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Vertreterversammlung<br />

der KZVN<br />

JUNI 2013<br />

N I E D E R S Ä C H S I S C H E S<br />

ZAHNÄRZ TEBLATT<br />

8<br />

12<br />

16<br />

28<br />

Die Bürgerversicherung<br />

Diagnostik und Therapie<br />

der Periimplantitis<br />

Rauchen kostet Zähne<br />

Parodontaltherapie –<br />

ein Update


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KZBV-KOSTENSTRUKTURERHEBUNG 2012<br />

!<br />

UNTERSTÜTZUNG DURCH DIE<br />

ZAHNARZTPRAXEN NÖTIG<br />

O<br />

hne solide Datengrundlage sind<br />

sie heute kaum noch denkbar:<br />

die Verankerung berufspolitischer<br />

Forderungen der Zahnärzteschaft<br />

in der Politik und die Gestaltung positiver<br />

Rahmenbedingungen für die zahnärztliche<br />

Berufsausübung. Auch für das Jahr 2012 führt<br />

die KZBV deshalb eine bundesweite Kostenstrukturerhebung<br />

in den Zahnarztpraxen durch,<br />

um zuverlässige Aussagen über die wirtschaftliche<br />

Entwicklung im Berufsstand treffen zu<br />

können.<br />

Ab Juni werden die Fragebögen für die Erhebung<br />

der notwendigen Daten von der KZVN an die<br />

niedersächsischen Zahnarztpraxen verschickt.<br />

Natürlich ist die Teilnahme freiwillig. Die KZBV<br />

ist aber auf die Mitarbeit der Praxen angewiesen.<br />

Nur ein breiter Rücklauf an Fragebögen sichert<br />

eine solide und aussagefähige Datenbasis. Der<br />

Vorstand der KZBV bittet daher alle angeschriebenen<br />

Praxen, den Fragebogen auszufüllen<br />

und an die KZBV zurückzusenden. Namen<br />

und Anschriften werden nicht gespeichert, die<br />

Rücksendung der Bögen erfolgt ohne Absenderangabe.<br />

Die Einzeldaten bleiben anonym<br />

und werden garantiert entsprechend den datenschutzrechtlichen<br />

Bestimmungen verarbeitet.<br />

Ein umfassender Rücklauf ist wichtig, damit<br />

aktuelle, valide Daten zur Struktur und Entwicklung<br />

der Kosten in den Praxen generiert werden<br />

können. Die Kostenstrukturerhebung liefert<br />

wichtige Informationen, zum Beispiel auch für<br />

die Gestaltung der Verträge mit den Krankenkassen<br />

auf KZV-Ebene. Die Teilnahme daran<br />

dient also letztlich jedem einzelnen Zahnarzt.<br />

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ZEIT IST GELD – ODER:<br />

WESHALB DIE BEARBEITUNG EINES<br />

FRAGEBOGENS SINN MACHEN KANN...<br />

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Die Sommerferien stehen vor der Tür. Nicht nur Ihre Patientinnen und Patienten<br />

wollen vor dem Start in den wohlverdienten Urlaub die letzten Füllungen gelegt<br />

und den Zahnersatz optimal angepasst haben. Die Abrechnung muss ebenfalls<br />

noch rechtzeitig bei der KZVN (online) eingereicht werden. Die Zeit ist wie immer<br />

knapp. Und dann flattert noch der Fragebogen „Erhebung der Praxiskosten 2012“<br />

von der KZBV ins Haus. Zwei Seiten wollen und sollen beantwortet werden...<br />

Liebe Kolleginnen und Kollegen,<br />

das Vertragsgeschäft mit den Krankenkassen ist immer wieder eine „Herausforderung“.<br />

Langwierige und kontrovers geführte Gespräche kennzeichnen die Verhandlungen.<br />

Wie hilfreich ist es dann, wenn man als Vertreter der niedersächsischen<br />

Vertragszahnärzteschaft mit belastbaren Daten in den Verhandlungsmarathon gehen<br />

kann, wenn anstelle „gefühlter“ Kostensteigerungen in den Praxen die tatsächliche<br />

Kostenentwicklung anhand breit ermittelter Daten gegenüber den Verhandlungspartnern<br />

belegt werden kann – besonders vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber<br />

gerade die strikte Anbindung der Vergütungsanpassung an die Grundlohnsummensteigerung<br />

abgeschafft hat.<br />

Helfen Sie mit, die Verhandlungsposition der (niedersächsischen) Vertragszahnärzteschaft<br />

zu stärken. Nehmen Sie sich die Zeit, die Fragen zu beantworten – denn Zeit<br />

ist (Ihr) Geld.<br />

Ihr<br />

Dr. Thomas Nels<br />

Stellvertretender Vorsitzender der KZVN<br />

P.S.: Die Anonymität der im Rahmen der Kostenstrukturerhebung der KZBV<br />

erhobenen Daten ist gesichert. Die Verwendung der regionalen bzw. bundesweiten<br />

Ergebnisse erfolgt ausschließlich für die dafür vorgesehenen Zwecke.<br />

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Es müssen doch<br />

alle zahlen<br />

Seit vielen Monaten predigen vor allem die<br />

Oppositionsparteien den Menschen, sie sollten<br />

sich die herrschende Ungerechtigkeit im Lande zu Herzen<br />

nehmen. Deshalb müsse ein Umverteilungsprozess eingeleitet<br />

werden. Es wird definiert, wer reich ist und eilig hinzugefügt,<br />

dass von den Steuererhöhungsplänen 90 % der<br />

Steuerbürger gar nicht betroffen seien. Hier gilt wie bei Versicherungsverträgen:<br />

Die Tücken verbergen sich im Kleingedruckten.<br />

So verhält es sich auch mit Wahlprogrammen,<br />

insbesondere der Oppositionsparteien, wobei die Größte<br />

zurzeit anhand von Meinungsumfragen noch auslotet,<br />

welche politischen Aussagen das Wählerverhalten möglicherweise<br />

negativ beeinflussen könnten.<br />

Beim Blick ins Kleingedruckte geht es letztlich nicht darum,<br />

ob 49 oder 60 Euro monatliche Mehrbelastung erheblich<br />

sind oder nicht. Neben der Einführung einer Bürgerkrankenversicherung<br />

stehen auch eine Bürgerpflege- und Bürgerrentenversicherung<br />

im Programm. Im Zuge dieser Umgestaltung<br />

soll die Beitragsbemessungsgrenze entfallen und<br />

die Versicherungspflichtgrenzbeträge massiv angehoben<br />

werden, mit der Folge, dass alle, die die bisherige Grenze<br />

überschreiten, zusätzlich zur Kasse gebeten werden.<br />

Es träfe entgegen der Beteuerung auch nicht nur wenige<br />

„Reiche“, sondern neben der „Mitte“, deren Versicherungsbeiträge<br />

und Steuern stiegen, auch die Geringverdiener.<br />

Sie werden vom grünen Steuerkonzept nicht verschont;<br />

denn beispielsweise soll auch der ermäßigte Mehrwertsteuersatz<br />

bei vielen Produkten von 7 auf volle 19 Prozent<br />

steigen. Durch eine geplante Umweltabgabe sollen Flugreisen<br />

teurer und nun sogar Handys mit einem Pfand belegt<br />

werden. Die Mieten würden steigen, weil die Grundsteuer<br />

nach den Plänen auf Basis des aktuellen Marktwerts berechnet<br />

werden soll. Gerade in Ballungszentren liegt dieser<br />

aber weit über dem aktuell herangezogenen Einheitswert.<br />

Deshalb ist davon auszugehen, dass Vermieter diese<br />

Kostenerhöhung auf die Nebenkosten abwälzen würden.<br />

Finanzexperten gehen davon aus, dass diese Pläne den<br />

Steuerzahler knapp 40 Milliarden Euro kosten. Diese Summe,<br />

soviel ist klar, würden eben nicht nur die vermeintlich<br />

„Reichen“ tragen.<br />

Im Gefolge dieser Reformideen soll der gemeinsame<br />

Bundesausschuss (GBA) von der Selbstverwaltung de facto<br />

politisch „bereinigt“ werden, weil das Parlament in Zukunft<br />

dessen Mitglieder nach politischem Proporz benennen<br />

und damit einsetzen soll. Die Politik verschaffte sich damit<br />

aus ihrer Sicht einen vom Gesamtkonzept her logischen<br />

Totalzugriff auf die Bürgerkrankenversicherung.<br />

Die Selbstverwaltung, dazu gehören neben KVen und<br />

KZVen auch die Krankenkassen, fungiert in Zukunft als<br />

politisch gesteuerter Kulissenschieber.<br />

Wer weiter hinterfragt, bekommt zu hören, man wolle natürlich<br />

keine neuen Schulden machen, weil die Deutschen<br />

das grundsätzlich als falsch empfinden. Nur ohne diese<br />

Steuererhöhungen, wird argumentiert, könne man die<br />

wichtigen Bereiche von Bildung, Kinderbetreuung, Straßenbau<br />

und Anhebung von Hartz –IV-Sätzen nicht finanziell<br />

großzügiger ausstatten. Abgerundet wird diese Argumentation<br />

mit der Aussage: Wir sagen das dem Bürger schon vor<br />

den Wahlen.<br />

Wir sollen wirklich glauben, dass es nach der Bundestagswahl<br />

dann die erste Regierung seit Gründung der Bundesrepublik<br />

geben wird, die diese Umverteilung nicht dazu nutzt,<br />

neue Schulden zu machen und eine politisch verkündete<br />

Zweckbindung von Steuern anstatt nach der Wahl zum<br />

Sanieren des Bundeshaushalts zu verwenden? Daran<br />

sollten selbst die gutgläubigsten Wähler zweifeln.<br />

Der Rattenfänger von Hameln war vor dem Hintergrund<br />

dieser Pläne ein Amateur. <br />

— Dr. Jobst-W. Carl<br />

Vorsitzender des Vorstands der<br />

Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen<br />

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Foto: NZB-Archiv<br />

1<br />

E D I T O R I A L


I M P R E S S U M<br />

NIEDERSÄCHSISCHES ZAHNÄRZTEBLATT – 48. Jahrgang<br />

Monatszeitschrift niedersächsischer Zahnärztinnen und Zahnärzte mit<br />

amtlichen Mitteilungen der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen<br />

(KZVN), erscheint elfmal jährlich, jeweils zum 15. eines jeden Monats.<br />

HERAUSGEBER<br />

Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen<br />

Zeißstraße 11, 30519 Hannover;<br />

Postfach 81 03 64, 30503 Hannover;<br />

Tel.: 0511 8405-0, Internet: www.kzvn.de<br />

REDAKTIONSBÜRO<br />

Niedersächsisches Zahnärzteblatt (NZB),<br />

c/o KZVN, Heike Philipp, Zeißstraße 11, 30519 Hannover;<br />

Tel.: 0511 8405-207; Fax: 0511 8405-262;<br />

E-Mail: nzb-redaktion@kzvn.de<br />

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Barbara Podgorski, Tel.: 0511 8405-135<br />

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Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen,<br />

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Viola Soltysiak, Tel.: 0511 8405-268<br />

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Mit Verfassernamen gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die<br />

Meinung der Redaktion wieder. Produktinformationen werden nach bestem<br />

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Kürzungen vor. – Das Editorial wird von den Autoren in Eigenverantwortung<br />

verfasst und unterliegt nicht der presserechtlichen Verantwortung der<br />

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Der Bezugspreis für Mitglieder ist durch den Beitrag abgegolten.<br />

Nichtmitglieder der Körperschaften erhalten das Jahresabonnement zu<br />

39,60 EUR, Einzelheft 3,30 EUR, inklusive Versandkosten. ISSN 1863-3145<br />

2 I M P R E S S U M | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

ANSCHRIFT<br />

Niedersächsisches Zahnärzteblatt (NZB),<br />

c/o KZVN, Heike Philipp,<br />

Zeißstraße 11,<br />

30519 Hannover<br />

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nzb-redaktion@kzvn.de<br />

TELEFON<br />

0511 8405-207<br />

Verspätet eingegangene Manuskripte können nicht<br />

berücksichtigt werden.<br />

REDAKTIONSSCHLUSS<br />

Heft 09/13: 12. August 2013<br />

Heft 10/13: 12. September 2013<br />

Heft 11/13: 14. Oktober 2013<br />

4<br />

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EDITORIAL<br />

1 Dr. Jobst-W. Carl:<br />

Es müssen doch alle zahlen<br />

POLITISCHES<br />

4 Vertreterversammlung der KZVN<br />

Prof. Dr. Jur. Kai Bussmann als Gastredner<br />

8 Die Bürgerversicherung<br />

Problemlösung oder Problemfall –<br />

eine kritische Betrachtung<br />

FACHLICHES<br />

12 Diagnostik und Therapie<br />

der Periimplantitis<br />

16 Rauchen kostet Zähne<br />

Tabakentwöhnung in der<br />

zahnärztlichen Praxis<br />

21 Aspekte der Implantologie<br />

bei Parodontitispatienten<br />

12<br />

4<br />

8<br />

28 Parodontaltherapie – ein Update<br />

38 „Ärztlicher Leitfaden Kinderschutz“<br />

Vorstellung des digitalen Leitfadens<br />

38 Gewaltopfern flächendeckend helfen<br />

Verfahrensunabhängige<br />

Beweissicherung für Betroffene von<br />

häuslicher oder sexueller Gewalt<br />

41 Rechtstipp: Dank und gute Wünsche<br />

in Arbeitszeugnissen<br />

42 „Es ist hilfreich und inspirierend,<br />

sich mit anderen Zahnärztinnen<br />

auszutauschen“<br />

ladies dental talk nun auch in<br />

Niedersachsen: am 21. Juni in<br />

Oldenburg<br />

45 Minijobs Aktuell<br />

Angehörige, Mutterschutz/Elternzeit,<br />

Zuschüsse<br />

47 Aktuelles aus der Rechtsprechung<br />

– Aktuelle Urteile aus dem Sozialrecht<br />

– Aktuelle Urteile aus dem Steuerrecht<br />

28<br />

42<br />

PERSÖNLICHES<br />

48 Jürgen Stern zum 70. herzlichen<br />

Glückwunsch!<br />

48 Dienstjubiläen in der KZVN<br />

49 Am 13. Juni feierte Kollege Karstens<br />

aus Verden seinen 65. Geburtstag<br />

KZVN<br />

49 Neuzulassungen<br />

50 Niederlassungshinweise<br />

52 Beschlüsse anlässlich der<br />

ordentlichen Sitzung der<br />

Vertreterversammlung der<br />

Kassenzahnärztlichen Vereinigung<br />

Niedersachsen am 25.05.2013<br />

KLEINANZEIGEN<br />

56 Kleinanzeigen<br />

© Fotos Titel/Inhaltsverzeichnis: NZB-Archiv; © beermedia/Fotolia.com; © Prof. Dr. Dr. Bernd W. Sigusch; © Murat Subatli/Fotolia.com; © Dr. Dirk Vasel; © ldt; © Gerhard Seybert/Fotolia.com<br />

45<br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | I N H A L T<br />

3<br />

E D I T O R I A L<br />

I N H A LT<br />

P O L I T I S C H E S<br />

F A C H L I C H E S<br />

I N T E R E S S A N T E S<br />

T E R M I N L I C H E S<br />

P E R S Ö N L I C H E S<br />

K Z V N<br />

K L E I N A N Z E I G E N


Fotos: NZB-Archiv<br />

Vertreterversammlung<br />

der KZVN<br />

PROF. DR. JUR. KAI BUSSMANN ALS GASTREDNER<br />

Alle 50 gewählten Vertreter der Vertreterversammlung (VV)<br />

der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen<br />

(KZVN) waren am 25. 05. 2013 zur ordentlichen Sitzung<br />

der VV nach Hannover gekommen.<br />

Unter der Leitung des Vorsitzenden der VV, Dr. Joachim<br />

Wömpner, konnten die Mitglieder der beiden in der VV<br />

vertretenen Fraktionen bis zum Nachmittag nahezu alle<br />

auf der Tagesordnung vorgesehenen Punkte in sachlicher<br />

Atmosphäre diskutieren und abarbeiten. Lediglich bei der<br />

unter TOP 8 vorgesehene Änderung der Wahlordnung der<br />

KZVN sah die Fraktion des FVDZ, vertreten durch ihren Fraktionsführer,<br />

Dr. Julius Beischer, trotz der vorangegangenen<br />

Gespräche in einer Arbeitsgruppe weiteren Diskussionsbedarf.<br />

Da keine Eilbedürftigkeit für einen Änderungsbeschluss<br />

vorliegt, verständigten sich beide Fraktionen über die Verschiebung<br />

der Abstimmung auf einen späteren Zeitpunkt.<br />

Bericht des Vorstandes und der ständigen Ausschüsse<br />

Der Vorsitzende des Vorstandes der KZVN, Dr. Jobst-W. Carl,<br />

nahm in seinem Bericht Stellung zu gesundheitspolitischen<br />

Fragen. In seinen Ausführungen beklagte er die zum Standard<br />

gewordenen Pressekampagnen gegen Ärzte und<br />

Zahnärzte, in denen diverse „mit dem Mäntelchen einer<br />

angeblichen Unabhängigkeit“ versehenen Institutionen ihre<br />

„Schreckensmeldungen“ in Form von Studien verbreiten<br />

würden. Als jüngstes Beispiel nannte er den Barmer GEK-<br />

Report, bei dem die Zahnärzte weniger Sorgen vor den<br />

Zahlen selbst, als vor dem<br />

haben würden, was die<br />

Kassenspitze daraus machen<br />

würde. In ihrer Jahresstatistik<br />

2011 zur „Behandlungsfehler-<br />

Begutachtung“ des Medizinischen<br />

Dienstes komme der<br />

MDK-Bundesverband „mit<br />

höchst eindrucksvollen Zahlen“<br />

beispielsweise zu dem<br />

Ergebnis, dass es 156 zahn-<br />

Dr. Jobst-W. Carl,<br />

Vorsitzender des<br />

Vorstandes der KZVN.<br />

ärztliche Behandlungsfehler<br />

bei 7,5 Mio. Wurzelbehandlungen<br />

gegeben habe. Kri-<br />

4 P O L I T I S C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

Obere Reihe: v. l. n. r. : Dr. Helmut Peters, stellv. Vors. der VV,<br />

Dr. Joachim Wömpner, Vors. der VV, Dr. Henning Otte, stellv. Vors.<br />

der VV, Hans-Kraft Rodenhausen, Justitiar der KZVN. Untere Reihe:<br />

Dr. Michael Hinz, Leiter der Verwaltung, Christian Neubarth, Mitglied<br />

im Vorstand, Dr. Jobst-W. Carl, Vorsitzender des Vorstandes<br />

und Dr. Thomas Nels, stellv. Vorsitzender des Vorstandes der KZVN.<br />

tisch beleuchtete Dr. Carl auch die „Bertelsmannstiftung“,<br />

die vorgebe, unabhängig zu sein und bei der Deutschlands<br />

namhafteste Politiker aller Parteien ein und aus gingen.<br />

Aber auch aus den Reihen der Zahntechniker müsse man<br />

Angriffe zur Kenntnis nehmen, die darauf abzielten, die<br />

Zahnärzteschaft in die Nähe korruptiven Verhaltens zu<br />

bringen. In Wirklichkeit richten sich die Anwürfe gegen die<br />

Praxislabore. In der Diskussion schilderten einige Delegierte<br />

ihre eigenen Erfahrungen mit gewerblichen Laboratorien.<br />

Die VV sah das Verhalten der VDZI-Repräsentanten als so<br />

schwerwiegend an, dass sie sich in einem eigenen Antrag<br />

gegen die einen Korruptionsverdacht unterstellenden Verlautbarungen<br />

des Präsidenten des Verbandes der Deutschen<br />

Zahntechniker-Innungen (VDZI) aussprach.<br />

All das Treiben habe dazu geführt, so Carl, dass sich das<br />

Gesundheitsministerium „weil Wahlen vor der Tür stehen“<br />

jetzt genötigt sehe, „dazu einen Gesetzentwurf ins Parlament<br />

einzubringen, um dem angeblichen oder tatsächlichen<br />

Treiben ein strafbewehrtes Ende zu machen“.<br />

Generalverdächtigung: Korruption im Gesundheitswesen<br />

Beispielhaft führte der KZVN-Vorsitzende das Verhalten des<br />

Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenkassen an,


der auf seiner Internetseite ein Formular anbiete, mit dem<br />

Patienten anonym auf Fehlverhalten von Ärzten hinweisen<br />

können. Bezeichnenderweise sei dabei die Rede von<br />

„Tatort“, „Tatverdächtiger“ und „Tatzeit“. „Im Zusammenhang<br />

mit dem geplanten Anti-Korruptionsgesetz, so scheint es,<br />

fahren Kassen, Verbraucherverbände und Politik alle Generalverdächtigungen<br />

gegen Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser,<br />

Pflegeeinrichtungen und das medizinische und pflegerische<br />

Personal wieder hoch“, ergänzte Dr. Carl. Einen passenden<br />

Beitrag zu der Problematik leistete im Anschluss Prof. Dr.<br />

Kai Bussmann mit seinem Vortrag „Zuweisungen gegen<br />

Entgelt im Gesundheitswesen“, an den sich eine angeregte<br />

Diskussion anschloss.<br />

„Bürgerversicherung“ als Kostentreiber<br />

Nach der Bundestagswahl, so Carl weiter, werde möglicherweise<br />

eine „radikale Weichenstellung“ erfolgen, da einige<br />

Parteien eine „Bürgerversicherung“ einführen wollten. Carl<br />

berichtete davon, dass die Arbeitsgemeinschaft AG KZVen<br />

in einem gemeinsam erarbeiteten Papier die „Bürgerversicherung“<br />

auf den Prüfstand gestellt habe. Im Ergebnis sei<br />

damit zu rechnen, dass die Gesundheitsversorgung dadurch<br />

weder gerechter, noch besser und schon gar nicht preisgünstiger<br />

sein werde. Vielmehr werde mit einer Erhöhung<br />

der Steuerzuschüsse zu rechnen sein, und; „Je höher die<br />

Steuerzuschüsse, desto höher die politische Einflussnahme<br />

auf das Gesundheitswesen“ mahnte Carl. Das perfide an<br />

dem Programm sei, dass nicht klar erkennbar werde, welche<br />

direkten und indirekten steuer- und beitragsbelastenden<br />

Auswirkungen es haben werde und konzeptionell auch<br />

haben müsse.<br />

Solides Zahlenmaterial unerlässlich<br />

Als Quintessenz, nicht zuletzt aufgrund der Erfahrungen<br />

mit dem „Zahnreport“ gelte es für die Zahnärzteschaft,<br />

selbst möglichst detaillierte eigene wissenschaftlich<br />

korrekte Zahlen zur Versorgungssituation zu haben: „Wer<br />

Zahlen hat, hat Argumente. Wer gute Zahlen hat, hat<br />

bessere Argumente. Und wer mit nicht so guten Zahlen<br />

nicht ganz saubere Zahlenspiele macht, wird in Zukunft<br />

schlechte Karten haben“, lautete das Fazit. Insofern werde<br />

sich bei der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung<br />

(KZBV) zukünftig ein Datenkoordinierungsausschuss um<br />

diese Fragen kümmern.<br />

Die KZBV habe in diesem Jahr ihr Programm mit der „Agenda<br />

Mundgesundheit“ weiter entwickelt und den Focus noch<br />

stärker auf Präventionsorientierung, Patientenberatung und<br />

die Weiterentwicklung der Alters- und Behindertenzahnheilkunde<br />

gerichtet. Mit der Wegegeldregelung im „Pflegeneuausrichtungsgesetz“<br />

sei ab dem 01.04.13 ein erster,<br />

wenn auch nur sehr bescheidener Schritt gemacht worden.<br />

Die „Agenda Mundgesundheit“ werde, so kündigte Dr. Carl<br />

an, Mitte Juni an alle Zahnärzte im Bundesgebiet verschickt<br />

werden.<br />

In seiner Schlussbemerkung ging Carl kurz auf die Abweisung<br />

der GOZ-Klage vor dem Bundesverfassungsgericht ein.<br />

Ganz offensichtlich habe sich das sog. Gemeinwohlprinzip<br />

über die Sachargumente von nunmehr seit 1989 nicht<br />

erhöhten Gebühren ( 24 Nullrunden) in den Köpfen der<br />

Richter durchgesetzt, was, so bemerkte Dr. Carl abschließend,<br />

den Richterbund in NRW nicht daran gehindert habe,<br />

für Gehaltserhöhungen zu demonstrieren, weil die Landesregierung<br />

ihnen zwei Nullrunden verordnen möchte.<br />

Mit der Darstellung der extrem komplexen Verhandlungswelt<br />

zwischen den Krankenkassen und der KZVN und deren<br />

Auswirkungen, die in weiten Teilen selbst den Delegierten<br />

der VV verschlossen geblieben<br />

sein dürfte, beschäftigte sich<br />

der stellvertretende Vorsitzende<br />

der KZVN, Dr. Thomas Nels. Er<br />

berichtete über den Stand der<br />

laufenden Verhandlungen,<br />

über „Nivellierungen“ und<br />

„Reduzierung von Degressionsverlusten“,<br />

über die<br />

berechtigterweise geforderten<br />

„Zuschlagsforderungen“ auf-<br />

Dr. Thomas Nels, stellvertretender<br />

Vorsitzender des<br />

Vorstandes der KZVN.<br />

grund der drastisch gestiegenen<br />

Hygienekosten in den<br />

Praxen. Nels gab einen <br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />

5<br />

P O L I T I S C H E S


Einblick in das Verhandlungsgeschäft und seine Besonderheiten,<br />

bei denen man auch zu Kompromissen bereit sein<br />

müsse. Natürlich nahm auch die Problematik um den<br />

Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Niedersachsen<br />

(MDK) einen gebührenden Raum ein, ohne dass an dieser<br />

Stelle auf Detailerörterungen eingegangen werden soll.<br />

Insgesamt – und das spricht für ein besonderes Vertrauensverhältnis,<br />

das der Referent gegenüber der Opposition in<br />

der VV entwickelt hat – war das Gremium mit den Ergebnissen<br />

der Arbeit des stellvertretenden KZVN-Vorsitzenden,<br />

dessen teilweise ironischer Unterton wieder gefallen konnte,<br />

sehr zufrieden.<br />

Bericht von der „Stelle zur Bekämpfung von<br />

Fehlverhalten im Gesundheitswesen“<br />

Als drittes Mitglied im Vorstand der KZVN berichtete Christian<br />

Neubarth aus seinem Arbeitsschwerpunkt. Im Jahr 2012<br />

habe es insgesamt 20 Vorgänge gegeben (2013 bisher 6),<br />

von denen 15 bereits abgeschlossen seien. Hinweise gab<br />

es durch Krankenkassen, Patienten, Polizei, von Zahnärzten<br />

und auch anonym. Dabei sei es In 18 Fällen um Abrechnungsbetrug<br />

gegangen und in 2 Fällen um das Arbeiten<br />

ohne Genehmigung für Zweitpraxen. In einem Fall sei es<br />

zur Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft gekommen,<br />

berichtete Neubarth. Vor dem Disziplinarausschuss der<br />

KZVN seien 2012 fünf Fälle verhandelt worden, bei denen<br />

es um KIG-Einstufungen, Abrechnung ohne Genehmigung,<br />

eine Patientenbeschwerde und um nicht geleistete Notdienstbereitschaft<br />

gegangen<br />

sei. Fazit: Der Disziplinarausschuss<br />

habe die Fälle der<br />

letzten Jahre effektiv erledigt,<br />

und die Akzeptanz der meisten<br />

Geldstrafen in den letzten<br />

Jahren spreche auch für die<br />

Ausgewogenheit bei der Verhandlungsführung<br />

unter dem<br />

Ausschuss-Vorsitzenden Dr.<br />

Karl-Heinz Dreiocker, ehemals<br />

Christian Neubarth, Mitglied<br />

im Vorstand der KZVN.<br />

Präsident des Verwaltungsgerichtes<br />

Hannover.<br />

Bericht aus den ständigen Ausschüssen<br />

Aus dem Finanzausschuss berichtete als dessen Vorsitzender<br />

D.M.D. Henner Bunke. Bewusst und planmäßig sei zum<br />

Jahresabschluss 2012 das Vermögen der KZVN weiter<br />

zurückgeführt worden. Zum Abbau sei auch die Bonus-<br />

Gewährung mit rund 889.000 € genutzt worden, die die<br />

KZVN für die Kollegenschaft bei der Umstellung auf die<br />

online-Abrechnung eingeführt habe. Die Ausgaben für<br />

Rechtskosten seien mit 60.000 € auf einem Niedrigstniveau<br />

angelangt, nachdem sie früher schon einmal eine<br />

6 P O L I T I S C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

D.M.D. Henner Bunke (l) und Dr. Bodo Heckroth.<br />

Million € betragen hätten.<br />

Bunke stellte entsprechende<br />

Grafiken vor, auf denen die<br />

Auswirkungen der Umstellung,<br />

die Ertrags- und Vermögensentwicklung<br />

und schließlich<br />

die Erfolgsrechnung dargestellt<br />

wurden.<br />

Dr. Wolfhard Ross gab einen<br />

Einblick in die Arbeit des<br />

Vertragsausschusses, der unter<br />

Dr. Wolfhard Ross. seinem Vorsitz tagte, und Dr.<br />

Bodo Heckroth, Vorsitzender<br />

des Satzungsausschusses der KZVN, berichtete über die<br />

angestrebten Satzungsänderungen zum Wahlprocedere.<br />

Nachdem Dr. Beischer für seine FVDZ-Fraktion erkennen<br />

ließ, diesen heute nicht zustimmen zu können, regte<br />

Dr. Heckroth die Schaffung eines neuen gemeinsamen<br />

Arbeitsgremiums zum Thema mit anschließender Wiedervorlage<br />

an, da man nicht unter akutem Zeitdruck stehe.<br />

Einigkeit bei Resolution und Beschlüssen<br />

In der einstimmig gefassten Resolution verurteilt die VV der<br />

KZVN Versuche, die Bevölkerung bezüglich der Wirksamkeit<br />

zahnärztlicher Leistungen zu verunsichern, wie dies beispielsweise<br />

durch den IGel-Monitor des Medizinischen Dienstes<br />

des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS)<br />

zur Professionellen Zahnreinigung (PZR); http://www.mdsev.org/<br />

print/4008.htm geschehen sei.<br />

Im Einzelnen galten die Beschlüsse…<br />

der Ablehnung der Abschaffung des bewährten dualen<br />

Krankenversicherungssystems zugunsten einer Bürgerversicherung,<br />

der Zurückweisung der durch Medien und Politik erhobenen<br />

Korruptionsverdächtigungen gegenüber Ärzten<br />

und Zahnärzten und insbesondere auch der Korruptionsvermutungen<br />

des VDZI gegenüber der Zahnärzteschaft.,


der Ablehnung der elektronischen Gesundheitskarte mit<br />

Online-Anbindung und verpflichtendem VSDM und die<br />

möglichen Auswirkungen auf die weitere Mitarbeit der<br />

KZBV in der gematik.<br />

dem Erhalt der im Zahnheilkundegesetz festgeschriebenen<br />

zahnmedizinischen Kompetenzen und Ablehnung<br />

einer Substitution zahnärztlicher Leistungen,<br />

der Gewährung eines angemessenen Hygienezuschlages,<br />

der unzureichenden Honorierung bei der aufsuchenden<br />

Betreuung immobiler und pflegebedürftiger Patienten,<br />

den Verteilungspunktwerten und der Berücksichtigung<br />

der Punktmengen aus 2012 zur Ausgangsbasis der<br />

Verhandlungen für 2013.<br />

der Aufforderung an den Vorstand der KZVN durch<br />

die VV, den eingeschlagenen Weg zur umfänglichen<br />

Rückkehr zur vertragszahnärztlichen Begutachtung<br />

gemäß der Vertragslage fortzuführen..<br />

Den genauen Wortlaut aller Beschlüsse können Sie ab S. 52<br />

in diesem NZB nachlesen.<br />

Wahlen: Vertreter und Stellvertreter im Zulassungsund<br />

im Berufungsausschuss Nds. Vom 01.01.2014 bis<br />

31.12.2017<br />

In einzelnen und geheimen Wahlgängen wurden als<br />

Vertreter im Zulassungsausschuss Dr. Klaus Senge, Dr. Dr.<br />

Hans-Joachim Becker und Dr. Wolfhard Ross und als deren<br />

Vertreter Dr. Axel Wiesner, Dr. Helmut Peters und Dr. Tilli<br />

Hanßen gewählt.<br />

Als Vertreter In den Berufungsausschuss wurden Prof. Dr. Dr.<br />

Gerd Gehrke, Dr. Joachim Wömpner und Dr. Klaus Winter<br />

und zu deren Stellvertretern Hanna Baeßmann-Bischoff,<br />

Dr. Bodo Heckroth und Dr. Henning Otte gewählt.<br />

Gastvortrag Prof. Dr. jur. Kai Bussmann:<br />

„Zuweisung gegen Entgelt im Gesundheitswesen“<br />

Prof. Bussmann ist Lehrstuhlinhaber für Strafrecht und<br />

Kriminologie an der Juristischen und Wirtschaftswissenschaftlichen<br />

Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-<br />

Wittenberg. Er ist ausgewiesener Kenner der Facetten der<br />

Korruption, und sein Rat ist nicht nur im Bereich der Medizin,<br />

sondern insbesondere bei der Wirtschaft und in der<br />

Politik gefragt. http://bussmann.jura.uni-halle.de/bussmann/<br />

Prof. Bussmann stellte in seinem Vortrag eigene Studien<br />

zum Thema Korruption und Bestechung vor, die sich nicht<br />

nur mit dem Thema „Zuweisung gegen Entgelt im Gesundheitswesen“<br />

befassten, sondern sich auch mit der<br />

Korruptions- und Bestechungspraxis im Bereich nationaler<br />

und internationaler Großunternehmen auseinandersetzte.<br />

Der Referent untermauerte die Ergebnisse seiner Forschung<br />

mit Zahlenmaterial, das die hohe Dichte bei der Wirtschaftskriminalität<br />

deutlich werden ließ. Wenngleich man sich in<br />

Deutschland zwischen griechischen<br />

und schwedischen<br />

Verhältnissen im oberen<br />

Mittelfeld bewege, werde die<br />

Situation noch unterschätzt.<br />

Mittlerweile stelle sich jedoch<br />

im Rahmen einer Kosten-Nutzen-Rechnung<br />

heraus, dass<br />

die Mehrheit der Unternehmen<br />

in der Korruptionsbekämpfung<br />

einen Wettbewerbsvorteil<br />

erkenne. Die Problematik sei<br />

durch einen gesamtgesellschaftlichen<br />

Druck entstanden, der sich nicht nur auf Ärzte<br />

beschränke, relativierte Prof. Bussmann. Dann ging er auf<br />

die im Auftrag des GKV-Spitzenverbandes erstellte Studie<br />

„Zuweisungen gegen Entgelt im Gesundheitswesen“ ein,<br />

indem er das gewonnene Zahlenmaterial kommentierte.<br />

Die einseitige Interpretation der Studie durch den Spitzenverband<br />

hatte seinerzeit zu heftigen Reaktionen bei der<br />

Ärzteschaft geführt; und die zeitgleiche Platzierung zum<br />

Deutschen Ärztetag war auch nicht im Sinne des Autors<br />

der Studie. So konnte es nicht wundern, dass es in der<br />

Diskussion zahlreiche kritische Anmerkungen und Hinweise<br />

aus dem zahnärztlichen Praxisalltag seitens der Delegierten<br />

gab, denen sich Prof. Bussmann gerne stellte.<br />

Der Bemerkung, dass sein Herz eher bei der Prävention als<br />

beim Strafrecht hänge, schloss sich Dr. Carl unter Hinweis<br />

auf das Selbstverständnis der Freien Berufe an.<br />

Schließlich lobte der KZVN-Vorsitzende den Diskussionsverlauf<br />

dieser Frühjahrs-VV. Und indem er noch einmal das Thema<br />

des Gastredners Prof. Bussmann aufgriff, empfahl er, aktiv<br />

aber sachlich damit umzugehen, ohne vorauseilende<br />

Schuldzuweisungen auszusprechen, so dass der Auftritt in<br />

der Medienlandschaft authentisch und zugleich glaubwürdig<br />

wahrgenommen werden könne. — loe<br />

Prof. Dr. jur. Kai Bussmann.<br />

Prof. Dr. jur. Kai Bussmann (m) im Gespräch mit<br />

Christian Neubarth (l) und Dr. Julius Beischer.<br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />

