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Kulturbericht - E.ON - Strom und Gas - Info-Service - E.ON AG

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<strong>Kulturbericht</strong><br />

2005


20 FRANZ MARC, EINE RETROSPEKTIVE<br />

52 KUNST ALS UNTERNEHMENSKULTUR<br />

86 GESELLSCHAFTLICHES ENG<strong>AG</strong>EMENT<br />

104 AUSBLICK 2006


„Es ist schmerzlich,<br />

einem Menschen seine Grenze anzusehen.“<br />

Christian Morgenstern


Kommunikation zur Franz-Marc-Retrospektive 2005<br />

Werbefläche am Münchener Flughafen<br />

2 KULTURBERICHT 2005 3


Gregory Crewdson: 1985–2005<br />

Eine Ausstellung in Kooperation mit dem<br />

Kunstverein Hannover<br />

4 KULTURBERICHT 2005 5


„Ist Europa ein ‚Christenclub‘? Die EU <strong>und</strong> die Türkei“<br />

Vorbereitung auf eine Veranstaltung auf der Piazza der<br />

E.<strong>ON</strong> Energie, München<br />

6 KULTURBERICHT 2005 7


Die Bedeutung der Kultur <strong>und</strong> der Architektur<br />

oder aber von der leblosen Hülle zum lebenden<br />

Organismus…<br />

Liebe Leserinnen <strong>und</strong> Leser,<br />

nach der äußerst positiv angenommenen Erstausgabe<br />

des <strong>Kulturbericht</strong>es 2004, mit dem wir<br />

Berührungsängsten in bewusster Form entgegentreten<br />

wollten <strong>und</strong> Denkanstöße gaben, ist<br />

nun ein weiteres ereignisreiches Jahr in Sachen<br />

Kunst <strong>und</strong> Kultur vergangen. 2005 setzten wir das<br />

Begonnene fort. Neben einer Vielzahl an künstlerischen<br />

<strong>und</strong> kulturellen Ereignissen gingen<br />

wir zudem eine Wirtschafts- <strong>und</strong> Kulturkooperation<br />

ein, aus der die Partnerschaft zwischen der<br />

E.<strong>ON</strong> Energie <strong>AG</strong> <strong>und</strong> der Städtischen Galerie im<br />

Lenbachhaus hervorging. Das Ergebnis – Franz<br />

Marc – mit über 300.000 Besuchern!<br />

Nun gab es viele, die fragten: Warum fördert<br />

ein Wirtschaftsunternehmen Kultur <strong>und</strong> unterstützt<br />

eine derartige Ausstellung? Lassen Sie es<br />

mich mit den – leicht modifi zierten – Worten von<br />

François Mitterand erklären, der einmal sagte:<br />

„…<strong>und</strong> am Ende bleibt nur die Kultur oder Architektur.“<br />

Sicherlich bezog der ehemalige Staatspräsident<br />

Frankreichs seine Aussage auf die Politik,<br />

aber auch die Wirtschaft ist davon betroffen,<br />

denn die Sorge, dass nichts als die leblose Hülle<br />

bleibt, von dem was geschaffen wurde, ist hier<br />

noch weitaus deutlicher ausgeprägt. Wirtschaft<br />

ist etwas Vergängliches <strong>und</strong> die Geschichte führt<br />

dies immer wieder vor Augen. Wie viele „Wirtschaftsmanager“<br />

der letzten dreih<strong>und</strong>ert Jahre<br />

– die Fugger ausgenommen – sind den Menschen<br />

in Erinnerung geblieben? Ich würde sagen, eine<br />

verschwindend kleine Zahl. Die meisten konnten,<br />

mit dem was sie taten, keine dauernden Werte<br />

schaffen <strong>und</strong> wurden vergessen, selbst wenn wirtschaftliches<br />

Gestalten auch eine Kunst, aber eben<br />

eine sehr vergängliche Kunst ist. Doch glaube ich,<br />

Dr. Johannes Teyssen<br />

Vorstandsvorsitzender der E.<strong>ON</strong> Energie <strong>AG</strong>, München<br />

dass es in der Natur des Menschen liegt, etwas<br />

bewirken zu wollen, das für die Ewigkeit ist. Und<br />

es ist wohl auch eine Pfl icht der Wirtschaft, ihre<br />

Bedeutung für die geistige <strong>und</strong> kulturelle Entwicklung<br />

der Gesellschaft zu geben, von der <strong>und</strong> in der<br />

sie lebt. Denn wenn eine Kulturgesellschaft blüht,<br />

dann entwickelt sich auch die Wirtschaft.<br />

Wir als Wirtschaftsunternehmen sind davon<br />

überzeugt, dass unsere Beschäftigung <strong>und</strong> unser<br />

Austausch mit der Kultur beide Seelen befruchtet<br />

<strong>und</strong> ein wichtiger <strong>und</strong> notwendiger Ausdruck<br />

unserer gesellschaftlichen Verantwortung ist.<br />

Somit gibt es ein gr<strong>und</strong>legendes <strong>und</strong> auch tiefgründiges<br />

Interesse der Wirtschaft an der Kultur.<br />

In gewisser Weise ist das sicherlich sehr eigennützig,<br />

doch nicht zum Schaden der Kultur. Die Wechselwirkung<br />

beider wird meines Erachtens nach<br />

auf Dauer sehr befruchtend sein, vorausgesetzt<br />

eine jede Seite <strong>und</strong> somit jeder Einzelne verliert<br />

die Angst vor der oder dem Anderen <strong>und</strong> tritt aus<br />

seinem Schatten heraus, um sich auf spannende<br />

neue Begegnungen einzulassen.<br />

Deswegen organisieren <strong>und</strong> unterstützen wir<br />

Ereignisse wie die Franz-Marc-Ausstellung, aber<br />

auch viele kleinere Projekte <strong>und</strong> junge Künstler.<br />

Unser kulturelles Engagement der letzten Jahre,<br />

aber insbesondere Franz Marc, werden uns auch<br />

künftig begleiten <strong>und</strong> uns, unsere Mitarbeiter <strong>und</strong><br />

unsere K<strong>und</strong>en, aber auch die Gesellschaft in der<br />

wir gerne leben, bereichern.<br />

Ihr Dr. Johannes Teyssen<br />

8 KULTURBERICHT 2005 9


Wir arbeiten mit Energie – <strong>und</strong> geben Impulse!<br />

Auch wenn es auf den ersten Blick überraschen<br />

mag: so unähnlich sind sie nicht, die Vorgehensweisen<br />

von uns <strong>und</strong> bei E.<strong>ON</strong> Energie, denn beide<br />

erschließen wir Vorhandenes, fördern Neues <strong>und</strong><br />

sehen uns als gr<strong>und</strong>legend für die Zukunftsfähigkeit<br />

unserer Gesellschaft. Innovative Unternehmen<br />

haben längst <strong>und</strong> oft besser als die Politik<br />

verstanden, dass der „creative class“ die Zukunft<br />

gehört, <strong>und</strong> die Kreativen lieben die Lebensqualität<br />

des urbanen Milieus mit seinem rasanten<br />

Tempo <strong>und</strong> seiner Dynamik, der multikulturellen<br />

Vielfalt <strong>und</strong> der Pluralität von Lebensstilen – Orte<br />

der Mobilität, räumlich, sozial, wirtschaftlich <strong>und</strong><br />

eben auch kulturell, Spiegel gesellschaftlichen<br />

Wandels.<br />

Eine der wichtigsten Aufgaben urbaner Kulturpolitik<br />

ist die Wah rung der Balance im Umgang mit der<br />

Vielzahl unterschiedlicher Bedürfnisse <strong>und</strong> Gege-<br />

benheiten. Dazu gehört die kulturelle Teilhabe von<br />

möglichst vielen, auch der Wirtschaftsunternehmen,<br />

die von der hohen Lebensqualität der Kulturstadt<br />

München nicht nur dadurch profi tieren, dass<br />

diese einen Magnet für hochqualifi zierte Kräfte<br />

aus der ganzen Welt darstellt. Die Kreativen aus<br />

Kunst <strong>und</strong> Wirtschaft haben sich viel zu sagen:<br />

durch Wissenstransfer. Wie dies geht, haben wir<br />

gemeinsam in der Franz-Marc-Ausstellung der<br />

Städtischen Galerie im Lenbachhaus getestet,<br />

die viele <strong>und</strong> vieles erreicht hat. Beim Einblick in<br />

unser Metier mag überrascht haben, dass auch wir<br />

uns erfolgreich des Managementrepertoires der<br />

Privatwirtschaft bedienen; vom professionellen<br />

Marketing, mit dem uns E.<strong>ON</strong> Energie unterstützt<br />

hat, haben wir profi tiert <strong>und</strong> gelernt.<br />

Auch wenn nicht alle unsere Projekte auf so große<br />

Resonanz wie die Franz-Marc-Ausstellung stoßen:<br />

Prof. Dr. Dr. Lydia Rea Hartl<br />

Kulturreferentin der Landeshauptstadt München<br />

Uns trägt der Anspruch, mit höchster Qualität<br />

Wirkung zu erzielen. Dazu gehört, dass wir jüngst<br />

unsere internen Strukturen optimiert haben, um<br />

unsere Kernaufgaben optimal wahrnehmen zu<br />

können: die Förderung von Kunst <strong>und</strong> Kultur in<br />

allen Bereichen <strong>und</strong> für alle Zielgruppen, <strong>und</strong><br />

dabei einerseits Tradiertes lebendig zu präsentieren,<br />

zu erforschen <strong>und</strong> weiterzuentwickeln, aber<br />

auch Programme zu setzen, die Neues ermöglichen,<br />

was jenseits des Mainstreams liegt <strong>und</strong><br />

liegen muss. „Risk taking“ – das ist wesenhaft für<br />

die Aufgaben, die wir uns stellen. Vieles haben wir<br />

bereits erreicht, <strong>und</strong> uns noch viel mehr vorgenommen;<br />

wir wollen im internationalen Kultur-<br />

Ranking stärker punkten <strong>und</strong> uns dabei vielseitig<br />

<strong>und</strong> nachhaltig positionieren: durch zeitgemäße<br />

Formen urbaner Kultur, durch Freiräume für Innovatives<br />

<strong>und</strong> Grenzgängerisches.<br />

Unsere Visionen <strong>und</strong> Ideen setzen wir gerne in<br />

Kooperation mit Unternehmen um, die sich ihrer<br />

gesellschaftlichen <strong>und</strong> kulturellen Verantwortung<br />

bewusst sind, denn auch neue Formen der<br />

Zusammenarbeit bereichern unser Leben. Wenn<br />

ich einen Wunsch für unsere Partnerschaft mit<br />

E.<strong>ON</strong> Energie frei hätte, fallen mir gleich zwei<br />

Dinge ein, auf die ich setzen würde: auf das<br />

Vertrauen in „Gr<strong>und</strong>lagenforschung“, aber auch<br />

auf das Wagnis, experimentelles, nicht abgesichertes<br />

Terrain zu entdecken. Lassen Sie sich also<br />

überraschen, was wir gemeinsam vorhaben…<br />

Prof. Lydia Rea Hartl<br />

10 KULTURBERICHT 2005 11


Warum engagiert sich der E.<strong>ON</strong>-Konzern zunehmend<br />

auf dem Gebiet des Kultursponsorings? Um<br />

mehr <strong>Strom</strong> oder <strong>Gas</strong> zu verkaufen? Wohl kaum!<br />

Keiner der über 300.000 Besucher der Franz-Marc-<br />

Ausstellung im Münchener Lenbachhaus wird<br />

deshalb mehr kWh <strong>Strom</strong> oder m 3 -<strong>Gas</strong> aus unserem<br />

Konzern verbrauchen. Warum also ein solches<br />

Engagement mit nicht unbeträchtlichen Kosten?<br />

Eine allgemein zutreffende Antwort lässt sich<br />

vielleicht darin fi nden, dass kulturelle Aktivitäten<br />

geeignet sein können, Unternehmen eine<br />

unverwechselbare Identität zu geben. Da unsere<br />

Produkte in Leistung, Preis <strong>und</strong> Aussehen kaum<br />

zu unterscheiden sind, kann die Identität – <strong>und</strong><br />

damit das Image eines Unternehmens – z.B. eine<br />

K<strong>und</strong>enbeziehung entscheidend beeinfl ussen.<br />

Wir alle erleben es derzeit, wie wichtig es ist, ein<br />

gutes Image zu haben. Die enormen<br />

Dr. e.h. Achim Middelschulte,<br />

Kulturbeauftragter der E.<strong>ON</strong> <strong>AG</strong>, Düsseldorf<br />

Ausgaben für Imageanzeigen einzelner Unternehmen<br />

beweisen das. Und damals, als für das<br />

Personalwesen zuständiges Vorstandsmitglied<br />

bei E.<strong>ON</strong> Ruhrgas, habe ich das selbst oft jeden<br />

Tag erlebt: Personalbewerber entscheiden sich<br />

für die Tätigkeit in einem Unternehmen auch<br />

deshalb, weil es ein besonders gutes Image hat.<br />

Mitarbeiter arbeiten motivierter in einem Unternehmen,<br />

das in der Öffentlichkeit einen guten<br />

Ruf genießt <strong>und</strong> auf dessen Renommee auch sie<br />

stolz sein können.<br />

In diesem Sinne kann das Kultursponsoring in<br />

besonderem Maße imagebildend wirken. Es ist<br />

damit eine weitere Möglichkeit für eine innovative<br />

Unternehmenskommunikation neben den<br />

klassischen Instrumenten wie Imagewerbung,<br />

Presse- <strong>und</strong> Öffentlichkeitsarbeit. Kultursponsoring<br />

eröffnet – angesichts der heutigen<br />

Kultursponsoring –<br />

Möglichkeiten für eine innovative Unternehmenskommunikation<br />

des E.<strong>ON</strong>-Konzerns<br />

Überfrach tung durch Werbung <strong>und</strong> <strong>Info</strong>rmation,<br />

die durch die breite Masse oft nicht mehr wahrgenommen<br />

wird – zusätzliche oder komplementäre<br />

Wege nach innen <strong>und</strong> außen.<br />

Wenn man nach der Motivation für Kultursponsoring<br />

fragt, wird manchmal auch geantwortet,<br />

dass Unternehmen gegenüber der Öffentlichkeit<br />

<strong>und</strong> Gesellschaft sozusagen verpfl ichtet seien,<br />

sich als Sponsor zu betätigen. Mit dieser Antwort<br />

kann ich persönlich wenig anfangen. Ich glaube<br />

nicht, dass es auf diesem Gebiet eine spezielle<br />

Verpfl ichtung für Unternehmen gibt. Die Kulturförderung<br />

<strong>und</strong> –fi nanzierung ist meines Erachtens<br />

eindeutig eine öffentliche Aufgabe, <strong>und</strong> diese<br />

Verantwortung darf auch nicht verwischt werden.<br />

Die Zahlen sprechen da auch eine klare Sprache.<br />

Insgesamt werden die Ausgaben der Öffentlichen<br />

Hand für die Kulturförderung zurzeit auf 8 Mrd. ◊<br />

geschätzt. Demgegenüber nehmen sich die<br />

geschätzten 400 Mio ◊, die von Unternehmen für<br />

das Kultursponsoring ausgegeben wurden, doch<br />

eher bescheiden aus.<br />

Allerdings muss man berücksichtigen, dass dieses<br />

Geld ohne Zweifel eine besondere Qualität hat.<br />

Während die Öffentliche Hand naturgemäß die<br />

laufende Finanzierung des Kulturbetriebes sicherzustellen<br />

hat, gewährleisten die Sponsorengelder<br />

oft die „Bonbons“ in der Kulturlandschaft. Ohne<br />

unser Engagement für die Franz-Marc-Retrospektive<br />

wäre diese Ausstellung im Lenbachhaus kaum<br />

so spektakulär verlaufen.<br />

Dr. Achim Middelschulte<br />

12 KULTURBERICHT 2005 13


Alle Jahre wieder…<br />

…können wir mittlerweile voller Stolz sagen,<br />

erscheint unser <strong>Kulturbericht</strong>, der auch in diesem<br />

Jahr, in lockerer Folge, die kulturellen „Highlights“<br />

2005 „Revue passieren“ lässt.<br />

Ein erfülltes kulturelles Jahr liegt hinter uns. Ein<br />

Schwerpunkt war sicherlich unsere Partnerschaft<br />

mit dem Lenbachhaus, das die größte Retrospektive<br />

mit Werken von Franz Marc seit 1916 präsentierte.<br />

Über 250 unterschiedlichste Arbeiten des<br />

Künstlers aus dem Kreis der „Blauen Reiter“ waren<br />

zu sehen <strong>und</strong> lockten Tausende von Besuchern<br />

nach München. Partnerschaft in diesem Fall in<br />

tieferem Sinn verstanden. An die Seite der finanziellen<br />

Unterstützung trat auf der Arbeitsebene<br />

der Austausch der Häuser. Zusammen arbeiten,<br />

zusammen zum Erfolg gelangen. Gute Gefühle im<br />

Rückblick darauf! Ein Ereignis, das Lust <strong>und</strong> Mut<br />

auf mehr macht.<br />

Schwerpunkt auch im vorliegenden <strong>Kulturbericht</strong>,<br />

aber mit einer Berichterstattung, die dieses<br />

Thema auf eine besondere Weise aufblättert:<br />

Thomas Mayfried wird Sie in die Entwicklung des<br />

Aufsehen erregenden grafi schen Konzepts einweihen;<br />

Frau Hoberg, Kuratorin der Ausstellung, von<br />

ihrer persönlichen Beziehung zu Franz Marc<br />

berichten. Wir haben alte <strong>und</strong> junge Menschen<br />

zu ihren Eindrücken von der Ausstellung befragt.<br />

Renate Stengel wird Sie an Freud <strong>und</strong> Leid des<br />

Besuchermanagements teilhaben lassen.<br />

Sie werden neue Gesichter von Mitarbeitern<br />

fi nden, die die Kunst in ihren Büros erklären; einen<br />

Versuch, Gedichte auf andere Weise zu entdecken<br />

<strong>und</strong> als neues Element im diesjährigen Bericht,<br />

kurze Blicke auf ausgewählte kulturelle Beiträge<br />

unserer Töchter E.<strong>ON</strong> IS <strong>und</strong> E.<strong>ON</strong> Hungária.<br />

Bärbel Tannert<br />

Kulturreferentin der E.<strong>ON</strong> Energie <strong>AG</strong>, München<br />

Ein für mich persönlich herausragendes Ereignis<br />

war die Zusammenarbeit mit G<strong>und</strong>a Förster, die<br />

mit ihrer Licht-Klang-Skulptur NOISE, die Piazza<br />

unseres Firmensitzes in München auf spektakuläre<br />

Weise veränderte, Maße <strong>und</strong> Dimension<br />

dieses Raumes verschob <strong>und</strong> innerhalb dieser<br />

be geh baren Skulptur ein facettenreiches Spiel mit<br />

der Wahrnehmung des Betrachters anregte. Der<br />

dem <strong>Kulturbericht</strong> beigelegte Katalog vermittelt<br />

Ihnen auf sehr poetische <strong>und</strong> persönliche Weise<br />

das Anliegen der Künstlerin.<br />

Ein Ausblick auf das kommende Kulturjahr bei<br />

E.<strong>ON</strong> Energie soll Sie neugierig machen. Sie sind<br />

doch wieder dabei? Wir freuen uns auf Sie!<br />

Bärbel Tannert<br />

14 KULTURBERICHT 2005 15


Unsere Aktivitäten 2005<br />

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16 KULTURBERICHT 2005 17


Franz-Marc-Retrospektive 2005<br />

Temporärer Pavillon am Königsplatz, München<br />

18 FRANZ MARC 19


Franz-Marc-Retrospektive 2005<br />

Besucherinnen im Lenbachhaus, im Hintergr<strong>und</strong><br />

Steiniger Weg, Franz Marc, 1911<br />

FRANZ MARC,<br />

EINE RETROSPEKTIVE<br />

Partnerschaft mit dem Lenbachhaus zur großen Franz-Marc-Retrospektive; ein erster Versuch, aber ein<br />

sehr gelungener. Ein Resümee in Zahlen:<br />

• 269 Exponate mit 120 Leihgaben aus 12 Ländern, u. a. USA,UK,CH,B,NL<br />

• 305.060 Besucher, davon: 5.179 Mitarbeiter <strong>und</strong> Gäste<br />

• Tagesrekord am 8.1.2006: 5.550 Besucher<br />

• 140.000 Zugriffe auf die Homepage<br />

• 2.121 erschienene Print-Artikel in Deutschland<br />

• 79 Arbeitstreffen zwischen dem Lenbachhaus <strong>und</strong> E.<strong>ON</strong> Energie mit unzähligen Litern Kaffee/Tee<br />

