Referat von Sara Stalder, SKS - Stiftung für Konsumentenschutz
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Cassis-de-Dijon-Prinzip: Was wollen Bundesrat und die<br />
ständerätliche Kommission <strong>für</strong> Wirtschaft und Abgaben?<br />
<strong>Sara</strong> <strong>Stalder</strong>, Geschäftsleiterin <strong>Stiftung</strong> <strong>für</strong> <strong>Konsumentenschutz</strong><br />
Einführung<br />
1/3<br />
Es gilt das gesprochene Wort.<br />
Seit Jahren setzen sich die Konsumentenorganisationen <strong>für</strong> die Einführung des Cassis-de<br />
Dijon-Prinzip ein: Durch diese Vereinfachung des Imports aus der EG gibt es mehr<br />
Wettbewerb in der Schweiz, was zu Preisreduktionen führt. Zudem fallen die Preise, weil sie<br />
bisher durch unterschiedliche Vorschriften künstlich hochgehalten wurden. Ein wichtiges<br />
Anliegen in der Vorlage waren <strong>für</strong> die Konsumentenorganisationen seit jeher der Bereich der<br />
Lebensmittel und die Massnahmen <strong>für</strong> die Produktesicherheit. Ohne die vorgesehene<br />
Bewilligungspflicht <strong>für</strong> die Einfuhr <strong>von</strong> Lebensmitteln und ohne das parallel einzuführende<br />
weiterentwickelte Produktesicherheitsgesetz ist die Vorlage <strong>für</strong> die Konsumentenorganisationen<br />
unannehmbar.<br />
1) Revision des Bundesgesetzes über die Technischen Handelshemmnisse (THG)<br />
Mit der Revision des Bundesgesetzes über die Technischen Handelshemmnisse (THG)<br />
sollen Produkte aus dem EWR-Raum einfacher in die Schweiz eingeführt werden können.<br />
Momentan behindern zahlreiche Vorschriftsunterschiede (Gesetze und Verordnungen)<br />
zwischen der EU und der Schweiz den freien Import: So gibt es Unterschiede in Produktion,<br />
Kontrolle und Verpackung. Ein Beispiel: Eine Zahnpasta darf den EU-Konsumenten als<br />
«zahnmedizinisch vorbeugend» angepriesen werden, während in der Schweiz nur der<br />
Aufdruck «kariesverhütende Eigenschaften» zugelassen ist. Es ist offensichtlich, dass damit<br />
der Import <strong>von</strong> Produkten erschwert, verteuert oder gar verunmöglicht wird. Deshalb werden<br />
auch die Produktepreise in der Schweiz in der Höhe gehalten.<br />
2) Cassis-de-Dijon-Prinzip<br />
Mit der Revision des Bundesgesetzes über die Technischen Handelshemnisse werden nicht<br />
alle Vorschriftsunterschiede beseitigt. Es wird aber festgehalten, dass Produkte, welche die<br />
Vorschriften der EG oder eines EG-/EWR-Landes erfüllen, hinderungsfrei in die Schweiz<br />
importiert werden können, das so genannte Cassis-de-Dijon-Prinzip. Bekanntlich kennt die<br />
EU dieses Prinzip des freien Warenverkehrs innerhalb ihrer Grenzen seit mehr als
30 Jahren: Ein Produkt, das in einem EU-Land zugelassen ist, darf in andere Länder<br />
importiert werden, auch wenn es die dortigen Vorschriften nicht erfüllt.<br />
Doch auch bei der Einführung des Cassis-de-Dijon-Prinzips in der Schweiz wird es<br />
Ausnahmen geben: Ausgenommen vom Cassis-de-Dijon-Prinzip sind Produkte, die einer<br />
Zulassungspflicht (z.B. Medikamente, GVO, Dünger) oder einem Einfuhrverbot (z.B. tierische<br />
Produkte oder Tiere; Holz, das mit nicht zugelassenem Holzschutzmittel behandelt wurde)<br />
unterliegen.<br />
Bei Produktegruppen, bei welchen das Cassis-de-Dijon-Prinzip eigentlich zur Anwendung<br />
kommen könnte, gibt es ebenfalls einige Ausnahmen, bei welchen der Vorschriftsunterschied<br />
beibehalten wird. Ausschliesslich <strong>für</strong> die Lebensmittel hatten die Konsumentenorganisationen<br />
Ausnahmen gefordert. Einige Beispiele <strong>von</strong> Ausnahmen, die der Bundesrat vorsieht:<br />
das Verbot <strong>von</strong> Blei in Anstrichfarben und Lacken, die Angabe des Alkoholgehaltes <strong>von</strong><br />
Alcopops und die Angabe der Firmenbezeichnung und des Kleinhandelspreises auf der<br />
Zigarettenverpackung, die Herkunftsdeklaration <strong>von</strong> Lebensmitteln, die Deklaration nicht<br />
zugelassener Käfighaltung der Hühner oder das Phosphatverbot in Waschmitteln. Der<br />
Bundesrat will nur wenige Vorschriftsunterschiede beibehalten, um die Grenzen möglichst zu<br />
öffnen. Es ist wichtig, dass die Verordnung, in der diese Ausnahmen festgehalten und damit<br />
geregelt werden, zeitgleich in Kraft gesetzt wird. Das neue THG nennt die Gründe <strong>für</strong><br />
Ausnahmen vom Cassis-de-Dijon-Prinzip, beispielsweise den Schutz der Umwelt, der<br />
Gesundheit oder der Konsumentinnen und Konsumenten.<br />