7<br />

P O L I T I S C H E S


Foto: © beermedia/Fotolia.com<br />

Die Bürgerversicherung<br />

PROBLEMLÖSUNG ODER PROBLEMFALL – EINE KRITISCHE BETRACHTUNG<br />

Obwohl das deutsche Gesundheitssystem<br />

trotz aller Verbesserungsmöglichkeiten<br />

unstreitig zu den Besten der Welt zählt, ergibt sich durch<br />

Demografie und medizinischen Fortschritt und politische<br />

Standortänderung ständiger Anpassungsbedarf. Dabei bilden<br />

alle Spielarten um eine Bürgerversicherung die radikalste<br />

Abkehr vom bisherigen zweigliedrigen Krankenversicherungssystem.<br />

Ohne Zweifel werden die Argumente rund um die<br />

Einführung einer Bürgerversicherung den kommenden<br />

Wahlkampf maßgeblich prägen, ohne dass weder die Bürger,<br />

noch die überwiegende Mehrheit der politischen Entscheider<br />

in der Lage wären, das ganze Ausmaß dieses Systemwechsels<br />

zu erfassen oder gar in den Auswirkungen werten<br />

zu können. Zu sehr punkten Begriffe wie „solidarisch“ und<br />

8 P O L I T I S C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

„gerecht“ in der öffentlichen Wahrnehmung. Die politischen<br />

Parteien haben sich mit ihren Bundestagswahlprogrammen<br />

bereits weitgehend positioniert. Ob dabei die Argumentationstiefe<br />

unter Beachtung realer gesellschaftspolitischer<br />

Entwicklungen und unter Berücksichtigung volkswirtschaftlicher<br />

und rechtlicher Vernetzung ausreicht, bleibt vielfach<br />

fraglich.<br />

Die Grundidee einer Bürgerversicherung liegt darin, alle<br />

Bürger mit allen Einkommensarten (ggf. bis zu einer erhöhten<br />

Beitragsbemessungsgrenze) in die Finanzierung einer<br />

einheitlichen und „gerechten“ Gesundheitsversorgung einzubeziehen,<br />

also die Einnahmeseite zu verbessern. Allen<br />

Bürgern soll gleichermaßen Zugang zu hochwertiger Medizin<br />

ohne Wartezeiten und ohne Leistungskürzungen ermöglicht<br />

und dadurch eine Zwei-Klassen-Medizin verhindert<br />

werden.<br />

Wobei der Frage nachgegangen werden muss, ob und ggf.<br />

in welchem Ausmaß das bisherige zweigliedrige Gesundheitssystem<br />

unter dem Strich „ungerecht“ ist. SPD, GRÜNE<br />

und LINKE sind sich in der Einführung einer Bürgerversicherung,<br />

wenn auch unterschiedlicher Ausprägung, einig. Als<br />

Bewahrer des bisherigen zweigliedrigen Systems gelten<br />

vor allem die FDP und die CDU/CSU, wenngleich bei deren<br />

gesundheitspolitischem Sprecher Jens Spahn gelegentlich<br />

Ambivalenzen anklingen, wenn er sinniert, dass die Trennung<br />

privater und gesetzlicher Kassen „nicht mehr zeitgemäß“ sei.<br />

Klassenmedizin – eine Frage der Umverteilung?<br />

So wohlklingend die Grundidee einer klassenlosen Bürgerversicherung<br />

auch sein mag, so lebensfern ist alleine die<br />

Vorstellung von der Ausmerzung einer Zwei-, Drei- oder<br />

Multi-Klassenmedizin. Ebenso lebensfern, wie die Vorstellung,<br />

eine „Zweiklassenernährung“ durch das „gerechte“<br />

Verkaufsverbot für gesunde aber teure Bioprodukte verhindern<br />

zu wollen. Auch die Abschaffung der ersten Klasse für<br />

Bahnreisende würde nicht automatisch zu breiterem Fauteuil<br />

für Passagiere in der zweiten und zu mehr Freude


eim Personal führen – irgendwie „scheingerecht“ aber unzweckmäßig<br />

für das System. Gerechtes Verhalten auf Verteilungsgerechtigkeit<br />

zu begrenzen und parallel dazu das<br />

Recht auf freie Entfaltung zu beschneiden, trifft nicht den<br />

Kern des seit Jahrtausenden kontrovers diskutierten Gerechtigkeitsbegriffs.<br />

„Die schlimmste Art der Ungerechtigkeit ist<br />

die vorgespielte Gerechtigkeit“, wusste schon Platon um<br />

400 v. Chr. Gerechtigkeit bedeutet nichts anderes als die Tugend,<br />

die das Recht eines jeden Menschen achtet und zugleich<br />

jedem das seine gewährt. Bezüglich der Bürgerversicherung<br />

muss die Frage lauten, ob durch den Verzicht<br />

des einen das Wohl eines anderen, nämlich des Schwächeren,<br />

zu verbessern ist, so wie es grundsätzlich im Steuersystem<br />

der Fall ist. Im Gefecht der Schlagworte kommt<br />

diese Betrachtung gegenwärtig zu kurz.<br />

Bürgerversicherung: Rechnen lohnt sich<br />

Befragungen zeigen, dass die Mehrheit der Bevölkerung und<br />

große Teile der Ärzteschaft (zumindest der nicht freiberuflich<br />

tätigen) dem ebenso hehren wie theoretischen Ziel einer<br />

Bürgerversicherung aufgeschlossen gegenüberstehen, obwohl<br />

nach einer Allensbach-Umfrage 82% der Bevölkerung<br />

das gegenwärtige Gesundheitssystem mit gut bis sehr gut<br />

beurteilen. Wie so oft, steckt die Tücke im Detail – in der<br />

Umsetzung unter Beachtung gewachsener Strukturen,<br />

materieller Ansprüche und rechtsstaatlicher Normen. Und<br />

nicht zuletzt in einer ideologiefreien wirtschaftlichen System-<br />

Analyse. Darin liegt jedoch der Sprengstoff, den kein noch<br />

so wohlklingendes Parteiprogramm unbeachtet lassen darf,<br />

wenn es nicht ein bloßes populistisches Pamphlet sein soll.<br />

PKV: Meuchelmord oder Suizid<br />

Generelles Angriffsziel der „Bürgerversicherer“ ist die Private<br />

Krankenversicherung mit ihren rund 9 Mio. Versicherten –<br />

Inbegriff der Zwei-Klassen-Medizin und der Besserstellung<br />

der „unsolidarischen“ Vermögenden. Aber unter Zuhilfenahme<br />

eines Rechenschiebers könnte sich bei der Egalisation der<br />

Versicherungssysteme schnell Ernüchterung einstellen,<br />

obwohl die Einverleibung der Altersrückstellungen der PKV<br />

in Höhe von rund 170 Mrd. Euro zunächst Begehrlichkeiten<br />

weckt. Angesichts der Aufwendungen der GKV in Höhe<br />

von rund 183 Mrd. Euro pro Jahr würde der Zugriff auf das<br />

Ersparte der PKV-Versicherten einmal kräftig Feuer unter<br />

den Kessel bringen - ein Strohfeuer; denn auf lange Sicht<br />

würde das System defizitär und weiter auf jährliche<br />

Steuerzuschüsse in Höhe von (derzeit) rund 14 Mrd. Euro<br />

angewiesen bleiben. In erster Linie dienen die Steuerzuschüsse<br />

zum Gesundheitsfonds als Ausgleich für versicherungsfremde<br />

Leistungen und davon an erster Stelle für die<br />

beitragsfreie Mitversicherung von Kindern. Die Auslöschung<br />

der PKV würde zu Mehrkosten führen; denn im Gegensatz<br />

zur GKV zahlen Mitglieder der PKV für jedes einzelne Mitglied<br />

einen versicherungsmathematisch kalkulierten und vor<br />

allem nicht staatlich subventionierten Beitrag. Mit anderen<br />

Worten: Mit der Einführung einer Scheingerechtigkeit würde<br />

sich das Defizit eines Teils des Beitragsaufkommens eher<br />

erhöhen. Insofern steht dem warmen Regen einer verbreiterten<br />

Einnahmen-Basis oder gar der enteignungsgleichen<br />

Einverleibung der Altersrückstellungen der PKV der kalte<br />

Schauer dauerhaft vermehrter Ausgaben gegenüber.<br />

Unsolidarischer Club der Besserverdiener?<br />

SPD, GRÜNE und LINKE wollen alle Bürger, auch Gutverdienende,<br />

Selbständige und Beamte in die Einheits-Krankenversicherung<br />

einbeziehen. Gerne wird dabei übersehen,<br />

dass nicht nur „Besserverdienende” in der PKV versichert<br />

sind, sondern die Versichertenbasis zu etwa 23% aus<br />

Nichterwerbstätigen besteht. Rund 25% der Privatversicherten<br />

sind Beamte und 25% Pensionäre und Rentner.<br />

Nur knapp 16 % sind selbständig und freiberuflich tätig.<br />

Und insgesamt lagen 2008 nur etwa 20% mit ihrem Einkommen<br />

oberhalb der Versicherungspflichtgrenze. Allein<br />

diese Zahlen entzaubern den Gerechtigkeitsnimbus der<br />

Bürgerversicherung und deren Hoffnung auf eine Verbreiterung<br />

der Einnahmen-Basis.<br />

Zu allem Überfluss ist die PKV nach Kräften mit der eigenen<br />

Entleibung beschäftigt, indem sie einen Tarifdschungel<br />

vorhält, der Junge mit niedrigen Beiträgen ködert, während<br />

Rentenbezieher, die oftmals ein Viertel ihrer Altersrente als<br />

Beitrag leisten, mit voller Wucht getroffen werden. Viele<br />

sind damit überfordert und würden das Wechselangebot<br />

zur GKV, so wie sie das SPD-Papier für ein Jahr vorsieht,<br />

aufgreifen. Das „Wissenschaftliche Institut der AOK” hat in<br />

einer Umfrage festgestellt, dass fast jeder dritte privatversicherte<br />

Rentner aufgrund der steigenden Beitragsentwicklung<br />

in den Jahren 2011 und 2012 in einen Tarif mit geringerem<br />

Leistungsanspruch gewechselt sei. Während die SPD und<br />

Grüne der PKV ein langsames Ausbluten durch Mitgliederentzug<br />

verordnen, haben die Linken den fast gnädigen<br />

Tod durch sofortige Abschaffung als Vollversicherung und<br />

alleinige Beschränkung auf Zusatzversicherung im Angebot<br />

(Cave: Zwei-Klassen-Medizin!)<br />

Einheitliche Gebührenordnung<br />

Ausgleichszahlungen als Feigenblatt?<br />

Die „Bürgerversicherer“ haben nach dem Grundsatz „Gleiches<br />

Geld für gleiche Leistung“ eine einheitliche und „gerechte“<br />

Gebührenordnung im Programm. Bisher zahlen die 11 %<br />

Privatversicherten durch die meist (nicht immer) höher<br />

bewerteten Gebührenordnungen fast ein Viertel der Arzthonorare<br />

(rund 10 Mrd. €/Jahr). Dass durch diese Mehrzahlungen<br />

der Privatversicherten Innovation bei Geräten <br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | P O L I T I S C H E S<br />

9<br />

P O L I T I S C H E S


und Behandlungsmethoden finanziert werden, die letztlich<br />

allen Versichertenkreisen zugute kommen, fasst der Präsident<br />

der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Montgomery zusammen:<br />

„Gäbe es die PKV nicht, hätten wir schon heute<br />

eine innovations- u. wettbewerbsfreie Zone für die GKV<br />

und einen sehr viel schlankeren Leistungskatalog“. Selbst<br />

die Vorstandsvorsitzende des Spitzenverbandes der gesetzlichen<br />

Krankenkassen und Befürworterin der Bürgerversicherung,<br />

Doris Pfeiffer, sieht die Gefahr: „In einem Einheitssystem<br />

ließen sich die Leistungen leichter reduzieren.“<br />

Die Auflösung der PKV würde für Vertragsärzte Honorarverluste<br />

bis zu 6 Mrd. Euro pro Jahr bedeuten. Gesundheitsökonom<br />

Prof. Dr. Jürgen Wasem hat diese Problematik im<br />

Auftrag der Techniker Krankenkasse untersucht und kommt<br />

zu dem vom Auftraggeber eher ungeliebten Ergebnis, dass<br />

für den Fall einer Einheitshonorierung der Honorarausfall<br />

schon in diesem Jahr etwa 4,6 Mrd. und im Jahr 2030 fast<br />

6 Mrd. betragen würde. Für die vollständige Kompensation<br />

wäre ein Zuschlagfaktor von 13,7 im laufenden Jahr und<br />

von 17% im Jahr 2030 notwendig. Alleine dieses Szenario<br />

relativiert das Einsparversprechen der Bürgerversicherer<br />

deutlich. Allerdings darf bezweifelt werden, dass sich<br />

Krankenkassen oder Gesetzgeber ernsthaft mit Ausgleichszahlungen<br />

für Arzthonorare beschäftigen würden. Eine der<br />

vielen von Pseudobesorgnis geprägten „kleinen Anfragen“<br />

der LINKEN an die Bundesregierung lässt die Zielrichtung<br />

erahnen: „Ist nach Einschätzung der Bundesregierung<br />

durch die Abrechnungen von Leistungen nach dem BEMA<br />

ein ausreichendes Einkommen für die Zahnärztinnen und<br />

Zahnärzte zu erzielen oder sind diese zum Erhalt ihrer<br />

Praxis auf die Abrechnung zusätzlicher, privater Leistungen<br />

angewiesen (bitte begründen)?<br />

Noch ganz druckfrisch ist jetzt ein 24seitiges Papier der<br />

SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung im Umlauf. Darin machen<br />

10 P O L I T I S C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

sich namhafte Verfechter der Bürgerversicherung wie Franz<br />

Knieps, der schon unter Ulla Schmidt an maßgeblicher<br />

Stelle gearbeitet hat, detaillierte Gedanken zu Wettbewerb,<br />

Sicherstellung und Honorarvereinheitlichung. Die Autoren<br />

beklagen eine Ungerechtigkeit in der Honorarverteilung mit<br />

der Folge der Bevorzugung Privatversicherter und leiten<br />

daraus u. a. die Forderung einer Einheitshonorierung ab.<br />

Durch verklausulierte und komplexe Knebelungsmechanismen<br />

werden in dem Papier „wettbewerbliche Versorgungsformen“<br />

im Rahmen von Selektivverträgen mit verbindlichen<br />

Vereinbarungen über Qualitätsstandards, Sanktionen bei<br />

deren Nichteinhaltung und deren Evaluierung gefordert.<br />

Basis der Vergütungsordnung sollen morbiditätsbasierte<br />

Pauschalen, kombiniert mit Qualitätssicherungsmaßnahmen<br />

und qualitätsbezogenen Vergütungsanteilen (Pay for Performance)<br />

sein. „Länderüberwachung mit Durchgriffsrechten“<br />

sollen dem „arztzentrierten“ System durch den „effektiven<br />

Einsatz qualifizierter Gesundheitsberufe“ zu Leibe rücken.<br />

Schließlich wird die Bildung eines neuen Instituts zur Implementierung<br />

eines neuen Vergütungssystems angeregt.<br />

Alles in allem strotzt das Papier nur so von zusätzlicher<br />

und tiefgreifender Regelungsdichte bei gleichzeitiger Zurückdrängung<br />

ärztlicher Einflussnahme bis zur Rodung der<br />

Einzelpraxis. Es wird das Bild eines durch und durch staatlichen<br />

Gesundheitssystems entworfen, in welchem dem Arzt<br />

bestenfalls die Funktion des Erfüllungsgehilfen zugewiesen<br />

wird, während er als freiberuflicher und eigenverantwortlicher<br />

Verhandlungspartner praktisch nicht wahrgenommen wird.<br />

Immerhin ist in dem Papier auch von Ausgleichszahlungen<br />

die Rede. Papier ist geduldig!<br />

SPD: „Die Gesundheitspolitik orientiert sich an den<br />

„Patientinnen und Patienten, nicht an Interessengruppen<br />

im Gesundheitswesen“.<br />

Was nach Klassenkampf-Reminiszenz klingt, lässt nichts<br />

Gutes ahnen. Sinkenden Honoraren für Ärzte und Zahnärzte<br />

stehen die bürgerversichernden Politikbetreiber in der<br />

Regel gleichgültig bis wohlwollend gegenüber. Anders<br />

könnte es aussehen, wenn Arbeitsplätze gefährdet sind.<br />

Eine von der vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di<br />

bei der Hans-Böckler-Stiftung in Auftrag gegebene Studie<br />

hat brisante Zahlen ergeben. Danach würde die Überführung<br />

der PKV in eine Bürgerversicherung die Vernichtung von bis<br />

zu 100.000 Arbeitsplätzen zur Folge haben, und bereits<br />

der sofortige Stopp des Neugeschäftes würde 25.000<br />

Arbeitsplätze eliminieren. Und die Zerstörung der Erwerbsmöglichkeit<br />

für bis zu 50.000 selbständige Vermittlungsunternehmen<br />

steht ebenso zu befürchten. Selbst wenn die<br />

Zahlen einer überzogenen Darstellung entspringen sollten,<br />

werden doch erhebliche Verwerfungen auf dem Arbeitsmarkt<br />

deutlich.


Wunschdenken:<br />

Bessere Medizin bei Senkung des Beitragssatzes<br />

Besonders einfach machte es sich DIE LINKE mit der Pauschalforderung<br />

in ihrem 86seitigen Wahlprogrammentwurf:<br />

„Ein gutes Gesundheitssystem muss sämtliche medizinisch<br />

erforderlichen Leistungen finanziell absichern“. Dazu soll<br />

der Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen ausgebaut<br />

und alle Zuzahlungen abgeschafft werden. Das klingt ein<br />

wenig nach „Freibier für alle“. Die Private Krankenversicherung<br />

als Vollversicherung soll abgeschafft werden, ohne<br />

dass sich das rote Parteiprogramm mit deren Abwicklung<br />

oder der Umfirmierung aller Beihilfeberechtigten (Beamten)<br />

oder gar mit grundgesetzlichen Bedenken aufhalten würde.<br />

Die PKV wird nach linken Vorstellungen auf Zusatzversicherungen<br />

beschränkt, und es fällt den Genossen nicht auf,<br />

dass ein privat finanziertes Angebot an Zusatzleitungen<br />

einen erneuten Zugang zu einer „Zwei-Klassen-Medizin“<br />

eröffnen würde. Zudem frohlocken sie: „Durch die Einbeziehung<br />

aller Bürgerinnen und Bürger und aller Einkommensarten<br />

reduziert sich der zu leistende Beitragssatz<br />

nach Modellrechnungen von 15,5% auf 10,5%“, ohne das<br />

Rechenkunststück näher zu erläutern.<br />

Systemänderung nicht ohne Augenmaß<br />

Die Betrachtung der Ausgangslage darf bei allen Änderungswünschen<br />

nicht aus dem Auge verloren werden. Es wäre<br />

weder im Sinn der Patienten/Bürger dieses Landes, noch<br />

im Interesse der Ärzte, ein gewachsenes und im europäischen<br />

Vergleich hervorragendes System zu schleifen, um<br />

unter dem Deckmantel gerechteren Handelns Freiräume<br />

für ein Polit-Experiment zu schaffen, bei dem kaum ein<br />

Stein auf dem anderen bliebe. Die ideologische Betrachtung<br />

übersieht gerne, dass sich Privatversicherte nicht einem<br />

System entziehen, sondern ein defizitäres System durch<br />

Eigenverantwortung entlasten und den Praxen zudem den<br />

notwendigen betriebswirtschaftlichen Rahmen sichern!<br />

Durch Einbeziehung in das GKV-System kann das Defizit<br />

folgerichtig nicht geringer werden. Beispiel Wartezeit:<br />

Während die Wartezeit auf einen Termin beim Facharzt in<br />

Großbritannien rund 18 Wochen beträgt und in den Nie-<br />

derlanden sogar bis zu 6 Monate betragen kann, ist sie in<br />

Deutschland trotz der Zweigliedrigkeit wesentlich kürzer,<br />

wobei (hier wie dort) in dringenden Fällen jeder Patient<br />

sofort behandelt wird. Auch in Italien, das ein funktionierendes<br />

staatliches Gesundheitssystem besitzt, sieht es mit<br />

Wartezeiten schlecht aus. Dort findet das Äquivalent kürzerer<br />

Wartezeiten und intensiverer Diagnostik oft ungeniert den<br />

direkten Weg in die Schreibtischschublade. Diese Art<br />

„Ungerechtigkeit“ ist in unserem System bisher unbekannt.<br />

Natürlich ist es nicht damit getan, die Bürgerversicherung<br />

zu geißeln, und einfaches Abwinken ist auch nicht hilfreich.<br />

Es muss gelten, die offenkundigen Fehlentwicklungen zu<br />

benennen und zu korrigieren – auch und insbesondere<br />

durch die Heilberufe selbst – ohne das „Kind mit dem<br />

Bade auszuschütten“. Ehrliches Bestreben auf allen Seiten<br />

kann dabei nicht schaden.<br />

Gegenwärtig drängt sich bei dem Geschehen um die Bürgerversicherung<br />

die Analogie zu einem Werbespot auf, in<br />

dem mit einem bekannten Tablet-Computer auf eine<br />

Fliege auf dem Tisch eingedroschen wird. Immerhin, die<br />

Fliege hat man erwischt…! <br />

— Dr. Michael Loewener<br />

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11<br />

P O L I T I S C H E S


Fotos: © Prof. Dr. Dr. Bernd W. Sigusch<br />

Diagnostik und Therapie<br />

der Periimplantitis<br />

Die Versorgung mit enossalen Implantaten gehört inzwischen<br />

zum Therapiespektrum vieler praktisch tätiger Zahnärzte.<br />

Aber auch im Bewusstsein der meisten Patienten hat sich diese noch relativ<br />

junge Therapievariante schon gut etabliert. Analysiert man die wissenschaftlichen<br />

