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Türkische Demonstrativa. Eine empirische Untersuchung zu den ...

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<strong>Türkische</strong> <strong>Demonstrativa</strong>. <strong>Eine</strong> <strong>empirische</strong> <strong>Untersuchung</strong> <strong>zu</strong> <strong>den</strong><br />

Unterschie<strong>den</strong> im Gebrauch von bu, su und o.<br />

Bachelorarbeit<br />

<strong>zu</strong>r Erlangung des akademischen Grades „Bachelor of Science (B.SC.)“<br />

im Studiengang Cognitive Science<br />

Vorgelegt von Yasemin Kisi<br />

Martikelnummer: 924318<br />

Erstgutachter: Prof. Dr. phil. Peter Bosch<br />

Zweitgutachter: Dr. phil. Stefan Hinterwimmer<br />

Institut für Humanwissenschaften<br />

Universität Osnabrück<br />

16. Dezember 2011


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Einleitung ...................................................................................................................................... 3<br />

2 Deixis ................................................................................................................................................ 5<br />

2.1 <strong>Demonstrativa</strong> ....................................................................................................................... 6<br />

2.2 Joint Attention ....................................................................................................................... 7<br />

3 Das türkische Demonstrativsystem................................................................................. 8<br />

4 Stand der Forschung ............................................................................................................. 12<br />

4.1 Studie von Asli Özyürek 1998 ...................................................................................... 12<br />

4.2 Studie von Aylin Küntay und Asli Özyürek 2006 ................................................ 15<br />

4. 3 Studie von David Peeters und Asli Özyürek 2011 .............................................. 21<br />

5 Empirische <strong>Untersuchung</strong> <strong>zu</strong>r Verwendung türkischer <strong>Demonstrativa</strong> ... 24<br />

5.1 Methode ................................................................................................................................. 25<br />

5.2 Ergebnisse ............................................................................................................................. 26<br />

6 Diskussion .................................................................................................................................... 31<br />

7 Fazit ................................................................................................................................................ 33<br />

Ausblick ............................................................................................................................................ 33<br />

Bibliographie.......................................................................................................36<br />

Anhang<br />

Fotos der <strong>empirische</strong>n <strong>Untersuchung</strong> (DVD)<br />

Eidesstattliche Erklärung<br />

2


1 Einleitung<br />

Gesprochene Sprache taucht an einem bestimmten Ort, <strong>zu</strong> einer bestimmten Zeit auf, wird<br />

erzeugt durch eine bestimmte Person (Sprecher) und ist generell an eine andere bestimmte<br />

Person oder Personen (Hörer) gerichtet. Somit ist Sprache kein autonomes System für<br />

Kommunikation. Sie ist eingebettet und ergänzt durch Gesten, Blicke, Gesichtsausdrücke,<br />

Haltung und einer Fülle an Optionen, die man verwen<strong>den</strong> kann, um miteinander <strong>zu</strong><br />

kommunizieren (Clark 2003:6).<br />

Um erfolgreich kommunizieren <strong>zu</strong> können, müssen sich vor allem die Gesprächsteilnehmer in<br />

einem Sprechakt einig sein, worüber geredet wird. Zu jedem Zeitpunkt muss also die<br />

Aufmerksamkeit (joint attention) auf dem liegen, was sich in dem Zentrum des Sprechaktes<br />

befindet. Alle natürlichen gesprochenen Sprachen haben Elemente, die die Äußerung mit<br />

ihrem räumlich-zeitlichen und personenbezogenen Kontext verknüpfen. Diese Verknüpfung<br />

heißt „Deixis“ (Levinson 2000:59; Clark 2003:6).<br />

<strong>Eine</strong> zentrale Verwendung der Deixis sind <strong>Demonstrativa</strong>. Zum Beispiel im Englischen this<br />

und that und im <strong>Türkische</strong>n bu, şu und o. In allen Sprachen tauchen <strong>Demonstrativa</strong> auf; sie<br />

gehören <strong>zu</strong> <strong>den</strong> am häufigsten verwendeten Ausdrücken und sind mehr mit deiktischen<br />

Gesten verknüpft als alle anderen linguistischen Elemente. Die Verwendung von<br />

<strong>Demonstrativa</strong>, ihre Form und Bedeutung unterscheidet sich in allen Sprachen ungemein.<br />

Während manche Sprachen nur einige Demonstrativpartikel haben, die in einer Vielzahl von<br />

syntaktischen Kontexten semantische und pragmatische Funktionen erfüllen, haben andere<br />

Sprachen <strong>Demonstrativa</strong>, die morphologisch komplex, syntaktisch begrenzt und pragmatisch<br />

sehr spezifisch in ihrer Funktion sind (Diessel 1999: 2).<br />

In der Literatur wer<strong>den</strong> <strong>Demonstrativa</strong> als grammatikalische Marker klassifiziert, die<br />

entweder als Pronomen oder Artikel verwendet wer<strong>den</strong> und häufig in Relation mit einem<br />

bestimmten Distanzmerkmal stehen, das heißt entweder Nähe oder Ferne eines referierten<br />

Objektes darstellen (Diessel 2006).<br />

Lange Zeit wur<strong>den</strong> <strong>Demonstrativa</strong> distanzkontraste kodierende Merkmale <strong>zu</strong>geschrieben. Im<br />

aktuellen Forschungsstand wer<strong>den</strong> sie jedoch als eigene Klasse linguistischer Ausdrücke<br />

dargestellt, die nicht nur die Distanz eines referierten Objektes beschreiben, sondern als<br />

aufmerksamkeitslenkender Ausdruck einer der grundlegendsten Funktionen der Sprache<br />

dienen. Während der Begriff der Aufmerksamkeit in der Linguistik wenig Beachtung fand,<br />

wird sie in aktuellen Studien als Hauptbestandteil der Kommunikation, des Diskurses und der<br />

Grammatik erachtet, wobei <strong>Demonstrativa</strong> generell verwendet wer<strong>den</strong>, um eben diese<br />

gemeinsame Aufmerksamkeit <strong>zu</strong> erzeugen (Diessel 2006).<br />

3


Vor diesem Hintergrund wird sich diese Arbeit mit <strong>Demonstrativa</strong> in einem ganz speziellen<br />

Rahmen beschäftigen. Der Fokus dieser Arbeit richtet sich auf die Verwendung von<br />

<strong>Demonstrativa</strong> in der türkischen Sprache. Da bereits viele Arbeiten bezüglich der<br />

Verwendung von <strong>Demonstrativa</strong> im Englischen, Deutschen, Japanischen vorliegen (Özyürek<br />

& Kita 2000; Bosch 2006, 2007), es aber kaum Arbeiten bezüglich des <strong>Türkische</strong>n gibt, und<br />

die Autorin ein persönliches Interesse an der türkischen Sprache hat, auch aufgrund der<br />

eigenen türkischen Herkunft, ist es ihr besonders wichtig auf diesem Gebiet die theoretischen<br />

Grundlagen, sowie die aktuellen Arbeiten <strong>zu</strong> diesem Thema auf<strong>zu</strong>arbeiten und aufbauend auf<br />

diesem Wissen eine selbstangelegte, experimentelle Studie <strong>zu</strong> der Verwendung türkischer<br />

<strong>Demonstrativa</strong> durch<strong>zu</strong>führen. Aufbauend darauf wer<strong>den</strong> folgende Fragen versucht <strong>zu</strong><br />

beantworten: Wie ist die Verwendung türkischer <strong>Demonstrativa</strong>? Zeichnet sie sich durch eine<br />

distanzbeschreibende Funktion der <strong>Demonstrativa</strong> aus, oder ist die gemeinsame<br />

Aufmerksamkeit der Schlüssel, um die Verwendung der türkischen <strong>Demonstrativa</strong> <strong>zu</strong><br />

kodieren? Spielen andere semantische oder pragmatische Funktionen eventuell auch eine<br />

Rolle in der Verwendung?<br />

In der vorliegen<strong>den</strong> Arbeit wird im ersten Kapitel der Begriff der Deixis in der Literatur näher<br />

erläutert, um aufbauend die grammatikalische Einordnung sowie Funktionen der<br />

<strong>Demonstrativa</strong> auf<strong>zu</strong>zeigen. Kapitel 3 zeigt <strong>den</strong> Aufbau des türkischen Demonstrativsystems,<br />

um anschließend in Kapitel 4 <strong>den</strong> Stand der Forschung durch drei zentrale Studien <strong>zu</strong> diesem<br />

Thema dar<strong>zu</strong>stellen. Kapitel 5 zeigt die eigene <strong>empirische</strong> <strong>Untersuchung</strong> <strong>zu</strong>r Verwendung<br />

türkischer <strong>Demonstrativa</strong>, das methodische Vorgehen und präsentiert die Auswertungen und<br />

Ergebnisse. In Kapitel 6 wer<strong>den</strong> die Ergebnisse kritisch diskutiert und die während der<br />

Auswertung entstan<strong>den</strong>en Fragen erläutert und versucht <strong>zu</strong> beantworten. In Kapitel 7 wird das<br />

Fazit gezogen und ein Ausblick dargestellt.<br />

4


2 Deixis<br />

„Deixis ist ein Phänomen, das in besonderer Weise in der Äußerungssituation verankert ist.<br />

Die Grundstruktur der Deixis besteht in einer zweistelligen, gerichteten Relation“ 1<br />

Der Begriff der Deixis kommt aus dem Griechischen und bedeutet „zeigen“ oder „hinweisen“.<br />

Die Verwendungen der Deixis betreffen Demonstrativpronomen, Pronomen der ersten und<br />

zweiten Person, Tempus und bestimmte Adverbien für Ort und Zeit wie hier und jetzt. Die<br />

Möglichkeiten der Deixis beschreiben im Wesentlichen, wie Sprachen Merkmale des<br />

Äußerungskontextes oder des Sprechereignisses enkodieren oder grammatikalisieren, und<br />

somit auch die Art und Weise, wie die Interpretation der Äußerungen von der Analyse des<br />

jeweiligen Äußerungskontextes abhängt (Levinson 2000: 59).<br />

Gesprochene Sprache findet an einem bestimmten Ort <strong>zu</strong> einer bestimmten Zeit statt. Sie wird<br />

von einer bestimmten Person produziert und ist in der Regel an eine bestimmte Person oder<br />

Personen gerichtet. Alle natürlichen gesprochenen Sprachen haben Mittel, die Äußerungen<br />

mit ihrem räumlich-zeitlichen und personalen Kontext <strong>zu</strong> verknüpfen. Diese Verknüpfung<br />

nennt man Deixis. Das heißt, Deixis ist eine Art Referenz gebildet durch die Bedeutung eines<br />

sprachlichen Zeichens in einem außersprachlichen Kontext. Die semiotische Natur dieser Art<br />

von Referenz, seine exakten kommunikativen Vorausset<strong>zu</strong>ngen und Funktionen, sein Erwerb<br />

durch Kinder und seine Entwicklung haben Linguisten, Philosophen, Psychologen und<br />

Anthropologen lange <strong>zu</strong>m Erforschen angeregt. „Deixis ist – nach der weitgehen<strong>den</strong> communis opinio<br />

der neueren Linguistik – die Eigenschaft bestimmter sprachlicher Ausdrücke, ihr aktuelles räumliches, zeitliches<br />

oder persönliches Denotat in Relation <strong>zu</strong> bestimmten, dementsprechen<strong>den</strong> Instanzen der jeweiligen<br />

Äußerungssituation <strong>zu</strong> i<strong>den</strong>tifizieren – ein Sachverhalt, <strong>den</strong> beispielsweise CHARLES FILLMORE wie folgt<br />

beschreibt: "Deixis ist the name given to those aspects of language whose interpretation is relative to the<br />

occasion of utterance: to the time of utterance, and to the time before and after the time of utterance; to the<br />

location of the speaker at the time of utterance, and to the i<strong>den</strong>tity of the speaker and the intended audience"<br />

(FILLMORE, 1966, S.220). " 2<br />

Drei verschie<strong>den</strong>e Formen der Deixis können bezüglich der oben erwähnten<br />

