zur Ausstellung - Kunstverein Pforzheim im Reuchlinhaus eV
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seinen Skulpturen verwandelt er ihn jedoch <strong>zur</strong> expressiven Chiffre und zu einem Rhythmus<br />
von abstrakten offenen und geschlossenen Formen.<br />
1911 modellierte Lehmbruck, bereits in Paris lebend, die extrem gelängte Kniende, Kniende, Kniende, die ihm den<br />
künstlerischen Durchbruch brachte. Auch die Große Große Große Sinnende Sinnende ist eine schmale weibliche Figur<br />
mit betont langen Gliedmaßen und einem kleinen Kopf, der leicht geneigt auf einem<br />
aufragenden Hals sitzt. Im Gegensatz zu der noch traditionell anmutenden, naturalistischen<br />
Ausformung des weiblichen Körpers bei der kleinen Figur Hagener Torso (1911) war<br />
Lehmbruck nun an geistigem Gehalt und gesteigerter Spannung interessiert, die er durch<br />
konsequente Abstraktion der Figuren erreichte. Der Der Gestürzte Gestürzte (1916) ist eine Hauptfigur<br />
Lehmbrucks aus der Zeit des Ersten Weltkriegs. Als Kriegerdenkmal für seine He<strong>im</strong>atstadt<br />
Duisburg entworfen, stellt die auf Knien und Ellbogen abgestützte, <strong>zur</strong> Brücke erstarrte nackte<br />
männliche Figur ein übernationales Mahnmal gegen Krieg, Gewalt und Unterdrückung dar. Der<br />
Kopf Kopf des des des Denkers Denkers (1918) ist ein metaphorisches Selbstbildnis, bei dem sich der kahle<br />
voluminöse Schädel unter dem Gewicht seiner Gedanken nach unten neigt. Der schlanke Hals<br />
geht in die ausladende Schulterpartie mit angesetzten Armstümpfen über, die wie gestutzte<br />
Flügel erscheinen. Die linke Hand des Denkers ruht losgelöst vom Körper klauenartig vor dem<br />
Brustkorb. Die fragmentierte Figur führt die geistige Anstrengung vor Augen, die dem Bildhauer<br />
bei der Arbeit an seinen Werken, aber auch dem Betrachter abverlangt wird und hat den<br />
Vorgang des Nachdenkens selbst zum Thema.<br />
Für sieben der neun ausgestellten Skulpturen von Wilhelm Lehmbruck hat Wolfgang Wolfgang Flad<br />
Flad<br />
farbige, ganz unterschiedlich geformte Sockel Sockel geschaffen, die die vertrauten Figuren<br />
Lehmbrucks in einen neuen, ungewohnten Kontext setzen. Das Verhältnis von Figur und Sockel<br />
ist für den Künstler in der eigenen bildhauerischen Arbeit ein wichtiges Thema. Die glatten,<br />
geometrischen Formen seiner lackierten Podeste sind ein integraler Bestandteil der Skulpturen,<br />
die formal an die organische Abstraktion der Nachkriegsmoderne anknüpfen. Es sind<br />
vegetabile, verschlungene Formen, die teilweise fast skelettartig und morbid anmuten. Sie sind<br />
aus Holzlatten konstruiert, die an den Gelenkstellen mit Pappmaché verdickt sind, für das<br />
Wolfgang Flad gerne kunstkritische Texte schreddert und in bloßes Material <strong>zur</strong>ück verwandelt.<br />
Die Skulpturen erhalten eine mehrschichtige farbige Fassung, bei der das rohe Holz teilweise<br />
sichtbar bleibt. Fragil erstrecken und krümmen sich die Verästelungen in den Raum. Die fast<br />
entkörperlichten Gebilde loten die Balance zwischen Masse und Leere, Gewicht und<br />
Leichtigkeit, Festigkeit und Zerbrechlichkeit aus.<br />
Zwei Skulpturen Wolfgang Flads suchen den direkten Dialog mit Werken von Wilhelm<br />
Lehmbruck. So verbindet die Form der Sockel die Skulptur Mira Mira mit der Büste Büste der der der Kn Knienden Kn ienden<br />
(1912-14) - <strong>im</strong> vorderen Bereich der <strong>Ausstellung</strong>shalle. Eine andere Skulptur mit dem Titel<br />
Arneb Arneb n<strong>im</strong>mt die kühne Schräge von Lehmbrucks Daphne Daphne (1918) auf, die Wolfgang Flad<br />
zusätzlich durch seine Sockelform ihrer Statik zu berauben scheint (<strong>im</strong> hinteren Bereich der<br />
<strong>Ausstellung</strong>shalle). Lediglich eine Skulptur von Wolfgang Flad in der <strong>Ausstellung</strong>shalle hat<br />
keinen Sockel: eine sich in die Höhe der Halle windende Spiralform. Für die eigens für die<br />
<strong>Ausstellung</strong> entstandene Raumskulptur Unuk Unuk ist die frei schwingende Stahlwendeltreppe – das<br />
zentrale Element in der Eingangshalle des <strong>Reuchlinhaus</strong>es – Anregung und Bezugspunkt.<br />
Wichtig für die <strong>Ausstellung</strong> ist das Zusammenwirken der verschiedenen künstlerischen und<br />
architektonischen Elemente in der Galerie zum Hof. Die Werke aller vier Künstler - Manfred<br />
Lehmbruck, Wilhelm Lehmbruck, Wolfgang Flad und Martin Pfeifle - bilden quasi ein<br />
Gesamtensemble: Die Die Kniende Kniende Kniende von Wilhelm Lehmbruck, der kristallin gefügte Sockel Sockel von<br />
Wolfgang Flad und seine aus dem massiven Block sich auflösende, grün lackeirte Bank – bench bench<br />
bench<br />
– zusammen mit der Lichtinstallation radial radial von Martin Pfeifle und der eigenwilligen<br />
Raumgestaltung Manfred Lehmbrucks – „eine Ganzheit von Objekt und Raum“.<br />
Bettina Schönfelder, <strong>Kunstverein</strong> <strong>Pforzhe<strong>im</strong></strong> <strong>im</strong> <strong>Reuchlinhaus</strong><br />
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