Studien der letzten Jahre, dann fällt auf, dass die Methodik der<br />

Insertion enossaler Implantate inzwischen auch durch zahlreiche klinische<br />

u.a. auch Langzeitstudien abgesichert ist.<br />

Die konventionelle prothetische Therapie<br />

des teilbezahnten und zahnlosen<br />

Kiefers gehört zweifelsohne noch zur<br />

Standardversorgung in der Zahnarztpraxis.<br />

Aber wir haben es zunehmend<br />

auch mit Patienten zu tun, die eine<br />

festsitzende Versorgung durchaus gezielt<br />

nachfragen. Man sollte diese aus<br />

Abb. 1: Periimplantitis in Regio 24 bei<br />

einem 63jährigen Patienten 2 Jahre<br />

postoperativ.<br />

12 F A C H L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

rechtlichen Gründen einer umfassenden<br />

Aufklärung des Patienten aber auch<br />

als Behandlungsoption unbedingt<br />

erwähnen. Allerdings ist in diesem<br />

Zusammenhang auch eine Bewertung<br />

des individuellen Risikos notwendig.<br />

Eine periimplantäre Entzündung<br />

und Infektion der umgebenden<br />

Strukturen kann den Erfolg der enossalen<br />

Implantation limitieren (Abb. 1).<br />

Die bakterielle Infektion, bedingt durch<br />

die teilweise schwer entfernbaren<br />

Biofilme, wird inzwischen als Hauptgefahr<br />

für den Implantaterfolg beschrieben.<br />

Gelingt es nicht, die periimplantäre<br />

Infektion frühzeitig zu<br />

stoppen, dann kann es bei schwerer<br />

und fortschreitender Destruktion der<br />

periimplantären Weichwebe und des<br />

umgebenden Alveolarknochens zu<br />

Implantatverlusten kommen.<br />

Vergleicht man die entzündlichen Prozesse<br />

des periimplantären Gewebes<br />

mit den Veränderungen der Gingivitis<br />

am natürlichen Zahn, dann sind gewisse<br />

Parallelen zu beobachten. Man<br />

spricht allerdings bei der Infektion des<br />

periimplantären Weichgewebes von<br />

einer Mukositis. Im Bereich der natürlichen<br />

Gingiva erfolgt speziell über<br />

Hemidesmosomen eine feste und<br />

stabile Verankerung des Saumepithels<br />

an der Zahnoberfläche und stellt so<br />

eine entscheidende Barriere gegenüber<br />

der Invasivität parodontopathogener<br />

Bakterien dar. Die mukosale<br />

Anlagerung an das Implantat besitzt<br />

hingegen nicht diese hohe Stabilität<br />

und liegt auch nicht in dieser anatomischen<br />

Perfektion vor. Ob dieser<br />

Bereich des periimplantären Sulkus<br />

auf Grund anatomisch und physiologischen<br />

Einschränkungen möglicherweise<br />

eine Ursache der erhöhten<br />

Infektionsanfälligkeit darstellt, ist bisher<br />

noch nicht ausreichend geklärt.<br />

Als gesichert gilt allerdings, dass<br />

speziell direkte Zugbelastungen im<br />

Randbereich der Mukosa eine negative<br />

Wirkung auf die periimplantäre<br />

Abdichtung haben können. Zu nennen<br />

sind hier vor allem Wangen-, Zungenoder<br />

Lippenbändchen, die unmittelbar<br />

in die weichgewebliche Randzone<br />

des Implantates einstrahlen.<br />

Wird klinisch anhand der klassischen<br />

Befunde von Rötung und Blutung<br />

eine dauerhafte Entzündung der umgebenden<br />

Mukosa diagnostiziert und<br />

liegt außerdem eine erhöhte periimplantäre<br />

Sondierungstiefe von > 3,5 mm<br />

vor, dann kann man davon ausgehen,<br />

dass sich möglicherweise bereits Periimplantitis<br />

entwickelt hat. Eine klinische<br />

Sicherung der Diagnose Periimplantitis<br />

erfolgt durch das Röntgenbild, d.h.<br />

werden ein periimplantärer Knochenabbau<br />

bzw. destruktive Prozesse im<br />

marginalen Randbereich nachweisbar,<br />

dann kann die Diagnose als sicher<br />

gelten (Abb. 2). In schweren Fällen,


speziell bei einem Versagen der<br />

therapeutischen Maßnahmen, droht<br />

dann schlimmstenfalls auch der<br />

Verlust des Implantates.<br />

Entzündliche Veränderungen der<br />

periimplantären Gewebe<br />

Es vergeht in der Regel nur eine sehr<br />

kurze Zeit nach der Insertion der<br />

enossalen Implantate bis sich die in<br />

der Mundhöhle befindliche mikrobielle<br />

Flora im periimplantären Sulkus etabliert<br />

hat. Man muss deshalb davon<br />

ausgehen, dass sich bei Patienten, die<br />

eine verstärkte Plaqueakkumulation<br />

aufweisen und speziell Symptome<br />

einer Gingivitis im Bereich der natürlichen<br />

marginalen Gingivabereiche<br />

zeigen, möglicherweise auch schneller<br />

eine Mukositis entwickelt. Allerdings<br />

ist die Mukositis analog zur Gingivitis<br />

durch entsprechende Prophylaxemaßnahmen<br />

noch reversibel.<br />

Koka et al. zeigten schon 1993, dass<br />

4 Wochen nach einer enossalen<br />

Implantation bei Patienten, bei denen<br />

F. nucleatum (F.n), P. gingivalis (P.g.)<br />

und T. forsythia (T.f.) im Bereich der<br />

Restzähne nachweisbar waren, diese<br />

pathogenen Spezies auch im periimplantären<br />

Sulkus diagnostiziert werden<br />

konnten. Man muss deshalb als<br />

praktisch tätiger Zahnarzt damit rechnen,<br />

das von einem parodontal nicht<br />

ausreichend saniertem Restgebiss<br />

eine Gefahr für das periimplantäre<br />

Gewebe ausgeht.<br />

Abb. 2: Röntgenologischer Periimplantitisbefund<br />

in Regio 36 bei einer 48jährigen<br />

Patientin 4 Jahre postoperativ.<br />

Bei stabilen Verhältnissen der lokalen<br />

Abwehrsituation und immer wieder<br />

einsetzenden prophylaktischen Maßnahmen<br />

bleibt eine Gingivitis relativ<br />

lange auf das Weichgewebe begrenzt.<br />

Die Mukositis im periimplantären Gewebe<br />

kann hingegen manchmal sehr<br />

rasch in eine Periimplantitis übergehen,<br />

die dann auch den das Implantat<br />

tragenden Knochen erfasst.<br />

Der in diesen Fällen nachweisbare<br />

histologische Befund spricht für die<br />

geringere Widerstandskraft der periimplantären<br />

Mukosa. In dieser Läsion<br />

sind beispielsweise deutlich weniger<br />

Fibroblasten und Gefäße nachweisbar.<br />

Eine aktuelle Untersuchung zeigt,<br />

dass bei 218 Patienten mit 999 enossalen<br />

Implantaten in einem langen<br />

Beobachtungszeitraum bei fast 50%<br />

eine periimplantäre Mukositis, mit<br />

Bluten nach Sondieren und einer<br />

schon leicht erhöhten Sondierungstiefe<br />

diagnostiziert wurde.<br />

Bei andauernder periimplantärer Entzündung<br />

besteht dann allerdings die<br />

Gefahr, dass der das Implantat umgebende<br />

Knochen erfasst wird und sich<br />

eine Perimplantitis etabliert.<br />

Anhand verschiedener Studien, auch<br />

unserer Arbeitsgruppe, konnte gezeigt<br />

werden, dass sich die charakteristischen<br />

Spezies, die man bei der Periimplantitis<br />

findet, der Mikroflora der Parodontitis<br />

weitestgehend entsprechen.<br />

F. nucleatum (F.n.), P. gingivalis (P.g.), T.<br />

forsythia (T.f) und P. intermedia (P.i.) sind<br />

Schlüsselbakterien der Parodontitis<br />

und Periimplantitis.<br />

Diese Tatsache, dass sich die Mikroflora<br />

ähnelt, führt auch zu diagnostischen<br />

und therapeutischen Konsequenzen.<br />

Es ist deshalb auch aus klinischer<br />

präoperativer Sicht notwendig, abzuklären,<br />

ob für das enossale Implantat<br />

eine erhöhte Infektionsgefahr aus<br />

dem Bereich der natürlichen Restbezahnung<br />

besteht. Es sollte möglichst<br />

vor der Insertion der Implantate eine<br />

subgingivale Infektionskontrolle speziell<br />

solcher parodontalen Bereiche<br />

erfolgen, die über erhöhte Sondierungstiefen<br />

(> 4 mm) verfügen, um das Risiko<br />

einer Periimplantitis zu minimieren.<br />

Allerdings sollte der praktisch tätige<br />

Zahnarzt, neben einer sorgfältigen<br />

klinischen und mikrobiologischen<br />

Diagnostik im Bereich des Parodonts<br />

der verbliebenen natürlichen Zähne<br />

auch die klassischen funktionellen<br />

Aspekte einer restaurativen Versorgung<br />

unbedingt beachten. So kann eine biomechanische<br />

Überbeanspruchung <br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

– Anzeige –<br />

13<br />

F A C H L I C H E S


z.B. bedingt durch einen Fehler im<br />

Bereich der Suprakonstruktion oder<br />

eine einfache okklusale Überbelastung<br />

sich auch negativ auf die Osseointegration<br />

des Implantates auswirken.<br />

Ein früher Verlust eines Implantates<br />

kann so, bei sowieso bestehender<br />

Periimplantitisgefahr, noch gefördert<br />

werden (Abb.3).<br />

Diagnostik und Therapie<br />

Die klinische, mikrobiologische und<br />

röntgenologische Diagnostik ist die<br />

Grundvoraussetzung, um frühe Zeichen<br />

einer periimplantären Mukositis bzw.<br />

Periimplantitis zu erkennen (Abb. 4).<br />

So steht am Anfang, ähnlich wie bei<br />

der Gingivitis bzw. Parodontitisdiagnostik<br />

eine akribische Kontrolle der<br />

Plaque- und Entzündungsparameter<br />

auf der Basis bekannter Indizes<br />

(Plaque-Index Bluten nach Sondieren<br />

u.a.). Außerdem spielt auch die Erfassung<br />

der Sondierungstiefe eine entscheidende<br />

Rolle, um die Mukositis<br />

von der Periimplantitis abzugrenzen.<br />

Bei der Sondierung ist auf Parallelität<br />

zur Zahnachse zu achten und möglichst<br />

eine Kunststoffsonde zu verwenden,<br />

um Schäden an der Implantatoberfläche<br />

zu vermeiden (Abb. 5). Sondierungstiefen<br />

bis 3,5 mm werden analog zu<br />

den gingivalen Taschen bei Gingivitis<br />

als mukosale Taschen bezeichnet, die<br />

bei einer mittelschweren bis schweren<br />

Mukositis durchaus aufgrund der<br />

Gewebsschwellung u.a. auch 5 mm<br />

tief sein können und dann als mukosale<br />

Pseudotaschen imponieren, die<br />

Abb. 3: Perimplantitis in Regio 43<br />

bei einer 72jährigen Patientientin,<br />

Photodynamische Therapie (PDT) mit<br />

dem Laser der Helbo-Methodik.<br />

14 F A C H L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

sich allerdings nach antientzündlicher<br />

Therapie relativ gut zurückbilden<br />

können. Der klinische Attachmentlevel<br />

wird zwischen Taschenboden und<br />

Implantatschulter bestimmt. Oft sind<br />

periimplantär die klassischen Entzündungszeichen<br />

wie Rötung und<br />

Schwellung eher geringer ausgeprägt,<br />

da die Mukosa deutlich schwächer<br />

vaskularisiert ist als die Gingiva und<br />

nur von Gefäßen aus dem Periost<br />

versorgt wird.<br />

Bei beginnendem Knochenabbau und<br />

Sondierungstiefe > 5,5 mm spricht<br />

man analog zur Parodontitis von einer<br />

manifesten Periimplantitis. In der Regel<br />

findet im ersten Jahr postoperativ ein<br />

periimplantärer Knochenabbau auch<br />

unter physiologischen Bedingungen<br />

statt, der allerdings 2 mm nicht überschreiten<br />

sollte. In den Folgejahren<br />

wird der maximale Verlust mit 0,2 mm<br />

jährlich toleriert. Eine ausgeprägte<br />

Knochenläsion spricht für eine Periimplantitis.<br />

Das Symptom Implantatlockerung<br />

imponiert im Gegensatz zum parodontalgeschädigten<br />

Zahn erst sehr spät,<br />

d.h. bei massivem Knochenabbau im<br />

Spätstadium, in dem der Zahnerhalt<br />

akut gefährdet ist. Ein Frühsymptom<br />

kann auch Sekret- bzw. Pusentleerung<br />

sein.<br />

Im Rahmen der Frühdiagnostik kann<br />

allerdings auch der Nachweis parodontalpathogener<br />

Mikroorganismen<br />

Hinweise auf das Ausmaß der periimplantären<br />

Infektion geben. So konnten<br />

von unserer Arbeitsgruppe im periimplantären<br />

Sulkus von Patienten mit<br />

natürlicher Restbezahnung deutlich<br />

häufiger parodontalpathogene Spezies<br />

nachgewiesen werden, die auch mit<br />

höheren Sondierungstiefen bei diesen<br />

Personen assoziiert waren. Der parodontale<br />

Sulkus bzw. vorhandene<br />

Zahnfleischtaschen stellen bei Patienten,<br />

die Einzelzahnimplantate erhalten<br />

sollen bzw. erhalten haben, eindeutig<br />

ein mögliches Keimreservoir dar. Man<br />

sollte deshalb präimplantologisch<br />

eine entsprechende mikrobiologische<br />

Diagnostik anstreben und im Rahmen<br />

der Parodontaltherapie auch die parodontalpathogenen<br />

Mikroorganismen<br />

supprimieren.<br />

Insgesamt kann man bei der klinischen<br />

Sondierung beobachten, dass bei<br />

einer vorliegenden Periimplantitis<br />

schon eine etwas geringere Kraft<br />

ausreichend ist, um in den Taschenfundus<br />

vorzudringen, als das bei der<br />

Parodontitis der Fall ist. Außerdem<br />

werden die Destruktionen am alveolären<br />

Knochen des natürlichen Zahnes<br />

häufig Stellen bezogen diagnostiziert,<br />

während es am Implantat in der Regel<br />

zu einem zirkulären Knochenverlust<br />

kommt, den man als Schüsselförmigen<br />

Defekt bezeichnen kann.<br />

Therapeutische Optionen bei<br />

Mukositis und Periimplantitis<br />

Die Therapie der Mukositis basiert<br />

ähnlich wie die Gingivitisbehandlung<br />

auf der Plaquereduktion und damit<br />

verbunden der Beseitigung der klinischen<br />

Entzündungszeichen wie Blutung,<br />

Rötung und Schwellung. In der<br />

Regel kann man davon ausgehen,<br />

dass die mechanische Beseitigung<br />

der harten und weichen Beläge mit<br />

Kunststoffscalern bzw. -küretten einschließlich<br />

der Politur zur Entzündungsreduktion<br />

führt.<br />

Diese Nicht-Metallküretten sollen<br />

einerseits die Implantatoberfläche vor<br />

dem Abrieb schützen, andererseits ist<br />

ihre Effizienz aber auch begrenzt und<br />

man muss nicht selten auf herkömmliche<br />

Instrumente ausweichen.<br />

Ebenso kann man davon ausgehen,<br />

dass bei länger bestehenden mukosalen<br />

Entzündungszeichen auch parodontalpathogene<br />

Mikroorganismen<br />

(u.a. Fusobacterium nucleatum) nachweisbar<br />

sind. In diesen Fällen ist die<br />

ausschließlich mechanische Therapie<br />

nicht ausreichend und sollte beispielsweise<br />

durch die systematische<br />

Anwendung von Chlorhexidin-Gel<br />

oder 0,2%iger Chlorhexamed-Lösung<br />

ergänzt werden.<br />

Adjuvant zur mechanischen Therapie<br />

eignet sich allerdings auch der Einsatz


Abb. 4: Mukositis mit deutlicher<br />

Pseudotaschenbildung.<br />

Abb. 5: Sondierung der periimplantären<br />

Tasche mit Kunststoffsonde.<br />

der Photodynamischen Therapie (PDT),<br />

um parodontalpathogene Mikroorganismen<br />

erfolgreich zu supprimieren.<br />

So bietet sich die Anwendung der PDT<br />

als zusätzliches Verfahren nicht nur<br />

bei therapierefraktären Mukositis-Fällen<br />

an, sondern ist auch eine adjuvante<br />

Therapieoption bei der Periimplantitis.<br />

Bekanntermaßen bleibt beispielsweise<br />

an einem Zahn mit Parodontitis und<br />

ST > 6 mm nach mechanischer Wurzelglättung<br />

noch bis zu 50% der Wurzeloberfläche<br />

vom bakteriellen Biofilm<br />

überzogen, was die Notwendigkeit<br />

der adjuvanten Therapie begründet.<br />

Unsere Arbeitsgruppe konnte nachweisen,<br />

dass es auch z.B. bei aggressiver<br />

Parodontitis möglich ist, durch<br />

adjuvante systemische Antibiose nach<br />

Anwendung eines 2-Schrittkonzeptes<br />

mit einer zusätzlichen Wurzelglättung<br />

in einer Sitzung an allen Stellen, die<br />

Sondierungstiefe dauerhaft zu reduzieren.<br />

Einerseits finden sich aber auf der<br />

Implantatoberfläche bei Periimplantitis<br />

im Vergleich zum natürlichen Zahn mit<br />

Parodontitis deutlich stärkere Rauigkeiten,<br />

die durch die Bearbeitung mit<br />

Kunststoffkürette nicht reduziert werden<br />

können, was letztlich auch unter dem<br />

therapeutischen Ziel des Reattachment<br />

nicht gewollt ist.<br />

Andererseits ist aber eine möglichst<br />

Biofilm freie Oberfläche die Voraussetzung<br />

für Regeneration/Reparation im<br />

periimplantären Bereich. So kamen in<br />

jüngster Zeit zusätzlich zur mechanischen<br />

Therapie verschiedene Verfahren<br />

im Rahmen der Periimplantitisbehandlung<br />

zur Anwendung.<br />

Neben der bereits erwähnten adjuvanten<br />

lokalen und systemischen Antibiose<br />

sollen zusätzlich Spülungen mit NaCl,<br />

Chlorhexidin, aber auch das Pulverstrahlgerät<br />

oder die Laseranwendung<br />

Erfolg versprechend sein.<br />

Dörtbudak et al. berichteten kürzlich<br />

über den Erfolg der Photodynamischen<br />

Therapie bei Patienten mit Periimplantitis.<br />

Ein Photosensitizer wird in der periimplantären<br />

Tasche mit Licht geeigneter<br />

Wellenlänge (z. B. Laser) belichtet.<br />

In der Folge können neben anderen<br />

bakteriell toxischen Radikalen auch<br />

Singulett-Sauerstoff entstehen, was<br />

u.a. durch Oxidation der bakteriellen<br />

Membranlipide zur Zerstörung der<br />

Bakterienzelle führt. Unsere Arbeitsgruppe<br />

konnte bei Parodontitispatienten<br />

zeigen, dass es durch die Anwendung<br />

des Helbo-Systems (Photosensitizer<br />

Helbo-Blue und Helbo-Thera Lite<br />

Laser) zur deutlichen Reduktion der<br />

klinischen Entzündungszeichen, aber<br />

auch der parodontalpathogenen<br />

Spezies F. nucleatum und tiefer Sondierungstiefen<br />

kommt.<br />

Die derzeit noch bestehende Vielfalt<br />

der adjuvanten Therapieoptionen zur<br />

mechanischen Therapie bei Mukositis<br />

und Periimplantitis zeigt, dass aktuell<br />

sowohl die klinische als auch experimentelle<br />

Forschung noch nach optimaleren<br />

therapeutischen Verfahren sucht,<br />

um die Behandlungseffizienz bei<br />

periimplantären Entzündungen bzw.<br />

Destruktionen weiter zu erhöhen. <br />

Bernd W. Sigusch, Prof. Dr. Dr.<br />

Kommissarischer Direktor der Poliklinik<br />

für Konservierende Zahnheilkunde<br />

und Parodontologie<br />

Friedrich Schiller Universität Jena<br />

Zentrum für Zahn-, Mund- und<br />

Kieferheilkunde<br />

Poliklinik für Konservierende<br />

Zahnheilkunde<br />

An der alten Post 4<br />

07740 Jena<br />

Tel.: 03641 934581<br />

Fax: 03641 934582<br />

E-Mail: bernd.w.sigusch@med.uni-jena.de<br />

— Quelle: Zahnärzteblatt Sachsen<br />

07+08/2011<br />

PROF. DR. DR. BERND W. SIGUSCH<br />

seit 2011 Lehrstuhl für Konservierende Zahnheilkunde<br />

und Parodontologie<br />

seit 2009 Head of WHO Collaborating Centre for the<br />

Prevention of Oral Disease, Germany<br />

seit 2008 CME – Schriftleitung ,,ZWR – Das Deutsche Zahnärzteblatt”<br />

2008-2009 1. Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Grundlagenforschung<br />

der DGZMK, Approbation als Arzt<br />

1990 Fachzahnarzt<br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

15<br />

F A C H L I C H E S


Fotos: © Dr. med. dent. Holger Gehrig M.Sc.<br />

Rauchen<br />

kostet Zähne<br />

TABAKENTWÖHNUNG IN DER<br />

ZAHNÄRZTLICHEN PRAXIS<br />

Nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums<br />

aus dem Jahr 2009<br />

waren im Jahr 2006 30 Prozent der erwachsenen Deutschen<br />

Raucher. Gerade in der Mundhöhle sind die Auswirkungen<br />

des Rauchens – von Zahnverfärbungen und<br />

Mundschleimhauterkrankungen bis zu Parodontitis und<br />

Periimplantitis – deutlich sichtbar und die Behandlungskonsequenzen<br />

unmittelbar. Der Zahnarzt sieht seine<br />

Patienten regelmäßig und ist daher prädestiniert, eine<br />

Tabakberatung und -entwöhnung durchzuführen. Mithilfe<br />

einer strukturierten Therapie und konkreten Anleitungen<br />

zur Gesprächsführung kann dies einfach und zeiteffektiv<br />

gelingen.<br />

Tabakinduzierte Erkrankungen<br />

Tabakrauch gilt als wichtigster ätiologischer Faktor für die<br />

Entwicklung der chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung<br />

und von Lungenkrebs sowie als wesentlicher Risikofaktor<br />

für die Entstehung der koronaren Herzkrankheit, von<br />

Schlaganfall und von verschiedenen Krebsarten (Fagerström<br />

2002, U.S. Department of Health and Human Services 2004).<br />

Tabakkonsum schädigt auch die Mund- und Zahngesundheit<br />

auf vielfältige Weise. Weitläufig bekannt sind die direkten<br />

Abb. 1: Leukoplakie am weichen Gaumen<br />

eines starken Rauchers.<br />

16 F A C H L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

© Murat Subatli/Fotolia.com<br />

Folgen des Tabakrauchs auf die Mundschleimhaut, wie<br />

Krebs in der Mundhöhle und im Rachen. Typische Veränderungen<br />

der Mundschleimhaut sind auch Pigmentierungen,<br />

entzündliche Veränderungen und Keratinisierungsstörungen<br />

(Bengel 2003). Die Leukoplakie tritt vor allem bei Rauchern<br />

auf und gilt als Krebsvorstufe. Die Abbildung 1 zeigt eine<br />

histologisch gesicherte Leukoplakie am weichen Gaumen<br />

eines starken Rauchers.<br />

Rauchen und Parodontalerkrankungen<br />

Tabakkonsum gilt aber auch als signifikanter Risikofaktor<br />

für die Entstehung und das Fortschreiten einer Parodontitis<br />

(Laxman und Annaji 2008, Rivera-Hidalgo 2003) (Abb. 2a<br />

und b). Die Odds Ratio für die Entwicklung einer chronischen<br />

Parodontitis beträgt dabei nach einer Metaanalyse von<br />

Papapanou (1996) 2,82. Dies bedeutet, dass die Chance,<br />

eine chronische Parodontitis zu entwickeln, bei Rauchern<br />

fast dreimal so hoch ist wie bei Nichtrauchern (Abb. 3a).<br />

Stärkere Raucher (> 10 Zigaretten pro Tag) tragen ein noch<br />

höheres Risiko (Tonetti 1998). Aber auch das Passivrauchen<br />

birgt ein erhöhtes Risiko für die Etablierung einer chronischen<br />

Parodontitis (Nishida et al. 2006). Raucher mit einem Il-1<br />

Polymorphismus weisen deutlich größere Attachmentverluste<br />

und Sulkussondierungstiefen auf (McGuire und Nunn<br />

1999). Im Vergleich zu Nichtrauchern findet man bei Rauchern<br />

mit Parodontitis reduzierte klinische Entzündungszeichen<br />

(Haffa-jee und Socransky 2001). Daher sind bei Rauchern<br />

die Alarmzeichen einer beginnenden Parodontitis, wie<br />

Zahnfleischbluten, geringer ausgeprägt als bei Nichtrauchern.<br />

Dieses Phänomen wird von rauchenden Patienten häufig<br />

fehlinterpretiert.<br />

Rauchen und Periimplantitis<br />

Auch an einem Implantat kann es wie bei einem natürlichen<br />

Zahn zu einer Entzündung der umgebenden Gewebe<br />

kommen. Bei der Periimplantitis ist auch der ortsständige<br />

Knochen betroffen, was zu einem kompletten Verlust des


für den Patienten kostenintensiven Implantates führen<br />

kann. Tabakkonsum gilt als signifikanter Risikofaktor für die<br />

Entstehung einer Periimplantitis (Heitz-Mayfield 2008). Die<br />

Abbildung 3b zeigt zwei schon gelockerte Implantate bei<br />

einem starken Raucher mit einem für eine Periimplantitis<br />

typischen Knochenabbau.<br />

Negativer Einfluss des Rauchens auf die Therapie<br />

Auch Raucher profitieren von einer nicht chirurgischen oder<br />

chirurgischen Therapie der Parodontitis. Nach Johnson und<br />

Guthmiller (2007) sind allerdings die Verbesserungen der<br />

klinischen Parameter um 25 bis 50 Prozent schlechter als<br />

bei Nichtrauchern. Es gibt deutliche Hinweise, dass bei<br />

Rauchern signifikant mehr Frühverluste bei Implantaten<br />

auftreten. Grund hierfür scheint die mangelhafte oder fehlende<br />

Osseointegration zu sein (Palma-Carrio et al. 2011).<br />

Zudem kann es bei Rauchern nach Zahnextraktionen und<br />

zahnärztlichen chirurgischen Routineeingriffen zu einer<br />

verzögerten Wundheilung kommen (Balaji 2008).<br />

Nutzen eines Rauchstopps<br />

In einer prospektiven Studie untersuchten Preshaw et al.<br />

(2005) den Effekt eines Rauchstopps auf die nicht chirurgische<br />

Parodontitistherapie über einen Zeitraum von zwölf<br />

Monaten. Im Vergleich zu Patienten mit chronischer Parodontitis,<br />

die rauchten oder intermittierende „Aufhörer“<br />

waren, wurde bei Patienten nach einem Rauchstopp ein<br />

statistisch signifikant größerer Rückgang der Taschentiefen<br />

festgestellt. Es gibt somit hinreichend Evidenz, dass Rauchen<br />

mit Parodontalerkrankungen assoziiert ist. Ein Rauchstopp<br />

führt nach Hilgers und Kinane (2004) zu einer Verbesserung<br />

der allgemeinen und der parodontalen Gesundheit.<br />

Zahnärzte sollten daher ihre Patienten über die Folgen des<br />

Rauchens und den Nutzen eines Rauchstopps aufklären<br />

und, wenn möglich, eine Beratung zur Rauchentwöhnung<br />

anbieten.<br />

Abb. 2a und b: Tiefe Zahnfleischtaschen bei Parodontitis.<br />

Abb. 3a und b: Knochenabbau bei Parodontitis und<br />

Periimplantitis.<br />

Tabakentwöhnung – eine Aufgabe des<br />

zahnärztlichen Teams<br />

Um das Problem der tabakassoziierten Erkrankungen mit<br />

all ihren Folgen zu bekämpfen, beschlossen die Mitgliedsstaaten<br />

der WHO im Jahr 2003 einstimmig eine Rahmenkonvention<br />

zur Tabakkontrolle (Framework Convention on<br />

Tobacco Control, WHO 2004). Im Jahr 2004 ratifizierte<br />

Deutschland diese Konvention, sie trat 2005 in Kraft<br />

(Bätzing 2009). Für den zahnmedizinischen Bereich ist der<br />

Artikel 14 der Konvention von Bedeutung (Ayo-Yusuf 2005).<br />

Danach sollten von den Vertragsparteien Angebote zur<br />

Tabakentwöhnung in die nationalen Gesundheitsprogramme<br />

aufgenommen werden. Auf europäischer Ebene gab es<br />

bereits im Jahr 1997 eine Konsensuskonferenz der „EU-<br />

Working Group on Tobacco and Oral Health“ in Kopenhagen<br />

(Legarth und Reibel 1998). Ein Ziel war, dass europäischen<br />

Zahnärzten ihre Rolle in der Prävention und Therapie tabakinduzierter<br />

Erkrankungen bewusst gemacht werden sollte.<br />

Dabei wurde auch auf die Bedeutung der Rauchstoppberatung<br />

durch Zahnärzte hingewiesen.<br />

In Deutschland gab der Drogen- und Suchtrat im Jahr 2008<br />

Empfehlungen an die Drogenbeauftragte der Bundesregierung<br />

für ein „Nationales Aktionsprogramm zur Tabakprävention“.<br />

Darin enthalten war die Strategieempfehlung, dass<br />

die Ärzteschaft zur „systematischen Beratung und (Kurz-)Intervention<br />

zur Raucherberatung“ qualifiziert werden sollte.<br />

Die Bundeszahnärztekammer formulierte im Jahr 2004<br />

„Mundgesundheitsziele für Deutschland – 2020“, die auf<br />

den „Global Goals for Oral Health“ der FDI aus dem Jahr<br />

2003 basierten (Hobdell et al. 2003). Zahnärzte sollten<br />

dabei die Patienten auch über die Folgen des Rauchens<br />

aufklären und eine Beratung zur Raucherentwöhnung<br />

anbieten.<br />

Im Jahr 2008 wurde ein erneutes „Konsensusdokument<br />

des 2. Europäischen Workshops über die Prävention und<br />

den Ausstieg aus dem Tabakkonsum für das zahnmedizinische<br />

Praxisteam“ verabschiedet (Ramseier et al. 2010).<br />

Dabei wurde festgestellt, dass das zahnärztliche Team bei<br />

der Hilfe zur Tabakentwöhnung gegenüber rauchenden <br />

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17<br />

F A C H L I C H E S


Patienten in der Verantwortung steht. Gleichzeitig wurde<br />

gefordert, dass Kenntnisse in der Tabakentwöhnung in die<br />

Ausbildung der zahnärztlichen Fachkräfte integriert werden<br />

sollen. Im Jahr 2009 wurde auf dem „1st European workshop<br />

on periodontal education“ in zwei Konsensuspapieren<br />

gefordert, dass Raucherentwöhnung sowohl im klinischen<br />

(Sanz und Meyle 2010) als auch im postgraduierten Studium<br />

(Van der Velden und Sanz 2010) gelehrt werden soll.<br />

Verantwortung der Zahnärzte<br />

Die Patienten gehen überwiegend regelmäßig zum Zahnarzt.<br />

Aus diesem Grund ist das zahnärztliche Team prädestiniert,<br />

eine Beratung zum Tabakkonsum und zur Tabakentwöhnung<br />

durchzuführen (Micheelis und Reiter 2006, Casals Peidró et<br />

al. 2008, Tomar 2001, Gehrig 2010). In einer bundesweiten<br />

Umfrage unter 1127 niedergelassenen Zahnärzten wurde<br />

festgestellt, dass die Zahnärzte sich zu einem großen Teil<br />

ihrer Verantwortung bei der Tabakberatung und -entwöhnung<br />

ihrer Patienten bewusst sind (Gehrig 2010). Bisher wird<br />

aber routinemäßig in deutschen Zahnarztpraxen weder<br />

eine Raucheranamnese noch eine Raucherberatung oder<br />

-entwöhnung durchgeführt. Die Umfrage ergab aber eine<br />

große Bereitschaft für eine entsprechende Weiterbildung.<br />

Die Universität Freiburg setzte entsprechende Forderungen<br />

bereits um und hat im Masterstudiengang „Parodontologie<br />

und Periimplantäre Therapie“ einen Kurs mit dem im Folgenden<br />

beschriebenen Konzept zur strukturierten Tabakentwöhnung<br />

integriert. Eine Vorlesung zu diesem Thema<br />

gibt es für die Freiburger Studierenden der Zahnheilkunde<br />

im zweiten klinischen Semester.<br />

Tabakabhängige Patienten benötigen Hilfe<br />

Etwa die Hälfte der Raucher ist anhand klinischer Kriterien<br />

tabakabhängig (Hughes et al. 2006), die Abhängigkeit ist<br />

körperlich und psychisch. Obwohl die überwältigende<br />

Mehrheit der Raucher (80 bis 90%) prinzipiell das Rauchen<br />

Abb. 4: Therapieschema „Einfach erfolgreich rauchfrei“:<br />

Die kritische Zeit in der Tabakentwöhnung wird durch bis zu<br />

fünf kurze Termine abgedeckt.<br />

18 F A C H L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

aufgeben oder zumindest ihren Zigarettenkonsum reduzieren<br />

will (Andreas et al. 2006), ist aufgrund der Abhängigkeitsentwicklung<br />

nur eine Minderheit der Raucher in der Lage,<br />

das Rauchen langfristig aufzugeben (Breitling et al. 2009).<br />

Etwa 30 Prozent der Raucher unternehmen innerhalb<br />

eines Jahres mindestens einen ernsthaften Versuch, das<br />

Rauchen einzustellen. Dieser ist ohne Unterstützung allerdings<br />

in weniger als fünf Prozent der Fälle für die nächsten<br />

zwölf Monate erfolgreich (Andreas et al. 2006). Schon der<br />

ärztliche Rat, mit dem Rauchen aufzuhören, besitzt nach<br />

neueren Studienergebnissen eine wichtige Initialwirkung<br />

für die Rauchstoppmotivation und die tatsächliche Rauchabstinenz<br />

der Patienten (Mäkinen und Alenius 2010, Stead<br />

et al. 2007).<br />

Der Zahnarzt als Therapeut?<br />

Obwohl 84 Prozent der deutschen Zahnärzte Raucherberatung<br />

für „sehr wichtig oder wichtig“ halten, gibt es bisher<br />

verschiedene Hindernisse wie Zeitmangel und fehlende<br />

Kenntnisse, um eine Raucherentwöhnungstherapie anzubieten<br />

(Gehrig 2010). Um diese Barrieren für die Durchführung<br />

von Raucherentwöhnungen zu beseitigen, haben wir<br />

eine einfache und effektive Basistherapie zur Tabakentwöhnung<br />

entwickelt. Sie ermöglicht es Zahnärzten, mit<br />

einem relativ geringen Zeitaufwand aufhörwilligen Rauchern<br />

den Ausstieg aus der Sucht zu erleichtern.<br />

Eine genaue Anleitung zu dieser Therapie mit Beispielen<br />

zur Gesprächsführung und Arbeitsmaterialien für Arzt und<br />

Patient findet sich in „Einfach Erfolgreich Rauchfrei – Ein<br />

Leitfaden für die zahnärztliche Praxis. Tabakentwöhnung in<br />

einfachen Schritten“. Im Folgenden wird die Therapie im<br />

Detail vorgestellt.<br />

Das Konzept: Einfach, erfolgreich, rauchfrei<br />

Unser Therapieansatz beruht auf einer einfachen, strukturierten<br />

Beratung durch den Zahnarzt in Kombination mit<br />

medikamentöser Unterstützung. Diese Kombination bekämpft<br />

die psychische und körperliche Abhängigkeit gleichermaßen<br />

und wird derzeit als die effektivste Therapie in der Tabakentwöhnung<br />

angesehen (Fiore et al. 2008).<br />

Die Therapiedauer beträgt etwa drei Monate. In diesem<br />

Zeitraum, der die kritischen Phasen der Vorbereitung,<br />

Entwöhnung und Stabilisierung abdeckt, werden bis zu<br />

fünf kurze Beratungstermine durchgeführt. Diese enthalten<br />

ein vorbereitendes Gespräch, drei feste Kontrolltermine<br />

sowie ein Abschlussgespräch (Abb. 4). Bei Problemen oder<br />

Rückfallgefahr wird der Patient aufgefordert, von sich aus<br />

den Arzt zu kontaktieren. Gemäß einer Metaanalyse zur<br />

Effektivität von Beratungsintensität und -frequenz, erhöhen<br />

bereits zwei bis drei kurze Gespräche mit dem Patienten<br />

die Abstinenzrate deutlich (Fiore 2008).


