Heimatort gegangen und<br />

hatte Überreste des Militärarsen<strong>als</strong> in Plastiktüten<br />

gesammelt.So konnte Kvisa Shchora<br />

einen ganzen Einkaufswagen voller<br />

Patronenhülsen und Granatenreste auf den<br />

Pride March bringen. Dana Rubin und eine<br />

zweite Person, die den Wagen geschoben<br />

hatten, wurden vorübergehend festgenommen.<br />

Doch der Einsatz hatte sich gelohnt:<br />

Alle israelischen Medien berichteten über<br />

die Aktion.<br />

Sie hatten jedoch nicht nur die Presselandschaft<br />

aufgemischt, sondern auch die<br />

Lesben- und Schwulenszene. Die waren<br />

zum einen sauer, dass die Gruppe mit<br />

einem Einkaufswagen voller Kriegsmüll<br />

mehr Medienpräsenz erreichte, <strong>als</strong> die<br />

ganze Szene während ihrer gesamten<br />

Geschichte.Zum anderen befürchteten viele,<br />

dass die Bewegung nun insgesamt <strong>als</strong><br />

pro-palästinensisch abgestempelt würde.<br />

Grund genug für Kvisa Shchora zu beschließen,<br />

<strong>als</strong> Gruppe zusammen zu arbeiten<br />

und auch künftig auf dem Pride March<br />

mit Slogans wie „Free Condoms – Free<br />

Palestine“ oder „transgender – not transfer“<br />

aufzutauchen.<br />

Neben der schwarzen Kleidung sind<br />

spektakuläre Aktionen das Markenzeichen<br />

der Gruppe:u. a.wurden Personalausweise<br />

in palästinensischen Farben für die Mitglieder<br />

gedruckt.


Im Frühjahr 2002 beteiligten sie sich<br />

an den Aktionen gegen die Kampfhandlungen<br />

der israelischen Armee in den besetzten<br />

Gebieten.Beispielswiese versuchte eine<br />

Gruppe von FriedensaktivistInnen am 3.<br />

April 2002 in eines der Kriegsgebiete zu<br />

gelangen. Sie wurden von israelischen Soldaten<br />

gewaltsam daran gehindert, 21 von<br />

ihnen mussten anschließend ins Krankenhaus<br />

gebracht werden.Kvisa Shchora organisierte<br />

u.a. Lebensmitteltransporte in die<br />

Kriegsgebiete während der Kampfhandlungen<br />

- dabei setzten die Betroffenen ihr<br />

Leben aufs Spiel.<br />

Wie eng der Zusammenhang der Unterdrückung<br />

der Homosexuellen mit der<br />

Unterdrückung der palästinensischen<br />

Bevölkerung tatsächlich ist, bekamen<br />

Israels Lesben und Schwule im Sommer<br />

2002 zu spüren.Erstmalig gab es einen Pride<br />

March auch in Jerusalem. Seit der Intifada<br />

2000 ist die geteilte „Heilige Stadt“ voll<br />

mit gemalten Hass-Parolen wie „Verjagt die<br />

Araber“.Vor dem Pride March tauchte der<br />

Slogan „Verjagt die Homosexuellen“ auf.<br />

Durch die globale Vernetzung wurde<br />

Kvisa Shchora inzwischen international<br />

Foto: Birgit Gärtner<br />

bekannt. In New York gründeten Lesben<br />

und Schwule ebenfalls eine Gruppe, auf<br />

englisch Black Laundry.Sie treten in gleicher<br />

Weise,schwarz mit pinkfarbener Schärpe<br />

gekleidet, mit ähnlichen Slogans auf Transparenten<br />

und Pappschildern auf.Außerdem<br />

werden dort T-Shirts mit der Aufschrift<br />

„Gegen die Besatzung – für soziale Gerechtigkeit“<br />

gedruckt,deren Erlös der israelischpalästinensischen<br />

Schwesterorganisation<br />

zu Gute kommt.<br />

Doch auch innerhalb der israelischen<br />

<strong>Frauen</strong>- und Friedensbewegung genießt<br />

Kvisa Shchora hohes Ansehen. Die Koalition<br />

<strong>Frauen</strong> für einen gerechten Frieden<br />

organisierte beispielsweise im Juni 2002<br />

eine Demonstration in Jerusalem gegen 35<br />

Jahre israelische Besatzung. Dort waren<br />

noch überall Plakate und Graffities mit Kvisa<br />

Shora Parolen vom Pride March zu<br />

sehen.Sehr zur Freude der Friedensfrauen,<br />

wie Gila Svirsky in ihrem Web-Tagebuch<br />

zum Ausdruck brachte:„Gesegnet sei Kvisa<br />

Shchora für ihren immer einfallsreichen<br />

und provokanten Widerstand.“<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

15<br />

Birgit Gärtner<br />

money<br />

makes<br />

the<br />

world<br />

go<br />

round…<br />

Geldratgeberin<br />

Sie suchen nach einer Investition, die sich wirklich<br />

lohnt, von bleibendem Wert sozusagen?<br />

WIR FRAUEN hat die Lösung:<br />

Sie vertrauen auf die bewährte Geldanlage?<br />

Dann empfehlen wir Ihnen die konventionelle<br />

Spende. Mit dieser tragen Sie dazu bei, die<br />

Produktionskosten der WIR FRAUEN zu decken.<br />

Weil wir auch weiterhin bei unseren günstigen<br />

Abo-Preisen bleiben wollen!<br />

Sie favorisieren den innovativen Fond?<br />

Investieren Sie in unsere neue<br />

Marketingstrategie!<br />

apple 75 € reichen aus, alle <strong>Frauen</strong>buchläden in<br />

Deutschland einmalig auf Probe mit der<br />

WIR FRAUEN zu beliefern<br />

apple Schon für 139,20 € können wir ein Jahr<br />

lang mit einer Kleinanzeige in der taz auf<br />

unsere jeweils aktuelle <strong>Ausgabe</strong><br />

aufmerksam machen<br />

apple 400 € machen es möglich, einen Großteil<br />

der <strong>Frauen</strong>projekte in Deutschland über<br />

<strong>Wir</strong> <strong>Frauen</strong> zu informieren<br />

WIR FRAUEN ist ein gemeinnütziger Verein<br />

und Sie erhalten für jede Spende eine Bescheinigung<br />

für das Finanzamt. Bitte geben Sie dazu<br />

Ihre vollständige Adresse an.


Am 3. April 2003 berichtete die Washington<br />

Post von der dramatischen<br />

Rettungsaktion der schwer verletzten<br />

amerikanischen Soldatin Jessica Lynch<br />

aus einem irakischen Krankenhaus.Die 19-<br />

Jährige gehörte der 507. Instandssetzungskompanie<br />

der US-Army an und war am 23.<br />

März 2003 bei Nasirija zusammen mit ihren<br />

Kameraden unter irakischen Beschuss geraten,<br />

nachdem ihre Fahrzeuge vom Weg<br />

abgekommen waren.Am 1.April drang eine<br />

US-Spezialeinheit in das irakische Kranken-<br />

Jessica Lynch:<br />

Heldin des<br />

Irak-Kriegs?<br />

haus ein und befreite Jessica aus den gegnerischen<br />

Händen. Keiner ihrer KameradInnen<br />

war zu diesem Zeitpunkt mehr am<br />

Leben. Jessica wurde – bedeckt mit „stars<br />

and stripes“ – in ein amerikanisches Militärkrankenhaus<br />

nach Deutschland ausgeflogen.<br />

Das Schicksal der Wartungseinheit und<br />

dieser noch so jungen Soldatin versetzte<br />

der optimistischen Haltung der Amerikaner<br />

zum „Blitzkrieg“ im Irak einen herben<br />

Dämpfer. Fünf von Jessicas KameradInnen<br />

wurden im irakischen Fernsehen <strong>als</strong> Kriegsgefangene<br />

vorgeführt, vier Soldaten waren<br />

bereits tot und sechs galten <strong>als</strong> im Kampf<br />

verschollen. Das amerikanische Volk war<br />

geschockt und rückte zusammen. In der<br />

Heimatstadt Jessicas, in Palestine im US-<br />

Bundesstaat West Virginia, hielt man den<br />

Atem an und bangte um die verlorene Tochter.<br />

Zu den Berichten von der „amerikanischen<br />

Spazierfahrt durch Saddams Reich“<br />

mischten sich nun Meldungen, die von<br />

schweren Kämpfen und Guerilla-Angriffen<br />

sprachen. Und: Es gerieten auch mehr und<br />

mehr US-Soldatinnen in irakische Gefangenschaft,<br />

bzw. galten <strong>als</strong> „missing in<br />

action“.Zwar sind weibliche GI’s in der US-<br />

Army ein gewohntes Bild (sie stellen etwa<br />

15 % der Streitkräfte),ihr Tod im Kugelhagel<br />

allerdings ist für viele Amerikaner noch<br />

immer ein gewöhnungsbedürftiger Gedanke.<br />

Gerade wenn die Bilder ihrer Leichen<br />

die Medien füllen, stellen sich die Menschen<br />

die unangenehme Frage, was zum<br />

Teufel ihre Töchter und Söhne eigentlich<br />

im Wüstensand eines Staates machen, den<br />

die meisten von ihnen noch immer mühevoll<br />

auf der Weltkarte suchen müssen.<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

16<br />

Zwei<br />

Jessica Lynch wurde nach ihrer Heimkehr<br />

in den USA <strong>als</strong> Kriegsheldin gefeiert<br />

und mutierte schnell zum Symbol amerikanischer<br />

Tapferkeit im Kampf gegen ein Terrorregime.<br />

Was macht es da aus, dass vier<br />

Wochen später die BBC Teile der Heldengeschichte<br />

<strong>als</strong> schlichtweg f<strong>als</strong>ch bezeichnete<br />

und die Gefahr, in der sich Jessica<br />

befunden haben soll, relativierte? Wer will<br />

schon wissen, dass Jessica in den Händen<br />

irakischer Ärzte medizinisch wie menschlich<br />

vermutlich gut behandelt wurde, und<br />

ihre Verletzungen vielmehr durch einen<br />

Autounfall <strong>als</strong> durch feindliche Kampfhandlungen<br />

verursacht worden waren?<br />

Und wen interessiert es, dass das irakische<br />

Krankenhaus zur Zeit der Erstürmung<br />

durch die Spezialkräfte von keinem einzigen<br />

irakischen Soldaten gesichert oder verteidigt<br />

wurde? Die Bush-Administration<br />

sicher nicht.<br />

Am 23. Juli 2003 berichtete die taz in<br />

einer Kurzmeldung, dass Jessica Lynch<br />

hohe militärische Ehrungen (Medaille für<br />

Kriegsverletzungen wie die Medaille für<br />

Kriegsgefangene) zuteil wurden.<br />

Sonja Vieten


Heldinnen<br />

Rachel Corrie:<br />

Heldin des<br />

Widerstandes?<br />

Am 16. März 2003 überrollte ein<br />

israelischer Bulldozer die erst 23jährige<br />

amerikanische Friedensaktivistin<br />

Rachel Corrie in Rafah im Gaza-<br />

Streifen. Die aus Olympia, Washington,<br />

stammende junge Frau hielt sich zusammen<br />

mit anderen Freiwilligen der Organisation<br />

„International Solidarity Movement“ (ISM)<br />

in Gaza auf, um <strong>als</strong> lebendes Schutzschild<br />

palästinensische Häuser vor den heranrückenden<br />

israelischen Räumfahrzeugen zu<br />

schützen.Zwei Stunden lang gelang es den<br />

Aktivisten,zwei Bulldozer und einen Panzer<br />

der israelischen Armee daran zu hindern,<br />

palästinensische Häuser zu demolieren und<br />

das Hab und Gut der Menschen dem Erdboden<br />

gleich zu machen. Rachel Corrie<br />

trug während ihrer gewaltlosen Protestaktion<br />

eine fluoreszierende Jacke und benutzte<br />

ein Megafon, um den Fahrer eines herannahenden<br />

Bulldozer zu stoppen. Sie und<br />

ihre MitstreiterInnen gaben sich deutlich<br />

<strong>als</strong> unbewaffnete internationale Friedensaktivisten<br />

zu erkennen.<br />

Die Aktion geschah am hellen Tage,die<br />

Sicht war nicht behindert. Rachel stellte<br />

sich dem Bulldozer in den Weg, der –<br />

Erdreich und Schutt vor sich herschiebend<br />

– sich ihr näherte,ohne zu stoppen.Rachel<br />

kletterte auf den Schuttberg, der sich ihr<br />

ungebremst entgegenschob, und muss den<br />

Fahrer – ihren Mörder – einige Augenblikke<br />

direkt angesehen haben können.Da dieser<br />

sein Fahrzeug aber noch immer nicht<br />

anhielt,wurde Rachel schließlich unter den<br />

Erdmassen begraben. Der Bulldozer fuhr<br />

nach Zeugenaussagen insgesamt zweimal<br />

mit gesenkter Schaufel über sie hinweg und<br />

verletzte sie dabei lebensgefährlich.Rachel<br />

Corrie erlag kurze Zeit später ihren schweren<br />

Verletzungen im nahegelegenen Krankenhaus.<br />

Die israelische Seite bezeichnete den<br />

Zwischenfall <strong>als</strong> einen bedauerlichen Unfall.<br />

Israel habe es hier mit einer Gruppe<br />

von Protestierenden zu tun, die unverantwortlich<br />

handelten und alle in Gefahr<br />

brächten.<br />

Rachel Corrie engagierte sich seit langem<br />

gegen die Politik Israels und die ihres<br />

eigenen Landes.Sie war,gemessen an ihrem<br />

Alter, eine bereits herausragend aktive und<br />

konsequente Kämpferin für Frieden und<br />

Gerechtigkeit,die mit zahlreichen Gruppen<br />

vernetzt war. Rachel Corrie fühlte eine<br />

besondere Verantwortung gegenüber<br />

einem Volk, welches unter den Repressa-<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

17<br />

lien eines anderen zu leiden hat, die erst<br />

mit der maßgeblichen Unterstützung des<br />

eigenen Landes (Know-How und finanzielle<br />

Zuwendungen für Waffensysteme etc.)<br />

in diesem Umfang möglich wurden. Eine<br />

hochdekorierte Heldin im Kampf gegen ein<br />

Terrorregime wurde sie in ihrer Heimat<br />

deshalb aber nicht...!<br />

Sonja Vieten


www.McPlanet.com<br />

Die Umwelt in der<br />

Globalisierungsfalle<br />

Vom 27. bis 29. Juni 2003 fand in den Räumen der TU Berlin ein internationaler<br />

Kongress mit dem Internet-konformen Titel www.McPlanet.com<br />

statt. Im Mittelpunkt standen die möglichen Auswirkungen der neoliberalen<br />

Globalisierung auf die Umwelt. Veranstalter waren das globalisierungskritische<br />

Netzwerk Attac, Greenpeace und der Bund für Umwelt und<br />

Naturschutz Deutschland (BUND) in Kooperation mit der Heinrich-Böll-<br />

Stiftung und dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie GmbH.<br />

Namhafte ReferentInnen aus Wissenschaft,<br />

Politik und NGO-Szene wie<br />

Vandana Shiva (promovierte Physikerin<br />

und Agrarwissenschaftlerin, eine der<br />

prominentesten feministischen Wissenschaftlerinnen<br />

und Aktivistinnen Indiens<br />

gegen die Machenschaften der Agromultis<br />

und für die Erhaltung einer traditionellen<br />

Artenvielfalt), Helena Norberg-Hodge<br />

(Gründerin und Direktorin der International<br />

Society for Ecology and Culture in<br />

Großbritannien, Trägerin des alternativen<br />

Nobelpreises), Wolfgang Sachs (Soziologe,<br />

Theologe und „Vordenker“ am Wuppertal<br />

Institut,schrieb stark beachtete Bücher und<br />

Beiträge zum Thema Globalisierung und<br />

Gerechtigkeit), Hans-Christian Ströbele<br />

(stellvertretender Fraktionsvorsitzender<br />

von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag),<br />

Walden Bello (Direktor der NGO<br />

„Focus on the Global South“ und Professor<br />

für Soziologie und Ökonomie in Manila,<br />

einer der profiliertesten Globalisierungskritiker),<br />

Barbara Unmüßig (Vorstandsfrau<br />

der Heinrich-Böll-Stiftung) oder Angelika<br />

Zahrnt (Vorstandsvorsitzende des Bund für<br />

Umwelt und Naturschutz Deutschland)<br />

sprachen vor einem überwiegend sehr jungen<br />

Publikum. Mit ca. 1500 Anmeldungen<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