<strong>und</strong> „Gummibärchen“<br />

• Das Lenbachhaus verkaufte: 23.215 Kataloge, 8.380 Plakate, 2.059 Kalender, 105.286 Postkarten <strong>und</strong><br />

892 DVDs<br />

Nicht zu sprechen von den vielen glücklichen Gesichtern nach dem Besuch der Ausstellung, den vielen<br />

Kindern, die die Ausstellung sahen <strong>und</strong> den vielen Menschen, die auch ein zweites, drittes <strong>und</strong> viertes<br />

Mal die Ausstellung besuchten. „Franz Marc mit neuen Augen sehen“, das Motto das dem graphischen<br />

Konzept zugr<strong>und</strong>e lag, scheint aufgegangen zu sein.<br />

20 FRANZ MARC 21


Wie fi nden Sie das?<br />

Kleine, Große, Junge, Alte… weit gereiste Men -<br />

schen; stolze Münchner, die „ihren“ Franz Marc<br />

feierten… mehr als 300.000 Menschen waren in<br />

gut drei Monaten unterwegs, um die große Retrospektive<br />

des Werks von Franz Marc zu schauen.<br />

Wir haben sie beobachtet <strong>und</strong> sie zu ihrem ganz<br />

persönlichen Eindruck befragt. Fragen wie:<br />

Warum besuchen Sie diese Ausstellung? Was<br />

denken Sie über Franz Marc <strong>und</strong> seine Werke? Was<br />

würden Sie gerne noch über Franz Marc wissen?<br />

Was halten Sie von einem Engagement in Sachen<br />

Kultur durch ein Wirtschaftsunternehmen? Hier<br />

sind die Antworten:<br />

Die meisten Besucher verbinden mit Franz Marc in<br />

erster Linie die Künstlergruppe des „Blauen Reiter“.<br />

Frau Fleischmann aus München geht regelmäßig<br />

ins Lenbachhaus, um sich die Werke der ständigen<br />

Ausstellung anzuschauen. Weil sie Franz Marc<br />

besonders verehrt, freut sie sich über die große<br />

Einzelausstellung. Zwei Klassen der Parzivalschule<br />

kommen auf Geheiß der kunstinteressierten Lehrerin.<br />

Ihre Begeisterung über die verschiedenen Tiere<br />

in den verschiedenen Farben wird dadurch aber<br />

nicht geschmälert. Viele, wie zum Beispiel Herr Dr.<br />

Limper aus Wuppertal, haben durch die Medien<br />

von der Ausstellung erfahren. Manch ein Besucher<br />

ist gar kein großer Liebhaber des „Blauen Reiter“,<br />

hat sich aber durch die positive Resonanz <strong>und</strong><br />

M<strong>und</strong>propaganda überzeugen lassen.<br />

Besonders die skeptischen Besucher sind am Ende<br />

sehr erstaunt. Gabriele Frank <strong>und</strong> Romina Nowak<br />

sind keine bekennenden Liebhaber von Franz<br />

Marc <strong>und</strong> auch nicht der figürlichen Darstellung.<br />

Deshalb sind sie überrascht: „Der Moment wenn<br />

sich bei Franz Marc die Formen verschieben, die<br />

Figuren unkenntlich werden, ist besonders spannend.“<br />

Das Lieblingsbild der beiden, wie z.B. auch<br />

von Dr. Krüger aus Holzkirchen, sind die Kämpfenden<br />

Formen. Für viele Besucher sind auch Franz<br />

Marcs Südtirol Bilder eine Überraschung. Sie sind<br />

dunkel, fi nster. Das ist ungewohnt bei Franz Marc<br />

<strong>und</strong> sorgt dafür, dass sich einige noch intensiver<br />

mit Franz Marcs Biographie auseinandersetzen.<br />

Herr <strong>und</strong> Frau Dr. Kopf aus Bergisch Gladbach sind<br />

angetan von den verschiedenen geometrischen<br />

Formen. Sie fi nden diese irritierend <strong>und</strong> beeindruckend<br />

zugleich: „Eigentlich sind es nur wenige<br />

grüne Vierecke... <strong>und</strong> doch erkennt man den Wald.“<br />

Bei den Kindern sind die „Klassiker“ sehr beliebt.<br />

Das ist neben dem Blauen Pferd auch die Springende<br />

Kuh oder der Tiger. Die Gr<strong>und</strong>schüler haben<br />

gleich noch ein paar Vorschläge, welche Tiere<br />

man – am besten in blau – noch malen könnte:<br />

Katzen oder Enten zum Beispiel. Deshalb fi ndet<br />

auch Frau Grienberg-Zingerle, die mit ihrer Familie<br />

die Ausstellung besucht, dass das ein oder andere<br />

Bild durchaus für das Kinderzimmer geeignet ist.<br />

22 FRANZ MARC 23


Die kurze Lebenszeit von Franz Marc <strong>und</strong> den<br />

sinnlosen Tod im Krieg bedauern viele. Den Besuchern<br />

fällt am Ende einiges ein, was sie Franz<br />

Marc gerne fragen würden, würde er noch leben.<br />

Wie bei Beate Fritsch-Klausino <strong>und</strong> Jens Hoechmer<br />

werfen Farbgebung <strong>und</strong> Motive immer wieder<br />

Fragen auf: „Woher kommt seine Freude an der<br />

Farbe, an Tieren <strong>und</strong> so viel Lebhaftigkeit <strong>und</strong> Mut,<br />

in einer doch nicht ganz einfachen Zeit?“ Herr<br />

Dittrich aus Berlin w<strong>und</strong>ert sich wie Franz Marc<br />

überhaupt auf diese revolutionäre Art der Farbgebung<br />

gekommen ist.<br />

Die Schüler aus der Parzivalschule sind viel pragmatischer.<br />

Würden sie Franz Marc heute treffen,<br />

hätten sie gerne ein Autogramm <strong>und</strong> dann könnte<br />

er ihnen noch das Malen beibringen. Auf die Frage,<br />

ob Franz Marc Vegetarier gewesen sei, antwortete<br />

einer der Schüler: „Franz Marc hat bestimmt<br />

Fleisch gegessen. Er hat ja Tiger gemalt <strong>und</strong> die<br />

fressen auch Fleisch.“ Frau Sennewald, die mit<br />

Mann <strong>und</strong> Enkelsohn in der Ausstellung ist, hat<br />

noch eine private Frage an Franz Marc: „Warum hat<br />

er sich damals eigentlich für Maria Franck <strong>und</strong> nicht<br />

für die Maria mit dem Kind entschieden?“ Stanislav<br />

Bassovitsch, vom Wachpersonal im Lenbachhaus,<br />

möchte sich eigentlich noch bei Franz Marc für so<br />

viele w<strong>und</strong>erbare Bilder bedanken.<br />

Die Bewertung des E.<strong>ON</strong> Energie Engagements<br />

fällt selbst bei denen positiv aus, die sonst<br />

dem „Energieriesen“ eher skeptisch gegenüberstehen.<br />

Lediglich das E.<strong>ON</strong> Energie Logo erscheint<br />

vielen auf den verschiedenen Medien zu präsent.<br />

Allgemein betrachtet befürchtet keiner eine zu<br />

starke Beeinfl ussung des Kunst- <strong>und</strong> Kulturlebens<br />

durch Unternehmenssponsoring. Herr Sennewald<br />

fi ndet Kultursponsoring in hohem Maß notwendig,<br />

in Zeiten leerer öffentlicher Kassen. Herman<br />

Twiehaus <strong>und</strong> Wolfgang Isenberg sehen große<br />

Unternehmen in der Verantwortung: „Es sollte<br />

eigentlich selbstverständlich sein, dass Unternehmen<br />

sich im Bereich Kunst <strong>und</strong> Kultur in einem<br />

hohen Maß engagieren. Unternehmen tragen<br />

auch soziale Verantwortung, schon im Sinne der<br />

Verpfl ichtung von Eigentum.“ Die beiden weisen<br />

außerdem noch darauf hin, dass kleine Projekte<br />

<strong>und</strong> Nachwuchskünstler nicht vernachlässigt<br />

werden dürfen.<br />

Da können wir beruhigen: Werden sie nicht!<br />

24 FRANZ MARC 25


„Heute wäre Franz Marc wahrscheinlich ein<br />

Popstar <strong>und</strong> müsste Autogramme verteilen.“<br />

„Es ist ein W<strong>und</strong>er, wenn einer in so jungen<br />

Jahren mit einer solchen Fülle von Arbeiten<br />

hohen Niveaus brillieren kann. “<br />

„Diese Kunst ist bis weit nach dem 2. Weltkrieg<br />

ignoriert <strong>und</strong> auch nicht verstanden<br />

worden. Es ist schön diesen Andrang hier zu<br />

sehen.“<br />

„Die Ausstrahlung der Tiere auf den Bildern<br />

hat mich stark beeindruckt.“<br />

„Es wird interessanter, wenn keine Tiere<br />

mehr da sind, die Formen sich aufl ösen… z.B.<br />

Kämpfende Formen oder Im Regen. Wenn er<br />

ins Kubistische abdriftet.“<br />

„In dieser Form wird man die Bilder wahrscheinlich<br />

nie wieder sehen können.“<br />

„Es war eine gute Idee von E.<strong>ON</strong> Energie, die<br />

Ausstellung zu unterstützen.“<br />

26 FRANZ MARC 27


Franz Marc, das Besucherbüro <strong>und</strong> ich –<br />

oder der Besucher, das unbekannte Wesen<br />

von Renate Stengel<br />

Renate Stengel<br />

Besuchermanagement<br />

Wissen Sie wer Franz Marc war? Marc, Marc, da<br />

war doch mal was. Wohin einsortieren: Maler,<br />

Bildhauer oder Schriftsteller? Bis zum Anruf von<br />

Frau Tannert im Mai 2005 war Franz Marc, ich muss<br />

es leider gestehen, mir nicht wirklich ein Begriff.<br />

Dem Internet sei Dank, es half mir auf die Sprünge.<br />

Heute bin ich im „Franz Marc Fieber“. Gelbe Kühe,<br />

blaue Pferde, Affen <strong>und</strong> Tiger haben mich in<br />

ihren Bann gezogen. Aber die kunsthistorischen<br />

Erklärungen über diesen bekannten Münchner<br />

Maler überlasse ich doch lieber den Experten.<br />

Ich möchte vielmehr über das Abenteuer<br />

„Besucherbüro“ berichten. Endlich war der 17. September<br />

2005 da, alle großen Museen, Galerien,<br />

Presse, Funk <strong>und</strong> Fernsehen über das bevorstehende<br />

Ereignis informiert. Eigens zu diesem<br />

Zweck wurden auf dem Königsplatz „fliegende<br />

Bauten“ für die Besucher errichtet. Markenzeichen<br />

blaues Pferd für den Büchershop <strong>und</strong> die gelbe<br />

Kuh für den Ticketshop. Heute frage ich mich, war<br />

die Auswahl rein zufällig? Aber zurück zum 17.<br />

September 2005: Die Besucher können kommen.<br />

Und sie kamen.<br />

In meiner Vorstellung ist der Museumsbesucher<br />

fre<strong>und</strong>lich, kunstinteressiert, in froher Erwartung<br />

auf w<strong>und</strong>erschöne Bilder – <strong>und</strong> dafür nimmt<br />

er sich Zeit. Es kam alles ganz anders. Der<br />

Museumsbesucher hat in erster Linie keine Zeit<br />

<strong>und</strong> warten kann er schon gleich gar nicht. Auch<br />

mit dem Lesen allgemeiner Hinweise hat er so<br />

seine Schwierigkeiten.<br />

Kaum ist um 10.00 Uhr das Besucherbüro geöffnet,<br />

da werden wir auch schon mit Fragen<br />

überschüttet:<br />

• Wo ist hier die Ausstellung?<br />

• Wie komme ich zum Kunstbau, geht es hier unterirdisch?<br />

Geduldig beantwortet das Team vom Besucher büro<br />

alle Fragen. So ganz nebenbei geben wir noch<br />

Führungssysteme für die angemeldeten Gruppen<br />

aus, nehmen Anträge für Jahreskarten entgegen,<br />

rufen Taxis für die Besucher, kümmern uns um<br />

verlorene Gegenstände, wie z.B. Schirme, Handys,<br />

Handschuhe, Mützen, Schmuck <strong>und</strong> Geldbeträge<br />

<strong>und</strong> verkaufen Eintrittsgutscheine.<br />

Und dann wieder diese Fragen:<br />

• Wer hat das Tor gebaut <strong>und</strong> warum ist der<br />

Königsplatz gepfl astert?<br />

• Wie komme ich von hier zu Fuß an die Isar?<br />

• Wo sind denn hier die antiken Vasen?<br />

• Wo bekommt man die „Ohrenteile“?<br />

Mit zunehmender Dauer der Ausstellung sieht man<br />

es den Besuchern schon an, dass es wieder etwas<br />

zu beantworten gibt. „Fräulein!“ Erstaunt sehe ich<br />

28 FRANZ MARC 29


mich um. Ach so, ich bin gemeint. „Fräulein, ich<br />

möchte einen Katalog kaufen. Wo ist die Schlange<br />

am kürzesten? Im Kunstbau, Lenbachhaus oder im<br />

Shop?“ Leider kann ich noch nicht hellsehen <strong>und</strong><br />

damit die Frage nicht beantworten. „Fräulein, wozu<br />

sind Sie eigentlich da, wenn Sie das nicht wissen?“<br />

Genau das habe ich mich dann auch gefragt. Es<br />

ist zum Verzweifeln. Warum wissen wir nicht was<br />

abends in den Theatern gespielt wird, welche aktuellen<br />

Ausstellungen in anderen Museen gezeigt<br />

werden, warum haben wir keine Briefmarken, auch<br />

mit Eisbeuteln konnten wir nicht dienen, wir hatten<br />

auch keine Steckdose zum Aufladen von Handys<br />

<strong>und</strong> auf H<strong>und</strong>e konnten wir auch nicht aufpassen.<br />

Glücksmomente? Doch, die gab es. Zum Beispiel<br />

die Kinder einer KITA-Gruppe. Sie wollten doch<br />

nur das große blaue Pferd sehen, um es dann zu<br />

malen. Oder die zahlreichen Rollstuhlfahrer denen<br />

wir helfen konnten. Dankbar waren auch zwei<br />

ältere Damen, die vermisste Dinge wohlbehalten<br />

im Schließfach wieder fanden. Und dann war da<br />

noch die Dame aus Freising die über 700 EURO im<br />

Waschraum vergaß <strong>und</strong> alles zurückbekam. Gelobt<br />

wurden auch die Audioguides <strong>und</strong> nicht zuletzt<br />

die w<strong>und</strong>erbare Ausstellung selbst. Das ließ uns<br />

dann wieder hoffen.<br />

Ich war jetzt der Meinung, alle möglichen<br />

Fragestellungen erlebt zu haben:<br />

• Meinen Sie, dass sich die Ausstellung lohnt?<br />

• Wo bitte ist das Damen-WC, das Herren-WC habe<br />

ich gef<strong>und</strong>en?<br />

• Können Sie mir sagen, ob mir die Bilder gefallen?<br />

• Wo ist das Gerippemuseum?<br />

• Wo kann ich Kaugummi kaufen?<br />

• Kann man hier Fußballkarten kaufen?<br />

Man könnte jetzt auf den Gedanken kommen, ich<br />

habe mir das alles ausgedacht. Mitnichten, wir<br />

waren ein Team von vier Kolleginnen <strong>und</strong> könnten<br />

noch von stillenden Müttern im Ticketshop <strong>und</strong><br />

vom wohl schnellsten Museumsbesucher berichten.<br />

Er kaufte seine Karte 15 Minuten vor Schluss<br />

<strong>und</strong> meinte „die Ausstellung schaffe ich schon“.<br />

Am 03. November 2005 konnte der 100.000ste <strong>und</strong><br />

am 09. Dezember 2005 der 200.000ste Besucher<br />

begrüßt werden.<br />

Das soll es nun gewesen sein: Nach 99 Tagen, 2.400<br />

Besuchergruppen <strong>und</strong> insgesamt über 300.000<br />

Besuchern ist die Ausstellung nun geschlossen.<br />

Kaum vorstellbar, dass am 10. Januar 2006 keine<br />

Besucher mehr kommen. Keiner fragt mehr „Wo<br />

bitte ist der nächste Briefkasten?“, „Was muss<br />

ich tun um VIP zu werden?“ <strong>und</strong> die tausendfach<br />

gestellte Frage: „Wo ist der Kunstbau?“, dies alles<br />

ist nun vorbei. Irgendwie werde ich es vermissen,<br />

doch ich bin um viele Erfahrungen reicher.<br />

Danke, Franz Marc!<br />

Renate Stengel<br />

19. Januar 2006<br />

30 FRANZ MARC 31


32 FRANZ MARC 33


Eine Partnerschaft:<br />

Das Lenbachhaus <strong>und</strong> E.<strong>ON</strong> Energie<br />

Zwei Chefs, zwei Häuser, zwei Aussagen <strong>und</strong><br />

ein Projekt:<br />

Manche Dinge, die wie selbstverständlich <strong>und</strong> glänzend<br />

laufen, wie dies im Fall des Sponsorings durch<br />

E.<strong>ON</strong> Energie für unsere Franz-Marc-Ausstellung<br />

im Kunstbau <strong>und</strong> Lenbachhaus 2005/2006 der Fall<br />

war, erscheinen plötzlich komplex, ja schwierig,<br />

in der Betonung <strong>und</strong> der Bewertung, wenn man<br />

versucht, nach Gründen zu suchen. Es ist allgemein<br />

bekannt, dass im Unterschied zu den reichen 80er<br />

<strong>und</strong> beginnenden 90er Jahren die öffentlichen<br />

Haushalte in der B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland mit<br />

der Mitte der 90er Jahre zunehmend in Bedrängnis<br />

geraten sind <strong>und</strong> Finanzierungen auf anderem<br />

Wege nicht nur willkommen, sondern notwendig<br />

geworden sind. Das Lenbachhaus hat dieser<br />

Tatsache rechtzeitig Rechnung getragen <strong>und</strong> einen<br />

Förderverein gegründet, der, mit Unterstützung<br />

der Deutschen Bank <strong>AG</strong>, eine Jubiläumsstiftung<br />

zugunsten des Lenbachhauses eingerichtet hat,<br />

nicht nur eine Reihe von Fre<strong>und</strong>en an der Seite, die<br />

das Haus unterstützen, sondern auch eine nicht zu<br />

unterschätzende Möglichkeit für Ankäufe.<br />

E.<strong>ON</strong> Energie hat sich bei Franz Marc engagiert<br />

<strong>und</strong> zwar in mehrfacher Hinsicht. Nicht nur als<br />

Geldgeber, ja insbesondere mit einem außergewöhnlichen<br />

Engagement für die Werbung, ohne die<br />

die Ausstellung nicht so erfolgreich gewesen wäre,<br />

sondern auch im Sinn der Infrastruktur, die sich in<br />

der Errichtung von temporären Bauten auf dem<br />

Museumsplatz einerseits äußerte, die andererseits<br />

aber auch in einer engen Beratung bestand. So<br />

konnten die verschiedenen notwendigen Schritte<br />

gemeinsam erörtert <strong>und</strong> entwickelt werden.<br />

Insofern ist Sponsoring, das natürlich auch einen<br />

wirtschaftlichen <strong>und</strong> finanztechnischen Aspekt hat,<br />

hier zu beider Nutzen gelaufen. Das Lenbachhaus<br />

hat die finanzielle Absicherung erhalten, die bei der<br />

Größe des Projektes unbedingt notwendig war.<br />

E.<strong>ON</strong> Energie seinerseits hat mit unserem Produkt<br />

„Franz Marc“ hoffentlich auch einen guten<br />

Imagegewinn davongetragen. Insofern war es<br />

ein echtes Sponsoring, nämlich ein Geschäft auf<br />

Gegenseitigkeit. Geschäft klingt dabei eher negativ,<br />

sollte aber positiv verstanden werden, um<br />

im Klartext zu sprechen, die Ausstellung wäre in<br />

ihrer Dimension, ihrer Außenwirkung <strong>und</strong> damit<br />

in ihrem Erfolg ohne diese Unterstützung durch<br />

E.<strong>ON</strong> Energie nicht denkbar <strong>und</strong> möglich gewesen<br />