Äußerungssituationen (Ort, Zeit, Person) unterschie<strong>den</strong> wer<strong>den</strong>, nämlich die lokale, die<br />

temporale und die personale Deixis. Die deiktischen Ausdrücke auch Deiktika genannt, also<br />

solche Ausdrücke die das Ereignis der Deixis beschreiben, können folglich als lokale,<br />

temporale oder personale Deiktika klassifiziert wer<strong>den</strong>.<br />

1 Sennholz, Klaus: Grundzüge der Deixis. Bochum 1985, S.1<br />

2 Sennholz, Klaus: Grundzüge der Deixis. Bochum 1985, S.XIX<br />

5


Deiktische Ausdrücke dienen als Mittel um in einem Sprecher-Hörer Diskurs, <strong>den</strong> Hörer in<br />

einem bestimmten Verweisraum <strong>zu</strong> orientieren. Die Basis der Verwendung der Deixis<br />

orientiert sich an der von Karl Bühler beschriebenen Hier-Jetzt-Ich-Origo. Der Origo stellt<br />

<strong>den</strong> Nullpunkt dar, <strong>den</strong> Referenzpunkt von dem aus gezeigt wird. „Von der Origo des<br />

anschaulichen Hier aus wer<strong>den</strong> sprachlich alle anderen Positionen gezeigt, von der Origo Jetzt aus alle anderen<br />

Zeitpunkte. Es ist vorerst von nichts als vom Zeigen die Rede; selbstverständlich können Positionen, wie alles<br />

andere in der Welt, auch durch sprachliche Begriffszeichen angegeben wer<strong>den</strong>.“ 3<br />

Nach diesem Überblick über die wesentlichen Merkmale der Deixis, und der Darlegung der<br />

Rolle, die die Deixis zwischen Sprache und Kontext spielt, widmet sich die Arbeit in <strong>den</strong><br />

folgen<strong>den</strong> Kapiteln der Beschreibung der <strong>Demonstrativa</strong>, seinen Funktionen, aktuellen<br />

Ansätzen <strong>zu</strong> dem Thema <strong>Demonstrativa</strong> und im Besonderen, um <strong>den</strong> Gebrauch dieser in der<br />

türkischen Sprache.<br />

2.1 <strong>Demonstrativa</strong><br />

<strong>Demonstrativa</strong> gehören <strong>zu</strong> einer der Dimensionen der Deixis, nämlich der Objektiven Deixis<br />

und sind deiktische Ausdrücke, die bestimmten syntaktischen, pragmatischen und<br />

semantischen Funktionen dienen. Während manche Sprachen nur ein paar wenige<br />

Demonstrativpartikel besitzen, die flexionslos sind und sich mit keinem anderen Morphem<br />

kombinieren lassen, haben andere Sprachen <strong>Demonstrativa</strong>, die in allen Kasus dekliniert<br />

wer<strong>den</strong> und mit abgeleiteten Affixen oder anderen freien Formen kombiniert wer<strong>den</strong> können<br />

(Diessel, 1999: 2).<br />

<strong>Eine</strong> der Funktionen, auf die in dieser Arbeit ein besonderer Fokus gelegt wird, ist die<br />

pragmatische Funktion der <strong>Demonstrativa</strong>. In diesem Fall dienen <strong>Demonstrativa</strong> in erster<br />

Linie da<strong>zu</strong>, die Aufmerksamkeit des Hörers auf Objekte, Orte oder Personen <strong>zu</strong> lenken, um<br />

die es in einer Sprechsituation geht. Sie dienen aber auch anderen pragmatischen Funktionen,<br />

wie <strong>zu</strong>m Beispiel <strong>zu</strong>r exophorischen oder endophorischen Verwendung. Der Begriff<br />

exophorisch bezeichnet <strong>Demonstrativa</strong>, die genutzt wer<strong>den</strong>, um auf Dinge innerhalb der<br />

Sprechsituation <strong>zu</strong> verweisen. Beispielsweise in dem Satz „Take a look at this“, verweist this<br />

auf etwas, dass der Sprecher und der Hörer sehen und verstehen können, welches aber<br />

außerhalb des Kontextes keine Bedeutung hat. Alle anderen Verwendungen sind<br />

3 Bühler, Karl: Sprachtheorie, 3. Auflage, Stuttgart 1999, S. 107<br />

6


endophorisch. Endophorisch bezeichnet Ausdrücke, die auf etwas verweisen was bereits<br />

vorher aufgetaucht ist. Zum Beispiel in dem Satz „I saw a flower. It was red“, verweist it auf<br />

the flower und es ist klar, dass der Referent the flower ist, weil es bereits vorher erwähnt wird<br />

(Diessel, 1999: 93).<br />

Verknüpft damit sind auch die semantischen Funktionen der <strong>Demonstrativa</strong>. Alle Sprachen<br />

haben mindestens zwei <strong>Demonstrativa</strong>, die deiktisch kontrastiv sind: ein Demonstrativum,<br />

welches für Nähe steht und ein Objekt lokalisiert, welches sich dem deiktischen Zentrum nah<br />

befindet und ein Demonstrativum, welches ein entferntes Objekt lokalisiert, das sich in einer<br />

gewissen Distanz <strong>zu</strong>m deiktischen Zentrum befindet. Es gibt aber auch Sprachen, in <strong>den</strong>en<br />

<strong>Demonstrativa</strong> sich distanzneutral verhalten, also weder Nähe noch Entfernung kodieren<br />

(Diessel 1999: 36).<br />

Weiterhin lassen sich <strong>Demonstrativa</strong> weitestgehend in zwei verschie<strong>den</strong>e grammatikalische<br />

Kategorien unterteilen: 1.) Demonstrativpronomen und 2.) <strong>Demonstrativa</strong>rtikel. Diese<br />

Klassifizierung verdeutlicht die syntaktischen Kontexte, in <strong>den</strong>en <strong>Demonstrativa</strong> auftauchen<br />

können. Demonstrativpronomen wer<strong>den</strong> als unabhängige Pronomen in Argumentpositionen<br />

von Verben verwendet, während <strong>Demonstrativa</strong>rtikel mit einem Nomen in einer<br />

Nominalphrase auftauchen (Diessel 1999: 57).<br />

Der Rahmen in dieser Arbeit bezieht sich hauptsächlich auf die Verwendung von<br />

Demonstrativpronomen und <strong>Demonstrativa</strong>rtikel und wird in <strong>den</strong> folgen<strong>den</strong> Abschnitten nur<br />

noch als <strong>Demonstrativa</strong> bezeichnet.<br />

2.2 Joint Attention<br />

Ausgehend von <strong>den</strong> oben beschriebenen funktionalen Aspekten der <strong>Demonstrativa</strong>, entstand<br />

in neueren <strong>Untersuchung</strong>en (Özyürek 1998; Özyürek & Küntay 2002, 2006; Diessel 2006) die<br />

Idee, dass diese nicht ausschließlich nur Distanzkontraste kodieren, sondern vielmehr die<br />

Aufmerksamkeit des Hörers manipulieren. So findet man in der aktuellen Literatur <strong>den</strong><br />

Begriff der Joint attention (gemeinsame Aufmerksamkeit) in Zusammenhang mit der<br />

Verwendung von <strong>Demonstrativa</strong> (Özyürek 1998; Özyürek & Küntay 2002, 2006; Diessel<br />

2006). Joint attention ist ein komplexes Phänomen, bestehend aus drei Teilen: dem Sprecher,<br />

dem Hörer (Adressat) und einem Objekt, auf welches referiert wird. Um kommunizieren <strong>zu</strong><br />

können, müssen Sprecher und Hörer ihre Aufmerksamkeit auf demselben Objekt oder<br />

7


derselben Situation haben. Der Sprecher muss also die Aufmerksamkeit des Hörers durch<br />

Blicke, Zeigegesten oder durch sprachliche Mittel auf das referierte Objekt lenken.<br />

Sprache kann also <strong>zu</strong>sätzlich <strong>zu</strong> Gesten und Blicken verwendet wer<strong>den</strong>, um einen<br />

gemeinsamen Fokus der Aufmerksamkeit <strong>zu</strong> schaffen. Es gibt keine anderen sprachlichen<br />

Mittel, die so eng mit dieser Funktion verknüpft sind wie <strong>Demonstrativa</strong> (Diessel 2006).<br />

3 Das türkische Demonstrativsystem<br />

Wie bereits unter Punkt 2.1 erwähnt, lassen sich <strong>Demonstrativa</strong> weitestgehend in zwei<br />

verschie<strong>den</strong>e grammatikalische Kategorien einteilen: 1.) Demonstrativpronomen<br />

(pronominale <strong>Demonstrativa</strong>) und 2.) <strong>Demonstrativa</strong>rtikel (adnominale <strong>Demonstrativa</strong>).<br />

Während Demonstrativpronomen als vollständige Nominalphrase verwendet wer<strong>den</strong>, tauchen<br />

<strong>Demonstrativa</strong>rtikel <strong>zu</strong>sammen mit einem Nominal auf. So haben <strong>zu</strong>m Beispiel im Englischen<br />

die pronominalen sowie adnominalen <strong>Demonstrativa</strong> dieselbe Form: this und that können<br />

entweder als unabhängige Pronomen auftauchen oder <strong>zu</strong>sammen mit einem Nominal. Die<br />

folgen<strong>den</strong> Beispiele verdeutlichen die bei<strong>den</strong> Verwendungen (Diessel 2005):<br />

1.I don’t understand that. (Demonstrativpronomen)<br />

2. This house. (<strong>Demonstrativa</strong>rtikel)<br />

In der türkischen Sprache sind drei Formen von <strong>Demonstrativa</strong> <strong>zu</strong> unterschei<strong>den</strong>:<br />

Bu (dieser), şu (jener) 4 und o (jener). Die Pluralformen sind bun -lar, şun -lar, on -lar.<br />

Nach Kornfilt ist der Parameter, der in der Verwendung der türkischen <strong>Demonstrativa</strong><br />

involviert ist, die relative Distanz eines referierten Objektes vom Sprecher in einer<br />

Diskurssituation. Folgende Distanzparameter wer<strong>den</strong> beschrieben (Kornfilt 1997, 311):<br />

bu(n) (dieses) - nah <strong>zu</strong> Sprecher<br />

şu(n) (jenes) - etwas weiter weg von Sprecher (mediale Entfernung)<br />

o(n) (jenes) - weit weg von Sprecher<br />

4 In <strong>den</strong> Fällen şu und o ist „jener“ lediglich eine approximative Überset<strong>zu</strong>ng<br />

8


Im <strong>Türkische</strong>n haben die pronominalen und adnominalen <strong>Demonstrativa</strong> <strong>den</strong>selben Stamm.<br />

Beide beinhalten das Nähe beschreibende <strong>Demonstrativa</strong> bu, und das Entfernung<br />

beschreibende <strong>Demonstrativa</strong> o, unterschei<strong>den</strong> sich jedoch in ihrer Deklination. Während<br />

Demonstrativpronomen in allen Kasus dekliniert wer<strong>den</strong> (3), sind <strong>Demonstrativa</strong>rtikel<br />

flexionslos und gehen einem flektierten Nomen voran (4).<br />

Kornfilt (1997: 312, 315):<br />

3. Ali bun -u unut –amı –yor.<br />

Ali dies -Akk vergessen nicht -Prog<br />

„Ali kann dies nicht vergessen.“<br />

4. bu gazete –yi<br />

diese Zeitung –Akk<br />

„diese Zeitung“<br />

Demonstrativpronomen wer<strong>den</strong> für alle Kasus dekliniert (Kornfilt 1997):<br />