18<br />

stieß das Thema der Veranstaltung auf große<br />

Resonanz, die über 100 Workshops,<br />

Panels und Foren ermöglichten einen regen<br />

Austausch. Im Foyer der Uni drängten sich<br />

die Infostände der verschiedenen NGO’s,<br />

links-alternativer Verlage, Stiftungen und<br />

Initiativen. Für das leibliche Wohl sorgten<br />

regionale Öko-Food-Anbieter.<br />

Gemeinsam mit anderen sozialen<br />

Bewegungen und Organisationen weist die<br />

globalisierungskritische Bewegung schon<br />

seit Jahren mehr oder minder spektakulär<br />

darauf hin, dass sich die Schere zwischen<br />

Arm und Reich in den vergangenen zwei<br />

Jahrzehnten immer weiter geöffnet hat.<br />

Ein Hauptgrund hierfür wird in den Liberalisierungstendenzen<br />

der Weltwirtschaft<br />

gesehen, welche sich in dem Begriff der<br />

„Globalisierung“ popularisiert haben.Maßnahmen<br />

zur Existenzsicherung und das<br />

Wohlstandsniveau unterscheiden sich in<br />

den Ländern des Südens eklatant von<br />

denen im Norden bzw. „Westen“. Soziale<br />

Benachteiligung und Marginalisierung,häufig<br />

gepaart mit missbräuchlichen politischen<br />

Verhältnissen,führen immer öfter zu<br />

gewalttätigen Konflikten, unter denen<br />

wiederum die Ärmsten am meisten zu leiden<br />

haben. Zeitgleich exportiert der Westen<br />

seinen zerstörerischen Lebensstil, internationale<br />

Institutionen wie die Weltbank<br />

und der Internationale Währungsfond (IWF)<br />

finanzieren ökologisch wie sozial höchst


problematische Projekte und multinationale<br />

Konzerne ziehen hemmungslos Profite aus<br />

den (zwangsweise) geöffneten Märkten.<br />

Unter den globalisierungskritischen<br />

Stimmen erheben sich seit einiger Zeit nun<br />

auch solche, denen es explizit um den<br />

Zusammenhang von Globalisierung und<br />

Umweltzerstörung geht. Die Erde, von den<br />

Kongress-Veranstaltern doppeldeutig mit<br />

einem McDonald-Hamburger verglichen<br />

(daher der Kongress-Titel), wird von den<br />

Konzernen dieser Welt in ihrer unerschöpflichen<br />

Gewinnsucht wie Fast-food<br />

verschlungen und verbraucht. Die ausbeuterische<br />

<strong>Wir</strong>tschaftsweise der „global player“,<br />

unterstützt von der Politik der Welthandelsorganisation<br />

(WTO) und dem IWF,<br />

– so die GlobalisierungskritikerInnen – führe<br />

nicht nur zum Sozial-, sondern auch zum<br />

Öko-Kollaps. Eine nicht-nachhaltige Weltwirtschaft,<br />

die einher geht mit einer<br />

vermehrten Privatisierung der Gemeinschaftsgüter<br />

sowie einer zunehmenden<br />

Schwächung der nation<strong>als</strong>taatlichen Handlungsfähigkeit,<br />

gefährdet unsere Naturressourcen,die<br />

Qualität unserer Lebensmittel,<br />

das Weltklima sowie die Artenvielfalt auf<br />

dem (noch) blauen Planeten. Die Umwelt<br />

gerät in die Globalisierungsfalle – der überwiegende<br />

Teil der negativen Effekte wird<br />

von den Ländern des Südens zu bewältigen<br />

sein.Damit trägt Umweltzerstörung wiede-<br />

Gibt es da etwa bei Euch um die Ecke<br />

noch einen <strong>Frauen</strong>-Buchladen,<br />

ein <strong>Frauen</strong>projekt, ein Geburtshaus oder<br />

sonst einen Ort, wo <strong>Frauen</strong> täglich ein<br />

und aus gehen und WIR FRAUEN noch<br />

nicht ausliegt? Ihr hättet WIR FRAUEN<br />

rum auch zu globaler Ungerechtigkeit und<br />

Armut bei.<br />

Vor allem <strong>Frauen</strong> sind einmal mehr die<br />

Opfer dieser Tendenzen. In einer entfesselten<br />

Weltwirtschaft zählen Dollar respektive<br />

Euro und Cents. Immaterielle, reproduktive<br />

Leistungen in Familie und Gesellschaft sind<br />

diesen fiskalischen Größen nach wie vor<br />

untergeordnet und finden kaum Anerkennung.<br />

Es sind gerade die <strong>Frauen</strong>, die oft<br />

unentgeltlich oder nur gering entlohnt ihre<br />

Kräfte und Fähigkeiten zum Wohle aller einbringen<br />

– zu ihrem eigenen Nachteil. Die<br />

Privatisierung öffentlicher Güter,die Zunahme<br />

informeller Arbeit und der Abbau sozialer<br />

Sicherungssysteme treffen <strong>Frauen</strong> besonders<br />

hart.Umweltschäden,verursacht durch<br />

eine durch und durch „vermännlichte“ <strong>Wir</strong>tschaftsweise,<br />

verschlechtern in erster Linie<br />

die Situation der <strong>Frauen</strong>: Ihre Wege zu sauberem<br />

Trinkwasser werden länger,die durch<br />

sie erbrachten vorsorgenden gesundheitlichen<br />

Maßnahmen werden konterkariert,<br />

ihre Beiträge zu Ernährung und Wohlergehen<br />

der Familie werden gefährdet usw.<br />

Andererseits trägt die Globalisierung<br />

aber auch zur weiteren Emanzipation der<br />

<strong>Frauen</strong> bei, indem sie ihnen z.B. verbesserte<br />

Bildungs- und Jobchancen eröffnet.<br />

Damit werden die traditionellen Geschlechterverhältnisse<br />

weiter zugunsten der <strong>Frauen</strong><br />

verschoben.<br />

gerne auf Eurem nächsten Infotisch?<br />

Schickt einfach eine Notiz per Post<br />

oder Mail (wer ihr seid und wo<br />

ihr auslegen wollt) an:<br />

” WIR FRAUEN, Ingeborg Nödinger,<br />

Rochusstr. 43 • 40479 Düsseldorf<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

19<br />

Ziel und Attraktivität des McPlanet-Kongresses<br />

bestanden in der Zusammenführung<br />

von ökonomisch-sozialer und ökologischer<br />

Kritik, frei nach dem Motto<br />

„Attacies meet Ökos“. Die GlobalisierungsaktivistInnen<br />

sollten sich den Umweltthemen,<br />

die Ökobewegten sich den Globalisierungsthemen<br />

öffnen. Die sich hierbei<br />

neu herauskristallisierenden Spannungslinien<br />

sorgten für kontroverse Diskussionen<br />

und neue Perspektiven. Dabei wurde<br />

immer wieder auf die Erfahrungen und Strategien<br />

der Umweltbewegung verwiesen,<br />

die nun auch der globalisierungskritischen<br />

Bewegung für den Kampf um eine gerechtere<br />

Welt zugute kommen sollen. Fazit für<br />

zukünftige gemeinsame Bemühungen:Globalisierungskritik<br />

und Umweltschutz gehören<br />

zusammen! Denn: Auch Menschenrechte<br />

und eine nachhaltige Entwicklung<br />

lassen sich globalisieren!<br />

Zum Weiterlesen:Ende Oktober/Anfang<br />

November 2003 erscheint das Buch zum<br />

Kongress unter dem Titel „Die Umwelt in<br />

der Globalisierungsfalle“ im VSA-Verlag<br />

(ISBN 3-89965-029-8). Es kann für 12,80 €<br />

auch direkt bezogen werden bei: Attac<br />

Deutschland, Geschäftsstelle, Münchener<br />

Straße 48,60329 Frankfurt/Main.Tel.:(0 69)<br />

90 02 81-10,Fax:(0 69) 90 02 81-99,email:<br />

info@attac.de, Internet: www.attac.de<br />

Sonja Vieten<br />

Love makes the world go round…<br />

Unser Ziel für 2003:<br />

muss unters Volk!<br />

Direkt an Euch geht dann<br />

ein handliches Infopaket<br />

– mit <strong>Ausgabe</strong>n aus der<br />

letzten Zeit – zum Auslegen<br />

und Weiterverteilen, kostenfrei<br />

und unverbindlich.


i<br />

Der Preis des Irak-Krieges<br />

• Kosten für den Militäreinsatz: 50 bis<br />

140 Milliarden Dollar<br />

• Kosten für die Stationierung von<br />

250.000 US-amerikanischen Soldaten<br />

pro Tag (inkl. Material): bis ca. 400<br />

Millionen Dollar<br />

• Kosten eines Predator-Flugzeugs:<br />

25 Millionen Dollar<br />

• Kosten eines Tomahawk-Missile:<br />

2 Millionen Dollar<br />

• Besetzung und „Befriedung“ des Landes:<br />

75 bis 500 Millarden $<br />

• Wiederaufbau und Staatenbildung:<br />

30 bis 105 Milliarden $<br />

• Kosten der US-Militärausgaben 2002:<br />

800 Milliarden Dollar<br />

Die Hälfte der Menschheit, darunter<br />

2Milliarden <strong>Frauen</strong>, lebt mit weniger <strong>als</strong><br />

2 Dollar pro Tag.<br />

Quellen: American Academy of Arts &<br />

Science, Clara-Magazine 77/2003, UNO<br />

„Abrüstung – Ja! Sozialabbau – Nein<br />

Danke!“<br />

Unter diesem Motto sammelt das<br />

Gewerkschaftliche Netzwerk gegen den<br />

Krieg Unterschriften. Im Aufruf heißt es<br />

u.a.:<br />

„<strong>Wir</strong> brauchen keine 60 Militärtransporter<br />

für 8,2 Mrd. Euro, denn die Gren-<br />

Militärausgaben (2001)<br />

Quelle: Atlas der Globalisierung<br />

Hinweise zum Schwerpunkt<br />

ze Deutschlands ist nicht der Hindukusch,<br />

sondern die Oder-Neiße. <strong>Wir</strong><br />

brauchen Programme zu Rüstungs- und<br />

zur Standortkonversion. Statt Gelder für<br />

völlig überteuerte Kriegswaffen auszugeben,<br />

müssen Konversionsprogramme<br />

für sozial nützliche und ökologisch sinnvolle<br />

Arbeitsplätze geschaffen werden,<br />

einschließlich der Finanzierung der notwendigen<br />

Weiterbildung der betroffenen<br />

Beschäftigten. Deswegen lehnen<br />

die Gewerkschaften den Kauf der 213<br />

Waffensysteme und Ausrüstungen für<br />

113 Mrd. Euro ab, die im Bundeswehrplan<br />

1997 festgelegt und 2002 bestätigt wurden.“<br />

Gewerkschaftliches Netzwerk gegen<br />

den Krieg, Friedens- und Zukunftswerkstatt<br />

e.V., c/o Frankfurter Gewerkschaftshaus,Wilhelm-Leuschner-Str.<br />

69-<br />

77, 60329 Frankfurt/M.<br />

Büchertipps:<br />

Neissl/Eckstein/Arzt/Anker (Hg.), Männerkrieg<br />

und <strong>Frauen</strong>frieden. Geschlechterdimensionen<br />

in kriegerischen Konflikten,<br />

Promedia Verlag Wien, Okt.<br />

2003, ca. 17,90 €<br />

Das Buch stellt die Frage nach dem<br />

Geschlechterverhältnis und den spezifischen<br />

Rollenbildern vor dem Hinter-<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

