Dokument 1.pdf - Opus - Friedrich-Alexander-Universität Erlangen ...
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Aus der Orthopädischen Klinik und Poliklinik des Waldkrankenhauses<br />
St. Marien <strong>Erlangen</strong> der <strong>Friedrich</strong>-<strong>Alexander</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Erlangen</strong>-Nürnberg<br />
Vorstand: Professor Dr. med. Raimund Forst<br />
Durchgeführt in der<br />
Orthopädisch – Unfallchirurgischen Klinik Wichernhaus<br />
des Krankenhauses Rummelsberg/Schwarzenbruck<br />
Ehemaliger Ärztlicher Direktor: Professor Dr. med. Günther Zeiler<br />
Der Krankheitsverlauf der Gelenkzerstörung bei der<br />
rapide destruierenden Coxarthrose<br />
im Vergleich zur hypertroph sklerosierenden Coxarthrose<br />
Inaugural – Dissertation<br />
zur Erlangung der Doktorwürde<br />
der Medizinischen Fakultät<br />
der <strong>Friedrich</strong>-<strong>Alexander</strong>-<strong>Universität</strong><br />
<strong>Erlangen</strong> – Nürnberg<br />
Vorgelegt von<br />
Dietmar Josef Thomas<br />
aus Langenaltheim
Gedruckt mit Erlaubnis der<br />
Medizinischen Fakultät der <strong>Friedrich</strong>-<strong>Alexander</strong>-<strong>Universität</strong><br />
<strong>Erlangen</strong>-Nürnberg<br />
Dekan: Prof. Dr. J. Schüttler<br />
Referent: Prof. Dr. G. Zeiler<br />
Korreferent: Prof. Dr. R. Forst<br />
Tag der mündlichen Prüfung: 23. November 2009
GLIEDERUNG<br />
Zusammenfassung ...................................................................... 1<br />
Summary …………………………………………………………….. 3<br />
1. Einleitung und Aufgabenstellung ………………………………. 5<br />
1.1 Grundlegende Pathomechanismen der Osteoarthrose…………….. 5<br />
1.2 Osteoarthrose des Hüftgelenks....................................................... 8<br />
1.3 Aufgabenstellung ........................................................................... 10<br />
2. Material und Methoden............................................................11<br />
2.1 Patientengut und Untersuchungsmaterial ...................................... 11<br />
2.2 Gewebeasservierung und Prozessierung ...................................... 12<br />
2.3 Histologische Techniken ................................................................ 13<br />
2.4 Immunhistochemie......................................................................... 13<br />
3. Ergebnisse ..............................................................................15<br />
3.1 Klinischer Krankheitsverlauf und Symptomatik .............................. 15<br />
3.2 Laborchemische Befunde .............................................................. 17<br />
3.3 Nativradiologische Befunde ........................................................... 18<br />
3.4 Mikroradiographische Befunde ...................................................... 25<br />
3.5 Histopathologische und immunhistochemische Befunde ............... 27<br />
3.5.1 Hypertroph sklerosierende Coxarthrose ..................................... 27<br />
3.5.2 Rapide destruierende Coxarthrose ............................................. 31<br />
4. Diskussion ...............................................................................38<br />
4.1 Historische Einordnung.................................................................. 38<br />
4.2 Epidemiologie, klinische Symptomatik und Krankheitsverlauf ....... 43<br />
4.3 Bedeutung laborchemischer Befunde ............................................ 46<br />
4.4 Interpretation und klinische Konsequenzen der radiologischen<br />
und mikroradiographischen Ergebnisse............................................... 49<br />
4.5 Pathogenetische und strukturelle Besonderheiten der<br />
rapide destruierenden Coxarthrose...................................................... 54<br />
5. Literatur ...................................................................................60<br />
6. Abkürzungen ...........................................................................68<br />
7. Verzeichnis der Veröffentlichungen.........................................69<br />
8. Danksagung ............................................................................70<br />
9. Lebenslauf...............................................................................71
Zusammenfassung<br />
Hintergrund und Ziele<br />
1<br />
Die rapide destruierende Coxarthrose (RDC) führt meist innerhalb eines<br />
Jahres zu einer äußerst schmerzhaften Destruktion des Hüftgelenks. Im<br />
Rahmen der Erstkonsultation findet sich häufig ein unauffälliger<br />
radiologischer Befund, welcher sich bis zum Zeitpunkt der Operation zu<br />
einem Verlust des Gelenkspalts mit kortikaler Erosion und atropher<br />
Knochenreaktion bis hin zu einer sekundären Femurkopfdestruktion<br />
gewandelt hat. Es werden die klinischen Verläufe, Pathomorphologie der<br />
Degradation des hyalinen Gelenkknorpels, die sekundären ossären<br />
Reaktionen und die Bedeutung der osteoarthrotischen Synovialitis bei der<br />
rapide destruierenden Coxarthrose untersucht und dem Krankheitsverlauf<br />
und Pathomechanismus der hypertroph sklerosierenden Coxarthrose (HSC)<br />
gegenübergestellt.<br />
Methoden<br />
Die vorliegende Arbeit untersucht 16 Fälle mit rapide destruierender<br />
Coxarthrose im Vergleich zu 12 Fällen von hypertroph sklerosierender<br />
Coxarthrose, die in der Orthopädisch-Unfallchirurgischen Klinik Wichernhaus<br />
am Krankenhaus Rummelsberg eine Hüfttotalendoprothese erhielten. Hierzu<br />
werden klinischer Krankheitsverlauf und Symptomatik, laborchemische<br />
Parameter, nativradiologische Befunde und Verläufe, mikroradiographische<br />
Befunde sowie histopathologische und immunhistochemische Ergebnisse<br />
dargelegt und mit der relevanten Literatur diskutiert.<br />
Ergebnisse und Beobachtungen<br />
Es konnte der rapide Krankheitsverlauf bei der RDC dargelegt werden.<br />
Laborchemisch fand sich in der RDC-Gruppe eine Beschleunigung der BSG<br />
und leichte CRP-Erhöhung. Die radiologische Analyse zeigte<br />
nativradiologisch und mikroradiographisch eine hochgradige<br />
Gelenkspaltverschmälerung bis zum vollständigen Verlust, eine atrophe<br />
Knochenreaktion mit kortikaler Erosion und kleinzystischer Destruktion sowie<br />
einen sekundären Substanzverlust des Femurkopfes zum Zeitpunkt der<br />
Totalendoprothesenimplantation. Charakteristisch war der Nachweis geringer
2<br />
oder fehlender Veränderungen der betroffenen Hüftgelenke bei Vorliegen<br />
früherer Röntgenaufnahmen. Die histopathologische und<br />
immunhistochemische Untersuchung konnte die unterschiedlichen<br />
Ausprägungen der Knorpeldegradation herausarbeiten: die RDC-Präparate<br />
wiesen in der Belastungszone einen vollständigen Knorpelverlust mit<br />
kortikaler Erosion und tiefen kraterartigen Zysten auf, die einfaches<br />
Granulationsgewebe mit Knorpel- und Knochenfragmenten enthielten oder<br />
durch pilzartige Knorpelregenerate ausgefüllt waren, die aus metaplastischen<br />
Knorpelzellnestern entstanden. Osteophytäre Reaktionen waren bei der RDC<br />
in der Regel nicht nachweisbar. Typische Muster der Proteoglykan- und<br />
Kollagenverteilung konnten dargelegt werden. Die Synoviapräparate zeigten<br />
im Vergleich zur HSC, wo das Bild einer ausgeprägten Kapselfibrose<br />
vorherrschte, bei der RDC eine aktivierte Detritus-Synovialitis mit<br />
entzündlicher villöser Hyperplasie und Lymphozytenaggregaten.<br />
Praktische Schlussfolgerungen<br />
Der Mechanismus der Knorpeldegradation bei der rapide destruierenden<br />
Coxarthrose ist letztendlich noch ungeklärt. Die rapide Zerstörung des<br />
Knorpels scheint durch eine gesteigerte Synthese von Proteasen und<br />
Zytokine durch aktivierte Synoviozyten unterhalten zu werden, welche<br />
Inhibitoren der Metalloproteasen oder Inhibitoren der die Knochenresorption<br />
fördernden Faktoren übertreffen. Die Synovialitis wiederum wird durch<br />
Knorpel- und Knochendetritus verstärkt. Eine verbesserte Differenzierung<br />
des Degenerationsgrades des Gelenkknorpels durch hochauflösende MRT<br />
sowie die Validierung molekularer Marker für die Identifizierung von<br />
Coxarthrosepatienten mit einem hohen Risiko für eine rapide<br />
Gelenkdestruktion ist anzustreben. Eine frühzeitige Diagnosestellung der<br />
RDC könnte die Indikationsstellung zum endoprothetischen Gelenkersatz vor<br />
der völligen Gelenkdestruktion positiv beeinflussen.
Summary<br />
Introduction<br />
3<br />
Rapidly destructive coxarthrosis (RDC) cumulates in extremely painful joint<br />
destruction usually within one year. Primary negative radiographic signs<br />
change into loss of joint space, cortical erosion, bone atrophy and secondary<br />
destruction of the femoral head until the time of surgery. Course of clinical<br />
findings, pathology of cartilage degradation, secondary bone reaction and the<br />
significance of osteoarthritic synovitis are investigated in comparison to<br />
progression of disease and pathomechanism of hypertrophic sclerosing<br />
coxarthrosis (HSC).<br />
Materials and methods<br />
16 cases of RDC and 12 cases of HSC undergoing total hip arthroplasty at<br />
the Department of Orthopaedic and Trauma Surgery Wichernhaus at<br />
Rummelsberg Hospital are investigated in this study. Clinical progression and<br />
symptoms, laboratory parameters, radiographic and micro-radiographic<br />
findings, histological and immunohistochemical findings are shown and<br />
compared with relevant literature.<br />
Results<br />
The rapidly progression of disease in case of RDC could be explained. BSR<br />
and CRP parameters were higher in case of RDC. Analysis of radiological<br />
and micro-radiographic findings showed severe or total loss of joint space,<br />
bone atrophy, cortical erosion, cystic joint destruction and substance loss of<br />
femoral head until time of total hip replacement. These alterations were not<br />
found in former radiographics of the investigated hip joints. Histology and<br />
Immunohistochemistry showed the differences in cartilage degradation: in<br />
specimen of RDC were found complete loss of cartilage, cortical bone<br />
erosion and deep crater-like cysts within the load-bearing zone. Cystic<br />
lesions were infiltrated by fibrous connective tissue surrounding necrotic<br />
bone and cartilage fragments. Proliferation of metaplastic chondrocytes<br />
formed cartilage tufts growing to the joint surface. Osteophytes usually were<br />
not verified in case of RDC. Distribution of proteoglycans and collagen types<br />
appeared in typical patterns. Fibrosis of the capsule was the predominantly<br />
feature of HSC synovial morphology, synovial membrane in RDC was
4<br />
characterized by activated detritus synovitis, synovial inflammation with<br />
villous hyperplasia and aggregates of lymphocytic infiltration.<br />
Conclusion<br />
The process of cartilage degradation in rapidly destructive hip arthropathy is<br />
still unknown. The rapid cartilage destruction seems to be triggered by an<br />
increased synthesis of proteolytic enzymes and cytokines by activated<br />
synovial cells overwhelming inhibitors such as tissue inhibitors of<br />
metalloproteases or inhibitors to block the action of bone resorbing factors.<br />
Necrotic bone and cartilage fragments again contribute the synovial<br />
inflammation.<br />
Improved differentiation in grading of cartilage degeneration by high<br />
resolution MRT as well as validation of molecular markers should be aimed<br />
to identify patients of high risk for rapidly joint destruction. Indication for hip<br />
replacement could be influenced by early diagnosis of RDC before of total<br />
joint destruction.
1. Einleitung und Aufgabenstellung<br />
1.1 Grundlegende Pathomechanismen der Osteoarthrose<br />
5<br />
Der hyaline Gelenkknorpel stellt die biomechanisch zentrale Struktur in dem<br />
Organsystem der im Dienst der Lokomotion stehenden synovialen Gelenke<br />
dar, die von den artikulierenden Gelenkflächen mit Knorpelüberzug, dem<br />
subchondralen Knochen und der Gelenkkapsel mit der sie auskleidenden<br />
Synovialmembran gebildet werden.<br />
Der hyaline Knorpel des Erwachsenen hat weder eine eigene Blutversorgung<br />
noch eine direkte lymphatische Drainage oder eigene Innervation.<br />
Die hochdifferenzierten Chondrozyten machen beim Erwachsenen nur 2-3%<br />
des Knorpelvolumens aus und stellen den einzigen Zelltyp des hyalinen<br />
Knorpels dar, pluripotente Zellen mit regenerativen Fähigkeiten fehlen (13).<br />
Während das Zellverhalten der Chondrozyten im gesunden adulten<br />
Gelenkknorpel bei stabilem Phänotyp eine geringe metabolische Aktivität<br />
aufweist, kommt es bei der humanen Arthrose zu Aktivierungs- und<br />
Differenzierungsvorgängen, die über eine Veränderung der<br />
Matrixzusammensetzung zu unphysiologischen Interaktionen und zu einem<br />
Überwiegen der degenerativen Vorgänge führen (76).<br />
Die extrazelluläre Matrix repräsentiert mehr als 95% des Gewebevolumens,<br />
wovon wiederum Wasser mit 60 – 80% den Hauptanteil darstellt (49).<br />
Die Matrix wird von den Chondrozyten synthetisiert und erneuert.<br />
Proteoglykane und Kollagene sind die bedeutendsten extrazellulären<br />
Strukturmoleküle des Knorpels. Das Verhältnis der Matrixkomponenten<br />
bestimmt die viskoelastischen Eigenschaften des Knorpelgewebes.