Singular bu şu o<br />

Nominativ bu şu o<br />

Genitiv bun -un şun -un on -un<br />

Akkusativ bun -u şun -u on -u<br />

Dativ bun -a şun -a on -a<br />

Lokativ bun -da şun -da on -da<br />

Ablativ bun -dan şun -dan on -dan<br />

Plural bu şu o<br />

Nominativ bun -lar şun -lar on -lar<br />

Genitiv bun -lar -in şun -lar -in on -lar -in<br />

Akkusativ bun -lar -i şun -lar -i on -lar -i<br />

Dativ bun -lar -a şun -lar -a on -lar -a<br />

Lokativ bun -lar -da şun -lar -da on -lar -da<br />

9


Ablativ bun -lar -dan şun -lar -dan on -lar -dan<br />

Demonstrativpronomen können sich bei nominaler Verwendung auf Personen, Sachen und<br />

allgemeine Vorstellungsinhalte beziehen (5) oder wenn sie Subjekt sind, <strong>den</strong> Platz mit <strong>den</strong><br />

Prädikatsnomen tauschen. In diesem Fall wird das Prädikatsnomen Subjekt. Dies kommt<br />

besonders dann vor, wenn das Demonstrativpronomen vor einen Satzteil treten müsste, <strong>zu</strong><br />

dem es als Attribut aufgefasst wer<strong>den</strong> könnte (6), (Moser-Weithmann 2001: 50):<br />

5. Bütün bun -lar<br />

All dies -Nom Pl<br />

„All dies“, wobei sich dieser Ausdruck auf alles Gesagte, Geschehene oder Gedachte<br />

beziehen kann.<br />

6. Üsküdar bu mu?<br />

Üsküdar dieses Nom Sg<br />

„Ist das Üsküdar?“ (bu Üsküdar würde „dieses Üsküdar bedeuten)<br />

Weitere Beispiele für die Verwendung von <strong>Demonstrativa</strong>rtikeln:<br />

7. Bu kitab-ı anneme ver<br />

Dieses Buch-Akk Mutter gib<br />

„Gib dieses Buch meiner Mutter“<br />

8. Şu kadın-ı tanıyor musun?<br />

Jene Frau-Akk kennt?<br />

„Kennst du jene Frau?“<br />

In einer weiteren Definition von Kornfilt findet man auch folgende Beschreibung <strong>zu</strong> dem<br />

türkischen Demonstrativsystem: Demnach können <strong>Demonstrativa</strong> auch anaphorisch<br />

verwendet wer<strong>den</strong>, das heißt nicht nur, um auf Objekte <strong>zu</strong> referieren, die sich in einer<br />

bestimmten Distanz <strong>zu</strong>m Sprecher und Hörer befin<strong>den</strong>, sondern auch, um auf solche Objekte<br />

<strong>zu</strong> referieren, die in der Sprechsituation an dem Ort nicht präsent sind, indem sie <strong>zu</strong>m Beispiel<br />

10


nicht sichtbar sind oder der Hörer diese nicht kennt. Generell wer<strong>den</strong> dafür bu und o<br />

verwendet. In dem Sinne von „folgendes“ oder „der folgende“ wird generell şu benutzt.<br />

(Kornfilt 1997: 312):<br />

9. Hasan Ali –nin araba –sın -ı yak -mış.<br />

Hasan Ali –Gen Auto -3.Sg -Akk verbrennen –Per<br />

Ali bun -u unut –amı –yor.<br />

Ali dies -Akk vergessen nicht -Prog<br />

„Hasan soll Alis Auto verbrannt haben. Ali kann dies nicht vergessen.“<br />

10. Iş –e şun –lar -ı getir: radyo –n –u,<br />

Arbeit –Dat jenes –Pl –Akk bring: Radio -2.Sg –Akk<br />

bilgisayar -ın –ı ve araba –n –ı.<br />

Computer -2.Sg –Akk und Auto -2.Sg –Akk<br />

„Bring Folgendes mit <strong>zu</strong>r Arbeit: dein Radio, deinen Computer und dein Auto.<br />

Abgesehen von der Theorie von Kornfilt, die das türkische Demonstrativsystem (bu, şu, o)<br />

lediglich auf <strong>den</strong> Sprecher bezieht und behauptet, dass bu die Nähe <strong>zu</strong>m Sprecher angibt, şu<br />

die durchschnittliche mediale Nähe <strong>zu</strong>m Sprecher, und o Objekte beschreibt, die weiter<br />

entfernt vom Sprecher sind, gibt es in der Literatur noch weitere Theorien bezüglich der<br />

Charakterisierung des türkischen Demonstrativsystems. Auch in diesen Theorien wird<br />

generell <strong>den</strong> verschie<strong>den</strong>en Formen von <strong>Demonstrativa</strong> eine Sprecher-Hörer orientierte<br />

Distanz <strong>zu</strong>geschrieben. Da<strong>zu</strong> findet man <strong>zu</strong>m Beispiel bei Lyons (1977: 669) folgende<br />

Definition: bu verweist auf ein Objekt, welches sich in der Nähe des Sprechers befindet, şu<br />

gibt die Nähe <strong>zu</strong>m Hörer an und o bezieht sich auf Objekte, die auf größere Entfernung von<br />

Sprecher und Hörer hindeuten.<br />

11


4 Stand der Forschung<br />

4.1 Studie von Asli Özyürek 1998<br />

All die oben beschriebenen Theorien bauen lediglich auf schriftlichen Analysen auf, das heißt<br />

nur geschriebene Texte wur<strong>den</strong> mit einbezogen und es fan<strong>den</strong> keine <strong>Untersuchung</strong>en in<br />

alltäglichen Situationen statt. Aufgrund dessen wird in aktuelleren Studien von dieser nur<br />

räumlichen Nähe-Distanz-Charakterisierung Abstand genommen. Stattdessen wur<strong>den</strong><br />

Analysen bezüglich des türkischen Demonstrativsystems mit Videoaufnahmen von<br />

alltäglichen Konversationen durchgeführt (Özyürek 1998).<br />

In der Studie von Özyürek „An analysis of the basic meaning of turkish demonstratives in<br />

face-to-face conversational interacation“ (1998) wird eine Analyse des türkischen<br />

Demonstrativsystems, von bu, şu und o in einem natürlichen Diskurs durchgeführt. Özyürek<br />

geht davon aus, dass in dem Falle der rein räumlichen Unterscheidung des<br />

Demonstrativsystems (bu-nah, şu-mittlere Entfernung, o entfernt), die <strong>Demonstrativa</strong> keine<br />

andere Verwendung aufzeigen dürften. Das heißt, dass <strong>zu</strong>m Beispiel şu nicht von Sprechern<br />

verwendet wer<strong>den</strong> dürfte, um Entfernungen an<strong>zu</strong>geben, die auch mit bu oder o angegeben<br />

wer<strong>den</strong> können.<br />

Um diese Behauptung <strong>zu</strong> überprüfen, führt Özyürek verschie<strong>den</strong>e Experimente durch.<br />

Grundlage Ihrer <strong>Untersuchung</strong>en sind alltägliche, natürliche Konversationen von Angesicht<br />

<strong>zu</strong> Angesicht in verschie<strong>den</strong>en Situationen. Die Daten stammen von einer Videoaufnahme<br />

von zwei verschie<strong>den</strong>en Klassen, in <strong>den</strong>en sich Studierende und Lehrer über bestimmte<br />

Kunstobjekte unterhalten. In einem Datensatz findet man folgendes Beispiel:<br />

1.0 Stu<strong>den</strong>t: Hangisi 20 puan daha fazla aldı?<br />

Welches 20 Punkte mehr bekommen?<br />

Welches hat 20 Punkte mehr bekommen?<br />

1.1 Lehrer: Şu<br />

Dieses/Jenes<br />

1.2 Stu<strong>den</strong>t 2: zeigt leise auf ein anderes Objekt<br />

1.3 Lehrer: O mu aldı?<br />

Jenes bekommen?<br />

Jenes hat es bekommen?<br />

1.4 Ha ben bu dedim ama<br />

12


Oh ich dieses gesagt aber<br />

Oh ich habe aber dieses gesagt<br />

In diesem Beispiel fragt ein Studierender <strong>den</strong> Lehrer, welches der Bilder 20 Punkte mehr<br />

bekommen hat (1.0). In der unmittelbaren Umgebung des Lehrers befin<strong>den</strong> sich zwei Bilder,<br />

eines näher und das andere in weiterer Entfernung. Der Lehrer zeigt auf das Bild in seiner<br />

Nähe und benutzt das Demonstrativpronomen şu, während <strong>zu</strong>r selben Zeit ein anderer<br />

Studierender leise auf das andere Bild zeigt. Im nächsten Satz (1.3) fragt der Lehrer mit dem<br />

Demonstrativpronomen o, ob das andere Bild mehr Punkte bekommen habe und zeigt auf das<br />

Bild, welches weiter entfernt ist. Dann dreht er sich wieder <strong>zu</strong>m ersten Bild, auf welches er als<br />

erstes verwiesen hatte, dieses Mal nutzt er das Pronomen bu. In diesem Beispiel wird deutlich,<br />

dass derselbe Sprecher auf dasselbe Objekt erst mit şu und dann mit bu verwiesen hat, obwohl<br />

sich die räumliche Entfernung <strong>zu</strong> dem Objekt nicht verändert hat.<br />

In einem weiteren Beispiel zeigt Özyürek die Nut<strong>zu</strong>ng von şu und o:<br />

2.1 Stu<strong>den</strong>t: Mesela hocam şu oval mesela<br />

Zum beispiel Herr X dieses/jenes Ovale <strong>zu</strong>m Beispiel<br />

Herr X <strong>zu</strong>m Beispiel dieses/jenes Ovale <strong>zu</strong>m Beispiel<br />

2.2 Ondan da olabilir<br />

jenesABL auch sein<br />

Es könnte auch von jenem sein<br />

In dieser Situation unterhalten sich Studierende und Lehrer über Keramikgegenstände, die auf<br />

einem Tisch liegen, aber auch über andere Gegenstände, die sich im Raum befin<strong>den</strong>. In Satz<br />

2.1 verweist der Studierende auf ein Objekt, welches weit weg von ihm am anderen Ende des<br />

Raumes steht. Während er mit dem Finger auf das Objekt zeigt, benutzt er das<br />

Demonstrativpronomen şu. Dieses Objekt ist jedoch dasjenige, welches am weitesten entfernt<br />

ist. Theoretisch müsste der Studierende in diesem Fall also das Pronomen o verwen<strong>den</strong>, um<br />

auf das Objekt hin<strong>zu</strong>deuten. Er bevor<strong>zu</strong>gt aber şu. Direkt im Anschluss benutzt der<br />

Studierende aber das Pronomen o, um auf dasselbe Objekt hin<strong>zu</strong>weisen.<br />

Özyürek zeigt durch diese Studie, dass gerade şu in natürlichen Konversationen keineswegs<br />

Nähe oder Distanz angibt und somit auch mit keiner distanzbezogenen Charakteristik<br />

13


eschrieben wer<strong>den</strong> kann. Vielmehr fällt auf, dass şu immer dann verwendet wird, wenn eine<br />

gewisse Abwesenheit des Hörers besteht, also die visuelle Aufmerksamkeit des Hörers nicht<br />

auf dem durch <strong>den</strong> Sprecher verwiesenem Objekt liegt. Es besteht keine gemeinsame<br />

Aufmerksamkeit (joint attention). Sobald der Sprecher die Aufmerksamkeit des Hörers durch<br />

die Verwendung von şu erlangt hat, referiert er auf das vorherige Objekt, abhängig von der<br />

Distanz in diesem Fall, mit bu oder o.<br />

Somit zeigt Özyürek, dass bu und o dann genutzt wer<strong>den</strong>, wenn die Aufmerksamkeit des<br />

Hörers bereits auf dem verwiesenen Objekt liegt und auch die Distanzparameter, die die<br />

Verwendung von bu und o beschreiben, <strong>zu</strong>treffen. Für die Verwendung von şu wird davon<br />

ausgegangen, dass es keine räumliche Bedeutung, sondern vielmehr eine soziale und<br />

interaktive Bedeutung hat.<br />

Aufbauend auf diesen Ergebnissen und weiteren Studien, veröffentlichte Özyürek gemeinsam<br />

mit Kita im Jahr 2000 folgendes Verwendungsschema für das türkische Demonstrativsystem:<br />

