Allgemeiner Teil und Recht der - Universität Leipzig
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Prof. Dr. Burkhard Boemke Wintersemester 2009/10<br />
<strong>Universität</strong> <strong>Leipzig</strong><br />
Bürgerliches <strong>Recht</strong> I –<br />
<strong>Allgemeiner</strong> <strong>Teil</strong> <strong>und</strong> <strong>Recht</strong> <strong>der</strong> Leistungsstörungen<br />
§ 14 Fall: Klausurfall – Form<br />
„Doppelt genäht …“<br />
Lösung<br />
Sachverhalt (nach BGHZ 66, 378 = NJW 1976, 1395):<br />
Anspruch von K gegenüber B auf Mietzahlung aus Mietvertrag i. V. m. § 535<br />
Abs. 2 BGB<br />
Voraussetzung: Bestehen eines Mietverhältnisses<br />
Mietverhältnis wird durch Mietvertrag begründet (§ 311 I BGB)<br />
I. Mietvertrag zwischen K <strong>und</strong> B laut Sachverhalt geschlossen;<br />
Anspruch damit an sich (+)<br />
II. Untergang des Anspruchs durch vertragliche Aufhebung des<br />
Mietverhältnisses<br />
Voraus.: Wirksamer Aufhebungsvertrag<br />
1. Vertragsschluss<br />
Voraus.: Antrag (Angebot) <strong>und</strong> Annahme (vgl. §§ 145 ff. BGB)
a) Angebot durch K<br />
aa) K selbst hat nicht gehandelt<br />
bb) Angebot erklärt durch Vertreter von K; wird K über § 164 BGB<br />
zugerechnet<br />
Angebot (+)<br />
b) Annahme durch B<br />
Annahme erklärt durch B (+)<br />
Innerhalb <strong>der</strong> Annahmefrist, lt. SV (+)<br />
Aufhebungsvertrag damit zustande gekommen (+)<br />
2. Wirksamkeit des Aufhebungsvertrags<br />
Hier: Formnichtigkeit nach § 125 S. 2 BGB<br />
a) <strong>Recht</strong>sgeschäftliche Formvereinbarung (+)<br />
§ 10 Abs. 2 des Mietvertrages<br />
b) Nichtbeachtung <strong>der</strong> Form<br />
aa) Wahrung <strong>der</strong> Schriftform (-)<br />
we<strong>der</strong> Antrag noch Annahme hier schriftlich<br />
Vereinbarte Form ist nicht gewahrt<br />
bb) Abbedingung des Schriftformerfor<strong>der</strong>nisses<br />
(1) Ausdrückliche Abbedingung (-)<br />
(2) Konkludente Abbedingung<br />
(2.1) Vereinbarung<br />
ob mittels einer Abrede zugleich ein bestehenden<br />
vertragliches Schriftformerfor<strong>der</strong>nis abbedungen<br />
werden soll, ist durch Auslegung (§§ 133, 157 BGB)<br />
zu ermitteln<br />
Umstr. Ist, ob sich die Parteien <strong>der</strong> getroffenen<br />
Formabrede bewusst sein müssen o<strong>der</strong> ob
ausreicht, dass die Parteien das mündlich<br />
vereinbarte wollen<br />
(2.2) Wirksamkeit<br />
Konkludente Aufhebung des Formerfor<strong>der</strong>nisses<br />
könnte aber nach § 125 Satz 2 BGB nichtig sein<br />
nach § 10 Abs. 2 Satz 2 des Mietvertrags bedarf die<br />
Abbedingung des Schriftformerfor<strong>der</strong>nisses ebenfalls <strong>der</strong><br />
Schriftform („doppelte Schriftformklausel“)<br />
Zulässigkeit:<br />
Wegen Privatautonomie sind doppelte Schriftformklauseln<br />
gr<strong>und</strong>sätzlich zulässig<br />
BGH begründet Zulässigkeit mit dem Umstand, dass<br />
beide Parteien Kaufleute; es ist jedoch nicht ersichtlich,<br />
weshalb Zulässigkeit auf Kaufleute beschränkt sein sollte<br />
damit bringen die Parteien zum Ausdruck, dass sie die<br />
Rspr. des BGH kennen, diese aber für ihr Geschäft nicht<br />
gelten lassen wollen<br />
es verwirklicht die Privatautonomie <strong>der</strong> Parteien am<br />
besten, wenn <strong>der</strong> Richter im Prozess an diese<br />
Vereinbarung geb<strong>und</strong>en wird, gerade dies will § 125 Satz<br />
2 BGB erreichen<br />
eine konkludente Aufhebung <strong>der</strong> Formvereinbarung ist<br />
daher nicht möglich, dies ergibt die Auslegung<br />
dadurch wird <strong>der</strong> Streit darüber, ob die mündliche<br />
Erklärung auch wirklich mit dem Willen abgegeben wurde,<br />
auf die Form zu verzichten, verhin<strong>der</strong>t<br />
dies war Sinn <strong>und</strong> Zweck des § 10 II 2 des Mietvertrags<br />
Keine Unwirksamkeit nach den §§ 305 ff. BGB, da laut<br />
Sachverhalt keine Allgemeinen Geschäftsbedingungen<br />
(vgl. zu doppelten Schriftformklauseln: BAG NZA 2008,<br />
1233)<br />
(3) Schriftform nicht nachträglich abbedungen
III. Ergebnis<br />
bb) Berufen auf die Formunwirksamkeit treuwidrig i. S. d. § 242<br />
BGB, weil „schlechthin nicht hinnehmbares Ergebnis“ (-); keine<br />
Anhaltspunkte hierfür<br />
c) Aufhebungsvertrag nach § 125 Satz 2 BGB unwirksam (+)<br />
=> Mietvertrag besteht fort<br />
K hat gegen B über den Zeitpunkt des vermeintlichen Aufhebungsvertrags hinaus<br />
einen Anspruch auf Mietzahlung aus dem Mietvertrag i. V. m. § 535 Abs. 2 BGB