6<br />
Das größte Proteoglykan stellt das Aggrekan dar, dessen Moleküle über<br />
Link-Proteine an Hyaluronsäure binden und eine sehr hohe Wasseravidität<br />
aufweisen.<br />
Durch die Einbindung der Proteoglykane in das straffe Kollagenfasernetz<br />
führt der osmotisch bedingte Expansionsdruck zu der prallelastischen<br />
Knorpelkonsistenz (68; 71).<br />
Der hyaline Knorpel beinhaltet die Kollagene II, IX, X, XI und geringere<br />
Mengen des Kollagen Typ VI.<br />
Das Typ-II-Kollagen bildet mit 90-95% der Kollagene deren Hauptbestandteil<br />
und baut mit Typ IX und XI die Kollagenfibrillen auf.<br />
Typ-VI-Kollagen bildet ein eigenes Netz und ist im Knorpel insbesondere in<br />
der perizellulären Matrix der sog. Chondrone lokalisiert (74).<br />
Nur von hypertrophen Chondrozyten in der metabolisch aktiven Zone des<br />
kalzifizierten adulten Knorpels wird das Typ-X-Kollagen synthetisiert (91).<br />
Die zonenspezifisch angeordneten Kollagenfasern bilden die Grundlage für<br />
die Festigkeit und Integrität des Knorpels.<br />
Die Degradation des Knorpels im Rahmen der Arthrose führt allgemein zu<br />
einem kontinuierlichen Knorpelverlust, Strukturänderungen des<br />
subchondralen Knochens und osteophytären Randreaktionen.<br />
Die Balance der anabolen und katabolen Stoffwechselvorgänge und die<br />
Synthese sowie die Funktion der extrazellulären Matrixkomponenten sind<br />
gestört.<br />
Auf zellulärer Ebene können die Chondrozyten einer Proliferation unterliegen<br />
oder programmiert im Sinne der Apoptose bzw. nicht programmiert (Nekrose)<br />
sterben (55). Histologisch können sich somit Cluster, typisch für<br />
Zellproliferationen, als auch leere Lakunen als Zeichen des Zelltods zeigen<br />
(54).
7<br />
Durch die Expression anaboler Gene kommt es zur Mehrsynthese von<br />
Typ-II-Kollagen und Aggrekan als Versuch, die geschädigte Matrix zu<br />
reparieren (5). Dennoch findet sich in allen Stadien der Osteoarthrose ein<br />
zunehmender Proteoglykanverlust.<br />
Eine weitere Reaktionsform der Chondrozyten besteht in einer<br />
Dedifferenzierung mit stark veränderter Genexpression, eingestellter<br />
Synthese von Aggrekan und Typ-II-Kollagen sowie Exprimierung der<br />
Kollagene I, III und V. (78)<br />
In der Matrix kommt es einerseits im frühen Stadium der Osteoarthrose zur<br />
Degradation molekularer Komponenten wie des Aggrekans und<br />
eingeschlossener Proteoglykane durch proteolytische Enzyme, insbesondere<br />
der Matrix-Metalloproteinasen, mit resultierend steigendem<br />
Proteoglykanverlust vor allem in den superfiziellen Knorpelschichten (53).<br />
Zum anderen tritt in späteren Stadien ein Verlust der Matrixproteoglykane<br />
und eine Destabilisierung supramolekularer Strukturen wie des<br />
Kollagenfibrillen-Netzwerkes ein, was zu einer makroskopischen Schwellung<br />
und zunehmenden Aufweichung des Knorpels mit erhöhter Rissbildung führt<br />
(76).<br />
Dadurch weist die Gelenkoberfläche makroskopisch eine Aufrauung auf, die<br />
zur Knorpelfibrillation und in späten Stadien zu partiellem oder totalen<br />
Knorpelverlust mit Freilegung des subchondralen Knochens führt.<br />
Die morphologischen, biochemischen und biomechanischen Veränderungen<br />
im Rahmen der Osteoarthrose betreffen alle Gewebe eines Gelenkes und<br />
führen klinisch zu Schmerz, Bewegungs- und Funktionseinschränkung,<br />
Krepitation, Entzündung und Ergussbildung (63).
8<br />
Neben den Veränderungen an Knorpel und Knochen bestehen im Rahmen<br />
der Osteoarthrose Mitreaktionen der Synovialmembran und der<br />
Gelenkkapsel, die in frühen Stadien durch molekulare Degradationsprodukte,<br />
später durch abgeriebene Knorpel- und Knochenfragmente verursacht<br />
werden. Es werden monozytäre und lymphozytäre Zellen rekrutiert, die<br />
Deckzellschicht und das Stroma proliferieren mit der Ausbildung villöser<br />
Zotten. Bei der Detritus-Synovialitis findet man die Knorpel-und<br />
Knochenfragmente der Synovialis aufgelagert oder inkorporiert.<br />
Die entzündlichen Veränderungen der Synovialis, Aktivierung von<br />
Synovialzellen und Kapselfibrose sind Korrelate für Schwellung, Schmerz<br />
und Steifigkeit. (62)<br />
1.2 Osteoarthrose des Hüftgelenks<br />
Die Osteoarthrose des Hüftgelenkes wird generell in primäre und sekundäre<br />
Formen unterteilt.<br />
Die ca. 75% der Coxarthrosen ausmachenden sekundären Formen<br />
entwickeln sich aus nicht vollständig ausgeheilten Hüftgelenkserkrankungen,<br />
treten meist früher auf als die primäre Form und sind häufiger monoartikulär<br />
(88).<br />
In der Regel ist sowohl die primäre als auch die sekundäre Form der<br />
Coxarthrose mit einer hypertrophen ossären Reaktion vergesellschaftet und<br />
zeigt die typischen radiologischen Zeichen der verstärkten subchondralen<br />
Sklerosierung, Verschmälerung des Gelenkspalts, Ausbildung sekundärer<br />
osteophytärer Randzacken und Entstehung subchondraler Geröllzysten.<br />
Die klinische Symptomatik bei der hypertroph sklerosierenden<br />
Coxarthrose ist geprägt von Schmerzen und zunehmender<br />
Funktionseinschränkung und schreitet meist langsam über Jahre fort.
9<br />
Die rapide destruierende Coxarthrose führt innerhalb von etwa 12 bis 18<br />
Monaten zu einer kompletten und äußerst schmerzhaften Destruktion eines<br />
vorher normalen Hüftgelenkes ohne jegliche präarthrotische Deformität.<br />
Der Begriff der rapide destruierenden Osteoarthrose des Hüftgelenkes wurde<br />
1970 von Postel und Kerboull geprägt (75; 80).<br />
Die Gelenkerkrankung unterscheidet sich von der rheumatoiden Arthritis,<br />
Hüftkopfnekrose oder septischen Arthritiden.<br />
Die Patienten leiden an hochgradigen Schmerzen und raschem<br />
Funktionsverlust, der in eine frühe kontrakte Fehlstellung des Hüftgelenkes<br />
mündet.<br />
Im Rahmen der schmerzbedingten Erstkonsultation findet sich häufig ein<br />
unauffälliger Röntgenbefund der Hüftgelenke.<br />
Die späteren radiologischen Zeichen weisen dann einen rasch<br />
fortschreitenden konzentrischen Verlust des Gelenkspalts mit klein-zystischer<br />
Destruktion des Gelenks sowie eine kortikale Erosion mit atropher<br />
Knochenreaktion ohne die Ausbildung osteophytärer Reaktionen oder einer<br />
subchondralen Sklerosierung auf.
1.3 Aufgabenstellung<br />
10<br />
Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist es, die klinischen Verläufe,<br />
Pathomorphologie der Degradation des hyalinen Gelenkknorpels, die<br />
sekundären ossären Reaktionen und die Bedeutung der osteoarthrotischen<br />
Synovialitis bei der rapide destruierenden Coxarthrose zu untersuchen und<br />
die spezifischen Charakteristika dieser Form der Coxarthrose darzustellen.<br />
Vergleichend sollen die Unterschiede in Krankheitsverlauf und<br />
Pathomechanismus bei der hypertroph sklerosierenden Form der<br />
Osteoarthrose untersucht und dargelegt werden.
2. Material und Methoden<br />
11<br />
2.1 Patientengut und Untersuchungsmaterial<br />
Zur Aufnahme in die Studie gelangten konsekutiv insgesamt 28 Fälle, die in<br />
der Orthopädischen Klinik am Krankenhaus Rummelsberg/Schwarzenbruck<br />
die Implantation einer Hüfttotalendoprothese aufgrund einer Coxarthrose<br />
erhielten.<br />
Die Patienten wurden am Tag vor der Operation zur Anamnese hinsichtlich<br />
Anamnesedauer, Schmerzen, Funktions-und Aktivitätseinschränkung befragt<br />
und klinisch untersucht. Zur Anwendung kamen dabei der WOMAC-<br />
Osteoarthrose-Fragebogen (86; 51) und der Harris-Hip-Score (35; 51).<br />
Am gleichen Tage wurde eine laborchemische Untersuchung mit<br />
Bestimmung des C-reaktiven Proteins und der Blutkörperchen-<br />
Senkungsgeschwindigkeit durchgeführt.<br />
Es erfolgte eine präoperative nativradiologische Röntgenuntersuchung der<br />
Hüftgelenke in zwei Standardebenen anterio-posterior und axial nach<br />
Lauenstein.<br />
Die Zuordnung zur Gruppe der rapide destruierenden Coxarthrose oder zum<br />
Vergleichskollektiv der hypertroph sklerosierenden Coxarthrose wurde<br />
aufgrund der präoperativen klinischen und typischen radiologischen Befunde<br />
getroffen.<br />
In die Gruppe der rapide destruierenden Coxarthrose (RDC) wurden 16<br />
Fälle aufgenommen. Der Altersdurchschnitt dieser Gruppe betrug zum<br />
Zeitpunkt der Operation 71,2 Jahre (60 – 89 Jahre).
12<br />
In der Vergleichsgruppe der hypertroph sklerosierenden Coxarthrose<br />
(HSC) wurden 12 Fälle untersucht. Hier betrug der Altersdurchschnitt 67,3<br />
Jahre (57 – 78 Jahre).<br />
Ausgeschlossen wurden sämtliche Formen sekundärer Coxarthrosen,<br />
Dysplasiecoxarthrosen, Protrusionscoxarthrosen und posttraumatische<br />
Coxarthrosen sowie aseptische Hüftkopfnekrosen, rheumatoide Arthritiden,<br />
septische Coxitiden und kristallinduzierte Arthritiden.<br />
2.2 Gewebeasservierung und Prozessierung<br />
Am Operationstag wurde sofort mit Eröffnung des Hüftgelenkes ein Abstrich<br />
von der Synovialflüssigkeit zur mikrobiologischen Untersuchung entnommen,<br />
wobei sämtliche Ergebnisse negativ waren, wodurch infektiöse Arthritiden im<br />
Untersuchungsgut ausgeschlossen werden konnten.<br />
Von der Hüftgelenkskapsel mit Synovialmembran wurden 2-4 Gewebsproben<br />
entnommen. Aus der zentralen Hauptbelastungszone der resezierten<br />
Hüftköpfe wurden 1-2 frontale Scheiben von 3-4 mm Dicke gesägt.<br />
Beide Präparate wurden sofort noch während der Operation in<br />
Paraformaldehyd 4% fixiert. Die asservierten Präparate wurden im<br />
Pathologischen Institut der <strong>Friedrich</strong>-<strong>Alexander</strong>-<strong>Universität</strong> <strong>Erlangen</strong>-<br />
Nürnberg (Vorstand: Prof. Dr. Th. Kirchner bzw. Prof. Dr. Th. Papadopoulos)<br />
mikroradiographisch, histologisch und immunhistochemisch untersucht.<br />
Die Bearbeitung der asservierten Gewebeproben erfolgte nach dem<br />
folgenden Protokoll.