Die medikamentöse Unterstützung erfolgt durch therapeutisches<br />

Nikotin. Durch die ausreichend hoch dosierte<br />

Nikotinsubstitution während der etwa dreimonatigen Entwöhnungsphase<br />

werden nach dem Rauchstopp Entzugssymptome<br />

und Rauchverlangen wirksam reduziert. Die<br />

Nikotinersatztherapie gilt als effizient und sicher (Andreas<br />

et al. 2009, AWMF 2004, Fiore et al. 2008, Stead et al. 2008).<br />

Als Basismedikation dient das Nikotinpflaster, das gemäß<br />

bisherigem Rauchkonsum dosiert wird. Bei hohem Rauchkonsum<br />

oder starken Entzugssymptomen beim letzten<br />

Rauchstoppversuch können zusätzlich zum Nikotinpflaster<br />

auch schneller wirkende Nikotinpräparate (Kaugummi,<br />

Lutschtablette oder Inhaler) eingesetzt werden. Alle Nikotinpräparate<br />

sind rezeptfrei erhältlich. Trotzdem empfehlen wir<br />

dringend eine Verordnung auf zum Beispiel privatärztlichem<br />

Rezept, was die Compliance wesentlich erhöht.<br />

Einfache Entscheidungshilfen im Leitfaden ermöglichen es<br />

dem Zahnarzt, schnell die individuelle medikamentöse<br />

Therapie für seinen Patienten zu finden. Die Höhe des<br />

Rauchkonsums und der Grad der Tabakabhängigkeit sind<br />

die beiden wichtigsten Kriterien.<br />

Vor dem Start: Motivierte Patienten erkennen<br />

Wir empfehlen allen Praxen, grundsätzlich bei allen Patienten<br />

den Rauchstatus zu erfassen. Bereits in den Anamnesebogen<br />

können zum Beispiel Fragen zum Rauchen und<br />

zur Höhe des Konsums integriert werden. Nur so kann vor<br />

Behandlungsbeginn das Rauchen als Risikofaktor erkannt<br />

und entsprechend eingeschätzt werden (Gehrig 2010). In<br />

die Therapie sollten jedoch zunächst nur aufhörbereite Patienten<br />

eingeschlossen werden, bei denen mit begrenztem<br />

Aufwand gute Therapieerfolge erzielt werden können. So<br />

lässt sich die neu in der Praxis eingeführte Raucherentwöhnungsbehandlung<br />

erproben.<br />

Mit zunehmender Sicherheit in der Therapie bei Arzt und<br />

Team können später auch „härtere Fälle“ in Angriff genommen<br />

werden. Durch drei einfache Screening-Fragen können<br />

unter allen rauchenden Patienten diejenigen mit hoher Aufhörmotivation<br />

identifiziert werden. Die Fragen und mögliche<br />

Reaktionen der Patienten sind in Abbildung 5 dargestellt.<br />

Die Beratung: Mitarbeiter einbeziehen<br />

Ziel der Beratung ist es, den Patienten durch kurze<br />

Interventionen auf den Rauchstopp vorzubereiten, den<br />

Entwöhnungsprozess zu unterstützen und die erreichte<br />

Rauchfreiheit dauerhaft zu stabilisieren (Tab. 1). Die einzelnen<br />

Therapieschritte sind in unserem Leitfaden strukturiert aufbereitet<br />

und mit konkreten Gesprächsempfehlungen hinterlegt.<br />

Die Gespräche führen der Zahnarzt oder ins Programm<br />

eingewiesene Mitarbeiter. Die Kontrollen können auch<br />

telefonisch erfolgen.<br />

Abb. 5: Durch drei einfache Screening-Fragen können unter allen<br />

rauchenden Patienten diejenigen mit hoher Aufhörmotivation<br />

identifiziert werden.<br />

Das erste Therapiegespräch dient der Planung des Rauchstopps.<br />

Wir arbeiten mit der Schlusspunktmethode. Das<br />

heißt, dass der erste rauchfreie Tag innerhalb der nächsten<br />

zwei Wochen festgesetzt wird. Um dem Patienten die<br />

Angst vor Entzugserscheinungen zu nehmen, ist neben der<br />

Verstärkung der Motivation zum Rauchstopp die Verordnung<br />

und Anwendung der begleitenden Medikation ein wichtiges<br />

Ziel für dieses wenige Minuten dauernde Gespräch.<br />

Nach dem Rauchstopp sind in der einmonatigen Entwöhnungsphase<br />

drei begleitende Kontrolltermine (3, 14 und 28<br />

Tage nach Rauchstopp) vorgesehen, die auch durch Mitarbeiter<br />

oder telefonisch durchgeführt werden können. In<br />

dieser Phase ist es wichtig, dem Patienten Gelegenheit<br />

zum Erfahrungsbericht zu geben und ihm Mut zu machen.<br />

Wichtige Themen sind die Rückfallprophylaxe, zum Beispiel<br />

der Umgang mit kritischen Situationen (Bewältigungsstrategien,<br />

Alternativen) sowie die medikamentöse Unterstützung,<br />

die je nach Bedarf angepasst werden sollte. Ein vorgefertigter<br />

(Telefon-) Leitfaden hilft, keine wichtigen Themen zu<br />

vergessen. Bei einem Rückfall liegt der Fokus auf dem<br />

„Entkatastrophisieren“ der Situation. Die Tabakabhängigkeit<br />

ist eine chronische Erkrankung und viele Patienten benötigen<br />

daher mehr als einen Anlauf, um dauerhaft rauchfrei zu<br />

werden.<br />

Am Ende der Stabilisierungsphase nach zwölf Wochen wird<br />

die erzielte Rauchfreiheit „gefeiert“ (Loben! Loben! Loben!)<br />

und weitere Tipps zur Aufrechterhaltung derselben besprochen.<br />

Bei kleineren oder auch größeren Rückschlägen wird<br />

zusammen mit dem Patienten die Bereitschaft für einen<br />

neuen Versuch erörtert. Jeder Rauchstoppversuch eines<br />

Patienten, auch ein zunächst erfolgloser, sollte gewürdigt<br />

werden. <br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

19<br />

F A C H L I C H E S


DIE BERATUNG – SCHRITT FÜR SCHRITT<br />

Planen des<br />

Rauchstopps<br />

Termin 1<br />

Raucheranamnese<br />

(Konsum, Abhängigkeit)<br />

Medikation auswählen<br />

(gemäß Rauchkonsum)<br />

Rauchstopptag<br />

festlegen: Ruhigen<br />

Zeitpunkt wählen!<br />

Bewältigungsstrategien<br />

für den rauchfreien Alltag<br />

besprechen:<br />

Der „Rauchfrei-Pass“ für<br />

den Patienten hilft dabei!<br />

Beratung durch den<br />

Zahnarzt<br />

Entwöhnen und<br />

Stabilisieren<br />

Termine 2–4<br />

Rauchfreiheit erfragen<br />

Loben!!!<br />

Medikation prüfen und<br />

ggf. anpassen<br />

Tipp: Hoch genug,<br />

lange genug!<br />

Therapieverlauf<br />

besprechen: positive<br />

Veränderungen, Probleme<br />

Umgang mit<br />

Ausrutschern oder<br />

Rückfällen besprechen:<br />

Entkatastrophisieren,<br />

Mut machen!<br />

Beratung durch<br />

Zahnarzt oder<br />

Mitarbeiter<br />

(auch telefonisch)<br />

<br />

Welche Erfolge können erzielt werden?<br />

Wie bei jeder anderen Therapie ist es auch bei einer Suchterkrankung<br />

unrealistisch, eine hundertprozentige Erfolgsquote<br />

zu erwarten. Mit ärztlicher und medikamentöser<br />

Unterstützung ist eine dauerhafte Rauchfreiheit etwa bei<br />

30 Prozent der tabakabhängigen Patienten möglich (Fiore<br />

et al. 2008).<br />

Abrechnungstipps zur Tabakentwöhnung<br />

Eine strukturierte Tabakentwöhnung findet sich als Leistungsbeschreibung<br />

weder im BEMA noch in der GOZ oder<br />

in der GOÄ. Sie ist zurzeit eine reine Privatleistung. Ist der<br />

Patient an einer strukturierten Tabakentwöhnung interessiert,<br />

so wird er über den Programmablauf und die Kosten der<br />

Behandlung aufgeklärt. Für die fünf Termine können als<br />

Honorar, je nach tatsächlichem Zeitaufwand, insgesamt<br />

150 bis 200 Euro angesetzt werden. Hier empfehlen wir<br />

eine analoge Berechnung nach § 6 (1) der aktuellen GOZ.<br />

Selbstverständlich muss mit dem Patienten vor Beginn der<br />

Therapie eine entsprechende schriftliche Vereinbarung<br />

getroffen werden. Die weiteren Kosten für die notwendige,<br />

dreimonatige Medikation mit Nikotinpräparaten betragen<br />

knapp 200 Euro und müssen ebenfalls vom Patienten<br />

übernommen werden. Doch das lohnt sich – ein Durchschnittsraucher<br />

mit 20 Zigaretten täglich verraucht in drei<br />

Monaten bereits 450 Euro.<br />

20 F A C H L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

Abschließen<br />

Therapie<br />

Termin 5<br />

Rauchfreiheit erfragen<br />

Loben!!! Neustart?<br />

Medikation anpassen<br />

bzw. beenden<br />

Nicht zu früh beenden!<br />

Therapierückschau:<br />

Was war gut?<br />

Wie geht es weiter?<br />

Beratung durch den<br />

Zahnarzt<br />

(auch telefonisch)<br />

Dauer 15 Minuten Dauer ca. 5–10 Min. Dauer ca. 10 Minuten<br />

Tab. 1: Ablaufschema der Tabakentwöhnung<br />

Erste Ergebnisse einer Praxisstudie<br />

In einer bundesweiten, nicht interventionellen Studie<br />

wurde das Konzept zunächst für die hausärztliche Praxis<br />

evaluiert. Die aktuell vorliegenden Zwischenergebnisse,<br />

die vor Kurzem auf dem 13. Kongress für Suchtmedizin in<br />

München vorgestellt wurden, zeigen, dass das Konzept<br />

eine hohe Akzeptanz bei Ärzten und Patienten hat und<br />

leicht in den Praxisalltag zu integrieren ist. Durch das<br />

sorgfältige Screening der aufhörwilligen Raucher ist die<br />

Abstinenzrate hoch (Jähne et al. 2012).<br />

Der kostenfreie Leitfaden mit Gesprächsempfehlungen<br />

und Patientenmaterialien („Rauchfrei-Pass“) kann<br />

per Fax unter 09134 7073214 oder online unter<br />

www.einfach-erfolgreich-rauchfrei.de bestellt werden. <br />

Korrespondenzadresse:<br />

Dr. med. dent. Holger Gehrig M.Sc.<br />

Bismarckstraße 26, 76870 Kandel<br />

info@zahnarzt-dr-gehrig.de<br />

— Quelle: Bayerisches Zahnärzteblatt 7+8/2012<br />

DR. HOLGER GEHRIG, M.SC.<br />

1960 Geboren in Karlsruhe<br />

1987 Staatsexamen an der<br />

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg<br />

1988 Promotion an der<br />

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg<br />

1988-89 Assistenzarzt<br />

Seit 1990 Niedergelassener Zahnarzt in eigener Praxis<br />

2006 Zertifizierung Endodontie (APW)<br />

Seit 2006 Mitglied der Akademie<br />

Praxis und Wissenschaft (APW)<br />

2008 Abschluss des postgradualen Fortbildungsprogramms<br />

EndoAdvance (APW, AGET, VDZE)<br />

2009 Zertifizierung durch die European Society of<br />

Endodontology (ESE)<br />

2010 Master of Science Parodontologie und Periimplantäre<br />

Therapie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg<br />

Seit 2010 Gastzahnarzt an der Poliklinik für Zahnerhaltungskunde<br />

der Mund-Zahn-Kiefer Klinik der Ruprecht-Karls<br />

Universität Heidelberg; Dozent an der Europäischen<br />

Akademie für zahnärztliche Fort- und Weiterbildung (eazf)<br />

der Bayerischen Landeszahnärztekammer<br />

Seit 2011 Dozent im Studiengang Master Online<br />

Parodontologie & Periimplantäre Therapie an der<br />

Albert-Ludwigs-Universität Freiburg<br />

2012 Gründungsmitglied und 2. Vorsitzender des<br />

BDZmed e.V. (Bildgebende Diagnostik in der Zahnmedizin)


Aspekte der Implantologie bei<br />

Parodontitispatienten<br />

Einleitung<br />

Die prothetische Rehabiliatation nach Zahnverlust unterschiedlichster<br />

Genese ist dank implantologischer Möglichkeiten<br />

deutlich erweitert worden. Basierend auf den Daten<br />

der DMS IV (2006), ist der Anteil der erwachsenen Patienten<br />

mit parodontaler Erkrankung und damit einhergehendem<br />

Zahnverlust im Vergleich zur Voruntersuchung signifikant<br />

gestiegen.<br />

Wie sind vor diesem Hintergrund die Erfolgsaussichten der<br />

implantat-prothetischen Rehabilitation?<br />

In der Implantologie wird der Behandlungserfolg prinzipiell<br />

sowohl von allgemeinen patienten- und implantatbezogenen<br />

als auch von lokalen anatomischen und biomechanischen<br />

Faktoren beeinflusst (Buser et al. 2000, Lang et al. 2000,<br />

Schwarz 2000).<br />

International haben sich in der zahnärztlichen Implantologie<br />

folgende Trends herauskristallisiert (Buser et Belser 1998,<br />

Watzek et Mailath-Pokorny 2000, Hermann et Cochran 2005,<br />

Meyer et al. 2012):<br />

Titan als bevorzugtes Material, Titanoxid ist der Schlüssel<br />

zur Osseo- und Mukointegration<br />

Schraubenform des Implantats<br />

raue Implantatoberfläche intraossär<br />

offene Einheilung<br />

bei festsitzender prothetischer Versorgung zementierte<br />

Befestigung von Suprastrukturen<br />

verzögerte Sofortimplantation oder Sofortimplantation<br />

Orientierung der Implantatposition an der Prothetik unter<br />

Berücksichtigung der periimplantären (Weich-)Gewebereaktion.<br />

Inwiefern der Parodontalstatus eines Patienten den Erfolg<br />

einer implantologischen Versorgung kompromittiert bzw.<br />

wie eine Periimplatitis bei Parodontitispatienten therapiert<br />

wird, das sind relevante Fragen im Praxisalltag. Die Abb. 1<br />

stellt die entsprechenden Allgemeinursachen für einen<br />

Implantatmisserfolg zusammen.<br />

Vor diesem Hintergrund sollen im Folgenden einige implantologisch-parodontologische<br />

Aspekte aus chirurgischer Sicht<br />

diskutiert werden (Abb. 2, Seite 23). <br />

Abb. 1: Ursachen für einen Misserfolg<br />

bei implantologischer Versorgung.<br />

Während eine fehlende<br />

Osseointegration in einem frühen<br />

Inadäquate Hygiene<br />

Verlust resultiert, ist die Periimplantitis<br />

die häufigste Ursache für einen<br />

späten Implantatverlust. Die Parodontitis als möglicher Risikofaktor<br />

wirkt sich demzufolge weniger in der Anfangsphase aus<br />

(Ausnahme aggressive Parodontitis), was die Bedeutung der<br />

Nachsorge unterstreicht (risikoadaptiertes Intervall 3-12 Monate).<br />

ZUSAMMENFASSUNG<br />

Inadäquate Indikation<br />

Inadäquate OP-Technik<br />

Inadäquate Rekonstruktion<br />

Bei Parodontitis-Patienten, die eine implantologische Behandlung<br />

erhalten, sind einige Besonderheiten sowohl in der Anfangsphase<br />

als auch in der Nachsorge zu berücksichtigen, um den<br />

Langzeiterfolg der Therapie nicht zu gefährden. Dies betrifft<br />

sowohl Patienten mit adulter, chronisch verlaufender Form und<br />

noch mehr solche mit aggressiver Parodontitis. Fragen zur<br />

Differenzialtherapie (parodontologisch vs. implantologisch),<br />

zur Erhaltung und Wiederherstellung der parodontalen bzw.<br />

periimplantären Strukturen sowie zum Periimplantitisrisiko und<br />

der Periimplantitistherapie werden diskutiert.<br />

Schlüsselwörter:<br />

Implantologie, Parodontitis, Perioprothetik, Periimplantitis,<br />

Strukturbiologie<br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

21<br />

Fotos: © Dr. Reich<br />

F A C H L I C H E S


(Dentaler) Status Implantaterfolgsrate Periimplantitisrisiko<br />

Bezahnter Patient 95 bis 97 % Hängt von der Nachsorge ab. Bis zu 14,3-fach höher bei<br />

schlechter Mundhygiene (Watzek et Mailath-Pokorny 2000,<br />

Heitz-Mayfield et al. 2010)<br />

Zahnloser Patient Unterkiefer 95 %,<br />

Oberkiefer 68 %<br />

Chronische Parodontitis<br />

in der Anamnese<br />

Aggressive Parodontitis<br />

in der Anamnese<br />

Rauchen in der<br />

Anamnese<br />

Tab. 1: Implantaterfolgsrate und Periimplantitisrisiko. Bei parodontal gesunden Patienten wird die periimplantäre Mukositis in 40 Prozent<br />

bzw. die Periimplantitis in 10 Prozent der Fälle beobachtet (Swierkot et al. 2012). Das entsprechende Risiko ist recht breit gestreut.<br />

<br />

Es sei vorangestellt, dass das therapeutische Herangehen<br />

an komplexe Probleme eines Parodontitispatienten aus<br />

rein parodontologischer, prothetischer und – wie noch zu<br />

zeigen ist – auch rein implantologischer Sicht nicht ausreichend<br />

ist. Es bedarf daher eines individuellen perioprothetischen<br />

Behandlungskonzeptes (Grunder et Gaberthüel<br />

1990). Es orientiert sich an der Gewebereaktion auf die<br />

einzelnen zahnärztlichen Maßnahmen (technisch und<br />

biologisch). Konkret bedeutet dies, dass erstens stabile<br />

periimplantäre Gewebeverhältnisse (Knochen und<br />

Weichgewebe) anzustreben sind und zweitens diese die<br />

Implantatposition vorgeben.<br />

Während in den Anfängen der Implantologie die Implantatinsertion<br />

knochenorientiert und später restaurationsorientiert<br />

war, ist die heutige Implantationstechnik gewebeorientiert<br />

(„tissue-directed implant placement“; Hermann et Cochran<br />

2005). Die praktische Anwendung dieser Forderung beim<br />

Parodontitispatienten ist Gegenstand weiterer Ausführungen.<br />

1. Indikation – Parodontologische Zahnerhaltung<br />

vs. Implantologie?<br />

Bei der Therapieentscheidung im Praxisalltag stellt sich oft<br />

die Frage nach dem Zahnerhalt. Dabei ist zu berücksichtigen,<br />

dass hinsichtlich der Prognose parodontal vorgeschädigter<br />

Zähne durchaus Überlebensraten von 80 Prozent nach 30<br />

Jahren bei regelmäßiger Nachsorge gefunden werden können<br />

(Axelsson et al. 2004), jedoch ist der Ausgangsbefund<br />

entscheidend (Huynh et al. 2009). Andererseits ist prospektiv<br />

abzuwägen, wie viel Knochenabbau infolge einer Parodontitis<br />

hingenommen wird, bis eine Entscheidung für die<br />

Extraktion und Implantation zu treffen ist (vgl. Machtei et<br />

22 F A C H L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

70 bis 90 % 3- bis 5-fach höher als bei parodontal gesunden Patienten<br />

(Heitz-Mayfield et al. 2009).<br />

Bei Rauchern 5-fach erhöht. Bei simultaner Augmentation mit<br />

bovinem Knochenmineral etwa 3-fach höher (Franke 2011)<br />

Unterkiefer 93 %,<br />

Oberkiefer 85 %<br />

Mukositisrisiko 3-fach, Periimplantitisrisiko 14-fach erhöht<br />

(Swierkot et al. 2012)<br />

80 bis 96 % Periimplantitisrisiko 3-bis 4,6-fach höher<br />

(Heitz-Mayfield et al. 2009)<br />

al. 2006 hinsichtlich des parodontalen vs. periimplantären<br />

Knochenschwundes). Ersterer hängt bekanntermaßen von<br />

der Art der parodontalen Erkrankung und therapeutischen<br />

Intervention ab. Erwiesen ist, dass der Biofilm bei der Entwicklung<br />

von Resistenzen und als Bakterienreservoir eine<br />

wichtige Rolle spielt (Sedlacek et Walker 2007).<br />

Für solche und ähnliche Konstellationen sind systematische<br />

Behandlungsalgorithmen erarbeitet worden (Hannahan et<br />

Eleaser 2008, Lundgren et al. 2008, Cortellini et al. 2011).<br />

Ein evidenzbasiertes Behandlungsprotokoll der Parodontitis<br />

ist allgemein etabliert (Mombelli et al. 2011) und bei dieser<br />

Diskussion eine Voraussetzung. Demzufolge kann durch<br />

nicht-chirurgische und antibiotische Maßnahmen der Bedarf<br />

an parodontalchirurgischen Maßnahmen reduziert werden.<br />

Die Frage nach parodontologischer vs. implantologischer<br />

Therapie stellt sich also gar nicht zu Beginn der Behandlung,<br />

sondern bei der Reevaluation drei bis sechs Monate nach<br />

der Initialtherapie. Sinnvollerweise wird zu diesem Zeitpunkt<br />

über notwendige chirurgische Maßnahmen (Lappen-OP, GTR,<br />

Extraktion und Implantation) entschieden.<br />

Konsequenz für die Praxis:<br />

Es ist eine falsche Annahme, dass durch Extraktion und<br />

Implantation eine langwierige parodontologische Behandlung<br />

umgangen werden könnte. Es geht nicht um ein Entweder-Oder.<br />

Erstens ist in jedem Fall eine Parodontitis vor<br />

Implantation zu therapieren, und zweitens sollte bei allen<br />

implantologischen Patienten eine seriöse parodontale/<br />

periimplantäre Nachsorge stattfinden.


Wann ist ein Zahn nicht erhaltungswürdig?<br />

Vor allem Molaren mit Furkationsgrad III und erste Prämolaren<br />

im Oberkiefer sind als kritische Zähne zu werten<br />

(Axelsson et al. 2004). Bei fortgeschrittenem parodontalem<br />

Attachmentverlust (> 1 /2) sollte in diesen Fällen also die<br />

Entscheidung für eine Extraktion im Sinne einer „lokalen<br />

parodontalen Sanierung“ getroffen werden. Aus chirurgischer<br />

Sicht fällt – im Vergleich zur parodontologischen –<br />

die Indikation zur Extraktion sicher großzügiger aus. Beispielsweise<br />

sind Wurzelamputationen vor diesem Hintergrund<br />

heutzutage kaum noch indiziert (Renggli 2011). Die<br />

Prognose mehrwurzeliger parodontalchirurgisch behandelter<br />

Zähne bei einer Beobachtungszeit von mindestens 5 Jahren<br />

weist eine breite Streuung von 43 bis 96 Prozent auf (GTR ><br />

resektive Technik > tunellierende Technik; Huynh-Ba et al.<br />

2009).<br />

Im Falle eines moderaten Attachementverlustes (< 1 /2) sollte<br />

im Rahmen der Implantation im ästhetischen Bereich eine<br />

Augmentation von vornherein einkalkuliert werden (vgl.<br />

Punkt 4 u. Abb. 3; Machtei et al. 2006). Gründe dafür sind<br />

erstens die infolge der Parodontitis bereits eingetretene<br />

unästhetische Verlängerung der klinischen Krone (Iselin et<br />

al. 1990), zweitens die zusätzlich zu erwartende Rezession<br />

nach parodontalchirurgischen Maßnahmen, drittens die<br />

Alveolenatrophie nach Zahnextraktion (vor allem buccal;<br />

Hämmerle et al. 2012, Tan et al. 2012) und viertens die<br />

Erwartungen des Patienten im Rahmen der implantologischen<br />

Versorgung (funktionelle und ästhetische Verbesserung;<br />

Grunder et Gaberthüel 1990).<br />

Vorgehen<br />

bei Verlust<br />

parodontaler<br />

Strukturen<br />

Periimplantäre<br />

anat.<br />

Besonderheiten<br />

Periimplantitis<br />

Um die Frage der Erhaltungswürdigkeit zu beantworten,<br />

gilt es, den Langzeiterfolg von parodontal behandelten<br />

Zähnen und Implantaten zu vegleichen (Renggli 2011).<br />

Wenngleich das klinische Attachmentniveau in einem<br />

Beobachtungszeitraum von sechs Jahren sich nicht unterscheidet,<br />

ist in der Implantatgruppe röntgenologisch ein<br />

geringeres Knochenniveau zu finden (Machtei et al. 2006).<br />

Daraus kann man schlussfolgern, dass der periimplantäre<br />

Knochenschwund langfristig schneller vonstatten geht als<br />

der parodontale.<br />

2. Planung – Periimplantäre anatomische Besonderheiten<br />

Das periimplantäre Weichgewebe entspricht in den Grundzügen<br />

dem dentogingivalen Verschluss (Berglundh et al.<br />

1991). Die Reaktion des Attachements auf die Sondierung<br />

ist ebenfalls vergleichbar – restitutio innerhalb von fünf Tagen<br />

(Heitz-Mayfield et Lang 2000). Es bestehen aber deutliche<br />

strukturelle Unterschiede. Das Saumepithel um das Implantat<br />

hat eine Höhe von 2 mm (Basallamina und Hemidesmosomen),<br />

es folgt eine 1,5 mm breite Kontaktzone Titan<br />

– Bindegewebe (zellärmer und kollagenreicher als beim<br />

natürlichen Zahn), bevor das knöcherne Implantatbett<br />

folgt. Im Unterschied zum natürlichen Zahn ist der Verlauf<br />

der Kollagenfasern des Bindegewebsbandes (zum Periost<br />

oder krestalen Knochen ziehend) allerdings parallel zur<br />

Implantatoberfläche, was sich bei der Sondierung als<br />

geringerer Widerstand bemerkbar macht. Das unmittelbare<br />

Bindegewebe ist frei von Gefäß- und Nervenstrukturen<br />

(Abrahamsson et al. 1996, Hermann et Cochran 2005). <br />

Parodontitis<br />

als Risiko für<br />

Implantate<br />

Perioprothetik<br />

Parodont.<br />

Zahnerhaltung<br />

vs. Implantat?<br />

Abb. 2: Aspekte der Implantologie bei Parodontitispatienten im Erwachsenenalter. Sechs parodontologisch-implantologische Fragestellungen<br />

sind praxisrelevant und stehen in enger Wechselbeziehung. Behandlungsplanung: 1. Erstellung eines perioprothetischen<br />

Behandlungskonzeptes, 2. die Diskussion über die Differenzialtherapie unter Berücksichtigung 3. der periimplantären Strukturbiologie<br />

und deren Stabilität. Praktische Umsetzung und Nachsorge: 4. Möglichkeiten des Hart- und Weichgewebsmanagements, 5. Einschätzung<br />

und Minimierung des Periimplantitisrisikos, 6. geeignete Periimplantitistherapie.<br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

23<br />

F A C H L I C H E S


Zeitpunkt Weichgewebsmanagement Hartgewebsmanagement<br />

vor Implantation Erhalten der mukogingivalen Grenze,<br />

Mukogingivale und präprothetische Chirurgie,<br />

Freies Gingiva-Bindegewebstransplantat<br />

im Rahmen der<br />

Knochenaugmentation<br />

im Rahmen der<br />

Implantation<br />

im Rahmen der<br />

Implantatfreilegung<br />

im Rahmen der<br />

prothetischen<br />

Versorgung<br />

<br />

Konsequenz für die Praxis:<br />

Die Qualität des Attachements im Sinne der Widerstandsfähigkeit<br />

ist bei Implantaten eher schlechter. D. h. eine<br />

periimplantäre Mukositis kann sich viel schneller als eine<br />

Gingivitis zum Knochen ausbreiten (Renggli 2011) und zu<br />

einer Periimplantitis werden (Tab. 1 – Seite 22).<br />

Die Vertikalposition der biologischen Breite – auch beim<br />

Implantat bestehend aus Sulkustiefe, epithelialem und bindegewebigem<br />

Attachement (ca. 2,7 mm; Terheyden 2010)<br />

– ist zunächst vom Knochenangebot abhängig. Ferner ist<br />

auch die Lage des Mikrospaltes zwischen Schulter und<br />

Abutment (Implantatdesign, -insertion) bestimmend (Lazzara<br />

et Porter 2006). Die Position der biologischen Breite entspricht<br />

bei transgingival inserierten Implantaten am nächsten den<br />

physiologischen Verhältnissen. Bei subgingivalen Implantaten<br />

ist langfristig mit einer Verlagerung der biologischen Breite<br />

nach apikal eher zu rechnen (Hermann et Cochran 2005).<br />

Im ersten Jahr ist auch bei entzündungsfreien Verhältnissen<br />

prinzipiell mit einem Knochenabbau von rund 1 bis 1,5 mm<br />

zu rechnen, danach 0,1 mm pro Jahr (Renggli 2011).<br />

Angesichts eines möglichen Höhenverlustes des augmentierten<br />

Kieferkamms mit partikuliertem Knochen von 20<br />

Prozent empfiehlt sich deshalb beim Knochenaufbau eine<br />

diskrete Überkorrektur (Terheyden 2010). Diese Besonderheiten<br />

sind bei dem Wiederaufbau parodontaler Strukturen<br />

in der Frontzahnregion des Oberkiefers zu berücksichtigen.<br />

24 F A C H L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

Resektive und regenerative parodontalchirurgische<br />

Maßnahmen, Verschiebelappen,<br />

Gestielter Palatinallappen<br />

Positionierung, Schnittführung,<br />

Schonung der Papille<br />

Exzision. Verdrängung. Apikaler<br />

Verschiebelappen. Rolllappentechnik<br />

Elektrokaustische Formung, flexible Zahnfleischepithese<br />

als ultima ratio (Iselin et al. 1990).<br />

Parodontalhygienische Restauration<br />

Nachsorge Periimplantitistherapie laut CIST-Protokoll, DD<br />

Mundschleimhauterkrankungen, Biopsie bei<br />

therapie-refraktärer Periimplantitis!<br />

Erhalten der Alveole (bes. bukkale Lamelle),<br />

schonende Extraktion, forcierte Extrusion der<br />

Zähne<br />

Bohrspäne, ggf. in Kombination mit Knochenersatzmaterialien,<br />

Sinus lift, Blocktransplantat,<br />

Distraktionsosteogenese<br />

Knochenkondensation, Bone split, Nervlateralisation,<br />

bikortikale Verankerung, GTR-Technik<br />

Priorität der offenen Einheilung<br />

(cave Kontraindikationen)<br />

Periimplantitistherapie laut CIST-Protokoll<br />

Tab. 2: Behandlungsziele und -möglichkeiten bei parodontalem bzw. periimplantärem Attachementverlust: Die prothetische<br />

Rehabilitation der Parodontitispatienten mit konventioneller Prothetik und Implantat-Prothetik (festsitzend oder herausnehmbar)<br />

muss parodontal-hygienischen Anforderungen genügen.<br />

Konsequenz für die Praxis:<br />

In ästhetisch anspruchsvoller Region (Tarnow et al. 2003,<br />

Zetu et Wang 2005) kann das zunächst erzielte Ergebnis<br />

des periimplantären Weichgewebes und insbesondere der<br />

Zahnfleischpapille (Hanser 2010) infolge einer Rezession<br />

beeinträchtigt werden. Es droht ein metallisches Durchschimmern<br />

oder gar eine Exposition der Implantatschulter.<br />

Die gewünschte Höhe des krestalen periimplantären Knochens<br />

liegt idealerweise eine biologische Breite apikal der<br />

geplanten Gingivahöhe, die wiederum von der Dimension<br />

der prothetischen Krone vorgegeben wird.<br />

Eine nicht zu vernachlässigende Besonderheit unter funktionellen<br />

Gesichtspunkten ist die Biomechanik. Implantate<br />

haben eine zehnmal geringere Mobilität (Resilienz) und<br />

eine zehnmal geringere Sensibilität als natürliche Zähne<br />

(Hämmerle et al. 1995). Während desmodontale Mechanorezeptoren<br />

die Zähne und das Parodontium vor exzessiven<br />

Kaukräften schützen (Schutzreflex!), fehlen diese bei Implantaten<br />

(Meyer et al. 2012). Hier kommen alternative Afferenzen<br />

von Mechanosensoren (Kiefergelenk, Muskulatur, Haut,<br />

Schleimhaut, Periost) zum Tragen, was als Osseoperzeption<br />

bezeichnet wird (Klineburg et Murray 1999).


Konsequenz für die Praxis:<br />

Bei Implantaten wirken sich okklusale Interferenzen und<br />

Frühkontakte entsprechend schädlicher aus: Förderung der<br />

Periimplantitis infolge eines okklusalen Traumas, Lockerung,<br />

Bruch, Defekt der Keramikverblendung. Hier ist auch ein<br />

limitierender Faktor für die Sofortbelastung bei ungenügender<br />

Primärstabilität zu sehen. Die bei Patienten mit rein<br />

implantatgetragenen Brücken nachgewiesene schlechtere<br />

Anpassung der Kaukinematik und Kaumuskelaktivität an<br />

die Nahrungskonsistenz während des Kauzyklusses wird<br />

eben auf das Fehlen von desmo-dontalen Mechanorezeptoren<br />

zurückgeführt (Grigoriadis et al. 2011).<br />

Zur Vermeidung einer mechanischen Überlastung (Schwarz<br />

2000, Sahin et al. 2001) bereits in der Frühphase nach<br />

Eingliederung des Zahnersatzes sind bei mehreren Implantaten<br />

der Sheffield-Test 1 (Eisenmann et al. 2004) und die<br />

Ante-Regel 2 (Heydecke et al. 2008) hilfreich.<br />

3. Prognose – Parodontitis als Risiko für Implantate?<br />

Während für die chronische Parodontitis keine signifikant<br />

höheren frühen Implantatverlustraten gefunden wurden,<br />

weisen Patienten mit einer aggressiven Parodontitis eine<br />

um 2,5 Prozent höhere frühe Verlustrate – keine Osseointegration<br />

– auf (Laugisch et al. 2011).<br />

Hinsichtlich der späten Verlustrate ist nachgewiesen, dass<br />

die bakterielle Plaque an Zähnen und an Implantaten eine<br />

große Ähnlichkeit aufweist und die hohe Keimdichte im<br />

Sulkus gingivalis als Risiko wie für Nachbarzähne so auch<br />

für Implantate gilt.<br />

Laut einer aktuellen prospektiven Cohorten-Studie ist das<br />

Risiko des Implantatverlustes bei aggressiver Parodontitis<br />

etwa fünffach deutlich erhöht, das Periimplantitisrisiko<br />

sogar um den Faktor 14 (Swierkot et al. 2012). Dagegen ist<br />

bei chronischer adulter Parodontitis das Periimplantitisrisiko<br />

drei- bis vierfach höher (Heitz-Mayfield et al. 2009).<br />

Laut Behle (2007) ließen sich in einem zehnjährigen<br />

Beobachtungszeitraum bei Patienten mit einer aggressiven<br />

Parodontitis eine Implantaterfolgsrate von 83 Prozent vs.<br />

Zahnüberlebensrate von 76 Prozent ermitteln.<br />

Watzek und Mailath-Pokorny (2000) haben folgenden<br />

Zusammenhang zwischen der Implantatprognose in<br />

Abhängigkeit von der Ursache des zuvor eingetretenen<br />

Zahnverlustes in absteigender Reihenfolge aufgezeigt:<br />

Nichtanlage > Karies > Endodontische Komplikationen ><br />

Trauma >> Parodontitis >> Okklusales Trauma.<br />

Konsequenz für die Praxis:<br />

Unter Beachtung der in Tabelle 1 quantitativ zusammengefassten<br />

Implantaterfolgsraten und des Periimplantitisrisikos<br />

für verschiedene Patientensubgruppen muss die Frage, ob<br />

Abb. 3: Kriterien der idealen Gingiva-Architektur in der Frontzahnregion.<br />

Merkmale der idealen Gingiva-Architektur: 1. gingivale<br />

Grenze der mittleren Schneidezähne auf einem Niveau (Symmetrie!).<br />

2. gingivale Grenze der mittleren Schneidezähne apikaler<br />

als die der seitlichen Schneidezähne. 3. Verlauf entspricht dem<br />

Verlauf der Schmelz-Zement-Grenze (vgl. Kokich 1996). Einflussfaktoren<br />

der natürlichen Ästhetik/interdentalen bzw. interimplantären<br />

Papille: 1. Volumen des krestalen Knochens, 2. Dicke, Textur<br />

und Profil der Gingiva, 3. Design und Position des Implantats,<br />

4. Form des Zahnersatzes (Position des Kontaktpunktes, individuelle<br />

keramische Abutments; Tarnow et al. 2003, Jovanovic 2005,<br />

Zetu et Wang 2005).<br />

die marginale Parodontitis ein Risiko für Implantate darstellt,<br />

also eindeutig bejaht werden. Als Bakterienreservoir für die<br />

Implantatbesiedlung kommen neben den Nachbarzähnen<br />

(Parodontitis) der Speichel, Schleimhäute, die Zunge und<br />

Tonsillen in Frage (Laugisch et al. 2011).<br />

4. Präimplantologisches Vorgehen bei<br />

Verlust parodontaler Strukturen<br />

Dennoch profitieren auch parodontologische Patienten von<br />

einer implantologisch-prothetischen Rehabilitation. Bei<br />

bereits eingetretenem Verlust parodontaler Strukturen sollte<br />

der Behandler im Zuge der notwendigen Augmentation<br />

die natürliche Struktur, Funktion und Ästhetik als Referenz<br />

gemäß dem Grundsatz „Form is function“(Meyer et al.<br />

2012, Abb. 3) nutzen. Allgemeine und spezielle Aspekte<br />

des Hart- und Weichgewebsmanagements sind in Tab. 2<br />

zusammengefasst (Burghardt 1999, Schliephake et Iglhaut<br />

2009, Hanser 2010). Welche Augmentationstechnik gewählt<br />

wird, hängt vom Ausmaß des Attachmentverlustes und der<br />

Lokalisation ab (vgl. Terheyden 2010).<br />

Konsequenz für die Praxis:<br />

Mukogingival-chirurgische, parodontalchirurgische und<br />

klassische präprothetische Maßnahmen als Bestandteil<br />

der Implantologie <br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

25<br />

F A C H L I C H E S


Atraumatische OP-Technik insbesondere in der Frontzahnregion<br />

(Schnittführung, Schonung der bukkalen Kortikalis<br />

etc.; Burkhardt 1999, Schliephake et Iglhaut 2009).<br />

Berücksichtigung der idealen Gingiva-Architektur (Kokich<br />

1996) bzw. des ästhetischen Dreiecks (Hartgewebe –<br />

Weichgewebe – Restauration; Zetu et. Wang 2005) als<br />

Referenz (siehe Abb. 3)<br />

Beachtung der Distanzen vom Limbus alveolaris zum<br />

Kontaktpunkt der künftigen Krone (= Papillenspitze)<br />

zwecks Ausformung einer regelrecht proportionierten<br />

Gingivapapille: zwischen zwei Zähnen 5 mm, zwischen<br />

Zahn und Implantat weniger als 5 mm, zwischen zwei<br />

Implantaten 3,4 mm (Tarnow et al. 2003, Zetu et. Wang<br />

2005)<br />

5. Nachsorge – Periimplantitistherapie<br />

Die periimplantäre Mukositis bzw. Periimplantitis weisen<br />

grundsätzliche Ähnlichkeiten mit der Gingivitis bzw. Parodontitis<br />

auf, und zwar ätiologisch, immunologisch-mikrobiologisch<br />

(Dominanz der Gram-negative anaerobe Flora),<br />

klinisch, radiologisch und auch therapeutisch (Heitz-Mayfield<br />

et Lang 2000, Lang et al. 2000). Die periimplantäre<br />

Knochenregeneration ist allerdings unter ähnlichen biologischen<br />

Bedingungen einfacher zu erzielen als die Regeneration<br />

von Knochen, parodontalem Ligament und Zement,<br />

da beim Implantat lediglich zwei Arten der Oberflächen bei<br />

deren gleicher Zusammensetzung vorhanden sind (Bories<br />

et al. 2011).<br />

Die Stabilität der Parodontitis- und Periimplantitistherapie<br />

hängt von den drei gemeinsamen Schlüsselfaktoren<br />

DR. WALDEMAR REICH<br />

Jahrgang 1975, geboren in Abai<br />

(ehemalige UdSSR). Abitur 1996 in<br />

Osnabrück, Zahnmedizinstudium bis<br />

2002, Medizinstudium bis 2009 in<br />

Halle (Saale). Promotion Dr. med. dent. 2005.<br />

Seit 2009 Arzt an der Universitätsklinik und Poliklinik<br />

für Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschirurgie der<br />

Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Direktor Prof.<br />

Dr. Dr. J. Schubert.<br />

Korrespondenzadresse<br />

Telefon:0345 5575228<br />

Fax: 0345 5575235<br />

E-Mail: waldemar.reich@medizin.uni-halle.de<br />

26 F A C H L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

gute Mundhygiene,<br />

regelmäßiges Recall und<br />

Nikotinkarenz ab (Axelsson et al. 2004, Heitz-Mayfield et<br />

al. 2009, Mombelli et al. 2011, Renggli 2011).<br />

Die Einteilung des Schweregrades der Periimplantitis erfolgt<br />

in fünf Grade:<br />

Grad I: Plaque, Blutungspunkte<br />

Grad II: + geringe Taschenbildung (4-5 mm)<br />

Grad III: + Taschenbildung (> 5 mm)<br />

Grad IV: + Osteolyse<br />

Grad V: + Lockerung.<br />

Konsequenz für die Praxis:<br />

Für die Behandlung einer manifesten Periimplantitis gilt<br />

Folgendes:<br />

Ziel: gesundes periimplantäres Gewebe,<br />

Vermeidung von biologischen Komplikationen<br />

Weg: „Parodontitis-Therapie“<br />

Schritte: CIST-Protokoll<br />

(Cumulative Interseptive Supportive Therapy)<br />

– professionell unterstützte Mundhygiene, Plaque-<br />

Entfernung (mechanisch, antiseptisch, antibiotisch)<br />

– Ausschalten von Fehlbelastungen<br />

– chirurgischer Aufbau verlorener Knochensubstanz<br />

und konsequente Nachsorge (Kontrollintervalle je<br />

nach Risiko drei bis zwölf Monate)<br />

– ultima ratio Explantation (Periimplantitis Grad V).<br />

Während für die Parodontitistherapie als idealer Verabreichungszeitpunkt<br />

für die systemische Antibiose die erste<br />

nicht-chirurgische Behandlungsphase gilt (Reduktion des<br />

chirurgischen Therapiebedarfs; Mombelli et al. 2011)<br />

kommt die antibiotische systemische Therapie bei der Periimplantitis<br />

ab Grad III ohne Verzögerung zum Einsatz (Lang<br />

et al. 2000). Aufgrund der besonderen Oberflächencharakteristik<br />

(Abschn. 2 dieses Beitrages) ist bei der Periimplantitisbehandlung<br />

gegenüber der Parodontitistherapie eine<br />

chirurgische Intervention öfter und früher angezeigt (Heitz-<br />

Mayfield et al. 2010).<br />

Besonderheiten: Mechanische Plaqueentfernung<br />

Bei der Therapie der Periimplantitis sind einige wesentliche<br />

Besonderheiten in der Wahl der Methoden, Instrumente<br />

und Techniken zu beachten. Ungeeignet sind<br />

herkömmliche metallische Sonden, Küretten, Scaler.<br />

Gründe dafür sind erstens die Störung der Titanoxidschicht<br />

mit der Konsequenz einer beeinträchtigten Reosseo- und<br />

Mukointegration (Bories et al. 2011) sowie zweitens eine<br />

Zerstörung der glatten Oberfläche, was die Plaqueablagerung<br />

und Zahnsteinbildung begünstigt (Louropoulou<br />

et al. 2012).


