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Umweltanalytik

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Umweltanalytik

Margit Cichna-Markl


Endokrin wirksame Verbindungen

• Problematik

• Endokrine Wirkung

• Endokrin wirksame Verbindungen

• Methoden zur Prüfung auf endokrine Wirksamkeit

• Methoden zur Bestimmung von endokrin wirksamen

Verbindungen


Problematik

Diskussion, ob exogene Substanzen, die in das Hormonsystem

eingreifen können, bei Fortpflanzungsstörungen und einigen

hormonabhängigen Krebserkrankungen eine Rolle spielen

Beobachtungen an Tieren:

Störungen in den Reproduktionsorganen

Beobachtungen an Menschen:

• signifikanter Anstieg in der Inzidenz von hormonabhängigen

Krankheiten

• Studien über Abnahme der Spermienzahl bei Männern


Beobachtungen an Tieren

Lake Apopka (Florida):

Alligatoren:

• Bestand zurückgegangen

• Geschlechterverhältnis zu Gunsten der Weibchen verschoben

Dicofol


Beobachtungen an Tieren

• Dünnung der Eierschalen bei Raubvögeln

• Abnormes Brutverhalten bei Vögeln

• Rückgang von Froschpopulationen

• Entwicklung männlicher Geschlechtsorgane in weiblichen Meerestieren

(bestimmte Schneckenarten)


Beobachtungen an Fischen

erhöhte Konzentration des Eidotter-Proteins Vitellogenin bei männlichen

Fischen

Vitellogenin

Leber

Eierstöcke

Östradiol

Hemmung der Reifung der Samenzellen bei männlichen Fischen

Verschiebung des Verhältnisses zwischen Männchen und

Weibchen in der Fischpopulation zugunsten der Weibchen


Beobachtungen an Menschen

signifikanter Anstieg in der Inzidenz von hormonabhängigen

Krankheiten


Beobachtungen an Menschen

Studien über Abnahme der Spermienzahl bei Männern


Beobachtungen an Menschen


Chronologie/1

1992/1993: Publikationen über chemisch induzierte Veränderungen in

der Sexualentwicklung bei Tieren (Colborn, Vom Saal)

1993: Sharpe und Skakkebaek stellen Östrogenhypothese auf:

„Es besteht ein Zusammenhang zwischen den beobachteten

Phänomenen und der Exposition gegenüber endokrin wirksamen

Verbindungen“

1994: Versuche mit Fischen im Abflussbereich von Kläranlagen in

England


Chronologie/2

1996: Veröffentlichung des Buchs „Our stolen future“ von Colborn

1996: von renommiertem Umwelttoxikologen Mc Lachlan erscheint in

der Science ein Artikel über synergistische Wirkung von endokrin

wirksamen Verbindungen

⇒ Auftrag an die EPA, innerhalb von 2 Jahren Strategie zu entwickeln,

um gebräuchliche Chemikalien auf endokrine Wirksamkeit zu testen

Schwierigkeit:

80 000 kommerziell erhältliche Chemikalien

17 000 in größerem Ausmaß verwendet

⇒ Mit hoher Priorität Chemikalien, die in Trinkwasser, Luft,

Lebensmitteln und Haushaltsprodukten vorkommen


Diethylstilbestrol

Synthetisches Östrogen

Wurde in den USA und in Europa von 1940-1970 schwangeren Frauen

verabreicht, um Fehlgeburten zu verhindern

Folgen:

Töchter: in jungen Jahren erhöhte Häufigkeit einer besonderen Form

von Krebs an der Vagina

Söhne: erhöhte Häufigkeit von Kryptorchismus


Natürliche Östrogene

Steroidhormone, die hauptsächlich in den Ovarien und Testes gebildet

werden

Sie fördern das Wachstum der weiblichen Sexualorgane und prägen

die sekundären weiblichen Geschlechtsmerkmale.

