November 2010 (PDF) - an.schläge
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forum wissenschaft<br />
Schönheit vergeht?<br />
Foto: Fr<strong>an</strong>z Jachim<br />
1 Degele, Nina: Sich schön<br />
machen. Zur Soziologie von<br />
Geschlecht und Schönheitsh<strong>an</strong>deln,<br />
Wiesbaden 2004,<br />
S. 29.<br />
26 l <strong>an</strong>.<strong>schläge</strong> <strong>November</strong> <strong>2010</strong><br />
„Schönheit, mein Gott, Schönheit vergeht”,<br />
lautet die Antwort der 70-jährigen<br />
Wienerin Maria Schneider auf die Frage,<br />
w<strong>an</strong>n für sie eine Person in ihrem Alter<br />
schön ist. Dass diese Aussage von einer<br />
Frau stammt, verwundert nicht, schließlich<br />
unterscheiden sich die derzeitigen<br />
Körperideale in unserer Gesellschaft<br />
vor allem nach dem Geschlecht: Frauen<br />
werden vom sozial konstruierten<br />
Körperideal des jugendlichen Aussehens<br />
– inklusive einer faltenarmen Haut und<br />
einer schl<strong>an</strong>ken Figur – auf besondere<br />
Weise <strong>an</strong>gesprochen. Makellosigkeit<br />
und Reinheit unterstützen die öffentliche<br />
Darstellung uniformer weiblicher<br />
Körper, während das Schönheitsideal für<br />
Männer – trainiert, athletisch, muskulös<br />
– deren Individualität betont. Mit diesen<br />
geschlechtsspezifischen Schönheitsidealen<br />
ist eine stärkere kulturelle Normierung<br />
weiblicher Schönheitsst<strong>an</strong>dards im<br />
Vergleich zu männlichen verknüpft. So<br />
kritisiert Nina Degele den „Schönheitskult<br />
(…), der vor allem Frauen in ein<br />
enges Korsett von Schl<strong>an</strong>kheit, Jugend,<br />
Attraktivität, Sportlichkeit, Gesundheit<br />
und Leistungsfähigkeit schnürt”. 1<br />
Kaschieren, verdecken, verhüllen.<br />
Geschlechtsspezifische Körperideale<br />
und die damit verbundenen gesellschaftlichen<br />
Zuschreibungen gelten<br />
auch für Frauen und Männer im Alter<br />
zwischen 60 und 75 Jahren. In meiner<br />
in Wien im Zeitraum Dezember 2009<br />
bis März <strong>2010</strong> durchgeführten qualitativen<br />
Studie wurde deutlich, dass die<br />
Erfüllung der weiblichen Körpernorm<br />
„Schl<strong>an</strong>kheit” und das Erfahren damit<br />
einhergehender Effekte für ältere<br />
Frauen ein begehrenswertes Ziel ist.<br />
Auch wenn diese Körpernorm nicht<br />
(mehr) erreicht werden k<strong>an</strong>n, gilt sie<br />
dennoch als Vergleichsmaßstab für die<br />
Befragten. Ebenso werden körperliche<br />
Mehr denn je sind Körper heute Orte<br />
der Selbstinszenierung und Projektionsflächen,<br />
über die Menschen ihre Identität<br />
behaupten. Dies gilt auch für die Körper<br />
älterer Menschen.<br />
In ihrer Studie <strong>an</strong>alysiert Grit Höppner<br />
den Umg<strong>an</strong>g alternder Frauen und<br />
Männer mit geschlechtsspezifischen<br />
Schönheitsidealen.<br />
Anzeichen des Alter(n)s bestmöglich<br />
zu verdecken versucht, sei es durch die<br />
Verwendung „verjüngend” wirkender<br />
Cremes oder durch das Tragen „geeigneter”<br />
Kleidung.<br />
Letztere Schönheitsstrategie beschreibt<br />
eine 70-jährige Wienerin und ehemalige<br />
B<strong>an</strong>k<strong>an</strong>gestellte so: „Die Figur verändert<br />
[sich]. Zum Beispiel bei mir nicht<br />
das Gewicht, aber die Figur wird nachteiliger.<br />
(…) Das ist halt der normale<br />
biologische Prozess, den m<strong>an</strong> in einer<br />
Weise zwar akzeptieren muss, aber in<br />
<strong>an</strong>derer Weise doch versucht, so gut als<br />
möglich damit umzugehen. (…) Bei der<br />
Kleidung, (…) dass das nicht mehr so<br />
tailliert geht oder wo immer m<strong>an</strong> halt<br />
Schwachstellen hat, die m<strong>an</strong> eben ein<br />
bisschen kaschieren muss.”<br />
Eine 68-jährige Witwe und frühere<br />
Heimpflegerin beschreibt die Veränderungen<br />
in der Wahl ihrer Kleider<br />
hinsichtlich deren Tr<strong>an</strong>sparenz und