13<br />
Die zentralen Mittelscheiben der Hüftköpfe von 0,3 – 0,4 cm Dicke wurden<br />
mit 40 kV geröntgt, je nach Dicke 45 – 90 sec. Anschließend erfolgte die<br />
nochmalige Einlage in PFA 4% über mindestens 15 min.<br />
Die Entkalkung erfolgte mit 0,26M EDTA in 1,33% PFA in PBS pH 7,3 über<br />
4 – 6 Wochen. Gegebenenfalls wurde eine Kontrollröntgenuntersuchung zum<br />
Nachweis der vollständigen Entkalkung durchgeführt.<br />
Sowohl die fixierten Kapsel-Synovialis-Proben als auch die entkalkten und<br />
zugeschnittenen Femurkopfscheiben wurden in NaCl 0,9% ausgewaschen<br />
und in einer Alkoholreihe (Ethanol 50% - 80% - 100% je 1 h) dehydriert.<br />
Die Einbettung wurde in Paraffin (Paraplast) vorgenommen und die mit dem<br />
Mikrotom geschnittenen Präparate auf Glasobjektträger aufgebracht.<br />
2.3 Histologische Techniken<br />
Alle Präparate wurden gemäß dem Standardprotokoll (38) Hämatoxylin-<br />
Eosin gefärbt. Dabei werden Zellkerne blau-violett, das Zytoplasma und<br />
kollagene Fasern blassrot bis rot dargestellt.<br />
Die Toluidinblau-Färbung ist zur differenzierten Anfärbung der Zellkerne, des<br />
Zytoplasma und Proteoglykane geeignet.<br />
2.4 Immunhistochemie<br />
Die Vorbehandlung der Schnitte wurde durch Entparaffinierung in Xylol und<br />
anschließende Rehydrierung in einer absteigenden Alkoholreihe (Ethanol<br />
80% - 50% - H2O) durchgeführt.
14<br />
Immunhistochemisch wurden die Knorpel-Knochen-Präparate im Hinblick auf<br />
das Vorkommen und die Verteilung von Kollagen Typ I, II und VI sowie von<br />
Aggrekan mit monoklonalen Antikörpern untersucht.<br />
Hierzu wurden zur Entfernung epitopmaskierender Proteine und<br />
Quervernetzungen die entparaffinierten Schnitte bei 37°C 60 min lang<br />
enzymatische vorbehandelt (Hylase: 2 mg/ml in PBS pH 5; Pronase: 2 mg/ml<br />
in PBS pH 7,3; Protease XXIV: 0,02 mg/ml in TBS).<br />
Unter Verwendung der Alkalischen Phosphatase-Methode (65) wurde nach<br />
zweimaligem Waschen in TBS (Trisphosphat gepufferte Saline mit bovinem<br />
Serumalbumin in Verdünnungslösung) der jeweilige monoklonale<br />
Primärantikörper verdünnt aufgetragen und über Nacht bei 4°C inkubiert.<br />
Zur Verstärkung des Signals wurde nach erneutem dreimaligen Waschen in<br />
TBS mit dem biotin-markierten Brückenantikörper (Link, 1:100) bzw.<br />
darauffolgend mit dem enzymgekoppelten Label (1:100), welches als Basis<br />
für die Farbreaktion mit hoher Affinität an das Biotin des Brückenantikörpers<br />
bindet, für jeweils 30 min bei Raumtemperatur inkubiert.<br />
Die Farbreaktion wurde für 30 min nach erneuter TBS-Behandlung mit<br />
folgender Farblösung durchgeführt: 50 mM Tris-HCl pH 8,2; NaCl 0,9%;<br />
Naphtol 0,2 mg/ml; Dimethylformamid 0,05 mg/ml und 1mg/ml Fast Red.<br />
Nach jeweiligem Auswaschen unter fließendem Wasser für 10 min wurde<br />
das Nachfärben der Zellkerne mit Haematoxylin-Lösung bzw. die Eindeckung<br />
der Präparate mit Aquatex vorgenommen.
3. Ergebnisse<br />
15<br />
3.1 Klinischer Krankheitsverlauf und Symptomatik<br />
Die Erkrankungsdauer seit Auftreten der ersten Symptome im Bereich der<br />
betroffenen Hüfte bis zur Diagnose der manifesten Gelenkdestruktion, die<br />
dann zur Indikationsstellung der Totalprothesenimplantation führte, betrug im<br />
Mittelwert in der Gruppe der Patienten mit hypertroph sklerosierender<br />
Coxarthrose (HSC) 45,5 + 21 Monate, in der Gruppe mit rapide<br />
destruierender Coxarthrose (RDC) 11,3 + 5,5 Monate.<br />
Die Patienten wurden am Tage vor der Prothesenimplantation hinsichtlich<br />
Schmerzen, Funktionseinschränkung und Alltagsaktivität standardisiert<br />
befragt und klinisch untersucht.<br />
Der WOMAC-Osteoarthroseindex (Version LK3.0, deutsch), ein<br />
vollstandardisiertes Verfahren zur Selbstbeurteilung, umfasst 5 Fragen zu<br />
Schmerzen, 2 Fragen zur Gelenksteifigkeit und 17 Fragen zur<br />
Alltagsaktivität, die mit der Likert-Skala mit 5 Kategorien jeweils in der<br />
Zuordnung „keine, leichte, mittlere, starke oder extreme“ Beschwerden<br />
entsprechend einem Wert 1-5 beantwortet wurden.<br />
Dabei ergab sich im Mittel in der HSC-Gruppe ein Indexwert von 3,41 + 0,71<br />
und in der RDC-Gruppe ein Wert von 3,37 + 0,77.<br />
Der Harris Hip Score beschreibt die Messdimensionen Schmerz, Mobilität,<br />
Aktivität des täglichen Lebens und das objektiv erfasste Bewegungsausmaß.<br />
Während die Selbstbeurteilung ca. 91% der Testmethode ausmacht, wird die<br />
objektive Messung mit ca. 9% beschrieben. Bezüglich des<br />
Bewegungsausmasses wird neben der Beurteilung einer<br />
kontraktionsbedingten Deformität und Beinlängendifferenz die Beweglichkeit<br />
im Bogenmaß mit Indices multipliziert, so dass maximal 5,025<br />
Beweglichkeitspunkte erreicht werden können.
16<br />
Die Beweglichkeit für Extension/Flexion, Abduktion/Adduktion und<br />
Außenrotation/Innenrotation wurde nach der Neutral-Null-Methode bestimmt.<br />
Die maximal erreichbare Punktzahl des Harris Hip Score bei<br />
Beschwerdefreiheit beträgt 100 Punkte.<br />
In der HSC-Gruppe wurde im Mittel ein Punktwert von 51,5 + 15,4 erreicht,<br />
während in der RDC-Gruppe 48,9 + 18,2 Punkte erreicht wurden.<br />
Die präoperative Beweglichkeit wies in der RDC-Gruppe bei 11 von 16<br />
Patienten präoperativ eine schmerzhafte fixierte Flexionskontraktur auf, in<br />
der HSC-Gruppe war eine fixierte Beugekontraktur bei 2 von 12 Patienten<br />
nachzuweisen.<br />
Die präoperativ mögliche Gehstrecke wurde von den Patienten der HSC-<br />
Gruppe im Mittel mit 1204 + 995 m angegeben, während diese in der RDC-<br />
Gruppe noch 397 + 315 m betrug.
3.2 Laborchemische Befunde<br />
17<br />
Im Rahmen der routinemäßigen präoperativen Labordiagnostik wurden bei<br />
jedem Patienten am präoperativen Tag die Blutkörperchen-<br />
Senkungsgeschwindigkeit (BSG) nach einer und zwei Stunden bestimmt.<br />
Der Referenzbereich der gewählten Methode weist bei Männern Werte von<br />
3 – 8 mm/1h bzw. 5 – 18 mm/2h auf. Bei Frauen liegen die Normwerte in den<br />
Bereichen 6 – 11 mm/1h bzw. 6 – 20 mm/2h.<br />
Dabei ergaben sich in der HSC-Gruppe Werte von 8,3 + 4,1 mm/1h und<br />
19,8 + 9,0 mm/2h.<br />
Die Patienten der RDC-Gruppe wiesen in der ersten Stunde Werte von<br />
22,1 + 9,1 mm/1h auf. Der zweite Wert betrug 47,9 + 18,2 mm/2h.<br />
Des Weiteren wurde bei jedem Patienten der Serumwert für das C-reaktive<br />
Protein (CRP) analysiert. Der Normwert der gewählten<br />
Bestimmungsmethode liegt bei einem Wert bis 0,5 mg/dl.<br />
Die Patienten der HSC-Gruppe hatten präoperative CRP-Werte von<br />
0,5 + 0,1 mg/dl.<br />
In der RDC-Gruppe ergaben sich CRP-Werte von 1,3 + 0,9 mg/dl.
3.3 Nativradiologische Befunde<br />
18<br />
Die präoperative nativradiologische Röntgenuntersuchung der Hüftgelenke<br />
erfolgte in den Standardebenen anterio-posterior und axial nach Lauenstein.<br />
Die Befunde der HSC-Gruppe wiesen folgende typische nativradiologische<br />
Zeichen auf (Abbildung 1-4):<br />
- Gelenkspaltverschmälerung<br />
- subchondrale Sklerosierung<br />
- Osteophytenbildung<br />
- Zysten und Pseudozysten<br />
- Kraniolaterale Subluxation<br />
Abb.1: weibl., G.U., 72 J., präoperativ Abb. 2: Pat. wie 1)
Abb. 3: weibl., T.M., 73J. Abb. 4: männl., B.W., 67J.<br />
19<br />
Die nativradiologischen Charakteristika der Hüftgelenksaufnahmen der<br />
RDC-Gruppe sind (Abbildung 5-6):<br />
- symmetrische Gelenkspaltverschmälerung bis -verlust<br />
- atrophe Knochenreaktion mit kortikaler Erosion<br />
- kleinzystische Destruktion<br />
- sekundärer Substanzverlust mit Destruktion des Hüftkopfes<br />
Abb. 5: männl., M.W., 72 J. Abb. 6: Pat. wie 5)
20<br />
Die Analyse der Entwicklung der nativradiologisch erfassbaren<br />
osteoarthrotischen Veränderungen bis zur Indikationsstellung zur Operation<br />
zeigte einen charakteristisch langen und langsam progredienten Verlauf in<br />
der HSC-Gruppe (Abbildung 7 – 8).<br />
Abb. 7a: männl., W.E., 1980, 49 J. Abb. 7b: 1991, 60 J.<br />
Abb. 7c: 1993, 62 J. Abb. 7d: 1998, 67 J.
Abb. 7e: 4/2000, 69 J. Abb. 7f: 2/2001, 70 J. präoperativ<br />
21<br />
Abb. 8a: männl., H.W., 1996, 67 J. Abb. 8b: wie a)<br />
Abb. 8c: 2/2001, 72 J., präoperativ Abb. 8d: wie c)
22<br />
In der RDC-Gruppe ließ sich durch die Analyse der Röntgenaufnahmen ein<br />
rascher Verlauf der destruierenden Gelenkveränderungen nachweisen, so<br />
dass durchschnittlich innerhalb eines Jahres nach Auftreten der ersten<br />
nativradiologisch erfassbaren Zeichen bereits eine fortgeschrittene oder<br />
völlige Gelenkdestruktion zum Operationszeitpunkt bestand.<br />
(Abbildung 9 – 11).<br />
Abb. 9a: männl., N.G., 6/2000, Abb. 10a: wie 9a), 6/2000<br />
73 J. rechte Hüfte linke Hüfte<br />
Abb. 9b: 5/2001, präoperativ Abb. 10b: 4/2002, präoperativ
23<br />
Abb.11a: weibl., E.G. 4/1999, Abb. 11b: 1/2000<br />
66 J.<br />
Abb. 11c: 5/2000, präoperativ<br />
Bestanden in der RDC-Gruppe bei der Indikationsstellung zum<br />
totalendoprothetischen Gelenkersatz bereits manifeste radiologische<br />
Zeichen der rapide destruierenden Coxarthrose, wie Nachweis eines<br />
symmetrischen Gelenkspaltverlustes, kortikaler Erosion und zystischen<br />
Einbrüchen, so kam es innerhalb von 6 Monaten bis zum<br />
Operationszeitpunkt zu einem sekundären Substanzverlust des Hüftkopfes<br />
mit ausgeprägter Gelenkdestruktion.<br />
(Abbildung 12 – 13).