20<br />

grund der jüngsten Kriege in Jugoslawien,<br />

Afghanistan und dem Irak.<br />

Helen Caldicott, Atomgefahr USA. Die<br />

nukleare Aufrüstung der Supermacht,<br />

Diederichs Verlag München 2003, 23 €.<br />

Kernthese der australischen Ärztin,<br />

Atomwaffenexpertin und Friedensaktivistin:<br />

Der Terrorismus wird <strong>als</strong> Vorwand<br />

genutzt, um Krieg zu führen. Die Autorin<br />

stützt sich auf reichhaltiges Quellenmaterial<br />

und kommt zu dem Ergebnis: Das<br />

riesige Arsenal konventioneller und atomarer<br />

Waffen ist „die eiserne Hand im<br />

Samthandschuh der Globalisierung der<br />

US-Konzerne“. Das Buch endet mit der<br />

Frage:„Was werden wir dagegen unternehmen<br />

können?“<br />

Von Werlhof/Bennholdt-Thomsen/Faraclas<br />

(Hg.), Subsistenz und Widerstand.<br />

Alternativen zur Globalisierung, Promedia<br />

Verlag Wien 2003, ca. 17.90 €<br />

Ausgehend von ökofeministischen<br />

Ansätzen geht es zunächst um theoretische<br />

Grundlagen einer „Subsistenzperspektive“<br />

<strong>als</strong> Alternative zum globalisierten<br />

kapitalistischen Patriarchat.<br />

Globalisierung wird <strong>als</strong> Form einer Kolonisierung<br />

analysiert. Beispiele von Graswurzel-Bewegungen<br />

werden zum<br />

Schluss genannt, die versuchen, das<br />

Leben basisdemokratisch zu gestalten.<br />

Sontag, Susan: Das Leiden anderer<br />

betrachten (Kriegsfotografie), Hanser-<br />

Verlag München 2003, 15,90 €<br />

Vandana Shiva, Biopiraterie – Kolonialismus<br />

des 21. Jahrhunderts. Eine Einführung,<br />

Unrast-Verlag Münster 2002,<br />

14,- €<br />

Eine philosophisch-ethische Einführung<br />

aus nicht westlichem Blickwinkel<br />

über das geltende Patentrecht. „Durch<br />

Patente und Gentechnik werden neue<br />

Kolonien geschaffen“, so die indische<br />

Wissenschaftstheoretikerin und Ökofeministin.„Diese<br />

neuen Kolonien sind aus<br />

meiner Perspektive die Innenräume der<br />

Körper von <strong>Frauen</strong>, Pflanzen und Tieren.“<br />

fh


1999 wurde in 12 von 36 Bundesstaaten<br />

Nigerias die Sharia eingeführt, ein restriktives<br />

Rechtssystem,das angeblich der Islam<br />

gebietet. Die Folge davon sind Hunderte<br />

von Steinigungen, die laut dem Leiter des<br />

Instituts für Entwicklung, Gerechtigkeit<br />

und Frieden, Prof. Obiora Ike, jährlich vollzogen<br />

werden. Noch häufiger kommt es<br />

laut Ike zu Strafen wie dem Abhacken von<br />

Armen und Beinen sowie Auspeitschungen.<br />

Bekannt wurden diese Menschenrechtsverletzungen<br />

durch die Verurteilung<br />

von Safia Hussaini,die 2001 zum Tod durch<br />

Steinigung verurteilt wurde. Der unverheirateten<br />

Frau wurde Ehebruch vorgeworfen,<br />

<strong>als</strong> „Beweis“ dafür galt die Existenz ihres<br />

neugeborenen Kindes. Internationale Proteste<br />

führten dazu, dass Frau Hussaini im<br />

März 2002 begnadigt wurde.<br />

Drei Tage nach ihrer Begnadigung, am<br />

22. März 2002, wurde Amina Lawal Kurami<br />

ebenfalls wegen Ehebruchs zum Tod durch<br />

Steinigung verurteilt. Ihr „Verbrechen“: 16<br />

Monate nach ihrer Scheidung brachte sie<br />

eine Tochter zur Welt.Deren Erzeuger,Yahaha<br />

Mohammed,gab die Vaterschaft zunächst<br />

zu, bestritt sie dann aber wieder. Er wurde<br />

ebenfalls angeklagt, wie viele andere Männer<br />

vor ihm aber mangels Beweisen frei<br />

gesprochen. Um einen Mann wegen dieses<br />

Deliktes zu verurteilen, müssen vier männliche<br />

Zeugen dem Gericht gegenüber<br />

bestätigen,bei dem physischen Akt des Ehebruchs<br />

anwesend gewesen zu sein.<br />

„The real crime is being a woman – das<br />

eigentliche Verbrechen ist, eine Frau zu<br />

sein“, kommentierte Safia Hussaini diese<br />

sexistische Gesetzgebung. „Denn Männer<br />

können nicht schwanger werden.“ Die<br />

Anwältin Amina Lawal Kuramis wertete dieses<br />

Gesetz <strong>als</strong> „Lizenz für Männer, <strong>Frauen</strong><br />

zu schwängern und dann sitzen zu lassen.“<br />

Das Todesurteil gegen Amina Lawal<br />

Kurami wurde am 19.August ‘02 von einem<br />

Berufungsgericht bestätigt. Das Gericht<br />

zeigte sich jedoch „großzügig“:Der jungen<br />

Mutter wurde gestattet, ihr Kind zu stillen.<br />

Die Hinrichtung wurde deshalb „erst“ für<br />

Januar 2004 festgelegt.<br />

Im Frühjahr wurde eine e-mail mit der<br />

Mitteilung verbreitet,Frau Kurami solle am<br />

3. Juni ‘03 hingerichtet werden. Als Quelle<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

21<br />

andere Länder<br />

Das eigentliche<br />

Verbrechen ist,<br />

eine Frau zu sein<br />

für diese Information wurde Amnesty<br />

International (ai) genannt. Außerdem<br />

wurde behauptet, die Menschenrechtsorganisation<br />

rufe zu Protesten gegen diese<br />

Hinrichtung auf.Amnesty distanzierte sich<br />

jedoch von diesem Aufruf. In verschiedenen<br />

Informationsmaterialien werde zwar<br />

der 3. Juni ‘03 erwähnt, ist auf der ai-Website<br />

zu lesen, allerdings nicht <strong>als</strong> Tag der<br />

Hinrichtung, sondern <strong>als</strong> neuer Termin des<br />

Sharia-Gerichtes. Die Organisation gehe<br />

davon aus,dass Frau Kuramis Recht auf ein<br />

faires Verfahren momentan garantiert sei,so<br />

ai weiter.Sie sei nicht inhaftiert und werde<br />

von exzellenten prominenten Anwältinnen<br />

und Anwälten vertreten. Außerdem werde<br />

sie von <strong>Frauen</strong>- und Menschenrechtsorganisationen<br />

unterstützt, mit denen ai im<br />

engen Kontakt stünde. Unter diesen Umständen<br />

werde ai sich derzeit nicht in das<br />

laufende Verfahren einmischen,keine Informationen<br />

über den aktuellen Stand preisgeben<br />

und keine Kampagne für Amina<br />

Lawal Kurami initiieren.<br />

Infos unter www.amnesty.org<br />

Birgit Gärtner


andere Länder<br />

Angriff auf Solidarität<br />

mit kurdischem<br />

Befreiungskampf<br />

Verfassungsschutz veröffentlichte Tagebücher<br />

Vom 11. Februar bis zum 8. März<br />

2000 stellte der nordrhein-westfälische<br />

Verfassungsschutz (VS) eine<br />

Broschüre mit dem Titel „Von den Bergen<br />

in die Metropole – Motive,Denkstrukturen<br />

und Ziele deutscher Kurdistanbrigadisten“<br />

auf seine Internetseite. Diese enthielt auch<br />

ein vollständiges persönliches Tagebuch<br />

von Anja Flach,um – laut VS – „einen tiefen<br />

Einblick in die politischen Überzeugungen<br />

und Ziele dieser Frau“ zu gewinnen.In<br />

dem Vorwort heißt es, bei der „Kurdistan-<br />

Brigadistin Pelda“ handele es sich um eine<br />

„junge deutsche Frau, die sich schon lange<br />

Zeit in politischen Zusammenhängen<br />

der Autonomen und des Antiimperialistischen<br />

Widerstandes engagiert hatte“.<br />

Nahezu zeitgleich erschien im SPIEGEL ein<br />

Beitrag der Journalisten Klaus Brinkbäumer<br />

und Georg Mascolo mit dem Titel „PKK –<br />

die verlorene Brigade“, in dem die Autoren<br />

aus den Tagebuchaufzeichnungen zitierten.<br />

Sie schrieben u. a.,dass es sich bei der Frau<br />

mit dem Kampfnamen Pelda um „Anja F.,<br />

35, aus Cuxhaven“ handele. Weil sie sich<br />

auch mit dem seinerzeit gegen Anja Flach<br />

eingeleiteten § 129 a-Ermittlungsverfahren<br />

beschäftigten, ist davon auszugehen, dass<br />

ihnen Teile der Akten zur Verfügung<br />

gestanden haben.<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

22<br />

Anja Flach hatte sich 1995 der kurdischen<br />

<strong>Frauen</strong>armee YAJK angeschlossen.<br />

Nach einer politischen Schulung in Syrien<br />

beteiligte sie sich in verschiedenen Gebieten<br />

Kurdistans am Befreiungskampf der<br />

Kurd(inn)en. Während dessen hatte die<br />

Bundesanwaltschaft (BAW) gegen sie und<br />

weitere Internationalist(inn)en, die ebenfalls<br />

in Kurdistan gekämpft hatten, ein<br />

Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs<br />

der Mitgliedschaft in einer terroristischen<br />

Vereinigung (§ 129a Strafgesetzbuch) eingeleitet.<br />

Dies betraf auch Andrea Wolf, die<br />

sich zu diesem Zeitpunkt noch in Kurdistan<br />

befand und am 23. Oktober 1998 in


Nordwestkurdistan (Türkei) gemeinsam<br />

mit sechs Kämpfer(inne)n von türkischen<br />

Soldaten ermordet wurde.<br />

Ende 1997,Anja Flach war gerade nach<br />

Deutschland zurückgekehrt, durchsuchten<br />

Beamte des Bundeskriminalamtes (BKA)<br />

ihre Wohnung und beschlagnahmten zahlreiche<br />

persönliche Aufzeichnungen. So<br />

auch zwei Tagebücher. Diese hat das BKA<br />

offensichtlich an den VS NRW weitergereicht,<br />

der sie dann im Internet veröffentlichte.Das<br />

§129a-Verfahren wurde übrigens<br />

am 26. März 2001 „mangels hinreichenden<br />

Tatverdachts“ eingestellt.<br />

Weil sich Anja Flach durch das Vorgehen<br />

des VS in ihren Persönlichkeitsrechten<br />

schwerwiegend verletzt gesehen hatte,<br />

erstattete sie Strafanzeige gegen das Land<br />

NRW. Zuvor war das für den VS zuständige<br />

Innenministerium aufgefordert worden,<br />

eine weitere Veröffentlichung der Aufzeichnungen<br />

einzustellen. Auch die Datenschutzbeauftragte<br />

des Landes NRW kam zu<br />

dem Schluss,dass die nicht genehmigte Veröffentlichung<br />

unrechtmäßig sei.Der VS sah<br />

das anders. Mehr noch: Er wolle sich vorbehalten,<br />

die Aufzeichnungen auch weiterhin<br />

zu veröffentlichen. Dagegen ließ Anja<br />

Flach im Februar 2001 Klage erheben.<br />

Am 9. Mai 2003 wiesen die Richter des<br />

Verwaltungsgerichts (VG) Düsseldorf nach<br />

Im Oktober 1998 wurde die deutsche<br />

Internationalistin Andrea Wolf (Ronahî),<br />

die sich 1996 der PKK angeschlossen<br />

hatte, gemeinsam mit Freund(inn)en bei<br />

Kämpfen zwischen der PKK-Guerilla und<br />

der türkischen Armee getötet. Sie wurde<br />

dam<strong>als</strong> lebend gefangen genommen und<br />

später – nach Zeugenaussagen – hingerichtet.In<br />

Deutschland gründete sich die „Internationale<br />

Untersuchungskommission zur<br />

Aufklärung der Todesumstände von Andrea<br />

Wolf und weiteren Kämpfer/innen in Kurdistan“<br />

(IUK). Ihr ging es darum nachzu-<br />

einer etwa zweistündigen Verhandlung die<br />

Klage ab.Der Vertreter der Landesregierung<br />

hatte zuvor u.a. erklärt, dass der VS auf eine<br />

weitere Veröffentlichung verzichte – wegen<br />

„des zeitlichen Ablaufs“.Er bestand aber darauf,<br />

dass die Behörde im Rahmen ihrer Aufgaben<br />

hierzu das Recht gehabt hätte. Man<br />

habe der größeren Glaubwürdigkeit wegen<br />

nicht auf dieses „authentische Material“ verzichten<br />

und letztlich die Einschätzungen der<br />

Strafverfolgungsbehörden untermauern wollen.<br />

Die nämlich hatten behauptet, dass die<br />

aus Kurdistan zurückgekehrten „Brigadisten“<br />

mit ihren Erfahrungen in den kurdischen<br />

Bergen hier den bewaffneten Kampf<br />

hätten aufnehmen wollen.Und weil die Linke<br />

eifrige Leser/innen der VS-Berichte seien,<br />

habe man mit der Veröffentlichung den<br />

Zweck verfolgt, die Glaubwürdigkeit der<br />

Internationalist(inn)en in Frage zu stellen,<br />

um andere abzuschrecken.<br />

Anja Flach und ihr Verteidiger bekräftigten<br />

ihre Auffassung von der Rechtswidrigkeit<br />

des behördlichen Vorgehens und<br />

bestritten die Behauptungen der Landesregierung.<br />

In dem schriftlichen Urteil stützt<br />

das Verwaltungsgericht die Position des<br />

NRW-Innenministeriums,das die Veröffentlichung<br />

des Tagebuches „sowohl für das<br />

Verständnis des Zusammenhangs <strong>als</strong> auch<br />

der Darstellung von Organisationen“ erfor-<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

23<br />

andere Länder<br />

derlich gewesen sei.Nur durch die Nennung<br />

des „Kampfnamens Pelda“ hätte eine Verbindung<br />

zu anderen „Kurdistan-Brigadisten“<br />

überhaupt hergestellt werden können.<br />

Überwogen hätte das „Interesse der Allgemeinheit“<br />

und weniger „die schutzwürdigen<br />

Interessen der Klägerin“.<br />

Somit weicht auch das Urteil des VG<br />

von der Rechtsauffassung der NRW-Landesbeauftragten<br />

für den Datenschutz ab.<br />

Gegen das Urteil hat der Verteidiger Berufung<br />

eingelegt.<br />

Heute lebt Anja Flach mit ihrem Kind<br />

und einer Freundin in Hamburg. Nach wie<br />

vor fühlt sie sich vor allem den Kurdinnen<br />

eng verbunden. Die Zusammenarbeit mit<br />

ihnen steht für sie im Vordergrund. Wenn<br />

ihr 16 Monate alter Sohn „Kindergartenflügge“<br />

ist,wird sie ihre Aktivitäten <strong>als</strong> Vorstandsmitglied<br />

im kurdischen Verein in<br />

Hamburg und ihre Mitarbeit bei der Informationsstelle<br />

Kurdistan (ISKU) wieder aufnehmen<br />

bzw. intensivieren.<br />

Monika Morres<br />

Buch:„Jiyanek din, ein anderes Leben“, hg.von<br />

der Informationsstelle Kurdistan (ISKU, Schanzenstr.<br />

117, 20357 Hamburg) herausgegeben,<br />

und dort für 10 € erhältlich zzgl. Versandkosten.<br />

Die Autorin schreibt über ihren Aufenthalt<br />

in den kurdischen Bergen von Sommer<br />

1995 bis Herbst 1997.<br />

Der Fall Andrea Wolf jetzt vor<br />

Europäischem Gerichtshof<br />

weisen,dass es sich bei der Ermordung von<br />

Andrea Wolf um ein Kriegsverbrechen der<br />

türkischen Armee gehandelt hat. Die türkische<br />

Rechtsanwältin Eren Keskin hatte im<br />

Auftrag von Andrea Wolfs Mutter im Jahre<br />

2000 (erfolglos) Strafanzeige gegen die Verantwortlichen<br />

gestellt. Der Rechtsweg in<br />

der Türkei wurde ausgeschöpft.<br />

Im Januar 2003 reichte dann die IUK<br />

im Auftrag von Andrea Wolfs Mutter Beschwerde<br />

beim Europäischen Gerichtshof<br />

für Menschenrechte ein, weil bis heute die<br />

Todesumstände nicht aufgeklärt wurden.<br />

In einer Pressekonferenz am 24. Juni<br />

2003 in Freiburg informierten Eren Keskin<br />

und Rechtsanwalt Jörg über Ziel und Inhalt<br />

der Klage.Die Rechtsanwältin und der Vertreter<br />

der IUK warfen der Bundesregierung<br />

vor, wenig unternommen zu haben, um<br />

mehr Licht in die Geschichte zu bringen,<br />

obgleich Andrea Wolf deutsche Staatsangehörige<br />

gewesen sei: Sie vermuten, dass<br />

hier ein Kriegsverbrechen des NATO-Partners<br />

Türkei vertuscht werden soll.<br />

Monika Morres


andere Länder<br />

Kurzinfos<br />

Partei der Freien Frau (PJA):<br />

„Entwurf für einen neuen<br />

Gesellschaftsvertrag“<br />

Hg. Mesopotamien Verlag<br />

und Vertriebs GmbH,<br />

Köln 2003, 5,– Euro.<br />

ISBN 3-931885-40-2<br />

1987 begann mit der Gründung der<br />

„Union der Patriotischen <strong>Frauen</strong> Kurdistans“<br />

(YJWK) eine neue Ära in der Geschichte<br />

kurdischer <strong>Frauen</strong>. Ihnen wurde<br />

der Weg aus dem Haus geebnet – keine<br />

Selbstverständlichkeit im traditionell geprägten<br />

Kurdistan. Seither haben sich Tausende<br />

von <strong>Frauen</strong> aktiv am nationalen<br />

Befreiungskampf beteiligt, seit 1995 in der<br />

eigens geschaffenen <strong>Frauen</strong>armee. Mit der<br />

zunehmenden Organisierung erfolgte die<br />

Fortentwicklung der <strong>Frauen</strong>befreiungsideologie<br />

und mit ihr die Gründung einer<br />

<strong>Frauen</strong>partei, der YAJK. Auf die Verschleppung<br />

des PKK-Vorsitzenden Abdullah<br />

Öcalan im Februar 1999 reagierten die<br />

<strong>Frauen</strong> einen Monat später mit der Umbenennung<br />

ihrer Partei in die „Arbeiterinnenpartei<br />

Kurdistans“ (PJKK).Mit dem Ziel,<br />

eine universelle <strong>Frauen</strong>partei zu werden,<br />

startete dann die „Partei der Freien <strong>Frauen</strong>“<br />

(PJA) ins neue Jahrtausend. Aus der<br />

jahrzehntelangen Erfahrung der kurdischen<br />

<strong>Frauen</strong>bewegung haben <strong>Frauen</strong> der Freien<br />

<strong>Frauen</strong>akademie der PJA einen „Entwurf für<br />

einen neuen Gesellschaftsvertrag“ erarbeitet,der<br />

seit März 2003 in deutscher Sprache<br />

vorliegt.<strong>Frauen</strong> aus aller Welt und allen Kulturen<br />

werden eingeladen, über die in diesem<br />

Entwurf entwickelten Perspektiven für<br />

eine „alternative neue Weltordnung“ zu diskutieren,in<br />

der „alle gesellschaftlichen Einrichtungen,<br />

die Einfluss auf die Beziehung<br />

zwischen Individuum und Gesellschaft ausüben,<br />

unter der Führung der Frau neu auszurichten“<br />

sind. Der größte Wunsch der<br />

Kurdinnen wäre nach Abschluss des Meinungsprozesses<br />

ein „Manifest der <strong>Frauen</strong><br />

der Welt“.<br />

Kontakt: Cenî – Kurdisches <strong>Frauen</strong>büro<br />

für Frieden e.V., Düsseldorf, e-mail:<br />

ceni_frauen@gmx.de<br />

Monika Morres<br />

Friedenspreis für Susan<br />

Sontag<br />

Die 1933 in New York geborene Schriftstellerin<br />

und Essayistin erhält in diesem<br />

Jahr den Friedenspreis des deutschen Buchhandels.<br />

Bekannt geworden ist sie in den<br />

sechziger Jahren <strong>als</strong> Literatur- und Kulturkritikerin<br />

in den Medien der Avantgarde.<br />

Mehrere Romane hat sie geschrieben, darunter<br />

„Der Wohltäter“, „Die Todesstation“,<br />

„Der Liebhaber des Vulkans“ sowie die viel<br />

beachteten Essays „Krankheit <strong>als</strong> Metapher“<br />

und „Aids und seine Metaphern“.<br />

Für die „Time“ ist sie „Amerikas öffentliches<br />

Gewissen“ – im September 2001<br />

prangerte sie die Darstellung der Attentate<br />

in den Medien <strong>als</strong> „Volksverdummung“ an.<br />

Anfang März kritisierte sie in einem Spiegel-<br />

Interview (10/2003) die Vorbereitungen<br />

des Irakkrieges durch die Bush-Regierung<br />

und setzte sich mit dem islamischen Fundamentalismus<br />

auseinander.Jede Form von<br />

Fundamentalismus sei „schlecht für die<br />

<strong>Frauen</strong>“,sagt Susan Sontag.Und weiter:„Ich<br />

sehe auch, dass es eine radikale Strömung<br />

im Islam gibt, die mehr und mehr Menschen<br />

erfasst, die gemischte Gefühle<br />

gegenüber der Moderne hegen. In vielen<br />

Teilen der Erde werden Männer zum Protest<br />

gegen das mobilisiert,was sie <strong>als</strong> Ungerechtigkeit,politische<br />