Sie steuern alle Vorgänge der weiblichen Reproduktion


Wirkmechanismus der natürlichen Östrogene


Umweltchemikalien mit endokriner Wirkung

(endocrine disruptors)

Substanzen, die mit

• Produktion

• Freisetzung

• Transport

• Metabolismus

• Bindung

• Elimination

von natürlichen Sexualhormonen interferieren


Möglichkeiten der Interferenz

Bindung an den Hormonrezeptor und Auslösung einer östrogenen

Wirkung (= Agonist)


Möglichkeiten der Interferenz

Bindung an den Hormonrezeptor, ohne hormonartig zu wirken

(= kompetitiver Antagonist)


Möglichkeiten der Interferenz

Indirekte Wirkungen


Einfluss auf Enzyme


Synthetische Östrogene

Diethylstilböstrol

Ethinylöstradiol

Bestandteil oraler Kontrazeptiva


Phytoöstrogene


Chemikalien mit östrogener Wirkung

DDT

(Dichlordiphenyltrichlorethan)

DDE

(Dichlordiphenyldichlorethen)


Chlorierte Verbindungen

Dioxine

Polychlorierte Biphenyle (PCBs)


Alkylphenole

Ausgangsstoff für die Herstellung von Alkylphenolpolyethoxylaten

(nichtionische Tenside)

• Reinigungslösungen

• Farbstoffen

• Kosmetika eingesetzt

• Rasiermittel

• Shampoos


Phthalate

Weichmacher

• Lebensmittelverpackungen

• PVC-Bodenbeläge, PVC-Gegenstände

• Druckfarbe auf Verpackungen

• Klebstoffen

• Kinderspielzeug


Bisphenol A

CH 3

HO C OH

CH 3

Bisphenol A (BPA)

BPA (jährlich rund 3,7 Mio. t produziert)

Polymerisation

Kunststoffe

Polycarbonate Epoxidharze

• Elektrotechnik, Elektronik

(Isolatoren, Speichermedien, CDs)

• Verpackungen, Geschirr,

Babymilchflaschen

Innenbeschichtung von

Lebensmittelkonserven


Toxizität von Bisphenol A

Akute Toxizität

• bei oraler Verabreichung: LD 50 bei Ratten: 3250 mg/kg

LD 50 bei Mäusen: 2500 mg/kg

Chronische Toxizität

• bis vor kurzem keine Hinweise auf mutagene oder kanzerogene

Wirkung von BPA

• Multigenerationsstudien an Ratten:

bei Dosen von 500 mg BPA /kg/Tag Beeinträchtigung der

Fertilität


Risikobewertung

EU-Grenzwerte

1990: Migrationsgrenzwert für BPA: 3 mg/kg Lebensmittel

2003: herabgesetzt auf 0,6 mg/kg Lebensmittel

Alle von uns untersuchten konservierten Lebensmittel wiesen signifikant

niedrigere BPA-Konzentrationen auf.

Der EU-Grenzwert wurde um mindestens einen Faktor 10 unterschritten.

2002: ADI: 10 µg pro kg Körpergewicht und Tag

(bei Mensch mit 60 kg: 600 µg / Tag).

2007: ADI: 50 µg pro kg Körpergewicht und Tag (EFSA)


Dosis-Wirkungs-Beziehung

% Wirkung

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

NOAEL

LOAEL

ED 50

Kontrollbereich

10 -7 10 -6 10 -5 10 -4 10 -3 10 -2

Dosis (logarithmisch)

NOEL = No-Observed-Effect-Level oder

NOAEL = No-Observed-Adverse-Effect-Level

LOEL = Lowest-Observed-Effect-Level oder

LOAEL = Lowest-Observed-Adverse-Effect-Level

ED50 = Einzeldosis mit 50% der Maximalwirkung

wenig gebräuchlich:

SD = durch lineare Extrapolation geschätzte Schwellendosis


ADI-Wert (acceptable daily intake)

ADI

100

90

80

70

60

50

40

30

20

10

0

% Wirkung

Besonderes Gefährdungspotenzial oder mangelhafte Datenlage

USF 3=10

für besonders empfindliche Individuen

USF 2=10

Mensch ← Tier

NOAEL

USF1=10 Kontrollbereich

10-9 10-8 10-7 10-6 10-5 10-4 Dosis (mg/kg KG)


Kontroverse um Toxizität bei niedrigen

Dosen/1

„Niedrige Dosen“: niedriger als üblicherweise in toxikologischen

Versuchen zur Risikoabschätzung eingesetzt

LOAEL (lowest observed adverse effect level): 50 mg/kg/Tag

2007: ADI: 50 µg pro kg Körpergewicht und Tag (EFSA)

Nagel (1997), Vom Saal (1997):

2 bzw. 20 µg BPA/kg/Tag bei trächtigen Ratten: vergrößerte

Prostata bei männlichen Nachkommen; bei höheren Dosen

kleinere Effekte beobachtet


Kontroverse um Toxizität bei niedrigen

Dosen/2


2008: Report vom National Institute of Health (USA): alltägliche

Belastung mit BPA kann zu neurologischen Schäden führen -

insbesondere bei Föten und Kleinkindern. Auch eine kanzerogene

Wirkung könne nicht ausgeschlossen werden.