24<br />
Abb. 12 a: weibl. B.K. 12/2000, Abb. 12 b: wie 12 a)<br />
67 J.<br />
Abb. 12 c: 6/2001 präoperativ Abb. 12 d: wie 12 c)<br />
Abb. 13 a: männl., B.K., 79 J., Abb. 13 b: wie 13 a)<br />
massive Kopfdestruktion
25<br />
3.4 Mikroradiographische Befunde<br />
Die nativradiologisch fassbaren Veränderungen im Rahmen der hypertroph-<br />
sklerosierenden Coxarthrose bzw. der rapide destruierenden Coxarthrose<br />
finden sich auch in den mikroradiographischen Befunden wieder.<br />
In der HSC-Gruppe (Abbildung 7 - 10) zeigen sich hierbei die typischen<br />
Zeichen der sklerosierenden Coxarthrose am Femurkopf:<br />
- subchondrale Sklerosierung<br />
- Randosteophytenbildung<br />
- Zysten und Pseudozysten<br />
Abb. 7 – 10: Mikroradiographische Aufnahmen von Femurköpfen bei hypertroph<br />
sklerosierender Coxarthrose
26<br />
Die aufgearbeiteten Femurköpfe der RDC-Gruppe (Abb. 11 - 16) wiesen<br />
kortikale Erosionen und tiefe zystische Knochendefekte, zum Teil mit<br />
sekundärer Kopfdestruktion auf.<br />
Abb. 11 – 16: Mikroradiographische Aufnahmen von Femurköpfen bei rapide<br />
destruierender Coxarthrose
3.5 Histopathologische und immunhistochemische Befunde<br />
27<br />
3.5.1 Hypertroph sklerosierende Coxarthrose<br />
Die Gelenkflächenmorphologie der untersuchten Präparate mit<br />
sklerosierender Coxarthrose weist die Zeichen der fortgeschrittenen Arthrose<br />
auf.<br />
Das Staging (4) des Gesamtausmaßes der Gelenkdestruktion erreicht bei<br />
allen untersuchten Hüftköpfen zumindest fokal den Grad IV nach Otte (70).<br />
Die Beurteilung des lokalen Schädigungsgrades im Sinne eines Grading (4)<br />
zeigt bei Anwendung des Graduierungssystems nach Mankin (53) bei allen<br />
Hüftköpfen Stadien 8 bis über 10.<br />
Es findet sich histologisch in der HE-Färbung eine hochgradige<br />
Knorpelverschmälerung mit tiefreichenden Substanzdefekten, wobei fissurale<br />
Knorpelläsionen und Knorpelfibrillationen den subchondralen Knochen<br />
erreichen.<br />
In den gewichtsbelasteten Arealen ist ein vollständiger Knorpelverlust mit<br />
Freilegung des subchondralen Knochens zu verzeichnen.<br />
In der fibrillierten Knorpelzone, die den freigelegten subchondralen Knochen<br />
umgibt, sind nur noch wenige Chondrozyten in der oberflächennahen Matrix<br />
nachweisbar (Abbildung 17).<br />
Die Toluidinblaufärbung zeigt in den oberflächlichen Schichten einen<br />
ausgeprägten Proteoglykanverlust bei noch gegebener Anfärbbarkeit in den<br />
erhaltenen tiefen Knorpelschichten (Abbildung 18).
28<br />
Abb. 17: Knorpelfibrillation Abb. 18: Proteoglykanverlust<br />
Immunhistochemisch lässt sich ein Verlust von Aggrekan und Kollagen II<br />
in den oberflächlichen Schichten darstellen, während in den tieferen<br />
Zonen eine vermehrte perizelluläre Expression von Kollagen VI besteht<br />
(Abbildung 19).<br />
Abb. 19: Perizelluläre Kollagen VI-<br />
Expression
29<br />
Der kortikale Knochen ist intakt, es findet sich eine hypertrophierte<br />
subchondrale Grenzlamelle (Abbildung 20).<br />
In den Bereichen des freiliegenden Knochens finden sich teilweise<br />
Knochennekrosen mit Verlust der Osteozytenkerne und eosinophilem<br />
Granulationsgewebe in den Markräumen.<br />
Abb. 20: Hypertrophe subchondrale<br />
Grenzlamelle<br />
„Geröllzysten“ stellen subchondrale Pseudozysten in den Bereichen des<br />
knorpelfreien Knochens dar. Sie weisen im Lumen zellreiches<br />
Granulationsgewebe mit eingeschlossenen Knochen- und<br />
Knorpelfragmenten auf (Abbildung 21 – 22).<br />
Abb. 21: intakte Kortikalis bei Abb. 22: inkorporierte Knorpel-<br />
subchondraler Zyste und Knochenfragmente
30<br />
Die hier untersuchten fortgeschrittenen Stadien zeigen ausgeprägte<br />
Osteophyten und Randexostosen, die aus fibrösem Pannusgewebe mit<br />
eingeschlossenen nekrotischen Knochenfragmenten, sowie aus<br />
chondroiden Anteilen mit Zeichen der enchondralen Ossifikation,<br />
bestehen.<br />
Die untersuchten Gelenkkapselanteile mit synovialer Oberfläche<br />
zeigen alle eine ausgeprägte Fibrose und Verdickung der Kapsel.<br />
Es zeigt sich in allen Präparaten eine nur geringgradige chronische<br />
Synoviitis.<br />
Die synoviale Oberfläche ist geringgradig villös-hyperplastisch. Die<br />
synoviale Deckzellschicht ist gering- bis mäßiggradig proliferiert, es findet<br />
sich eine vereinzelte Synoviozytenaktivierung.<br />
Fokal sind geringe lymphoplasmazelluläre Entzündungsinfiltrate<br />
nachweisbar (Abbildung 23 – 24).<br />
Abb. 23 und 24: Synovialmembran bei sklerosierender Coxarthrose
31<br />
3.5.2 Rapide destruierende Coxarthrose<br />
Die Gelenkflächenmorphologie der Präparate der RDC-Gruppe zeigt<br />
ebenso in allen untersuchten Fällen Stadien der fortgeschrittenen<br />
arthrotischen Veränderungen.<br />
Das Gesamtausmaß der Gelenkdegeneration führt auch in dieser Gruppe<br />
unter Zugrundelegung des Staging-Schema von Otte bei allen Fällen zu<br />
einem Grad IV.<br />
Das Grading der Gelenkdestruktion nach Mankin erreicht bei allen<br />
Präparaten die Stadien 8 bis über 10.<br />
Im einzelnen findet sich regelhaft ein nahezu vollständiger Knorpelverlust<br />
mit hochgradiger bis kompletter kortikaler Knochenerosion (Abbildung 25)<br />
Abb. 25: Vollständige Knorpeldestruktion und erodierte<br />
Kortikalis bei RDC<br />
Die knorpelentblößten Areale weisen tiefe kraterartige Zysten mit<br />
kortikaler Destruktion auf. Die Zysten sind gefüllt mit fibrösem<br />
Bindegewebe, das nekrotische Knorpel- und Knochenfragmente<br />
einschließt (Abbildung 26 - 27).
32<br />
Abb. 26: Vergrößerte mikroradio- Abb. 27: Tiefe kraterartige Zyste bei RDC<br />
grafische Aufnahme einer Zyste mit<br />
kortikaler Destruktion bei RDC<br />
Es zeigt sich eine Proliferation metaplastischer Chondrozyten mit<br />
Ausbildung metaplastischer Knorpelzellnester. Chondroides<br />
Reparationsgewebe findet sich in Form einer pilzförmigen<br />
Regeneratknorpelbildung (Abbildung 28 – 30).<br />
Abb. 28: Proliferation metaplastischer<br />
Chondrozyten mit Bildung von Knorpelzellnestern
33<br />
Abb. 29: Chondroide pilzförmige Regenerat-<br />
knorpelbildung<br />
Abb. 30: Fibröses Knorpelregenerat<br />
Diese fibrösen Knorpelregenerate zeigen eine charakteristische<br />
Proteoglykan- und Kollagenverteilung. In der Toluidinblau-Färbung ist<br />
Aggrekan vermehrt an der Wurzel der Regenerate und in den<br />
metaplastischen Chondrozytennestern nachweisbar. Kollagen II ist<br />
immunhistochemisch ebenfalls vermehrt in den Wurzelbereichen der<br />
pilzförmigen Regenerate und in den Knorpelzellnestern anzutreffen,<br />
während Kollagen VI homogen in den Regeneraten vertelt ist.<br />
Kollagen Typ I wiederum ist in den Knorpelzellnestern verstärkt<br />
nachzuweisen (Abbildung 31 – 36).
Abb. 31 und 32: Toluidinblaufärbung mit typischer Proteoglykanverteilung<br />
Abb. 33: Immunhistochemischer Abb. 34: Homogene Verteilung<br />
34<br />
Nachweis Kollagen-Typ-II von Kollagen-Typ-VI<br />
Abb. 35 und 36: Kollagen-Typ-I in basalen Knorpelzellnestern
35<br />
Die histologische Untersuchung der Gelenkkapsel und<br />
Synovialmembran der RDC-Gruppe zeigt eine deutlich geringer<br />
ausgeprägte Kapselfibrose als die HSC-Gruppe.<br />
Es findet sich in der HE-Färbung eine extensive villöse Hyperplasie der<br />
zottig gestalteten synovialen Oberfläche und Synoviozytenproliferation bei<br />
allen untersuchten Synovialmembranen. Die Deckzellschicht ist<br />
mehrreihig, die Zellform kubisch bis zylindrisch. Im Zottenstroma finden<br />
sich meist ein Ödem sowie auch fokale histiozytäre Ansammlungen mit<br />
einzelnen mehrkernigen Riesenzellen (Abbildung 37 – 40).<br />
Abb. 37 und 38: Ausgeprägte villöse Hyperplasie<br />
Abb. 39 und 40: Aktivierte Synoviozyten in mehrreihiger Zelllage
36<br />
Vorherrschend ist in allen Fällen das Bild einer moderaten<br />
Detritussynoviitis mit inkorporierten Knorpel- und Knochenfragmenten.<br />
Das Stratum synoviale weist dabei ein unterschiedlich faserreiches<br />
Granulationsgewebe mit Einschluß von zahlreichen Knorpel- und<br />
Knochensequestern auf. Im Randbereich der Fragmente liegt gefäß- und<br />
zellreiches Granulationsgewebe, zum Teil mit Osteoklasten sowie<br />
schütteren lymphoplasmazellulären und granulozytären Infiltraten<br />
(Abbildung 41 – 42).<br />
Abb. 41 und 42: Detritus-Synoviitis<br />
Abschnittsweise findet man auch Synoviaareale mit gesteigerter<br />
Proliferation der synovialen Fibroblasten.<br />
Umschrieben in faserreicheren Narbenarealen auch metaplastischer<br />
hyaliner Knorpel und lamellärer Knochen mit desmaler Ossifikation,<br />
teilweise unter Einschluß von Fettmark.
37<br />
Bei Synoviapräparaten von 9 der 16 Patienten der RDC-Gruppe lassen<br />
sich neben einer diffusen lymphozytären Infiltration auch fokale<br />
Lymphozytenaggregate im Stroma als Ausdruck einer<br />
lymphoplasmazellulären entzündlichen Synoviitis nachweisen<br />
(Abbildung 43 – 44).<br />
Abb. 43 und 44: Fokale Lymphozytenaggregate
4. Diskussion<br />
38<br />
Die grundlegenden Pathomechanismen der Osteoarthrose waren in den<br />
vergangenen Jahren Gegenstand zahlreicher Arbeiten, insbesondere auf<br />
immunhistologischen und molekularbiologischen Gebiet. Dennoch ist auch<br />
heute die Ätiologie und Pathogenese der Arthrose in ihrer Komplexität noch<br />
nicht letztendlich geklärt.<br />
Mohr definiert die Arthrose als die Krankheit, „bei der eine Knorpelzerstörung<br />
ohne andere assoziierte klinisch, radiologisch oder laborchemisch<br />
diagnostizierte definierbare Krankheiten vorliegt.“ (62)<br />
Die auslösenden Faktoren und der Mechanismus der Gelenkdestruktion bei<br />
der rapide destruierenden Coxarthrose in Abgrenzung zu den<br />
pathogenetischen Vorgängen bei der hypertroph sklerosierenden<br />
Coxarthrose sind ebenso bisher nicht geklärt.<br />
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die klinischen, radiologischen und<br />
pathomorphologischen Besonderheiten der rapide destruierenden<br />
Verlaufsform der Coxarthrose darzulegen und vergleichend in die<br />
derzeitigen Erkenntnisse über die Gelenkdegradation bei der Osteoarthrose<br />
des Hüftgelenks einzuordnen.<br />
4.1 Historische Einordnung<br />
In der Betrachtung des historischen Kontext fällt zunächst die Schwierigkeit<br />
auf, für das multifaktorielle Krankheitsbild der Arthrose eine<br />
Begriffsbezeichnung und Klassifikation zu finden, die die verschiedenen<br />
pathogenetischen und nosologischen Aspekte berücksichtigt. In dem<br />
Bemühen um eine Differenzierung der degenerativen Gelenkerkrankungen<br />
gelang den Autoren zunächst jedoch weder eine ätiologische noch formale<br />
oder kausale pathogenetische Abgrenzung.