Geeignete Instrumente und Hilfsmittel sind:<br />

– metallfreie PA-Sonden und Küretten aus Kunststoff,<br />

Keramik oder Titan,<br />

– teflonbeschichtete Spitzen für den Ultraschallscaler<br />

– Airpolisher, Pulver-(Wasser)-Druckluftgemisch<br />

– Vector ® -System (Airpolishing mit Ultraschallvibrationen)<br />

– Konventionelle Gummi-Kelche mit Polierpaste<br />

– CO2-, Dioden-, Er-YAG-Laser (Bories et al. 2011)<br />

– Chemisch-mechanische Dekontamination<br />

(CHX, Zitronensäure).<br />

Fazit<br />

Die periimplantäre und parodontale Gesundheit<br />

korrelieren miteinander.<br />

Vor dem Hintergrund der langfristigen Prognose sollte<br />

bei Parodontitis-Patienten mit fortgeschrittenem Attachementverlust<br />

im Molarenbereich (> 1 /2) die Indikation zur<br />

Extraktion eher großzügig gestellt werden (Reduktion des<br />

Keimreservoirs, Vermeidung weiteren Strukturverlustes,<br />

bessere Hygienefähigkeit).<br />

Parodontpathogene Keime gefährden den Langzeiterfolg<br />

der Implantate, unabhängig davon, ob es an der<br />

Droht Ihrer Praxis eine finanzielle Schieflage?<br />

Haben Sie eine gravierend sinkende Praxisrendite?<br />

Nimmt dadurch die Anzahl der unbezahlten<br />

Rechnungen zu?<br />

Haben Sie Probleme mit Ihrer Bank?<br />

Sind Ihre Rücklagen aufgebraucht?<br />

Haben Sie Existenzsorgen?<br />

vorbestehenden Parodontitis oder einer mangelnden<br />

systematischen periimplantären Nachsorge liegt.<br />

Es geht nicht um die Frage: Parodontologie vs. Implantologie,<br />

sondern um die Erstellung eines individuellen<br />

integrativen perioprothetischen Behandlungskonzeptes.<br />

Bei Beachtung etablierter Behandlungsprotokolle<br />

(abgeschlossenes Körperwachstum, Wundheilungspotenz,<br />

steriles Arbeiten, Infrastruktur, Nachsorge) sind implantologische<br />

Maßnahmen auch bei Parodontitispatienten mit<br />

einer guten Prognose realisierbar. Ähnliches gilt auch für<br />

die parodontologische Zahnerhaltung. <br />

Literaturliste beim Autor!<br />

— Quelle: Zahnärztliche Nachrichten Sachsen-Anhalt 6/2012<br />

1 Der Sheffield-Test dient der spannungsfreien Passung von<br />

implantat-getragenen Gerüsten. Durch Festziehen jeder einzelnen<br />

Schraube – distal beginnend – darf es auf dem Modell und in<br />

situ zu keiner Spaltbildung zwischen der Suprastruktur und<br />

anderen Implantaten kommen.<br />

2 Von Ante 1926 beschriebene Konstruktionsregel bei der Herstellung<br />

von Brücken. Die Oberfläche des Parodontiums der Brückenpfeiler<br />

sollte größer sein als die der ersetzten Zähne.<br />

Ist Ihre wirtschaftliche Existenz gefährdet?<br />

Ihre KZV bietet Hilfe!<br />

Ansprechpartner Ihrer KZVN sind:<br />

Christian Neubarth<br />

Mitglied im Vorstand<br />

Telefon: 0511 8405-209<br />

Jens Wendte<br />

Abteilungsleiter Finanzen<br />

Telefon: 0511 8405-310<br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

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© Dennis Owusu-Ansah/www.fotolia.de<br />

27<br />

F A C H L I C H E S


Fotos: © Dr. Dirk Vasel<br />

Parodontaltherapie – ein Update<br />

Was ist veraltet, was ist altbewährt<br />

und was ist aktuell? Dieser Fragestellung<br />

zur Parodontaltherapie geht der folgende Beitrag<br />

nach und ergänzt die theoretischen Grundlagen mit<br />

Konzepten für die Durchführung der Parodontaltherapie<br />

in der Praxis sowie mit klinischen Fallbeispielen. Der<br />

Leser erfährt auch, welche Innovationen therapeutischen<br />

Nutzen zeigen und welche eher kritisch zu sehen sind.<br />

Neben der Karies gehören die parodontalen Erkrankungen<br />

zu den häufigsten Erkrankungen des Menschen überhaupt.<br />

Mundgesundheitsstudien kommen zu dem Ergebnis, dass<br />

70 bis 80% der Menschen in Deutschland von parodontalen<br />

Problemen betroffen sind. Immerhin 10–15% der Bevölkerung<br />

leiden demnach unter einer schweren Form der Parodontitis<br />

an mindestens einem Zahn. Je nach Studie verwendeten<br />

Messwerten und Indizes können diese Zahlen<br />

jedoch deutlich schwanken. Der in Deutschland belegte<br />

Rückgang an Kronenkaries führt unmittelbar zu längerem<br />

Zahnerhalt. Es ist daher davon auszugehen, dass mehr<br />

und mehr Zähne dem Risiko ausgesetzt sein werden,<br />

parodontale Probleme zu entwickeln. Epidemiologisch<br />

betrachtet ist mit einer zunehmenden Prävalenz parodontaler<br />

Erkrankungen zu rechnen. Die Bedeutung zielgerichteter<br />

und effektiver parodontaltherapeutischer Strategien wird<br />

daher auf absehbare Zeit weiter zunehmen.<br />

28 F A C H L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

Ätiologie parodontaler Erkrankungen<br />

Um effektive und gleichzeitig minimalinvasive Konzepte für<br />

die Behandlung parodontaler Erkrankungen entwickeln<br />

und anwenden zu können, ist das möglichst umfassende<br />

Verständnis der Ätiologie dieser Erkrankungen von großem<br />

Wert. Je besser die Ursachen verstanden werden, desto<br />

zielgerichteter kann diagnostiziert und therapiert werden<br />

und desto besser ist abzuschätzen, welche neuen Materialien<br />

und Methoden zu potenziellen Verbesserungen der<br />

diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen beitragen<br />

können.<br />

Parodontale Erkrankungen entstehen auf der Basis mannigfaltiger<br />

Wechselwirkungen zwischen dem menschlichen<br />

Organismus und seinem Immunsystem auf der einen Seite<br />

sowie bestimmten Bakterien (und möglicherweise auch Viren)<br />

auf der anderen Seite (Abb. 1). Diese Wechselwirkungen<br />

werden sowohl von genetischen als auch von erworbenen<br />

und umweltbedingten Risikofaktoren stark beeinflusst. Das<br />

Ergebnis dieses sehr komplexen multifaktoriellen Geschehens<br />

sind die klinischen Zeichen parodontaler Erkrankung,<br />

mit denen sich uns der Patient präsentiert. Je mehr wir<br />

über die individuellen Risikofaktoren und die Dynamik des<br />

Erkrankungsprozesses des Patienten wissen, desto zielgerichteter<br />

und effektiver können wir therapieren.<br />

Abb. 1: Ätiologie der Parodontitis (nach Page et al. 1997). Abb. 2: Gewebsinvasion von Porphyromonas gingivalis<br />

(Lamont, Vasel et al., 1995) Literatur.


Bakterien<br />

Gingivitis und Parodontitis sind Infektionskrankheiten, bei<br />

denen sich keine Immunität gegen die Erkrankung und<br />

ihre Erreger einstellt. Es kann also im Gegensatz zu anderen<br />

Infektionen zu keiner Ausheilung der Erkrankung kommen.<br />

Nach heutigem Verständnis ist das Vorhandensein bestimmter<br />

gramnegativer anaerober Bakterien – Porphyromonas<br />

gingivalis (Pg), Tannerella forsythensis (Tf), Aggregatibacter<br />

actinomycetemcomitans (Aa), Treponema denticola (Td)<br />

und Prevotella intermedia (Pi) – unbedingte Voraussetzung<br />

für die Parodontitisentstehung. Dabei nimmt Porphyromonas<br />

gingivalis (Pg) vermutlich eine Schlüsselstellung ein. Die<br />

Bakterien haben im Laufe der Zeit diverse Eigenschaften<br />

entwickelt, die ihnen das Überleben in der parodontalen<br />

Tasche erst ermöglichen. Neben der Schwächung der<br />

Immunabwehr hat die Fähigkeit der Invasion in subepitheliales<br />

Bindegewebe und sogar in körpereigene Zellen Konsequenzen<br />

für Diagnostik und Therapie (Abb. 2). So kann<br />

insbesondere Aggregatibacter actinomycetemcomitans (Aa)<br />

in mikrobiologischen Tests unterhalb der Nachweisgrenze<br />

liegen, während er sich gleichzeitig im parodontalen Gewebe<br />

in größerer Anzahl versteckt hält. Werden auf der Basis eines<br />

Aa-negativen Testergebnisses die anderen vier Keime, die<br />

im roten (Pg, Tf, Td) und orangen (Pi) Komplex zusammengefasst<br />

werden, erfolgreich mechanisch und ggf. antibiotisch<br />

(z. B. mit Metronidazol) reduziert, kann es zu einem Rezidiv<br />

durch das Überwuchern mit Aa kommen. Aufgrund seiner<br />

Gewebsinvasivität ist der Einsatz systemischer Antibiotika<br />

(z. B. Amoxicillin) bei Vorhandensein von Aa häufig notwendig.<br />

Sämtliche parodontopathogenen Bakterien zeichnet das<br />

Vorhandensein von Lipopolysacchariden (LPS, synonym:<br />

Endotoxin) als integraler Bestandteil ihrer Zellwand aus.<br />

Die Lipopolysaccharide können als Schlüsselstoff bei der<br />

Parodontitisentstehung gelten (s. Abb. 4). Die Bakterien organisieren<br />

sich im Bereich des Parodonts in einem komplex<br />

strukturierten Biofilm, innerhalb dessen unter anderem ein<br />

primitiver Stoffwechselkreislauf stattfindet. Der Biofilm<br />

ermöglicht es den Bakterien erst, in der feindlichen Umgebung<br />

der parodontalen Tasche zu überleben. In seinem<br />

Schutz widerstehen die Bakterien sowohl der Immunabwehr<br />

des Organismus als auch lokalen und systemischen<br />

antimikrobiellen Substanzen und Antibiotika. Die Zerstörung<br />

des Biofilms muss daher nach wie vor mechanisch<br />

erfolgen. Die früher praktizierte aggressive Entfernung des<br />

mutmaßlich mit Endotoxinen verseuchten Wurzelzementes<br />

durch Wurzelglättung ist dafür aber nicht notwendig. Vielmehr<br />

nimmt man dem Organismus Regenerationspotenzial<br />

durch zu invasives Root Planing.<br />

Bei einer fortgeschrittenen Parodontitis kommt es aufgrund<br />

der immensen Menge an Bakterien bereits beim Kauen<br />

und Zähneputzen zu einer Bakteriämie. Die sich daraus<br />

ergebende chronische Belastung des Körpers mit den<br />

Parodontalkeimen und ihren Endotoxinen führt zu Auswirkungen<br />

auf den gesamten Organismus (u. a. Herz-Kreislauf-<br />

System, Komplikationen beim Diabetes mellitus). Für die<br />

Interpretation mikrobiologischer Tests ist des Weiteren zu<br />

berücksichtigen, dass es unterschiedliche Klone einer<br />

Bakterienspezies gibt, die sehr unterschiedlich pathogen<br />

sein können. Die verfügbaren kommerziellen Tests können<br />

dies nicht differenzieren. Ähnlich wie in der Kariologie<br />

werden auch Parodontalkeime bei engem Kontakt von<br />

Mensch zu Mensch übertragen. Wenn beide Partner von<br />

einer Parodontitis betroffen sind, aber nur einer davon in<br />

entsprechender Behandlung ist, kann dies zu erhöhter<br />

Rezidivgefahr beim in Behandlung stehenden Patienten<br />

führen. Idealerweise sollten daher beide Partner parallel<br />

untersucht und nötigenfalls behandelt werden.<br />

Gingivitis<br />

Ein Biofilm im Bereich des Gingivasaumes löst eine Reaktion<br />

des Immunsystems aus (Abb. 3). Dabei verlassen große<br />

Mengen von polymorphkernigen neutrophilen Granulozyten<br />

(PMN) die lokalen Blutgefäße und wandern in Richtung<br />

Biofilm. Die PMNs versuchen den Biofilm zu beseitigen,<br />

scheitern jedoch an dessen Widerstandsfähigkeit (s. o.).<br />

Zugrunde gehende PMNs setzen eine Vielzahl bioaktiver<br />

Substanzen frei, die klinisch die typischen Entzündungszeichen<br />

einer Gingivitis zur Folge haben. Aufgrund der großen<br />

Anzahl neutrophiler Granulozyten gelingt es dem Organismus<br />

jedoch den Biofilm gegen das Körperinnere abzukapseln.<br />

Solange dieser Granulozytenwall mit Hilfe ständig nachströmender<br />

PMNs aufrechterhalten werden kann, verharrt<br />

der Infektions- und Entzündungsprozess im Stadium der<br />

reversiblen Gingivitis. Die professionelle Beseitigung des<br />

Biofilms führt zu einer Restitutio ad integrum. <br />

Abb. 3: Abläufe bei einer Gingivitis.<br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

29<br />

F A C H L I C H E S


Abb. 4: Abläufe bei einer Parodontitis.<br />

<br />

Parodontitis<br />

Sowohl genetische (z. B. Neutropenie) als auch andere Risikofaktoren<br />

(z. B. Rauchen oder Diabetes mellitus) können<br />

dazu führen, dass ein funktionierender Granulozytenwall<br />

entweder gar nicht erst aufgebaut oder aber insuffizient<br />

werden kann. In der Folge können parodontalpathogene<br />

Bakterien und insbesondere deren Lipopolysaccharide<br />

(Endotoxine) in größerer Menge in das parodontale<br />

Gewebe und damit das Körperinnere eindringen (Abb. 4).<br />

Dies wiederum löst eine Kaskade weiterer Prozesse innerhalb<br />

des Parodonts aus, mit denen der Organismus nun<br />

versucht, den betroffenen Zahn abzustoßen. Die Endotoxine<br />

stimulieren körpereigene Zellen (z. B. Makrophagen) dazu,<br />

weit über das normale Maß hinaus Kollagenasen zu<br />

produzieren, die den Faserapparat des Parodonts zerstören.<br />

Des Weiteren werden erhebliche Mengen bioaktiver<br />

Botenstoffe (TNFα, IL-1β, PGE2) ausgeschüttet, die die<br />

Osteoklasten aktivieren und die Osteoblastentätigkeit<br />

reduzieren. Die Folge ist ein irreversibler Attachmentverlust,<br />

also eine Parodontitis. Bei der Parodontitis handelt es sich<br />

demnach um einen durch Bakterien provozierten Selbstzerstörungsprozess<br />

des Körpers.<br />

Genetische Risikofaktoren<br />

Eine genetische Prädisposition für Parodontitis besteht<br />

zumeist aufgrund damit einhergehender negativer Einflüsse<br />

auf das Immunsystem. So ist bei der lokalen aggressiven<br />

Parodontitis häufig ein genetisch bedingter Funktionsdefekt<br />

der neutrophilen Granulozyten nachweisbar. Darüber hinaus<br />

sind Genvarianten beschrieben worden, welche Menge<br />

und Funktion des wichtigen Antikörpers IgG2 negativ<br />

beeinflussen und damit zu einer Schwächung der Immunabwehr<br />

führen. Andere Genvarianten führen zu erhöhter<br />

Produktion bioaktiver Botenstoffe (u. a. IL-1β, PGE2), welche<br />

die Knochenzerstörung stimulieren. So ist bekannt, dass das<br />

30 F A C H L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

Allel 2 des IL-1b-Gens zu einer nahezu vierfach erhöhten<br />

Ausschüttung von IL-1β und damit einem rascheren<br />

Knochenverlust führen kann. Der so genannte Parodontitisrisikotest<br />

(PRT) beruht auf diesem Zusammenhang. Allerdings<br />

erhöht das Vorhandensein dieses Allels (Prävalenz in<br />

der Bevölkerung 25–30%) per se nicht das Risiko für die<br />

Entstehung einer Parodontitis, sondern steigert die<br />

Wahrscheinlichkeit eines aggressiveren Verlaufes einer<br />

bereits eingetretenen Parodontitis.<br />

Rauchen als Risikofaktor<br />

Durch Rauchen kommt es zur Aufnahme vieler toxischer<br />

Substanzen in den Organismus. Als Folge kann es unter<br />

anderem zu Beeinträchtigungen der Immunabwehr (z. B.<br />

reduzierte Funktion neutrophiler Granulozyten),<br />

schlechterer Wundheilung und deutlich verminderter Effektivität<br />

parodontaltherapeutischer Maßnahmen kommen.<br />

So ist das Risiko für Knochenverlust bei starken Rauchern<br />

(ab 10–15 Zigaretten pro Tag) sieben- bis achtmal größer<br />

als bei Nichtrauchern. Laut einer Publikation von Haber et al.<br />

sind bei den 20- bis 40-Jährigen 30 bis 50% der Parodontalerkrankungen<br />

hauptsächlich dem Rauchen geschuldet.<br />

Bei Patienten mit refraktärer Parodontitis handelt es sich<br />

sogar in 85 bis 90% der Fälle um Raucher. Die Raucherentwöhnung<br />

ist damit unverzichtbarer Bestandteil vorbeugender<br />

und therapeutischer Maßnahmen.<br />

Weitere Risikofaktoren<br />

Diabetes mellitus führt zu erhöhter Parodontitisprävalenz.<br />

Dies kann unter anderem mit einer Funktionsstörung der<br />

PMNs, der erhöhten Ausschüttung entzündungsfördernder<br />

Botenstoffe und dem gestörten Bindegewebs- und<br />

Knochenmetabolismus zusammenhängen. Die optimale<br />

Einstellung des Diabetes sollte höchste Priorität haben, da<br />

dies zu einer deutlichen Risikoreduzierung führt. Faktoren<br />

und Umstände, die zur chronischen Belastung des Immunsystems<br />

führen, erhöhen ihrerseits das Risiko für parodontale<br />

Erkrankungen. Hierzu gehört neben Erkrankungen<br />

des Immunsystems (z. B. HIV) wahrscheinlich auch nicht<br />

kompensierter psychosozialer Stress. Im Umkehrschluss<br />

bedeutet dies, dass sich eine Stärkung des Immunsystems<br />

positiv auf die parodontale Situation auswirken sollte.<br />

Chronische Parodontitis (lokalisiert/generalisiert)<br />

Von einer chronischen Parodontitis sind meist ältere Patienten<br />

ab dem 50. Lebensjahr betroffen (Abb. 5). Ursächlich ist<br />

häufig die Summation multipler Risikofaktoren wie<br />

Rauchen, chronischer belastender Stress, Diabetes mellitus,<br />

insuffiziente Restaurationen und schlechte Mundhygiene<br />

anzutreffen. Der Einfluss der genetischen Prädisposition ist


Abb. 5: 52-jähriger Patient mit chronischer Parodontitis. Abb. 6: 33-jähriger Patient mit aggressiver Parodontitis.<br />