Unfähigkeit und Korruption<br />

in ihren Ländern erachten – und<br />

daraus entstehen Glaubenssoldaten in<br />

einem religiösen Krieg, der zuallererst an<br />

der Front gegen <strong>Frauen</strong> geführt wird.“<br />

Susan Sontag ist mit vielen Ehrungen<br />

weltweit ausgezeichnet worden.In diesem<br />

Jahr erhielt sie zusammen mit Fatima Mernissi<br />

den spanischen „Prinz-von-Asturien-<br />

Preis“.<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

24<br />

Demnächst erscheint beim Hanser-Verlag<br />

ihr jüngstes Werk über Fotografie im<br />

Krieg mit dem Titel „Das Leiden anderer<br />

betrachten“.<br />

Ingeborg Nödinger<br />

Der 11. 9. und<br />

Pinochets Kinder<br />

An diesem Tag im Jahr 1973 wurde Salvador<br />

Allende ermordet.Der blutige Putsch<br />

des General Pinochets und seiner US-amerikanischen<br />

Freunde beendete abrupt den<br />

chilenischen Versuch einer anderen, einer<br />

demokratischen Gesellschaft.Dieser Tag im<br />

Jahr 1973 und die ihm folgende Diktatur<br />

wirkt bis heute in Politik und Gesellschaft<br />

und ist noch lange nicht das, was gemeinhin<br />

<strong>als</strong> „aufgearbeitet“ oder gar „bewältigt“<br />

gilt.<br />

„Pinochets Children“ heißt der Film<br />

von Paula Rodrigues - Abschlussarbeit an<br />

der Deutschen Film- und Fernsehakademie<br />

Berlin, mit „Besonders wertvoll“ bewertet,<br />

auf vielen Festiv<strong>als</strong> und im deutschen Fernsehen<br />

gezeigt und nun mit dem Babelsberger<br />

Medienpreis 2003 ausgezeichnet.<br />

Der Film zeigt uns junge Menschen,<br />

deren Väter 1973 ermordet wurden.Berichtet<br />

wird von ihren Ängsten <strong>als</strong> Kinder, von<br />

ihren Motiven zum politischen Engagement<br />

und von Enttäuschungen über den<br />

Verlauf des Demokratisierungsprozesses<br />

nach der Diktatur.<br />

Die Jury nannte den Film einen „wichtigen<br />

Beitrag zur politischen Sicht auf die<br />

Gegenwart, da die Einflussnahme mächtiger<br />

Staaten auf die Geschicke schwächerer<br />

Länder mit militärischer und geheimdienstlicher<br />

Gewalt seit 1973 nicht geringer<br />

geworden sei“. (ND, 8. 7. 03)<br />

Ingeborg Nödinger


Geboren am 4.10.1920 in Breslau, Studium<br />

der Geschichte, Germanistik<br />

und Kunstgeschichte in München<br />

und in Jena. Dort zieht Renate Riemeck 1940<br />

mit ihrer Kommilitonin Ingeborg Meinhof,der<br />

Mutter von Ulrike und Wienke,zusammen.<br />

Nach der Promotion 1943 wird sie<br />

Dozentin in Oldenburg und in Weilburg.Die<br />

Familie Meinhof zieht mit. Als 1949 Ingeborg<br />

Meinhof stirbt, übernimmt die nur 14<br />

Jahre ältere Renate Riemeck die Erziehung<br />

der Mädchen.<br />

Seit 1946 ist sie Mitglied der SPD, sie<br />

tritt ein für Völkerverständigung und für ein<br />

geeintes Europa, ist aktiv in der Bewegung<br />

gegen die Wiederaufrüstung.<br />

1955 wird sie jüngste Professorin der<br />

BRD und lehrt in Wuppertal Geschichte und<br />

Politische Bildung. Im gleichen Jahr wird<br />

der Beitritt der BRD in die NATO vollzogen,<br />

1956 die allgemeine Wehrpflicht eingeführt,<br />

die atomare Aufrüstung der BRD,u.a.durch<br />

Mittelstreckenraketen, geplant.<br />

Jegliche Opposition wird <strong>als</strong> „kommunistisch“<br />

oder auch „moskautreu“ diffamiert,<br />

die Menschen, die eine am Frieden<br />

orientierte Politik verlangen, werden verfolgt.<br />

Renate Riemeck wird wegen ihres<br />

Engagements in der Bewegung „Kampf dem<br />

Atomtod“ häufig vom berüchtigten K 14,<br />

dem polizeilichen Staatsschutz, zu Hause<br />

aufgesucht.<br />

Im Frühjahr 1957 warnen in der „Göttinger<br />

Erklärung“ 18 führende deutsche<br />

Atomphysiker vor der atomaren Aufrüstung.<br />

Es sei eine Illusion, so die Wissenschaftler,<br />

dass die Bevölkerung einen Atomkrieg überleben<br />

werde.<br />

Renate Riemeck<br />

„Auch ich<br />

habe viele Leben<br />

gelebt“<br />

Im Februar 1958 rufen auf Initiative von<br />

Renate Riemeck 44 HochschullehrerInnen<br />

die Gewerkschaften zum gemeinsamen<br />

Handeln gegen die atomaren Gefahren und<br />

für eine atomwaffenfreie Zone in Mitteleuropa<br />

auf. Wie die Göttinger 18 bewirken<br />

auch sie eine Zunahme der außerparlamentarischen<br />

Aktionen.<br />

Renate Riemeck ist inzwischen Vorsitzende<br />

der Internationale der Kriegsdienstgegner<br />

und im Vorstand der Christlichen<br />

Friedenskonferenz. Auf vielen Kundgebungen<br />

gegen die atomare Aufrüstung ist sie<br />

eine der HauptrednerInnen.<br />

Im Juli 1960 wird ihr wegen ihrer politischen<br />

Aktivitäten die Prüfungsberechtigung<br />

entzogen. Professoren und MitstreiterInnen<br />

aus der Friedensbewegung<br />

solidarisieren sich, Studierende führen in<br />

Düsseldorf vor dem Kultusministerium<br />

einen Sitzstreik durch und fordern u.a. Meinungsfreiheit<br />

auch für Beamte.<br />

Als Renate Riemeck einige Monate später<br />

den Staatsdienst auf eigenen Wunsch verlässt,<br />

steckt sie schon mitten in den Vorbereitungen<br />

zur Gründung einer neuen Partei, einer<br />

Alternative zur SPD. Sie wird Mitgründerin<br />

der Deutschen Friedensunion und stellt mit<br />

Graf von Westphalen und Lorenz Knorr das<br />

erste Direktorium. 1961 werben Plakate mit<br />

Bildern von Riemeck,„Symbolfigur zu Hoch-<br />

Zeiten des Kalten Kriegs“(Spiegel-Nachruf),<br />

und Albert Schweitzer für die Partei der linken<br />

Opposition.<br />

1964 verläßt Renate Riemeck die DFU,<br />

lebt zurückgezogen und arbeitet <strong>als</strong> Autorin<br />

und Publizistin. Einige ihrer Werke erleben<br />

bis heute immer wieder Neuauflagen, so<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

25<br />

Kultur<br />

etwa „Mitteleuropa – Bilanz eines Jahrhunderts“<br />

oder „Verstorben, verfemt, verbrannt“,die<br />

Geschichte der Ketzer,über die<br />

sie einmal sagt: „Man fühlt sich ihnen verbunden,<br />

wenn man selbst erfahren musste,<br />

was es heißt,verstoßen und verfemt zu sein.<br />

Dann wird man auf die Ketzerschicksale der<br />

Vergangenheit aufmerksam und fühlt sich<br />

durch sie im eigenen Denken bestärkt und<br />

auch getröstet.“<br />

Nachdem Ulrike Meinhof in den Untergrund<br />

abgetaucht war,veröffentlichte Renate<br />

Riemeck 1971 in der „Konkret“ in großer Sorge<br />

um die Ziehtochter ihren Aufruf „Gib auf,<br />

Ulrike!“ Auch wenn sie nach Jahren gemeinsamer<br />

politischer Interessen inzwischen politisch<br />

verschiedene Wege gingen, hat sie sich<br />

nie von ihrer Ziehtochter distanziert. 20 Jahre<br />

nach dem bis heute unaufgeklärten Tod<br />

von Ulrike Meinhof wurde sie gefragt,warum<br />

der Staat nach wie vor verfolge,„was nur entfernt<br />

mit den Impulsen der RAF und Ulrike<br />

zu tun hat?“ Ihre Antwort: „Weil das ein<br />

Begriff geworden ist für Widerstand gegen<br />

die Obrigkeit ... Ulrike ist ein Bild geworden<br />

für alles,was man empört gegen bestehende<br />

Verhältnisse sagen kann. Jeder wird sich<br />

infolgedessen immer wieder an sie erinnern.“<br />

(Freitag, 3.5.1996)<br />

Kurz vor ihrem Tod am 12.5.2003 hat<br />

sich Renate Riemeck noch einmal an einer<br />

politischen Aktion beteiligt – an der am 14.<br />

Jahrestag von Tschernobyl, am 26.4.2003,<br />

begonnenen Unterschriftensammlung „Sofort<br />

volle Haftpflichtversicherung für die deutschen<br />

Atomkraftwerke“ – initiiert von den<br />

IPPNW-Ärzten.<br />

Ingeborg Nödinger


Kultur<br />

„Oder,<br />

notfalls,<br />

erfinde“<br />

Monique Wittig: Sprache ist Macht<br />

Ein Nachruf<br />

Plötzlich, unerwartet ist Monique Wittig<br />

am 3.Januar 2003 im Alter von 67<br />

Jahren in Tucson/Arizona an einem<br />

Herzinfarkt gestorben. Die Schriftstellerin<br />

und bedeutendste Vertreterin des Lesbianismus<br />

lebte hier seit Mitte der 70er Jahre<br />

und lehrte seit 1990 an der Universität Genderstudien<br />

und Französische Literatur.<br />

1935 im Elsass geboren ging Monique<br />

Wittig zum Studium nach Paris.1964 wurde<br />

ihr erster Roman „Opoponax“ preisgekrönt,<br />

von den KritikerInnen hochgelobt<br />

und in viele Sprachen übersetzt. Wittig<br />

erzählt darin die Geschichte einer Kindheit<br />

bis zur ersten lesbischen Liebe – Mitte der<br />

60er Jahre ein ungewöhnliches Thema.<br />

Doch auch mit ihrer Sprache betrat sie<br />

Neuland: Sie verwendet konsequent das<br />

geschlechtsneutrale „on“,in der deutschen<br />

Übersetzung „man“ bleibt dieses Experiment<br />

wegen der semantischen Nähe zu<br />

„Mann“ leider im Ansatz stecken.<br />

„Elsa Brauer sagt etwas wie, es hat<br />

eine Zeit gegeben, da du nicht Sklavin<br />

warst, erinnere dich.(...) Du sagst, dass es<br />

keine Worte gibt, diese Zeit zu beschreiben,<br />

du sagst, dass es diese Zeit nicht gibt.<br />

Doch erinnere dich. Mach’ eine Anstrengung,<br />

dich zu erinnern. Oder, notfalls,<br />

erfinde.“ (Die Verschwörung der Balkis,<br />

Les Guerilleres.)<br />

„Les Guerilleres“, ihr zweites Werk,<br />

erschien 1968:Monique Wittig entwirft darin<br />

eine feministische Utopie, ein „Heldinnenlied“,<br />

einen Amazonenstaat. Das unpersönliche<br />

„on“ aus Opoponax wird in<br />

diesem Roman durch „elles“ abgelöst.<br />

Durch diese Schreibstrategie wird die weibliche<br />

Mehrzahl von „sie“ dem männlichen<br />

„sie“ <strong>als</strong> ebenbürtig entgegengestellt.Denn<br />

Sprache verleiht Macht und durch Texte<br />

werden Identitäten erst geschaffen. Erst<br />

wenn <strong>Frauen</strong> aktiv in den Prozess der<br />

Benennung eingreifen,können sie laut Wittig<br />

ihrem Schicksal <strong>als</strong> beschriebene Objekte<br />

des herrschenden Diskurses entrinnen.<br />

Der Mythos „Frau“ wird dekonstruiert und<br />

durch einen neuen Mythos ersetzt,zum Beispiel<br />

der Mythos der friedfertigen Frau<br />

durch den der Kämpferin.<br />

Monique Wittig lebte bereits Mitte der<br />

60er Jahre offen <strong>als</strong> Lesbierin, stellte <strong>als</strong><br />

erste Schriftstellerin das Lesbischsein in<br />

den Mittelpunkt ihres Werkes und war politische<br />

Aktivistin.In der Zeit der Studentenrevolte<br />

in Paris,<strong>als</strong> viele in Bewegung gerieten,<br />

setzte sie ihre eigenen Akzente. 1970<br />

gehörte sie zu den <strong>Frauen</strong>, die am Pariser<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

26<br />

Triumphbogen einen Kranz niederlegten –<br />

für die Frau des unbekannten Soldaten.<br />

Diese spektakuläre Aktion gilt seither <strong>als</strong><br />

Beginn der französischen <strong>Frauen</strong>bewegung.<br />

„I/ch zuerst, so ergibt es sich, i/ch stürze,<br />

mit zerbrochenen Flügeln, du folgst<br />

m/ir dicht hinterher, mit dem Kopf voran,<br />

sie alle, ganz weit unten, betrachten stehend<br />

den Sturz, den unabänderlichsten,<br />

den es je gab, mögen es die Göttinnen<br />

geben, dass i/ch, dass du ebenso, imstande<br />

sein werden, ihre Schreie zu hören, wenn<br />

wir das Meer erreichen.“ (Aus deinen zehntausend<br />

Augen Sappho.Le corps lesbien)<br />

Die Arbeit an den Pronomen wird fortgesetzt.<br />

In „Le Corps lesbien“ (1973), einer<br />

wortgewaltigen Beschreibung des lesbischen<br />

Körpers und der Beziehung zweier<br />

<strong>Frauen</strong>, verwendet sie durchgängig die<br />

Wortspaltung „I/ch“: Lesbischsein/ Ichsein<br />

und auch Geist/ Körper sind künstliche<br />

Gegensätze, die in einer Welt der Zwangsheterosexualität<br />

zur Zerstückelung der lesbischen<br />

Identität führen.Wittig:„I/ch stelle<br />

die ideologische und historische Frage der<br />

weiblichen Subjekte ...Wenn i/ch m/eine<br />

spezifische Situation <strong>als</strong> Subjekt der Sprache<br />

bedenke,ist es m/ir körperlich unmög


lich, ich zu schreiben; i/ch habe keine Lust<br />

dazu.“ In Le corps lesbien kommt kein einziges<br />

männliches „sie“ mehr vor.<br />

„FRAU: Seit Beginn der Gloriosen Zeit<br />

veraltet.<strong>Wir</strong>d von vielen Liebesgefährtinnen<br />

für die infamste Bezeichnung gehalten.Dieses<br />

Wort bezog sich einst auf Wesen,<br />

die in einem absoluten Zustand der Versklavung<br />

geraten waren. Es bedeutete:<br />

„Eine, die wem anders gehört.“ (Wittig,<br />

Zeig; Lesbische Völker, ein Wörterbuch,<br />

<strong>Frauen</strong>offensive 1983, franz.1976)<br />

Erst im Wörterbuch der lesbischen Völker,<br />

das sie zusammen mit ihrer Lebensgefährtin<br />

Sande Zeig schrieb,ist die Arbeit an<br />

den Pronomen beendet.<br />

In der französischen <strong>Frauen</strong>bewegung<br />

der 70er Jahre setzten sich Theoretikerinnen<br />

wie Hélène Cixous und Luce Irigaray<br />

durch, die von einer Differenz der beiden<br />

Geschlechter ausgingen und diese nutzen<br />

wollten.Durch die Betonung des Andersartigen<br />

im Weiblichen blieben sie dem Dua-<br />

Termine<br />

Dschibuti-<strong>Frauen</strong> klagen das<br />

Militär an<br />

Über die Situation und den Widerstand<br />

der <strong>Frauen</strong> berichtet u.a. Aicha<br />

Dabalé, Vorsitzende des <strong>Frauen</strong>komitee<br />

Dschibutis gegen Vergewaltigung (vgl. wir<br />

frauen 1/2003). Eine gemeinsame Veranstaltung<br />

von actionsring frau und welt,<strong>Wir</strong><br />

<strong>Frauen</strong> e.V., <strong>Frauen</strong>StreikGruppe, Friedensforum,<br />