39<br />
Brodie beschreibt 1821 zusammenfassend seine pathologischen Befunde<br />
über die Arthrose wie folgt (11):<br />
„Ulceration des Knorpels kann Folge einer Entzündung seiner eigenen<br />
Substanz oder der Oberfläche des Knochens seyn, mit welcher er in<br />
Verbindung steht. Aber in vielen Fällen sind keine deutlichen Spuren einer<br />
vorhergegangenen entzündlichen Thätigkeit weder in dem einen noch in dem<br />
anderen Theile, und die Entzündung, welche nachher statt findet, scheint<br />
eher ein Begleiter, als die Ursache eines Ulcerationsprocesses zu seyn.“<br />
Die Bemühungen um eine Differenzierung entzündlicher und degenerativer<br />
Krankheitsprozesse prägten auch Ende des 19. und Anfang des 20.<br />
Jahrhunderts die Suche nach einer Begriffsbestimmung und Definition der<br />
arthrotischen Gelenkerkrankung. Virchow sprach 1860 von der „Arthritis<br />
deformans“ und auch von Volkmann beschrieb 1865 die „Arthritis deformans“<br />
als eine Krankheit des hohen Alters, die mit ossifizierender Hyperplasie der<br />
Knorpel des Gelenks und subchondraler Atrophie der Epiphysen einhergehe.<br />
Entzündliche Erscheinungen seien meist sekundär, so dass durch schwartige<br />
Verdickungen von Kapseln und Bändern und über Wucherungen der<br />
Knochenränder die deformierende Gelenkentzündung sich entwickle (93).<br />
Müller schlug dann im Jahre 1913 anläßlich des „XVII. International<br />
Congress of Medicine“ in London eine Unterscheidung der eigentlichen<br />
Arthritis und der nichtentzündlich degenerativ verursachten „Arthropathia<br />
deformans“ vor (62).<br />
Nach Wessinghage prägte der Internist Aßmann 1925 schließlich die Termini<br />
Arthrose und Osteoarthrose anlässlich eines Vortrags auf der<br />
„16. Tagung der Deutschen Röntgengesellschaft“ in Bad Nauheim (93).<br />
Wessinghage verweist jedoch abschließend auf eine frühere Nennung des<br />
Begriffes „Arthrosia acuta et chronica“ durch Good im Jahre 1817 in dessen<br />
Arbeit „A physiological system of nosology; with a corrected and simplified<br />
nomenclature“ (93).<br />
Betrachtet man speziell die Entwicklung des Begriffes „Koxarthrose“, so<br />
spiegelt sich auch hier der jeweilige Kenntnisstand über die Pathologie der
40<br />
Arthrose wider. So finden sich in der frühen Literatur Begriffe wie „Coxalgie“,<br />
„Morbus articuli femoris“ oder „Morbus coxarius“ (62).<br />
Wollenberg zitiert in seiner Arbeit über die „Arthritis deformans“ aus dem<br />
Jahre 1910 den irischen Arzt Adams, der 1839 die Koxarthrose<br />
charakterisiert durch eine „Verdickung der Faserknorpel… hyperämischen<br />
Zustand der Synovialgebilde, die wuchernde Knochenneubildung, welche um<br />
die Pfanne herum geschieht, sie vertieft oder ihren Rand mit knöchernen<br />
Knötchen umgibt…“ (94).<br />
Schoeman will in seinem Buch über das „Malum coxae senile“ 1851 der<br />
degenerativen Koxarthrose „ … in pathogenetischer und diagnostischer Sicht<br />
eine gleiche selbständige Würdigung … wie anderen Hüftgelenkkrankheiten“<br />
geben (82).<br />
Rauschmann stellt fest, dass Ende des 19. Jahrhunderts entzündlich-<br />
rheumatische von degenerativen Gelenkleiden unterschieden wurden,<br />
pathogenetische Zusammenhänge bezüglich der degenerativen Formen<br />
jedoch im Dunkeln blieben (77).<br />
Hackenbroch prägte 1943 den Begriff der „präarthrotischen Deformität“ und<br />
sah die Arthrose als eine „Sekundärkrankheit“, die immer Folge eines<br />
vorausgehenden pathologischen Geschehens sei, welches eine Störung des<br />
Gleichgewichtes von Leistung und Beanspruchung eines Gelenkes bewirke<br />
(33).<br />
Pauwels stellte die biomechanischen Gesichtspunkte in den Fokus seiner<br />
Arbeiten über die Arthroseentstehung, indem er zeigte, dass eine<br />
Inkongruenz des Gelenkes zu einer pathologischen Druckbelastung und<br />
damit zur Arthrosis deformans führt (72).<br />
Mutter stellt in einer radiologischen Studie 1975 fest, dass nur bei 3,7 % der<br />
Patienten die Ätiologie der Koxarthrose nicht festzustellen sei, während in
41<br />
den anderen Fällen die Arthrose auf der Grundlage präarthrotischer Faktoren<br />
entstand (64).<br />
Die Bedeutung präarthrotischer Faktoren wird auch durch die Arbeit von<br />
Solomon deutlich, der nur bei 8,3 % der untersuchten 327 Fälle keine<br />
eindeutige Ursache für die „osteoarthritis of the hip“ fand (83).<br />
Die meisten erschienenen pathologisch-anatomischen, radiologischen und<br />
klinischen Arbeiten zur Coxarthrose haben Formen mit langsamer<br />
progressiver Entwicklung der Krankheit zum Gegenstand. Das Studium der<br />
rapide destruierenden Coxarthrose beginnt erst in der zweiten Hälfte des<br />
20. Jahrhunderts und erst 1970 wird das Krankheitsbild in der Literatur<br />
definiert.<br />
Wenn König 1889 eine aggressive Form der monoartikulären Arthritis<br />
deformans wie folgt beschreibt: „Im Laufe eines Jahres kann ein<br />
Hüftgelenkskopf fast verschwunden, die Pfanne weit gewandert sein und<br />
zwar nicht bloß nach hinten und oben, sondern geraden Weges nach vorne,<br />
so dass die verkürzte Extremität völlig nach außen rotiert erscheint“, so<br />
würde dies zwar eine passende Beschreibung des Krankheitsverlaufes der<br />
rapide destruierenden Coxarthrose darstellen, jedoch ist es in Anbetracht des<br />
damaligen Forschungsstandes wahrscheinlicher, dass er von der synovialen<br />
„Arthritis deformans der Internisten“ auf der Basis entündlich-rheumatischer<br />
Gelenkleiden schreibt (40; 77).<br />
Im Jahre 1957 beschreibt Forestier eine Coxarthroseform mit rascher<br />
Gelenkdestruktion bei Frauen über 60 Jahren, die ihn an eine monoartikuläre<br />
Coxitis denken lässt. Aufgrund negativer Rheumafaktoren sowie einer<br />
normalen Blutsenkungsgeschwindigkeit erwähnt er jedoch die Möglichkeit<br />
einer besonderen Form der Coxarthrose, ohne jedoch zu diesem Zeitpunkt<br />
bereits das Krankheitsbild zu definieren (27).<br />
Merle-Vincent et al. geben in ihrer Arbeit über die rapide destruierende<br />
Coxarthrose (59) an, dass Pietrogrande ebenfalls 1957 eine rapide<br />
Verlaufsform der Hüftkopfzerstörung beschreibe, die in wenigen Monaten zu
42<br />
einer vollständigen Gelenkzerstörung mit Destruktion des subchondralen<br />
Knochens führe (73). Allerdings berichten Pietrogrande und Mastromarino in<br />
der erwähnten Arbeit nicht über einen Fall der rapide destruierenden<br />
Coxarthrose, sondern über eine Femurkopfnekrose unter Cortisontherapie.<br />
1962 vertiefen Forestier einerseits und Lequesne andererseits die Hypothese<br />
einer destruierenden nicht-rheumatischen Form der Coxarthrose und<br />
schlagen die Bezeichnungen „coxarthrose destructrice rapide“ bzw. „<br />
coxopathie chondrocephalolytique rapide“ vor (7).<br />
Diese Bezeichnung findet zunächst keine generelle Akzeptanz, im Jahre<br />
1963 spricht Coste von der „coxarthrose usante“ (19).<br />
Waren die genannten französischen Autoren wohl die ersten, die diese<br />
Hüfterkrankung beschrieben, so haben ebenfalls französische Autoren die<br />
ungewöhnlich rasch fortschreitende Gelenkdestruktion als wichtigstes<br />
Kriterium für die Definition der rapide destruierenden Coxarthrose formuliert.<br />
Die Veröffentlichungen von Lequesne (45) sowie von Roux, Kerboull und<br />
Postel (80) aus dem Jahre 1970 legten die Definition und diagnostischen<br />
Kriterien fest.<br />
Demnach ist die rapide destruierende Coxarthrose eine Form der<br />
Coxarthrose mit einem Knorpelverlust von mindestens 2 mm pro Jahr.<br />
Andere ätiologische Faktoren für die Gelenkdestruktion wie infektiöse,<br />
rheumatisch-entzündliche, traumatische oder metabolische Ursachen sind<br />
ebenso wie eine aseptische Hüftkopfnekrose auszuschließen (48).
43<br />
4.2 Epidemiologie, klinische Symptomatik und Krankheitsverlauf<br />
Betrachtet man zunächst die epidemiologischen Daten zur Coxarthrose, so<br />
ist festzuhalten, dass es nur wenige Angaben über die Häufigkeit der rapide<br />
destruierenden Form gibt.<br />
Während bei etwa 10-20 % der europäischen Bevölkerung die radiologischen<br />
Zeichen einer Coxarthrose nachweisbar sind, ist die klinische Prävalenz nur<br />
mit etwa 5 % anzusetzen. Pro Jahr werden in Deutschland pro 100 000<br />
Einwohner etwa 100 Hüfttotalendoprothesen aufgrund einer Coxarthrose<br />
implantiert (31).<br />
Sun et al. (87) gaben 1997 einen Überblick über die heterogene Datenlage<br />
zu Prävalenz und Inzidenz der Osteoarthrose. Die jährliche Inzidenz der<br />
klinisch manifesten Koxarthrose lag zwischen 10 und 195 pro 100 000<br />
Personenjahren. Die radiologische Prävalenz lag bei Personen ab dem 55.<br />
Lebensjahr zwischen 0,9 % und 25 % bei Männern und variierte von 0,6 %<br />
bis 16 % bei Frauen.<br />
Charrois et al. (14) geben den Anteil der rapide destruierenden<br />
Coxarthrose mit 5 bis 10 % aller Patienten mit einer degenerativen<br />
Hüftgelenkserkrankung an.<br />
In der Erstbeschreibung von Roux, Kerboull und Postel 1970 wird eine Rate<br />
von 5,67 % RDC von allen Coxarthroseoperationen angegeben (80).<br />
Auch Lequesne erwähnt im gleichen Jahr eine Häufigkeit von 5-6 % aller<br />
Coxarthrosepatienten der Klinik (48).<br />
Bouvier (10) gibt 1985 eine Zahl von 3 % RDC aller in die Klinik<br />
aufgenommenen Patienten mit Coxarthrose an, während Dougados 1997 in<br />
einer prospektiven Längsschnittbeobachtung von 436 ambulanten<br />
Coxarthrosepatienten eine Rate von 9,4 % mit RDC nennt (24).
44<br />
Der Altersdurchschnitt der Patienten mit rapide destruierender Coxarthrose<br />
wird in der Literatur mit 65 Jahren (Verteilung ca. 50 – 80 Jahre) angegeben<br />
(7; 46). Das durchschnittliche Alter der von Rosenberg operierten Patienten<br />
lag bei 76,4 Jahren (79) und Conrozier fand in seiner vergleichenden Arbeit<br />
einen Durchschnitt von 71 Jahren der Patienten mit RDC, dagegen nur 60,5<br />
Jahre der Patienten mit gemeiner Coxarthrose (15).<br />
In der vorliegenden Arbeit liegt der Altersdurchschnitt der untersuchten<br />
Patienten mit RDC bei 71,2 Jahren, in der HSC-Gruppe bei 67,3 Jahren.<br />
In 80-90 % der Fälle weist die rapide destruierende Coxarthrose eine<br />
unilaterale Manifestation auf. Trevisan et al. (89) analysiert den Fall eines<br />
Patienten mit bilateraler Destruktion beider Hüften mit einem zeitlichen<br />
Intervall von 10 Monaten.<br />
In der vorliegenden Arbeit war in allen Fällen mit RDC nur ein Hüftgelenk<br />
betroffen.<br />
Die klinische Symptomatik der Coxarthrose ist geprägt durch Schmerz und<br />
zunehmenden Funktionsverlust. Anamnestisch werden vorzeitige Ermüdung<br />
bei gewohnter Belastung, Einlaufsteifigkeit und leichtes Hinken angegeben,<br />
gefolgt von Einlaufschmerz, später auch ständiger Belastungsschmerz mit<br />
Reduzierung der Gehstrecke sowie Dauer- und Ruheschmerz.<br />
Der Schmerz wird lokalisiert in Leiste, Trochanterregion und Gesäß sowie<br />
typisch ausstrahlend in den Oberschenkel bis Kniehöhe (34).<br />
Die klinische Untersuchung zeigt anfangs eine diskrete schmerzhafte<br />
Einschränkung der Rotation und Abduktion, später auch der Flexion.<br />
Ein hinkendes Gangbild kann schmerzbedingtes Schonhinken,<br />
Insuffizienzhinken als Folge einer zunehmenden Abduktoren- und<br />
Extensorenschwäche oder ein Verkürzungshinken aufgrund einer fehlstatisch<br />
bedingten funktionellen Beinverkürzung darstellen (31).