- gemeinsame Aufmerksamkeit + gemeinsame Aufmerksamkeit<br />

Şu<br />

Nahes Objekt Entferntes Objekt<br />

Bu O<br />

Figur 1: Analysis of the Turkish demonstrative pronoun system (Ozyurek, A., & Kita, S. (2000). Attention<br />

manipulation in the situational use of Japanese and Turkish demonstratives. Paper presentation at the 2000<br />

Annual Meeting of the Linguistic Society of America, Chicago, IL, USA.)<br />

In weiteren <strong>Untersuchung</strong>en (2002, 2006) stellt Özyürek fest, dass in vielen Situationen, in<br />

<strong>den</strong>en der Sprecher o oder bu nutzen sollte, um auf eine gewisse Nähe oder Distanz<br />

hin<strong>zu</strong>weisen, şu verwendet. Dieses deutet darauf hin, dass şu in seiner Hauptbedeutung nicht<br />

Nähe oder Distanz vom Sprecher kodiert, sondern vielmehr, dass das Demonstrativpronomen<br />

şu als Basis soziale und interaktive Unterschiede kodiert. Im Gegensatz <strong>zu</strong> bu und o zeigt der<br />

Gebrauch von şu vor allem, dass es pragmatische und interaktive Verwendungen beinhaltet.<br />

Im Ganzen fasst Özyürek das türkische Demonstrativsystem folgendermaßen <strong>zu</strong>sammen.<br />

Türkisch kodiert zwei Arten von Kontrasten in seinem Demonstrativsystem:<br />

1.) die visuelle Aufmerksamkeit des Adressaten in Be<strong>zu</strong>g auf <strong>den</strong> Referenten (Anwesenheit<br />

oder Abwesenheit) und<br />

14


2.) die Distanz des Referenten in Be<strong>zu</strong>g auf <strong>den</strong> Sprecher (nah versus fern). Tabelle 1 liefert<br />

einen Überblick über das türkische Demonstrativsystem:<br />

Distanz des Referenten<br />

Aufmerksamkeit des Adressaten Nah <strong>zu</strong>m Fern vom<br />

auf dem Referent Sprecher Sprecher<br />

Anwesend/Neutral bu o<br />

Abwesend şu şu<br />

Tabelle 1: Analysis of the Turkish demonstrative pronouns system (Özyürek, A. 1998, Özyürek, A., & Kita, S.<br />

(2000). Attention manipulation in the situational use of Japanese and Turkish demonstratives. Paper presentation<br />

at the 2000 Annual Meeting of the Linguistic Society of America, Chicago, IL, USA.)<br />

4.2 Studie von Aylin Küntay und Asli Özyürek 2006<br />

In der bisherigen Literatur (Underhill 1976; Lyons 1977; Kornfilt 1997) wurde <strong>den</strong><br />

<strong>Demonstrativa</strong> in vielen Sprachen ein relativer Distanzkontrast bezüglich des Objekts <strong>zu</strong>m<br />

Sprecher oder Hörer <strong>zu</strong>geschrieben, <strong>zu</strong>m Beispiel im Englischen this für nah und that für<br />

entfernt oder im <strong>Türkische</strong>n bu für nah, şu für mittlere Entfernungen und o für weitere<br />

Entfernungen. Neueste Studien (Özyürek 1998; Özyürek & Küntay, 2002, 2006; Özyürek &<br />

Kiat 2000; Diessel, 2006) <strong>zu</strong> Demonstrativsystemen haben gezeigt, dass in vielen Sprachen<br />

<strong>Demonstrativa</strong> auch <strong>zu</strong>sätzliche Kontraste kodieren, wie <strong>zu</strong>m Beispiel die Sichtbarkeit des<br />

Objekts oder die Aufmerksamkeit des Hörers in Be<strong>zu</strong>g auf das verwiesene Objekt. Die<br />

visuelle Aufmerksamkeit des Hörers oder das Wissen des Hörers über ein verwiesenes Objekt<br />

beeinflussen die Wahl des Sprechers ein bestimmtes Demonstrativum <strong>zu</strong> bevor<strong>zu</strong>gen,<br />

unabhängig von <strong>den</strong> Distanzparametern. Zum Beispiel im <strong>Türkische</strong>n die Bevor<strong>zu</strong>gung von<br />

şu (Özyürek 1998; Özyürek & Kita 2002; Özyürek & Küntay, 2002, 2006) im Falle der<br />

visuellen Abwesenheit des Hörers.<br />

In einer aktuelleren Studie aus dem Jahr 2006 von Küntay und Özyürek wird analysiert wie<br />

Erwachsene und Kinder verschie<strong>den</strong>e <strong>Demonstrativa</strong> in Konversationen nutzen. Es wird<br />

erwartet, dass die Analysen im direkten Vergleich zwischen Kindern und Erwachsenen<br />

aussagekräftige Daten bieten könnten, um <strong>zu</strong> bestimmen, ob Distanzfaktoren oder der Faktor,<br />

um gemeinsame Aufmerksamkeit <strong>zu</strong> erlangen, <strong>den</strong> Kern des Demonstrativsystems bil<strong>den</strong>.<br />

15


Es wird davon ausgegangen, dass Erwachsene bu und o verschie<strong>den</strong> nutzen, um die Distanz<br />

des Referenten (das referierte Objekt) <strong>zu</strong>m Sprecher dar<strong>zu</strong>stellen. Bu wird demnach am<br />

häufigsten verwendet, um auf Objekte hin<strong>zu</strong>weisen, die sich in der Nähe des Sprechers<br />

befin<strong>den</strong>, während o die weiter entfernten Objekte in Relation <strong>zu</strong>m Sprecher darstellt. Die<br />

Autoren erwarten nicht, dass şu in Be<strong>zu</strong>g auf Distanzkontraste verwendet wird, sondern in<br />

Be<strong>zu</strong>g auf die visuelle Aufmerksamkeit des Adressaten. Zudem soll şu besonders dann<br />

genutzt wer<strong>den</strong>, wenn die Aufmerksamkeit des Adressaten nicht auf dem Referenten liegt.<br />

Bei Kindern hingegen wird erwartet, dass sie die distanzkontraste kodieren<strong>den</strong> <strong>Demonstrativa</strong><br />

bu und o früher erwerben als das Demonstrativum şu. Şu wird womöglich seltener verwendet<br />

und wenn es benutzt wird, wird es nicht in Verbindung gebracht mit der visuellen<br />

Aufmerksamkeit des Adressaten. Um diese Fragen und Behauptungen <strong>zu</strong> erforschen wur<strong>den</strong><br />

in der Studie aufgabenbezogene Konversationen von zwei Gruppen von Kindern (vier Jahre<br />

und sechs Jahre) und Erwachsenen während der Konstruktion eines Legomodells analysiert.<br />

Diese Daten wur<strong>den</strong> auf Video aufgenommen und auf verbale und nicht verbale Parameter,<br />

die relevant für die Nut<strong>zu</strong>ng von <strong>Demonstrativa</strong> sind, untersucht. Zum Beispiel die Distanz<br />

des Referenten in Relation <strong>zu</strong>m Sprecher, und der Blick des Adressaten auf <strong>den</strong> Referenten<br />

als Index für die visuelle Aufmerksamkeit. Diese Distanz und Blickmuster liefern Maßstäbe<br />

die erkennen lassen, ob Kinder <strong>Demonstrativa</strong> für ähnliche Kontraste nutzen wie es bei<br />

Erwachsenen gesehen wird.<br />

In dem Experiment wurde <strong>den</strong> Teilnehmern ein Bild von einem Legomodell mit<br />

verschie<strong>den</strong>en Farben und Formen gegeben. Die Aufgabe der Teilnehmer war es dieses<br />

Modell mit <strong>den</strong> vorhan<strong>den</strong>en Legoteilen <strong>zu</strong> rekonstruieren. Der Aufbau dieses Experiments<br />

besteht in einer gemeinsamen Aktivität die <strong>zu</strong>r engen Zusammenarbeit führt und somit eine<br />

natürliche Basis bildet, um die Verwendung von <strong>Demonstrativa</strong> analysieren <strong>zu</strong> können.<br />

Die Datensätze wur<strong>den</strong> nach drei Charakteristiken kodiert:<br />

1.) Welches Demonstrativum verwendet wurde (bu, şu, o),<br />

2.) ob das mit dem Demonstrativum bezeichnete Objekt sich in der Nähe oder Ferne des<br />

Sprechers befindet. Das Letztere beinhaltet <strong>den</strong> Abstand <strong>zu</strong>m Adressaten, <strong>den</strong> Abstand<br />

zwischen Sprecher und Adressat und die Entfernung <strong>zu</strong> bei<strong>den</strong>.<br />

3.) ob der Blick des Adressaten bereits vor der Verwendung des Demonstrativums auf dem<br />

verwiesenen Objekt war oder nicht.<br />

Die Analysen bauen auf zwei Aspekten der Verwendung von <strong>Demonstrativa</strong> auf:<br />

1.) das Verteilungsmuster in jeder Altersgruppe und 2.) wie sie in Relation <strong>zu</strong> verschie<strong>den</strong>en<br />

räumlichen Merkmalen innerhalb des Dialogs verwendet wer<strong>den</strong>, <strong>zu</strong>m Beispiel die Distanz<br />

16


des Referenten und die Blickmuster des Adressaten. Um eine Vergleichsbasis <strong>zu</strong> <strong>den</strong><br />

Datensätzen der Kinder <strong>zu</strong> haben, wurde <strong>zu</strong>erst die Verwendung von <strong>Demonstrativa</strong> bei <strong>den</strong><br />

Erwachsenen präsentiert. Nach <strong>den</strong> drei Charakteristiken fand man in <strong>den</strong> Auswertungen<br />

folgende Ergebnisse:<br />

Die Verteilung von bu (37%) und şu (41%) war recht ähnlich und hoch, während die<br />

Verwendung von o (22%) geringer war. Außerdem wurde bu wie erwartet dann genutzt, wenn<br />

der Referent sich in der Nähe befand, anstatt weiter entfernt. Şu wurde verwendet, wenn die<br />

Aufmerksamkeit des Adressaten nicht auf dem Referenten lag, wobei o eine gleichmäßige<br />

Verteilung für beide Effekte (Distanz <strong>zu</strong>m Referenten und visuelle Aufmerksamkeit des<br />

Adressaten) aufweist. O wurde öfter genutzt, wenn der Referent weiter entfernt vom Sprecher<br />

war als nah. Zweitens wurde o auch des Öfteren gebraucht, wenn die Aufmerksamkeit des<br />

Adressaten auf dem Referenten lag. Die untere Figur verdeutlicht die Befunde. 5<br />

Die Befunde bestätigten die Annahmen, dass bu meistens bevor<strong>zu</strong>gt wird, wenn die<br />

Referenten sich in der Nähe des Sprechers befin<strong>den</strong> und o für solche, die in der Ferne sind.<br />

Auf der anderen Seite, wurde herausgefun<strong>den</strong>, dass şu keine Distanzkontraste kodiert, dafür<br />

aber die Verwendung in Relation <strong>zu</strong>r Abwesenheit der visuellen Aufmerksamkeit des<br />

Adressaten steht. Letztlich ergab sich auch, dass o ebenfalls die Aufmerksamkeit des<br />

5 Küntay, Aylin/Özyürek, Asli: Learning to use demonstratives in conversation: what do language specific<br />

strategies in Turkish reveal? In: Journal of Child Language 33, 2006, S. 303‐320<br />

17


Adressaten kodiert. Im Gegensatz <strong>zu</strong> şu jedoch dann verwendet wird, wenn die visuelle<br />

Aufmerksamkeit auf dem Referenten liegt.<br />

Die Auswertung der Daten der Kinder lieferte folgende Ergebnisse: Im Gegensatz <strong>zu</strong> <strong>den</strong><br />