<strong>und</strong> dies wäre sicher für viele Menschen, die an<br />

dieser Ausstellung ihre Freude gehabt haben,<br />

ein großer Nachteil gewesen. Es war also eine<br />

Förderung einer Idee <strong>und</strong> eines künstlerischen<br />

Auftritts, den es so nicht gegeben hätte <strong>und</strong> der<br />

eben nur möglich war, weil viele Menschen mit<br />

enormer Einsatzbereitschaft <strong>und</strong> Fantasie an diesem<br />

Projekt mitgewirkt haben. Die Methode wie<br />

der erzielte Erfolg legen nahe, ein ähnliches Projekt<br />

in naher Zukunft wieder in Angriff zu nehmen.<br />

Prof. Helmut Friedel<br />

Direktor des Lenbachhauses<br />

34 FRANZ MARC 35


Die Franz-Marc-Ausstellung im Lenbachhaus war<br />

für mich persönlich etwas ganz Besonderes, ein<br />

Projekt, dem ich, offen gestanden, zu Anfang<br />

etwas skeptisch gegenüber stand. Vor dem<br />

ersten Treffen mit Herrn Friedel <strong>und</strong> seinem Team<br />

bestand meinerseits große Unsicherheit darüber,<br />

ob wir mithelfen können, diese Ausstellung, die aus<br />

meiner Sicht ein immenses Ausmaß hatte, noch<br />

besser zu bewältigen.<br />

Doch schon bei der ersten Begegnung stand fest:<br />

Berührungsängste gab es keine – unsererseits, aber<br />

auch seitens Herrn Friedel <strong>und</strong> seiner Mitarbeiter.<br />

Sofort haben wir damit begonnen nach dem<br />

besten Weg <strong>und</strong> den besten Lösungen für die<br />

Mammutaufgabe, vor der wir standen, zu suchen.<br />

Und wir waren uns sicher: Diese Ausstellung wird<br />

ein Erfolg. Natürlich standen alle Beteiligten bis zur<br />

Eröffnung unter einer gehörigen Spannung. Bei mir<br />

persönlich hat sich diese gelöst, als ich die Bilder<br />

zum ersten Mal in dem herrlichen Kunstbau sah.<br />

Im Laufe der Zeit, immerhin habe ich die Ausstellung<br />

mehr als zehnmal besucht, habe ich zu<br />

einigen Bildern eine persönliche Beziehung aufgebaut.<br />

Besonders hingezogen fühlte ich mich zu<br />

einem Bild: Dem Bild namens Die roten Pferde. Die<br />

Größe des Bildes, seine kühne <strong>und</strong> überwältigende<br />

Farbigkeit sowie die Anordnung der Pferde haben<br />

mich förmlich angezogen. Doch jeder der sich mit<br />

Kunst auseinandersetzt, weiß, dass sie nur dann<br />

ihre volle Wirkung entfaltet, wenn sie gut platziert<br />

ist. Und aus meiner Sicht war der Platz, an dem<br />

dieses Bild hing, perfekt gewählt. Zwischen dem<br />

Blauen Pferd 1 <strong>und</strong> dem Blauen Pferd 2 machte<br />

die Gesamtkomposition diesen Raum zu einer<br />

Kathedrale der Pferdebilder. Und nicht nur das.<br />

Dieses Bild ist mit einer Geschichte verb<strong>und</strong>en, die<br />

mich berührt hat.<br />

1937 wurden Die roten Pferde, wie alle anderen<br />

damals 16 Gemälde von Marc in deutschem<br />

Museumsbesitz, durch die Nationalsozialisten als<br />

„entartet“ beschlagnahmt, 1939 wurde das Bild<br />

dann auf der berühmten Auktion „Entarteter Kunst“<br />

in Luzern versteigert. Dort erwarb es eine deutsche<br />

Familie – Mutter <strong>und</strong> Sohn –, die damals schon<br />

in den USA <strong>und</strong> Italien lebte. Das Bild befand sich<br />

lange in Cincinnati, später in Rom, seit 1991 ist es<br />

als „Promised Gift of an Anonymous Donor“ im<br />

Busch-Reisinger-Museum Cambridge zu sehen.<br />

Der Besitzer <strong>und</strong> damalige Erwerber konnte sich<br />

leider nicht entschließen, das Bild nach Deutschland<br />

zurückzuschenken. Seine hoch betagte Witwe,<br />

die in Bayern lebt <strong>und</strong> die Franz-Marc-Ausstellung<br />

im Kunstbau vor der Eröffnung besucht hat, wird<br />

nach ihrem Tod die Bestimmung ihres Mannes in<br />

Kraft treten lassen <strong>und</strong> das großartige Gemälde<br />

dem Museum in Cambridge, USA, als Schenkung<br />

überlassen. Nach dem Krieg gelangte es in Besitz<br />

des Harvard University Art Museums, wo es heute<br />

wieder hängt.<br />

Dass ich dieses Bild nun nicht mehr in Augenschein<br />

nehmen kann, bedauere ich sehr. Dass auch<br />

alle anderen Bilder nun wieder über die ganze<br />

Welt verteilt ihren Platz haben, fi nde ich sehr<br />

schade. Doch was überwiegt, ist der Stolz, an einer<br />

der erfolgreichsten Ausstellungen, die jemals in<br />

Deutschland zu sehen war, mitgewirkt zu haben.<br />

305.000 Besucher – diese Zahl ist wirklich überwältigend.<br />

Ganz besonders gefreut hat mich aber auch,<br />

dass alle Besucher, mit denen ich gesprochen habe,<br />

sehr beeindruckt waren.<br />

Persönlich habe ich nicht nur zu Franz Marc <strong>und</strong><br />

seinen Bildern, sondern auch zu allen, mit denen<br />

ich vor <strong>und</strong> während der Ausstellung zusammen<br />

gearbeitet habe, eine ganz besondere Beziehung<br />

aufgebaut. Eine Beziehung, die diese Ausstellung<br />

lange überdauern wird.<br />

Schon heute sehe ich dem nächsten großen<br />

Projekt, das wir zusammen mit dem Museum im<br />

Lenbachhaus organisieren werden, in freudiger<br />

Erwartung entgegen. Ich möchte nicht zuviel verraten,<br />

nur soviel: Ich bin überzeugt davon, dass<br />

es mindestens ein ebensolcher Erfolg werden<br />

wird. Aus den wenigen Fehlern, die wir gemacht<br />

haben, werden wir lernen <strong>und</strong> mit einer längeren<br />

Vorbereitungszeit dafür sorgen, dass wir uns allen<br />

<strong>und</strong> unseren Besuchern wieder eine besondere<br />

Freude machen werden.<br />

Hartmut Geldmacher<br />

Mitglied des Vorstands der E.<strong>ON</strong> Energie <strong>AG</strong><br />

36 FRANZ MARC 37


Franz Marc <strong>und</strong> ich –<br />

Bemerkungen zu einer besonderen Begegnung<br />

Ein Interview mit Dr. Annegret Hoberg, der Kuratorin der Franz-Marc-Retrospektive<br />

E.<strong>ON</strong> Energie Fünf Jahre Beschäftigung mit einer<br />

Person <strong>und</strong> seinem Werk – Was bedeutet das für<br />

das eigene Leben?<br />

Annegret Hoberg Eine so lange Beschäftigung mit<br />

einem Künstler schafft tatsächlich eine enge<br />

Beziehung – für mich ist sie allerdings eingebettet<br />

in die allgemeine Beschäftigung mit dem deutschen<br />

Expressionismus <strong>und</strong> seinen Künstlern in<br />

den vergangenen 20 Jahren. So habe ich mich<br />

etwa mit Alfred Kubin <strong>und</strong> der großen Fülle von<br />

Dokumenten zu seinem Werk im Kubin-Archiv<br />

des Lenbachhauses, mit Gabriele Münter <strong>und</strong><br />

ihren vielen Lebenszeugnissen in der Gabriele<br />

Münter- <strong>und</strong> Johannes Eichner-Stiftung, auch mit<br />

Kandinsky <strong>und</strong> Delaunay, ähnlich intensiv befasst.<br />

Die Besonderheit der Arbeit zu Franz Marc war<br />

allerdings, dass wir zu diesem Künstler auch ein<br />

komplettes neues Werkverzeichnis in drei Bänden<br />

erarbeitet haben, <strong>und</strong> das bedeutet in der wissenschaftlichen<br />

Herangehensweise noch einmal eine<br />

ganz besondere Herausforderung.<br />

E.<strong>ON</strong> Energie Gleitet man irgendwann hinüber in<br />

eine andere Zeit oder versucht man den Künstler<br />

in die eigene Zeit zu holen?<br />

Annegret Hoberg Für mich ist es eher so, in eine andere<br />

Zeit hinüber zu gleiten, mich möglichst vollständig<br />

in ihr einzuleben <strong>und</strong> sie aus ihr selbst heraus zu<br />

verstehen. Dabei kommt mir die Zeit des „Blauen<br />

38 FRANZ MARC<br />

Reiter“, jetzt knapp 100 Jahre her, merkwürdigerweise<br />

nicht sehr lang vergangen vor, ich empfinde<br />

die ganze Künstlergeneration als modern, unmittelbar<br />

<strong>und</strong> in ihren Kommunikationsformen <strong>und</strong><br />

Denkvoraussetzungen sehr vertraut, was den<br />

Zugang natürlich erleichtert. Das liegt vielleicht<br />

daran, dass in unserer Familie die Generationen<br />

eher weit auseinander liegen, also meine Großeltern<br />

um 1910 genauso alt waren wie Franz Marc<br />

oder August Macke <strong>und</strong> wir als Kinder in ihrem<br />

Haus mit vielen Gegenständen, Literatur <strong>und</strong><br />

Zeitschriften der Periode vor dem 1. Weltkrieg<br />

konfrontiert wurden, mit denen also auch wir<br />

noch einige Jahrzehnte später in engem Umgang<br />

aufwuchsen. Andererseits holt man die Künstler<br />

wohl auch immer in die eigene Zeit hinein, schon<br />

durch die spezifische historische Zugangsweise,<br />

der jede Generation unterliegt, <strong>und</strong> durch die<br />

Traditions- <strong>und</strong> Verbindungslinien, die man zur<br />

Kunst der eigenen Gegenwart zieht.<br />

E.<strong>ON</strong> Energie Könnten Sie sich vorstellen – vorausgesetzt<br />

Franz Marc wäre ein Künstler unserer<br />

Zeit – mit ihm befre<strong>und</strong>et zu sein?<br />

Annegret Hoberg ‚Befre<strong>und</strong>et‘ ist ein großes Wort,<br />

das ich mir auch für den umgekehrten Fall nicht<br />

anmaßen möchte, – d.h., ich weiß nicht, ob Franz<br />

Marc mit mir hätte befre<strong>und</strong>et sein wollen. Ich<br />

könnte mir aber vorstellen, dass ich ihm in seiner<br />

späteren Zeit, die sich ja von seinen frühen<br />

Jahren nicht nur durch künstlerische, sondern auch<br />

bemerkenswerte persönliche Reife auszeichnete,<br />

auf jeden Fall eine respektvolle Wertschätzung<br />

entgegengebracht hätte <strong>und</strong> Interesse für seine<br />

geistigen <strong>und</strong> bildnerischen Ideen.<br />

E.<strong>ON</strong> Energie Haben Sie von ihm <strong>und</strong> seinen künstlerischen<br />

Weggenossen geträumt?<br />

Annegret Hoberg Nein, soweit ich mich erinnere, nie<br />

direkt, wohl aber von seinen Pferden, Hasen <strong>und</strong><br />

Rehen. Doch bei mir ist die ‚Marc-Traumatisierung’<br />

durch die jahrelange Beschäftigung mit Werkverzeichnis<br />

<strong>und</strong> Ausstellung zum Glück nicht so<br />

weit gegangen wie bei meiner Mitautorin, die jetzt<br />

jedes Mal, wenn sie Pferde auf der Weide sieht, an<br />

Franz Marc denkt.<br />

E.<strong>ON</strong> Energie Was würden Sie ihm sagen wollen,<br />

wenn Sie ihn kennengelernt hätten?<br />

Annegret Hoberg Ich hätte gern mit ihm über seine<br />

Ideen zum Geistigen in der Kunst diskutiert, über<br />

deren Bezüge zum deutschen Idealismus, aber<br />

auch ihrem besonderen Zukunft-Bezug, <strong>und</strong> worin<br />

sich beides – sein Verhältnis zur Vergangenheit wie<br />

die Zukunftsvision – von Kandinsky unterscheidet.<br />

E.<strong>ON</strong> Energie Hatten Sie das Gefühl ihn persönlich<br />

zu kennen, seine Gedanken, seine Träume von<br />

einer beseelten Welt, die er im Tierreich suchte?<br />

Annegret Hoberg Ja, auf jeden Fall, einfach durch<br />

die genaue Kenntnis seiner Schriften, <strong>und</strong> Marc<br />

hat viel geschrieben: nicht nur die zahlreichen<br />

kunsttheoretischen Aufsätze ab 1910 <strong>und</strong> seine<br />

berühmten Aphorismen, sondern auch sehr viele<br />

Briefe, darunter über tausend Seiten allein an<br />

seine Frau Maria <strong>und</strong> mehrere h<strong>und</strong>ert an seinen<br />

Fre<strong>und</strong> Wassily Kandinsky. Kennt man seine Briefe<br />

in ihrer Gesamtheit über die Spanne des Lebens,<br />

angefangen vom 14jährigen Schüler bis zum frühen<br />

Tod im Feld 1916 im Alter von 36 Jahren, so<br />

wird er als Persönlichkeit tatsächlich recht präsent<br />

<strong>und</strong> fassbar. Das betrifft neben seinen Gedanken<br />

über Kunst auch seine persönliche Haltung <strong>und</strong><br />

seine Art, anderen Menschen gegenüber zu treten.<br />

Die Tiere spielen dabei in seinen gedanklichen<br />

Ansätzen eigentlich nur eine Nebenrolle, als eine<br />

mögliche Metapher des unschuldigen, reinen<br />

Lebens, sie sind eingebettet in ein übergeordnetes<br />

künstlerisches Anliegen zur Transzendierung<br />

der äußeren Natur, die Marc gegen Ende seines<br />

Lebens – davon zeugen besonders seine Briefe aus<br />

dem Felde – auch auf andere Weise malerisch zu<br />

realisieren für möglich erachtete.<br />

39


Dr. Annegret Hoberg<br />

Kuratorin der Franz-Marc-Retrospektive, München<br />

E.<strong>ON</strong> Energie Wie ist das Verhältnis von wissenschaftlichem<br />

Erkenntnisinteresse zu persönlicher<br />

Empathie?<br />

Annegret Hoberg Ich würde von mir sagen, dass<br />

das wissenschaftliche Interesse die persönliche<br />

Empathie gr<strong>und</strong>sätzlich überwiegt, schon weil<br />

nicht jeder Künstler <strong>und</strong> sein Werk einem gleich<br />

nahe stehen. Dann ist es immer dieses Interesse,<br />

das mit seinen Erkenntnissen auch einen besseren,<br />

dann zugleich oft emotional einfühlenden, also<br />

emphatischen Zugang öffnet, nach dem Motto,<br />

das ich für mich nur bestätigen kann: Kenntnis<br />

schafft, oder vertieft, Verständnis.<br />

E.<strong>ON</strong> Energie Hat sich Ihr Verhältnis zu Franz Marc<br />

<strong>und</strong> seinem Werk im Laufe der Beschäftigung mit<br />

dem Thema verändert?<br />

Annegret Hoberg Ja, unbedingt. Offengestanden<br />

stand mir Marc von den Künstlern des ‚Blauen<br />

Reiter‘ lange Zeit ferner als andere, besonders<br />

mit seinem in meinen Augen recht zähen<br />

Frühwerk <strong>und</strong> den – zum Teil zerstörten <strong>und</strong> nur<br />

in Abbildungen überlieferten – Gemälden von<br />

Pferdegruppen auf der Weide bis 1910, an denen<br />

er oft monatelang gemalt hatte, konnte ich nicht<br />

so viel anfangen. Hier muss ich sagen, dass gerade<br />

die Erarbeitung des Oeuvrekataloges <strong>und</strong> die<br />

erzwungene Beschäftigung mit jedem einzelnen<br />

Werk, ob Gemälde oder Skizzenbuchblatt, mich<br />

vieles besser hat verstehen lassen. Marc hat sich<br />

dabei für mich als ein Künstler erschlossen, der<br />

sehr um seinen Weg gerungen hat <strong>und</strong> dem eine<br />

genuine bildkünstlerische Begabung, wie etwa<br />

das leichthändige malerische Naturtalent seines<br />

jungen Fre<strong>und</strong>es August Macke, nicht unbedingt in<br />

die Wiege gelegt war. Er ist im Gegenteil viel mehr<br />

von geistigem Wollen, von ideellen Konzepten<br />

ausgegangen, wobei durchaus auch ein gewisser<br />

Bildungshintergr<strong>und</strong> bestimmend war. In den<br />

Jahren zwischen 1911 <strong>und</strong> 1914, in denen ihm die<br />

Umsetzung seines Strebens gelang, zusammen mit<br />

neuen, zukunftweisenden visionären Impulsen, die<br />

er plötzlich auch durch den formalen Austausch<br />

mit Künstlern wie Kandinsky adäquat umsetzen<br />

konnte, hat er dann Meisterwerke von erstaunlicher<br />

<strong>und</strong> ungewöhnlicher Gestalt <strong>und</strong> Wirkung<br />

geschaffen. Dabei glaube ich, auch die besondere<br />

emotionale Aura seiner reifen Tierbilder, die sich ja<br />

von aller gleichzeitigen Kunstproduktion der europäischen<br />

Expressionisten schon vom Motiv her f<strong>und</strong>amental<br />

unterscheidet, jetzt besser zu verstehen.<br />

E.<strong>ON</strong> Energie War es immer gleich möglich den für<br />

die Wissenschaftlerin nötigen Abstand zu halten?<br />

Annegret Hoberg Ich hoffe <strong>und</strong> denke, doch. Wenn<br />

es einen Überdruss gab, dann sicher nicht dem<br />

Künstler Franz Marc gegenüber, sondern eventuell<br />

manchen Hürden bei der Erstellung des<br />

Werkverzeichnisses gegenüber.<br />

40 FRANZ MARC 41


Die Ausstellungsvorbereitung jedoch, auch die<br />

Zusammenarbeit mit allen an der Ausstellung<br />

beteiligten Stellen <strong>und</strong> Mitarbeitern, war eigentlich<br />

ein reiner Genuss.<br />

E.<strong>ON</strong> Energie Gibt es persönliche Lieblingsbegegnungen<br />

mit Franz Marc während der<br />

Erarbeitung?<br />

Annegret Hoberg Ganz besonders hervorzuhebende<br />

persönliche Lieblingsbegegnungen mit Franz Marc<br />

gab es eigentlich nicht, andererseits ist mir der<br />

Kreis der Fre<strong>und</strong>e des „Blauen Reiter“ insgesamt, ihr<br />

Briefverkehr, ihre Fotos, die vielen einzelnen Fakten<br />

ihrer Begegnungen <strong>und</strong> gemeinsamen Aktivitäten,<br />

ihre Lebenswege <strong>und</strong> auch die Landschaft um<br />

Murnau <strong>und</strong> Sindelsdorf so vertraut, dass ich ohnehin<br />

meine, allen schon persönlich begegnet zu sein.<br />

E.<strong>ON</strong> Energie Was ist Ihr ganz persönliches<br />

Lieblingsbild von Franz Marc?<br />

Annegret Hoberg Unter den Gemälden ist es die<br />

Verzauberte Mühle von 1913 aus dem Art<br />

Institut Chicago, in der Tiersymbolik mit der<br />

Kristallsymbolik der Natur genial <strong>und</strong> w<strong>und</strong>erbar<br />