eher als gering einzuschätzen. Der Knochenverlust hat<br />

überwiegend horizontalen Charakter, während vertikale<br />

Einbrüche eher die Ausnahme sind. Der Patient ist sich der<br />

Probleme häufig nicht wirklich bewusst, da er in der Regel<br />

keine Beschwerden hat und das Symptom Zahnfleischbluten<br />

gerne ignoriert wird. Den Patienten zu der erforderlichen<br />

Therapie zu motivieren, die umfangreich, eher unangenehm<br />

und mit Kosten verbunden ist, kann im Einzelfall schwierig<br />

sein.<br />

Aggressive Parodontitis (lokalisiert/generalisiert)<br />

Die häufig in Schüben rasch fortschreitende aggressive<br />

Parodontitis betrifft vielfach junge Patienten zwischen dem<br />

15. und 40. Lebensjahr (Abb. 6). Genetische Prädisposition,<br />

hochvirulente Erreger und Rauchen sind hier die Hauptrisikofaktoren.<br />

Der Knochenverlust ist meist deutlich ungleichmäßiger<br />

als bei der chronischen Parodontitis und zeigt fast<br />

immer multiple vertikale Defekte. Da sich die Patienten<br />

ihrer Probleme häufig bereits bewusst sind und sie Angst<br />

vor Zahnverlust haben, sollte die Motivation zur Mitarbeit<br />

leichter gelingen als bei Patienten mit chronischer Parodontitis.<br />

Die frühzeitige Entdeckung der Erkrankung und die<br />

konsequente Therapie sind für die Prognose der betroffenen<br />

Zähne entscheidend.<br />

Systematische Parodontaltherapie<br />

Obwohl die Mundhygiene nicht die Hauptursache der Parodontitis<br />

ist, kann eine Vorbehandlung mit professioneller<br />

Zahnreinigung (PZR) und Mundhygieneinstruktion Sinn<br />

haben (Tab. 1). Durch die Vorbehandlung können v. a. bei<br />

der chronischen Parodontitis Pseudotaschen beseitigt und<br />

damit der Umfang der zusätzlich erforderlichen Behandlungsmaßnahmen<br />

reduziert werden. Darüber hinaus kann<br />

mit der Vorbehandlung auch die Motivation des Patienten<br />

zur konsequenten Mitarbeit überprüft werden. Nach Vorbe-<br />

handlung und umfassender parodontaler Diagnostik erfolgt<br />

in der folgenden Phase der Initialtherapie die eigentliche<br />

Ursachenbeseitigung (Tab. 1). Idealerweise werden Konkremente<br />

und Biofilm dem Konzept des Full Mouth Scaling<br />

(FMS) folgend innerhalb von 24 Stunden geschlossen entfernt.<br />

Zwangsläufig kommt es im Zuge dieser Maßnahme<br />

zu einer mehr oder weniger starken Verschleppung <br />

Mundhygienephase/PA-Vorbehandlung<br />

Optimierung der Mundhygiene und<br />

Lebensumstände<br />

Professionelle Zahnreinigung (PZR)<br />

Überprüfung der Motivation,<br />

Beseitigung von Pseudotaschen<br />

Initialtherapie<br />

Deep Scaling – FMS (24 h)<br />

kleine PZR/ZR und Optimierung der Mundhygiene<br />

nach 1 und ggf. 3 und 5 Wochen<br />

ggf. zusätzlich systemische Antibiotika<br />

(nur aggressive PAR)<br />

Reevaluation nach zehn bis 12 Wochen<br />

- kompletter PAR-Status<br />

2. Phase<br />

ggf. erneute Biofilm- bzw. Konkremententfernung<br />

(offen/geschlossen)<br />

ggf. Entfernung therapieresistenter Zähne<br />

ggf. systemische Antibiotika<br />

parodontale Erhaltungstherapie (Recall)<br />

Kieferorthopädie, Prothetik, Implantologie<br />

regenerative Therapie<br />

- Emdogain<br />

- Eigenknochen, Knochenersatzmaterial<br />

Tab. 1: Therapiekonzept.<br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

31<br />

F A C H L I C H E S


parodontalpathogener Keime in die Blutbahn (Bakteriämie).<br />

Diese Bakteriämie kann insbesondere am Behandlungstag<br />

Nebenwirkungen hervorrufen, die von Abgeschlagenheit bis<br />

zu massivem Schüttelfrost reichen. Diese Nebenwirkungen<br />

beruhen primär auf einer Reaktion des Immunsystems, die<br />

vergleichbar nach Impfungen auftreten kann. Es empfiehlt<br />

sich daher, die Patienten bereits im Vorfeld auf diese meist<br />

nur am Behandlungstag selbst auftretenden Erscheinungen<br />

hinzuweisen und vom Autofahren im Anschluss an die<br />

Behandlung abzuraten. Während der folgenden sieben<br />

Tage soll der Patient auf die Interdentalreinigung verzichten<br />

und auch beim Zähneputzen das Zahnfleisch aussparen, um<br />

die Gingiva nicht weiter zu traumatisieren. Zur Reduktion<br />

der Belagsneubildung sollte der Patient zweimal täglich mit<br />

einer Chlorhexidin-(CHX) Lösung (0,2% ) spülen. Eine Woche<br />

nach FMS erfolgt eine kurze PZR, um weiche Beläge und<br />

Verfärbungen zu entfernen. Des Weiteren finden hierbei eine<br />

Zungenreinigung (ZR) mit CHX-Gel sowie Mundhygienereinstruktion<br />

und -remotivation statt. Ab diesem Zeitpunkt soll<br />

der Patient wieder mit allen empfohlenen Mundhygienemaßnahmen<br />

beginnen. Bei aggressiver Parodontitis sollte<br />

die kurze PZR noch ein- bis zweimal im 14-tägigen Abstand<br />

erfolgen, um eine möglichst optimale Wundheilung zu<br />

erzielen. Ziel der Bemühungen ist es, die Taschentiefe auf<br />

maximal 5 Millimeter zu reduzieren, um eine langfristig<br />

günstige Prognose für die Zähne zu erreichen.<br />

10–12 Wochen nach FMS erfolgt die Überprüfung des vorläufigen<br />

Behandlungsergebnisses anhand eines kompletten<br />

Parodontalstatus (Reevaluation). Zu diesem Zeitpunkt fällt<br />

die Entscheidung über weitere Behandlungsmaßnahmen.<br />

Diese können die Wiederholung des geschlossenen Deep<br />

Scaling an verbliebenen Problembereichen, die Extraktion<br />

therapieresistenter Zähne, das lokale offene Scaling oder<br />

aber den Beginn der parodontalen Erhaltungstherapie<br />

beinhalten. Innerhalb der folgenden 9–12 Monate ist bei<br />

konsequentem Vorgehen mit einer weiteren Reduktion der<br />

Taschentiefen und der Entzündungsaktivität zu rechnen.<br />

Kieferorthopädische, prothetische und implantologische<br />

Maßnahmen dürfen erst nach Herstellung weitestgehender<br />

Entzündungsfreiheit begonnen werden. Regenerative Maßnahmen<br />

eignen sich nur bei vertikalen Knochendefekten<br />

oder Furkationsbefall Grad II im Unterkiefer, wobei das<br />

Rauchen die Erfolgsaussichten regenerativer Maßnahmen<br />

erheblich reduziert. Da gerade vertikale Defekte ein nicht<br />

unerhebliches Potenzial für körpereigene Regeneration<br />

zeigen, sollte nicht zu früh chirurgisch interveniert werden.<br />

Eine erneute Reevaluation und Röntgenkontrolle dieser<br />

Defekte 12 Monate nach FMS sollte vor einem solchen<br />

Eingriff erfolgen.<br />

32 F A C H L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

Antibiotika<br />

Die Indikationsstellung für Antibiotika muss immer sehr<br />

streng erfolgen. Nur bei aggressiver Parodontitis oder sehr<br />

schwerem Verlauf der chronischen Parodontitis kann die<br />

Gabe systemischer Antibiotika erwogen werden. Die<br />

Entscheidung dafür sollte in diesen Fällen unter anderem<br />

abhängig gemacht werden von erfolglosen Behandlungsversuchen<br />

in der Vergangenheit, Allgemeinerkrankungen, bereits<br />

erfolgten Antibiotikagaben, Medikamentenunverträglichkeiten<br />

etc. Das Ergebnis einer mikrobiologischen Untersuchung<br />

allein ist für die Indikationsstellung nicht ausreichend.<br />

Wichtig ist, die Antibiose immer im Zusammenhang<br />

mit der mechanischen Biofilmentfernung zu verordnen.<br />

Eine Besonderheit stellt die seltene Form der lokalisierten<br />

aggressiven Parodontitis dar. Sehr häufig ist Aggregatibacter<br />

actinomycetemcomitans (Aa) der Schlüsselkeim dieser<br />

Verlaufsform. Aufgrund seiner Gewebsinvasivität lässt sich<br />

Aa dabei meist nicht allein durch rein mechanische Biofilmentfernung<br />

beseitigen, sodass eine systemische Antibiose<br />

erforderlich sein kann.<br />

Die Antibiose der Wahl ist in der Regel der so genannte<br />

Winkelhoff-Cocktail, bestehend aus Amoxicillin (alternativ:<br />

Ciprofloxacin) und Metronidazol (alternativ: Clindamycin).<br />

Der Cocktail wirkt sowohl gegen Aa als auch gegen die<br />

Bakterien des roten und orangenen Komplexes. Wird auf<br />

der Basis eines Keimtestes nur ein Präparat verschrieben,<br />

besteht ein erhöhtes Risiko dafür, dass die nicht antibiotisch<br />

therapierten Keime überwuchern und es zum Rezidiv<br />

kommt. Denn selbst bei negativem Testergebnis (Anzahl<br />

der Bakterien in der getesteten Tasche unterhalb der<br />

Nachweisgrenze) ist davon auszugehen, dass genug<br />

vermehrungsfähige Keime in den Nischen der Mundhöhle<br />

vorhanden sein können.<br />

Biofilm- und Konkremententfernung<br />

Ziel der Beseitigung von Biofilm und Konkrementen ist<br />

die Schaffung einer biokompatiblen Wurzeloberfläche. Die<br />

vollständige Beseitigung aller Bakterien wäre zwar wünschenswert,<br />

ist aber in der Realität nicht erreichbar. Die<br />

Reaktion der parodontalen Gewebe auf die möglichst<br />

gründliche, gleichzeitig aber auch schonende Reinigung ist<br />

von Patient zu Patient verschieden. Aus diesem Grund ist<br />

die Reevaluation und damit die Überprüfung des Therapieergebnisses<br />

nach 10–12 Wochen (s. o.) unerlässlich. Der<br />

biologische Gegner bei der Parodontitisbekämpfung ist der<br />

Biofilm. Die Konkremente sollten zwar ebenfalls möglichst<br />

gründlich entfernt werden, sie sind aber eher unerwünscht,<br />

weil sie dem Biofilm Anhaftungsmöglichkeiten bieten und<br />

der Mundhygiene sowie dem effektiven Biofilmmanagement<br />

während der parodontalen Erhaltungstherapie im Weg


Abb. 7: Schall- und Ultraschallsysteme.<br />

stehen können. Für die effektive Konkremententfernung<br />

stehen scharfe Küretten, Schall- und Ultraschallsysteme<br />

sowie bestimmte Laser zur Verfügung (Abb. 7). Für die<br />

Zerstörung des Biofilms sind stumpfe Küretten sowie<br />

Schall- und Ultraschallsysteme in niedriger Einstellung<br />

absolut ausreichend. Darüber hinaus können in bis zu<br />

5 Millimeter tiefen Taschen Pulver-/Wasserstrahlgeräte mit<br />

dafür speziell entwickelten Pulverzusätzen eingesetzt<br />

werden. Der alleinige Einsatz lokaler Antibiotika oder der<br />

antimikrobiellen photodynamischen Therapie (aPDT) ist<br />

eher kritisch zu betrachten (siehe „Eigenschaften des<br />

Biofilms“ unter der Zwischenüberschrift „Bakterien“).<br />

Parodontale Erhaltungstherapie (PET)<br />

Das Ziel der parodontalen Erhaltungstherapie ist es, den<br />

Langzeiterfolg der systematischen Parodontaltherapie zu<br />

sichern. Um das unbemerkte Fortschreiten der Erkrankung<br />

in einzelnen Problembereichen zu verhindern und lokale<br />

Rezidive frühzeitig zu erkennen, empfiehlt es sich, mindestens<br />

einmal jährlich einen kompletten Parodontalstatus<br />

zu erheben. Zentraler Bestandteil der PET ist das langfristige<br />

effektive Biofilmmanagement. In Taschen, die ein Bleeding<br />

on Probing (BOP) zeigen oder tiefer als 5 Millimeter sind,<br />

erfolgt eine schonende Biofilmentfernung (manuell oder<br />

Anamnese (systemische Erkrankungen, Rauchen,<br />

Behandlungsversuche etc.)<br />

Compliance, Mundhygiene des Patienten<br />

Prozentsatz BOP + Stellen (Schwelle 25 %)<br />

Furkationsbefall<br />

Attachmentverlust in Relation zum Alter<br />

Anzahl bereits verlorener Zähne<br />

Anzahl Sondierungstiefen über 5 mm<br />

Tab. 2: Abhängigkeit des Recallintervalls.<br />

maschinell). Bei Rauchern ist zu beachten, dass die Blutungsneigung<br />

durch das Rauchen künstlich reduziert und<br />

das BOP daher nur eingeschränkt aussagekräftig ist. Insbesondere<br />

vor der maschinellen Reinigung empfiehlt es<br />

sich, den Patienten zwei Minuten mit 0,2%iger CHX-Lösung<br />

spülen zu lassen. Damit wird die Keimbelastung im<br />

Aerosol erheblich (bis zu 90% ) reduziert. Durch die Parodontaltherapie<br />

kommt es zu erheblichen Veränderungen<br />

der Mikrobiologie in der Mundhöhle. Darüber hinaus<br />

entstehen aufgrund der Gesundschrumpfung der parodontalen<br />

Gewebe nach der Parodontaltherapie nicht selten<br />

freiliegende Wurzeloberflächen. Beides zusammen kann<br />

zu einem deutlichen Anstieg des Kariesrisikos führen. Die<br />

Karies- und ganz besonders die Wurzelkariesprophylaxe<br />

sind daher essenzielle Bestandteile der PET. Als Intervall<br />

hat sich für das erste Jahr nach Behandlungsbeginn ein<br />

Drei-Monats-Zeitraum bewährt. Ab dem zweiten Jahr wird<br />

das Recallintervall immer wieder individuell überprüft und<br />

angepasst, abhängig von einer Reihe von Parametern (Tab. 2).<br />

Häusliche Mundhygiene<br />

Die Bedeutung der häuslichen Mundhygiene für die Entstehung<br />

einer Parodontitis und den Erfolg der parodontalen<br />

Erhaltungstherapie wurde in der Vergangenheit möglicherweise<br />

überschätzt. Eine Reihe von Studien (u.a. Albander<br />

et al., 1995; Hugoson et al., 1998 und 2000; Merchant et al.,<br />

2002) kommt zu dem Ergebnis, dass auch eine effektive<br />

häusliche Mundhygiene die Entstehung einer Parodontitis<br />

bei Risikopatienten (genetische Prädisposition, Rauchen,<br />

Diabetes mellitus) nicht verhindern kann. Vielmehr bedarf<br />

es bei anfälligen Patienten einer Kombination aus<br />

häuslicher Mundhygiene und professioneller Prophylaxe.<br />

Ramfjord et al. publizierten 1982 eine Studie, für die sie<br />

Parodontitispatienten untersuchten, die sich über einen<br />

Zeitraum von 8 Jahren in der parodontalen Erhaltungstherapie<br />

befunden hatten. Das Ergebnis war, dass der Erfolg<br />

der Erhaltungstherapie unabhängig von der häuslichen<br />

Mundhygiene der Patienten war. Im Jahr 1994 kam eine<br />

Studie von Bakdash zu einem ähnlichen Ergebnis. Im<br />

Umkehrschluss bedeutet dies, dass für die Vermeidung<br />

parodontaler Erkrankungen die regelmäßige professionelle<br />

Zahnreinigung und für die Rezidivvermeidung nach erfolgter<br />

Parodontaltherapie die regelmäßige Teilnahme an der<br />

parodontalen Erhaltungstherapie wichtiger sind als die<br />

Qualität der häuslichen Mundhygiene. Eine gute häusliche<br />

Mundhygiene ist aber aus anderen Gründen dennoch<br />

wichtig. So ist sie bedeutend für die Vermeidung von<br />

Karies und bei freiliegenden Wurzeloberflächen insbesondere<br />

von Wurzelkaries. Darüber hinaus ist das diagnostisch<br />

wichtige Bleeding on Probing (BOP) nur aussagekräftig, wenn<br />

es beim Sondieren nicht schon aufgrund einer ausgeprägten<br />

Gingivitis zu sofortiger Blutung am Gingivalsaum kommt. <br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

33<br />

F A C H L I C H E S


Innovationen<br />

Zu den Möglichkeiten moderner Diagnostik gehören die<br />

auf molekularbiologischen Verfahren beruhenden mikrobiologischen<br />

Tests und der genetische Risikotest PRT. Auf<br />

beide Tests wurde weiter oben bereits eingegangen (u. a.<br />

unter der Zwischenüberschrift „Bakterien“ und „Genetische<br />

Risikofaktoren“). Ein erst vor kurzem neu eingeführter Test<br />

bestimmt chairside das Vorhandensein der aktiven Matrixmetalloproteinase-8<br />

(eine Kollagenase) in der Mundhöhle<br />

des Patienten. Inwiefern sich aus dem Testergebnis<br />

konkrete Konsequenzen für die Therapie ergeben, sollten<br />

entsprechende klinische Studien eruieren. Im Jahr 1998<br />

bekam in den USA das Medikament Periostat seine Marktzulassung<br />

(mittlerweile in Deutschland ebenfalls auf dem<br />

Markt). Es handelt sich dabei um ein niedrig dosiertes<br />

Antibiotikum (Doxycyclin), welches die gewebszerstörende<br />

Wirkung der Kollagenasen hemmt. Allerdings kann das<br />

Medikament die systematische Parodontaltherapie nur<br />

unterstützen und nicht ersetzen. Die Einnahmedauer wird<br />

mit drei bis neun Monaten angegeben, was mit möglichen<br />

Compliance-Problemen und erheblichen Mehrkosten für<br />

den Patienten einhergeht. Des Weiteren ist das langfristige<br />

Risiko für Resistenzentwicklungen auch bei niedriger<br />

Dosierung (2 x 20 mg/d) schwer abschätzbar, weshalb die<br />

Verordnung nicht unkritisch zu sehen ist. Diverse lokale Antibiotika<br />

stehen für die zusätzliche antimikrobielle Behandlung<br />

einzelner Problembereiche zur Verfügung. Wichtig ist<br />

hierbei, dass diese Medikamente in einer Form in die Tasche<br />

eingebracht werden, die zur therapeutischen Verfügbarkeit<br />

der Substanzen über mehrere Tage hinweg führt (hohe<br />

Substantivität). Lokal applizierte flüssige oder rein gelförmige<br />

Substanzen werden durch die hohe Sulkusfluidfließrate sehr<br />

schnell unter ihre therapeutisch wirksame Konzentration<br />

verdünnt, womit der Effekt fraglich ist. Alternativ zu den<br />

Lokalantibiotika wird ein 2,5 Milligramm CHX beinhaltender<br />

Chip angeboten, der seinen Wirkstoff innerhalb von 7–10<br />

Tagen in der Tasche freisetzt. Mit Resistenzentwicklungen<br />

ist beim Einsatz von CHX nicht zu rechnen. Die Hauptindikation<br />

lokal antimikrobiell oder antibiotisch wirkender<br />

Substanzen ist das lokale Taschenrezidiv während der<br />

parodontalen Erhaltungstherapie. Der Applikation dieser<br />

Medikamente sollte immer die schonende Biofilmentfernung<br />

vorausgehen. Zur Regeneration vertikaler Knochendefekte<br />

kommen Verfahren der Guided Tissue Regeneration<br />

(GTR) mit Membranen, Defektfüllern unterschiedlicher<br />

Herkunft und Schmelzmatrixproteine in Betracht. Bei den<br />

aus Schweinen gewonnenen Schmelzmatrixproteinen<br />

(SMP) handelt es sich um Wachstumsfaktoren aus der<br />

Zahnentwicklung, die zu signifikanten und mit der Membrantherapie<br />

vergleichbaren Attachmentgewinnen führen<br />

können. Allerdings liegt die Komplikationsrate beim Einsatz<br />

der SMP deutlich unter der bei Membrananwendung.<br />

34 F A C H L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

Klinische Fälle<br />

Patient 1<br />

Der 34-jährige Patient (Nichtraucher) stellte sich ein Jahr<br />

nach systematischer PARTherapie 1999 alio loco mit<br />

einem Rezidiv bei uns vor. Die Diagnose lautete:<br />

lokalisierte aggressive Parodontitis (Abb. 8). Dazu passend<br />

wurde mit einem mikrobiologischen Test Aa in sehr stark<br />

erhöhter Konzentration nachgewiesen, während die anderen<br />

vier Spezies unter der Nachweisgrenze lagen (Abb. 9).<br />

Nach entsprechender Diagnostik erfolgte ein geschlossenes<br />

Abb. 8: Patient mit lokalisierter aggressiver Parodontitis (Jahr 2000).<br />

Abb. 9: Ergebnis des mikrobiologischen Tests.


05/2000 01/2002<br />

2007 2010<br />

Abb. 10: Entwicklung der Knochensituation in Regio 36/37.<br />

05/2000 01/2002<br />

05/2005: klinische u. röntgenolog. Situation vor regenerativer Therapie<br />

OP Naht<br />

4 d post OP 21 d post OP<br />

Abb. 11: Rückgang des vertikalen Defektes.<br />

2005 2006 2007 2010<br />

Abb. 12: Knochensituation in Regio 43 post OP.<br />

Abb. 13: Situation des Zwillingsbruders.<br />

Deep Scaling der betroffenen Parodontien und die Verordnung<br />

von Amoxicillin und Metronidazol (Winkelhoff-Cocktail).<br />

Seit nunmehr elf Jahren befindet sich der Patient in<br />

konsequenter parodontaler Erhaltungstherapie (PET). Die<br />

Entwicklung der Knochensituation in Regio 36/37 ist in<br />

Abbildung 10 zu sehen. Da der vertikale Defekt mesial 43<br />

nicht komplett spontan regenerierte, wurden hier in einem<br />

mikrochirurgischen Eingriff Schmelzmatrixproteine appliziert,<br />

was in der Folge zum weiteren Rückgang des vertikalen<br />

Defektes führte (Abb. 11 u. 12). Interessanterweise hat der<br />

Patient einen eineiigen Zwillingsbruder, der sich im Jahr<br />

2008 erstmals vorstellte. Bei diesem sind ebenfalls in<br />

Regio 26/27 sowie 36/37 Knochendefekte erkennbar.<br />

Anstatt an 43 zeigt er allerdings an 11 mesial einen<br />

vertikalen Defekt (Abb. 13). Die parodontale Situation der<br />

beiden Zwillingsbrüder zeigt, dass die genetische Prädisposition<br />

eine wichtige Rolle spielt, das Ausmaß der Parodontitis<br />

aber offensichtlich auch von weiteren Risikofaktoren<br />

mitbestimmt wird.<br />

Patient 2<br />

Die 54-jährige Patientin stellte sich im April 2006 erstmalig<br />

in unserer Praxis vor. Die Verdachtsdiagnose lautete:<br />

schwere generalisierte chronische Parodontitis. Die Prognose<br />

der Zähne 11, 26 und 27 war zu diesem Zeitpunkt bereits<br />

hoffnungslos (Abb. 14). Es wurde eine systematische Parodontaltherapie<br />

nach dem FMS-Konzept durchgeführt und<br />

der Winkelhoff-Cocktail für sieben Tage verordnet. Die nicht<br />

erhaltungswürdigen Zähne wurden entfernt. Es erfolgte <br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

35<br />

F A C H L I C H E S


Abb. 14: OPG im April 2006. Abb. 17: OPG im März 2009.<br />

Abb. 15: OPG im April 2007.<br />

Abb. 16: OPG im Januar 2011.<br />

<br />

ein konsequentes Drei-Monats-Recall und eine Röntgenkontrollaufnahme<br />

im April 2007 (Abb. 15). Es zeigte<br />

sich eine erhebliche Verbesserung der knöchernen Situation<br />

im Bereich der vertikalen Defekte (z. B. Zahn 43), aber<br />

auch im Bereich der Bifurkationen des Unterkiefers. Kurze<br />

Zeit später wurde unter zeitgleicher Augmentation ein Implantat<br />

in Regio 11 inseriert. Abbildung 16 zeigt die Situation<br />

im Januar 2011. Die knöcherne Situation hat sich nicht<br />

nur stabilisiert, sondern unter dem weiteren dreimonatigen<br />

Recall weiter verbessert.<br />

36 F A C H L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

Abb. 18: Aufnahmen im November 2011.<br />

Abb. 19: Verlauf der Sondiertiefen.


Patient 3<br />

Die 49-jährige Patientin stellte sich im März 2009 erstmals<br />

bei uns vor. Die Verdachtsdiagnose lautete: lokalisierte<br />

aggressive Parodontitis (Abb. 17). Die Behandlung erfolgte<br />

analog zu Patient 1. Im November 2010 wurden Aufnahmen<br />

zur röntgenologischen Kontrolle der vertikalen Knochendefekte<br />

angefertigt. Es zeigten sich erhebliche spontane<br />

Defektfüllungen (körpereigene Regeneration) in Regio 16,<br />

13, 26, 45 und 47 (Abb. 18). Abbildung 19 zeigt den Verlauf<br />

der Sondierungstiefen (Ausgangssituation, Reevaluation<br />

nach drei Monaten, Kontrolle nach einem Jahr). <br />

Literaturliste unter www.zmk-aktuell.de/literaturlisten<br />

Korrespondenzadresse:<br />

Dr. Dirk Vasel<br />

Zahnärztliche Gemeinschaftspraxis<br />

Dres. Vasel & Ketabi<br />

Epplestraße 29A, 70597 Stuttgart,<br />

www.vasel-ketabi.de<br />

— Quelle: ZMK 6/2011<br />

DR. DIRK VASEL<br />

1992 Approbation und Promotion,<br />

Universität Tübingen<br />

1993–1995 Zweijähriger<br />

Forschungsaufenthalt mit einem<br />

Stipendium der Deutschen<br />

Forschungsgemeinschaft (DFG) in Seattle, Washington,<br />

USA, Abteilung für Parodontologie (Prof. Roy C. Page)<br />

1995–1998 3 Jahre wissenschaftl. Assistent, Abteilung für<br />

Prothetik und Implantologie an der Universitätszahnklinik<br />

Tübingen (Direktor: Prof. H. Weber)<br />

1998–2003 5-jährige Tätigkeit als Zahnarzt – davon<br />

2,5 Jahre als Oberarzt am Zahnmedizinischen Fortbildungszentrum<br />

Stuttgart, Tätigkeitsschwerpunkt Parodontologie/<br />

ästhetische Zahnheilkunde (Direktor: Prof. J. Einwag)<br />

Fortbildungsreferent für Prophylaxe und Parodontologie<br />

ebendort Vorträge und Fortbildungsveranstaltungen im<br />

In- und Ausland/Autor nationaler und internationaler<br />

Publikationen (u. a. Kapitel ‚Parodontologie’ im Klinik- und<br />

Praxisführer Zahnmedizin, Thieme Verlag)<br />

2003 Niederlassung in Gemeinschaftspraxis<br />

mit Dr. Ali-Reza Ketabi (MSc Implantologie und<br />

Prothetikspezialist [DGPto]) in Stuttgart<br />

2007 Ernennung zum Spezialisten für Parodontologie<br />

der DGP<br />

Spendenaufruf für die Aktion „Stoppt-die-e-Card“<br />

Die elektronische Gesundheitskarte ist eine Gefahr für die ärztliche Schweigepflicht und für eine gute<br />

medizinische Versorgung. Hier werden Milliarden für ein industriegetriebenes Projekt ausgegeben, das<br />

nicht den Bedürfnissen der Patienten gerecht wird. Der Deutsche Ärztetag hat auch 2012 das Gesamtprojekt<br />

entschieden abgelehnt. Seit 2007 gibt es die bundesweite Bürgerinitiative „Stoppt-die-e-Card“, die sich zum<br />

Ziel gesetzt hat, über die gesundheitsgefährdenden Folgen einer zentralen Speicherung von Krankheitsdaten<br />

aufzuklären.<br />

Wir brauchen Ihre finanzielle Unterstützung, um die kritische Aufklärung, z. B. durch<br />

Veranstaltungen und Informationsmaterialien etc., weiterführen zu können.<br />

Wir bitten deshalb um Spenden auf das Konto der IPPNW<br />

Kontonummer: 22-22210<br />

BLZ 100 205 00 der Bank für Sozialwirtschaft Berlin<br />

unter dem Stichwort „Stoppt–die-e-Card“.<br />

Ihre Spenden sind steuerlich absetzbar.<br />

Mit herzlichen Grüßen<br />

Dr. Silke Lüder, Dr. Manfred Lotze<br />

Hamburg, Sprecher der Aktion „Stoppt-die-e-Card“, IPPNW HH<br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

– Anzeige –<br />

37<br />

F A C H L I C H E S


„Ärztlicher Leitfaden Kinderschutz“<br />

VORSTELLUNG DES DIGITALEN LEITFADENS<br />

Gewalt gegen Kinder – erkennen, kompetent<br />

handeln und vorbeugen. So lautete das<br />

Motto einer Veranstaltung im großen Vortragssaal des<br />

Ärztehauses am 24. März in Hannover, die sich an Ärztinnen/Ärzte,<br />

Angehörige weiterer Gesundheitsberufe und<br />

Mitarbeiterinnen/ Mitarbeiter sozialer Einrichtungen richtete.<br />

Die Referenten gingen in ihren Vorträgen auf die<br />

vielen Facetten der Gewalt gegen Kinder aus juristischer,<br />

medizinischer und aus Sicht der Kinderschutzorganisationen<br />

ein.<br />

Der Begriff „Häusliche Gewalt“ umfasst alle<br />

Facetten körperlicher, sexueller und psychischer<br />

Gewalt in einer bestehenden Partnerschaft<br />

und/oder nach beendeter Partnerschaft und stellt einen<br />

wesentlichen gesundheitlichen Risikofaktor dar. Allein im<br />

Jahr 2011 wurden 17.000 Fälle häuslicher Gewalt in Niedersachsen<br />

von der Polizei registriert. Es ist jedoch davon<br />

auszugehen, dass viele von häuslicher Gewalt betroffene<br />

Personen nicht oder mit deutlicher zeitlicher Verzögerung<br />

eine Strafanzeige erstatten. Als mögliche Gründe hierfür<br />

sind unter anderem Scham oder die Hoffnung, dass sich<br />

der Partner ändert, sowie die Angst vor den nicht einschätzbaren<br />

Folgen einer Strafanzeige zu nennen.<br />

Wesentlicher Bestandteil einer suffizienten Strafverfolgung<br />

in Fällen von häuslicher und sexueller Gewalt ist jedoch<br />

eine zeitnahe und gerichtsverwertbare Dokumentation von<br />

Verletzungen und Sicherung objektiver Spuren. Dies war<br />

jedoch bislang ohne Erstattung einer Strafanzeige in<br />

Niedersachsen nicht flächendeckend möglich.<br />

38 F A C H L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

Gleichzeitig hatten die Techniker Krankenkasse und die<br />

Ärztekammer Niedersachsen zu einer Pressekonferenz<br />

eingeladen, auf der der „Ärztliche Leitfaden Kinderschutz“,<br />

ein gemeinsam mit dem niedersächsischen Sozialministerium<br />

initiiertes Präventionsprojekt, vorgestellt wurde.<br />

Durch diesen jetzt erstmals digitalen Leitfaden sollen Ärzte<br />

in die Lage versetzt werden, Gewalt gegen Kinder frühzeitig<br />

zu erkennen, um kompetent darauf reagieren zu können. An<br />

eine Erweiterung des Leitfadens um zahnärztliche Belange<br />

wird gedacht. http://www.kinderschutz-niedersachsen.de<br />

Gewaltopfern flächendeckend helfen<br />

VERFAHRENSUNABHÄNGIGE BEWEISSICHERUNG FÜR BETROFFENE VON<br />

HÄUSLICHER ODER SEXUELLER GEWALT<br />

Neues Projekt zur Gewaltopferversorgung<br />

Um diese bestehende Lücke in der Gewaltopferversorgung<br />

in Niedersachsen zu schließen, hat das Institut für Rechtsmedizin<br />

der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH)<br />

am 1. Juni 2012 das Projekt Netzwerk ProBeweis gestartet,<br />

welches für drei Jahre vom Niedersächsischen Ministerium<br />

für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration<br />

gefördert wird.<br />

ANGEBOT DES<br />

NETZWERKES PROBEWEIS<br />

Körperliche Untersuchung mit gerichtsverwertbarer<br />

Dokumentation und Spurensicherung<br />

Kostenfreie Untersuchung<br />

Gewährleistung der ärztlichen Schweigepflicht<br />

Aufbewahrung der Beweismittel für<br />

mindestens drei Jahre<br />

Kontakt zu Opferunterstützungseinrichtungen<br />

im Bedarfsfall<br />

(Anonyme) telefonische Beratung


Eine verbesserte und beschleunigte Zusammenarbeit aller<br />

Beteiligten soll dazu dienen, betroffenen Kindern schneller<br />

helfen und Täter schneller fassen zu können. Im Focus<br />

der Pressekonferenz sowie der Vortragsreihe standen<br />

neben den bekannten Formen der Kindesmisshandlung<br />

auch die Vernachlässigung oder der sexuelle Missbrauch<br />

von Kindern.<br />

Für den gesamten von häuslicher oder sexueller Gewalt<br />

betroffenen Personenkreis ist eine verfahrensunabhängige<br />

und vor allem niederschwellige Beweissicherung wichtig<br />

und hilfreich. Daher möchten wir auf den folgenden Beitrag<br />

des Netzwerkes „pro Beweis“ hinweisen. Darin wird<br />

das Projekt des Instituts für Rechtsmedizin der Medizinischen<br />

Hochschule Hannover (MHH) vorgestellt, das für drei<br />

Jahre vom niedersächsischen Sozialministerium gefördert<br />

wird (http://www.mh-hannover.de/probeweis.html). <br />

— loe<br />

Ziel des Projektes Netzwerk ProBeweis ist, Betroffenen von<br />

häuslicher und sexueller Gewalt, insbesondere Frauen und<br />

Mädchen, eine gerichtsverwertbare kostenfreie Dokumentation<br />

und Spurensicherung bereits vor der Entscheidung<br />

über eine Strafanzeige anzubieten, wobei die Untersuchung,<br />

Dokumentation und Spurensicherung entsprechend den<br />

derzeitigen Standards für ein Strafverfahren erfolgt. Neben<br />

den zentralen Ambulanzen des Institutes für Rechtsmedizin<br />

der MHH in Hannover und Oldenburg sollen bis<br />

Ende 2013 zehn niedersächsische Kliniken in das Netzwerk<br />

ProBeweis eingebunden werden, um dieses Angebot<br />

flächendeckend gestalten zu können.<br />

Gerichtsverwertbare Dokumentation und Spurensicherung<br />

Basierend auf dem wissenschaftlich fundierten Erfahrungsschatz,<br />

den spezifischen forensischen Kenntnissen und der<br />

Expertise in der Begutachtung von Verletzungen und der<br />

Spurensicherung erhalten die Ärzte der teilnehmenden<br />

Partnerkliniken Schulungen mit Fachärzten des Institutes<br />

für Rechtsmedizin. Zudem werden in allen Untersuchungsstellen<br />

des Netzwerkes ProBeweis standardisierte Dokumentationsbögen<br />

und speziell für dieses Projekt entwickelte<br />

Spurensicherungssets verwendet, um eine verfahrensunabhängige<br />

Beweissicherung zu realisieren. Die Dokumentation<br />

und Spurensicherung ist für die betroffenen Personen<br />

kostenlos und wird unter Wahrung der Schweigepflicht<br />

durchgeführt. Die Falldokumentationen werden für mindestens<br />

30 Jahre und Spuren für mindestens drei Jahre zentral<br />

im Institut für Rechtsmedizin der MHH (Hannover be-<br />

Foto: MHH<br />

Spurensicherungsmaterial.<br />

ziehungsweise Oldenburg) aufbewahrt, Untersuchungen<br />

der Spurenträger erfolgen nicht. Erst im Fall der Erstattung<br />

einer Strafanzeige und nach Vorlage einer Schweigepflichtentbindung<br />

werden die anlässlich der Untersuchung<br />

angefertigten Dokumentationen in Form eines von der<br />

Rechtsmedizin erstellten Gutachtens an die Ermittlungsbehörden<br />

weitergegeben und asservierte Spuren untersucht.<br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

39<br />

<br />

© kmiragaya/Fotolia.com<br />

F A C H L I C H E S


Flächendeckung und Standardisierung<br />

Somit wird mit der Etablierung des Netzwerkes ProBeweis<br />

eine flächendeckende und standardisierte Struktur zur<br />

Versorgung von Gewaltopfern im Hinblick auf die für ein<br />

späteres Strafverfahren unverzichtbare Verletzungsdokumentation<br />

und Spurensicherung angestrebt. Die Institute<br />

für Rechtsmedizin in Hannover und Oldenburg sowie die<br />

beteiligten Partnerkliniken fungieren als Anlaufstellen, so<br />

dass eine Beweissicherung nach den derzeitigen Standards<br />

für ein Strafverfahren erfolgt. Weitere Partnerkliniken in<br />

Northeim, Göttingen, Wolfsburg und Meppen sind geschult<br />

und sollen künftig als Netzwerkpartner bereitstehen. Die<br />

Adressen finden Sie im Anhang. Innerhalb der nächsten<br />

drei Jahre soll das Projekt schrittweise auf ganz Niedersachsen<br />

ausgeweitet werden.<br />

Das Land fördert das Projekt „Netzwerk ProBeweis“ mit<br />

insgesamt 810.000 Euro für drei Jahre. Zur Verwirklichung<br />

des Projektes war die freundliche Unterstützung der<br />

Gesellschaft der Freunde der MHH e.V. erforderlich und<br />

hilfreich.<br />

Gerne können Sie betroffene Patientinnen und gegebenenfalls<br />

Patienten zu einer kostenfreien und vertraulichen<br />

Dokumentation von Verletzungen und Beweissicherung zu<br />

uns schicken. Die Untersuchungen werden nach telefonischer<br />

Anmeldung im Institut für Rechtsmedizin in Hannover und<br />

Oldenburg werktags von 8 bis 16 durchgeführt, sowie<br />

nach 16 Uhr und am Wochenende in den Kliniken für<br />

NETZWERK PROBEWEIS PARTNERKLINIKEN<br />

40 F A C H L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

KONTAKTDATEN<br />

RECHTSMEDIZINISCHE<br />

AMBULANZEN<br />

Medizinische Hochschule Hannover<br />

Institut für Rechtsmedizin<br />

Sekretariat (Gabi Lüning)<br />

Carl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover<br />

Tel.: 0511 5325533<br />

E-Mail: ProBeweis@mh-hannover.de<br />

Medizinische Hochschule Hannover<br />

Institut für Rechtsmedizin<br />

Außenstelle Oldenburg<br />

Sekretariat (Imke Schulte-Brod)<br />

Pappelallee 4, 26122 Oldenburg<br />

Tel.: 0176 15324572<br />

E-Mail: ProBeweis-ol@mh-hannover.de<br />

Homepage: http://mh-hannover.de/24711.html<br />

Frauenheilkunde der MHH und des Klinikums Oldenburg<br />

gGmbH. In den Partnerkliniken Northeim, Göttingen, Wolfsburg<br />

und Meppen können die Untersuchungen nach telefonischer<br />

Anmeldung rund um die Uhr durchgeführt werden.<br />

Über den aktuellen Stand der Partnerkliniken informiert<br />

http://www.mh-hannover.de/25861.html. <br />

— Dr. med. Tanja Germerott, Dr. med. Ulrich S. Preiß,<br />

Professor Dr. med. Michael Klintschar,<br />

Professor Dr. med. Anette S. Debertin<br />

Quelle: niedersächsisches ärzteblatt 4/2013<br />

Ort Klinik Telefonnummer<br />

Göttingen, 37073 Göttingen,<br />

Robert-Koch-Straße 40<br />

Hannover, 30625 Hannover,<br />

Carl-Neuberg-Straße 1<br />

Hannover, 30625 Hannover,<br />

Carl-Neuberg- Straße 1<br />

Meppen, 49716 Meppen,<br />

Ludmillenstraße 4-6<br />

Northeim, 37154 Northeim,<br />

Sturmbäume 8-10<br />

Oldenburg, 26122 Oldenburg,<br />

Pappelallee 4<br />

Oldenburg, 26133 Oldenburg,<br />

Rahel-Straus-Straße 10<br />

Osnabrück, 49074 Osnabrück,<br />

Bischofsstraße 1<br />

Wolfsburg, 38440 Wolfsburg,<br />

Sauerbruchstraße 7<br />

Universitätsmedizin Göttingen,<br />

Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe<br />

Medizinische Hochschule Hannover (MHH),<br />

Institut für Rechtsmedizin, Gewaltambulanz<br />

Medizinische Hochschule Hannover (MHH),<br />

Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe<br />

Krankenhaus Ludmillenstift, Klinik für Gynäkologie und<br />

gynäkologische Onkologie, Chirurgische Ambulanz<br />

Helios-Albert-Schweitzer-Klinik, Klinik für Gynäkologie und<br />

Geburtshilfe, Unfallchirurgie und Orthopädie<br />

MHH – Außenstelle Oldenburg, Institut für Rechtsmedizin,<br />

Gewaltambulanz<br />

0551 396560<br />

0511 5325533<br />

01761 5321841<br />

05931 1523840<br />

05551 970 (Zentrale),<br />

05551 971293 (Gynäk. Ambulanz),<br />

05551 971225 (Chirurg. Ambulanz)<br />

01761 5324572<br />

Klinikum Oldenburg, Oldenburger Frauenklinik 0441 40310510<br />

Marienhospital Osnabrück,<br />

Klinik für Geburtshilfe und Frauenklinik, Chirurgische Ambulanz<br />

Klinikum Wolfsburg, Frauenklinik und Unfallchirurgie,<br />

Zentrale Notaufnahme<br />

0541 3260 (Zentrale)<br />

05361 801270


Rechtstipp<br />

Dank und gute Wünsche in<br />

Arbeitszeugnissen<br />

bedanke mich für die langjährige<br />

„Ich<br />

Zusammenarbeit und wünsche ihr<br />

für ihre private und berufliche Zukunft<br />

alles Gute“. Solche oder ähnliche Schlussformeln<br />

liest man nicht selten in Arbeitszeugnissen. Dagegen<br />

ist auch grundsätzlich nichts einzuwenden. Aber<br />

nicht jeder Arbeitnehmer scheidet aus der Praxis<br />

mit Wohlwollen des Arbeitgebers aus. Und in<br />

solchen Fällen entsteht schon mal die Frage, ob<br />

der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf eine<br />

solche Schlussformel besitzt. Viele Arbeitnehmer<br />

legen hierauf besonderen Wert, weil angeblich die<br />

Bewerbungschancen erhöht werden.<br />

Nach § 109 Gewerbeordnung (GewO) ist der Arbeitgeber<br />

verpflichtet, Angaben zu Art und Dauer der<br />

Tätigkeit in das Zeugnis aufzunehmen und diese<br />

auf Wunsch des Arbeitnehmers um Angaben zu<br />

Leistung und Verhalten im Arbeitsverhältnis (qualifiziertes<br />

Zeugnis) zu ergänzen. Das Bundesarbeitsgericht<br />

hat in seiner Entscheidung vom 11.12.2012<br />

(AZ: 9 AZR 227/11) aus dem Wortlaut des § 109<br />

GewO, aus dem Grundsatz der Zeugnisklarheit und<br />

der üblichen Handhabung keinen Anspruch des<br />

Arbeitnehmers auf den erwähnten Schlusssatz<br />

hergeleitet. „Die Bindung an den Ausdruck persönlicher<br />

Empfindungen, wie Dank, Bedauern oder gute<br />

Wünsche für die Zukunft ist jedoch auf den Ausdruck<br />

der jeweiligen Empfindung beschränkt und führt<br />

deshalb nicht zu einer Verpflichtung des Arbeitgebers,<br />

andere Empfindungen im Zeugnis zu formulieren,<br />

von denen der Arbeitnehmer meint, dass sie<br />

sein Arbeitgeber haben müsse.“ (BAG 11.12.2012,<br />

© eccolo/Fotolia.com<br />

9 AZR 227/11). Der Arbeitgeber kann nach Auffassung<br />

des Bundesarbeitsgerichts eine Schlussbemerkung<br />

in einem Arbeitszeugnis aufnehmen, die<br />

eine positive persönliche Empfindung und Aussage<br />

enthält, kann hierzu aber nicht gezwungen werden.<br />

Er sollte nach meiner Überzeugung auch hiervon<br />

Abstand nehmen. <br />

Wencke Boldt<br />

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht<br />

Hildesheimer Straße 33<br />

30169 Hannover<br />

Tel.: 0511 8074-995<br />

Fax: 0511 8074-997<br />

— Quelle: www.zfn-online.de<br />

© Matthias Eckert/Fotolia.com<br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