US-Studie


18.4.2008:

Health Canada hat BPA offiziell als gefährliche Substanz

eingestuft.


Epigenetische Effekte


Epigenetische Effekte


DNA-Methylierung


Wissenschafter der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main:

Untersuchung von Mineralwässern unterschiedlicher Herkunft

Mit in vitro Test in einem Teil der untersuchten Proben hormonartige

Verbindungen nachgewiesen.

Vor allem bei Flaschen aus dem Kunststoff PET, aber auch bei Glasflaschen


Chemikalien mit antiöstrogener Wirkung

Verbindungen, die sowohl östrogene als auch antiöstrogene Wirkung

zeigen:

Tamoxifen: antiöstrogen im Brustgewebe

östrogen im Uterus


Natürliche Östrogene - endokrin wirksame

Verbindungen

Natürliche Östrogene sind stärker wirksam als Phytoöstrogene und alle

bekannten synthetischen endokrin wirksamen Verbindungen

(ausgenommen Arzneistoffe wie Diethylstilbestrol und Ethinylöstradiol).

Natürliche Östrogene und Phytoöstrogene sind im Gegensatz zu

synthetischen endokrin wirksamen Verbindungen kurzlebig,

akkumulieren nicht im Gewebe und werden im Körper rasch abgebaut.


Fragen, die zu klären sind

• Welche Substanzen sind endokrin wirksam?

• Wie hoch muss die Exposition gegenüber endokrin wirksamen

Verbindungen sein, damit es zu signifikanten Wirkungen kommt?

• Wie hoch ist die Exposistion des Menschen gegenüber

synthetischen Östrogenen und endokrin wirksamen Chemikalien?

• Welche Effekte hat eine Exposition gegenüber mehreren

Verbindungen (eventuell synergistische Effekte?)


Besondere Problematik

• Breites Spektrum an endokrin wirksamen Verbindungen

• Komplexizität des endokrinen Systems

• Wirkung von endokrin wirksamen Verbindungen können vom

Gewebetyp abhängen

• Wirkungen sind abhängig von der Entwicklungsstufe des Organismus

• Geringe Konzentrationen bereits wirksam


Methoden zur Prüfung auf endokrine

Wirksamkeit

in vivo Assays in vitro Assays


in vivo Assays

Uterotroper Assay

• an Nagetieren durchgeführt

• Testverbindung wird über 24-72 h unreifen oder ovarektomierten

Mäusen oder Ratten in Form von Implantaten verabreicht

• Östrogen induzierte Zunahme des Gewicht und der Gewebemasse

des Uterus wird gemessen

Nachteile:

• nicht sehr spezifisch

• Zeitbedarf

• Kosten


Fish whole life toxicity test

Gemessen werden Wirkungen über den ganzen Lebenszyklus (Ei –

frühe Entwicklungsstadien – Geschlechtsreife – Nachkommen)

Fish partial chronic toxicity test

Gemessen werden Wirkungen bei Fischen mit Geschlechtsreife bis in

die frühen Lebensstadien der Nachkommen


Bildung von Vitellogenin

Vitellogenin

Leber

Eierstöcke

Östradiol


Aufbau des Immunglobulin G (IgG)


Prinzip des Sandwich-ELISAs

Coaten mit dem 1. Antikörper

Blocken

Zugabe des Antigens

Zugabe eines 2. Antikörpers

Zugabe eines 3. Antikörpers, der mit

einem Enzym markiert ist

Zugabe des Substrats


Vor- und Nachteil von in vivo Assays

Vorteil:

sind essentiell zur Bestimmung der östrogenen Aktivität, da nur hier

toxikokinetische Wirkungen zum Tragen kommen

Nachteile:

• Einsatz eingeschränkt (hohe Kosten, hoher Zeitbedarf,

arbeitsintensiv)

• Große Streuung der Ergebnisse aufgrund der Inhomogenität des

biologischen Materials

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