poetisch verschmolzen sind <strong>und</strong> auch die<br />

Farben eine seltene Klärung erreichen durch die<br />

Verschränkung der Farben des Naturvorbildes<br />

mit märchenhaft schillernden, phantastischen<br />

Buntwerten. Unter den Papierarbeiten ist es die<br />

ganze Gruppe der großen, bildmäßigen Gouachen<br />

von 1912/13, wie das Träumende Pferd aus<br />

dem Guggenheim Museum New York, wo die<br />

Transzendenz, das Unendliche der Hintergründe<br />

besonders erfahrbar wird, – das, was Franz<br />

Marc mit der „Weltdurchschauung“ anstelle der<br />

„Weltanschauung“ meinte.<br />

E.<strong>ON</strong> Energie Wenn nicht Franz Marc, wer dann?<br />

Annegret Hoberg Dann natürlich Wassily Kandinsky,<br />

dessen malerisches Temperament <strong>und</strong> innovative<br />

Bilderfindung, dazu sein unglaublicher Farbensinn<br />

<strong>und</strong> sein Sprung in die Abstraktion mich spontan<br />

immer noch viel stärker beeindrucken <strong>und</strong> den<br />

ich, vielleicht sogar mehr noch als Picasso, für den<br />

größten Maler des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts halte.<br />

Franz Marc<br />

fotografiert im Jahr 1913<br />

42 FRANZ MARC 43


Das Erscheinungsbild<br />

der Franz-Marc-Retrospektive<br />

von Thomas Mayfried<br />

Dem Auftrag, ein eigenes Erscheinungsbild <strong>und</strong> eine komplette Werbestrategie für die Retrospektive<br />

Franz Marc im Lenbachhaus / Kunstbau zu entwickeln, ging ein Gestaltungs wettbewerb<br />

mit vier eingeladenen Teilnehmern voraus. Der Auftraggeber entschied sich für den präsentierten<br />

Entwurf von Thomas Mayfried Visual Communication, München (Design: Thomas Mayfried &<br />

Béla Stetzer).<br />

In den vergangenen Jahren zogen verschiedene<br />

(allerdings nur zum Teil) vergleichbare Ausstellungs<br />

projekte Aufmerksamkeit auf sich. Hier ist<br />

vor allem die Präsentation ausgewählter Werke<br />

aus der Sammlung des Museum of Modern Art,<br />

New York, in der Berliner Nationalgalerie zu nennen.<br />

Da diese Ausstellung eine Auswahl unterschiedlichster<br />

Künstler zeigte, wurde die prägnante<br />

Abkürzung „MoMA“ als visuelles Leitmotiv mit fast<br />

logohaftem Charakter gewählt. Der Auftritt des<br />

MoMA in Berlin wurde wie die Ankündigung eines<br />

Rockkonzertes zelebriert <strong>und</strong> beschränkte sich<br />

überwiegend auf den Gebrauch dieser Wortmarke<br />

auf pinkfarbenem Gr<strong>und</strong>, wobei die Typographie<br />

natürlich der vom MoMA benutzten Hausschrift<br />

entsprach.<br />

Die Kampagne war überaus erfolgreich <strong>und</strong><br />

bescherte den Veranstaltern eine rekordverdächtige<br />

Besucherzahl von 1,2 Millionen. Die<br />

Ver marktung des Ausstellungsbesuches als vor<br />

allem touristisches „event“ hatte ihre Wirkung<br />

nicht verfehlt.<br />

Dem eigentlichen graphischen Entwurf liegen<br />

mehrere prinzipielle Überlegungen zugr<strong>und</strong>e.<br />

Im Falle der Franz-Marc-Retrospektive schien die<br />

Aufgabenstellung klar:<br />

Um die angestrebten 250.000 Besucher zu<br />

mobilisieren, musste kommunikativ ein hoher<br />

Wiedererkennungswert aller werblichen Maßnahmen<br />

erzielt werden. Im Falle von Franz Marc<br />

schien eine rein typographische Lösung wenig<br />

sinnvoll. Dem hohen Bekanntheitsgrad des Künstlers<br />

entsprechend war jedoch die Integration<br />

seiner Motivwelt ein wichtiger Ansatz.<br />

So vielfältig das Werk Franz Marcs auch angelegt<br />

sein mag, so deutlich wird trotzdem, dass das<br />

Thema „Tier“ darin nicht nur einen bedeutenden<br />

Platz einnimmt, sondern sicherlich auch auf Seite<br />

der Rezipienten das einprägsamste Sujet darstellt.<br />

Die meisten Menschen assoziieren Franz Marc mit<br />

seinen zahlreichen Pferdebildern.<br />

Somit fiel die erste gr<strong>und</strong>legende Entscheidung,<br />

sich auf Tiermotive zu konzentrieren.<br />

44 FRANZ MARC 45


Es zeigte sich, dass die Reduktion auf ein einzelnes<br />

Motiv (beispielsweise Blaues Pferd I, 1911)<br />

durchaus möglich wäre, jedoch eine gewisse<br />

Monotonie nach sich ziehen könnte.<br />

Die Frage, ob ein Motiv für eine gesamte<br />

Werkschau Gültigkeit besitzen kann, ist virulent<br />

<strong>und</strong> natürlich nicht nur kuratorisch interessant.<br />

Die Frage, wie weit in ein Motiv eingegriffen<br />

werden darf, stellte sich automatisch im fortschreitenden<br />

Gestaltungsprozess.<br />

Unter den Tiermotiven von Franz Marc finden sich<br />

mehrere, die sich für die gestellte Aufgabe als verwendbar<br />

erwiesen. Eine Motiv-Serie erschien, im<br />

Hinblick auf den langen Zeitraum der Bewerbung,<br />

ein geeignetes Mittel zu sein, um eine ermüdende<br />

oder ennuyierende Wirkung der Kampagne zu<br />

vermeiden. Außerdem wurde das Schaffen Franz<br />

Marcs nicht auf ein einzelnes bekanntes Gemälde<br />

reduziert. Eine Verwechslung mit Werbemotiven<br />

vorangegangener Marc-Ausstellungen der letzten<br />

Jahre wurde so zusätzlich ausgeschlossen. Eine<br />

Serie bietet identifikatorisch mehr Berührungspunkte<br />

als ein klassisches Einzelmotiv.<br />

Bei der Entwurfsarbeit stellte sich rasch heraus,<br />

dass eine Unverwechselbarkeit <strong>und</strong> Eindeutigkeit<br />

methodisch nur durch Reduktion, bzw. Isolation<br />

des Tieres vom malerischen Umfeld erreicht<br />

werden konnte. Indem die Tierfigur alleine auf<br />

weissem Hinterg<strong>und</strong> platziert wird, erkämpft sich<br />

das Motiv Stille, seine zunächst „anti-werblich“<br />

anmutende Gestaltung lässt in einem lauten<br />

Werbeumfeld ein gewisses Maß an kontemplativer<br />

Betrachtung zu. Wurde die oben erwähnte<br />

Idee des stempelhaften Schattenrisses fallen-<br />

gelassen, so ist dies der Überlegung geschuldet,<br />

dass das einfache „Ausschneiden“ des Tieres bei<br />

Beibehaltung originaler Farbigkeit die beste formale<br />

Ansprache im Hinblick auf verschiedenste<br />

Besuchergruppen ergeben müsste. Vereinfachend<br />

könnte man sagen, dass so sicherlich einem „familienfre<strong>und</strong>lichen“<br />

Entwurf der Vorzug gegeben<br />

wurde.<br />

Aus kuratorischer <strong>und</strong> kunsthistorischer Sicht ist<br />

der Eingriff des „Freistellens“ sicher ein schwerwiegender.<br />

Jedoch trifft hier die zu schützende<br />

Autarkie eines Kunstwerkes auf eine funktionale<br />

Notwendigkeit, ein kommunizierendes „Destillat“<br />

oder „Kondensat“ der Ausstellungsthematik herzustellen.<br />

Um es am Beispiel der Gestaltung des<br />

Plakates zu verdeutlichen: ein Plakat unterliegt<br />

medienimmanenten Gesetzen. Es ist ein hoher<br />

Grad an Vereinfachung notwendig, um – ohne zu<br />

simplifizieren – eine schnelle visuelle (nicht textuelle)<br />

Lesbarkeit zu erreichen. Man könnte somit<br />

den Prozess der Isolation, des „Herauslösens“,<br />

auch als Versuch beschreiben, eine Marc-typische<br />

Ikonizität in den Vordergr<strong>und</strong> der gesamten<br />

Gestaltung zu stellen.<br />

Das in den letzten Jahren durch die Städtische<br />

Galerie im Lenbachhaus erstellte Werkverzeichnis<br />

Franz Marcs brachte z.T. auch neue Forschungsergebnisse<br />

zu Tage, insbesondere neue<br />

Quer verbindungen zwischen verschiedenen<br />

Werkgruppen.<br />

Auch wenn von einer Neubewertung zu<br />

sprechen vielleicht zu viel sein mag, für die<br />

Gestaltungskonzeption war diese Tatsache von<br />

gewissem Interesse. Man muss konstatieren,<br />

46 FRANZ MARC 47


dass das Werk Franz Marcs mit dem Stigma des<br />

Kitsches belegt ist, es herrscht die nicht wenig<br />

verbreitete Meinung, Marcs Malerei lasse sich auf<br />

bunte Pferdebilder in Poster-Reproduktionen reduzieren.<br />

So musste dieses Klischee positiv umgedeutet<br />

werden, indem solchen Animositäten mit<br />

einer klaren, konzentrierten Gestaltung begegnet<br />

wurde. Um Franz Marc „neu zu sehen“ wurde<br />

versucht, „Kitsch“ in „Charme“ zu transferieren.<br />

Für die Wirkung des graphischen Erscheinungsbildes<br />

war entscheidend, dass alle Anwendungen<br />

in allen Medien in großer gestalterischer Ähnlichkeit<br />

angelegt wurden.<br />

Dies betraf alle Drucksachen (Plakate, Flyer,<br />

Einladungskarten, etc.) ebenso wie Werbung<br />

im öffentlichen Raum (Großflächenplakate in<br />

U-Bahngeschossen, Banner im Hauptbahnhof<br />

München, Leuchtkasten Flughafen München,<br />

Banner am E.<strong>ON</strong> Energie-Gebäude Brienner<br />

Straße, München).<br />

An ausgewählten Bahnhöfen <strong>und</strong> Flughäfen<br />

im gesamten B<strong>und</strong>esgebiet war ein zehn Sek<strong>und</strong>en<br />

dauernder Filmspot zu sehen, der mit fi lmischen<br />

Mitteln das Prinzip des „cut-outs“ einsetzte.<br />

Am Königsplatz waren die kompletten Fassaden<br />

der Ausstellungspavillons graphisch in Übereinstim<br />

mung mit dem Gestaltungskonzept entworfen.<br />

Auch online wurde suggestiv der Zusammenhang<br />

zwischen dem Auftritt in Printmedien <strong>und</strong><br />

öffentlichem Raum hergestellt: eine eigens für<br />

die Ausstellung entworfene website folgte den<br />

gestalterischen Gr<strong>und</strong>ideen, bis hin zur Integration<br />

des Prinzips der Serie durch Randomizing der<br />

Startseite.<br />

Für eine kontinuierliche Bewerbung wurden<br />

sehr zahlreich Anzeigen verschiedener Größe in<br />

lokalen <strong>und</strong> überregionalen Medien des In- <strong>und</strong><br />

Auslands geschaltet, die alle konsequent jeweils<br />

eine Tierfi gur auf weißem Hintergr<strong>und</strong> zeigten,<br />

wobei der Reiz in der alternierenden Verwendung<br />

der verschiedenen Motive lag.<br />

Der Weißraum verschafft dem Tiermotiv<br />

gegenüber dem Werbeumfeld, z.B. in einer ein -<br />

spaltigen Anzeige in einer Tageszeitung, Raum<br />

<strong>und</strong> gewinnt so die Aufmerksamkeit des Lesers.<br />

Betrachtet man exemplarisch die Entwürfe<br />

der sechs Plakate umfassenden Serie, so fällt<br />

auf, dass die Gestaltung stets auf drei eingesetzten<br />

Elementen basiert: die freigestellte<br />

Tierfigur, der Schriftblock mit Ausstellungstitel,<br />

Ort <strong>und</strong> Laufzeit <strong>und</strong>, jeweils in der Eckposition,<br />

der <strong>Info</strong>rmationsblock mit Detailangaben zu<br />

Öffnungszeiten, Schließtagen usw.<br />

Entscheidend für die Seriengestaltung ist,<br />

dass diese drei Elemente durch die jeweilige<br />

Komposition in Interaktion miteinander treten, der<br />

Titelblock wird zum „sparring partner“ des Bildmotives<br />

<strong>und</strong> zum Stabilisator, der als wieder erkennbares<br />

Element in allen Medien auftaucht. Die<br />

für die gesamte Gestaltungsarbeit verwendete<br />

Schrift ist eine Grotesk, „Alternate Gothic / No.<br />

Three“ (1903, F.M. Benton), welche zu Beginn des<br />

20. Jahrh<strong>und</strong>erts, in zeitlicher Nähe zu Franz Marcs<br />

Schaffensphase, entworfen wurde.<br />

Die ausschließliche Verwendung von Versalien<br />

zielt nicht auf Lesbarkeit im textuellen Sinne,<br />

sondern auf Erinnerbarkeit des perpetuierten<br />

Elementes dieses „Stempels“.<br />

Der jeweils beigestellte <strong>Info</strong>rmationsblock<br />

ordnet sich bewusst den beiden Elementen Tier<br />

<strong>und</strong> Stempel unter. Er ist bewusst einer Ebene des<br />

zweiten Blicks zugewiesen, da eine Vergrößerung<br />

dieses Elementes automatisch eine Schwächung<br />

der Klarheit <strong>und</strong> Eleganz des Gesamteindruckes<br />

durch widerstreitende Blickpunkte zur Folge hätte.<br />

Das Logo des alleinigen Sponsors E.<strong>ON</strong> Energie<br />

<strong>AG</strong> ist Teil des <strong>Info</strong>rmationsblockes. Die Dezenz<br />

dieser Positionierung entspricht dem Profi l von<br />

Mäzenatentum <strong>und</strong> Sponsorship, welches mehr<br />

auf Nachhaltigkeit angelegt ist, denn auf Vehemenz<br />

des Auftrittes.<br />

48 FRANZ MARC 49<br />

TM<br />

06.04.06


50 KUNST ALS UNTERNEHMENSKULTUR<br />

Rupprecht Geiger, 784/88, 1988<br />

Neubau der E.<strong>ON</strong> Energie, Augustenstraße Ecke<br />

Brienner Straße in München<br />

51


Matthias Mücke, Bild 9, 2004<br />

E.<strong>ON</strong> Energie, München<br />

KUNST ALS<br />

UNTERNEHMENSKULTUR<br />

„Lang ist die Kunst, fl üchtig das Leben“<br />

Charles Baudelaire<br />

…vielfältig die kulturellen Aktivitäten, die seit vielen Jahren Bestandteil unserer Unternehmenskultur sind.<br />

Ein breit gespannter Bogen kleiner <strong>und</strong> großer Projekte, die in den Firmenalltag einfl ießen <strong>und</strong> ihn reicher<br />

<strong>und</strong> bunter werden lassen.<br />

E.<strong>ON</strong> Energie ein Vergnügungspalast? Mitnichten; sondern ein lebendiges Forum kulturellen Austausches.<br />

Für Mitarbeiter, aber nicht nur.<br />

52 KUNST ALS UNTERNEHMENSKULTUR 53


Raum – Licht – Farbe – Zeit…<br />

…bestimmen diese Arbeit von G<strong>und</strong>a Förster, die sich zunächst als mächtige Skulptur dem Besucher in<br />

den Weg stellt <strong>und</strong> das Format der Piazza im Haus der E.<strong>ON</strong> Energie, München, neu defi niert. 6 x 6 x 6 m<br />

in den Maßen, bildet sie einen Raum im Raum, der erst beim Eintritt in denselben sein Geheimnis preisgibt<br />

<strong>und</strong> Sie in eine Welt, des Werdens <strong>und</strong> Vergehens, des Lichtes <strong>und</strong> der Dunkelheit, des Bewegten<br />

<strong>und</strong> des Stillstands entführt.<br />

Falls Sie auch theoretisch stärker in dieses Thema einsteigen wollen, möchten wir Ihre Aufmerksamkeit<br />

auf den kleinen Katalog lenken, der dem <strong>Kulturbericht</strong> beigefügt ist <strong>und</strong> den Bildern die Sprache beifügt.<br />

Ausstellungen dieser Art fi nden am Firmensitz von E.<strong>ON</strong> Energie zweimal jährlich statt, entstehen vor<br />