Erwachsenen lag die Gesamtverteilung der Verwendung von <strong>Demonstrativa</strong> niedriger, das<br />

heißt 19 -20% aller Äußerungen der Kinder beinhalteten mindestens ein Demonstrativum,<br />

wobei der Prozentsatz bei Erwachsenen bei 38% lag. Die Verteilung der drei <strong>Demonstrativa</strong><br />

wurde zwischen <strong>den</strong> zwei Gruppen von Kindern und Erwachsenen verglichen und wird in<br />

Figur 2 veranschaulicht. 6<br />

Zwischen <strong>den</strong> bei<strong>den</strong> Altersgruppen von Kindern wur<strong>den</strong> keine Unterschiede festgestellt,<br />

wobei die Verteilungen von <strong>Demonstrativa</strong> verglichen mit <strong>den</strong> Erwachsenen Unterschiede<br />

aufzeigten. Im Vergleich <strong>zu</strong> <strong>den</strong> Datensätzen der Erwachsenen zeigten die Kinder eine recht<br />

ähnliche niedrige Verteilung von şu (20%) und o (18%), während der Prozentsatz von bu mit<br />

62% am höchsten lag. Die Auswertung der Daten in Be<strong>zu</strong>g auf die Distanz des Referenten<br />

und der visuellen Aufmerksamkeit des Adressaten zeigten, dass Kinder das Demonstrativum<br />

şu anders verwen<strong>den</strong> als Erwachsene. Die Gruppe der sechsjährigen Kinder zog in ihrer<br />

Verwendung von şu Distanzkontraste und die visuelle Aufmerksamkeit des Adressaten in<br />

Betracht. Häufig wird şu dann bevor<strong>zu</strong>gt, wenn der Referent sich in der Nähe befindet und die<br />

Aufmerksamkeit des Adressaten nicht vorhan<strong>den</strong> ist. Andererseits wurde dieser Effekt bei der<br />

Gruppe der Vierjährigen nicht gefun<strong>den</strong>, sie scheinen bei der Verwendung von şu nur <strong>den</strong><br />

Distanzkontrast in Betracht <strong>zu</strong> ziehen. In bei<strong>den</strong> Gruppen war <strong>zu</strong> sehen, dass o öfter genutzt<br />

wurde, wenn der Referent in der Ferne war. Die Miteinbeziehung der visuellen<br />

6 Siehe oben<br />

18


Aufmerksamkeit bei der Verwendung von o, die in <strong>den</strong> Datensätzen der Erwachsenen<br />

gefun<strong>den</strong> wurde, wurde in bei<strong>den</strong> Gruppen der Kinder nicht festgestellt. Die drei<br />

untenstehen<strong>den</strong> Figuren verdeutlichen die Ergebnisse. 7<br />

7 Siehe oben<br />

19


Die Ergebnisse zeigen, dass Vorschulkinder im Alter von vier und sechs Jahren in ihrer<br />

Produktion von bu und o erwachsenenähnliche Kompetenzen aufweisen, sowohl durch die<br />

Häufigkeit der Verwendung von <strong>Demonstrativa</strong>, als auch in der Verwendung dieser, um<br />

Distanzkontraste dar<strong>zu</strong>stellen. Allerdings wird şu von Kindern viel seltener verwendet als von<br />

Erwachsenen. Wenn sie es aber benutzen, können sie noch nicht die<br />

Aufmerksamkeitskontraste, wie auf Erwachsenenebene darstellen und verwen<strong>den</strong> es <strong>zu</strong>nächst,<br />

um auf Objekte in Ferne hin<strong>zu</strong>weisen. Kinder scheinen bu <strong>zu</strong> verwen<strong>den</strong>, wenn sie nach dem<br />

Muster in Erwachsenengesprächen eigentlich şu verwen<strong>den</strong> sollten. Die Bevor<strong>zu</strong>gung von bu<br />

über şu lässt darauf schließen, dass Kinder noch nicht vollkommen herausgefun<strong>den</strong> haben in<br />

welchen Kontexten şu benutzt wer<strong>den</strong> sollte.<br />

Während die Befunde der Datensätze von der Gruppe der Erwachsenen die bisherigen<br />

Analysen (Özyürek 1998) hinsichtlich des türkischen Demonstrativsystems bestätigen, zeigen<br />

die Datensätze der Kindergruppen, dass das Verständnis und das Einbeziehen der visuellen<br />

Aufmerksamkeit bei Kindern im Alter von vier Jahren nicht existiert und bei Sechsjährigen<br />

lediglich partiell vorhan<strong>den</strong> ist. Somit scheinen vier und sechsjährige Kinder şu dann <strong>zu</strong><br />

verwen<strong>den</strong>, wenn sie einen distanzbasierten Kontrast darstellen wollen, das heißt wenn sie auf<br />

ein Objekt verweisen wollen, welches sich in Ferne von ihnen befindet, statt in der Nähe. Sie<br />

beziehen in der Verwendung von şu keine aufmerksamkeitsbasierten Kontraste mit ein.<br />

Ferner deutet auch das Nichtverwen<strong>den</strong> der <strong>zu</strong>sätzlichen Aufmerksamkeitsfunktion von o<br />

darauf hin, dass sich das Kodieren von Aufmerksamkeitskontrasten erst spät entwickelt. Die<br />

Tabelle resümiert das Verständnis wie Kinder und Erwachsene das türkische<br />

Demonstrativsystem verwen<strong>den</strong>.<br />

Tabelle 2: Encoding of spatial parameters in children’s versus adults‘ use of the Turkish demonstratives 8<br />

Vierjährige Sechsjährige Erwachsene<br />

DP Distanz Visuelle Distanz Visuelle Distanz Visuelle<br />

Aufmerksamk Aufmerksamk Aufmerksam<br />

BU Nah Neutral Nah Neutral Nah Neutral<br />

ŞU Nah Neutral Nah Abwesend Neutral Abwesend<br />

O Fern Neutral Fern Neutral Fern Anwesend<br />

8 Siehe oben<br />

20


4. 3 Studie von David Peeters und Asli Özyürek 2011<br />

<strong>Eine</strong> weitere Studie <strong>zu</strong> diesem Thema stammt aus dem Jahr 2011. Basierend auf <strong>den</strong><br />

vorherigen Arbeiten von Özyürek (1998, 2002, 2006) wer<strong>den</strong> die Hypothesen bezüglich des<br />

türkischen Demonstrativsystems, insbesondere der Nähe-Distanz-Kontrast und die<br />

Aufmerksamkeit des Adressaten auf experimenteller Ebene untersucht. Das Poster<br />

„Demonstrating the importance of joint attention in the choice of demonstratives: the case of<br />

Turkish“ von David Peeters und Asli Özyürek, präsentiert die Durchführung der Studie und<br />

die Ergebnisse.<br />

An der <strong>Untersuchung</strong> nahmen 29 türkischsprachige Proban<strong>den</strong> im Alter zwischen 18 und 30<br />

Jahren teil. Die <strong>Untersuchung</strong> bestand aus einer Reihe von Fotos, insgesamt 48, die <strong>den</strong><br />

Proban<strong>den</strong> einzeln nacheinander gezeigt wur<strong>den</strong>. Auf <strong>den</strong> Fotos waren jeweils immer zwei<br />

Personen <strong>zu</strong> sehen, ein Sprecher und ein Hörer (Adressat) und ein Objekt. Weiterhin sah der<br />

Proband auf jedem Foto eine Sprechblase, ausgehend von dem Sprecher. In diesen<br />

Sprechblasen stan<strong>den</strong> jeweils unvollständige Sätze, in <strong>den</strong>en ein Demonstrativum fehlte. Die<br />

Parameter, die auf <strong>den</strong> Bildern manipuliert wur<strong>den</strong>, waren die Distanz des Objektes, welches<br />

sich entweder in der Nähe oder in der Ferne von Sprecher und Hörer befand, die<br />

Aufmerksamkeit des Hörers, der entweder seinen Blick auf das Objekt gerichtet hatte oder<br />

wegschaute (joint/no joint attention), der Satzmodus (die Sätze waren unterteilt in Deklarativ,<br />

Fragen und Imperativ) und eine Zeigegeste ausgehend von dem Sprecher, der auf das Objekt<br />

zeigte.<br />

Die Fotos wur<strong>den</strong> einzeln nacheinander gezeigt, und die Proban<strong>den</strong> aufgefordert, <strong>den</strong> Satz mit<br />

einem Demonstrativum <strong>zu</strong> vervollständigen, indem sie sich vorstellen sollten, sie seien der<br />

Sprecher. 9<br />

9<br />

Peeters, David/Özyürek, Asli: Demonstrating the importance of joint attention in the choice of<br />

demonstratives: the case of Turkish.<br />

21


In ihren Auswertungen erhielten Peeters und Özyürek signifikante Ergebnisse für joint<br />

attention, Distanz und Satzmodus, die die Auswahl des Demonstrativums <strong>zu</strong> bestimmen<br />

scheinen. Bu wurde häufig verwendet, wenn sich das Objekt in der Nähe von Sprecher und<br />

Hörer befand, während die Verwendung von o und şu <strong>zu</strong>nahm sobald sich das Objekt weiter<br />

weg von bei<strong>den</strong> befand. Außerdem konnte abgesehen von dem Parameter Distanz ein<br />

signifikanter Anstieg in der Verwendung von şu beobachtet wer<strong>den</strong>, wenn die<br />

Aufmerksamkeit des Hörers nicht auf dem Objekt lag, also joint attention nicht vorhan<strong>den</strong><br />

war. Weiterhin wurde beobachtet, dass auch der Satzmodus Imperativ <strong>zu</strong> einer steigen<strong>den</strong>,<br />

signifikanten Verwendung von şu geführt habe. 10<br />

Aus diesen Ergebnissen leiten Peeters und Özyürek ab, dass die Verwendung von<br />

<strong>Demonstrativa</strong> im <strong>Türkische</strong>n nicht nur von der Distanz des Objekts abhängt, sondern auch<br />

von der Aufmerksamkeit des Adressaten und von dem Satzmodus, der verwendet wird. Somit<br />

lehnen sie die früheren Klassifizierungen, in <strong>den</strong>en das türkische Demonstrativsystem<br />

lediglich von dem Parameter Distanz abhängig gemacht wurde, ab und stützen die Thesen, die<br />

auch in <strong>den</strong> früheren Arbeiten von Küntay und Özyürek (2006) bereits aufgestellt wur<strong>den</strong>.<br />

Das Ziel der <strong>Untersuchung</strong> von Peeters und Özyürek war es, heraus<strong>zu</strong>fin<strong>den</strong> inwiefern und ob<br />

Distanzkontraste eines Objektes und der Aufmerksamkeitsparameter eines Adressaten,<br />

innerhalb einer Konversation die Verwendung von <strong>Demonstrativa</strong> beeinflussen. Der Ansatz in<br />

dieser Studie stellt eine gute Basis dar, um genau dies <strong>zu</strong> untersuchen. Betrachtet man die<br />

Umset<strong>zu</strong>ng jedoch genauer, fällt auf, dass die <strong>Untersuchung</strong> zwei Aspekte nicht erfüllt.<br />

10 Siehe oben<br />

22


Die Umgebung in <strong>den</strong> Fotos ist sehr steril gehalten, auf dem Tisch befindet sich bis auf die<br />

Tasse kein anderes Objekt, es ist alles or<strong>den</strong>tlich und aufgeräumt; gerade dadurch wirken die<br />

Fotos unnatürlich. Da aber die Proban<strong>den</strong> sich möglichst in <strong>den</strong> Sprecher hineinversetzen und<br />

sich gut in die Situation einfühlen sollen, um natürlich <strong>zu</strong> entschei<strong>den</strong>, welches<br />

Demonstrativum sie in solch einer Situation verwen<strong>den</strong> wür<strong>den</strong>, sollte auch die Umgebung<br />

und das Foto einen natürlichen Zustand repräsentieren. Auch die Frage in der Sprechblase, ob<br />

die Tasse klein sei, scheint kein Gegenstand einer natürlichen Konversation <strong>zu</strong> sein.<br />