41<br />

F A C H L I C H E S


„Es ist hilfreich und inspirierend,<br />

sich mit anderen Zahnärztinnen<br />

auszutauschen“<br />

LADIES DENTAL TALK NUN AUCH IN NIEDERSACHSEN:<br />

AM 21. JUNI IN OLDENBURG<br />

Die Zahnmedizin wird weiblich. Damit ergeben<br />

sich besondere Herausforderungen.<br />

Welche das sind, damit beschäftigte sich der erste<br />

Zukunftsgipfel von ladies dental talk Anfang Februar.<br />

Mit dabei war auch Dr. Tilli Hanßen, Beauftragte des<br />

Vorstands der Kassenzahnärztlichen Vereinigung Niedersachsen<br />

(KZVN) für die Belange der Zahnärztinnen,<br />

Kreisstellenvorsitzende Harburg und u.a. Mitglied der<br />

Vertreterversammlung der KZVN und der Kammerversammlung<br />

der Zahnärztekammer Niedersachsen. Sie<br />

sprach mit der Initiatorin des ladies dental talk, der<br />

EU-Unternehmensbotschafterin Dr. Karin Uphoff.<br />

Der ladies dental talk startete 2010 in Hamburg.<br />

Inzwischen finden diese Veranstaltungen von Frauen<br />

für Frauen in etlichen weiteren Städten statt, so auch<br />

am 21. Juni in Oldenburg. Was hat Sie dazu inspiriert,<br />

Netzwerkabende für Zahnärztinnen zu initiieren?<br />

42 F A C H L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

© designaart/Fotolia.com<br />

Ich wurde vor vier Jahren zur EU-Unternehmensbotschafterin<br />

ernannt mit dem Auftrag, Frauen in ihrem<br />

unternehmerischen Denken und Handeln zu stärken.<br />

Da ich seit mehr als 20 Jahren in der Dentalbranche<br />

aktiv bin, lag für mich der Schritt nahe, zuerst hier<br />

anzusetzen. Denn ich habe es immer wieder erlebt,<br />

dass Zahnärztinnen zwar hervorragend ausgebildet<br />

sind, sich jedoch häufig nicht als Unternehmerin<br />

verstehen. Das kann in Anbetracht der immer härter<br />

werdenden Bedingungen in der Gesundheitsbranche<br />

eine Gefahr darstellen.<br />

EU-Unternehmensbotschafterin – das hört sich<br />

spannend an. Warum hat die EU-Kommission gerade<br />

Sie dazu berufen?<br />

Damit ich für andere Frauen als „Role-Model“ dienen<br />

möge: Ich habe zum einen sechs Kinder. Zum anderen<br />

leite ich seit 10 Jahren erfolgreich meine PR-Agentur,<br />

wurde in dieser Zeit mehrfach für unternehmerisches<br />

Handeln und Innovationen ausgezeichnet. Und engagiere<br />

mich auch in zahlreichen Verbänden. Die EU-<br />

Kommission befand, dies könne für andere Frauen ein<br />

Beispiel sein und ihnen zeigen, dass sie Mutter und<br />

zeitgleich Unternehmerin sein können.<br />

Was sind dabei Ihre Aufgaben?<br />

Ich sehe meine Aufgabe als Impuls-Geberin. Ich möchte<br />

Frauen Mut machen, sich nicht selbst zu beschränken,<br />

sondern selbstbewusst alles zu wollen. Sie sollen<br />

Karriere und Privatleben kombinieren, wie immer sie<br />

mögen, und das Leben dabei genießen. In meiner<br />

Funktion als EU-Unternehmensbotschafterin spreche<br />

ich Frauen in unterschiedlichen Lebensphasen an.<br />

Etwa Studierende, für die ich im Uni-Netzwerk Vorträge<br />

halte, Existenzgründerinnen bei Workshops in Kooperation<br />

mit der regionalen Wirtschaftsförderung oder


gestandene Unternehmerinnen wie die Zahnärztinnen<br />

des ladies dental talk. EU-Unternehmensbotschafterinen<br />

gibt es übrigens auch in vielen anderen Ländern<br />

Europas – und wir europäischen Botschafterinnen treffen<br />

uns regelmäßig, um länderübergreifend das Rollenverständnis<br />

der Frau als Unternehmerin zu diskutieren.<br />

Diese Meetings sind immer sehr anregend!<br />

Auch das ist also wieder ein Netzwerk von<br />

Unternehmerinnen – dies scheint ein wichtiges<br />

Thema für Sie zu sein.<br />

Ja, ich bin leidenschaftlich gern Unternehmerin und<br />

Netzwerkerin. Ich weiß aus eigener Erfahrung, wie<br />

hilfreich und inspirierend es ist, sich mit anderen über<br />

die Herausforderungen des Chefin-Seins austauschen<br />

zu können. Ich selbst habe daraus schon viele wertvolle<br />

Impulse gezogen. Frauen sind stark in der Kommunikation,<br />

unter ihresgleichen sehr offen und ehrlich, gerade<br />

auch bezüglich Schwierigkeiten, und so entwickeln sich<br />

oft sehr intensive Gespräche. Das erleben wir immer<br />

wieder bei unseren Netzwerk-Abenden.<br />

Worum geht es nun beim ladies dental talk speziell?<br />

Erfolgsgeschichten beginnen oft auf Nebenschauplätzen<br />

außerhalb der Geschäfts- und Praxisräume: Hier ein<br />

spannendes Gespräch, dort ein Vortrag oder Kontakt,<br />

durch den sich neue Ideen und andere Perspektiven<br />

auftun. Der ladies dental talk möchte Zahnärztinnen<br />

anregen, für den beruflichen und privaten Erfolg über<br />

den Tellerrand zu schauen und neue Wege zu gehen.<br />

Deshalb haben wir drei Schwerpunkte gesetzt. Der<br />

erste ist Querdenken: Der ladies dental talk gibt unternehmerische<br />

Impulse auch aus anderen Branchen, die<br />

unmittelbar im Praxisalltag eingesetzt werden können.<br />

Der zweite ist Netzwerken: Die Zahnärztinnen vernetzen<br />

sich untereinander und mit ausgewählten Partnern des<br />

ladies dental talk. Diese kommen aus unterschiedlichen<br />

Bereichen und bringen ihr Expertenwissen ein. Dabei<br />

geht es zum Beispiel um Steuer- und Finanzfragen,<br />

Praxisgestaltung und Praxismarketing, Implantologie,<br />

Zahnersatz, Versicherungen usw. Die Zahnärztinnen<br />

haben also Gelegenheit, sich Input zu holen und sich<br />

mit anderen Zahnärztinnen über Praxisführung auszutauschen.<br />

Und der dritte Schwerpunkt ist die Auszeit vom Alltag:<br />

Die Zahnärztinnen arbeiten in der Woche und bisweilen<br />

noch am Wochenende sehr hart. Der ladies dental talk<br />

bietet ihnen Gelegenheit, sich Zeit für sich zu nehmen<br />

und es sich gut gehen zu lassen. Wir wählen bewusst<br />

Orte mit einem besonderen Flair und guter Küche. Ein<br />

schmackhaftes Buffet oder 3-Gänge-Menü mit ausgewählten<br />

Getränken fördert die entspannte Atmosphäre<br />

und damit den fruchtbaren Austausch.<br />

Dr. Karin Uphoff, EU-Unternehmensbotschafterin und Gründerin<br />

von „ladies dental talk“ (rechts im Bild) und Jesteburger Zahnärztin<br />

Dr. Tilli Hanßen, Beauftragte des Vorstands der Kassenzahnärztlichen<br />

Vereinigung Niedersachsen (KZVN) für die Belange der<br />

Zahnärztinnen.<br />

An den Abenden nehmen also neben den Zahnärztinnen<br />

Expertinnen unterschiedlichster Themenbereiche,<br />

die für die Praxisführung relevant sind, teil. Die<br />

ausfindig zu machen und für die einzelnen Regionen<br />

zu koordinieren, ist bestimmt nicht immer einfach.<br />

Ja, die Organisation der Abende ist schon recht aufwändig.<br />

Ein solches Veranstaltungsformat lässt sich nur mit<br />

starken Partnern und Förderern umsetzen. Wir haben<br />

die DZW und Chance Praxis an unserer Seite, die regelmäßig<br />

über den ladies dental talk berichten und somit<br />

Aufmerksamkeit auf das Thema und auf die Abende<br />

lenken. Des Weiteren kooperieren wir mit dem Dentista<br />

Club, dem Bundesverband der zahnmedizinischen<br />

Alumni, dem Bundesverband der Zahnmedizinstudenten<br />

und den Zahnärzten für Niedersachen. Darüber hinaus<br />

unterstützen die Strategiepartner DENTSPLY Implants,<br />

Pluradent und die apoBank, zahlreiche selbstständige<br />

Expertinnen sowie Dentallabore und weitere Unternehmen<br />

unser Netzwerkformat. Unser Ziel ist es ja, dass<br />

Zahnärztinnen zu den unterschiedlichsten Themen Ansprechpartnerinnen<br />

finden, mit denen sie ihre Anliegen<br />

diskutieren können.<br />

Die Resonanz des ladies dental talk ist bundesweit<br />

übrigens sehr gut und das gibt uns immer wieder<br />

Bestätigung und Auftrieb. Es kommt überall zu sehr<br />

herzlichen und begeisterten Begegnungen. Jede weitere<br />

Veranstaltung knüpft an diese Stimmung an – viele<br />

Teilnehmerinnen kommen daher gerne wieder.<br />

Sie haben unterschiedlichste Referentinnen<br />

und Themen in den Regionen. Wie entwickeln<br />

Sie immer wieder neue Ideen? <br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

43<br />

Foto: © ldt<br />

F A C H L I C H E S


Am Ende einer Veranstaltung teilen wir Feedbackbögen<br />

aus und bekommen darüber reichhaltigen Input. Und<br />

natürlich geht es bei den Gesprächen an den Abenden<br />

immer wieder um die Frage: Was brauchen und was<br />

wünschen sich die Zahnärztinnen? Wir tragen diese<br />

Themen, Anliegen und Wünsche zusammen, schauen,<br />

was in den einzelnen Regionen an spannenden<br />

Frauen und Projekten zu finden ist, und richten dann<br />

die Veranstaltungen danach aus.<br />

Darüber hinaus ist es uns wichtig, die Anregungen der<br />

Zahnärztinnen auch in die Fachöffentlichkeit und an<br />

Entscheider und Gremien heranzutragen. Auch dafür<br />

entwickeln wir spezielle Veranstaltungsformate, wie zum<br />

Beispiel diesen Zukunftsgipfel, zu dem sich Kammern,<br />

zahnärztliche Vereinigungen und Netzwerke angemeldet<br />

haben, um das große Thema „Herausforderungen<br />

und Lösungsansätze für die weiblicher werdende<br />

Zahnmedizin“ zu diskutieren.<br />

Haben Sie Tipps für die niedersächsischen<br />

Zahnärztinnen?<br />

Wie in anderen Regionen auch können sich die Zahnärztinnen<br />

und Expertinnen anderer Berufe noch stärker<br />

untereinander vernetzen. Der persönliche Austausch<br />

wie beim ladies dental talk ist dazu ideal – man kennt<br />

sich, mag sich und kann sich gegenseitig einschätzen.<br />

Solche Kontakte wollen gepflegt werden, damit sie<br />

funktionieren. Dafür eignet sich auch das Internet sehr<br />

gut. Wie das mit möglichst wenig Aufwand geschieht,<br />

darüber berichten wir unter anderem in unseren<br />

Veröffentlichungen und Info-Diensten. Auf Twitter und<br />

Facebook greifen wir beispielsweise vieles auf, was für<br />

Zahnärztinnen interessant ist.<br />

Gibt es neben dem ladies dental talk noch weitere<br />

Projekte, für die Sie die Ideengeberin waren?<br />

Ja, sogar eine ganz besondere Herzensangelegenheit:<br />

die „Heartleaders“. Es ist ein Netzwerk für Menschen<br />

in Führungsverantwortung, die besonderen Wert auf<br />

einen respektvollen und zugewandten Umgang legen.<br />

Arbeitszeit ist Lebenszeit, deshalb ist es mir enorm<br />

wichtig, keine Energie durch Unzufriedenheit zu<br />

verschwenden. Vielen anderen Menschen, denen ich<br />

begegne, geht das genauso. Es ist viel zu schade um<br />

jeden Moment, den wir uns sinnlos ärgern, anstatt ihn<br />

für ein spannendes Projekt zu nutzen. Heartleaders<br />

stehen deshalb für einen wertschätzenden Umgang<br />

und setzen sich für eine Unternehmenskultur ein, in<br />

der Leistung Freude macht. Beziehungsweise, in der<br />

Leistung erbracht wird, weil das Arbeiten Freude macht.<br />

Genau das wird künftig über unseren Erfolg entscheiden:<br />

Wer Leistung gerne bringt, muss nicht auf die Uhr<br />

schauen. Denn dann kommt die Kraft aus den Aufgaben<br />

44 F A C H L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

und Zielen – so, wie ich es in den vergangenen Jahren<br />

an mir selbst gespürt habe. Und wie wir es bei uns in<br />

der Agentur leben. Und ich bin überzeugt, auch unter<br />

den Zahnärztinnen viele „Heartleaders“ zu treffen.<br />

Zum Abschluss noch eine persönliche Frage: Sie sind<br />

sechsfache Mutter, Geschäftsführerin einer PR-Agentur<br />

und EU-Unternehmensbotschafterin, haben einen<br />

Lehrauftrag an der Uni-Gießen und sind in mehreren<br />

Verbänden im Vorstand. Wie schaffen Sie es, das alles<br />

unter einen Hut zu bringen?<br />

Ich engagiere mich beruflich und ehrenamtlich in<br />

Bereichen, für die ich brenne. Das gibt mir enorme<br />

Energie, treibt mich an und mobilisiert meine Kräfte.<br />

Natürlich muss ich mich bei der Fülle an Terminen und<br />

Aufgaben gut organisieren und auch delegieren. Ich<br />

habe wunderbare Mitarbeiterinnen, die mich in vielen<br />

Bereichen unterstützen und entlasten. Aufgaben mit<br />

gutem Gefühl abgeben zu können, erleichtert das<br />

Leben ungemein. Wichtig ist gerade für uns Frauen<br />

außerdem, mal Fünfe gerade sein lassen zu können,<br />

nicht überall perfekt und „Jedermanns Liebling“ sein zu<br />

wollen und sich regelmäßig Auszeiten für Sport und<br />

Mußestunden zu nehmen. Dies alles habe ich in den<br />

letzten Jahren „trainiert“ – und gebe meine Erfahrung<br />

nun auch im Rahmen der Seminare von „ladies management<br />

consulting“ (www.ladies-management-consulting.de)<br />

an andere Frauen weiter.<br />

Herzlichen Dank Frau Uphoff für dies sehr interessante<br />

Gespräch und weiterhin viel Erfolg für Sie und fortan<br />

auch für „ladies dental talk“ in Niedersachsen! <br />

Das Gespräch führte die Jesteburger Zahnärztin und Beauftragte<br />

des KZVN-Vorstandes für die Belange der Zahnärztinnen<br />

Dr. Tilli Hanßen ( ) mit der EU-Unternehmensbotschafterin und<br />

Gründerin von „ladies dental talk“ Dr. Karin Uphoff ( ).<br />

Save the date!<br />

ladies dental talk in Oldenburg<br />

Termin: Freitag, 21. Juni 2103<br />

Zeit: Beginn 17:00 Uhr bis<br />

ca. 22:00 Uhr<br />

Wo: Café blätterteich,<br />

Alexanderstraße 412,<br />

26127 Oldenburg<br />

Weitere Informationen und Anmeldung unter<br />

http://www.ladies-dental-talk.de


© Gerhard Seybert/Fotolia.com<br />

Minijobs Aktuell<br />

ANGEHÖRIGE, MUTTERSCHUTZ / ELTERNZEIT, ZUSCHÜSSE<br />

Ausgangslage<br />

Der erste Teil des Beitrags in der Ausgabe Mai 2013 hat<br />

sich insbesondere den sozialversicherungsrechtlichen<br />

Änderungen ab dem 01.01.2013 zugewendet.<br />

Der zweite Teil befasst sich mit den Besonderheiten bei<br />

Beschäftigungsverhältnissen mit nahen Angehörigen sowie<br />

den Regelungen beim Mutterschutz und in der Elternzeit.<br />

Daneben geht er auf Vergütungsbestandteile ein, die<br />

steuerfrei bzw. pauschal versteuert über die eigentliche<br />

Vergütung hinaus gewährt werden können.<br />

Verträge zwischen Angehörigen<br />

Einkünfte innerhalb der Familie im Rahmen der gesetzlichen<br />

Möglichkeiten zu verlagern, ist ein interessantes<br />

Steuersparmodell. Werden Einkünfte auf Angehörige mit<br />

niedriger Steuerbelastung verschoben, sparen die Familienmitglieder<br />

mit hohem Einkommen infolge des progressiven<br />

Einkommensteuertarifs mehr Steuern, als die Angehörigen<br />

mit niedrigem Einkommen zahlen müssen.<br />

Bei der Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses im Rahmen<br />

eines Minijobs zahlt das beschäftigte Familienmitglied im<br />

Regelfall keine Steuern. Lediglich der Arbeitgeber trägt bei<br />

der richtigen Gestaltung im Rahmen der Pauschalierung<br />

die Abgabenlast. Diese wirkt sich bei ihm neben der<br />

eigentlichen Vergütung als Betriebsausgabe und damit<br />

steuermindernd aus.<br />

Bei Verträgen zwischen nahen Angehörigen sind besondere<br />

Voraussetzungen zu erfüllen, da solche Verträge – anders<br />

als bei fremden Dritten – oftmals durch gleichgerichtete Interessen<br />

gekennzeichnet sind. Daher liegt oft der Verdacht<br />

nahe, ein Arbeitsverhältnis halte nur als Steuersparmodell<br />

her oder solle der sozialversicherungsrechtlichen Absicherung<br />

dienen.<br />

Verträge zwischen Angehörigen werden nur anerkannt,<br />

wenn sie:<br />

zivilrechtlich wirksam geschlossen werden und ernsthaft<br />

gewollt sowie klar und eindeutig vereinbart sind,<br />

inhaltlich dem entsprechen, was unter fremden Dritten<br />

üblich ist und<br />

tatsächlich wie vereinbart und unter Fremden üblich<br />

durchgeführt werden.<br />

Mit einem Urteil vom 16.11.2012 hat das Finanzgericht<br />

Düsseldorf die Anforderungen an die Anerkennung von<br />

Verträgen unter nahen Angehörigen nochmals erhöht.<br />

Danach ist einem Ehegattenverhältnis die steuerliche<br />

Anerkennung zu versagen, wenn weder feste Arbeitszeiten<br />

vereinbart wurden, noch Regelungen zur Einhaltung der<br />

vereinbarten Arbeitsstunden bestanden oder die zu leistende<br />

Arbeit zumindest konkret festgelegt war. Das Urteil ist<br />

rechtskräftig, die Revision nicht zugelassen. Es ist damit<br />

zu rechnen, dass die Finanzverwaltung das Urteil dankbar<br />

annehmen wird. Bis der Bundesfinanzhof Gelegenheit<br />

bekommt, sich gegebenenfalls gegenläufig und damit zu<br />

Gunsten der Betroffenen zu den Voraussetzungen für die<br />

Anerkennung solcher Verträge zu äußern, wird sicherlich<br />

eine gewisse Zeit vergehen. <br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

45<br />

F A C H L I C H E S


Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Verwendung von<br />

Musterarbeitsverträgen in der Praxis nicht mehr ausreicht.<br />

Vielmehr sollten im Vertrag das Tätigkeitsgebiet genau<br />

beschrieben und - soweit möglich - Arbeitszeiten festgelegt<br />

werden. Daneben sollte ein Tätigkeitsnachweis (Stundenzettel)<br />

mit Tag, Zeitraum und den Tätigkeiten geführt<br />

werden.<br />

Mutterschutz<br />

Werdende Mütter dürfen in den letzten sechs Wochen vor<br />

der Entbindung und bis zum Ablauf von acht Wochen<br />

nach der Entbindung nicht beschäftigt werden. Bei<br />

Früh- oder Mehrlingsgeburten verlängert sich die Mutterschutzfrist<br />

auf 12 Wochen nach der Entbindung bzw.<br />

bei Frühgeburten nach dem zunächst prognostizierten<br />

Entbindungstermin. Dies gilt selbstverständlich auch für<br />

Mitarbeiter, die im Rahmen eines Minijobs beschäftigt<br />

werden.<br />

Für die Zeit der Mutterschutzfrist werden grundsätzlich<br />

Mutterschaftsgeld und der Arbeitgeberzuschuss zum<br />

Mutterschaftsgeld bezahlt.<br />

Bei Frauen, die bei Beginn der Mutterschutzfrist in einem<br />

Arbeitsverhältnis stehen, bezahlt entweder die Krankenkasse<br />

oder das Bundesversicherungsamt das Mutterschaftsgeld.<br />

Dieses beträgt höchstens 13 EUR pro Kalendertag.<br />

In Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den 13 EUR<br />

und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten<br />

durchschnittlichen kalendertäglichen Entgelt muss der<br />

Arbeitgeber einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld zahlen.<br />

Dieser Zuschuss wird bei Kleinbetrieben zu 100 % von der<br />

Krankenkasse erstattet.<br />

Im Ergebnis bedeutet dies bei Minijobs, dass der Arbeitgeber<br />

einen Zuschuss bei durchschnittlichen Vergütungen über<br />

390 EUR (13 EUR x 30 Tage) zahlen muss.<br />

Elternzeit<br />

Nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BBEG)<br />

besteht bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des<br />

Kindes Anspruch auf Elternzeit. Es handelt sich dabei um<br />

einen Anspruch des Mitarbeiters gegen den Arbeitgeber<br />

auf unbezahlte Freistellung von der Arbeit aus Anlass der<br />

Betreuung des Kindes.<br />

Der Anspruch besteht unabhängig davon, ob das Arbeitsverhältnis<br />

unbefristet, befristet oder in Voll- oder Teilzeit<br />

besteht. Unter Beschäftigung in Teilzeit ist auch ein Minijob<br />

zu verstehen.<br />

Steht der Mitarbeiter in mehreren Arbeitsverhältnissen,<br />

besteht der Anspruch für jedes Arbeitsverhältnis gesondert –<br />

er kann also in allen oder in einzelnen Arbeitsverhältnissen<br />

Elternzeit beanspruchen. Folglich kann der Mitarbeiter bei<br />

seinem Hauptarbeitgeber Elternzeit beantragen, seinem<br />

46 F A C H L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

bisherigen Minijob aber weiter nachgehen. Es kann auch<br />

ein neuer Minijob bei einem anderen Arbeitgeber begründet<br />

werden. Der Hauptarbeitgeber muss dem zwar zustimmen,<br />

darf den Wunsch aber nur aus dringenden betrieblichen<br />

Gründen ablehnen.<br />

Zuschüsse zum Arbeitslohn<br />

Der Arbeitgeber kann hier zwischen steuerfreien und<br />

Zuschüssen, die pauschaliert besteuert werden können,<br />

wählen. In der Regel können diese zusätzlich bzw. über<br />

die Grenze von 450 EUR hinaus gewährt werden. Eine<br />

Umwandlung der vereinbarten und geschuldeten Vergütung<br />

in einen begünstigten Zuschuss ist grundsätzlich nicht<br />

möglich. In einigen Fällen sind die Vergünstigungen daran<br />

gebunden, dass die Zuschüsse im Rahmen eines ersten<br />

Arbeitsverhältnisses gewährt werden.<br />

Im Rahmen der Steuerbefreiung sind beispielhaft<br />

zu nennen:<br />

Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit<br />

Erstattung von Reisekosten<br />

Leistungen im Rahmen der Gesundheitsförderung<br />

Kindergartenzuschüsse<br />

Nutzungsüberlassung von Datenverarbeitungsgeräten<br />

Für die Pauschalbesteuerung kommen in Betracht:<br />

Fahrtkostenzuschuss für Fahrten zwischen Wohnung<br />

und Arbeitsstätte (Steuersatz 15%)<br />

Übereignung von PC und Zubehör und Kostenerstattung<br />

für Internetzugang (Steuersatz 25%)<br />

Erholungsbeihilfen (Steuersatz 25%)<br />

Auch die betriebliche Altersversorgung kann für Minijobs<br />

ein Thema sein. In Frage kommen Zuwendungen bzw.<br />

Beiträge an eine Pensionskasse, einen Pensionsfonds oder<br />

eine Direktversicherung im Rahmen der Entgeltumwandlung<br />

oder in arbeitgeberfinanzierter Form. In allen Fällen geht<br />

der Beitrag für die betriebliche Altersvorsorge nicht in die<br />

Bemessungsgrundlage des Minijobs ein.<br />

Die Attraktivität einer Entgeltumwandlung beruht in der<br />

Regel auf einem „Steuer- und Sozialversicherungsgewinn“<br />

zwischen Einzahlungs- und Auszahlungsphase. Doch nur<br />

wer Steuern zahlt, kann bei der Entgeltumwandlung auch<br />

welche sparen. Von daher wird meist die arbeitgeberfinanzierte<br />

Form sinnvoll sein. <br />

— Tino Koch, Steuerberater<br />

Geschäftsführer der Koch & Kollegen Steuerberatung GmbH,<br />

Hannover


Aktuelles aus der Rechtsprechung<br />

Aktuelle Urteile…<br />

…AUS DEM SOZIALRECHT<br />

Krankenversicherung: So schmelzen 55.623 Euro<br />

„nachträglich“ um fast 10.000 Euro<br />

In einem weiteren Verfahren über die Pflicht, Beiträge von<br />

einer vor Jahren – über den Arbeitgeber abgeschlossenen<br />

– Lebensversicherung an die gesetzliche Kranken- und<br />

Pflegekasse abzuführen, gab es eine weitere Niederlage<br />

für einen Versicherten. Auch das Sozialgericht Dortmund<br />

bestätigte die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung – obwohl<br />

ihr Versicherter argumentierte, die Lebensversicherung<br />

über die Firma nicht abgeschlossen zu haben, wenn es<br />

damals schon Gesetz gewesen wäre, den Empfänger am<br />

Ende derart zur Kasse zu bitten. Und dies auch noch im<br />

Wissen, dass er alleine die Beiträge getragen – der Arbeitgeber<br />

also nur als „Vermittler“ aufgetreten sei, nicht aber<br />

mit Beitragszahlungen dazu beigetragen habe, dass am<br />

Ende 55.600 Euro auf das Konto kommen würden. (Im<br />

Laufe von zehn Jahren gehen davon rund 9.700 € an die<br />

Krankenkasse, da – was ebenfalls unberücksichtigt beanstandet<br />

wurde - der Beitrag in voller Höhe von dem Ex-<br />

Arbeitnehmer zu tragen ist. Kommentar des Gerichts: „Das<br />

Vertrauen, dass die Zahlungen auch in Zukunft stets ungekürzt<br />

weitergezahlt werden, ist nicht geschützt. Andernfalls<br />

könnte der Gesetzgeber kaum auf einen erhöhten Finanzbedarf<br />

reagieren.“ Dass rein privat, also ohne Arbeitgeber-<br />

Beteiligung abgeschlossene Lebensversicherungen nicht<br />

mit Beiträgen belegt werden, spiele keine Rolle, so das<br />

Gericht weiter. (SG Dortmund, S 48 KR 1041/12)<br />

Bestattungsrecht: Allein eine „sittliche“ Pflicht führt nicht<br />

zur Kostenerstattung durch das Sozialamt<br />

Übernimmt der Freund einer Verstorbenen aus moralischer<br />

beziehungsweise sittlicher Pflicht deren Bestattung, so kann<br />

er sich den Aufwand dafür von den Erben zurückholen<br />

(falls dafür Masse vorhanden ist), nicht aber vom Sozialamt.<br />

Dieses würde nur dann eintreten, wenn jemand „Verpflichteter“<br />

gegenüber der Verstorben gewesen wäre. Das könne<br />

aber nur derjenige sein, der aus erb-, unterhalts-, oder<br />

bestattungsrechtlichen Vorschriften oder aus einer vertraglichen<br />

Verpflichtung gegenüber der Verstorbenen rechtlich<br />

verpflichtet gewesen sei, die Bestattung auszurichten und<br />

den damit verbundenen Kostenverpflichtungen von vornherein<br />

nicht habe ausweichen können.<br />

(SG Karlsruhe, S 1 SO 1200/12)<br />

© Sandor Jackal/Fotolia.com<br />

…AUS DEM STEUERRECHT<br />

Häusliches Arbeitszimmer: Ein „separater“ Eingang allein<br />

reicht für vollen Abzug nicht aus<br />

Zwar kann ein Selbstständiger, der einen Raum seines<br />

Zweifamilienhauses komplett als häusliches Arbeitszimmer<br />

nutzt, seine Arbeitsmaterialien steuermindernd absetzen.<br />

Für die Anerkennung des Zimmers selbst (bezogen auf die<br />

anteiligen Hauskosten) müsste dafür aber das Arbeitszimmer<br />

über eine “der Allgemeinheit zugängliche und auch von<br />

anderen Personen genutzte Verkehrsfläche zu erreichen”<br />

sein. (Das war in dem hier zu entscheidenden Fall aber<br />

nicht der Fall, da der Hauseigentümer zwar über eine<br />

separate Treppe zu dem Zimmer verfügte, die aber nicht<br />

von außen zugänglich war, sondern nur innerhalb des<br />

Zweifamilienhauses. Deshalb wurde nur die Pauschale<br />

von maximal 1.250 € jährlich anerkannt.) (BFH, V R 7/10)<br />

Steuerrecht: Bei der Scheidung springt der Fiskus mit ein<br />

Wer geschieden wird, der kann seinen Aufwand an Anwaltsund<br />

Gerichtskosten als außergewöhnliche Belastung vom<br />

steuerpflichtigen Einkommen abziehen. Das Gesetz sieht<br />

vor, dass „die Einkommensteuer sich ermäßigt, wenn einem<br />

Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als<br />

der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher<br />

Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie gleichen<br />

Familienstands erwachsen. Aufwendungen erwachsen dem<br />

Steuerpflichtigen dann zwangsläufig, wenn er sich ihnen<br />

aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht<br />

entziehen kann und somit die Aufwendungen den Umständen<br />

nach notwendig sind und einen angemessenen<br />

Betrag nicht übersteigen“. Das Finanzgericht Düsseldorf<br />

sieht in dem gesetzlich vorgeschriebenen Verfahren, nach<br />

dem eine Scheidung abgewickelt wird, die an anderer<br />

Stelle für die Steuerermäßigung maßgebende „Zwangsläufigkeit“:<br />

Zitat: Ein anderes, billigeres Verfahren steht Eheleuten<br />

nicht zur Verfügung. (Hier wurden 8.200 € als „zwangsläufig<br />

entstandene“ Scheidungskosten anerkannt – abzüglich<br />

der sich aus der Höhe des Einkommens ergebenden<br />

„zumutbaren Belastung“.) (FG Düsseldorf, 10 K 2392/12 E)<br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | F A C H L I C H E S<br />

47<br />

F A C H L I C H E S


© NZB-Archiv Persönliches<br />

Jürgen Stern zum<br />

70. herzlichen Glückwunsch!<br />

Am 1. Juni vollendete ein weit über<br />

die Grenzen seiner Hildesheimer Heimat<br />

hinaus in ganz Niedersachsen<br />

bekannter und angesehener Kollege<br />

sein 70. Lebensjahr: Dr. Jürgen A. Stern.<br />

Er wurde in Stralsund geboren,<br />

verbrachte aber seine Jugendzeit im<br />

damaligen Westberlin. Nach seinem<br />

Abitur studierte er – nach einem kurzen<br />

Abstecher ins Ingenieurswesen –<br />

Zahnmedizin. Und das im Schnelldurchlauf:<br />

1969 approbierte und<br />

promovierte er und heiratete seine<br />

Frau Ulla.<br />

Nach einer kurzen Assistentenzeit in<br />

Berlin ließ Jürgen Stern sich 1972 in<br />

Algermissen im Landkreis Hildesheim<br />

nieder. Zusammen mit seiner Frau<br />

48 P E R S Ö N L I C H E S | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

zog er einen Sohn und eine Tochter<br />

groß, die beide der Dentalwelt treu<br />

blieben: der Sohn als Zahntechniker,<br />

die Tochter als Zahnärztin. Seine Praxis<br />

konnte er vor einigen Jahren einem<br />

Nachfolger übergeben.<br />

Kollege Stern wurde durch seine berufspolitische<br />

Tätigkeit in Niedersachsen<br />

bekannt. Sie begann 1986 als<br />

Fortbildungsreferent der Bezirksstelle<br />

Hildesheim. In den folgenden Jahren<br />

wurde er mit vielen weiteren ehrenamtlichen<br />

Aufgaben betraut: So war er<br />

lange Zeit Mitglied der Kammerversammlung,<br />

Vorsitzender der Bezirksstelle<br />

Hildesheim, Richter am Sozialgericht<br />

Hannover und am Landessozialgericht,<br />

Mitglied von Ausschüssen der<br />

KZVN und ZKN. Stets um Ausgleich<br />

zwischen den Kollegen bemüht,<br />

genoss er schnell hohes Ansehen. Bis<br />

heute besucht er die Winterfortbildung<br />

der Kammer in Braunlage. Ich denke,<br />

dass er kein Jahr seit Gründung ausgelassen<br />

hat.<br />

Seinem umtriebigen und arbeitsamen<br />

Naturell folgend, kann Jürgen Stern nicht<br />

stillsitzen. Dies galt zu Arbeitszeiten,<br />

wie auch jetzt als Pensionär: Im Dreiländereck<br />

Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern<br />

und Brandenburg hat<br />

er einen kleinen Bauernhof erworben,<br />

eigenhändig mit seiner Frau renoviert<br />

und vermietet dort Wohnraum an<br />

Feriengäste. Neben seiner Vorliebe für<br />

Kanufahrten, pflegt er mit seiner Frau<br />

den amerikanischen Square Dance bis<br />

hin zu eigenen Kursen für diese Art<br />

des Volkstanzes.<br />

Jürgen Sterns und meine Wege haben<br />

sich seit Gründung der „Hildesheimer<br />

Initiative für Zahngesundheit“ (HIZ)<br />

und danach für die „Zahnärzte für<br />

Niedersachsen“ (ZfN) häufig gekreuzt.<br />

An unsere gemeinsamen Aktivitäten,<br />

insbesondere die jährlichen Tombolas,<br />

erinnere ich mich gerne zurück.<br />

Jürgen Stern und seiner Frau Ulla<br />

wünsche ich von ganzem Herzen<br />

viele gemeinsame weitere, aktive<br />

Jahre bei bester Gesundheit! <br />

— Dr. Lutz Riefenstahl, Gronau<br />

DIENSTJUBILÄEN IN<br />

DER KZVN<br />

10-jähriges Jubiläum<br />

am 01.04.2013<br />

Barbara Lindner (Abtl. Honorar)<br />

am 12.05.2013<br />

Don Thumul Möller<br />

(Abtl. Finanzen)<br />

Der Vorstand der KZVN gratuliert<br />

herzlich und dankt – auch im<br />

Namen der Mitglieder – für<br />

die geleistete Mitarbeit in den<br />

zurückliegenden Jahren.