Ort, verändern Raum <strong>und</strong> Sehgewohnheiten der Mitarbeiter.<br />

54 KUNST ALS UNTERNEHMENSKULTUR<br />

G<strong>und</strong>a Förster, NOISE, 2000<br />

Licht-Klang-Installation (Ausschnitt)<br />

E.<strong>ON</strong> Energie, München<br />

55


56 KUNST ALS UNTERNEHMENSKULTUR<br />

NOISE<br />

Projektionsraum der Licht-Klang-Installation auf der<br />

Piazza der E.<strong>ON</strong> Energie, München<br />

„Alles um uns herum wandelt sich permanent,<br />

jeder Einzelne verändert sich ständig…“<br />

Ein Interview mit G<strong>und</strong>a Förster<br />

E.<strong>ON</strong> Energie Für die Arbeit, die Du hier bei<br />

E.<strong>ON</strong> Energie realisiert hast, ist es schwierig,<br />

einen traditionellen Gattungsbegriff zu finden.<br />

Wäre es für Dich zulässig, den Begriff der Malerei<br />

mit anderen Mitteln ins Spiel zu bringen? Wenn ja,<br />

wie definierst Du Malerei? Ist es überhaupt notwendig,<br />

Kriterien einer Einordnung zu finden?<br />

G<strong>und</strong>a Förster Wenn man traditionelle Gattungsbegriffe<br />

benutzen möchte, dann ist die bei<br />

E.<strong>ON</strong> Energie realisierte Arbeit NOISE wohl eine<br />

Synthese aus Skulptur <strong>und</strong> Malerei im weiteren<br />

Sinne.<br />

Der Kubus ist wie eine Skulptur auf der Piazza<br />

platziert. Betritt man ihn, ist man umgeben<br />

von malerisch anmutenden Videobildern. Auch<br />

während des Produktionsprozesses des Videos,<br />

dem Einzelbilder zugr<strong>und</strong>e liegen, die im Computer<br />

wieder zu „laufenden Bildern” animiert wurden,<br />

gab es Momente, die eher dem Malen eines Bildes<br />

als dem technischen Akt des Videoschneidens<br />

ähnelten – nur dass hier eben nicht mit Pinsel <strong>und</strong><br />

Farbe auf Leinwand, sondern mit Maus <strong>und</strong> Pixeln<br />

am Bildschirm gearbeitet wurde.<br />

Eine derartige Einordnung ist, denke ich, im<br />

kunsthistorischen Kontext sinnvoll <strong>und</strong> wichtig.<br />

Für mich als Künstlerin spielt die Kategorisierung<br />

meiner Arbeiten keine so große Rolle, denn es<br />

geht mir immer um die mediengerechte Auseinandersetzung<br />

mit verschiedenen künstlerischen<br />

Ausdrucksmitteln, darum, wie sich durch meine<br />

Arbeiten, meine Eingriffe <strong>und</strong> Setzungen in<br />

Räumen die Wahrnehmung verändert, was beim<br />

Betrachter dadurch ausgelöst wird.<br />

Abgesehen davon kursiert ja schon seit<br />

Jahren für alles was sich mit den traditionellen<br />

Gattungsbegriffen eben nicht bezeichnen lässt<br />

oder verschiedene Gattungen mischt der Terminus<br />

“Installation”. Dieser Begriff ist jedoch zum einen<br />

sehr unscharf defi niert, ist so eine Art “Auffangbecken”<br />

für alles, was sich eben nicht eindeutig in<br />

herkömmliche Kategorien einordnen lässt. Zum<br />

anderen trägt er auch häufi g zum Amüsement bei,<br />

da er identisch für Klempnerarbeiten benutzt wird.<br />

Von daher versuche ich diesen Begriff zu vermeiden,<br />

komme aber auch oft nicht umhin.<br />

E.<strong>ON</strong> Energie Ist der für die Realisierung Deiner<br />

Arbeit notwendige Raum, der Kubus, der sich<br />

einer Skulptur gleich prominent im Gesamtraum<br />

behauptet, zugleich auch inhaltlich <strong>und</strong> formal<br />

mit NOISE verb<strong>und</strong>en?<br />

G<strong>und</strong>a Förster Da die Halle sehr groß <strong>und</strong> lichtdurchflutet<br />

ist, war es schon allein aus diesen<br />

Gründen notwendig eine konzentrierte Situation<br />

zu schaffen, um die entsprechende Wahrnehmung<br />

des Videos überhaupt zu ermöglichen. Die rohe<br />

Aussenansicht des Kubus’ stellt einen Kontrast<br />

zur Glas-/Stahlarchitektur des Atriums dar. Seine<br />

Wahrnehmung schwankt zwischen einem „Raum<br />

im Raum” – also Architektur – <strong>und</strong> einer Skulptur:<br />

57


Der Kubus ist so in der Halle platziert, dass er<br />

sowohl begehbar ist, als auch freistehende<br />

Skulptur. Wenn man sich in den Kubus hineinbegibt,<br />

kann man quasi in den Bildraum „eintauchen”:<br />

Dadurch, dass das Video drei Wände des<br />

Raumes ausfüllt, ist der Betrachter fast völlig von<br />

den Bildern umgeben. Der Bildcharakter wird aufgehoben<br />

<strong>und</strong> eine Korrespondenz zur Architektur<br />

hergestellt. Das all-over der Bilder bestimmt die<br />

Grenzen des Raumes <strong>und</strong> bricht sie gleichzeitig auf.<br />

E.<strong>ON</strong> Energie Wäre eine andere Präsentationsform<br />

denkbar gewesen? D.h. in welche Richtung<br />

würde sich die Aussage Deiner Arbeit verändern,<br />

wenn die Projektion nicht im Innenraum stattfinden<br />

würde, sondern als Projektion auf die<br />

Außenflächen oder aber auch nur auf eine Fläche?<br />

G<strong>und</strong>a Förster Es gab die Überlegung, einen Kubus<br />

zu bauen, dessen Wände aus transparenter<br />

Projektionsfolie bestehen <strong>und</strong> auf alle 4 Wände zu<br />

projizieren. In diesem Fall wären die Bilder nicht<br />

nur von innen, sondern auch von außen zu sehen<br />

gewesen, hätten sich sowohl an den konzentrierten<br />

Betrachter als auch an den sich in Bewegung<br />

befindenden Vorübereilenden gewandt: Bei der<br />

Betrachtung von außen hätte das große Format<br />

die Wahrnehmung von Zeit beim Vorüberschreiten<br />

ermöglicht. Außerdem wäre von außen gesehen<br />

immer nur eine Wand, ein Fragment des Videos zu<br />

sehen gewesen. Im Kubus wäre man dann von den<br />

58 KUNST ALS UNTERNEHMENSKULTUR<br />

Bildern völlig umgeben gewesen. Diese Variante<br />

war aber aufgr<strong>und</strong> der Lichtverhältnisse auf der<br />

Piazza leider nicht möglich.<br />

E.<strong>ON</strong> Energie Das Kommen <strong>und</strong> Gehen der projizierten<br />

Bilder, ihr Anschwellen <strong>und</strong> Verklingen<br />

evoziert das Thema der Zeit. Versuchst Du mit<br />

NOISE Zeit sichtbar zu machen? Was bedeutet das<br />

Thema Zeit insgesamt in Deinem Werk?<br />

G<strong>und</strong>a Förster Bei all meinen Arbeiten spielt das<br />

Moment der Zeit eine wichtige Rolle – Zeit im Sinne<br />

von Bewegung, Veränderung. Alles um uns herum<br />

wandelt sich permanent, jeder Einzelne verändert<br />

sich ständig. Es gibt keinen Stillstand. Nichts ist<br />

feststehend. Alles befindet sich im Fluss. Bei NOISE<br />

verändern sich amorphe Formen. Sie weiten sich<br />

aus <strong>und</strong> ziehen sich zusammen, entstehen <strong>und</strong><br />

lösen sich wieder auf: Das Verschwinden wird<br />

sichtbar gemacht, Anwesenheit <strong>und</strong> Abwesenheit,<br />

Vergänglichkeit. Struktur verwandelt sich in Nicht-<br />

Struktur, Gestalt in auflösende Gestalt. Es entsteht<br />

ein Grenzgang zwischen dem Konkreten <strong>und</strong><br />

Unkonkreten, dem Sichtbaren <strong>und</strong> Erahnbaren.<br />

Das Licht als solches, das in meinen Arbeiten<br />

eine entscheidende Rolle spielt, – <strong>und</strong> auch das<br />

Video ist ja eine Manifestation des Lichts – ist der<br />

direkteste Ausdruck von Zeit: Nichts ist schneller<br />

als Licht. Und das Licht steht auch für Leben, der<br />

Wechsel von Licht <strong>und</strong> Dunkelheit für den ewigen<br />

Kreislauf des Werdens <strong>und</strong> Vergehens.<br />

NOISE<br />

Raumansichten<br />

59


NOISE<br />

Animationssequenz<br />

60 KUNST ALS UNTERNEHMENSKULTUR<br />

E.<strong>ON</strong> Energie Formale Strenge, die dennoch in einem<br />

hohen Maße Bilder beim Betrachter entstehen<br />

lässt: Ist diese sich automatisch einstellende<br />

inhaltliche Komponente intendiert? Hast Du eigene<br />

Assoziationen, die unabhängig davon sind,<br />

dass Du der „Macher” dieses Werkes bist? Was<br />

waren die Auswahlkriterien für das verwendete<br />

Material, das – wie ich weiß – Fernsehbildern entnommen<br />

wurde?<br />

G<strong>und</strong>a Förster Die diesem Video zugr<strong>und</strong>e liegenden<br />

Bilder sind Detailfotos von laufenden Filmen im<br />

Fernseher, die wegen ihres fragmentarischen<br />

Charakters nicht auf ihren Ursprung zurückzuführen<br />

sind. Diese Einzelbilder werden im Computer<br />

wieder zu „laufenden Bildern“ animiert. Ich<br />

benutze also ein Medium, das die Bilder bereits<br />

manipuliert. Diese verändere <strong>und</strong> verfremde ich<br />

weiter. Mich interessiert daran, eben nicht etwas<br />

abzubilden, sondern ein Medium zu benutzen <strong>und</strong><br />

daraus völlig neue, andere Bilder zu filtern – Bilder,<br />

die sehr reduziert sind, Räume eröffnen. Obwohl<br />

die Quelle der Fotos ein alltägliches Medium ist,<br />

das Fernsehen, erinnert das farblose Licht, das<br />

Verwischte der Bilder <strong>und</strong> die zurückgenommene<br />

Farbigkeit – sie begrenzt sich auf Schwarz, Weiß<br />

<strong>und</strong> Blautöne – an Aufnahmen von, in metaphorischem<br />

Sinne, physischer Eindringlichkeit: an Bilder<br />

aus dem Körperinneren, an Röntgenbilder, aber<br />

auch an amorphe Zellgebilde oder Schattenrisse.<br />

E.<strong>ON</strong> Energie Während simultan an drei Wänden des<br />

Kubus’ Projektionen laufen, steht der Betrachter<br />

inmitten dieses Geschehens <strong>und</strong> kann doch immer<br />

nur einen Teil des Ganzen wahrnehmen. Ist dieses<br />

Bewusstwerden/Bewusstmachen der eigenen<br />

Grenzen der Wahrnehmung Teil Deiner künstlerischen<br />

Absicht? Geht es Dir zum Beispiel um eine<br />

Sensibilisierung des Schauens <strong>und</strong> Wahrnehmens<br />

in einer Zeit permanenter Reizüberflutung?<br />

Beinhaltet der Umgang mit elektronischen Medien<br />

zugleich eine Kritik an ihnen?<br />

G<strong>und</strong>a Förster Nein, ich denke, dass es heutzutage<br />

nicht sinnvoll ist, Medienkritik zu üben. Es ist eine<br />

Erscheinung unserer Zeit, dass die Medien fast<br />

all gegenwärtig sind, einen immer größeren Raum<br />

einnehmen. Aber, im Gegensatz zu Asien, wo<br />

Screens immer mehr den Stadtraum bestimmen<br />

<strong>und</strong> man sich den flimmernden Bildern kaum mehr<br />

entziehen kann, hat man in Europa doch immer<br />

noch die Chance selbst entscheiden zu können,<br />

inwie weit man sich der Medienflut aussetzt.<br />

Dennoch ist es natürlich so wie Du sagst: Die<br />

Millionen von Bildern, die wir tagtäglich auf nehmen,<br />

führen dazu, dass man eigentlich immer weniger<br />

sieht, immer weniger wahrnimmt. Wenn aber, wie<br />

bei diesem Video, die konkrete <strong>Info</strong>rmation, die<br />

ein Bild vermittelt, in Un bestimmtheit umgewandelt<br />

wird, dann wird der Betrachter auf sich selbst<br />

zurückgeworfen. Der statische Prozess des tägli-<br />

chen Konsums der Bilderflut wird dynamisiert: Das<br />

Unklare, Unscharfe, Vage setzt beim Betrachter<br />

einen Prozess individueller Wertschöpfung in Gang.<br />

Er ergänzt, füllt auf, projiziert, imaginiert. Die<br />

eigenen, inneren Bilder werden aktiviert, wie z.B.<br />

Erinnerungen, die individuell sehr unterschiedlich<br />

sind. In diesem Sinne geht es bei NOISE also in<br />

hohem Maße auch um Selbstwahrnehmung.<br />

61


Grenzgänge/Bilder des Erinnerns<br />

NOISE, eine Installation, die in ihrer Klarheit<br />

<strong>und</strong> Stringenz modellhaften Charakter für das<br />

Gesamtkonzept von G<strong>und</strong>a Försters künstlerischer<br />

Arbeit bekommt, noch einmal aus der Sicht eines<br />

Kunstwissenschaftlers:<br />

62 KUNST ALS UNTERNEHMENSKULTUR<br />

„(…) In dem Video NOISE wird der Kampf zwischen<br />

Licht <strong>und</strong> Dunkel, der auf den Fotografien<br />

schon angeklungen hat, in bewegter Form vollzogen.<br />

Fotografien sind Formen der Erinnerung,<br />

die wie unzusammenhängende Fetzen aus einer<br />

allumfassenden Wirklichkeit herausgelöst werden.<br />

Ihre <strong>Info</strong>rmation bleibt eindimensional auf<br />

den optischen Sinn reduziert, kann allenfalls<br />

beim Wiedererkennen selbst erlebter Szenen<br />

zu körperlichen Reaktionen führen, die mehr<br />

als nur den Augensinn ansprechen. Hier können<br />

Erinnerungen an physische Erlebnisse wie<br />

Gerüche, Temperaturempfinden etc. geweckt werden.<br />

G<strong>und</strong>a Förster verlebendigt nicht die eigenen<br />

Erinnerungen, sondern sie schafft neue Bilder aus<br />

kurzen Segmenten des festgehaltenen Erinnerns,<br />

das in der Form der Ausgangsfotografien vorliegt.<br />

NOISE ist eine schlüssige <strong>und</strong> fast zwangsläufig<br />

wirkende Entwicklung aus den Fotografien<br />

Försters. Jene sind nur als Teil eines bildhaften<br />

Bewegungsablaufes zu verstehen. Entsprechend<br />

werden diese Bilder in dem Video wieder verlebendigt.<br />

Allerdings folgen sie nicht einem<br />

ursprünglichen Bewegungsmodus, sondern einer<br />

eigenen, neu aus der Form der Fotos entstehenden<br />

Entwicklung.<br />

Die Arbeiten von G<strong>und</strong>a Förster setzen sich mit<br />

dem Wesen des Bildes <strong>und</strong> der Wahrnehmung<br />

auseinander. Ein statisches Bild ist etwas unna-<br />

türliches, weil alles in Bewegung ist. Deshalb<br />

arbeitet G<strong>und</strong>a Förster mit sich auflösenden<br />

Bildern, sie spielt mit dem kurzzeitigen Versuch,<br />

Bilder festzuhalten <strong>und</strong> mit der Unmöglichkeit<br />

dieses Handelns. Selbst dort, wo ihre Fotografien<br />

als fixierte, festgehaltene <strong>und</strong> unveränderliche<br />

Bilder an der Wand hängen, sind sie nichts<br />

anderes als der Ausdruck der Bewegung, der<br />

Entstehung <strong>und</strong> gleichzeitigen Auflösung. Sie<br />

sind Ausdruck des sich Entziehens <strong>und</strong> kreieren<br />

eine Ästhetik des Verschwindens. Damit sind<br />

ihre Bilder oder die Eindrücke ihrer Arbeiten<br />

im mer auch Bilder des Erinnerns. Erscheinen <strong>und</strong><br />

Auflösen werden zu zyklisch sich bedingenden<br />

Synonymen. Jedes Licht ist Auflösung in seiner<br />

Verdrängung des Dunkels <strong>und</strong> Erscheinung in<br />

seiner Schaffung des Sichtbaren. Umgekehrt<br />

ist jedes Dunkel die Erscheinung des negativen<br />

Raumes <strong>und</strong> Auflösung des Bildes im Licht. Licht<br />

<strong>und</strong> Geräusche sind in bestimmte Schwingung<br />

versetzte Energie. Das Licht ist dominant, ist der<br />

direkteste Ausdruck von Geschwindigkeit <strong>und</strong><br />

verleiht den Arbeiten G<strong>und</strong>a Försters ihre hohe<br />

energetische Qualität.“<br />

(Thomas Köllhofer, G<strong>und</strong>a Förster, Ostfildern-Ruit<br />

2004, S. 11)<br />

63


Lyrik im Aufzug<br />

Gedichte im Fahrstuhl der E.<strong>ON</strong> Energie <strong>AG</strong><br />

Das Lesen von Gedichten – völlig aus der Mode gekommen. Bestenfalls etwas für besinnliche Tage <strong>und</strong><br />

St<strong>und</strong>en, aber im Fahrstuhl? Aber, ja, kleine Inseln, die für wenige Minuten zum Innehalten einladen…<br />

„Gedichte können uns nicht vom Kampf um die tägliche Existenz befreien, aber Wünsche <strong>und</strong> Begierden<br />

aufdecken, die unter den Anstrengungen des Lebens begraben sind. Dichtung kann verschlossene<br />

Möglichkeiten aufbrechen, betäubte Zonen des Gefühls wiederbeleben. Begehren wecken. Habenwollen<br />

<strong>und</strong> Nötighaben, das uns aufgezwungen wird <strong>und</strong> das wir blindlings als das unsere akzeptieren, als<br />

vorfabriziert kenntlich machen.<br />

Die Unterhaltungsindustrie lenkt den Blick des Menschen von sich weg, lenkt ihn nach außen. Sie<br />

will den Menschen zerstreuen – das Wort sagt alles. Das Gedicht lenkt den Blick nach innen. Ein Gedicht<br />

bedarf des ‚gesammelten‘ Menschen. Er kann ‚in sich gehen‘, ‚innehalten‘, ein Gedicht darf ‚innig‘ sein.<br />

Dichtung, das Sprechen in Bildern <strong>und</strong> Gleichnissen, ist die Muttersprache der Seele.“<br />