Weiterhin wer<strong>den</strong> die Proban<strong>den</strong> direkt gebeten, <strong>Demonstrativa</strong> <strong>zu</strong> verwen<strong>den</strong>, dies wiederum<br />

lässt keinen Raum <strong>zu</strong>r Spontaneität. Schaut sich der Proband die Fotos dann genau an, und<br />

sieht, wie sie sich verändern, dann <strong>den</strong>kt er eventuell <strong>zu</strong> sehr darüber nach, welches<br />

Demonstrativum am besten passt, erwartet eventuell, dass es ein „Falsch“ und „Richtig“ gibt<br />

und wird dadurch in eine bestimmte Richtung gelenkt. Dies wiederum könnte die natürliche<br />

Reaktion verändern und einen Einfluss auf die Wahl des Demonstrativums ausüben.<br />

Ein weiterer Aspekt, der <strong>zu</strong> unerwarteten Reaktionen führen kann ist das auf <strong>den</strong> Fotos<br />

vermittelte Verständnis von Distanz. Die bei<strong>den</strong> Personen, die auf <strong>den</strong> Fotos <strong>zu</strong> sehen sind,<br />

sitzen an einem Tisch. Wenn nun das Objekt, in diesem Fall die Tasse, Entfernung von bei<strong>den</strong><br />

darstellen soll, steht die Tasse an einem Ende des Tisches. 11<br />

Betrachtet man dieses Foto genauer aus der Perspektive des Proban<strong>den</strong>, signalisiert die Tasse<br />

für die bei<strong>den</strong> Personen im Foto Distanz, jedoch steht sie für <strong>den</strong> Proban<strong>den</strong> in einem<br />

Verhältnis, welches für ihn Nähe suggeriert. Das Gleiche ist für <strong>den</strong> Fall von Nähe<br />

fest<strong>zu</strong>stellen. 12<br />

11 Siehe oben<br />

12 Siehe oben<br />

23


Auch in diesem Fall führt der erwünschte Effekt, nämlich Nähe dar<strong>zu</strong>stellen, aufgrund der<br />

perspektivischen Darstellung da<strong>zu</strong>, dass der Proband das Objekt für sich als entfernt<br />

suggeriert.<br />

Die visuelle Darstellung des Objekts und dementsprechend die Darstellung von Nähe und<br />

Distanz führen <strong>zu</strong> einem diffusen Verständnis und bieten für <strong>den</strong> Proban<strong>den</strong> eine<br />

missverständliche Grundlage, um sich wie erwünscht möglichst in <strong>den</strong> Sprecher<br />

hinein<strong>zu</strong>versetzen. Da dieser Aspekt aber einen der wichtigsten darstellt, besteht auch hier<br />

wieder die Möglichkeit, dass sich der Proband durch die visuelle Wahrnehmung lenken lässt<br />

und dies die Wahl des Demonstrativums beeinflusst.<br />

5 Empirische <strong>Untersuchung</strong> <strong>zu</strong>r Verwendung türkischer <strong>Demonstrativa</strong><br />

Aufbauend auf dieser Studie und unter der Berücksichtigung der <strong>zu</strong>vor diskutierten<br />

Kritikpunkte, entstand die Idee, dasselbe Experiment mit unterschiedlichen Parametern<br />

durch<strong>zu</strong>führen.<br />

Die Parameter, die übernommen wur<strong>den</strong>, waren die Distanz bezüglich des Objekts und die<br />

Aufmerksamkeit (joint attention/no joint attention) des Adressaten. Da die Zeigegeste in der<br />

vorherigen Studie <strong>zu</strong> keinen signifikanten Ergebnissen führte, wurde sie hier<br />

herausgenommen. Auch der Parameter der Satzmodi wurde außer Acht gelassen, da nicht<br />

erwartet wird, dass es einen signifikanten Unterschied gibt.<br />

Des Weiteren wurde großer Wert darauf gelegt, dass die Fotos einen möglichst natürlichen<br />

Zustand repräsentieren, der Satz in der Sprechblase in <strong>den</strong> Kontext passt und die Darstellung<br />

von Nähe und Distanz auf die Perspektive des Proban<strong>den</strong> <strong>zu</strong>geschnitten ist. Basierend auf <strong>den</strong><br />

bisherigen Studien wur<strong>den</strong> die Hypothesen bezüglich des Demonstrativsystems im<br />

<strong>Türkische</strong>n nochmals aufgegriffen und in einem neuen experimentellen Design untersucht.<br />

Die Hypothesen sind folgende:<br />

1. Bu wird verwendet, wenn sich ein Objekt in unmittelbarer Nähe <strong>zu</strong> Sprecher und Hörer<br />

befindet.<br />

2. O wird verwendet, wenn sich ein Objekt weiter weg von Sprecher und Hörer befindet.<br />

3. Şu wird verwendet, wenn die Aufmerksamkeit des Adressaten sich nicht auf dem Objekt<br />

befindet; die Entfernung des Objekts spielt für die Verwendung von şu keine Rolle. Somit<br />

kodiert şu keine Distanzkontraste.<br />

24


5.1 Methode<br />

An der <strong>Untersuchung</strong> nahmen 30 türkischsprachige Proban<strong>den</strong> im Alter zwischen 11 und 51<br />

Jahren teil. Jedem Proban<strong>den</strong> wur<strong>den</strong> insgesamt 83 Fotos 13 nacheinander gezeigt. Auf allen<br />

Fotos waren auch wie in der <strong>Untersuchung</strong> von Peeters und Özyürek zwei Personen und ein<br />

Objekt <strong>zu</strong> sehen. 48 dieser Fotos beinhalteten die Parameter Distanz und Aufmerksamkeit,<br />

und eine Sprechblase, in der ein unvollständiger Satz nur mit einem Demonstrativum<br />

vervollständigt wer<strong>den</strong> konnte. Diese 48 Fotos waren jeweils in vier Konditionen eingeteilt:<br />

Kondition 1 mit 12 Fotos, in <strong>den</strong>en das Objekt nah <strong>zu</strong> Sprecher und Hörer liegt und die<br />

Aufmerksamkeit des Hörers sich auf dem Objekt befindet (nah/joint attention).<br />

Kondition 2: 12 Fotos, in <strong>den</strong>en sich das Objekt in der Nähe befindet, aber keine<br />

Aufmerksamkeit des Hörers vorliegt (nah/no joint attention).<br />

Kondition 3: Das Objekt befindet sich auf 12 Fotos weiter weg von bei<strong>den</strong> und die<br />

Aufmerksamkeit des Hörers liegt auf dem Objekt (weit/joint attention) und eine<br />

Kondition 4, in der sich ebenfalls 12 Fotos befin<strong>den</strong>, die ein Objekt entfernt darstellen und die<br />

Aufmerksamkeit nicht vorhan<strong>den</strong> ist (weit/no joint attention).<br />

Die restlichen 35 Fotos stellten Distraktoren dar, um die Proban<strong>den</strong> nicht in eine bestimmte<br />

Richtung <strong>zu</strong> lenken. Sie sollten möglichst nicht auf <strong>den</strong> Gedanken kommen, dass es lediglich<br />

um die Verwendung von <strong>Demonstrativa</strong> geht. So sahen sie auf diesen 35 Fotos zwar dieselben<br />

Szenarien, die auch in <strong>den</strong> 48 Fotos <strong>zu</strong> sehen waren, jedoch enthielten diese Distraktoren<br />

andere Sätze, in <strong>den</strong>en die Proban<strong>den</strong> gebeten wur<strong>den</strong>, <strong>den</strong> Satz entweder mit einem Nomen,<br />

einem Verb oder einer Konjunktion <strong>zu</strong> vervollständigen.<br />

Wie bereits erwähnt, wurde in dieser <strong>Untersuchung</strong> großer Wert auf die Natürlichkeit der<br />

Fotos gelegt. Das heißt, auf <strong>den</strong> Fotos haben die Proban<strong>den</strong> meist alltägliche Situationen<br />

gesehen und der Satz in der Sprechblase war möglichst an <strong>den</strong> Kontext im Foto angepasst. So<br />

sahen die Proban<strong>den</strong> <strong>zu</strong>m Beispiel zwei Personen, die draußen im Garten stan<strong>den</strong>. Als Objekt<br />

sahen die Proban<strong>den</strong> Blumen und in der Sprechblase stand die Aussage: „ … çiçekleri Annem<br />

için toplayalım“ („Lass uns … Blumen für Mama pflücken“). Die drei Punkte in <strong>den</strong><br />

Sprechblasen geben dabei immer die Stelle in dem Satz an, an der vervollständigt wer<strong>den</strong><br />

sollte. Ein weiteres Merkmal, welches sich in dieser <strong>Untersuchung</strong> von der vorherigen<br />

unterschied, war die Perspektive des Proban<strong>den</strong> auf das Objekt. Der Proband sah auf jedem<br />

Foto lediglich <strong>den</strong> Hinterkopf des Sprechers und direkt <strong>den</strong> Blick des Adressaten. Somit sollte<br />

ihm die Perspektive auf das Objekt und das Hineinversetzen in <strong>den</strong> Sprecher erleichtert<br />

13 Die Fotos, die für die <strong>Untersuchung</strong> verwendet wur<strong>den</strong>, befin<strong>den</strong> sich im Anhang, in Form einer DVD.<br />

25


wer<strong>den</strong>. Außerdem konnte so auch sicher gestellt wer<strong>den</strong>, dass der Proband dieselbe<br />

Entfernung <strong>zu</strong> dem Objekt hatte wie der Sprecher in dem Foto: 14<br />

Dieses Beispiel verdeutlicht <strong>den</strong> Aufbau der Fotos. Hier ist wie oben beschrieben nur der<br />

Hinterkopf des Sprechers <strong>zu</strong> sehen. Der Proband hat einen guten Blick auf <strong>den</strong> Hörer und auf<br />

das Objekt.<br />

Die Fotos wur<strong>den</strong> <strong>den</strong> Proban<strong>den</strong> mit einem einfachen Bildbearbeitungsprogramm in einer<br />

randomisierten Reihenfolge nach und nach gezeigt und die Antwort wurde schriftlich<br />

festgehalten.<br />

5.2 Ergebnisse<br />

Zu jeder der vier Konditionen wur<strong>den</strong> 360 <strong>Demonstrativa</strong> verwendet. Das heißt die<br />

Gesamtanzahl beträgt 1440 <strong>Demonstrativa</strong>. Die unten aufgeführte Tabelle und Grafik<br />

verdeutlichen die Gesamtverwendung von bu, şu und o, eingeteilt in die Konditionen Nah/<br />

Joint, Nah/No Joint, Weit/Joint und Weit/No Joint.<br />

Gesamtanzahl der verwendeten <strong>Demonstrativa</strong>:<br />

Nah/Joint Nah/No Joint Weit/Joint Weit/No Joint<br />

bu 252 203 203 176<br />

şu 92 125 105 155<br />

o 16 32 52 29<br />

14 Ein Beispielfoto aus der <strong>Untersuchung</strong><br />

26


Grafik mit <strong>den</strong> prozentualen Verteilungen:<br />

80%<br />

70%<br />

60%<br />

50%<br />

40%<br />

30%<br />

20%<br />

10%<br />

0%<br />

bu şu o bu şu o<br />

Nah<br />

Weit<br />

Betrachtet man alle Durchgänge, zeigen sich für die vier Konditionen folgende prozentuale<br />

Verteilungen:<br />

Nah/Joint Nah/No Joint Weit/Joint Weit/No Joint<br />

bu 30% 24% 24% 21%<br />

şu 19% 26% 23% 32%<br />

o 12% 25% 40% 22%<br />

Die Verteilungen zeigen die höchste Verwendung von bu innerhalb der Kondition Nah/Joint<br />

(30%) und die geringste für Weit/No Joint (21%), während die Konditionen Nah/No Joint und<br />

Weit/Joint die gleiche Verteilung zeigen (24%). Für şu sieht die Verteilung genau<br />

andersherum aus. Während die höchste Verwendung bei Weit/No Joint liegt (32%), zeigt sich<br />

die niedrigste Verwendung bei Nah/Joint (19%) und auch hier weisen die Konditionen<br />