Kurdisches <strong>Frauen</strong>büro für Frieden<br />

und Komma.<br />

Am 22. September, um 19.30 in Düsseldorf,<br />

Haus der Kirche, Bastionstrasse 6<br />

Am 23. September, um 20 Uhr in Bonn,<br />

Internationales <strong>Frauen</strong>zentrum,<br />

Wesselstraße 16<br />

Irmtraut Morgner – eine<br />

szenische Lesung<br />

Christel Hartinger, Literaturwissenschaftlerin<br />

(vgl. wir frauen 2/03), und Gisela<br />

Oechelhaeuser, Kabarettistin<br />

Matinee vom Heinrich-Heine Salon, in<br />

Zusammenarbeit mit Zakk, wir frauen und<br />

komma.<br />

litätsdenken verhaftet, was Monique Wittig<br />

ablehnte. Die radikale Denkerin verließ<br />

Frankreich Mitte der Siebziger Jahre und<br />

ließ sich in den USA nieder.Dort gehört sie<br />

zu den meistgelesenen feministischen Autorinnen<br />

aus dem nicht US-amerikanischen<br />

Raum, während sie in Frankreich kaum<br />

beachtet wurde.<br />

„Ich bin keine Frau“, verkündete sie<br />

1976 auf einer Simone-de-Beauvoir-Konferenz<br />

in New York.Frau,so argumentiert Wittig,sei<br />

nur ein Term,der die gegensätzliche<br />

Beziehung zu einem Mann stabilisiere und<br />

festige.Weibliche Homosexualität sei demnach<br />

eine politische Konsequenz, Lesben<br />

seien vergleichbar mit entlaufenen Sklaven.<br />

Erst durch eine Universalisierung des lesbischen<br />

Standpunkts werde die Kategorie<br />

Frau zerstört und somit die künstliche Trennung<br />

der Geschlechter aufgehoben.<br />

Ihre Theorie wurde später von Judith<br />

Butler wieder aufgegriffen und in „Gender<br />

Trouble“ weitergeführt.Monique Wittig gab<br />

Am 12. Oktober, um 11 Uhr in Düsseldorf,<br />

Zakk, Fichtenstr. 40<br />

Elsass: Lesung mit Musik<br />

Florence Hervé (Autorin) und Sylvie<br />

Reff (Sängerin aus dem Elsass)<br />

Am 16. Oktober, um 11 Uhr in Düsseldorf,<br />

Zakk, Club Fichtenstr. 40<br />

Überschrift kommt noch<br />

Eren Keskin, Istanbul. Eine Menschenrechtsanwältin<br />

berichtet, u. a. zur sexuellen<br />

Folter durch Polizei und Militär<br />

Eine gemeinsame Veranstaltung von<br />

ZAKK, VDJ, wir frauen, komma<br />

Am 17.11., um 20 Uhr in Düsseldorf, Zakk,<br />

Fichtenstr. 40<br />

„LEBENS – MITTEL“ – Politik<br />

mit der Einkaufstasche<br />

Tagung des <strong>Frauen</strong>Rat NW e.V.<br />

am Samstag, 27.09.03, 10-17 Uhr<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

27<br />

damit entscheidende Impulse für die Gender-<br />

und Queerdebatte der Neunziger Jahre.<br />

Ihr letztes Buch „Virgile,non“ von 1985<br />

ist eine Neubeschreibung von Dantes<br />

„Göttlicher Komödie“ und erzählt die Reise<br />

der Protagonistin „Ich,Wittig“ durch Hölle<br />

und Vorhölle: „Und ich frage mich, ob<br />

Manastabal, meine Führerin, irgendeinen<br />

Plan größeren Kalibers zur Eroberung<br />

der Welt besitzt. Aber <strong>als</strong> sie mir von der<br />

Hölle erzählt und von den Lotsinnen, die<br />

dort auf Posten stehen, um Rettungen,<br />

eine nach der anderen, durchzuführen,<br />

kann ich mich nicht enthalten, über der<br />

Langsamkeit dieses Vorgehens die Geduld<br />

zu verlieren und darauf hinzuweisen,<br />

dass wir bei dem Tempo noch in hundert<br />

Jahren hier sein werden.“<br />

Alle deutschen Übersetzungen von<br />

Wittigs Werken sind vergriffen, „Virgile,<br />

non“ und die Essaysammlung „...autres<br />

histoires“ wurden bisher nicht ins Deutsche<br />

übertragen.<br />

„Im goldenen Ring“, Burgplatz 21-22,<br />

Düsseldorf<br />

Um „Politik mit der Einkaufstasche“<br />

ausüben zu können, brauchen <strong>Frauen</strong><br />

Grundkenntnisse über die Qualität von<br />

Lebensmitteln und über die Risiken im<br />

Bereich der schwer überschaubaren Vielfalt<br />

der angebotenen Waren. Die Globalisierung<br />

bewirkt auch im weiten Feld von<br />

Ernährung und Landwirtschaft ein<br />

Umdenken. Die Transportwege machen<br />

die früher selbstverständliche Transparenz<br />

der Herkunft der Waren unmöglich.<br />

Werbung und auch Berichte versprechen<br />

vieles, sagen aber wenig aus über den<br />

wirklichen Gesundheitswert von einzelnen<br />

Nahrungsmitteln.<br />

Politikerinnen stellen sich der Diskussion<br />

um Perspektiven einer Landwirtschaft<br />

zwischen Regionalität und globalem Weltmarkt<br />

– Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz.<br />

Anmeldung bis zum 15.09.2003 an<br />

<strong>Frauen</strong>Rat NW e.V.,<br />

Julius-Doms-Str. 13, 51373 Leverkusen,<br />

frauenrat-nw@t-online.de


Wohin d<br />

Arbeitsmarktreform 2003<br />

Im Vorspann des Hartz-Berichtes vom<br />

August 2002 ist die Verpflichtung festgehalten,„dass<br />

alle weiteren Schritte zur<br />

Konkretisierung ....detailliert überprüft<br />

werden müssen,in wie weit sie dem Postulat<br />

der Gleichstellung Rechnung tragen<br />

bzw. direkt oder indirekt Benachteiligungen<br />

fortschreiben oder neue entstehen lassen“.<br />

Diese Überprüfung hat nicht stattgefunden,sieht<br />

man sich das erste und zweite<br />

Gesetz für moderne Dienstleistungen am<br />

Arbeitsmarkt sowie Verordnungen und<br />

Praxis der Arbeitsverwaltung im Jahr 2003<br />

(folgende) an.Drei Beispiele aus dem Nachteilskatalog<br />

für <strong>Frauen</strong>, der von geringfügiger<br />

Beschäftigung über Ich-AG und Job-<br />

Center bis zu Person<strong>als</strong>erviceagenturen<br />

(PSA) und Weiterbildung reicht,belegen das.<br />

Stichwort: Weiterbildung –<br />

Wiedereinstieg nach<br />

Familienzeit<br />

<strong>Wir</strong> hatten in den vergangenen Jahren<br />

trotz angespannter Lage auf dem Arbeitsmarkt<br />

eine Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik,<br />

die auch darauf ausgerichtet<br />

war, die Chancen für <strong>Frauen</strong> auf dem<br />

Arbeitsmarkt zu verbessern und bestehende<br />

Ungleichheiten zu beseitigen. Berücksichtigt<br />

wurde, dass <strong>Frauen</strong> wegen Kinderbetreuung<br />

zeitweilig aus dem Beruf, der<br />

Erwerbsarbeit aussteigen,Teilzeit arbeiten<br />

oder eine geringfügige Beschäftigung ausüben<br />

und damit häufig nur geringe Leistungen<br />

aus der Arbeitslosenversicherung<br />

erhalten oder sogar ganz aus dem Leistungsbezug<br />

herausfallen.<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

28<br />

Wichtige positive Bestimmungen zur<br />

Verbesserung der Re-Integration in den<br />

Arbeitsmarkt waren u.a.<br />

appledie in den 90er Jahren gültige<br />

Anrechnung von fünf Jahren Erziehungszeit<br />

pro Kind. Diese sogenannte<br />

Rahmenfrist betrug zuletzt wenigstens<br />

noch drei Jahre.<br />

applespezielle zielgruppenspezifische Orientierungs-<br />

und Qualifizierungsmaßnahmen<br />

für Berufsrückkehrerinnen mit<br />

entsprechenden Rahmenbedingungen<br />

wie Teilzeit,sozialpädagogischer Begleitung,<br />

Kinderbetreuung. Diese Maßnahmen<br />

wurden gemeinsam von Arbeitsämtern,<br />

Bildungsträgern, den Regionalund<br />

Kommun<strong>als</strong>tellen Frau und Beruf<br />

und Gleichstellungsstellen aufgebaut,<br />

angeboten und finanziert.<br />

Aktuell gilt: Die Rahmenfrist ist zum<br />

1.1.2003 weggefallen.An die Stelle von zielgruppenspezifischen<br />

Maßnahmen tritt eine<br />

Individualisierung durch Vergabe von Bildungsgutscheinen<br />

an einzelne für Bildungsmaßnahmen,<br />

die völlig unrealistisch<br />

(für <strong>Frauen</strong> und Männer) eine Vermittlungsquote<br />

von 70 % in den 1. Arbeitsmarkt<br />

nachweisen müssen. Mit diesen<br />

Regelungen werden Wiedereinsteigerinnen<br />

und Sozialhilfeempfängerinnen ausgegrenzt,<br />

da sie keine Leistungen beziehen<br />

und in der Regel keine 12monatige Beschäftigungszeit<br />

in den letzten drei Jahren mit<br />

Arbeitslosenversicherung nachweisen können.<br />

Denn aus finanzpolitischen Erwägungen<br />

gilt die interne Weisung, mag sie nach


es Wegs?<br />

den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches<br />

III (SGB) auch rechtswidrig sein: „Bei den<br />

Überlegungen zur Integration sollte die<br />

individuelle Höhe der Arbeitslosengeldzahlung<br />

– Wie teuer ist der Arbeitslose – beachtet<br />

werden.“ Bewährte und erfolgreiche<br />

Lehr- und Lernformen in homogenen, zielgruppenspezifischen<br />

Angeboten werden<br />

gestrichen. Mit Blick auf klassische Wiedereinsteigerinnen<br />

mit einer qualifizierten<br />

Erstausbildung und Berufspraxis werden<br />

Qualifikations- und Arbeitskraftressourcen<br />

verschleudert. Für Sozialhilfeempfängerinnen<br />

geht die Chance gegen Null, eine Integration<br />

in den 1. Arbeitsmarkt zu bekommen.Für<br />

beide Gruppen gilt:Die heute und<br />

in Zukunft erforderliche eigenständige Existenzsicherung<br />

wird verhindert.<br />

Stichwort: Personal-Service-<br />

Agenturen (PSA)<br />

Für diese neue Einrichtung der Arbeitsverwaltung<br />

nach dem Muster von Zeitarbeitsfirmen<br />

sind Personen mit hohen<br />

Vermittlungschancen und hohen Leistungsbezügen<br />

vorgesehen. Hier fallen viele<br />

<strong>Frauen</strong> aufgrund von niedrigeren <strong>Frauen</strong>löhnen,<br />

Teilzeitarbeit, geringen Leistungsansprüchen<br />

und Familienpflichten raus.Die<br />

„Empfehlung“ der Bundesanstalt für Arbeit,<br />

„bezogen auf das jeweilige Tätigkeitsfeld in<br />

angemessenem Umfang <strong>Frauen</strong> zu beschäftigen<br />

und zur Vereinbarkeit von Beruf und<br />

Familie auch Teilzeitarbeit zu erschließen“,<br />

ist töricht und wirkungslos! Denn das vorgesehene<br />

Prämiensystem ist darauf angelegt,<br />

vorrangig Personen (Männer) mit<br />

hohen Leistungsbezügen zu vermitteln.<br />

Stichwort: Job-Center<br />

Information, Beratung und Vermittlung<br />

in Arbeit soll zukünftig in den neuen Job-<br />

Centern stattfinden. Nach den Ende Juni<br />

2003 von der Koalitionsarbeitsgruppe vorgelegten<br />

Eckpunkten für ein „Drittes und<br />

Viertes Gesetz für moderne Dienstleistungen<br />

am Arbeitsmarkt“ sollen alle Erwerbsfähigen<br />

zwischen 15 und 65 Jahren,die pro<br />

Tag mindestens drei Stunden arbeiten können,hier<br />

integriert werden.Aber:Auch hier<br />

gilt in der von Finanznot diktierten Dringlichkeit<br />

eine Rangfolge: Vorrang für Beziehende<br />

hoher Leistungen, keine Förderung<br />

von Personen ohne Leistungsansprüche,<br />

verschärfte Zumutbarkeitsregelungen wie<br />

tägliche Wegezeiten von und zur Arbeit von<br />

zwei Stunden bei sechs Stunden Arbeitszeit<br />

– bei allerorts fehlender Kinderbetreuung<br />

– wie schnell sind da wohl die <strong>Frauen</strong><br />

weg vom Fenster?<br />

Und dann gibt es noch die Benachteiligung<br />

von <strong>Frauen</strong> durch Wegfall der 15-Stunden-Grenze<br />

pro Woche bei Minijobs und<br />

die Einführung einer Gleitzone für Jobs im<br />

Bereich von 400 bis 800 € – Regelungen,<br />

die dem Lohndumping Tür und Tor öffnen.<br />

Was ist zu fordern und zu tun?<br />

Die strukturellen Benachteiligungen<br />

von <strong>Frauen</strong> (mit Kindern) stehen im Widerspruch<br />

zur europäischen Gleichbehandlungsrichtlinie<br />

und zum Amsterdamer Vertrag,<br />

der seit 1999 in Kraft ist. Die<br />

Instrumente der Gesetze und die daraus<br />

abgeleitete Praxis laufen auf mittelbare Diskriminierung<br />

und damit eine Verletzung<br />

der Amsterdamer Verträge hinaus, was auf<br />

EU-Ebene zu überprüfen ist.<br />

Förderleistungen dürfen nicht ausschließlich<br />

in erster Linie vom Leistungsbezug<br />

abhängen. Wiedereinsteigerinnen<br />

und Sozialhilfeempfängerinnen müssen<br />

Chancen zu Fortbildung, Umschulung und<br />

damit zur Integration in den 1.Arbeitsmarkt<br />

haben. Zielgruppenspezifische Bildungsmaßnahmen<br />

mit entsprechenden Rahmenbedingungen<br />

in bewährter,vernetzter Form<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

29<br />

von Arbeitsverwaltung, Kommunal- und<br />

Region<strong>als</strong>tellen, Bildungsträgern und Kommunen<br />

müssen erhalten bleiben. Für PSA<br />

und Job-Center hilft nach den Erfahrungen<br />

der vergangenen Jahre nur eine strenge<br />

Quotierung von mindestens 50 % !<br />

Grundsätzlich gilt: Gesetze,Verordnungen,<br />

Erlasse und die Praxis unter gender-<br />

Gesichtspunkten zu betrachten oder verständlicher:<br />

auf Geschlechtergerechtigkeit<br />

hin zu prüfen,schärft den Blick für spezielle<br />

und allgemeine Probleme nicht nur der<br />

<strong>Frauen</strong>.Und ein zweiter Schritt ist notwendig.<br />

Denn die Mehrheit in diesem Land,<br />

quer durch die Parteien und die Bevölkerung,ist<br />

der Überzeugung,dass es nicht gut<br />

sei,wenn der Mensch allein ist – er brauche<br />

auch Familie. Und das heißt: zeitweilig,<br />

wechselnd oder ausschließlich mit doppelter<br />

Arbeit und Verantwortung im Haus und<br />

außer Haus zu sein. Dann aber sind Gesetze<br />

an diesen Maßstäben und der Lebenssituation<br />

der <strong>Frauen</strong> zu messen,die Kind und<br />

Erwerbstätigkeit wollen und brauchen –<br />

das sind überschlägig 2/3 der <strong>Frauen</strong>. Ihre<br />

Situation ist der Prüfstein für eine Arbeitsmarktpolitik,die<br />

das Prädikat „gut und wirkungsvoll“<br />

verdient. Gegen den Strich der<br />

männlichen Normalarbeitsbiographie und<br />

des politisch und wirtschaftlich abgesungenen<br />

Modells „Hausfrauenehe“ gebürstet,<br />

kann nach einer solchen Prüfung gesagt<br />

werden, was für <strong>Frauen</strong> mit Kind taugt,<br />

taugt auch für Männer mit Kind und für alle<br />

ohne Kinder.<br />

Renate Wurms<br />

apple Lesetipp:<br />

Die Landesarbeitsgemeinschaft kommunaler<br />

<strong>Frauen</strong>büros in NRW hat unter<br />

www.frauenbueros-nrw.de eine Stellungnahme<br />

zum Hartz-Konzept veröffentlicht.