(Ulla Hahn, Dichter in der Welt, München 2006, S.19f)<br />

64 KUNST ALS UNTERNEHMENSKULTUR<br />

65


Jambus, Trochäus, Daktylus…<br />

Sie erinnern sich? Diese Schrecken des Deutschunterrichts,<br />

in dem es darum ging, Gedichte im<br />

Sinne einer formalen Analyse <strong>und</strong> der persönlichen<br />

Meinung des Lehrers zu bestimmen <strong>und</strong><br />

mit Bedeutung zu versehen. So als würde man<br />

Blütenblatt für Blütenblatt einer Rose zupfen, um<br />

ihrer Schönheit auf den Gr<strong>und</strong> zu kommen.<br />

Sicherlich eine Methode, aber eine gute? Wohl<br />

eher geeignet, das Lesen von Gedichten ganz<br />

in der Schublade einer nicht sehr schönen<br />

Erinnerung verschwinden zu lassen.<br />

Versuchen Sie es doch einmal so! Nur wenige<br />

Dinge sind dabei zu beachten: Zuerst sollten Sie<br />

sich fragen, ob Sie dem Gedicht überhaupt näher<br />

kommen wollen? Rührt es etwas in Ihnen an,<br />

bringt es Bilder zum Vorschein, kommt etwas in<br />

Ihnen zum Klingen, bevor Sie überhaupt näher hin<br />

geschaut haben? Wenn nicht, lassen Sie die Finger<br />

davon, aber geben Sie nicht dem Gedicht die<br />

Schuld dafür! Dann: Was sagt das Gedicht mir <strong>und</strong><br />

was sagt das Gedicht mir? Und nicht zuletzt: halt’<br />

ich es aus, dass das Gedicht einen letzten unausdeutbaren<br />

Rest bewahrt? Einen rätselhaften Kern,<br />

der mich vielleicht verunsichert, weil ich gewohnt<br />

bin, den Dingen auf den Gr<strong>und</strong> zu gehen, aber<br />

auch mit einer Sehnsucht nach dem Unstillbaren<br />

erfüllt?<br />

Mein ganz persönlicher Versuch: „Die Quadratur<br />

des Kreises“ (Jan Skácel)<br />

66 KUNST ALS UNTERNEHMENSKULTUR<br />

Ja, ich mag das Gedicht. Es löst Bilder in mir aus,<br />

die – ganz profan – zunächst nur von zwei Worten<br />

bestimmt werden. Es sind dies ‚Zirkus’ <strong>und</strong> ‚Löwe’,<br />

zwei Worte, die eine ganze Welt von Bildern,<br />

Sehnsüchten <strong>und</strong> Erinnerungen in mir freisetzen.<br />

Was sagt das Gedicht mir? Es spricht zu mir von<br />

fernen Zeiten, von Erinnerungen an Kindheit <strong>und</strong><br />

der Sehnsucht nach dem Unbekannten, dem<br />

Fremden, das mir Angst macht <strong>und</strong> mich zugleich<br />

mit einem unbestimmten Fernweh erfüllt. Auch<br />

heute noch!<br />

Für mich: ein kleiner Zirkus, kein großer,<br />

prächtiger, sondern einer von der Sorte, die es<br />

heute kaum noch gibt; eher ärmlich, mit Tieren,<br />

für die man – auch schon als Kind - Mitleid hatte<br />

<strong>und</strong> den Wunsch, sie in Freiheit zu sehen. Angst,<br />

dass das Peitschenknallen die Pferde wirklich<br />

trifft. Es spricht auch zu mir von Jahreszeiten; hier<br />

vom Herbst, dieser Zeit, wenn es beginnt überall<br />

nach Feuer zu riechen <strong>und</strong> alle Dinge – in einer<br />

Luft, in der sich die Wärme des Sommers mit dem<br />

kühlen Hauch des nahenden Winters mischt – so<br />

nah zu rücken scheinen, „die unterschiedlichen<br />

Entfernungen des Herbstes…“<br />

Was sagt das Gedicht mir? Geschrieben ist es von<br />

Jan Skácel; das lässt sich nachschlagen <strong>und</strong> gibt<br />

Aufschluss darüber, dass der Dichter Tscheche ist,<br />

Jahrgang 1922, <strong>und</strong> sein Interesse den wichtigen<br />

Themen des Menschen gilt: der fließenden Zeit,<br />

der Angst, dem Tod <strong>und</strong> dem Wissen um eine<br />

immer bedrohlicher werdende Sprachlosigkeit.<br />

Das Gedicht hat eine Überschrift, zwei kurze<br />

Strophen, mit jeweils vier Zeilen; es hat keinen<br />

Reim <strong>und</strong> dennoch eine Melodie. Alle Substantive<br />

sind klein geschrieben; eine Interpunktion<br />

fehlt. So ohne Punkt <strong>und</strong> Komma, Wörter scheinbar<br />

ohne Hierarchie werden sie von einem zum<br />

anderen getrieben, drängen sich dicht an dicht.<br />

Kreise werden angesprochen als „stelle mit den<br />

hobelspänen“ <strong>und</strong> als „ring“. Zeigt sich hier vielleicht<br />

ein Weg, dem Rätsel der Überschrift näher<br />

zu kommen? „Die Quadratur des Kreises…“ meint<br />

im Allgemeinen ein hoffnungsloses Unterfangen.<br />

Zwei Kreise, zwei Strophen…? Was wird zum<br />

Quadrat erhoben? Gegenwart versus Erinnerung?<br />

Was von beidem begleitet uns länger <strong>und</strong><br />

intensiver?<br />

Wie war das jetzt mit dem Aushalten des letzten<br />

Rätsels? „Jedes Gedicht sagt dem Leser nur das,<br />

was er sich sagen lässt. Das Gedicht ist so harmlos<br />

<strong>und</strong> gefährlich wie der Leser selbst. Jeder hat<br />

das Recht, sich so dumm zu stellen, wie er will. Ein<br />

Gedicht ist einfach nur da. Es hat allein die Macht,<br />

die der Leser ihm einräumt.“ (Ulla Hahn, a. a. O.,<br />

S. 285f)<br />

Bärbel Tannert<br />

6. Mai 2006<br />

DIE QUADRATUR DES KREISES<br />

Die unterschiedlichen entfernungen des herbstes<br />

<strong>und</strong> die stelle mit den hobelspänen<br />

die zurückbleibt<br />

wenn der zirkus abreist aus der stadt<br />

Und noch lange danach<br />

gehen die Schulkinder auf einem umweg nachhaus<br />

um auf dem ring<br />

den löwen riechen zu können<br />

Jan Skácel<br />

67


68 KUNST ALS UNTERNEHMENSKULTUR<br />

69


70 KUNST ALS UNTERNEHMENSKULTUR<br />

71


Kunst = Mensch<br />

(Joseph Beuys)<br />

Vielleicht ein wenig provokant, aber dennoch von einer tiefen Wahrheit geprägt. Wie könnten sonst die<br />

Besucherströme erklärt werden, die sich weltweit in die großen Ausstellungen drängen <strong>und</strong> dabei in Kauf<br />

nehmen, lange anzustehen <strong>und</strong> das nicht nur in der Warteschlange an der Ticketbox. Jährlich Unmengen<br />

von neuen Kunstbüchern <strong>und</strong> Katalogen auf dem Markt, die vielleicht nicht immer von vorn bis hinten<br />

gelesen, aber dennoch erstanden werden. Menschen malen, zeichnen, bildhauern, fotografi eren, …<br />

professionell oder als Liebhaberei. Sie gestalten ihre Wohn- <strong>und</strong> Arbeitsbereiche, ihre Gärten <strong>und</strong> Häuser.<br />

Die Lust auf Bilder ist groß. Auch in unserem Haus. Überzeugen Sie sich davon <strong>und</strong> werfen Sie einen<br />

Blick in die Büros einiger Mitarbeiter, die Ihnen „ihre“ persönlich ausgewählten Bilder zeigen <strong>und</strong> erklären<br />

wollen, warum gerade dieses ihnen besonders gut gefällt.<br />

72 KUNST ALS UNTERNEHMENSKULTUR<br />

73


74 KUNST ALS UNTERNEHMENSKULTUR<br />

Ransome Stanly,<br />

Dakar/München, 2004<br />

„Kunst liegt für mich immer im Auge des Betrachters. Die Bilder, die ich mir aussuchen durfte, haben<br />

durch ihre erdigen, positiv wirkenden Farben <strong>und</strong> durch die Vielfältigkeit der Interpretationsmöglichkeiten<br />

immer wieder einen faszinierenden Ausdruck. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht von dieser<br />

positiven, magischen Ausstrahlung berührt werde. Sie sind die Essenz, die diesem Raum Wärme, Kraft<br />

<strong>und</strong> positive Ausstrahlung geben.“<br />

Dietrich Pauliner, Vertrieb & Marketing – E.<strong>ON</strong> Facility Management, München<br />

75


76 KUNST ALS UNTERNEHMENSKULTUR<br />

Erdmut Bramke,<br />

von links: Tageblatt vom 10.6.1997 <strong>und</strong> Tageblatt vom<br />

21.4.1997<br />

„Die Bilder gefallen mir wegen der Farbe. Grün ist die Farbe der Natur. Sie ergänzen sich <strong>und</strong> lassen<br />

verschiedene Assoziationen zu: Undurchsichtiges Dickicht des Dschungels – Streben der Riesen zum<br />

Licht; kreatives Labyrinth der Gedanken – wissen, wo die Reise hingeht… das fi nde ich spannend.“<br />

Dr. Christine Metz-Schmid, Politik, Expertin für Regulierung<br />

77


78 KUNST ALS UNTERNEHMENSKULTUR<br />

Stephan Fritsch,<br />

von links: links, rechts, 2001; fragile, 2000;<br />

<strong>und</strong>ercover, 2001; over, 2002; rein, 2002<br />

„Die abgebildete Serie von Stephan Fritsch habe ich sehr gerne von meinem Vorgänger übernommen.<br />

Die von Herrn Fritsch verwendeten Farben wirken in einem ansonsten eher nüchtern gehaltenen<br />

Büro sehr positiv. Die mit der Bereitstellung von Bildern für Büroräume verb<strong>und</strong>ene Kunstförderung<br />

durch E.<strong>ON</strong> Energie fi nde ich gut.“<br />

Frank Esslinger, Leiter Recht<br />

79


80 KUNST ALS UNTERNEHMENSKULTUR<br />

Stephanie Schütte,<br />

Streifenbilder, 2000<br />

„Die beiden Streifenbilder sind in einer Münchner Malwerkstatt entstanden. Es hat mir großen Spaß<br />

gemacht, zusammen mit einer Gruppe von Hobbykünstlern aktiv zu sein. Voller Begeisterung haben<br />

wir Dutzende von Papieren in den buntesten Farben mit den unterschiedlichsten Hilfsmitteln bemalt,<br />

diese anschließend in Streifen geschnitten, je nach Gusto wieder streifenförmig zusammengeklebt<br />

<strong>und</strong> über einen Holzrahmen gespannt. Das Ergebnis sind fröhliche Bilder, die ihren besonderen<br />

Reiz haben. Mir persönlich geben sie täglich Kraft <strong>und</strong> Inspiration für meine kreativen Aufgaben bei<br />

E.<strong>ON</strong> Energie.“<br />

Stephanie Schütte, Referentin für Personalkommunikation<br />

81


82 KUNST ALS UNTERNEHMENSKULTUR<br />

Angela Vischer,<br />

La salle des pas perdu, 2001<br />

„Dieses Kunstwerk wirkt auf mich sehr positiv. Einmal gefällt mir das Material, es wirkt warm <strong>und</strong><br />

vertraut, aber auch witzig. Die einzelnen Figuren, Zeichen <strong>und</strong> Buchstaben lassen sicher verschiedene<br />

Interpretationen zu. Für mich handelt es sich um einen vielseitigen Lebenslauf, der in den Wolken<br />

endet.“<br />

Maria Heinz, Vorstandssekretärin<br />

83


6. Mai 2006<br />

Straßenszene auf der Münchner Augustenstraße – Blick<br />

aus dem Neubau der E.<strong>ON</strong> Energie<br />

84 GESELLSCHAFTLICHES ENG<strong>AG</strong>EMENT 85


86 GESELLSCHAFTLICHES ENG<strong>AG</strong>EMENT<br />

Piazza der E.<strong>ON</strong> Energie<br />

Vorbereitungen für eine Vortragsveranstaltung<br />

GESELLSCHAFTLICHES<br />

ENG<strong>AG</strong>EMENT<br />

Wir suchen nach neuen Ideen, anderen Perspektiven <strong>und</strong> ehrlichen Meinungen. Wichtige Themen anzusprechen,<br />

in offener <strong>und</strong> kritischer Auseinandersetzung, sehen wir als einen Teil unseres gesellschaftlichen<br />

Engagements <strong>und</strong> veranstalten daher im Rahmen einer Gesprächsreihe, gemeinsam mit der<br />

Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung, zweimal jährlich Vorträge, die dabei helfen sollen. Wir wollen<br />

Sie auf den nächsten Seiten neugierig machen auf die Welt der „Dichter <strong>und</strong> Denker“ <strong>und</strong> Ihnen neben<br />

einem Einblick in die beiden Vorträge des vergangenen Jahres, einen kleinen, sehr persönlich formulierten<br />

Beitrag zum Leben Heinrich Heines geben. Auch er ein freier Geist, der sich nie mit simplen<br />

Gedanken <strong>und</strong> Lösungen zufrieden gegeben hat.<br />

Wir möchten ebenfalls keine einfachen standardisierten Lösungen, sondern freies Denken in Bewegung<br />

bringen. Deswegen schauen wir über die Grenzen Münchens hinaus, beispielsweise nach Budapest, wo<br />

unsere Kollegen der E.<strong>ON</strong> Hungária sich in einer Partnerschaft mit der Franz-Liszt-Akademie der Musik<br />

ergeben haben.<br />

Ein Blick nach Hannover, dieser Stadt an der Leine, die einen vielbeachteten Kunstverein hat, führt zu<br />

E.<strong>ON</strong> IS, die gemeinsam mit E.<strong>ON</strong> Energie seit vielen Jahren eine Partnerschaft pfl egt in vielen – in der<br />

Kunstwelt Beachtung findenden – Ausstellungen. In diesem Jahr mit einer Retrospektive des amerikanischen<br />

Fotografen Gregory Crewdson.<br />

87


„Ist Europa ein ‚Christenclub‘? Die EU <strong>und</strong> die<br />

Türkei“ war die Frage <strong>und</strong> zugleich das heiß diskutierte<br />

Thema auf der Piazza der E.<strong>ON</strong> Energie im<br />

vergangenen Oktober. Soll <strong>und</strong> kann die Türkei<br />

in die EU mit aufgenommen werden? Eine hoch<br />

brisante Frage in diesem Jahr, mit genau so vielen<br />

Meinungen wie Möglichkeiten.<br />

Frau Dr. Margot Käßmann, Bischöfi n der evangelischen<br />

Landeskirche in Hannover, sprach von<br />

einem anti-kirchlichen Refl ex in den vergangenen<br />

Jahrzehnten in Europa, einem Abbruch von<br />

alten Werten <strong>und</strong> lang gepfl egten Traditionen.<br />

Erst nach den Anschlägen auf New York 2001 <strong>und</strong><br />

Madrid 2004, wird die Frage der „clash of cultures“<br />

offen angesprochen <strong>und</strong> in der Öffentlichkeit mit<br />

Aufmerksamkeit versehen. „Sicher, viele Menschen<br />

erklären, Religion dürfe keine große öffentliche<br />

Rolle spielen, Staat <strong>und</strong> Religion seien schließlich<br />

getrennt. Das ist auch gut so. Die Fragen der Religion<br />

aber schlicht zu ignorieren, wäre naiv. Religion<br />

prägt Menschen, Traditionen <strong>und</strong> Kultur. Und<br />

insofern ist Europa im positiven Sinne ein Christenclub.<br />

Europäische Geschichte <strong>und</strong> Architektur,<br />

europäische Literatur <strong>und</strong> Musik sind ohne Kenntnis<br />

von Christentum <strong>und</strong> Judentum nicht zu verstehen.<br />

Und die Werte von Freiheit <strong>und</strong> Gleichheit<br />

ebenso wenig, auch wenn sie manches Mal gegen<br />

kirchliche Apparate erkämpft werden mussten.<br />

Der Gedanke ist schlicht biblisch angelegt <strong>und</strong> ließ<br />

sich auf Dauer nicht unterdrücken“, so Käßmann.<br />

88 GESELLSCHAFTLICHES ENG<strong>AG</strong>EMENT<br />

Landesbischöfin Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann<br />

am 5. Oktober 2005 zu <strong>Gas</strong>t bei der<br />

Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung <strong>und</strong> E.<strong>ON</strong> Energie<br />

Dr. Dr. h.c. Margot Käßmann wurde 1958 in<br />

Marburg/Lahn geboren <strong>und</strong> erhielt 1985 ihre Ordination<br />

zur Pfarrerin. Seit 1999 ist sie Landesbischöfi<br />

n der Ev.-luth. Landeskirche in Hannover <strong>und</strong><br />

wurde 2002 mit einem Ehrendoktor des Fachbereichs<br />

Erziehungswissenschaften der Universität<br />

Hannover gewürdigt. Heute ist sie Mitglied im<br />

Rat der EKD, in der Europäischen Akademie der<br />

Wissenschaft <strong>und</strong> Künste, im Kuratorium Deutsche<br />

Stiftung Weltbevölkerung <strong>und</strong> im Zentralausschuss<br />

der Konferenz Europäischer Kirchen (KEK).<br />

„Sind wir allein im Universum? hat neben den<br />

bekannten Antworten aus Film <strong>und</strong> Presse allerdings<br />

einen ernsten, wissenschaftlichen Hintergr<strong>und</strong>,<br />

ohne dessen Beleuchtung keine auch<br />

nur annähernd realistische Antwort möglich<br />

ist“, erklärte Prof. Lesch den vielen E.<strong>ON</strong> Energie<br />

Mitarbeitern <strong>und</strong> Gästen auf der Piazza der<br />

E.<strong>ON</strong> Energie.<br />

Prof. Lesch erläuterte: „Die Suche nach Leben auf<br />

anderen Himmelskörpern gehört zu den attraktivsten<br />

wissenschaftlichen Themen. Leider ist<br />

die Frage nach außerirdischem Leben wie so<br />

viele andere interessante naturwissenschaftliche<br />

Fragen nicht eindeutig beantwortbar. Zu Beginn<br />

wird die Eingangsfrage eingeschränkt: Es geht<br />

nicht um das Leben an sich, sondern nur um<br />

kommunikationsbereite Zivilisationen, die mit uns<br />

auch in Kontakt treten wollen. Wir können mit<br />

unseren technischen Mitteln keinerlei Leben auf<br />

anderen Planeten außerhalb des Sonnensystems<br />

feststellen, es sei denn, diese Wesen verfügen<br />

mindestens über die gleiche Technologie wie wir<br />

<strong>und</strong> benutzen sie zur Erk<strong>und</strong>ung des Kosmos. Dies<br />

bedeutet, dass im Prinzip das Universum voller<br />

Leben sein kann – Ritter, Dinosaurier, Dampfmaschinen,<br />

Bäume etc… Leben in dieser Art werden<br />

wir jedoch nie bemerken.“<br />

Prof. Dr. Harald Lesch<br />

am 18. April 2005 zu <strong>Gas</strong>t bei der<br />

Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung <strong>und</strong> E.<strong>ON</strong> Energie<br />

Prof. Dr. Harald Lesch wurde 1960 in Giessen<br />

geboren. Nach einem Studium in Physik <strong>und</strong><br />

einer Promotion an der Universität Bonn war er<br />

als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Landessternwarte<br />

Königstuhl in Heidelberg <strong>und</strong> bei der<br />

MPI für Radioastronomie in Bonn tätig. Seine Energie<br />

<strong>und</strong> Zeit widmet er den Arbeitsgebieten der<br />

relativistischen Plasmaphysik, schwarze Löcher<br />

<strong>und</strong> Pulsare, Bio-Astronomie <strong>und</strong> Naturphilosophie<br />

