Michael Hausenblas - Verlag Hermann Schmidt
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Der internationale<br />
Top-Grafiker Stefan Sagmeister<br />
brachte ein Buch mit einer Art<br />
Selbstbetrachtungen heraus.<br />
Zuvor inszenierte er die<br />
Statements auf Plakatwänden,<br />
Citylights oder Magazincovers:<br />
ein Projekt zwischen Kunst,<br />
Grafikdesign und Philosophie.<br />
<strong>Michael</strong> <strong>Hausenblas</strong> sprach<br />
mit ihm über Geld, Ehrlichkeit<br />
und die Zukunft der CD<br />
6 rondo/11/04/2008<br />
„Jeder, der ehrlich ist,<br />
der Standard: Wollen Sie mit Ihrem Buch „Things I have<br />
learned in my life so far“ Menschen bekehren?<br />
Stefan Sagmeister: Nein, überhaupt nicht. Ich nehme selbst<br />
gutgemeinte Ratschläge so ungern an, dass ich das anderen<br />
ersparen möchte.<br />
„Jeder glaubt Recht zu haben“, lautet eines Ihrer 20 inszenierten<br />
Statements? Sie auch?<br />
Sagmeister: Ich bilde mir oft ein, dass ich Recht habe. Ab<br />
und zu finde ich dann heraus, dass ich doch nicht Recht<br />
hatte. Der Spruch soll jetzt mit aufblasbaren Riesenaffen<br />
in Jerusalem inszeniert werden. Mal sehen, wie diese<br />
Meldung dort ankommt.<br />
Warum haben Sie Ihre Lebensweisheiten auf diese Art inszeniert?<br />
Sagmeister: Der Gedanke dazu kam in einem kundenfreien<br />
Jahr, in dem ich darüber nachdachte, die Grafik zur<br />
Seite zu legen und Regisseur zu werden. Ich hab mich<br />
dann aber gefragt, was ich machen würde, wenn ich<br />
draufkäme, dass ich in diesem Genre gar nichts zu sagen<br />
hätte, und ob es nicht sinnvoller wäre, in der Sprache<br />
der Grafik etwas zu sagen. Mir war natürlich klar,<br />
dass die Grafik so wie jede Sprache limitiert ist. Die professionelle<br />
Werbegrafik hat mich zu jener Zeit sehr frustriert.<br />
Es ging einfach nur um Verkauf und Promotion.<br />
Ich hab nichts gegen das Verkaufen, aber Design muss<br />
mehr können.<br />
Und zwar?<br />
Sagmeister: Es kann zum Beispiel unterhalten, man kann<br />
damit Geld auftreiben, informieren, agitieren usw. Ich<br />
wollte einfach etwas ausprobieren. Die Schwierigkeit<br />
war in diesem freien Jahr eher, damit umzugehen, dass<br />
ich machen konnte, was ich wollte. Es gab ja kein Ziel<br />
oder Briefing. Nach langer Suche stieß ich auf meine<br />
Liste im Tagebuch. Und dann habe ich geschaut, was<br />
passiert, wenn ich die Sache inszeniere, zum Beispiel<br />
auf riesigen Plakatwänden in Paris. Es gab auf die verschiedenen<br />
Inszenierungen sehr großes Feedback. Meine<br />
Lieblingsreaktion kam von einem südkoreanischen<br />
Mönch, der einen meiner Sätze in einem Magazin fand.<br />
Er schrieb, er möchte die Statements als Lehrmittel verwenden.<br />
Seit es das Buch gibt, erhalte ich zum Teil sehr<br />
ergreifende Mails. Anfangs dachte ich, die schickt mir<br />
irgendein Freund.<br />
Ist Ihnen eine Lektion am wichtigsten?<br />
Sagmeister: Irgendwie liegt mir der Satz „Alles was ich<br />
mache, fällt wieder auf mich zurück“ besonders am Her-<br />
zen, weil damit das ganze Projekt angefangen hat. Von<br />
der Bedeutung her ist mir auch jener Satz sehr nahe, den<br />
ich noch immer nicht gelernt habe. Er lautet: „Mutig zu<br />
sein, zahlt sich immer für mich aus“.<br />
Ein anderes Zitat lautet: „Geld macht mich nicht glücklich“.<br />
Da denken eine ganze Menge Menschen wohl ganz<br />
anders darüber.<br />
Sagmeister: Der Satz heißt ja, Geld macht mich nicht<br />
glücklich. Er entstand in dem Bewusstsein, dass ich mir<br />
weder über mein Zuhause noch über das Essen Sorgen<br />
machen muss. Der Psychologe Danny Gilbert aus Harvard,<br />
den ich persönlich kennenlernen durfte, beschäftigt<br />
sich wissenschaftlich mit dem Zusammenhang zwischen<br />
„sich wohlfühlen“ und „finanzielle Situation“. Er<br />
sagt, wenn du in den USA unter 35.000 Euro pro Jahr<br />
verdienst, spielt Geld eine ganz andere Rolle, als wenn<br />
du darüber liegst. Das ist jetzt noch keine große Erkenntnis.<br />
Erstaunlich ist, dass es laut seinen Untersuchungen<br />
keinen Einfluss mehr auf das Wohlbefinden<br />
mehr gibt, ob man 500.000, fünf Millionen oder 50 Millionen<br />
Dollar im Jahr verdient.<br />
Sie nannten Ihre Projekte für die Rolling Stones oder Talking<br />
Heads einmal „coole“ Projekte. Mit welchem Adjektiv<br />
würden Sie dieses Projekt benennen?<br />
Sagmeister: Wahrscheinlich mit „persönlich“. Dabei sind<br />
diese Projekte so eine Art Zwischending. Auf der einen<br />
Seite sind sie ganz eindeutig Kunstprojekte. Mir fällt das<br />
Zitat von Donald Judd ein, der meinte, „Design muss<br />
funktionieren, Kunst nicht.“ Die Inszenierungen sind allerdings<br />
auch in Zusammenarbeit mit verschiedenen<br />
Auftraggebern wie z. B. Museen, Bierbrauereien und<br />
Festivals entstanden und erfüllen neben diesem Persönlichen<br />
auch eine Funktion. Sie unterteilen Magazine<br />
oder machen Pressewirbel für irgendein Festival etc.<br />
Sie sind also auch Designobjekte, aber relativ eigenständig.<br />
Das ist sicher auch ein Grund, warum der Wiederhall<br />
so groß ist. Ich habe den Eindruck, dass viele<br />
Leute außerhalb des Designzirkus beim Betrachten eines<br />
Stückes Kommunikationsdesign gar nicht realisieren,<br />
dass da eine Person dahintersteckt. Das gilt genauso<br />
für das Aussehen von Tageszeitungen oder Flugzetteln.<br />
Ihr Buch ist also eine Mischung aus Kunst und Grafikdesign.<br />
Auch das Produktdesign und andere Disziplinen<br />
wachsen immer mehr zusammen. Menschen sehnen sich<br />
in der Regel aus einer Unsicherheit heraus nach fixen Benennungen?<br />
Wo ziehen Sie Grenzen?