45<br />
Im weiteren Verlauf können sich Atrophien der pelvitrochantären Muskulatur<br />
sowie Kontrakturen entwickeln, insbesondere im Sinne einer Flexions-<br />
Außenrotations-Adduktionskontraktur (34).<br />
Die Algofunktionsscores bei Coxarthrose berücksichtigen die Ausprägung<br />
von Schmerz und Steifigkeit sowie Einschränkungen der Beweglichkeit,<br />
Funktion und Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL).<br />
In der vorliegenden Arbeit wurden bei Verwendung des WOMAC-<br />
Osteoarthroseindex und des Harris Hip Score zum Zeitpunkt der<br />
Klinikaufnahme keine signifikant unterschiedlichen Indexwerte bzw.<br />
Punktwerte in den beiden Gruppen RDC und HSC ermittelt.<br />
Dies ist dadurch erklärbar, dass es sich bei dem ausgewählten Patientengut<br />
in beiden Gruppen um Patienten mit fortgeschrittener Coxarthrose handelt,<br />
so dass wesentliche Unterschiede bezüglich Schmerzausprägung,<br />
Funktionseinschränkung und Alltagsaktivität nicht zu erwarten sind.<br />
Allerdings zeigte sich in der RDC-Gruppe bei 11 von 16 Patienten (68,8%)<br />
eine schmerzhaft fixierte Flexionskontraktur, während nur 2 von 12 (16,6%)<br />
Patienten der HSC-Gruppe eine fixierte Kontraktur aufwiesen.<br />
Unterschiede fanden sich auch in der subjektiv von den Patienten<br />
eingeschätzten präoperativ möglichen Gehstrecke, die in der HSC-Gruppe<br />
mit durchschnittlich noch 1204 m, in der RDC-Gruppe mit 397 m angegeben<br />
wurde.<br />
In der Literatur wird die klinische Symptomatik ohne generelle Unterschiede<br />
zwischen beiden Gruppen entsprechend wiedergegeben.<br />
Charakteristisch findet man jedoch auch das gehäufte Auftreten einer<br />
schmerzhaften Flexionskontraktur bei Patienten mit rapide destruierender<br />
Coxarthrose (45; 20).<br />
Die wesentliche Bedeutung des Krankheitsverlaufes für die Differenzierung<br />
der langsam progredienten hypertroph sklerosierenden Coxarthrose von der<br />
rapide destruierenden Form findet sich bereits in der Begriffsbestimmung und
46<br />
Definition der letzteren Arthroseform und wurde bereits in den ersten<br />
Veröffentlichungen als krankheitsspezifisch betont (27; 19; 45; 80).<br />
Die Erkrankungsdauer seit Beginn der Symptomatik der betroffenen Hüfte<br />
bis zur Diagnosestellung der manifesten fortgeschrittenen Coxarthrose bzw.<br />
Gelenkdestruktion, die dann zur Indikation zur<br />
Totalendoprothesenimplantation führte, zeigte auch in der vorliegenden<br />
Arbeit eindeutige Unterschiede. Von den Patienten der HDC-Gruppe wurde<br />
die Erkrankungsdauer im Mittel mit 45,5 (+ 21) Monaten angegeben,<br />
während diese in der RDC-Gruppe nur 11,3 (+ 5,5) Monate betrug.<br />
Von Tron et al. (90) sowie von Lequesne (47) wird der durchschnittliche<br />
Knorpelverlust pro Jahr bei der gemeinen Coxarthrose auf 0,2 bis 0,3 mm<br />
geschätzt, während es bei der rapide destruierenden Coxarthrose innerhalb<br />
von zwei Jahren in der Regel zu einem vollständigen Aufbrauch des<br />
Gelenkspaltes kommt. In der prospektiven Studie von Lequesne (46) wird<br />
eine Reduzierung der Gelenkspaltweite um 96 % in einem Jahr angegeben.<br />
4.3 Bedeutung laborchemischer Befunde<br />
In der vorliegenden Arbeit wurden zum Zeitpunkt der präoperativen<br />
Labordiagnostik einen Tag vor der Operation die Blutkörperchen-<br />
Senkungsgeschwindigkeit (BSG) und der Serumwert für das C-reaktive<br />
Protein (CRP) bestimmt.<br />
Die übrige Routinelabordiagnostik erbrachte hämatologisch im kleinen<br />
Blutbild in allen Fällen normale Leukozytenzahlen. Der bestimmte<br />
Rheumafaktor im Serum war in allen Fällen negativ.<br />
In der HSC-Gruppe betrug die BSG im Mittel 8,3 mm/1h zu 19,8 mm/2h, in<br />
der RDC-Gruppe im Mittel 22,1 mm/1h zu 47,9 mm/2h.
47<br />
Die Bedeutung der Blutkörperchen-Senkungsgeschwindigkeit (BSG) als ein<br />
unspezifischer Parameter darf nicht zu hoch eingestuft werden.<br />
Die Beschleunigung zeigt eine gute Korrelation zur Intensität der klinischen<br />
Krankheitsaktivität und Floridität der Erkrankung. Der Wert stellt einen<br />
wichtigen Verlaufs- und Aktivitätsparameter dar und besitzt hierfür eine hohe<br />
Sensitivität. Es gelingt meist eine Differenzierung zwischen entzündlicher und<br />
nicht-entzündlicher Erkrankung (69).<br />
Mehrere Autoren geben eine Beschleunigung der BSG über 20 mm in der<br />
ersten Stunde in nur 20 bis 30 % der Fälle der Patienten mit nachgewiesener<br />
RDC an (45; 80; 12).<br />
Wenngleich ein erhöhter Wert in der Routinediagnostik nicht als spezifisch<br />
angesehen werden kann, sollte er bei unklaren Hüftschmerzen bestimmt<br />
werden, auch im Hinblick auf den differenzialdiagnostischen Ausschluss<br />
septischer und anderer entzündlicher Arthritiden, bei welchen regelhaft<br />
ausgeprägtere Beschleunigungen der BSG vorliegen.<br />
Das C-reaktive Protein im Serum (CRP) wies in der HSC-Gruppe einen<br />
mittleren Wert von 0,5 mg/dl auf, in der RDC-Gruppe betrug dieser Wert 1,3<br />
mg/dl.<br />
Das C-reaktive Protein (CRP) stellt im Vergleich mit der BSG einen<br />
empfindlicheren Parameter dar. Als „Akute-Phase-Protein“ wird es bei<br />
entzündlichen und gewebsschädigenden Prozessen freigesetzt.<br />
Normale CRP-Werte lassen akut-entzündliche, bakterielle und meist auch<br />
rheumatoide Erkrankungen ausschließen (69).<br />
Das CRP ist bei der rapide destruierenden Coxarthrose meist normal oder<br />
gering erhöht. Conrozier et al. fand trotzdem einen bis zu dreifach erhöhten<br />
Wert im Vergleich zur gemeinen Coxarthrose (16).
48<br />
Im Hinblick auf den rapiden Verlauf der Hüftdestruktion wäre die Validierung<br />
sensitiver und spezifischer Laborparameter im Sinne von „Biomarkern“ der<br />
Osteoarthrose von eminenter klinischer Bedeutung (29; 25).<br />
Masuhara et al. haben 2002 bei der rapide destruierenden Coxarthrose im<br />
Vergleich mit Patienten mit gemeiner Coxarthrose signifikant erhöhte Serum-<br />
und Plasmakonzentrationen von Metalloproteinasen MMP-3 und MMP-9<br />
nachgewiesen (56; 57).<br />
Die Bedeutung des „Cartilage Oligomeric Matrix Protein“ (COMP) als<br />
Prädiktor einer raschen Progression der Knorpelzerstörung könnte<br />
insbesondere für die Früh- und Verlaufsdiagnostik der rapide destruierenden<br />
Coxarthrose von Bedeutung sein (32).<br />
Hohe COMP-Spiegel stellen einen möglichen brauchbaren Marker für den<br />
bereits veränderten Knorpelstoffwechsel am Beginn von Arthrosen dar (30;<br />
18).<br />
COMP ist vorwiegend in der territorialen Matrix um Chondrozyten lokalisiert<br />
und ist wesentlich an der Chondrogenese beteiligt (36). Beim Abbau von<br />
Gelenkknorpel gelangt COMP zunächst in die Synovialflüssigkeit und kann<br />
dann quantitativ im Serum mittels ELISA erfasst werden. Problematisch ist<br />
jedoch die mangelnde Spezifität des COMP für hyalinen Gelenkknorpel, da<br />
es auch in anderen bindegewebigen Strukturen und der Synovialmembran<br />
vorkommt.<br />
Garnero et al. (28) berichten 2003 über eine Untersuchung von 12 Patienten<br />
mit rapide destruierender Coxarthrose und 28 Patienten mit langsam<br />
progredienter sklerosierender Coxarthrose, bei welchen die Degradation des<br />
Typ-II-Kollagen durch die Urinkonzentration des C-terminalen Crosslink-<br />
Telopeptids des Kollagen Typ II (CTX-II) bestimmt wurde. Dabei fanden sich<br />
signifikant erhöhte Konzentrationen bei den Patienten mit RDC im Vergleich<br />
zu der langsam progredienten Coxarthrose-Gruppe. Auch bestand eine
49<br />
Korrelation erhöhter Werte zur radiologisch gemessenen<br />
Gelenkspaltverschmälerung.<br />
Die Autoren kommen zu dem Schluß, dass CTX-II einen brauchbaren<br />
molekularen Marker für die Identifizierung von Coxarthrosepatienten mit<br />
einem hohen Risiko für eine rapide Gelenkdestruktion darstellen kann.<br />
Conrozier et al. (17) können allerdings in einer im Jahre 2004<br />
veröffentlichten fallkontrollierten Cross-over-Studie an 50 Patienten im<br />
Vergleich von hypertrophen Coxarthrosen mit „atrophen“ destruierenden<br />
Formen keine signifikanten Unterschiede für CRP, COMP, Hyaluronsäure,<br />
TIMP-1, Typ-I-Prokollagen, CTX-I oder MMP-1 nachweisen.<br />
4.4 Interpretation und klinische Konsequenzen der radiologischen<br />
und mikroradiographischen Ergebnisse<br />
Neben dem klinischen Krankheitsverlauf, der bei Patienten mit rapide<br />
destruierender Coxarthrose meist innerhalb eines Jahres zur Indikation zur<br />
Totalendoprothesenimplantation führt, stellen die radiologisch fassbaren<br />
Veränderungen spezifische Kriterien für die Diagnosestellung und<br />
Unterscheidung von der hypertroph sklerosierenden Coxarthrose dar.<br />
In der vorliegenden Arbeit wiesen die Hüftgelenke der HSC-Gruppe die<br />
bekannten charakteristischen Zeichen der Coxarthrose auf:<br />
Gelenkspaltverschmälerung, subchondrale Sklerosierung,<br />
Osteophytenbildung, Zysten und Pseudozysten sowie kraniolaterale<br />
Subluxation.<br />
Die präoperativen Aufnahmen der Hüftgelenke der RDC-Gruppe dagegen<br />
zeigten folgende Merkmale:<br />
symmetrische Gelenkspaltverschmälerung bis hin zum totalen Verlust des<br />
radiologisch darstellbaren Gelenkspaltes, atrophe Knochenreaktion mit
50<br />
kortikaler Erosion, kleinzystische Destruktion und sekundärer<br />
Substanzverlust des Femurkopfes mit Destruktion des Hüftgelenkes.<br />
Diese spezifischen Veränderungen fanden sich auch in den<br />
mikroradiographischen Aufnahmen der gefertigten frontalen<br />
Femurkopfscheiben verdeutlicht wieder.<br />
Die rasche Progredienz der Gelenkdestruktion in der RDC-Gruppe konnte<br />
auch in der Analyse der vorliegenden Röntgenaufnahmen seit<br />
Erstvorstellung in der Klinik bzw. im Vergleich mit den extern ambulant<br />
gefertigten Aufnahmen festgestellt werden. In Unterscheidung zu den<br />
langsam über Jahre hinweg sich entwickelnden Zeichen der hypertroph<br />
sklerosierenden Coxarthrose fand sich in der RDC-Gruppe eine rasche<br />
Progredienz, die innerhalb eines Jahres bereits zu einer fortgeschrittenen<br />
oder völligen Destruktion des Hüftgelenkes führte.<br />
Waren zum Zeitpunkt der Indikationsstellung zur Operation bereits eindeutige<br />
Zeichen einer RDC radiologisch nachweisbar, so entwickelte sich bis zum<br />
Operationszeitpunkt innerhalb von 6 Monaten eine Destruktion des<br />
Femurkopfes.<br />
Dieser spezifische rapide Verlauf der radiologisch nachweisbaren<br />
destruierenden Gelenkveränderungen findet sich auch in der Literatur<br />
wieder.<br />
Rosenberg et al. (48) berichten 1992 über die retrospektive Analyse von 24<br />
operierten Patienten mit RDC mit einer durchschnittlichen Symptomdauer<br />
von 1,4 Jahren. Andere Ursachen für die Gelenkzerstörung wie<br />
Femurkopfnekrose, Infektion, rheumatoide Arthritis,<br />
Stoffwechselerkrankungen oder neurologische Ursachen wurde<br />
ausgeschlossen. Die Röntgenbefunde waren typisch: in 70 % bereits<br />
Femurkopfdestruktion mit Subluxationstendenz, in allen Fällen hochgradige<br />
Gelenkspaltverschmälerung und subchondrale Zysten. Osteophyten waren<br />
gar nicht oder nur gering ausgeprägt nachweisbar. Bei 9 Patienten standen<br />
frühere Aufnahmen zur Verfügung, durchschnittlich 18 Monate vor der
51<br />
Operation, welche alle nur milde Zeichen der allgemeinen Coxarthrose<br />
aufwiesen.<br />
Bock et al. (8) haben 1993 über 27 Hüftgelenke berichtet mit einer<br />
durchschnittlichen Dauer von 14 Monaten bis zur radiologisch<br />
nachgewiesenen Gelenkdestruktion nach anfänglich negativem<br />
Röntgenbefund im Rahmen der schmerzbedingten Erstkonsultation, bei<br />
Ausschluss eines Falles mit einem Intervall von 5 Jahren sogar nur 4<br />
Monate. Die Autoren fanden ebenfalls einen progressiven Verlust des<br />
Gelenkspaltes, nur geringe Sklerosezeichen, keine Osteophyten in 22 Fällen<br />
sowie in 70 % eine hochgradige Femurkopfdestruktion.<br />
Llauger et al. (50) fassen die radiologischen differenzialdiagnostischen<br />
Zeichen der nichtseptischen „Monoarthritis“ zusammen und kommen zu den<br />
gleichen Ergebnissen wie die o.g. Autoren sowie die vorliegende Arbeit.<br />
In klinischer Hinsicht fällt sowohl in der Literatur als auch bei unserem<br />
Patientengut der späte Zeitpunkt der Diagnosestellung mit<br />
nativradiologischen Mitteln auf. Während zum Zeitpunkt der ambulanten<br />
Erstkonsultation aufgrund des Leitsymptoms Schmerz häufig ein unauffälliger<br />
Befund oder allenfalls diskrete Zeichen einer beginnenden gemeinen<br />
Coxarthrose vorliegen, zeigt sich bei Indikationsstellung zur<br />
Endoprothesenimplantation in der Regel innerhalb eines Jahres oder in<br />
wenigen Monaten eine hochgradige Gelenkdestruktion.<br />
Auf die mangelhafte Erfassbarkeit von Frühstadien der Coxarthrose mit<br />
konventioneller Röntgendiagnostik haben Locher, Ganz et al. (51) 2001 bei<br />
der allgemeinen Coxarthrose hingewiesen: in einer retrospektiven Analyse<br />
von Röntgenaufnahmen der Hüfte von 30 Patienten durch zwei Orthopäden<br />
und einen Radiologen wurden die konventionellen Röntgenbilder in 20 % der<br />
Fälle als normal beurteilt, obwohl das ebenso vorliegende Arthro-MRT und<br />
der intraoperative Befund in 90% einen substantiellen Knorpelschaden<br />
zeigten.