(philosophische Konsequenzen physikalischer<br />

Theorien). Seit 1995 ist er Professor für Theoretische<br />

Astrophysik an der LMU <strong>und</strong> seit 2002 Lehrbeauftragter<br />

Professor für Naturphilosophie an der<br />

Hochschule für Philosophie (SJ) in München.<br />

Neu ab 2006: Die Vorträge in vollständiger<br />

Länge können in einer CD-Broschüre nachgelesen<br />

<strong>und</strong> ge hört werden. Die Broschüre kann im<br />

Broschüren-Bestellsystem im Internet der<br />

E.<strong>ON</strong> Energie angefordert werden.<br />

89


Denk ich an Deutschland in der Nacht…<br />

Denk ich an Deutschland in der Nacht,<br />

Dann bin ich um den Schlaf gebracht,<br />

Nach Deutschland lechzt‘ ich nicht so sehr,<br />

Wenn nicht die Mutter dorten wär;<br />

(aus „Nachtgedanken“)<br />

Kaum ein anderer deutscher Dichter hat seine<br />

Heimat so geliebt <strong>und</strong> zugleich so gehasst wie<br />

Heinrich Heine, dessen Tod sich in diesem Jahr zum<br />

150sten Male jährt. Wir möchten an ihn erinnern –<br />

diesen Streiter für den freien <strong>und</strong> kritischen Geist –<br />

<strong>und</strong> vielleicht Ihre Lust auf mehr wecken.<br />

Heinrich Heine schrieb an Philarète Chasles, Übersetzer<br />

des Jean Paul, französischer Modekritiker,<br />

der ihn um biographische Mitteilung zu seiner<br />

Person bat:<br />

(in Heinrich Heine, Sämtliche Schriften, Bd. 5, München<br />

1984, S.592ff)<br />

90 GESELLSCHAFTLICHES ENG<strong>AG</strong>EMENT<br />

Paris, 15. Januar 1835<br />

Ich habe den Brief, mit welchem Sie mich beehrten,<br />

erhalten <strong>und</strong> beeile mich, Ihnen die verlangten<br />

Notizen mitzuteilen.<br />

Ich bin im Jahre 1800 in Düsseldorf am Rhein geboren,<br />

welche Stadt seit 1806–1814 von den Franzosen<br />

besetzt war. Solchergestalt habe ich während<br />

meiner Jugend französische Luft geatmet. (…)<br />

Mein Vater war Kaufmann <strong>und</strong> ziemlich reich: er<br />

ist tot. Meine Mutter, eine ausgezeichnete Frau,<br />

lebt noch, von der großen Welt zurückgezogen.<br />

(…) Meine Studien, die durch romaneske Launen,<br />

Versorgungspläne, Liebesverhältnisse <strong>und</strong> andere<br />

Krankheiten unterbrochen wurden, setzte ich im<br />

Jahre 1819 in Bonn, Göttingen <strong>und</strong> Berlin fort. Drei<br />

<strong>und</strong> ein halbes Jahr habe ich mich in Berlin aufgehalten,<br />

daselbst mit den ausgezeichnetsten Gelehrten<br />

in fre<strong>und</strong>schaftlichen Verhältnissen gelebt <strong>und</strong><br />

zugleich alle Arten von Krankheiten überstanden<br />

(…) Sieben Jahre lang habe ich auf den genannten<br />

Universitäten studiert, <strong>und</strong> kehrte endlich nach<br />

Göttingen zurück, um daselbst (…) den Titel eines<br />

Doktors der Rechte zu erlangen. (…)<br />

Von allen Lügen, die man in Betreff meines Privatlebens<br />

gedruckt hat, möchte ich dieser allein<br />

widersprochen wünschen. Da sehen Sie den Stolz<br />

des Gelehrten! Ob man von mir sagt, ich sei ein<br />

Bastard, der Sohn eines Scharfrichters, ein Atheist,<br />

schlechter Dichter, Straßenräuber – ich lache darüber;<br />

aber es zerreißt mir das Herz, meine Doktorwürde<br />

bestreiten zu hören. (…)<br />

In meinem 16ten Jahre habe ich Verse gemacht;<br />

meine ersten Dichtungen wurden im Jahr 1821 in<br />

Berlin veröffentlicht. Zwei Jahre später erschienen<br />

neue Dichtungen von mir, nebst zwei Tragödien.<br />

Eine der letzteren wurde in Braunschweig gegeben<br />

<strong>und</strong> ausgepfi ffen. Im Jahre 1825 erschien der<br />

erste Teil der „Reisebilder“; die drei anderen Bände<br />

erschienen einige Jahre hernach bei Hoffmann <strong>und</strong><br />

Campe, meinen steten Verlegern. (…)<br />

In der Zwischenzeit habe ich Reisen in fremde<br />

Länder unternommen. Seit zwölf Jahren habe ich<br />

die Herbstmonate stets am Meere zugebracht,<br />

besonders auf einer der kleinen Inseln der Nordsee.<br />

Ich huldige dem Meere, wie einer Geliebten,<br />

<strong>und</strong> ich habe seine Schönheit <strong>und</strong> seine Launen<br />

besungen. Diese Dichtungen sind in der deutschen<br />

Ausgabe der „Reisebilder“ enthalten (…)<br />

(…) Was die Teutomanen, diese alten Allemannen<br />

betrifft, deren Patriotismus nur in einem blinden<br />

Franzosenhaß besteht, so habe ich sie in allen<br />

meinen Schriften mit Erbitterung verfolgt. Es ist<br />

dieses eine Animosität, die noch von der Burschenschaft<br />

herrührt, an welcher ich Teil genommen<br />

habe. Zu gleicher Zeit bin ich gegen die katholische<br />

Propaganda <strong>und</strong> die deutschen Jesuiten zu Felde<br />

gezogen, nicht sowohl um die Verleumder, die<br />

mich zuerst angegriffen haben, zu züchtigen, als<br />

vielmehr um meiner protestantischen Vorliebe zu<br />

willfahren. (…) Indes bei aller Verteidigung der<br />

sozialen Interessen des Protestantismus habe ich<br />

nie meine pantheistischen Sympathien verleugnet.<br />

Übelunterrichtete Landsleute haben seit<br />

längerer Zeit die Nachricht verbreitet, dass ich<br />

dem St. Simonismus beigetreten sei; andere zeihen<br />

mich des Judäismus. Ich bedauere, nicht im Stande<br />

zu sein, solche Dienste belohnen zu können. Ich<br />

habe nie geraucht; ich trinke kein Bier, <strong>und</strong> erst in<br />

Frankreich habe ich das erste Sauerkraut gegessen.<br />

In der Literatur habe ich Alles versucht: ich habe<br />

lyrische Gedichte verfasst, epische <strong>und</strong> dramatische;<br />

ich habe über die Künste, die Philosophie <strong>und</strong><br />

die Politik geschrieben… Gott möge es mir verzeihen!<br />

Seit zwölf Jahren spricht man über mich in<br />

Deutschland; man lobt <strong>und</strong> tadelt mich, aber stets<br />

mit Leidenschaft <strong>und</strong> ohne Aufhören. Seit dem Mai<br />

1831 lebe ich in Frankreich. Seit beinahe vier Jahren<br />

habe ich keine deutsche Nachtigall gehört.<br />

Es ist genug. Ich werde traurig. Bedürfen Sie<br />

noch anderer Notizen, so werde ich solche Ihnen<br />

mit Vergnügen erteilen. Ich sehe es gern, wenn<br />

Sie dieselben von mir selbst verlangen. Reden Sie<br />

Gutes von mir, reden Sie Gutes von Ihrem Nächsten,<br />

wie es das Evangelium befi ehlt, <strong>und</strong> genehmigen<br />

Sie die Versicherung meiner ausgezeichneten<br />

Hochachtung usw.<br />

Heinrich Heine<br />

91


Wer sich die Musik erkiest…<br />

,,Musik ist eine wirkliche gemeinsame Sprache<br />

aller Nationen, die zeitlos <strong>und</strong> grenzüberschreitend<br />

verbindet. Nichts unterstreicht es so sehr,<br />

wie der intensive kulturelle Austausch, der die<br />

alltäglichen Aktivitäten der Zeneakademie<br />

bestimmt.”<br />

meint András Batta, Rektor der weltberühmten<br />

Franz-Liszt-Musikakademie von Budapest.<br />

Das 1875 von Franz Liszt gegründete Institut ist<br />

eines der renommiertesten Musikkonservatorien<br />

der Welt. Weltbekannte Künstler wie Ferenc Erkel,<br />

Zoltan Kodály, Béla Bartók oder Erno Dohnányi<br />

waren Direktoren <strong>und</strong> Meisterlehrer der Akademie,<br />

lehrten <strong>und</strong> verhalfen vielen jungen Musikern<br />

zu Weltformat. Das Institut wurde mit der<br />

Idee gegründet, ungarischen Künstlern eine dem<br />

Ausland äquivalente <strong>und</strong> hochkarätige Ausbildung<br />

im Land zu ermöglichen, da in jener Zeit viele<br />

ungarische Jungkünstler – in Ermangelung einer<br />

guten Musikausbildung in Ungarn – im Ausland<br />

studieren mussten.<br />

Als eine Umkehrung der Geschichte ist heutzutage<br />

die ,,Zeneakadémia” eine beliebte <strong>und</strong><br />

weltweit anerkannte Ausbildungsstätte, deren<br />

Studentenschaft sich zu einem bedeutenden Teil<br />

aus ausländischen Studierenden zusammensetzt.<br />

Auf allen Kontinenten hat die „Zeneakadémia“<br />

einen Klang von Welt.<br />

92 GESELLSCHAFTLICHES ENG<strong>AG</strong>EMENT<br />

Die Akademie ist seit Jahrzehnten ein Zentrum<br />

des musikalischen Lernens für junge Künstler <strong>und</strong><br />

Musikpädagogen innerhalb Ungarns. Gleichzeitig<br />

ist es ihr gelungen, durch enge Bande zwischen<br />

den ehemaligen Musikstudenten – heute teilweise<br />

weltberühmte Künstler – ein Netzwerk zu knüpfen,<br />

dessen Teilnehmer sich in der Akademie oft<br />

<strong>und</strong> gern ein Stelldichein geben <strong>und</strong> somit auch<br />

zur Schaffung eines internationalen Zentrums des<br />

Musikerlebens <strong>und</strong> Musikaustauschs beitragen.<br />

E.<strong>ON</strong> Hungária fördert als langjähriger Partner der<br />

Franz-Liszt-Musikakademie neben Konzerten <strong>und</strong><br />

Musikprogrammen auch den Studentenaustausch<br />

zwischen Ungarn <strong>und</strong> Deutschland.<br />

Für E.<strong>ON</strong> Hungária ist es eine Selbstverständlichkeit,<br />

die ungarische Kultur innerhalb, aber<br />

auch außerhalb der ungarischen Grenzen einem<br />

breiten <strong>und</strong> interessierten Publikum zugänglich<br />

zu machen. Deshalb ist E.<strong>ON</strong> Hungária besonders<br />

stolz, Sponsor des ungarischen Kulturjahres<br />

2006 „Ungarische Akzente“ in Bayern zu sein, in<br />

dessen Rahmen deutsche Musikliebhaber, u.a.<br />

beim Altstadtfest „Musika Europa“ in Regensburg,<br />

Kostproben junger ambitionierter Künstler aus der<br />

Talentschmiede der Akademie erleben dürfen<br />

Ildikó Kovács, E.<strong>ON</strong> Hungária<br />

18. April 2006<br />

András Batta<br />

Rektor der Franz-Liszt-Musikakademie, Budapest<br />

93


Gregory Crewdson 1985–2005<br />

Bereits im dritten Jahr fördern E.<strong>ON</strong> Energie<br />

<strong>und</strong> E.<strong>ON</strong> IS den Kunstverein Hannover. Von<br />

Anfang September bis Ende Oktober 2005 zeigte<br />

dieser europaweit erstmalig eine Gesamtschau<br />

von Gregory Crewdsons Werk der inszenierten<br />

Fotografi e.<br />

„Da, wo wir leben <strong>und</strong> arbeiten, etwas zu tun,<br />

empfinden wir als unsere besondere Verantwortung“,<br />

begründete Dr. Johannes Teyssen in seiner<br />

Eröffnungsrede das gemeinsame Engagement<br />

<strong>und</strong> führte aus, dass am Standort Hannover die<br />

meisten E.<strong>ON</strong> Energie-Arbeitsplätze zu fi nden sind.<br />

Bestätigt wurde das Ausstellungskonzept durch<br />

den noch nie dagewesenen Besucheransturm <strong>und</strong><br />

das große Medieninteresse bis hin zu den Tagesthemen.<br />

Dies zeigt, wie sehr Crewdsons Werk den<br />

Nerv unserer heutigen Zeit trifft.<br />

Crewdson bannt die Betrachter durch das, was in<br />

seinen Fotografi en ungewöhnlich, befremdlich bis<br />

grauenvoll erscheint. Einfach nur hinschauen <strong>und</strong><br />

wieder wegsehen funktioniert nicht. Das Auge ist<br />

irritiert, das Gehirn springt an, <strong>und</strong> die eigenen<br />

inneren Assoziationen nehmen unaufhaltsam<br />

ihren Lauf. So steht zum Beispiel eine Frau mitten<br />

in der Nacht barfuß auf der Straße. Hinter ihr<br />

ein Taxi, eine Person sitzt auf der Rückbank, die<br />

Beifahrertür steht noch offen – nur ein einziger<br />

Augenblick aus dem großformatigen Bildzyklus<br />

94 GESELLSCHAFTLICHES ENG<strong>AG</strong>EMENT<br />

Beneath the Roses (2003 – 05), der das innere Kino<br />

bei den Betrachtern massiv ankurbelt.<br />

Das Abgründige dahinter Crewdson selbst hat<br />

einmal gesagt, was ihm letztlich im Leben am<br />

meisten Angst mache, sei die Realität. Als Sohn<br />

eines Psychoanalytikers zeigt er das Verdrängte,<br />

das, was sich hinter der Fassade amerikanischen<br />

Kleinstadtlebens versteckt.<br />

In dem Zyklus Natural Wonder (1992 – 97)<br />

inszeniert der Künstler tief sitzende menschliche<br />

Ängste. Beispielsweise eines Tages eine Leiche<br />

oder Teile davon im Wald, versteckt unter Laub,<br />

zu fi nden. In Twilight (1998 – 2002) liegt eine<br />

Frau reglos im Bildvordergr<strong>und</strong>, genau genommen<br />

ist das ganze Wohnzimmer gefl utet <strong>und</strong><br />

sie schwimmt im Bild mit dem Titel the fl oating<br />

woman. Die scheinbar heile Welt versinkt, es sind<br />

die Alpträume, die Crewdson inszeniert. Besonders<br />

in einem Amerika, in dem Bewegung <strong>und</strong><br />

Dynamik alles ist, wagen es seine Bilder, Stillstand<br />

zu zeigen. Autos stehen mitten auf der Straße.<br />

Von der einst scheinbar vertrauten Welt bleibt<br />

etwas Bedrohliches, Unheimliches <strong>und</strong> vor allem<br />

Nicht-Erklärbares zurück.<br />

Produzieren wie in Hollywood Ob im Studio<br />

oder bei Außenaufnahmen, der Aufwand zur<br />

fotografi schen Inszenierung ähnelt der großer<br />

Filmproduktionen. Ganze Straßenzüge werden<br />

abgesperrt, Statisten eingewiesen, spezielle Lichttechniken<br />

installiert. Schauspieler wie Julianne<br />

Moore <strong>und</strong> Gwyneth Paltrow beteiligen sich ganz<br />

ohne Gage. R<strong>und</strong> 150 Mitarbeiter beschäftigte<br />

der Künstler bei seiner letzten Produktion für ein<br />

einziges Foto. Die so entstandene Momentaufnahme<br />

allerdings lässt beim Zuschauer ganze<br />

Filme ablaufen.<br />

Uta Schauerte, E.<strong>ON</strong> IS<br />

27.03.2006<br />

Gregory Crewdson, geboren 1962 in New York,<br />

wuchs als Sohn eines Psychoanalytikers auf. Die<br />

in seiner Kindheit belauschten Patientenmonologe<br />

in der väterlichen Praxis haben einen großen<br />

Einfl uss auf sein späteres Werk. Neben Sigm<strong>und</strong><br />

Freuds Aufsatz über das Unheimliche haben E.T.A.<br />

Hoffmanns Novelle „Der Sandmann“ sowie Steven<br />

Spielbergs Film „Unheimliche Begegnung der Dritten<br />

Art“ (1977) sein Schaffen geprägt. Crewdson<br />

lehrt an der Yale School of Art in New Haven.<br />

95


96 GESELLSCHAFTLICHES ENG<strong>AG</strong>EMENT<br />

Gregory Crewdson, Plate 65, untitled, 2005<br />

Gregory Crewdson, Plate 64, untitled, 2005<br />

Eine Ausstellung in Kooperation mit dem<br />

Kunstverein Hannover<br />

97


Ein Jahr später<br />

Innerhalb der A2 hatten wir zwei Münchner<br />

Künstler als Gäste in unserem Hause. betreten<br />

erlaubt hieß die begehbare Architektur-Skulptur,<br />

die Stephan Fritsch <strong>und</strong> Stefan Eberstadt für die<br />

Piazza unseres Firmensitzes schufen.<br />

Wir haben sie nicht aus den Augen verloren, ihnen<br />

Unterstützung bei der Realisierung verschiedener<br />

Projekte geleistet <strong>und</strong> uns gefragt: Was haben<br />

die beiden in der Zwischenzeit gemacht? Welche<br />

Ausstellungen haben sich für sie ergeben? Welche<br />

Projekte waren besonders wichtig <strong>und</strong> spannend<br />

für ihre künstlerische Entwicklung?<br />

Hier ein Überblick über wichtige Stationen 2005/06.<br />

98 GESELLSCHAFTLICHES ENG<strong>AG</strong>EMENT<br />

betreten erlaubt – Eberstadt <strong>und</strong> Fritsch, 2004<br />

Installation auf der Piazza der E.<strong>ON</strong> Energie<br />

Stefan Eberstadt realisierte unter anderem<br />

Rucksack House. Seine Arbeiten waren in den<br />

folgenden Ausstellungen zu sehen:<br />

’05 ECHO_OK,<br />

Rathausgalerie München (mit Hans Steinbrenner)<br />

Come-in,<br />

Museu Paco das Artes, São Paulo<br />

Floor to Ceiling,<br />

fiedler contemporary, Köln<br />

’06 U-turn,<br />

Galerie Florian S<strong>und</strong>heimer, München<br />

See-Scape, funktionale Raumarbeit,<br />

Kunstmuseum Bonn<br />

Entry + Talking Cities,<br />

Zeche Zollverein, Essen<br />

Come-in,<br />

Korea Institute for Design Promotion, Seoul<br />

Museum of Contemporary Art, Shanghai<br />

Stephan Fritsch zeigte seine Arbeiten in den<br />

fol gen den Ausstellungen <strong>und</strong> realisierte unter<br />

an derem große Wand malereien, deren Farbigkeit<br />

teilweise stark von betreten erlaubt beinfl usst war:<br />

’05 Universal painting,<br />

Kunstmuseum GuangDong, Guanghzou (K)<br />

Hubei Art Institute, Wuhan<br />

white space gallery, Peking<br />

Dolun-Museum, Shanghai<br />

liquid crystal,<br />

Lothringer Dreizehn, München<br />

’06 drupje voor drupje,<br />

Galerie Ebbers, Kranenburg (E)<br />

durch dick <strong>und</strong> dünn,<br />

Galerie Claus Semerak, München (E)<br />

büro pop – private or public – Eberstadt <strong>und</strong> Fritsch, 2005<br />