Nah/No Joint und Weit/Joint ähnliche Werte auf (26% und 23%). Für o sind die Verteilungen<br />

stärker ausgeprägt und zeigen einen deutlichen Anstieg der Verwendung innerhalb der<br />

Kondition Weit/Joint (40%), während die geringste Verwendung bei Nah/Joint auftritt (12%).<br />

Joint<br />

No Joint<br />

27


Die Konditionen Nah/No Joint und Weit/No Joint weisen eine ähnliche Verteilung auf (25%<br />

und 22%).<br />

Mit dem Programm STATISTICA, wurde eine zweifaktorielle Varianzanalyse (ANOVA)<br />

durchgeführt. Die abhängige Variable war die Anzahl der Verwendungen von dem jeweiligen<br />

Demonstrativum und die Faktoren die Distanz und die Joint Attention. Danach wurde ein<br />

Post-hoc Test mit dem LSD (Least Significant Difference) Test durchgeführt. Dieser Test<br />

berechnet <strong>den</strong> kleinsten Unterschied zwischen zwei Gruppenmittelwerten, der signifikant sein<br />

könnte. Die Resultate zeigen signifikante Effekte für Distanz und Joint Attention.<br />

Das Demonstrativum bu wurde verwendet, wenn sich das Objekt in der Nähe von Sprecher<br />

und Hörer befand. Besonders deutlich wird dies in <strong>den</strong> Konditionen Weit/No Joint <strong>zu</strong><br />

Nah/Joint. Hier ist ein signifikanter Unterschied fest<strong>zu</strong>stellen, besonders durch die<br />

Berechnung der Mittelwerte ist erkennbar, dass die Differenz hier am höchsten liegt. Aber<br />

auch für die Konditionen Nah/No Joint <strong>zu</strong> Nah/Joint, sowie Weit/Joint <strong>zu</strong> Nah/Joint sind die<br />

Ergebnisse signifikant. Dadurch lässt sich darauf schließen, dass der Faktor Distanz, in<br />

diesem Fall die Nähe des Objektes <strong>zu</strong> Sprecher und Hörer einen Effekt auf die Verwendung<br />

von bu hat.<br />

Anzahldpbu<br />

8,5<br />

8,0<br />

7,5<br />

7,0<br />

6,5<br />

6,0<br />

5,5<br />

5,0<br />

Distanz; LS Means<br />

Current effect: F(1, 116)=7,4835, p=,00721<br />

Effective hypothesis decomposition<br />

Vertical bars <strong>den</strong>ote 0,95 confi<strong>den</strong>ce intervals<br />

Nah Weit<br />

Distanz<br />

28


Die p-Werte für bu:<br />

Cell No.<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

LSD test; variable Anzahldpbu (Tabelle1 in Erhebung)<br />

Probabilities for Post Hoc Tests<br />

Error: Between MS = 7,3060, df = 116,00<br />

Distanz Joint {1} {2} {3} {4}<br />

8,2667 6,7667 6,5333 5,8000<br />

Nah Joint 0,033689 0,014434 0,000588<br />

Nah NoJoint 0,033689 0,738731 0,168679<br />

Weit Joint 0,014434 0,738731 0,295550<br />

Weit NoJoint 0,000588 0,168679 0,295550<br />

Für şu ist fest<strong>zu</strong>stellen, dass die Verwendung von şu <strong>zu</strong>nahm, sobald die Aufmerksamkeit des<br />

Hörers nicht vorhan<strong>den</strong> war. Auch şu ist für die Konditionen Nah/Joint <strong>zu</strong> Weit/No Joint und<br />

Weit/Joint <strong>zu</strong> Weit/No Joint signifikant. Hier ist ein Anstieg in der Verwendung durch die<br />

Ermittlung der Mittelwerte <strong>zu</strong> sehen, wobei dieser Anstieg auch wieder am deutlichsten bei<br />

der Kondition Nah/Joint <strong>zu</strong> Weit/No Joint ist. Bei der Überprüfung des Effekts der Distanz<br />

auf die Verwendung von şu sind keine signifikanten Ergebnisse feststellbar, was darauf<br />

deuten lässt, dass şu lediglich von der Aufmerksamkeit des Adressaten abhängig ist.<br />

Anzahl DP su<br />

5,5<br />

5,0<br />

4,5<br />

4,0<br />

3,5<br />

3,0<br />

2,5<br />

Die p-Werte für şu:<br />

Distanz; LS Means<br />

Current effect: F(1, 116)=2,8769, p=,09254<br />

Effective hypothesis decomposition<br />

Vertical bars <strong>den</strong>ote 0,95 confi<strong>den</strong>ce intervals<br />

Nah Weit<br />

Distanz<br />

29


Cell No.<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

LSD test; variable Anzahl DP su (Tabelle1 in Erhebung)<br />

Probabilities for Post Hoc Tests<br />

Error: Between MS = 6,1293, df = 116,00<br />

Distanz Joint {1} {2} {3} {4}<br />

3,1000 4,1667 3,6667 5,1333<br />

Nah Joint 0,097881 0,377195 0,001884<br />

Nah NoJoint 0,097881 0,435699 0,133196<br />

Weit Joint 0,377195 0,435699 0,023566<br />

Weit NoJoint 0,001884 0,133196 0,023566<br />

Die Ergebnisse für das Demonstrativum o zeigen einen signifikanten Unterschied von<br />

Nah/Joint <strong>zu</strong> Weit/Joint. Die Verwendung von o nimmt mit Entfernung des Objekts <strong>zu</strong>. Somit<br />

spielt auch in der Verwendung von o die Distanz eine Rolle, in diesem Fall, wenn das Objekt<br />

von Sprecher und Hörer weiter entfernt liegt.<br />

Anzahldpo<br />

2,0<br />

1,8<br />

1,6<br />

1,4<br />

1,2<br />

1,0<br />

0,8<br />

0,6<br />

0,4<br />

0,2<br />

Die p-Werte für o:<br />

Distanz; LS Means<br />

Current effect: F(1, 116)=4,4878, p=,03627<br />

Effective hypothesis decomposition<br />

Vertical bars <strong>den</strong>ote 0,95 confi<strong>den</strong>ce intervals<br />

Nah Weit<br />

Distanz<br />

30


Cell No.<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

LSD test; variable Anzahldpo (Tabelle1 in Erhebung)<br />

Probabilities for Post Hoc Tests<br />

Error: Between MS = 2,0221, df = 116,00<br />

Distanz Joint {1} {2} {3} {4}<br />

,53333 1,0667 1,7667 ,93333<br />

Nah Joint 0,149040 0,001059 0,278220<br />

Nah NoJoint 0,149040 0,059058 0,717157<br />

Weit Joint 0,001059 0,059058 0,025076<br />

Weit NoJoint 0,278220 0,717157 0,025076<br />

Mittelwerte für bu, şu und o:<br />

Nah/Joint Nah/No Joint Weit/Joint Weit/No Joint<br />

bu 8,3 6,8 6,5 5,8<br />

şu 3,1 4,2 3,7 5,1<br />

o 0,5 1,1 1,8 0,9<br />

6 Diskussion<br />

Die Verwendung von <strong>Demonstrativa</strong> im <strong>Türkische</strong>n ist nicht nur abhängig von der Distanz<br />

des Objektes, sondern auch von der Aufmerksamkeit des Adressaten. Dies gilt besonders für<br />

die Verwendung von şu, welches besonders dann benutzt wird, wenn keine gemeinsame<br />

Aufmerksamkeit (no joint attention) vorliegt.<br />

Betrachtet man die Ergebnisse meiner Erhebung genauer, fällt als erstes auf, dass bu<br />

besonders häufig in allen Konditionen verwendet wurde. Auch wenn die Analysen<br />

signifikante Ergebnisse liefern, zeigt sich bu mit einem Gesamtprozentsatz von 57,5% als das<br />

meist verwendete Demonstrativum. In zwei Fällen haben die Proban<strong>den</strong> in dem<br />

Versuchsdurchgang 47-mal das Pronomen bu verwendet; be<strong>den</strong>kt man nun, dass es 48 Fotos<br />

waren, ist dies fast eine 100%ige Verwendung von bu. In weiteren fünf Fällen haben die<br />

Proban<strong>den</strong> mehr als 35-mal die Sätze mit bu vervollständigt. Um weitere Erklärungen für <strong>den</strong><br />

hohen Gebrauch von bu ermitteln <strong>zu</strong> können, ist es erforderlich die Rahmenbedingungen der<br />

<strong>Untersuchung</strong> genauer <strong>zu</strong> betrachten. Welche Faktoren spielten eine Rolle, um eine solch<br />

hohe Verwendung von bu hervor<strong>zu</strong>rufen? Rückblickend auf die acht Proban<strong>den</strong>, die extrem<br />

häufig bu benutzten, war auffällig, dass diese sich nicht, wie gebeten, auf die Fotos<br />

konzentrierten, sondern lediglich auf die <strong>zu</strong> vervollständigen<strong>den</strong> Sätze achteten, ohne sich das<br />

31


Foto genau an<strong>zu</strong>schauen. Dadurch entstand ein besonders schneller Durchgang der<br />

<strong>Untersuchung</strong> mit meist einem Ergebnis, in dem das Pronomen bu häufig bis sehr häufig<br />

auftauchte.<br />

Diese hohe Verwendung von bu, wirft die Frage auf, welche Rolle die Präsentation der Fotos<br />

spielt. Die Fotos sollten eine möglichst natürliche Situation darstellen und unterschie<strong>den</strong> sich<br />

demnach von <strong>den</strong>en in der <strong>Untersuchung</strong> von Peeters und Özyürek. In <strong>den</strong> Fotos war<br />

durchaus mehr <strong>zu</strong> sehen, als nur die Personen und das Objekt, auch das Umfeld war gut <strong>zu</strong><br />

erkennen. Daraus könnte man schließen, dass sich die Proban<strong>den</strong> eventuell mehr auf die<br />

Umgebung konzentriert haben, und dadurch nicht mehr <strong>den</strong> Blickpunkt auf die Sprecher-<br />

Hörer-Objekt Konstellation hatten.<br />

Ein weiterer Faktor ist die Darstellung von Nähe und Ferne auf <strong>den</strong> Fotos. Es wurde darauf<br />

geachtet, dass der Proband möglichst dieselbe Entfernung <strong>zu</strong> dem Objekt hat, wie der<br />

Sprecher auf dem Foto. Jedoch hat sich bei dem Feedback nach der <strong>Untersuchung</strong><br />

herausgestellt, dass kaum einer der Proban<strong>den</strong> erkannt hat, dass die Objekte in<br />

unterschiedlicher Entfernung <strong>zu</strong> Sprecher und Hörer stan<strong>den</strong>. Man könnte also sagen, dass die<br />

Distanz auf <strong>den</strong> Fotos nicht deutlich genug dargestellt ist. Versucht man aber die Begriffe<br />

Nähe und Distanz <strong>zu</strong> definieren, fällt auf, dass Nähe und Entfernung relativ sind, jeder nimmt<br />

nah und fern anders wahr. Müsste man also eine Definition für Distanz aufstellen, wie würde<br />

diese lauten? <strong>Eine</strong> Möglichkeit bestünde darin, <strong>zu</strong> behaupten, dass Objekte in naher<br />

Umgebung erreichbar sind, während Objekte in Entfernung unerreichbar sind. Dies wäre also<br />

eine Basis, um Distanz <strong>zu</strong> definieren. Alles was man erreichen und berühren kann, nimmt<br />

man als nah wahr, während alles, was unerreichbar und nicht <strong>zu</strong> berühren ist als weit<br />

empfun<strong>den</strong> wird (Kemmerer 1999). Geht man nun von dieser Behauptung aus und schaut sich<br />

die Fotos in meiner Erhebung nochmals an, fällt auf, dass in sechs „Weitszenarien“ die<br />

Objekte immer erreichbar sind. In <strong>den</strong> restlichen Szenarien, die sich größtenteils draußen<br />

abspielen (<strong>zu</strong>m Beispiel im Garten oder an der Straße) sind die Objekte weder für <strong>den</strong><br />