52<br />
Auf die Stärke der Magnetresonanztomografie, den Knorpel hinsichtlich<br />
Volumen und struktureller Veränderungen sichtbar zu machen, weisen auch<br />
Zacher et al. 2006 hin (98). Durch geeignete Wahl der Parameter könnten<br />
selbst innerhalb des Knorpels gelegene pathologische Veränderungen<br />
sichtbar gemacht werden, auch wenn eine qualitative Darstellung des<br />
hyalinen Knorpels bisher nicht eindeutig validiert ist.<br />
Die Bedeutung der MRT speziell für die Diagnose der rapide destruierenden<br />
Coxarthrose haben 2002 Boutry et al. an 12 Patienten mit RDC analysiert<br />
(9). Allerdings erfüllten die eingeschlossenen Patienten bereits die Kriterien<br />
einer RDC zum Zeitpunkt der MRT-Untersuchung, wiesen also bereits einen<br />
Knorpelverlust von über 2 mm oder eine Gelenkspaltverschmälerung von 50<br />
% in einem Jahr auf. Die MRT-Befundung zeigte in 100% der Fälle einen<br />
Gelenkerguss, in 100 % ein Knochenmarksödem am proximalen Femur,<br />
83 % am Acetabulum, in 92 % eine Femurkopfabflachung und in 83 %<br />
zystenartige subchondrale Defekte. Des Weiteren wurden Linien von<br />
geringer Signalintensität im Bereich der Femurepiphysen, streifenartige<br />
Zonen geringer Signalintensität im subchondralen Knochen des Femurkopfes<br />
und fokale Signalabnormitäten in den umgebenden Weichteilen gefunden.<br />
Eine prospektive Untersuchung zur Validierung kernspintomografischer<br />
Befunde in Frühstadien der rapide destruierenden Coxarthrose wäre zur<br />
Abklärung der Bedeutung dieses Untersuchungsverfahrens für eine frühere<br />
Diagnosestellung wünschenswert (92).<br />
Die verbesserte Differenzierung des Degenerationsgrades des<br />
Gelenkknorpels durch hochauflösende MRT und damit frühzeitige<br />
Diagnosestellung der RDC könnte die Indikationsstellung zum<br />
endoprothetischen Gelenkersatz positiv beeinflussen.<br />
Die Analyse von Krankenblättern früherer Jahre der Orthopädischen Klinik<br />
Wichernhaus zeigte, dass in einigen Fällen bei Patienten mit RDC ohne<br />
nativradiologisch erkennbare fortgeschrittene Gelenkdestruktion<br />
gelenkerhaltende Operationen mit offener Synovektomie durchgeführt
53<br />
wurden. In der Mehrzahl der Fälle waren schlechte Ergebnisse mit<br />
anschließend dennoch rascher Gelenkdestruktion zu verzeichnen. Die<br />
Möglichkeit einer präoperativen kernspintomografischen Darstellung der<br />
bereits bestehenden Knorpeldegeneration hätte die Einschätzung der<br />
prognostischen Wertigkeit einer alleinigen Synovektomie relativieren können.<br />
Des Weiteren stellt eine möglichst frühzeitige Diagnosestellung einen<br />
wichtigen Aspekt im Hinblick auf die endoprothetische Versorgung der<br />
Patienten dar. Zum einen sind dadurch Phasen hochgradiger Schmerzen<br />
und Mobilitätsverlust rechtzeitig vermeidbar, zum anderen lässt die zeitnahe<br />
Implantation einer Totalendoprothese technische und biomechanische<br />
Probleme der Prothesenverankerung reduzieren, die durch eine<br />
zunehmende ossäre Destruktion bedingt werden. Die Kenntnis einer<br />
zugrundliegenden RDC erfordert neben einer totalen Synovektomie eine<br />
sorgfältige Bearbeitung der Verankerungsflächen mit Resektion<br />
bindegewebiger zystischer Veränderungen, Anfrischung der ossären<br />
Oberflächen und evtl. eine Spongiosatransplantation. Außerdem ist die<br />
Verwendung spezieller Implantate mit entsprechender Oberflächenstruktur<br />
zu erwägen, um die össäre Integration zu verbessern und osteolytisch<br />
bedingte frühzeitige Pfannenlockerungen zu vermeiden.
4.5 Pathogenetische und strukturelle Besonderheiten der rapide<br />
destruierenden Coxarthrose<br />
54<br />
In der vorliegenden Arbeit wurden sämtliche am Operationstag asservierten<br />
Präparate in Form von frontalen zentralen Femurkopfscheiben und der<br />
Hüftgelenkskapsel mit Synovialmembran einheitlich prozessiert und<br />
histopathologisch sowie immunhistochemisch untersucht.<br />
Die Gelenkflächenmorphologie der langsam progredienten, hypertroph<br />
sklerosierenden Coxarthrose zeigt dabei eine hypertrophierte und<br />
weitgehend intakte Kortikalis unterhalb des hochgradig verschmälerten<br />
Knorpels, der tiefe Substanzdefekte bis zum vollständigen Verlust aufweist.<br />
Geröllzysten sind vom subchondralen Knochen bedeckt. Es zeigt sich eine<br />
ausgeprägte Bildung von Osteophyten und Randexostosen.<br />
Der fibrillierte und fissurierte hyaline Knorpel zeigt das typische<br />
Degradationsmuster mit Proteoglykan- und Kollagen-Typ-II-Verlust sowie<br />
eine erhöhte perizelluläre Expression von Kollagen-Typ-VI.<br />
Die Synoviapräparate zeigen eine ausgeprägte Kapselfibrose mit nur<br />
geringer Aktivierung der Synoviozyten. Lymphoplasmazelluläre Infiltrate<br />
fehlen ganz oder sind nur in geringer Ausprägung fokal nachweisbar.<br />
Dagegen zeigen die histologischen Präparate der Hüftgelenke mit rapide<br />
destruierender Coxarthrose ein charakteristisches Bild mit vollständigem<br />
Knorpelverlust mit schwerer kortikaler Knochenerosion. Es finden sich tiefe<br />
kraterartige Zysten, gefüllt mit fibrösem Gewebe, das nekrotische Knorpelund<br />
Knochenfragmente einschließt. Chondroides Reparationsgewebe bildet<br />
einen pilzförmigen Regeneratknorpel, der aus metaplastischen<br />
Knorpelzellnestern entsteht, welche eine charakteristische Proteoglykan- und<br />
Kollagenverteilung aufweisen: Aggrekan und Kollagen-Typ-II liegen vermehrt<br />
in den Wurzelbereichen vor, während Kollagen-Typ-VI eine homogene<br />
Verteilung zeigt. Das Kollagen-Typ-I lässt sich wiederum verstärkt in den<br />
basalen Knorpelzellnestern nachweisen.
55<br />
Die Destruktion des kortikalen und subchondralen Knochens mit Eröffnung<br />
des Markraums führt zur Stimulierung und Proliferation metaplastischer<br />
Chondrozyten aus Stammzellen. Dieser dadurch entstehende<br />
Regeneratknorpel ist bei allen untersuchten Präparaten der RDC-Gruppe<br />
nachweisbar.<br />
Typisch zu unterscheiden ist auch die synoviale Reaktion bei der RDC,<br />
welche eine deutlich geringere Kapselfibrose zeigt. Vielmehr findet sich eine<br />
ausgeprägte villöse Hyperplasie mitdeutlicher Synoviozytenproliferation. Es<br />
besteht das Bild einer aktivierten Detritussynoviitis . Neben einer diffusen<br />
lymphozytären Infiltration finden sich auch fokale Lymphozytenaggregate.<br />
Die Arthrose ist morphologisch durch einen progredienten Verlust der<br />
Knorpelmatrix, Sklerosierung der subchondralen Knorpelareale und eine<br />
partielle Beteiligung der Synovialmembran charakterisiert. Dieser Vorgang<br />
unterscheidet sich hinsichtlich der Geschwindigkeit der Knorpelzerstörung,<br />
der destruktiven oder sklerosierenden Veränderungen des Knochens, der<br />
reparativen Vorgänge und im Hinblick auf die Form der Synoviitis deutlich<br />
bei der rapide destruierenden Coxarthrose im Vergleich zur hypertroph<br />
sklerosierenden Form.<br />
Die Zusammensetzung der extrazellulären Matrix wird durch das<br />
Zellverhalten der Chondrozyten mit geringer metabolischer Aktivität und<br />
stabilen Phänotyp geprägt. Im Verlaufe der Arthrose treten Aktivierungs- und<br />
Differenzierungsvorgänge auf, die Strukturbestandteile wie das Kollagen-<br />
Typ-II und Aggrekan als auch regulatorische Proteine und<br />
matrixdegradierende Metalloproteinasen betreffen (76; 52; 85; 3).<br />
Es ist noch nicht geklärt, ob die rapide Knorpelzerstörung bei der RDC durch<br />
eine gesteigerte Synthese degradierender Enzyme mit erhöhter<br />
Proteasenaktivität ausgelöst wird. Masuhara et al. (63) wiesen eine<br />
gesteigerte Syntheseaktivität von Matrixmetalloproteinasen MMP-3 und<br />
MMP-9 in Fibroblasten aus dem Bindegewebe der subchondralen zystischen<br />
Defekte bei Patienten mit RDC nach, nicht jedoch bei Patienten mit HSC.
56<br />
Verschiedene Autoren haben in früheren Untersuchungen postuliert, dass die<br />
rapide destruierenden Coxarthroseformen mit intraartikulären Ablagerungen<br />
von Hydroxylapatit assoziiert wären, die eine gesteigerte Knochenresorption<br />
durch Makrophagen in Anwesenheit von Prostaglandin E2 stimulieren<br />
würden (1; 44). Calciumphosphat und Calciumpyrophosphat wird auch in<br />
Gelenkflüssigkeiten von Patienten mit manifester Arthrose nachgewiesen, bei<br />
radiologisch möglichem Nachweis der artikulären Verkalkungen wird von<br />
„Chondrokalzinose“ gesprochen. Die pathogenetische Bedeutung für die<br />
Entstehung einer Arthrose ist jedoch zweifelhaft (62; 22; 43).<br />
In dem hier untersuchten Patienten- und Untersuchungsgut waren keine<br />
derartigen Veränderungen an den femoralen oder acetabulären<br />
Gelenkflächen nachzuweisen.<br />
Komiya et al. (39) postulierten eine erhöhte Aktivität „knochenresorbierender<br />
Faktoren“ wie proteolytische Enzyme und Zytokine. So wurden erhöhte<br />
Spiegel von Prostaglandin E2, Interleukin-1ß, MMP-2 und MMP-3 in der<br />
Gelenkflüssigkeit bestimmt. Es war jedoch keine Korrelation zwischen der<br />
Konzentration der enzymatischen Aktivität knochenresorbierender Faktoren<br />
und dem Ausmass der Gelenkdestruktion nachzuweisen. Eine Rolle spielt<br />
hier die Anwesenheit des Metalloproteinasen-Inhibitors TIMP, der in Fällen<br />
mit ausgeprägter Gelenkdestruktion in hoher Konzentration vorliegt (37; 58).<br />
Da Mitrovic (61) ischämische Knochennekrosen in Hüftköpfen von Patienten<br />
mit RDC nachgewiesen hat, nimmt Mohr (62) an, dass die erhöhte Aktivität<br />
„knochenresorbierender Faktoren“ in der Synovia nicht Ursache, sondern<br />
Folge des Knochenuntergangs sei. In der Studie von Mitrovic (61) waren<br />
ischämische Knochennekrosen konstant im subchondralen Knochen des<br />
Femurkopfes nachweisbar, bei 5 von 9 Fällen war die Hälfte des oberen<br />
Femurkopfanteiles betroffen.<br />
Auch Laroche et al. (42) diskutieren die mögliche Rolle einer ischämischen<br />
Hüfterkrankung für die Entstehung einer rapide destruierenden Coxarthrose<br />
anhand eines Fallberichtes. Einen Nachweis dieser Hypothese können die<br />
Autoren jedoch nicht führen.