Stephan Fritsch <strong>und</strong> Stefan Eberstadt in der städtischen<br />

Gallerie „lothringer dreizehn“<br />

In Konsequenz der engen <strong>und</strong> erfolgreichen<br />

Zusammenarbeit bei betreten erlaubt entstanden<br />

weitere gemeinsame Projekte. So gründeten die<br />

beiden Künstler unter anderem büro pop – private<br />

or public als zusätzlichen Programmpunkt zu den<br />

interdisziplinären Aktivitäten der städtischen<br />

Gallerie „lothringer dreizehn“.<br />

büro pop – private or public greift die Tradition<br />

des dortigen Werkstattateliers als Ort der künstlerischen<br />

Produktion auf. In der Zeit vom Herbst<br />

2005 bis Frühjahr 2006 wurden dort Ausstellungen<br />

des Klangkünstlers Kalle Laar <strong>und</strong> eine Gemeinschaftsarbeit<br />

der beiden Künstler Günther Förg<br />

<strong>und</strong> Heribert Heindl realisiert.<br />

Auf den folgenden Seiten stellen wir Ihnen zwei<br />

aktuelle Arbeiten von Stephan Fritsch <strong>und</strong> Stefan<br />

Eberstadt vor.<br />

99


Rucksack House – Stefan Eberstadt „Es geht mir<br />

nicht um eine Abstraktion, ich sehe die Skulptur<br />

selbst als Ort, der für den Betrachter zu einem<br />

räumlich funktionalen Bezugssystem wird. In der<br />

Verschmelzung der Disziplinen Kunst, Architektur<br />

<strong>und</strong> Design löse ich deren Hierarchie auf <strong>und</strong> es<br />

entstehen Arbeiten, deren einzelne Teile sich jetzt<br />

nicht mehr nur auf sich selbst beziehen, sondern<br />

auf die Welt des uns umgebenden Alltags, seiner<br />

Produkte <strong>und</strong> der Kultur selbst.<br />

In meinem Projekt Rucksack House beziehe ich<br />

aktuelle gesellschaftliche Fragen wie Mobilität<br />

<strong>und</strong> Flexibilität mit ein. Angesiedelt zwischen<br />

Kunst <strong>und</strong> Architektur, zwischen Form <strong>und</strong> Funktion,<br />

ist Rucksack House eine begehbare Skulptur<br />

mit eigener Raumqualität, ein schwebender Lichtraum,<br />

der als individuell erfahrbarer Freiraum nur<br />

privat zugänglich – obwohl für jeden sichtbar im<br />

öffentlichen Raum – mittels ausklappbarer Möbel<br />

100 GESELLSCHAFTLICHES ENG<strong>AG</strong>EMENT<br />

<strong>und</strong> eingebauter Öffnungen zusätzlichen Wohnraum<br />

mit direktem Tageslicht spendet.<br />

Mobil wie ein Rucksack, wird dieses Mini-Haus<br />

als Raumerweiterung mit Stahlseilen vor ein Fenster<br />

an die Fassade eines Wohnhauses gehängt.<br />

Die Idee des Rucksack House als voll funktionierender<br />

Lebensraum ist Resultat einer gr<strong>und</strong>legenden<br />

künstlerischen Frage: Wie kann Skulptur<br />

außerhalb des Kunstkontexts funktionieren?<br />

Was ist ihr heutiger Anspruch, wo kommt sie zur<br />

Anwendung?“<br />

Rucksack House wurde erstmalig 2004 im Rahmen<br />

der internationalen Ausstellung „Xtreme Houses“<br />

in der Halle 14 der ehemaligen Baumwollspinnerei<br />

in Leipzig gezeigt <strong>und</strong> war 2005 zu „plan05 – Forum<br />

aktueller Architektur in Köln“ im Kölner Stadtraum<br />

zu sehen.<br />

ocker_<strong>und</strong>_so_2005 – Stephan Fritsch Parallel<br />

zur Ausstellung „Munich School?“ im Kunstverein<br />

Aschaffenburg konnte Stephan Fritsch seine<br />

Wandmalerei ocker_<strong>und</strong>_so_2005 realisieren.<br />

Bereits die Wahl der Farbe ocker (Münchner Gelb)<br />

<strong>und</strong> der davon abgeleitete Titel, waren Verweis<br />

auf die im Inneren stattfi ndende Ausstellung.<br />

Über dies hinaus spielt die Arbeit mit den so häufi g<br />

zu sehenden <strong>und</strong> oftmals höchst spannenden<br />

Farbmustern die an Hausfassaden zu fi nden sind.<br />

Doch in diesem Fall ist ein scheinbar ungeordnetes<br />

Reportoire an Farbvorschlägen zu fi nden, die<br />

nur bedingt auf eine spätere Umsetzungsmöglichkeit<br />

verweisen <strong>und</strong> den Betrachter in der Ungewissheit<br />

zurücklassen, ob das Gebäude in Bälde in<br />

schrecklichsten Farben gestrichen wird, oder es<br />

sich „nur“ um Kunst handelt.<br />

Die Malerei kann als Angriff von losgelassenen<br />

Graffi tisprayern verstanden werden, als Überbleib<br />

sel fehlgeschlagener Farbkonzepte, oder eben<br />

als autonome Malerei im Außenbereich.<br />

„…Die Wandarbeit erklärt sich offen <strong>und</strong> herausfordernd<br />

zum Dialog. Im Spannungsfeld zwischen<br />

Innen <strong>und</strong> Außen werden Fragen von Kunst <strong>und</strong><br />

Alltag ebenso aufgeworfen wie Präsentationsformen<br />

hinterfragt. Durch die Gestaltung der Wand<br />

werden die Grenzen zum Raum <strong>und</strong> zur Architektur<br />

überschritten, aufgelöst <strong>und</strong> konterkariert. Die<br />

ganze Fassade wird zum Schauplatz der Malerei.<br />

Die Inszenierung ist als Opposition gegen die<br />

Verwahrlosung, Gleichgültigkeit <strong>und</strong> Eintönigkeit<br />

unserer ästhetischen Alltagsumgebung zu sehen…“<br />

(Bernd Reiß, Katalog „MunichSchool?“, Aschaffenburg,<br />

2005)<br />

101


Kleine Piazza<br />

Übergang zwischen Altbau <strong>und</strong> Neubau der E.<strong>ON</strong> Energie,<br />

München<br />

102 AUSBLICK 2006 103


104 AUSBLICK 2006<br />

Casino<br />

Neubau der E.<strong>ON</strong> Energie, München<br />

AUSBLICK 2006<br />

Wir möchten mit Ihnen einen Blick hinter den Vorhang werfen. Sie neugierig machen auf das, was wir<br />

uns in kultureller Hinsicht für 2006 vorgenommen haben. Einige wenige Projekte mögen dabei Stellvertreter<br />

sein für die Fülle der kleinen <strong>und</strong> großen Veranstaltungen, die bei uns stattfinden oder im<br />

Rahmen eines Sponsorings auch eine größere Öffentlichkeit erreichen werden.<br />

Eines der großen Themen wird die „Kunst im Neubau“ sein. Im Zuge der Fertigstellung unseres neuen<br />

Gebäudes an der Brienner-/Augustenstraße werden zwei Münchner Künstler mit überregionalem Ruf,<br />

Dietmar Tanterl <strong>und</strong> Andreas Horlitz, zwei Licht-Raum-Installationen realisieren. Schauen Sie auf den<br />

nächsten Seiten doch einmal hinein in die Ideen <strong>und</strong> Pläne der beiden Künstler.<br />

Außerdem möchten wir Sie aufmerksam machen auf unsere Veranstaltungen im Rahmen unserer –<br />

gemeinsam mit E.<strong>ON</strong> Bayern <strong>und</strong> E.<strong>ON</strong> Hungária geplanten – Kooperation mit dem ungarischen Generalkonsulat<br />

innerhalb des ungarisch/deutschen Kulturjahres. Eine Podiumsdiskussion sowie eine<br />

Aus stellung zeitgenössischer ungarischer Kunst soll Sie auf dieses junge europäische Land einstimmen.<br />

„Last but not least“ unsere Partnerschaft mit der Hamburger Kunsthalle – gemeinsam mit E.<strong>ON</strong> Hanse –<br />

die im Oktober 2006 mit einer umfangreichen Schau der Werke Caspar David Friedrichs vermutlich ein<br />

Magnet für Besucher aus aller Welt sein wird.<br />

105


Kunst im Neubau<br />

2005 ging der Neubau für unseren Firmensitz in<br />

München in die vorerst letzte Phase. Das von dem<br />

Münchner Architekturbüro Adam entwickelte<br />

<strong>und</strong> realisierte Gebäude läßt sich durch große<br />

Klarheit <strong>und</strong> Strenge der Form charakterisieren.<br />

Eigenschaften, die sich auch in den für 2006<br />

geplanten Kunstobjekten wiederfinden sollen.<br />

Wir haben zwei Münchner Künstler (Andraes<br />

Horlitz <strong>und</strong> Dietmar Tanterl) beauftragt, Arbeiten<br />

für unser neues Haus zu entwickeln, die wir im<br />

Folgenden skizzieren möchten.<br />

Andreas Horlitz zählt zu den renommiertesten<br />

zeitgenössischen Künstlern, die mit dem Medium<br />

der Fotografie arbeiten <strong>und</strong> es weiterentwickeln.<br />

Als Schüler von Otto Steinert an der berühmten<br />

Folkwangschule in Essen setzte er sich zwischen<br />

1976 <strong>und</strong> 1980 zunächst mit der klassischen dokumentarischen<br />

Fotografie auseinander. In den<br />

80er Jahren löste er sich von dieser journalistisch<br />

geprägten Tradition <strong>und</strong> begann bereits vorhandenes<br />

<strong>und</strong> reproduziertes Fotomaterial weiterzuverarbeiten,<br />

in Kopiermontagen neu zu ordnen <strong>und</strong><br />

damit den Realitätsgehalt fotografischer Bilder<br />

zu hinterfragen. Die Vorlagen hierfür stammten<br />

zumeist aus wissenschaftlichen, historischen <strong>und</strong><br />

kunsthistorischen Bereichen.<br />

Seit 1987 verwendet Andreas Horlitz Leuchtkästen<br />

als Bildträger <strong>und</strong> befasst sich zunehmend mit<br />

106 AUSBLICK 2006<br />

Bildmaterial aus naturwissenschaftlichen<br />

Archiven, wie zum Beispiel Sonnen- <strong>und</strong> Sterns<br />

pektren, Messungen von Hirnströmen, DNA-<br />

Sequenzen oder auch einfache Strichcodes.<br />

Die Auseinandersetzung mit Bildern aus<br />

Naturwissenschaft <strong>und</strong> Technik veranlassten<br />

den Künstler, sich von der traditionellen abbildenden<br />

Fotografie ab-, <strong>und</strong> dieser besonderen<br />

Darstellungsform von Piktogrammen mit<br />

verschlüsselten <strong>Info</strong>rmationen zuzuwenden.<br />

Inzwischen nicht nur in Leuchtkästen montiert,<br />

sondern auch auf Glasflächen graviert <strong>und</strong> teilweise<br />

verspiegelt, entstehen daraus heute autonome<br />

Bildwerke von eindrucksvoller Größe <strong>und</strong> Dichte.<br />

Andreas Horlitz ist in zahlreichen privaten <strong>und</strong><br />

öffentlichen Sammlungen vertreten, wie etwa<br />

im Münchner Stadtmuseum, in den Bayerischen<br />

Staatsgemäldesammlungen München, im<br />

Kunstmuseum Stuttgart, im Museum Folkwang<br />

Essen, in den Staatlichen Kunstsammlungen<br />

Dresden, im Sprengel Museum Hannover – um<br />

nur einige zu nennen. Neben der aktuell bei<br />

E.<strong>ON</strong> Energie in München entstandenen<br />

Glasinstallation befinden sich weitere große<br />

Installationen von ihm bei Gerling in Düsseldorf,<br />

bei der WWK Versicherung in München oder bei<br />

der Firma Uniplan in Kerpen.<br />

Dr. Irene Netta<br />

28. April 2006<br />

Simulacrum, Andreas Horlitz, 2006<br />

Installation mit teilverspiegeltem <strong>und</strong> bedrucktem Glas<br />

<strong>und</strong> LED-Licht, ca. 12,15 m x 3–5 m<br />

Casino der E.<strong>ON</strong> Energie, München<br />

107


Einen schmalen, dunklen Flur in eine lichte Passage<br />

zu verwandeln; eine künstlerische Setzung in die<br />

Architektur zu integrieren, ist Aufgabe <strong>und</strong> Konzept<br />

Dietmar Tanterls. Anfang 2006 soll dieses Projekt<br />

realisiert sein <strong>und</strong> dem Thema „Kunst im Neubau“<br />

eine weitere Facette hinzufügen.<br />

108 AUSBLICK 2006<br />

Die Arbeiten von Dietmar Tanterl gehen vom<br />

Gr<strong>und</strong>satz aus, dass Kunst heute keine Verweisfunktion<br />

mehr besitzt, das heißt sie kann sich<br />

nicht mehr auf einen Inhalt außerhalb des im<br />

Kunstwerk selbst angelegten berufen. Deshalb<br />

müssen alle Elemente der Anordnung innerhalb<br />

der vorgestellten Arbeit zu finden sein. Das Werk<br />

ist also selbstreferentiell, was besagt, dass es<br />

selbst ein Abbild der Wirklichkeit ist. In einer<br />

dem wissenschaftlichen Versuch ähnlichen<br />

Anordnung werden Orte dargestellt: Räume <strong>und</strong><br />

Lichtsituationen, in denen der Schauende oft<br />

zur einer Widerlegung bekannter Betrachtung<br />

gelangt; etwa der Erfahrung, ob ein Raum<br />

unverändert derselbe bleibt, wenn sich durch<br />

diesen eine bestimmte Lichtbewegung zieht. Den<br />

Schwerpunkt von Dietmar Tanterls Schaffen bilden<br />

architekturbezogene Arbeiten mit Licht, welche<br />

er in Zusammenarbeit mit unterschiedlichen<br />

Architekten wie Domenig, Auer/Weber, Schweger,<br />

Ackermann, Adam, um nur einige zu nennen,<br />

realisiert hat. „Das Interesse an strukturellen<br />

Zusammenhängen, erreicht durch minimalistische<br />

Eingriffe in grenzwertiger Erscheinungsform, ist<br />

das Gr<strong>und</strong>konzept meiner Arbeit.“<br />

Dietmar Tanterl, E.<strong>ON</strong> Energie Passage, 2006<br />

Lichtpassage im Haus A, 4. Etage<br />

E.<strong>ON</strong> Energie, München<br />

109


A határ a csillagos ég…<br />

…Die Grenze ist der Sternenhimmel<br />

Deutschland erwartet im Jahr 2006 ein besonderes<br />

Kulturvergnügen. Das Ministerium für<br />

Nationales Kulturerbe Ungarn veranstaltet in<br />

Zusammenarbeit mit dem Collegium Hungaricum<br />

Berlin das Ungarische Kulturjahr in Deutschland.<br />

Die Schirmherrschaft wird von B<strong>und</strong>espräsident<br />

Dr. Horst Köhler <strong>und</strong> dem ungarischen Staatspräsidenten<br />

Dr. László Sólyom übernommen.<br />

Eine bereits über Jahre gepflegte europaweite<br />

Tradition wird somit weitergeführt, bei der Ungarns<br />

Kultur durch zahlreiche Konzerte, literarische<br />

Lesungen, Filme oder aber auch Ausstellungen<br />

den Menschen in den gastgebenden Ländern<br />

näher gebracht werden soll. Hauptanliegen dieses<br />

Kulturjahres ist die Vermittlung eines aktuellen<br />

<strong>und</strong> facettenreichen Ungarnbildes, wobei der<br />

Schwerpunkt auf der Vorstellung zeitgenössischer<br />

Kunst <strong>und</strong> Kultur aus der Magyaren-Republik liegt.<br />

Die deutschlandweit organisierten Veranstal tungen<br />

setzen stark auf das Prinzip der Ko operation. Bayern<br />

will daher, ebenso wie die anderen B<strong>und</strong>es länder,<br />

einen faszinierenden <strong>und</strong> außergewöhnlichen<br />

Genuss nicht nur für Ungarn-Liebhaber bieten.<br />

Deshalb freuen wir uns, E.<strong>ON</strong> Energie, E.<strong>ON</strong> Bayern<br />

<strong>und</strong> E.<strong>ON</strong> Hungária zusammen mit dem ungarischen<br />

Generalkonsulat, das ungarische Kulturjahr<br />

an verschiedenen Veranstaltungsorten in Bayern<br />

unterstützen zu dürfen.<br />

110 AUSBLICK 2006<br />

Als europäisches Unternehmen schätzen wir den<br />

Wert der Kulturen <strong>und</strong> betrachten die kulturelle<br />

Vielfalt als eine Kraft, die bereichert <strong>und</strong> motiviert.<br />

Daher wollten auch wir einen „Ungarischen Akzent“<br />

oder besser viele „Ungarische Akzente“ setzen.<br />

Die Eröffnungspressekonferenz im Kempinski, das<br />

Eröffnungskonzert im Kaisersaal der Münchner<br />

Residenz, eine von Leichtigkeit, Farbintensität<br />

<strong>und</strong> Eleganz geprägte Abendveranstaltung auf<br />

der Piazza der E.<strong>ON</strong> Energie <strong>AG</strong>, ein Altstadtfest<br />

in Regensburg, eine Ausstellung junger ungarischer<br />

Kunst in der Rathausgalerie <strong>und</strong> ein<br />

Abschlusskonzert sind nur ein kleiner Vorgeschmack<br />

auf das was da kommen wird. Zu unseren Gästen<br />

werden Dr. Teyssen, Mária Baranyi (Ungarische<br />

Generalkonsulin in München), Klemens Unger<br />

(Kulturreferent der Stadt Regensburg), Stefan<br />

Scheider (Bayerischer R<strong>und</strong>funk) <strong>und</strong> viele weitere<br />

mehr zählen. Studenten der Budapester<br />

Musikakademie werden unsere Gäste mit instrumentalen<br />

<strong>und</strong> vokalen Klängen von Liszt <strong>und</strong> Lehár<br />

auf eine Zeit- <strong>und</strong> Entdeckungsreise schicken, ein<br />

opulentes Spezialitätenbuffet in die Welt ungarischer<br />

Gaumenfreuden entführen <strong>und</strong> begleitet von<br />

gutem ungarischem Wein <strong>und</strong> vielen anregenden<br />

Gesprächen <strong>und</strong> spannenden Begegnungen wird<br />

im März 2007 das Jahr der deutsch-ungarischen<br />

Begegnungen dann ausklingen.<br />

Wir freuen uns, Sie begrüßen zu dürfen. Lassen Sie<br />

sich überraschen!<br />

111


Ausblick 2006<br />

113<br />

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112 AUSBLICK 2006


Großer Konzertsaal<br />

Franz-Liszt-Musikakademie, Budapest<br />

114 KULTURBERICHT 2005 115


116 KULTURBERICHT 2005<br />

Franz-Marc-Retrospektive 2005<br />

Innenansicht des temporären Pavillons am Königsplatz<br />

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118 KULTURBERICHT 2005<br />

Gregory Crewdson: 1985–2005<br />

Besucherin vor Gregory Crewdson, Dream Horse, Plate 58,<br />

untitled work, 2002<br />

119


„Du bist Deine eigene Grenze,<br />

erhebe Dich darüber.“<br />

Schamsod-Din Mohammed


Impressum E.<strong>ON</strong> Energie <strong>AG</strong><br />

Kommunikation<br />

Brienner Straße 40<br />

80333 München<br />

T 089 - 1254 - 3168<br />

F 089 - 1254 - 4079<br />

info@eon-energie.com<br />

www.eon-energie.com<br />

Redaktion <strong>und</strong> Inhalte<br />

Bärbel Tannert,<br />

Edda Dankmeyer<br />

Konzept <strong>und</strong> Design<br />

Milch design, München<br />

Fotos<br />

György Barna, Martin Leclaire,<br />

G<strong>und</strong>a Förster, Stephan<br />

Fritsch, Florian Holzherr,<br />

Octavianne Hornstein, Hans<br />

Lippert, Simone Rosenberg,<br />

E.<strong>ON</strong> Ruhrgas <strong>AG</strong>, E.<strong>ON</strong> IS –<br />

Sonja Schirmer, Jens Schulze,<br />

Marc Weber, Urban Zintel<br />

Produktion<br />

E.<strong>ON</strong> Facility Management<br />

DLC Druckerzeugnisse

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