Kultur<br />

1992 gab es 52 Kriege in unserer schönen<br />

Welt. Die Argumente für jeden einzelnen<br />

Krieg klangen immer sehr überzeugend.<br />

Notgedrungen. Wie könnte man<br />

anders zahllose junge,kraftstrotzende Männer<br />

und <strong>Frauen</strong> dazu animieren, sich und<br />

andere umzubringen?<br />

Die Diktatoren stehen weiter in Saft<br />

und Kraft.Werden nach wie vor satt beliefert,<br />

für den Fall, dass sie mal wieder Krieg<br />

führen wollen...<br />

Ich denke immer noch, dass Bomben<br />

nicht Leben erhalten, sondern vernichten.<br />

Dafür schleudern mir sogar linke Freunde<br />

das Wort Pazifistin <strong>als</strong> Schimpfwort entgegen...<br />

Ich habe immer gehofft, dass der<br />

jeweils Stärkere dem Schwächeren hilft.<br />

Obwohl ich es besser hätte wissen müssen.<br />

Inzwischen bin ich leider sicher, dass,<br />

egal wie sich ein System nennt,egal,was es<br />

eigentlich sein sollte, es immer das gleiche<br />

in grün ist. Wenn sich Systeme bekämpft<br />

haben, wenn Millionen und Abermillionen<br />

Menschen umgebracht worden sind für<br />

sogenannte Ideale, für ihre sogenannten<br />

Vaterländer oder irgendeinen anderen<br />

Scheiß,sitzen die,die es angezettelt haben,<br />

guter Dinge zusammen.Sind sich einig,dass<br />

sie im Grunde gar nichts gegeneinander<br />

haben.Können sie auch nicht.Sie sind sich<br />

zu ähnlich.<br />

Was immer angeführt wird, um einen<br />

Krieg zu legitimieren, ist nur ein Vorwand.<br />

Die Veranstalter werden durch Kriege so<br />

reich, wie die Völker arm.<br />

Da es,wenn überhaupt,nur strafbar ist,<br />

Waffen in Krisenherde zu liefern,gelten sie<br />

nirgends <strong>als</strong> Verbrecher. Aber zum Krisen-<br />

Parnass<br />

Nachschlag<br />

herd wird jeder Ort, wenn erst mal Waffen<br />

da sind.<br />

Wenn diese Massenmörder nicht nur<br />

reich, sondern unermesslich reich geworden<br />

sind, sind sie nicht nur wohlgelitten.<br />

Nein. Die internationale High Society reißt<br />

sich darum, dieses Pack bei Tisch und Tafel<br />

zu haben.<br />

Adnan Kashoggi zum Beispiel. Fetter<br />

kleiner Liebling der Reichen, Schönen und<br />

Klatschmedien. Ganz kurz nur wurde er<br />

gemieden.Weil es so aussah, <strong>als</strong> würde er,<br />

Anzeige<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

30<br />

der Milliardär, finanzielle Einbußen erleiden.<br />

Als er sein Vermögen auf altbewährte<br />

Art wieder beisammen hatte, buhlte man<br />

wieder um seine Anwesenheit und Gunst.<br />

Dieses gesamte Gesindel würde ich gerne<br />

gebündelt in einem Kriegsgebiet aussetzen.<br />

Dort könnten sie dann ihre Waffen<br />

aus der Nähe bewundern.<br />

PEGGY PARNASS<br />

Auszug aus: Peggy Parnass, Mut und<br />

Leidenschaft, Konkret Literatur Verlag,<br />

Hamburg 1993.


Gelesen<br />

Belletristik<br />

Maria-Antónia Oliver:<br />

Mondsüchtig. Roman ariadne<br />

4006, Hamburg 2003; 9,90 €<br />

Barbara Wilson: Ein Nachmittag<br />

mit Gaudí. Ariadne Krimi 1027,<br />

Hamburg 1992; 8,59 €<br />

Ich hatte das wunderbare Vergnügen, ein<br />

paar Tage in Barcelona zu verbringen und was<br />

liegt da näher, <strong>als</strong> sich einen 10 Jahre alten<br />

Barcelona-Krimi sowie den aktuellen Roman<br />

von Maria-Antónia Oliver, eine der wichtigsten<br />

Stimmen der zeitgenössischen katalanischen<br />

Literatur, für die Stunden der Siesta einzustecken?<br />

Barbara Wilson führt uns Ende<br />

der 80er Jahre mit Verwirrspielen um sexuelle<br />

Identitäten und Geschlechterfragen an und<br />

in die surrealen Bauwerke des Architekten<br />

Gaudí. Ich entdeckte Barcelona und freute<br />

mich über die Fragen nach Identitäten und<br />

Mutterschaft, deren Antworten auch heute<br />

noch nicht eindeutig sind.<br />

Maria-Antónia Oliver erzählt in Mondsüchtig<br />

die Geschichte von Tomeu, einem an<br />

Aids erkrankten schwulen Katalanen. Mit<br />

spöttischer Nüchternheit philosophiert<br />

Tomeu über das Leben und den Tod, lustvollen<br />

Sex ohne Verpflichtung, die alles verschlingenden<br />

tiefen Gefühle der ganz großen Liebe,<br />

Befreiung und Verlust in einer sich ändernden<br />

Gesellschaft, die noch damit ringt, die<br />

Fesseln der Franco-Diktatur abzuschütteln –<br />

ein stimmungsvoll poetischer Barcelona-<br />

Roman, der nachdenklich macht. Beide<br />

Bücher eignen sich auch zur Lektüre auf dem<br />

heimischen Balkon, aber sie machen Fernweh…<br />

Gb<br />

Assia Djebar: Frau ohne Begräbnis.<br />

aus dem Franz. v. Beate Thill,<br />

Unionsverlag Zürich 2003. 17,90 €<br />

Algerien während des Unabhängigkeitskrieges<br />

in den 50er Jahren. <strong>Frauen</strong> der Stadt<br />

Cherchell (Caesara) knüpfen ein Netz des<br />

Widerstandes gegen die französische Kolonialherrschaft.<br />

Die Partisanin Zoulikha Oudai,<br />

die die Verbindung zu den Kämpfern in den<br />

Bergen hält, wird gefangen, gefoltert und<br />

verschwindet danach spurlos. Deren Befreiungskrieg<br />

aus weiblicher Perspektive<br />

beschreiben ihre beiden Töchter, die Wahrsa-<br />

gerin Madame Lionne und die Erzählerin<br />

selbst. Mosaiksteinchen (wie aus Caesara)<br />

werden zusammengefügt und ergeben ein<br />

lebendiges Bild der heute noch verehrten Partisanin.<br />

Ein sehr schöner poetischer Roman<br />

der bedeutendsten Schriftstellerin des Mahgreb<br />

und Friedenspreisträgerin des Deutschen<br />

Buchhandels 2000. fh<br />

Forschung<br />

Dr. Ulrike Hänsch: Individuelle<br />

Freiheiten – heterosexuelle<br />

Normen. Leske + Budrich, Band 36,<br />

Opladen 2003; 14,90 €<br />

Nach dem Fotobildband „Lebenswege<br />

lesbischer <strong>Frauen</strong> – Zehn biografische Portraits.“,<br />

siehe WF 02/02, analysiert die Sozialwissenschaftlerin<br />

nun den Freiheitsgewinn,<br />

der für lesbische <strong>Frauen</strong> in der Moderne<br />

durch Enttraditionalisierung und Individualisierung<br />

entstanden ist, und untersucht<br />

zugleich die Normen der Heterosexualität <strong>als</strong><br />

Rahmenbedingung biografischer Entwicklungen.<br />

Sie schließt damit die Lücke in der<br />

<strong>Frauen</strong>- und Geschlechterforschung <strong>als</strong> auch<br />

in der allgemeinen Soziologie, in der lesbische<br />

Erfahrungen im Wesentlichen unsichtbar<br />

bleiben. Ulrike Hänsch fördert durch ihren<br />

Blick auf Lebensverhältnisse und Lebensverläufe<br />

lesbischer <strong>Frauen</strong> das Ringen mit normativen<br />

Vorgaben heterosexueller Zweigeschlechtlichkeit<br />

zu Tage. Im ersten Teil wird<br />

hierzu der Forschungsstand referiert und im<br />

zweiten Teil wird am Beispiel biografischer<br />

Erzählungen lesbischer <strong>Frauen</strong> die Frage<br />

untersucht, wie überhaupt ein Leben zu entwerfen<br />

ist, das <strong>als</strong> nicht-lebbar gilt. Die Handlungsspielräume<br />

werden – auf oft überraschenden<br />

Wegen – durch die Einzelnen erst<br />

erschlossen. gb<br />

WIDERSPRUCH 44: Feminismus,<br />

Gender, Geschlecht. Widerspruch,<br />

Postfach, 8026 Zürich 2003, 16 €<br />

Solange Armut, Gewalt, Ausbeutung<br />

und Diskriminierung für viele <strong>Frauen</strong> weltweit<br />

Realität sind, braucht es Ursachenanalyse,<br />

politische Emanzipation und alternative<br />

Konzepte. Forderten die Alte und die<br />

Neue <strong>Frauen</strong>bewegung im Westen Rechte<br />

auf Gleichheit und Freiheit, so kämpft die<br />

internationale <strong>Frauen</strong>politik um <strong>Frauen</strong>-<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

31<br />

rechte, um sichere Arbeits- und Lebensbedingungen.<br />

Das von einer weiblichen Redaktion<br />

vorgelegte Widerspruch-Heft beinhaltet<br />

Beiträge zu „Gender Mainstreaming –<br />

Chance oder Feminismus light?“, Analysen<br />

und Berichte aus der Finanzpolitik, der feministischen<br />

Gewerkschaftsarbeit und den<br />

Post-Beijing-Aktivitäten. Die Bewertungen<br />

der Konzepte, Ziele, Strategien und <strong>Wir</strong>kungen<br />

des Gender Mainstreaming im neoliberalen<br />

Umfeld gehen stark auseinander. So<br />

hätte ich mir eindeutigere Antworten<br />

gewünscht auf die Frage, ob die Professionalisierung<br />

und die Verwissenschaftlichung<br />

der „<strong>Frauen</strong>frage“ in Politik und Institutionen<br />

zu deren Entpolitisierung geführt<br />

haben? Gar zur Aufsplitterung der feministischen<br />

Bewegung in abgegrenzte Teilöffentlichkeiten,<br />

die vor allem hinter verschlossenen<br />

Türen tagen und kaum mehr<br />

miteinander ins Gespräch kommen? Nichts<br />

desto trotz, wurde hier eine umfangreiche<br />

Sammlung theoretischer und auch praxisbezogener<br />

Texte vorgelegt, in denen u. a.<br />

aufgezeigt wird, dass die oft hoch gelobte<br />

schweizerische Alters- und Hinterlassenschaftsversicherung<br />

von Anfang an von<br />

<strong>Frauen</strong>diskriminierung geprägt ist. gb<br />

Bettina Bab/Marianne Pitzen (Hg.),<br />

<strong>Frauen</strong>museum Bonn: „Romantik,<br />

Reisen, Realitäten. <strong>Frauen</strong>leben<br />

am Rhein“. Edition Lempertz,<br />

Bonn 2002. 24,– €.<br />

Wer etwas über <strong>Frauen</strong>leben am Rhein<br />

unter französischer Besatzung (an der Wende<br />

vom 18. zum 19. Jh.), am Rhein <strong>als</strong> Arbeitsplatz,<br />

<strong>als</strong> Reiseweg, <strong>als</strong> Freizeitstätte und <strong>als</strong><br />