© NZB-Archiv<br />

Am 13. Juni feierte<br />

Kollege Karstens<br />

aus Verden seinen<br />

65. Geburtstag<br />

Die Liste seiner ehrenamtlichen Tätigkeiten für die niedersächsische<br />

Vertragszahnärzteschaft ist nicht nur sehr lang,<br />

sie ist auch ein Kaleidoskop seines standespolitischen Engagements<br />

seit 1985.<br />

Nur fünf Jahre nach seiner Niederlassung am Burgberg 3a<br />

in Verden wurde Kollege Karstens zum Mitglied der Vertreterversammlung<br />

der KZVN gewählt.<br />

Im gleichen Jahr begann auch seine Tätigkeit als stellvertretender<br />

Vertreter im Landesausschuss Zahnärzte und<br />

Krankenkassen und als Mitglied im Prüfungsausschuss<br />

RVO (jeweils bis 1988).<br />

In den folgenden Jahren engagierte er sich u.a. als ehrenamtlicher<br />

Richter am Sozialgericht, war 4. Beisitzer im<br />

Vorstand der KZVN (1989-2000), Referent des Vorstandes<br />

(1997-2000), Vorsitzender der KZVN-Vertreterversammlung<br />

(2001-2004), Delegierter zur Vertreterversammlung der<br />

KZBV (1999-2004). Auch die neuen Medien fanden sein<br />

Interesse, wie sein Engagement im EDV-Ausschuss und<br />

im Internetausschuss (2001-2004) der KZVN belegen.<br />

Last but not least war er zwölf Jahre Vorsitzender der<br />

Verwaltungsstelle Verden (1993-2005) sowie von 2005<br />

bis 2010 Vorstandsmitglied in der Zahnärztekammer.<br />

Wir gratulieren herzlich. — Der Vorstand der KZVN<br />

Neuzulassungen<br />

Vertragszahnärzte/-ärztinnen<br />

Verwaltungsstelle Braunschweig<br />

Goslar Christian Große Steffen<br />

Peine Anna Mieszaniec<br />

Verwaltungsstelle Göttingen<br />

Boffzen Till Wienecke<br />

Göttingen Dr. Natalja Leipi-Warkentin<br />

Göttingen Olga Miller<br />

Verwaltungsstelle Hannover<br />

Bückeburg Dr. Christoph Eikermann<br />

Gehrden Silja Fargel<br />

Hannover Bassam Elia<br />

Hannover Jaouhar ben Hedi Mokaddem<br />

Ronnenberg Christian Jeinsen<br />

Verwaltungsstelle Hildesheim<br />

Hildesheim<br />

Verwaltungsstelle Lüneburg<br />

Izabela Marcinek<br />

Barendorf Angela Strobell<br />

Barendorf Benjamin Weißenborn<br />

Verwaltungsstelle Oldenburg<br />

Ganderkesee<br />

Verwaltungsstelle Osnabrück<br />

Sandra Scheitza<br />

Bad Essen Dr. Theresa Jilek<br />

Geeste<br />

Verwaltungsstelle Ostfriesland<br />

Thore Santel<br />

Aurich Dr. Armin Roß<br />

Rhauderfehn<br />

Verwaltungsstelle Stade<br />

Steffen Steinbrück<br />

Schwanewede<br />

Verwaltungsstelle Verden<br />

Dr. Cordelia Rose<br />

Bassum Christian Michael Schomaker<br />

Munster Thyra Nietz<br />

Verden Iris Hentschel<br />

Verden Nadine Ipse<br />

Verwaltungsstelle Wilhelmshaven<br />

Wilhelmshaven Dr. Jann Voltmann<br />

Fachzahnärzte für Kieferorthopädie<br />

Verwaltungsstelle Osnabrück<br />

Meppen Julian von der Haar<br />

Verwaltungsstelle Ostfriesland<br />

Emden drs. Dick Beugeling<br />

Wir heißen die Kolleginnen und Kollegen im<br />

Kreise der KZVN-Mitglieder herzlich willkommen<br />

und wünschen ihnen und ihren Praxisteams für<br />

die Zukunft viel Erfolg! Der Vorstand der KZVN<br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | K Z V N<br />

49<br />

P E R S Ö N L I C H E S<br />

K Z V N


Niederlassungshinweise<br />

AUSZUG AUS DER ZULASSUNGSVERORDNUNG<br />

FÜR VERTRAGSZAHNÄRZTE (ZV-Z)<br />

§ 18<br />

(1) Der Antrag muss schriftlich gestellt werden. In dem<br />

Antrag ist anzugeben, für welchen Vertragszahnarztsitz<br />

und gegebenenfalls unter welcher Gebietsbezeichnung<br />

die Zulassung beantragt wird. Dem Antrag sind<br />

beizufügen<br />

a) Ein Auszug aus dem Zahnarztregister, aus dem der<br />

Tag der Approbation, der Tag der Eintragung in das<br />

Zahnarztregister und gegebenenfalls der Tag der<br />

Anerkennung des Rechts zum Führen einer bestimmten<br />

Gebietsbezeichnung hervorgehen müssen,<br />

b) Bescheinigungen über die seit der Approbation<br />

ausgeübten zahnärztlichen Tätigkeiten,<br />

c) gegebenenfalls eine Erklärung nach § 19 a Abs. 2<br />

Satz 1, mit der der aus der Zulassung folgende<br />

Versorgungsauftrag auf die Hälfte beschränkt wird.<br />

(2) Ferner sind beizufügen:<br />

1. ein Lebenslauf,<br />

2. ein polizeiliches Führungszeugnis,<br />

3. Bescheinigungen der Kassenzahnärztlichen<br />

Vereinigungen, in deren Bereich der Zahnarzt bisher<br />

niedergelassen oder zur Kassenpraxis zugelassen<br />

war, aus denen sich Ort und Dauer der bisherigen<br />

Niederlassung oder Zulassung und der Grund<br />

einer etwaigen Beendigung ergeben,<br />

4. eine Erklärung über im Zeitpunkt der Antragstellung<br />

bestehende Dienst- oder Beschäftigungsverhältnisse<br />

unter Angabe des frühestmöglichen Endes des<br />

Beschäftigungsverhältnisses,<br />

5. eine Erklärung des Zahnarztes, ob er drogen- oder<br />

alkoholabhängig ist oder innerhalb der letzten fünf<br />

Jahre gewesen ist, ob er sich innerhalb der letzten<br />

fünf Jahre einer Entziehungskur wegen Drogen- oder<br />

Alkoholabhängigkeit unterzogen hat und dass<br />

gesetzliche Hinderungsgründe der Ausübung des<br />

zahnärztlichen Berufs nicht entgegenstehen.<br />

(3) An Stelle von Urschriften können amtlich beglaubigte<br />

Abschriften beigefügt werden.<br />

(4) Können die in Absatz 1 Buchstabe b und in Absatz<br />

2 Buchstabe c bezeichneten Unterlagen nicht vorgelegt<br />

werden, so ist der nachzuweisende Sachverhalt<br />

glaubhaft zu machen.<br />

50 K Z V N | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

Kolleginnen und Kollegen, die sich in Niedersachsen<br />

niederlassen möchten, wenden sich bitte an die<br />

Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen,<br />

Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses<br />

Niedersachsen, Zeißstraße 11, 30519 Hannover,<br />

Tel. 0511 8405-323/361, E-Mail: info@kzvn.de.<br />

Antragsformulare können entweder bei der Geschäftsstelle<br />

des Zulassungsausschusses Niedersachsen<br />

angefordert oder unter www.kzvn.de als PDF-Dokument<br />

heruntergeladen werden.<br />

Bitte achten Sie darauf, bei der Einreichung der Anträge<br />

zur vertragszahnärztlichen Tätigkeit sämtliche in § 18<br />

Zulassungsverordnung für Vertragszahnärzte (ZV-Z)<br />

aufgeführten Unterlagen beizufügen.<br />

GEMEINSAME AUSÜBUNG DER<br />

VERTRAGSZAHNÄRZTLICHEN TÄTIGKEIT<br />

(Bildung einer Berufsausübungsgemeinschaft)<br />

Bei Anträgen auf Genehmigung der gemeinsamen<br />

Ausübung der vertragszahnärztlichen Tätigkeit ist<br />

grundsätzlich die Vorlage eines schriftlichen Gesellschaftsvertrages<br />

notwendig.<br />

Bitte achten Sie bei entsprechenden Anträgen darauf,<br />

den Gesellschaftsvertrag spätestens bis zum Abgabetermin<br />

bei der Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses<br />

einzureichen.<br />

VERLEGUNGEN<br />

Nach § 24 Abs. 7 ZV-Z ist im Falle einer Verlegung des<br />

Vertragszahnarztsitzes grundsätzlich ein entsprechender<br />

Antrag an den Zulassungsausschuss zu richten. Die Verlegung<br />

ist erst möglich, wenn der Zulassungsausschuss<br />

diesem Antrag stattgegeben hat.<br />

SITZUNGEN DES<br />

ZULASSUNGSAUSSCHUSSES<br />

NIEDERSACHSEN FÜR ZAHNÄRZTE<br />

Alle Anträge an den Zulassungsausschuss Niedersachsen<br />

sind unter Beifügung sämtlicher erforderlicher Unterlagen<br />

rechtzeitig bis zum Abgabetermin bei der<br />

Geschäftsstelle des Zulassungsausschusses<br />

Niedersachsen, Zeißstraße 11, 30519 Hannover,<br />

in Urschrift und eigenhändig unterschrieben einzureichen.<br />

© diego cervo/iStockphoto.com


Abgabe bis 14.05.2013<br />

Sitzungstermin 12.06.2013<br />

Abgabe bis 23.08.2013<br />

Sitzungstermin 18.09.2013<br />

Abgabe bis 25.10.2013<br />

Sitzungstermin 20.11.2013<br />

HINWEISE AUF PRAXISORTE<br />

FÜR NIEDERLASSUNGEN<br />

Fachzahnärzte für Kieferorthopädie<br />

In folgenden Planungsbereichen besteht Bedarf an<br />

Fachzahnärzten für Kieferorthopädie:<br />

Verwaltungsstelle Braunschweig<br />

Planungsbereich Landkreis Gifhorn:<br />

Der Planungsbereich Landkreis Gifhorn mit 34.412 zu<br />

versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 34,9 % versorgt.<br />

Planungsbereich Landkreis Peine:<br />

Der Planungsbereich Landkreis Peine mit 25.277 zu<br />

versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 31,6% versorgt.<br />

Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Braunschweig der KZVN,<br />

Vorsitzender: Dr. Helmut Peters, Münzstraße 9,<br />

38100 Braunschweig, Tel. 0531 13605, Fax 0531 4811315,<br />

E-Mail: braunschweig@kzvn.de<br />

Verwaltungsstelle Lüneburg<br />

Planungsbereich Landkreis Lüchow-Dannenberg:<br />

Der Planungsbereich Landkreis Lüchow-Dannenberg mit<br />

8.321 zu versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 48,1%<br />

versorgt.<br />

Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Lüneburg der KZVN,<br />

Vorsitzender: Zahnarzt Thomas Koch, Sülztorstraße 1,<br />

21335 Lüneburg, Tel. 04131 732770, Fax 04131 732772,<br />

E-Mail: lueneburg@kzvn.de<br />

Verwaltungsstelle Oldenburg<br />

Planungsbereich Landkreis Oldenburg:<br />

Der Planungsbereich Landkreis Oldenburg mit 25.053 zu<br />

versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 31,9% versorgt.<br />

Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Oldenburg der KZVN,<br />

Vorsitzende: Zahnärztin Silke Lange, Bloher Landstraße 24,<br />

26160 Bad Zwischenahn, Tel. 0441 6990288,<br />

Fax 0441 691650, E-Mail: oldenburg@kzvn.de<br />

Verwaltungsstelle Osnabrück<br />

Planungsbereich Landkreis Osnabrück:<br />

Der Planungsbereich Landkreis Osnabrück mit<br />

72.357 Einwohnern ist derzeit zu 44,2% versorgt.<br />

Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Osnabrück der KZVN,<br />

Vorsitzender: Dr. Carsten Vollmer, Lotter Straße 127,<br />

49078 Osnabrück, Tel. 0541 76099965, Fax 0541 45363,<br />

E-Mail: osnabrueck@kzvn.de<br />

Verwaltungsstelle Ostfriesland<br />

Planungsbereich Landkreis Aurich:<br />

Der Planungsbereich Landkreis Aurich mit 36.970 zu<br />

versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 43,3% versorgt.<br />

Planungsbereich Landkreis Leer:<br />

Der Planungsbereich Landkreis Leer mit 33.003 zu<br />

versorgenden Einwohnern ist derzeit zu 42,4% versorgt.<br />

Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Ostfriesland der KZVN,<br />

Vorsitzender: Dr. Jörg Hendriks, Julianenburger Straße 15,<br />

26603 Aurich, Tel. 04941 2655, Fax 04941 68633,<br />

E-Mail: ostfriesland@kzvn.de<br />

Verwaltungsstelle Verden<br />

Planungsbereich Landkreis Nienburg<br />

Der Planungsbereich Landkreis Nienburg mit 22.983<br />

Einwohnern ist derzeit zu 26,1 % versorgt.<br />

Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Verden der KZVN,<br />

Vorsitzende: Hanna Baeßmann-Bischoff, Steinweg 46,<br />

28832 Achim, Tel. 04202 84411, Fax 04202 61531,<br />

E-Mail: verden@kzvn.de<br />

Verwaltungsstelle Wilhelmshaven<br />

Planungsbereich Landkreis Wesermarsch<br />

Der Planungsbereich Landkreis Wesermarsch mit<br />

16.958 zu versorgenden Einwohnern ist derzeit zu<br />

47,1 % versorgt.<br />

Auskünfte erteilt: Verwaltungsstelle Wilhelmshaven<br />

der KZVN, Vorsitzender: Dr. Gerhard Fust; Marktstraße 1,<br />

26382 Wilhelmshaven, Tel. 04421 42911,<br />

Fax 04421 983488, E-Mail: wilhelmshaven@kzvn.de<br />

— Stand 17.05.2013<br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | K Z V N<br />

51<br />

K Z V N


Beschlüsse<br />

ANLÄSSLICH DER ORDENTLICHEN SITZUNG DER VERTRETERVERSAMMLUNG<br />

DER KASSENZAHNÄRZTLICHEN VEREINIGUNG NIEDERSACHSEN AM 25.05.2013<br />

Antrag 1 zu TOP 5<br />

von Dr. Thomas, Dr. Dr. Becker, ZÄ Lange, Dr. Vollmer<br />

Betreff: Duales Krankenversicherungssystem erhalten<br />

Die Vertreterversammlung lehnt die Abschaffung des<br />

bewährten dualen Krankenversicherungssystems ab. Die<br />

politischen Pläne zur Einführung einer Bürgerversicherung<br />

beinhalten keinerlei strukturelle Verbesserungen, sondern<br />

dienen allein dem Zweck, die private Krankenversicherung<br />

(PKV) zu zerschlagen.<br />

Begründung:<br />

Das Nebeneinander von privater und gesetzlicher Krankenversicherung<br />

(GKV) bietet für alle Patienten mehr Vor- als<br />

Nachteile. Die GKV kann nur über das schwerfällige Gremium<br />

des Gemeinsamen Bundesausschusses auf die Übernahme<br />

neuer und moderner Behandlungsmethoden in den Leistungskatalog<br />

rechnen. Die PKV kennt diese langen und oft<br />

politisch beeinflussten Diskussionen nicht. Deren Versicherte<br />

haben einen sofortigen Anspruch und üben damit Druck<br />

auf die GKV aus, um „nachzuziehen“.<br />

Der Antrag wird einstimmig angenommen.<br />

Antrag 2 zu TOP 5<br />

von Dr. Beischer, Dr. Ebeling, Dr. Urbach, Dr. Kusche,<br />

Dr. Braun, Dr. Vietinghoff-Sereny, Dr. Timmermann<br />

Betreff: Erhalt des dualen Krankenversicherungssystems<br />

Die Vertreterversammlung der KZVN spricht sich für den<br />

Erhalt des dualen Krankenversicherungssystems und somit<br />

der „privaten“ Krankenversicherung als Alternative zur<br />

„gesetzlichen Krankenversicherung“ aus.<br />

Begründung:<br />

Im Zuge der fortschreitenden Zentralisierung von Entscheidungen<br />

und Entmündigung der Bürger in immer mehr<br />

52 K Z V N | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

Lebensbereichen wird von den Anhängern des Modells<br />

einer allumfassenden staatlichen Daseinsvorsorge die<br />

Abschaffung der privaten Krankenversicherung betrieben.<br />

Stattdessen soll eine staatliche Einheitskasse mit dem irreführenden<br />

Namen „Bürgerversicherung“ eingeführt werden.<br />

Alle Erfahrungen zeigen, dass gleichgeschaltete Systeme<br />

staatlicher Gesundheitsvorsorge teurer, weniger leistungsfähig<br />

und weniger patientennah sind als dezentrale,<br />

vielfältige und selbstregulierende Systeme.<br />

Der Antrag wird einstimmig angenommen.<br />

Antrag 3 zu TOP 5<br />

von Dr. Beischer, Dr. Keck, Dr. Timmermann, ZA Röver,<br />

Dr. Dr. Triebe<br />

Betreff: Ablehnung der Bürgerversicherung<br />

Im Falle einer Rot-Grünen Regierung ist die Einführung einer<br />

sogenannten „Bürgerversicherung“ geplant. Damit soll der<br />

letzte Rest eines Wettbewerbs der Versicherungssysteme<br />

ausgeschaltet werden. Für die Krankenkassen entsteht<br />

eine Monopolsituation, der Konkurrent Privatversicherung<br />

wird eliminiert.<br />

Das Leistungsniveau wird sinken wie in allen Ländern mit<br />

staatlich gelenktem Gesundheitswesen.<br />

Bürgerversicherung ist der klare Weg in die Staatsmedizin,<br />

nach dem Vorbild der ehemaligen DDR.<br />

Die Delegierten der Vertreterversammlung der KZVN lehnen<br />

die Einführung einer sogenannten „Bürgerversicherung“<br />

entschieden ab.<br />

Der Antrag wird einstimmig angenommen.


Antrag 4 zu TOP 5<br />

von Dr. Glusa, Dr. Dr. Becker, Dr. Thomas, Dr. Wömpner<br />

Betreff: Korruptionsgeneralverdacht gegen<br />

Ärzte und Zahnärzte<br />

Die Vertreterversammlung der KZVN verwahrt sich gegen<br />

den in Medien und aus Politikerkreisen erhobenen Vorwurf<br />

der Bestechlichkeit für ganze Berufsgruppen.<br />

Damit wird das Vertrauen der Patienten als Grundlage für<br />

eine tragfähige Arzt-Patientenbeziehung in unangemessener<br />

Weise beschädigt.<br />

Begründung:<br />

Diese subtil geschürte Neiddiskussion führt zur Diskreditierung<br />

der medizinischen Berufe und führt in der Folge zu<br />

einer Verunsicherung.<br />

Der Antrag wird einstimmig angenommen.<br />

Antrag 5 zu TOP 5<br />

von Dr. Otte, Dr. Thoma, Dr. Hadenfeldt, Dr. Heckroth<br />

Betreff: Korruptionsvorwürfe zurückziehen<br />

Die Vertreterversammlung der KZVN weist die öffentlich<br />

geäußerten Korruptionsvorwürfe des Präsidenten des<br />

Verbands Deutscher Zahntechniker-Innungen (VDZI) gegen<br />

die Zahnärzte mit Nachdruck zurück. So hat Präsident Uwe<br />

Breuer am 7. März 2013 in seinem Statement anlässlich<br />

einer Pressekonferenz der Gesundheitshandwerke in München<br />

verlautbart: „Diese Dominanz der ärztlichen Berufe<br />

gegenüber dem Patienten und der übrigen Leistungserbringer<br />

erhöht das Risiko für Fehlentwicklungen, die man unter den<br />

Stichworten Korruption und wirtschaftliche Vorteilsnahme<br />

zusammenfassen kann“. Breuer unterstellte zudem: „Ein<br />

erheblicher Teil der Unternehmen sieht sich nicht selten<br />

den Versuchen der Einfluss- und Vorteilsnahme seitens der<br />

Ärzteschaft ausgesetzt“. [*]<br />

Sollten die in der Öffentlichkeit erhobenen Vorwürfe dem VDZI<br />

namentlich bekannt sein, bleibt unverständlich, weshalb<br />

sie keine Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft nach sich<br />

gezogen haben. Die Vertreterversammlung fordert den VDZI<br />

deshalb auf, Ross und Reiter zu nennen, ansonsten diese<br />

Vorwürfe öffentlich zurück zu nehmen.<br />

Begründung:<br />

Die Zahnärzteschaft hat durch den Gesetzgeber im SGB V<br />

den klaren Auftrag, solchen Vorwürfen nachzugehen.<br />

Korruption im Bereich der vertragszahnärztlichen Tätigkeit<br />

findet die Missbilligung der Vertreterversammlung.<br />

Solange das nicht geschieht, können solche Vorwürfe<br />

gegen die Zahnärzte nur mit aller Schärfe zurückgewiesen<br />

werden.<br />

Die wahren Hintergründe für die massiven öffentlichen<br />

Korruptionsvorwürfe des VDZI dürften auf den Wunsch<br />

nach Abschaffung der Praxislabore zurückzuführen sein.<br />

[*] Quelle: http://www.zdh.de/themen/soziale-sicherungssysteme/<br />

gesundheitshandwerke.html<br />

Pressekonferenz IHM 2013, Statement Uwe Breuer<br />

Der Antrag wird einstimmig angenommen.<br />

Antrag 6 zu TOP 5<br />

von Dr. Sereny, Dr. Braun, Dr. Vietinghoff-Sereny,<br />

Dr. Riegelmann, Dr. Keck<br />

Betreff: Ethik des Berufsstandes<br />

Die Vertreterversammlung der KZVN weist die insbesondere<br />

von Seiten der Krankenkassen vorgetragenen Angriffe<br />

gegen Ärzte und Zahnärzte wegen angeblich korrupten<br />

Verhaltens auf das Entschiedenste zurück.<br />

Sie fordert alle „Ankläger“ dazu auf, entweder Ross und<br />

Reiter zu nennen oder zu schweigen.<br />

Begründung:<br />

Die Vertragszahnärzte in Deutschland arbeiten in einem<br />

überaus komplizierten und bis in das Sprech- und<br />

Behandlungszimmer hinein regulierten und kontrollierten<br />

System.<br />

Statt Vereinfachungen gab es in den letzten Jahren ständig<br />

steigende Anforderungen an Belehrungen, Aufklärungen<br />

und Dokumentationen. Ständig komplizierter werdende<br />

Antrags- und Abrechnungsbestimmungen machten die<br />

Ausbildung eigens dafür zuständiger Mitarbeiterinnen<br />

erforderlich.<br />

Instrumente zur Ahndung von Fehlverhalten sind sowohl im<br />

Vertragszahnarztrecht als auch im Berufsrecht ausreichend<br />

vorhanden. Die derzeitige Kampagne dient offensichtlich<br />

nur dazu, mit einer Beschädigung des Vertrauensverhältnisses<br />

zwischen Patient und Arzt den Boden für Systemveränderungen<br />

zu bereiten.<br />

Der Antrag wird einstimmig angenommen. <br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | K Z V N<br />

53<br />

K Z V N


Antrag 7 zu TOP 5<br />

von D.M.D. Bunke, Dr. Riefenstahl, Dr. Hendriks,<br />

Dr. Hadenfeldt<br />

Betreff: Resolution<br />

Die Vertreterversammlung der Kassenzahnärztlichen Vereinigung<br />

Niedersachsen verurteilt Versuche, die Bevölkerung<br />

bezüglich der Wirksamkeit zahnärztlicher Leistungen zu<br />

verunsichern, wie dies beispielsweise durch den IGel-Monitor<br />

des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes<br />

Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) zur Professionellen<br />

Zahnreinigung (PZR; http://www.mds-ev.org/print/4008.htm)<br />

und darauf aufbauende weitere Medienmeldungen<br />

versucht wurde.<br />

Unzutreffende Verknüpfungen in Bezug auf die medizinische<br />

Notwendigkeit führen nicht nur zur Verunsicherung der<br />

Patientinnen und Patienten, sondern sind auch geeignet,<br />

bei diesen einen gesundheitlichen Schaden hervorzurufen.<br />

Der international unbestritten anerkannte erfolgreiche und<br />

hohe Präventions- und Therapiestandard der Bundesrepublik<br />

Deutschland darf nicht durch wirtschaftliche Interessen der<br />

die Kosten erstattenden Stellen zum Schaden der Patientinnen<br />

und Patienten unterminiert werden.<br />

Der Antrag wird einstimmig angenommen.<br />

Antrag 8 zu TOP 5<br />

von Dr. Riefenstahl, Dr. Beer, ZA Koch,<br />

Dr. Wiesner, Dr. Hanßen<br />

Betreff: Gegen die elektronische Gesundheitskarte mit<br />

Online-Anbindung und verpflichtendem VSDM<br />

Die Vertreterversammlung der KZV Niedersachsen lehnt<br />

das Projekt „elektronische Gesundheitskarte“ auch in der<br />

jetzt weitergeführten Form weiterhin ab und fordert den<br />

Vorstand der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung auf,<br />

diesen Beschluss zu berücksichtigen.<br />

Begründung:<br />

Keine Vertragszahnarztpraxis darf verpflichtet bzw. gezwungen<br />

werden, die originäre Aufgabe der gesetzlichen Krankenkassen,<br />

den Versichertenstammdatenabgleich (VSDM),<br />

durchzuführen. Sollte sich diese Minimalforderung der<br />

Zahnärzteschaft nicht durchsetzen lassen, muss das für die<br />

weitere Mitarbeit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung<br />

in der gematik Konsequenzen haben.<br />

Der Antrag wird einstimmig bei zwei Enthaltungen<br />

angenommen.<br />

54 K Z V N | N Z B | J U N I 2 0 1 3<br />

Antrag 9 zu TOP 5<br />

von Dr. Beischer, Dr. Kusche, Dr. Timmermann,<br />

ZA Knitter, Dr. Herz<br />

Betreff: Keine Substitution zahnärztlicher Leistungen<br />

Die Vertreterversammlung der KZVN fordert den vollständigen<br />

Erhalt der im Zahnheilkundegesetz festgeschriebenen<br />

zahnmedizinischen Kompetenzen der Zahnärzte und lehnt<br />

jeden Versuch der Abwertung der Approbation durch<br />

Substitution originär zahnmedizinischer Leistungen ab.<br />

Begründung:<br />

Der im Zahnheilkundegesetz und in der Bundesärzteordnung<br />

festgeschriebene Grundsatz, der persönlichen Leistungserbringung<br />

besagt, dass die Durchführung von medizinischen<br />

Heilbehandlungen nur Ärzten und Zahnärzten vorbehalten<br />

ist. Dies dient vor allen Dingen dem Patientenschutz, der<br />

gerade durch das neue Patientenrechtegesetz besondere<br />

Beachtung findet.<br />

Somit dürfen ärztliche und zahnärztliche Behandlungen<br />

nicht durch Dritte substituiert werden.<br />

Der Antrag wird einstimmig angenommen.<br />

Antrag 10 zu TOP 5<br />

von Dr. Strukmeier, Dr. Hörnschemeyer,<br />

ZÄ Baeßmann-Bischoff, Dr. Ross<br />

Betreff: Hygienegebühr<br />

Die Vertreterversammlung der KZV Niedersachsen fordert von<br />

den politisch Verantwortlichen, einen den Kosten angemessenen<br />

Hygienezuschlag pro untersuchtem und/oder<br />

behandeltem Versicherten pro Quartal einzuführen und die<br />

Gesamtvergütung der Vertragszahnärzte entsprechend zu<br />

erhöhen.<br />

Begründung:<br />

Die erheblich gestiegenen Anforderungen an die apparative<br />

und personelle Ausstattung der Praxen führen inzwischen<br />

zu durchschnittlichen jährlichen Kosten (laut IDZ-Studie)<br />

von rund Euro 54.000 (Einzelpraxis) bis Euro 78.000<br />

(Gemeinschaftspraxis). Diese Kosten sind in dem derzeitigen<br />

BEMA nicht berücksichtigt.<br />

Der Antrag wird einstimmig angenommen.


Antrag 11 zu TOP 5<br />

von Dr. Beischer, Dr. Sereny, ZA Knitter, Dr. Urbach, Dr. Herz,<br />

Dr. Keck, Dr. Timmermann<br />

Betreff: Behandlung pflegebedürftiger Patienten<br />

Die Behandlung pflegebedürftiger Patienten ist eine<br />

gesamtgesellschaftliche Aufgabe.<br />

Die Zahnärzteschaft leistet dazu ihren Beitrag, die Mitglieder<br />

der VV der KZVN kritisieren aber die Honorarvereinbarungen<br />

zur aufsuchenden Betreuung immobiler, pflegebedürftiger<br />

Patienten als völlig unzureichend.<br />

Bei einem bereits im Jahre 2009 ermittelten Kosten-Stundensatz<br />

von 196 Euro (BMG), bzw. 204 Euro (BZÄK) sind die<br />

geforderten Leistungen nicht mehr kostendeckend zu<br />

erbringen.<br />

Der „verbriefte“ Anspruch der betroffenen Patienten lässt<br />

sich mit derart unzureichenden Honoraren nicht flächendeckend<br />

realisieren.<br />

Die Verantwortlichen der KZBV werden aufgefordert,<br />

entsprechende Nachverhandlungen zu führen.<br />

Der Antrag wird einstimmig angenommen.<br />

Antrag 12 zu TOP 5<br />

von Dr. Ross, Dr. Hendriks, Dr. Hadenfeldt, Dr. H. Peters<br />

Betreff: Ausgangsbasis der Verhandlungen für 2013<br />

Die Vertreterversammlung fordert den Vorstand der KZVN<br />

auf, die vom Gesetzgeber vorgegebene Berücksichtigung<br />

der Punktmengen aus 2012 zur Ausgangsbasis der<br />

Verhandlungen für 2013 zu machen.<br />

Sollten die Kassen dies verweigern, wird der Vorstand<br />

aufgefordert, eine Änderung der Vergütungssystematik zur<br />

Einzelleistungsvergütung einzufordern und notfalls das<br />

Schiedsamt entsprechend anzurufen.<br />

Der Antrag wird einstimmig angenommen.<br />

Antrag 13 zu TOP 5<br />

von D.M.D. Bunke, Dr. Dr. Zogbaum, Dr. Obermeyer<br />

Betreff: Verteilungspunktwerte 2013<br />

Die nach § 2 Abs. 1 Satz 2 HVM 2013 nivellierten Verteilungspunktwerte<br />

KCH, PAR und KFBR werden ab 01.01.2013<br />

jeweils um die Steigerungsraten verändert, die sich für die<br />

Gesamtvergütungsanpassungen 2013 ergeben.<br />

Der Antrag wird einstimmig angenommen.<br />

Antrag 15 zu TOP 5<br />

von D.M.D. Bunke, Dr. Riefenstahl, Dr. Heckroth<br />

Betreff: Vertragszahnärztliche Begutachtung<br />

Begründung:<br />

Die Vertreterversammlung der KZV Niedersachsen beauftragt<br />

den Vorstand der KZV Niedersachsen, den eingeschlagenen<br />

Weg zur umfänglichen Rückkehr zur vertragszahnärztlichen<br />

Begutachtung gemäß der Vertragslage fortzuführen.<br />

Der Antrag wird einstimmig angenommen.<br />

J U N I 2 0 1 3 | N Z B | K Z V N<br />

55<br />

K Z V N


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Nur für Zahnärztinnen und Zahnärzte<br />

Kleinanzeigen erscheinen als fortlaufender Text ohne<br />

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Text in Druckschrift gut leserlich in die unten stehenden<br />

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damit den Preis Ihrer Anzeige bestimmen Sie selbst.<br />

Bei Chiffre Anzeigen rechnen Sie zur Zeilengebühr<br />

noch die Gebühr von 10,- EUR für die Chiffre Nr.<br />

hinzu. – Für alle Kleinanzeigenaufträge ist Ihre Einzugsermächtigung<br />

für den Bankeinzug erforderlich.<br />

Annahmeschluss für Kleinanzeigen ist der<br />

17. des Vormonats vor Erscheinen der Zeitschrift.<br />

Das NZB macht Sommerpause. Es erscheint Mitte<br />

Juli eine Doppelausgabe. Das darauf folgende NZB<br />

wird wieder Mitte September veröffentlicht.<br />

Raum für interne Vermerke<br />

Zeilengebühr<br />

Die Anzeige soll unter Chiffre<br />

erscheinen, Chiffregebühr 10,- EUR<br />

Die Anzeige soll auch im Internet<br />

erscheinen (www.assistentenboerse.de)<br />

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K L E I N A N Z E I G E N


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