Sprecher noch für <strong>den</strong> Hörer erreichbar. Also müsste sich hier die Verwendung von bu<br />

reduzieren, jedoch ist dies in <strong>den</strong> Ergebnissen nicht fest<strong>zu</strong>stellen. In diesem Fall muss also<br />

davon ausgegangen wer<strong>den</strong>, dass diese Definition von Distanz nicht <strong>zu</strong>trifft. Somit stellt sich<br />

die Frage was das Phänomen Distanz ist und wie es überprüft wer<strong>den</strong> könnte.<br />

<strong>Eine</strong> weitere interessante Beobachtung ist die Aussage eines Proban<strong>den</strong>, der nach der<br />

<strong>Untersuchung</strong> sagte, dass er immer dann, wenn der Hörer seine Aufmerksamkeit auf dem<br />

Objekt hatte, bu verwendet habe und wenn die Aufmerksamkeit nicht auf dem Objekt lag şu<br />

benutzt habe. Auf meine Frage hin, wieso er es gerade so gemacht habe und nicht<br />

32


andersherum, oder o benutzt habe, enthielt ich die Antwort, dass es halt so wäre, und er es aus<br />

dem Bauch heraus entschie<strong>den</strong> habe.<br />

7 Fazit<br />

Diese <strong>Untersuchung</strong> stützt die bisherigen Studien von Asli Özyürek und Aylin Küntay (1998,<br />

2002, 2006) und David Peeters (2011), die behaupten, dass das türkische Demonstrativsystem<br />

nicht nur abhängig von einem Distanzkontrast ist, sondern auch von der gemeinsamen<br />

Aufmerksamkeit. Somit können die vorher aufgestellten Hypothesen unter Punkt 5<br />

angenommen wer<strong>den</strong>. Wichtig ist dabei besonders die dritte Hypothese. In der <strong>Untersuchung</strong><br />

von Peeters und Özyürek zeigen die Ergebnisse, dass das Demonstrativum şu verwendet wird,<br />

wenn das Objekt weiter weg ist, wohingegen sich in der vorliegen<strong>den</strong> <strong>Untersuchung</strong><br />

herausstellt, dass şu unabhängig von der Entfernung des Objekts, lediglich von dem<br />

Aufmerksamkeitsparameter abhängig ist. Aufgrund dessen wird die Behauptung von Peeters<br />

und Özyürek in der vorliegen<strong>den</strong> <strong>Untersuchung</strong> nicht bestätigt.<br />

Das türkische Demonstrativsystem lässt sich wie folgt definieren:<br />

1. Bu wird verwendet, wenn sich ein Objekt in unmittelbarer Nähe <strong>zu</strong> Sprecher und Hörer<br />

befindet.<br />

2. O wird verwendet, wenn sich ein Objekt weiter weg von Sprecher und Hörer befindet.<br />

3. Şu wird verwendet, wenn sich die Aufmerksamkeit des Adressaten nicht auf dem Objekt<br />

befindet; die Entfernung des Objekts spielt für die Verwendung von şu keine Rolle. Somit<br />

kodiert şu keine Distanzkontraste.<br />

Natürlich ist davon aus<strong>zu</strong>gehen, dass die Verwendung von bu und o auch von einem<br />

Aufmerksamkeitsparameter abhängig ist, da schließlich die Aufmerksamkeit des Adressaten<br />

auf dem Objekt liegen muss.<br />

Ausblick<br />

Ausgehend von der vorliegen<strong>den</strong> <strong>Untersuchung</strong> und die Diskussionspunkte berücksichtigend,<br />

ist es ersichtlich, dass weitere Studien bezüglich des türkischen Demonstrativsystems<br />

notwendig sind. Auch wenn meine Studie die bisherigen insoweit bestätigt, dass das türkische<br />

33


Demonstrativsystem abhängig von einem Aufmerksamkeitsparameter ist, lässt die Frage der<br />

Distanz noch Möglichkeiten für weitere Studien offen.<br />

<strong>Eine</strong> neue Studie könnte <strong>zu</strong>m Beispiel versuchen, die Distanz genauer dar<strong>zu</strong>stellen. Es wäre<br />

möglich, anstelle nur eines Objektes, zwei Objekte <strong>zu</strong> nutzen, wobei beide Objekte i<strong>den</strong>tisch<br />

sein müssten. <strong>Eine</strong>s, welches sich in direkter Nähe <strong>zu</strong> Sprecher und Hörer befindet und ein<br />

weiteres, welches weiter entfernt ist. Somit hätte man eine klarere Abstufung zwischen Nähe<br />

und Ferne.<br />

Vergleicht man die Ergebnisse der Verwendung von bu in der hier vorliegen<strong>den</strong> Studie mit<br />

<strong>den</strong> Ergebnissen in der Studie von Peeters und Özyürek (2011), fällt auf, dass bu in der<br />

vorliegen<strong>den</strong> Studie sehr viel häufiger verwendet wurde. In der Studie von Peeters und<br />

Özyürek ist ein deutlicher Unterschied in der Verwendung von bu in <strong>den</strong> Konditionen Nah<br />

und Weit <strong>zu</strong> erkennen. Die Verwendung von bu nimmt sichtlich ab in der Kondition Weit.<br />

Dieser Unterschied ist in der hier vorliegen<strong>den</strong> Arbeit nicht fest<strong>zu</strong>stellen. Aufgrund dessen<br />

wäre es durchaus sinnvoll, die Umgebung in <strong>den</strong> Fotos innerhalb einer neuen Studie ebenfalls<br />

steril <strong>zu</strong> halten. Man könnte aber die Perspektive auf das Objekt verändern, indem man für die<br />

neue Studie ebenfalls als Proband lediglich <strong>den</strong> Hinterkopf des Sprechers auf <strong>den</strong> Fotos sieht.<br />

Somit bleibt die Entfernung für <strong>den</strong> Proban<strong>den</strong> dieselbe, wie für <strong>den</strong> Sprecher im Foto, nur<br />

die Umgebung würde sich ändern. Durch diese Variation könnte man zwei Aspekte aus <strong>den</strong><br />

vorherigen <strong>Untersuchung</strong>en verknüpfen und hätte eine klare Basis für eine neue Studie. Die<br />

Aufgabe des Proban<strong>den</strong> wäre es wieder, Sätze <strong>zu</strong> vervollständigen. Da es in diesem Fall zwei<br />

Objekte geben würde, und es durch die Richtung des Hinterkopfes des Sprechers deutlich<br />

wäre, auf welches Objekt er seine Aussage bezieht, müsste auch dementsprechend die<br />

Aufmerksamkeit des Hörers entweder auf dem jeweiligen Objekt liegen oder abwesend sein.<br />

Die Sätze in <strong>den</strong> Sprechblasen sollten möglichst an <strong>den</strong> Kontext angepasst sein. So könnte der<br />

Sprecher in Be<strong>zu</strong>g auf das Objekt, welches sich in der Nähe befindet über dessen Farbe oder<br />

Form sprechen und in Be<strong>zu</strong>g auf das weiter entfernte Objekt <strong>den</strong> Hörer bitten, es ihm herüber<br />

<strong>zu</strong> reichen. Die Darstellung zweier i<strong>den</strong>tischer Objekte mit unterschiedlichen Entfernungen<br />

verdeutlicht die Nähe-Distanzmerkmale und bietet eine optimale Möglichkeit, um <strong>zu</strong><br />

untersuchen, wie die Proban<strong>den</strong> Distanz unter Laborbedingungen wahrnehmen.<br />

<strong>Eine</strong> weitere Möglichkeit wäre eine Studie unter natürlichen Bedingungen. Wie bereits bei<br />

Küntay und Özyürek (2006) könnte man zwei Proban<strong>den</strong> innerhalb einer bestimmten<br />

Situation <strong>zu</strong>sammenbringen, und die Konversation beider über Video aufnehmen. In der<br />

Studie von Küntay und Özyürek wurde die Verwendung von türkischen <strong>Demonstrativa</strong><br />

zwischen Kindern und Erwachsenen verglichen, während jeweils zwei Personen <strong>zu</strong>sammen<br />

34


ein Legomodell nachbauen sollten. Auch in einer neuen Studie könnte man diese Idee nutzen.<br />

Um diese Idee aus<strong>zu</strong>bauen und wieder einen deutlichen Distanzkontrast ermöglichen <strong>zu</strong><br />

können, könnte man jeweils zwei Stationen von verschie<strong>den</strong>en Legoformen aufbauen. <strong>Eine</strong><br />

Station, die sich in direkter Nähe <strong>zu</strong> bei<strong>den</strong> Versuchspersonen befindet und eine, die etwas<br />

weiter entfernt aufgebaut ist. Die Aufgabe würde auch hier darin liegen, ein bereits vorher<br />

gesehenes Legomodell nach<strong>zu</strong>bauen. Der Unterschied in solch einer Studie liegt natürlich<br />

darin, dass der Aufwand erheblich größer ist. In diesem Fall entstehen Konversationen, die<br />

auf Video aufgenommen sind. Diese müssten während der Auswertungen angesehen und die<br />

Unterhaltungen transkribiert wer<strong>den</strong>. Aus diesen Transkriptionen müssten dann die<br />

verwendeten <strong>Demonstrativa</strong> heraus gefiltert und wiederum mit <strong>den</strong> Videoaufnahmen<br />

verglichen wer<strong>den</strong>, um die jeweiligen Aufmerksamkeitsparameter mit einbeziehen <strong>zu</strong> können.<br />

Jedoch ist der Vorteil einer solchen <strong>Untersuchung</strong>, dass die Konversationen auf einer<br />

natürlichen Ebene stattfin<strong>den</strong> und somit auch eine natürliche und spontane Verwendung von<br />

<strong>Demonstrativa</strong> sichergestellt wer<strong>den</strong> kann.<br />

Im Hinblick darauf scheint es klar, dass sich in diesem Bereich auf verschie<strong>den</strong>en Grundlagen<br />

viel Raum <strong>zu</strong> weiteren <strong>Untersuchung</strong>en bietet, die auch notwendig scheinen, um eine genaue<br />

Definition <strong>zu</strong>r Verwendung von <strong>Demonstrativa</strong> machen <strong>zu</strong> können.<br />

Sprache ist weitaus mehr, als nur eine Art <strong>zu</strong> kommunizieren. Sie bietet Möglichkeiten, die<br />

Aufmerksamkeit vom Hörer <strong>zu</strong> manipulieren und <strong>zu</strong> lenken, um so erfolgreich miteinander<br />

kommunizieren <strong>zu</strong> können. Dabei muss der Sprecher die Gestik, die Blicke des Hörers im<br />

Auge haben und auch die Entfernung des referierten Objektes <strong>zu</strong> ihm und <strong>zu</strong> dem Hörer mit<br />

einbeziehen. Ein solch komplexer Vorgang deutet auf weitere pragmatische und semantische<br />

Funktionen von <strong>Demonstrativa</strong>. Es suggeriert, dass <strong>Demonstrativa</strong> eine eigene Klasse<br />

sprachlicher Ausdrücke darstellen und einer der grundlegendsten Funktionen der Sprache<br />

dienen, indem sie durch die Lenkung der Aufmerksamkeit <strong>den</strong> Sprechakt koordinieren<br />

(Diessel 2006).<br />

.<br />

35


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Tanz, Christine (1980) Studies in the acquisition of deictic terms. Cambridge: Cambridge<br />

University Press.<br />

37


Anhang<br />

Die Fotos, die für <strong>den</strong> Versuch genutzt wur<strong>den</strong>, sind in Form einer DVD beigefügt.<br />

38


Eidesstattliche Erklärung<br />

Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Bachelorarbeit selbstständig verfasst und<br />

keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel benutzt habe, alle Ausführungen,<br />

die anderen Schriften wörtlich oder sinngemäß entnommen wur<strong>den</strong>, kenntlich gemacht sind<br />

und die Arbeit in gleicher oder ähnlicher Fassung noch nicht Bestandteil einer Studien- oder<br />

Prüfungsleistung war.<br />

Osnabrück, <strong>den</strong><br />

39

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