Todesort erfahren möchte, über Rheinromantik<br />

aus <strong>Frauen</strong>sicht (mit Porträts von<br />

Musikerinnen wie Johanna Kinkel und Clara<br />

Schumann, Dichterinnen wie Karoline von<br />

Günderrode und <strong>Frauen</strong>bewegten wie Kathinka<br />

Zitz) sowie Rheinische <strong>Frauen</strong>sagen,<br />

findet hier eine Fundgrube an gut recherchierten<br />

historischen Beiträgen und an<br />

wunderbaren alten Fotos. Zudem gibt es<br />

Abbildungen von fantasievollen Objekten,<br />

Performances und Installationen von 40 zeitgenössischen<br />

Künstlerinnen rund um den<br />

mächtigen Fluss. Vorliegende Publikation<br />

erschien zur gleichnamigen Ausstellung des<br />

Bonner <strong>Frauen</strong>museums. fh


➜<br />

Gelesen<br />

Philosophinnen Sprüche. Leben<br />

braucht Leidenschaft. BuchVerlag<br />

für die Frau. Leipzig 2003. 5,– €<br />

Dass nicht nur Männer wie Platon, Kant<br />

oder Marx Philosophie betrieben haben, ist<br />

inzwischen durch gute Philosophinnen-Lexika<br />

belegt. In dem hübschen gebundenen und<br />

bibliophilen Büchlein wurden Sprüche ausgewählt<br />

und mit einem Vorwort von Barbara<br />

Brüning versehen:Weisheiten zu Lebenskunst,<br />

zu den Themen Liebe, Freundschaft, Moral,<br />

Recht und Unrecht, Glück und Wahrheit, Natur<br />

und Mensch, Leben und Zeit. Kluge Gedanken<br />

von <strong>Frauen</strong> aus allen Ländern, von Sappho bis<br />

zu Carol Gilligan, über Mary Wollstonecraft,<br />

Alexandra Kollontai, Rosa Luxemburg, Simone<br />

de Beauvoir und Seyla Benhabib. Fh<br />

Rosa B. Schneider: Um Scholle und<br />

Leben. Zur Konstruktion von<br />

„Rasse“ und Geschlecht in der<br />

deutschen kolonialen Afrikaliteratur<br />

um 1900. Brandes und<br />

Apsel 2003, 295 Seiten, 19,90 Euro.<br />

Am Beginn ihrer literaturwissenschaftlichen<br />

Studien zur deutsch-kolonialen Afrikaliteratur<br />

um 1900 stand ein Aufenthalt am<br />

Women’s Institute der Universität Lancaster/GB.<br />

Und der machte der Autorin klar:<br />

Eine Beschäftigung mit der sozialen Kategorie<br />

„Geschlecht“ zieht immer auch eine Auseinandersetzung<br />

mit den Konstruktionen<br />

„Rasse“ (fast immer auf Schwarze bezogen)<br />

und „Klasse“ mit sich, muss sie sogar beinhalten.<br />

Alles andere sei Reduktion, und so<br />

zieht sich durch die Doktorarbeit der Bochumerin<br />

dieser verschlungene, nicht voneinander<br />

lösbare Blickwinkel. Die Schöpfer und<br />

auch Schöpferinnen dieser Kategorien agierten<br />

meist im Verborgenen. Ihre Kolonialliteratur<br />

– der ausgewanderter und über ausgewanderte<br />

<strong>Frauen</strong> – produzierte wieder<br />

neuen Kolonialismus. So trivial ihre, von der<br />

Autorin vorgestellten und untersuchten<br />

Romane und Autobiographien auch seien –<br />

wie die der <strong>Frauen</strong>bundgründungsfrauen<br />

wie Frieda von Bülow, Adda von Liliencron,<br />

Helene von Falkenhausen (Leiterin einer<br />

kolonialen Lehrfarm) oder der Journalistin<br />

Clara Brockmann – so wenig trivial waren<br />

deren Folgen: Die Koloni<strong>als</strong>chriftsteller/innen<br />

produzierten vorurteilsbeladene Bilder<br />

über Land und Leute, die bis heute in vielen<br />

Köpfen fest sitzen und immer noch arbeiten.<br />

Das Buch – auch mit Bildmaterial - verweist<br />

auf zahlreiche koloniale <strong>Frauen</strong>literatur und<br />

eröffnet Blick und Hintergründe schichtenspezifischer<br />

Heiratsmigration weißer <strong>Frauen</strong><br />

nach Afrika. Thea A. Struchtemeier<br />

Brenda Maddox: Rosalind Franklin.<br />

Die Entdeckung der DNA oder der<br />

Kampf einer Frau um wissenschaftliche<br />

Anerkennung. Campus<br />

Verlag 2003. 30 Abb. 24,90 Euro.<br />

In diesem Jahr werden Männer dafür<br />

geehrt, dass sie die Doppelhelix-Struktur der<br />

menschlichen DNA entschlüsselten. Dafür<br />

erhielten sie 1962 den Nobelpreis. Vier Jahre<br />

davor (1958) stirbt die Wissenschaftlerin<br />

Rosalind Franklin an Krebs. Ihre Forschungsarbeiten<br />

haben maßgeblich dazu beigetragen,<br />

die Doppelhelix zu entziffern. Hier wird<br />

ihre Lebensgeschichte erzählt, unterhaltsame<br />

Wissenschaftsgeschichte, die das Bild dieser<br />

Forscherin zurechtrückt und ihr den Platz<br />

wiedergibt, der ihr zusteht. Weibliche Wissenschaftsgeschichte<br />

at her best. Die Verfasserin<br />

erhielt für diese Biografie den Los Angeles<br />

Times Book Prize. MV<br />

Biografien<br />

Gisela Notz: <strong>Frauen</strong> in der Mannschaft.<br />

Sozialdemokratinnen im<br />

Parlamentarischen Rat und im<br />

Deutschen Bundestag 1948/49-<br />

1957. Bonn: Dietz 2003. 34,– Euro.<br />

26 SPD-Politikerinnen aus dem Anfangsjahrzehnt<br />

werden biografisch, mit Foto, mit<br />

ihrem politischen Lebenslauf und den jeweiligen<br />

politischen Arbeitsschwerpunkten vorgestellt.<br />

Dazu gibt es Informationen zur politischen<br />

Situation nach 1945. Das Buch ist das<br />

Ergebnis eines Forschungsprojektes, enthält<br />

viele Fußnoten und ist sehr gut recherchiert.<br />

Es gibt einen umfassenden Überblick über die<br />

politischen Probleme, Themen und Entwicklungen<br />

dieser Zeit aus <strong>Frauen</strong>perspektive.<br />

Sehr empfehlenswert. MV<br />

Lilia Wick: Geschichte der <strong>Frauen</strong><br />

in Kempen. Arbeit, Bildung und<br />

Öffentlichkeit im 19. und 20.<br />

Jahrhundert. Bielefeld 2003.<br />

82 Abb. 19,– Euro.<br />

Dieses Geschichtsbuch ist einzuordnen<br />

in das große Feld der <strong>Frauen</strong>stadtgeschichte.<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

32<br />

Anhand von drei übergeordneten Bereichen –<br />

<strong>Frauen</strong>arbeit, Mädchenbildung und <strong>Frauen</strong> in<br />

Bildung und Erziehung, <strong>Frauen</strong> im öffentlichen<br />

Leben – werden Gegebenheiten, Zustände,<br />

Biografien, Orte und Besonderheiten des<br />

Kreises Kempen (Niederrhein) präsentiert.<br />

Dahinter stand ein Projekt des Kempener<br />

Geschichts- und Museumsvereins e.V., um die<br />

Spuren von <strong>Frauen</strong> in der Stadt wieder sichtbar<br />

zu machen. Das gelingt dem Buch. Es ist<br />

unterhaltsam und bietet neben den Informationen<br />

auch viele Fotos. MV<br />

Hermann Vinke, Cato Bontjes van<br />

Beek, „Ich habe nicht um mein<br />

Leben gebettelt“. Ein Porträt, Arche<br />

Verlag, Zürich-Hamburg 2003, 18,– €<br />

Vor sechzig Jahren wurde Cato Bontjes<br />

van Beek hingerichtet. Sie starb Anfang<br />

August 1943 in Berlin-Plötzensee, gerade 22<br />

Jahre alt, unter dem Fallbeil – wie weitere 15<br />

Nazigegner. Unter den Ermordeten: Hilde<br />

Coppi, Oda Schottmüller, Eva-Maria Buch<br />

und Liane Berkowitz. Cato (1920-1943) hatte<br />

antifaschistische Flugblätter verfasst und<br />

wurde deshalb der „Beihilfe zur Vorbereitung<br />

des Hochverrats und zur Feindbegünstigung“<br />

angeklagt. Cato stammte aus einer<br />

Künstlerfamilie aus Fischerhude, ihre Mutter,<br />

eine Tänzerin, und ihr Vater, ein Keramiker,<br />

waren Hitler-Gegner. Cato war von der<br />

Deportierung einer jüdischen Nachbarfamilie<br />

zutiefst schockiert, bekam über Libertas<br />

Schulze-Boysen 1941 Kontakt zur kommunistischen<br />

Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“,<br />

der sie sich auch anschloss. Sie wurde nach<br />

1945 Opfer des kalten Kriegs, erst 1958 rehabilitiert<br />

– nach jahrelangen Prozessen bekam<br />

die Mutter eine lächerliche Entschädigung.<br />

Dem Verfasser einer Sophie Scholl-Biographie<br />

ist es gelungen, anhand von teilweise<br />

unveröffentlichten Dokumenten und Gesprächen<br />

mit Angehörigen und Zeitzeugen,<br />

den Lebensweg der Widerstandskämpferin<br />

zu rekonstruieren. fh<br />

Florence Hervé, Rainer Höltschl<br />

(Hrsg.): Simone de Beauvoir. Mit<br />

einem biographischen Essay von<br />

Florence Hervé. orange press,<br />

Freiburg<br />

„Medizinerinnen? Wie viele davon sind<br />

Chirurginnen, Krankenhausleiterinnen? <strong>Frauen</strong><br />

in der Regierung? Ein paar Alibifrauen (...)


Aber wie viele <strong>Frauen</strong> gibt es, die Staatsgelder<br />

verwalten? Wie viele <strong>Frauen</strong> haben Einfluss<br />

auf die Redaktionspolitik großer Zeitungen?<br />

Wie viele werden Richterinnen? Wie viele<br />

werden Bankdirektorinnen, die die Finanzausstattung<br />

von Firmen entscheiden? Nur<br />

weil es viel mehr <strong>Frauen</strong> in mittleren Positionen<br />

gibt, heißt das noch lange nicht, dass sie<br />

Einfluss haben.“<br />

So die französische Philosophin Simone<br />

de Beauvoir in einem Interview von 1976. Fast<br />

dreißig Jahre später in einer Zeit der fortschreitenden<br />

Globalisierung, in der sich der<br />

Kapitalismus in seinem Kampf um die Ressourcen<br />

dieser Welt ganz offen von seiner<br />

hässlichsten Seite zeigt, ist es lohnenswert,<br />

sich mit den Texten Beauvoirs erneut auseinander<br />

zu setzen. Ihre Auffassung, dass es eine<br />

vollkommene Gleichheit zwischen Mann und<br />

Frau in einer auf Geld und Macht gründenden<br />

Gesellschaft nicht geben kann und der Klassenkampf<br />

nicht ohne den Geschlechterkampf<br />

möglich ist, hat nichts an Aktualität eingebüßt.<br />

Doch ihr Kampf um die Rechte der Frau<br />

ist nur eine Facette ihres vielseitigen Schaffens.<br />

Der Freiburger Verlag orange press hat<br />

jetzt ein Simone-de-Beauvoir-Lesebuch herausgegeben,<br />

das sie nicht nur <strong>als</strong> radikale<br />

Denkerin und großartige Literatin würdigt,<br />

sondern auch ihr politisches Engagement<br />

herausstreicht. Vereint sind Passagen aus<br />

„Das andere Geschlecht“, „Der Existentialismus<br />

und die Volksweisheit“, Memoiren einer<br />

Tochter aus gutem Hause“,„Der Lauf der Dinge“,„Soll<br />

man Sade verbrennen?“,„Das Alter“<br />

neben anderen erstm<strong>als</strong> ins Deutsche übertragene<br />

Schriften. Besonders berührt ihr<br />

leidenschaftliches Plädoyer gegen den Algerienkrieg<br />

in einer 1962 in Frankreich erschienenen<br />

Broschüre über die algerische Freiheitskämpferin<br />

Djamila Boupacha, die von<br />

französischen Soldaten brutal gefoltert und<br />

vergewaltigt wurde. Ihr Vorwurf an die französische<br />

Öffentlichkeit, durch ihr Schweigen<br />

„stelle sie sich in eine Reihe mit den Schlächtern“,<br />

entspringt ihrer tiefen Überzeugung<br />

vom Menschen <strong>als</strong> freiem Geschöpf, das die<br />

alleinige Verantwortung für sein Handeln<br />

und auch Nicht-Handeln übernimmt.<br />

Mitherausgeberin Florence Hervé hat die<br />

gesammelten Texte durch eine Kurzbiographie<br />

ergänzt. Das hübsch aufgemachte Buch,<br />

mit pinkfarbenen Heftbänden gebunden, ist<br />

nicht nur für Beauvoir-KennerInnen empfehlenswert,<br />

sondern lädt auch eine neue Generation<br />

ein, Simone de Beauvoir für sich zu entdecken.<br />

sbe<br />

reporter ohne grenzen:<br />

Willkommen im<br />

Wunderland. Die Utopie<br />

des Zuhause. Fotos für die<br />

Pressefreiheit 2003<br />

Reporter ohne Grenzen engagiert<br />

sich <strong>als</strong> unabhängige Menschenrechtsorganisation<br />

weltweit<br />

für das Recht auf freie Meinungsäußerung<br />

und freie Berichterstattung.<br />

Für den Bildband haben neun<br />

junge Fotografinnen und Fotografen<br />

ihre Arbeiten unentgeltlich zur<br />

Verfügung gestellt. Sie zeigen das<br />

„Zuhause“ in all seiner Vielschichtigkeit. Ihre Arbeiten regen an, über den gesellschaftlichen<br />

wie individuellen Begriff des Zuhause nachzudenken. Ist das, was man „Zuhause“<br />

nennt, nur eine störanfällige Illusion? Und ist eine Welt, in der sich jede/r zuhause fühlen<br />

kann, eine gesellschaftliche Utopie?<br />

Der Band kann 4 Wochen zum Vorzugspreis von 13,90 € unter Tel. (08 00) 8 00 46 00<br />

oder im Internet unter www.welt.de bestellt werden.<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

33<br />

DAS FEMINISTISCHE<br />

BLATT<br />

Forum für<br />

außerparlamentarische<br />

<strong>Frauen</strong>positionen<br />

unabhängig • feministisch • konsequent<br />

Seit 20 Jahren bietet WIR FRAUEN 4 x jährlich auf<br />

36 Seiten Informationen zur Politik und Gesellschaft<br />

im eigenen Land. <strong>Wir</strong> stellen <strong>Frauen</strong>projekte vor<br />

und lassen sie selbst zu Wort kommen.<br />

Für uns geschrieben haben u. a.: Irmtraut Morgner,<br />

Ute Gerhard, Peggy Parnass, Elisabeth Klaus, Jutta<br />

Heinrich, Margot Schroeder, Christina Schenck ...<br />

1997<br />

❍ Nr. 1: Was ist an der Sexualität sexuell? € 2,50<br />

❍ Nr. 2: Gute Nacht, Europa € 2,50<br />

❍ Nr. 3: Selbständigkeit, Existenzgründung € 2,50<br />

❍ Nr. 4: Time is Money € 2,50<br />

1998<br />

❍ Nr. 1: Islamischer und katholischer<br />

Fundamentalismus € 2,50<br />

❍ Nr. 2: Globalisierung und <strong>Frauen</strong>leben € 2,50<br />

❍ Nr. 3: der, die, das multi-media € 2,50<br />

❍ Nr. 4: <strong>Frauen</strong>rechte – Menschenrechte € 2,50<br />

1999<br />

❍ Nr. 1: Globalisierung der Solidarität € 2,50<br />

❍ Nr. 2: vergriffen! € 2,50<br />

❍ Nr. 3: Lebensformen – Lebensweisen € 2,50<br />

❍ Nr. 4: Zukunftsentwürfe € 2,50<br />

2000<br />

❍ Nr. 1: Selbstbestimmte Mutterschaft € 2,50<br />

❍ Nr. 2: Gleichstellung zum Töten? € 2,50<br />

❍ Nr. 3: Politische Gefangene € 2,50<br />

❍ Nr. 4: Männer – zwischen Stillstand<br />

und Bewegung € 2,50<br />

2001<br />

❍ Nr. 1: Körperbilder – Mythos Schönheit € 2,50<br />

❍ Nr. 2: Freundinnen € 2,50<br />

❍ Nr. 3: Sicherheitskonzepte € 2,50<br />

❍ Nr. 4: Willkommen beim Rodeo Europa € 2,50<br />

2002<br />

❍ Nr. 1: Karriere-Barrieren € 3,00<br />

❍ Nr. 2: Der Gesundheitsmarkt € 3,00<br />

❍ Nr. 3: Mütter – die Hand an der Wiege € 3,00<br />

❍ Nr. 4: fräuleinwunder – mädchenpower<br />

– girliekult € 3,00<br />

2003<br />

❍ Nr. 1: <strong>Frauen</strong> grenzenlos € 3,00<br />

❍ Nr. 2: Female Money € 3,00<br />

Ja, ich möchte die oben angekreuzten Hefte<br />

bekommen. Den jeweiligen Betrag + 2,– € für<br />

Versandkosten lege ich in Briefmarken bei.<br />

Name: .......................................................................<br />

Straße: ......................................................................<br />

PLZ, Ort ....................................................................<br />