57<br />
Ryu et al. kommen aufgrund einer retrospektiven kernspintomografischen<br />
Studie bei 18 (von 600) Patienten mit einer ischämischen Nekrose des<br />
gesamten Femurkopfes und einer konsekutiven rapiden Gelenkzerstörung<br />
ebenfalls zu der Vermutung, dass eine ischämische Genese einen Grund für<br />
die Entwicklung einer RDC darstellen könnte, wenn jene den gesamten<br />
Femurkopf betreffe.<br />
Die Bedeutung der Mikrovaskularität für die Pathogenese der rapide<br />
destruierenden Coxarthrose versuchten Yamakawa et al. (95)<br />
herauszuarbeiten. Es wurden 6 Femurköpfe von Patienten mit RDC und 6<br />
Femurköpfe von Patienten mit sekundärer Coxarthrose aufgrund einer<br />
Hüftdysplasie untersucht. Es konnte eine signifikant höhere Gefäßdichte und<br />
Osteoklastenzahl bei den RDC-Hüftköpfen nachgewiesen werden. Die<br />
Autoren interpretieren die nachgewiesene Hypervaskularität als wichtigen<br />
pathogenetischen Faktor bei der Gelenkdestruktion im Rahmen der RDC.<br />
Yamamoto et al. (96; 97) diskutieren die Rolle subchondraler<br />
Insuffizienzfrakturen für die Entwicklung einer rapiden Gelenkdestruktion und<br />
haben in der Region der knöchernen Einbrüche im Knochenmark<br />
histopathologisch granulomatöse Nester mit eingeschlossenem amorphen<br />
Detritus, Knochen- und Knorpelfragmenten sowie Histiozyten und<br />
Riesenzellen nachgewiesen. Dies deckt sich mit der in der vorliegenden<br />
Arbeit nachgewiesenen Struktur der Zysten mit kortikaler Erosion.<br />
Diese fokale Chondro- und Osteometaplasie der Knochenmarkzellen, die als<br />
Inseln von Faserknorpel oder als Areale mit metaplastischer<br />
Knochenneubildung imponieren, hat auch bereits Milgram in einer<br />
morphologischen Studie 1983 beschrieben (60).
58<br />
Die Mitreaktion der Synovialmembran im Rahmen der Osteoarthrose wird in<br />
frühen Stadien durch molekulare Degradationsprodukte des Knorpelabbaus,<br />
später durch komplette Knorpel- und Knochenfragmente initiiert (62; 26; 84).<br />
Die akzeptierten Modelle der Arthroseentstehung sehen den Knorpel als den<br />
Ort der primären Läsion und Veränderungen der Synovialmembran als Folge<br />
der Knorpeldegeneration (71; 62; 4).<br />
Bei einigen Formen der Osteoarthrose-assoziierten Synovialitis scheint<br />
jedoch eine Kombination von chondralen und synovialen Veränderungen<br />
pathogenetisch bedeutsam zu sein (66; 21; 2; 23).<br />
In der Literatur wird neben der hyperplastischen Synovialitis mit<br />
lymphozytären Infiltraten die Detritusform genannt, die mit<br />
makromolekularem Knorpel- und Knochendetritus durchsetzt ist (62; 26; 6).<br />
Eine differenziertere Unterteilung nimmt Oehler (67) aufgrund seiner<br />
histomorphologischen Untersuchung der arthroseassoziierten Synovialitis vor<br />
und beschreibt vier Varianten:<br />
- eine villös-hyperplastische Form ohne wesentliches zelluläres<br />
entzündliches Infiltrat (Frühstadium)<br />
- eine entzündliche Form mit villöser Hyperplasie und mäßig<br />
-<br />
ausgeprägten lymphozytären Infiltrat mit zahlreichen lymphozytären<br />
Aggregaten<br />
eine Form mit ausgeprägter Kapselfibrose<br />
- eine Detritusform mit makromolekularem Knorpel- und<br />
Knochendetritus .<br />
In der vorliegenden Arbeit konnte dargelegt werden, dass die Synovialitis bei<br />
der hypertroph sklerosierenden Coxarthrose durch eine ausgeprägte<br />
Kapselfibrose geprägt ist. Es findet sich nur eine geringe Proliferation der<br />
Deckzellschicht mit nur vereinzelt nachweisbaren Entzündungsinfiltraten.
59<br />
Die Synovialitis bei der rapide destruierenden Coxarthrose zeigt dagegen<br />
Elemente aus der Detritusform mit inkorporierten Knorpel- und<br />
Knochenfragmenten sowie aus der entzündlichen Variante mit villöser<br />
Hyperplasie, lymphoplasmazellulären Aggregaten und fokalen histiozytären<br />
Ansammlungen.<br />
Die Progredienz der Gelenkdestruktion scheint bei der rapide destruierenden<br />
Coxarthrose wesentlich von der ausgeprägten synovialen Reaktion mit<br />
unterhalten zu werden. Die von den aktivierten Synoviozyten in die<br />
Synovialflüssigkeit sekretierten knorpeldegradierenden Proteasen,<br />
insbesondere MMP-1, MMP-3 und MMP-13 haben wie die katabole<br />
Stimulierung der Knorpelzellen durch Zytokine wie Interleukin-1 und -6 sowie<br />
Tumornekrosefaktor TNF-alpha eine wichtige Rolle bei der rapiden<br />
Knorpeldegradation (23).
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6. Abkürzungen<br />
BSG Blutkörperchen-Senkungs-Geschwindigkeit<br />
68<br />
COMP Cartilage Oligomeric Matrix Protein<br />
CRP C-reaktives Protein<br />
CTX-I C-terminales Crosslink-Telopeptid des Kollagen Typ I<br />
CTX-II C-terminales Crosslink-Telopeptid des Kollagen Typ II<br />
EDTA Ethylendiamintetraessigsäure<br />
ELISA Enzyme Linked Immunosorbent Assay<br />
HE Hämatoxylin-Eosin<br />
HSC Hypertroph sklerosierende Coxarthrose<br />
MMP Matrix-Metalloproteinase<br />
PBS Phosphat-gepufferte Saline<br />
PFA Paraformaldehyd<br />
RDC Rapide destruierende Coxarthrose<br />
TBS Trisphosphat gepufferte Saline<br />
TIMP-1 Tissue inhibitor of metalloproteinase 1
69<br />
7. Verzeichnis der Veröffentlichungen<br />
Eger W, Söder S, Thomas D, Aigner T, Zeiler G. Joint Degradation in rapidly<br />
destructive and hypertrophic Osteoarthritis of the Hip.<br />
In: Hascall VC, Kuettner KE, Edit. The Many Faces of Osteoarthritis.<br />
Basel, Berlin, Boston: Birkhäuser 2002: 303 ff
8. Danksagung<br />
An erster Stelle danke ich Herrn Prof. Dr. med. Günther Zeiler, ehemaliger<br />
Ärztlicher Direktor des Krankenhauses Rummelsberg und Chefarzt der<br />
Orthopädischen Klinik Wichernhaus für die Überlassung des Themas und<br />
seine Unterstützung und Beratung in allen wichtigen Phasen der Arbeit.<br />
70<br />
Herrn Prof. Dr. med. Thomas Aigner und Herrn Dr.med. Stephan Söder<br />
sowie dem Team des Osteoarthrose-Forschungslabors des Pathologischen<br />
Instituts der <strong>Universität</strong> <strong>Erlangen</strong>-Nürnberg danke ich sehr für ihre<br />
kompetente Einführung und stets bereitwillige Unterstützung bei den<br />
Laborarbeiten. Bei den Herren Prof. Dr. med. Thomas Kirchner und<br />
Prof. Dr. med. Thomas Papadopoulos bedanke ich mich für die Möglichkeit<br />
am Pathologischen Institut arbeiten zu dürfen.<br />
Ganz besonders danke ich meinem ehemaligen Kollegen Herrn Dr. med.<br />
Wolfgang Eger für seine freundschaftliche und fördernde Begleitung des<br />
klinischen Teiles der Arbeit sowie für die anregenden Gespräche im Rahmen<br />
der Auswertung der Ergebnisse und deren Reflexion im Zusammenhang mit<br />
den Fortschritten der Osteoarthrose-Forschung.
9. Lebenslauf<br />
Dietmar Josef T h o m a s<br />
Geburtsdatum 26. April 1961<br />
Geburtsort Langenaltheim<br />
Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen<br />
71<br />
Eltern Frieda und Josef Thomas<br />
Familienstand verheiratet mit Birgit Thomas-Ruppert, Dipl.-Kffr.<br />
Kinder Johannes, Julian und Jeremias Thomas<br />
Bildungsgang Grundschule Langenaltheim 1967 – 1971<br />
Werner-von-Siemens-Gymnasium<br />
Weißenburg i. Bay. 1971 – 1980<br />
Abitur Juni 1980 Werner-von-Siemens-<br />
Gymnasium Weißenburg i.Bay.<br />
Studium Humanmedizin an der <strong>Universität</strong> des Saarlandes<br />
Homburg/Saar 1980 – 1987<br />
Praktisches Jahr Winterbergkliniken Saarbrücken<br />
Approbation am 22.05.1987<br />
Weiterbildung zum Facharzt für Chirurgie 1987 – 1994<br />
Kreiskrankenhaus Weißenburg i.Bay.<br />
Chirurgische Abteilung<br />
Chefarzt Dr.med. P. Ewald<br />
Arzt im Zivildienst<br />
Klinikum Nürnberg Nord<br />
Klinik für Abdominal-, Thorax- u. Endokrine<br />
Chirurgie<br />
Prof. Dr.med. Ch. Gebhardt<br />
Krankenhaus Martha-Maria Nürnberg<br />
Chirurgische Klinik<br />
Prof. Dr.med. H.-H. Gentsch<br />
Anerkennung als Facharzt für Chirurgie am 06.07.1995
Weiterbildung im Schwerpunkt Unfallchirurgie 1994 – 1997<br />
72<br />
Klinikum Neumarkt i.d.OPf.<br />
Abteilung für Unfallchirurgie<br />
Prof. Dr.med. E. Scola<br />
Funktionsoberarzt und<br />
Weiterbildung Orthopädie<br />
Klinikum Staffelstein<br />
Orthopädische Klinik<br />
Prof. Dr.med. H.-R. Casser<br />
Allg. Öff. Krankenhaus der Stadt<br />
Linz/Oberösterreich<br />
Klinik für Unfallchirurgie<br />
Prim. Prof. Dr.med. R. Reschauer<br />
Anerkennung im Schwerpunkt Unfallchirurgie am 14.11.2000<br />
11/1997 – 11/2000 Oberarzt der Chirurgischen Abteilung<br />
Stadtkrankenhaus Treuchtlingen<br />
Chefarzt Dr.med. R. Junghänel<br />
Weiterbildung zum Facharzt für Orthopädie 2000 – 2008<br />
Krankenhaus Rummelsberg/Schwarzenbruck<br />
Orthopädisch-Unfallchirurgische Klinik<br />
Wichernhaus<br />
01.12.00 – 31.03.02<br />
Schwerpunkt Orthopädie der unteren Extremität, Prof. Dr.med. G. Zeiler<br />
01.04.02 – 31.03.03<br />
Schwerpunkt Wirbelsäulenchirurgie, Chefarzt Dr.med. F. Stewen<br />
01.04.03 – 31.03.04<br />
Schwerpunkt Kinderorthopädie, Chefärztin Dr.med. A. Schraml<br />
01.04.04 – 31.01.05<br />
Schwerpunkt Schulterorthopädie, Chefarzt Dr.med. G. Manolikakis<br />
01.02. 05 – 31.03.08<br />
Oberarzt Schwerpunkt Unfallchirurgie , Chefarzt Prof. Dr. med. R. Stangl<br />
Derzeitige Tätigkeit Chefarzt der Abteilung für Chirurgie und<br />
Unfallchirurgie<br />
Gesundheitszentrum Treuchtlingen<br />
Stadtkrankenhaus