Unterschrift:............................................................<br />

Bitte einsenden an: <strong>Wir</strong> <strong>Frauen</strong> e.V.,<br />

Rochusstraße 43, 40479 Düsseldorf


I M P R E S S U M<br />

Herausgeberin: WIR FRAUEN – Verein zur<br />

Förderung von <strong>Frauen</strong>publizistik e.V.,<br />

Rochusstraße 43, 40479 Düsseldorf,<br />

wirfrauen@reviera.de<br />

Verantw. Redakteurinnen:<br />

Gabriele Bischoff, Florence Hervé und Melanie Stitz<br />

Redaktion: Elke Boumans-Ray, Marion Gaidusch,<br />

Doris Heeger, Sonja Kieten, Ingeborg Nödinger,<br />

Jessica Puhle, Mithu M. Sanyal, Sabine Schwabe,<br />

Birgit Unger, Mechthilde Vahsen.<br />

Redaktionsbeirat: Karin Bergdoll, Ellen Diederich,<br />

Lissi Klaus, Antje Olivier, Dodo van Randenborgh,<br />

Renate Wurms.<br />

Namentlich gezeichnete Artikel stellen nicht<br />

unbedingt die Meinung der Redaktion dar.<br />

Layout: Karl-Heinz Pawlitzki<br />

Satz/Belichtung: RevierA GmbH, Agentur für<br />

Kultur und Kommunikation, Franz-Arens-Str. 15,<br />

45139 Essen<br />

Druck: stattwerk e.G., Essen<br />

auf chlorfrei gebleichtem Papier<br />

Fotos: Titelfoto Birgitta Thaysen, S. 7-15, Birgit Gärtner,<br />

S. 9, Kornelia Wigh, S. 12, aus <strong>Wir</strong> <strong>Frauen</strong>-Kalender, verlag<br />

„die Werkstatt“, S. 14, http://photos.yahoo.com/ kvisaphotos,<br />

S. 18, www.McPlanet.com, S. 20 und 22, aus:<br />

Atlas der Globalisierung, Hrsg.: Le Monde diplomatique,<br />

taz Verlags- und Vertriebs GmbH, Berlin 2003,<br />

S. 24, Archiv und aus: Der Spiegel, 10/2003,<br />

S. 25, aus: Renate Riemeck, Ich bin ein Mensch für<br />

mich, Urachhaus, S. 26, aus: taz, 5./6. April 2003,<br />

S. 30, Archiv, S. 33, aus:Willkommen im Wunderland,<br />

Hrsg.: Reporter ohne Grenzen e.V., Berlin 2003,<br />

S. 35, aus: Vera Figner, Freiheit oder Tod, Berlin 1978,<br />

und bildarchiv preussischer kulturbesitz<br />

Abo-Verwaltung: RevierA GmbH,<br />

Franz-Arens-Straße 15, 45139 Essen,<br />

Tel.: 0201/27 40 8-30, Fax: 27 40 8-15<br />

Jahresbezugspreis:<br />

Postvertriebsstück jährlich 15,– €<br />

Förder-Abo jährlich 26,– €<br />

Stückpreis/Einzelheft 3,– €<br />

Konto für Abonnentinnen und für Spenden:<br />

Postbank Essen 4513 69-430 (BLZ 360 100 43)<br />

Kündigungen müssen 6 Wochen vor Jahresende<br />

schriftlich beim Verein eingehen.<br />

Widerrufsbelehrung:<br />

BestellerInnen haben das Recht, ihr Abonnement<br />

innerhalb einer Woche zu widerrufen. Zur<br />

Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige<br />

Absendung (Datum des Poststempels) des<br />

Widerrufs. Die Kenntnisnahme der Widerrufsbelehrung<br />

bestätige ich mit meiner Unterschrift.<br />

Ihr an uns<br />

Hallo liebe „<strong>Wir</strong> <strong>Frauen</strong>“<br />

Zuerst muss ich Euch ein großes Kompliment<br />

machen, Ihr seid einfach gut.<br />

Danke für den Bericht über den Weltfrauenmarsch.<br />

Ich war in Brüssel dabei. Und es war<br />

für mich ein Ereignis, das bis heute nachwirkt.<br />

Seit langem stelle ich mir mit einiger Sorge die<br />

Frage, geht es weiter und was ist inzwischen<br />

geschehen? Ich bin hocherfreut über die Aktivitäten.<br />

Und wenn das Manifest nicht <strong>als</strong> feministisch<br />

deklariert werden kann – damit kann<br />

ich leben.Wenn ich mich in meiner Umgebung<br />

<strong>als</strong> Feministin oute, werde ich auch nicht verstanden.<br />

Kann ich die erstellten Analysen<br />

irgendwo beziehen? Ist es Euch möglich, in Abständen<br />

weiter über den Marsch zu berichten?<br />

2. Punkt: Der Kongress „Gesellschaft in<br />

Balance“ – Matriarchatsforschung – in Luxemburg.<br />

Werdet Ihr darüber berichten?<br />

Liebe Grüße für Euch.<br />

Lotte Densow, Münster<br />

Liebe Melanie,<br />

auf dem UZ-Pressefest in Dortmund<br />

drückte mir eine Freud- und Leidgenossin im<br />

Vorbeigehen Eure wundervolle Zeitung „<strong>Wir</strong><br />

<strong>Frauen</strong>“ in die Hand. Nachdem ich zuhause<br />

Zeit hatte, sie zu lesen, bin ich begeistert.<br />

Nun gehöre ich schon einem anderen<br />

gemeinnützigen Verein an (!Basta Ya!, Netzwerk<br />

Cuba – Informationsbüro e.V.). Darüber hinaus<br />

engagiere ich mich innerhalb der internationalen<br />

Kampagne für die Befreiung von fünf kubanischen<br />

politischen Gefangenen in den USA,<br />

„Free the Five“ und für das Besuchsrecht ihrer<br />

Ehefrauen im Gefängnis.(...) Jetzt frage ich<br />

mich, ob Ihr uns in Eurer Zeitung auch ein<br />

Forum anbieten könntet.<br />

Mit den besten Wünschen für Eure<br />

Zeitung, die ich gern zu verbreiten helfen<br />

werde und solidarischen Grüßen<br />

Josie Michel-Brüning, Jülich<br />

Liebe <strong>Frauen</strong>,<br />

Ich freue mich, dass Ihr immer noch aktiv<br />

seid im Sinne einer links-feministischen APO.<br />

Auch Euer „nicht-aufgemotztes“ klares Zeitungs-Lay-out<br />

sowie der Verzicht auf „Lifestyle-Pipapo“<br />

erfreut mich. Danke!<br />

Ursula Linnhoff, Köln<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

34<br />

<strong>Wir</strong> an Euch<br />

Über Ihre/Eure Briefe, Hinweise auf<br />

Aktionen und Anregungen freuen wir uns<br />

immer. Unsere Zeitung ist <strong>als</strong> Forum für außerparlamentarische<br />

Positionen und <strong>als</strong> <strong>Frauen</strong>projekt,<br />

das mit der Internationalen demokratischen<br />

<strong>Frauen</strong>föderation verbunden ist (vgl.<br />

wir frauen 1/03), darum bemüht, über Aktivitäten<br />

von <strong>Frauen</strong> für <strong>Frauen</strong>recht, Selbstbestimmung<br />

und Frieden in aller Welt zu<br />

berichten, über die sonst kaum eine/r redet<br />

und schreibt. Den Weltfrauenmarsch haben<br />

wir von Anfang an nicht nur verfolgt, sondern<br />

unterstützt. Darüber werden wir auch weiterhin<br />

berichten.<br />

Zum anderen nimmt eine unserer Redaktionsfrauen<br />

am Kongress zur Matriarchatsforschung<br />

teil.<br />

Ein Nachtrag zur letzten Nummer: Bei der<br />

Gestaltung unserer „Korinthen-Seite“ im Heft<br />

2/03 ist der Eingangstext verloren gegangen,<br />

was das Verständnis des Textes an „Liebe Dr.<br />

Laura“ ungleich schwerer macht. Hiermit liefern<br />

wir ihn nach und bitten das Versehen zu<br />

entschuldigen:<br />

Laura Schlessinger ist eine US-Radio-<br />

Moderatorin, die Leuten, die in ihrer Show anrufen,<br />

Ratschläge erteilt. Kürzlich sagte sie, <strong>als</strong><br />

achtsame Christin, dass Homosexualität unter<br />

keinen Umständen befürwortet werden kann,<br />

da diese nach Leviticus 18:22 ein Greuel wäre.<br />

Der in <strong>Wir</strong> <strong>Frauen</strong> 2/03 abgedruckte Brief ist ein<br />

offener Brief eines US-Bürgers an Dr. Laura, der<br />

im Internet verbreitet wurde.<br />

Anzeige


Russische Revolutionärin<br />

und Anarchistin<br />

Im Reich des russischen Zaren<br />

schlossen sich in den 1860er und<br />

1870er Jahren viele junge <strong>Frauen</strong> aus<br />

Adelsfamilien revolutionären Zirkeln<br />

und Untergrundgruppen an,um gegen<br />

das zaristische Herrschaftssystem<br />

zu kämpfen. So auch Sofia<br />

Lwowna Perowskaja,deren Rebellion<br />

gegen die feudalistischen Gesellschaftsstrukturen,<br />

gegen Unfreiheit<br />

und Unterdrückung bereits im<br />

Elternhaus begann. Sie schloss sich<br />

den Anarchisten und der im Untergrund<br />

arbeitenden Gruppe „Narodnaja<br />

Wolja“ (Volkswillen) an und arbeitete<br />

auf dem Land <strong>als</strong> Arztgehilfin<br />

und Propagandistin.<br />

Nachdem jedoch<br />

der erwartete<br />

Erfolg in der<br />

Agitation und<br />

Aktivierung der<br />

Bauern ausblieb,<br />

radikalisierten<br />

sich die „Narodniki“<br />

und führten,<br />

der Losung „Propaganda<br />

durch<br />

die Tat“ entsprechend,<br />

neben anderen<br />

Aktionen<br />

im Verlauf von drei Jahren sieben Attentate<br />

auf den Zaren Alexander II<br />

durch, die alle scheiterten.<br />

Sofia Perowskaja war inzwischen<br />

Mitglied des „Vollzugskomitees“,<br />

bereitete mit Wera Figner in<br />

St. Petersburg im Februar 1881 einen<br />

weiteren Anschlag vor und übernahm<br />

am 1.3.1881 in letzter Minute<br />

die Leitung.„Sie war es, die, <strong>als</strong> sich<br />

die Situation infolge der veränderten<br />

Marschroute des Zaren verschob,<br />

den ganzen Plan aus eigener<br />

Initiative umstellte; ihrer Geistes-<br />

Sofia Lwowna Perowskaja<br />

13.9.1853 - 15.4.1881<br />

gegenwart war es zu verdanken,<br />

dass der Kaiser den zwei Terroristenbomben<br />

zum Opfer fiel.“ (Wera<br />

Figner, Nacht über Russland, Jossa<br />

1978). Nach ein paar Tagen wurde<br />

Sofia Perowskaja auf der Straße verhaftet<br />

und am 15. April mit vier weiteren<br />

Anführern hingerichtet. Eine<br />

zeitgenössische Illustration zeigt<br />

sie,gefesselt,in schwarzem Gewand,<br />

ein Brett mit der Aufschrift<br />

„Zarenmörder“ um den H<strong>als</strong>.<br />

Sofia Perowskaja war die erste<br />

russische Frau, die <strong>als</strong> politische<br />

„Verbrecherin“ hingerichtet wurde.<br />

Im gleichen Jahr wurde den <strong>Frauen</strong><br />

das Studium an<br />

den russischen<br />

Universitäten verboten,<br />

zu dem sie<br />

1876 zugelassen<br />

worden waren.<br />

24 Jahre lang, bis<br />

1905,sollte dieser<br />

Ausschluss der<br />

<strong>Frauen</strong> aus den<br />

Universitäten andauern.<br />

Wenige Tage<br />

vor ihrem Tod am<br />

Galgen schrieb<br />

Sofia Perowskaja in einem Brief an<br />

ihre Mutter, ihr Schicksal sei „gar<br />

nicht so schrecklich“, denn:„ich habe<br />

meinen Prinzipien getreu gelebt;<br />

ich hätte mich nicht anders verhalten<br />

können; und so erwarte ich die<br />

Zukunft mit einem guten Gewissen.“<br />

Der Lyriker und Romanautor<br />

Iwan S.Turgenjew widmete ihr eines<br />

seiner „Gedichte in Prosa“, und<br />

Dmitri Schostakowitsch komponierte<br />

die Musik (op.128) zu dem Film<br />

„Sofia Perowskaja“ von 1967.<br />

Ingeborg Nödinger<br />

&<br />

Daten Taten<br />

Die Menschenrechte haben<br />

kein Geschlecht!<br />

Als erste Bürgerliche fordert<br />

Hedwig Dohm 1873 öffentlich das<br />

Stimmrecht für <strong>Frauen</strong>, denn vor allem<br />

darin sieht sie für <strong>Frauen</strong> die<br />

Chance auf Selbstbestimmung:<br />

selbst Politik machen, um die<br />

Situation von <strong>Frauen</strong> in der<br />

Gesellschaft zu verbessern.<br />

Die couragierte Streiterin<br />

stammt aus der jüdischen Fabrikantenfamilie<br />

Schleh und erhält eine im<br />

19. Jahrhundert übliche kurze<br />

Schulausbildung. Ihre Erfahrungen<br />

während der Revolution 1848 in<br />

Berlin verstärken ihr politisches<br />

Interesse. Sie heiratet Ernst Dohm,<br />

Redakteur der<br />

satirischen Zeitschrift,Kladderadatsch‘.<br />

Im Umgang<br />

mit Menschenzurückhaltend,<br />

findet sie<br />

im Schreiben zu<br />

Polemik, Witz,<br />

Ironie und Scharfzüngigkeit.<br />

Ihre<br />

Texte setzen sich<br />

radikal mit den<br />

herrschenden Vorstellungen<br />

darüber auseinander,<br />

wie <strong>Frauen</strong> zu sein haben und stellen<br />

dar, wie sich diese <strong>Frauen</strong>feindlichkeit<br />

in Wissenschaft,<br />

Theologie und Justiz niederschlägt.<br />

Hedwig Dohm fordert eine<br />

gleichwertige Schul- und Berufsausbildung<br />

für Mädchen, sexuelle<br />

Aufklärung, Entlastungen bei der<br />

Kindererziehung, politisches Wahlrecht,<br />

Vereinsbildung und soziale<br />

Organisation für <strong>Frauen</strong> – Bedingungen<br />

für eine selbstständige Existenz<br />

in einer Zeit, die <strong>Frauen</strong> das Recht,<br />

Subjekt zu sein (juristisch, wirtschaftlich,politisch),völlig<br />

abspricht.<br />

WIR FRAUEN 3/2003<br />

35<br />

Hedwig Dohm<br />

20.9.1833 – 4.6.1919<br />

Sie argumentiert gegen das<br />

Dogma der Mutterschaft,die <strong>als</strong> naturgegeben<br />

mythisiert wird, publiziert<br />

aufgrund des ersten Weltkriegs<br />

einen Text gegen den Krieg und<br />

spricht sich gegen die Versorgungsehe<br />

und für die freie Ehe aus.<br />

Obwohl Hedwig Dohm der<br />

<strong>Frauen</strong>bewegung nahe steht, beteiligt<br />

sie sich nur an zwei Vereinen,<br />

dem „<strong>Frauen</strong>verein Reform“, der<br />

sich für die Koedukation (ein Skandal<br />

zu dieser Zeit) und für die freie<br />

Berufswahl von <strong>Frauen</strong> einsetzt,<br />

und dem Verein <strong>Frauen</strong>wohl.<br />

„Wenn ich (...) mit glühender<br />

Überzeugung die<br />

Gleichberechtigung<br />

der Geschlechterfordere,<br />

so geschieht es<br />

auf Grund langer<br />

Erfahrungen<br />

und Beobachtungen,<br />

auf Grund<br />

des einfachen gesundenMenschenverstandes,<br />

der nicht verstehen<br />

kann, daß<br />

man Menschen, die ihre fünf Sinne<br />

beisammen haben,in Zwangsjacken<br />

steckt.“<br />

Die überzeugte Feministin gibt<br />

ihre Auffassung an ihre vier Töchter<br />

weiter:Sie alle erhalten eine Berufsausbildung,<br />

um nicht auf einen<br />

Versorger angewiesen zu sein. Die<br />

Texte, Romane, Streitschriften und<br />

Novellen dieser außergewöhnlichen<br />

Frau bieten über die historische<br />

Distanz hinweg eine immer noch aktuelle<br />

Analyse frauenfeindlicher<br />

Argumentationsmuster und zeigen<br />

eine radikale feministische<br />

Vordenkerin.<br />

Mechthilde Vahsen


ABO<br />

…und hier<br />

gibt’s das Abo!<br />

DAS FEMINISTISCHE BLATT • FORUM FÜR AUßERPARLAMENTARISCHE FRAUENPOSITIONEN<br />

Anzeige<br />

UNABHÄNGIG • FEMINISTISCH • KONSEQUENT<br />

Name:<br />

Straße:<br />

PLZ/Ort:<br />

Datum, Unterschrift:<br />

auf Empfehlung von:<br />

1H 11520F Postvertriebsstück Gebühr bezahlt<br />

RevierA GmbH, Franz-Arens-Str. 15, 45139 Essen<br />

❑ Ja, ich möchte die Zeitschrift kennen lernen,<br />

bitte schicken Sie mir 2 <strong>Ausgabe</strong>n für 3,– €<br />

in Briefmarken (liegen bei)<br />

❑ Ja, ich möchte das Jahresabo,<br />

4 <strong>Ausgabe</strong>n für 13,– € + 2,– € Porto*<br />

❑ Ja, ich möchte das Förderabo<br />

für jährlich 26,– €*<br />

* Das Abonnement verlängert sich automatisch um ein Jahr,<br />

wenn nicht 6 Wochen vor Jahresende schriftlich gekündigt wird.<br />

Für uns geschrieben haben in den letzten Jahren u.a.: Irmtraut Morgner, Agnes Smedley, Ute Gerhard,<br />

Gisela Steineckert, Peggy Parnass, Christiane Barckhausen, Ute Ranke-Heinemann …<br />

WIR FRAUEN e.V.<br />

Verein zur Förderung von<br />

<strong>Frauen</strong>publizistik<br />

Rochusstraße 43<br />

40479 Düsseldorf<br />

Fax: 02 11 /492 13 01

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!