3) Diskussionspunkte in der ständerätlichen Kommission <strong>für</strong> Wirtschaft und Abgaben<br />
WAK-S<br />
Die ständerätliche Kommission <strong>für</strong> Wirtschaft und Abgaben (WAK-S) folgt dem Bundesrat<br />
bezüglich eines zentralen Grundgedankens der THG-Revision: Das Cassis-de-Dijon-Prinzip<br />
soll einseitig eingeführt werden: Die Schweiz kann ihre Grenzen <strong>für</strong> EU-Produkte öffnen,<br />
ohne hierzu mit der EU verhandeln zu müssen.<br />
In der Kommission wurden drei Punkte besonders angeschaut:<br />
Aus Sicht der Unternehmen ist die Inländerdiskriminierung ein wesentlicher Punkt. Inländische<br />
Unternehmen werden gegenüber ausländischen benachteiligt. Inländische Unternehmen<br />
müssen ihre Produkte weiterhin nach den geltenden Schweizer Vorschriften<br />
herstellen, die ausländischen Unternehmen hingegen produzieren nach den meist lockereren<br />
EU-Vorschriften. Der Bundesrat hatte vorgeschlagen, die geltende Rechtsordnung in der<br />
Schweiz nicht zu ändern, sondern dass Unternehmen, welche tatsächliche Diskriminierung<br />
feststellen, beim Staatssekretariat <strong>für</strong> Wirtschaft (Seco) intervenieren können. Je nach<br />
Härtefall würde das Seco die Aufhebung der entsprechenden Schweizer Vorschrift beantragen.<br />
Die Ständeratskommission hat diese Mittellösung verworfen zugunsten einer<br />
liberaleren Variante: Schweizer Unternehmen – auch solche, die nur <strong>für</strong> den Heimmarkt<br />
produzieren – können neu nach EU-Vorschriften produzieren. Hierüber werden die Konsumentinnen<br />
und Konsumenten nicht informiert. Die WAK-S hat den Antrag abgelehnt, auf den<br />
Produkten zu deklarieren, dass diese – obwohl in der Schweiz produziert – nach ausländischen<br />
Vorschriften hergestellt wurden. Die Swissness-Vorlage und das Lebensmittelrecht<br />
sollen regeln, welche Bedingungen an ein Produkt oder Lebensmittel geknüpft werden, damit<br />
diese als «Schweizerprodukt» beworben werden können.<br />
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Die Ständeratskommission folgt dem Bundesrat hingegen beim Bewilligungsverfahren <strong>für</strong><br />
Lebensmittel. Da Lebensmittel sensible Güter sind, hat der Bundesrat <strong>für</strong> Lebensmittel eine<br />
Sonderregelung beschlossen. Wer Lebensmittel, die nicht den schweizerischen Vorschriften<br />
entsprechen, in die Schweiz importieren will, muss beim zuständigen Bundesamt <strong>für</strong><br />
Gesundheit (BAG) eine Bewilligung beantragen. Die WAK-S folgt der Argumentation des<br />
Bundesrates, dass dies nötig sei, einerseits um den Schutz der Gesundheit zu garantieren<br />
und andererseits um die Kantonschemiker bei der Lebensmittelkontrolle zu entlasten. Die<br />
Bewilligung wird vom BAG als Allgemeinverfügung erteilt, auf welche sich ausländische und<br />
inländische produzierende Unternehmen berufen können.<br />
Mehrheitlich folgt die WAK-S dem Vorschlag des Bundesrates betreffend die Marktüberwachung.<br />
Bekanntlich können neu Produkte in die Schweiz zugelassen werden, wenn sie<br />
nach EG-Vorschriften oder den Vorschriften eines EG-/EWR-Landes hergestellt und<br />
rechtmässig in Verkehr gebracht wurden. Die Importeure müssen hier<strong>für</strong> keine Dokumente<br />
einreichen. Wenn nun aber die Organe der Marktüberwachung Zweifel haben, ob die<br />
importierten und sich auf dem Markt befindenden Produkte diese Vorschriften erfüllen,<br />
müssen die Importeure den entsprechenden Nachweis erbringen. Die WAK-S hat im Sinn<br />
einer schlanken Lösung entschieden, dass dieser Nachweis nicht detailliert, sondern auch in<br />
Form eines einfachen Dokumentes erfolgen kann, z.B. indem der Nachweis aus einer<br />
Rechnung hervorgeht.<br />
4) Schweizerischer Nachvollzug gesetzlicher Grundlagen an die EU<br />
Nicht vergessen werden darf, dass parallel zur Revision des Bundesgesetzes über die<br />
Technischen Handelshemmnisse (THG) zahlreiche Vorschriften an die EU angepasst<br />
wurden oder deren Anpassung geplant ist, beispielsweise beim Produktesicherheitsgesetz,<br />
bei der Revision des Lebensmittelrechts oder bei der Revision der Chemikalienverordnung.<br />
Das Cassis-de-Dijon-Prinzip greift «nur» dort, wo weiterhin Vorschriftsunterschiede bestehen<br />
– also Gesetze und Verordnungen nicht an EU-Regelungen angepasst wurden.<br />
<strong>Stiftung</strong> <strong>für</strong> <strong>Konsumentenschutz</strong>, Monbijoustrasse 61, Postfach, 3000 Bern 23<br />
Telefon 031 370 24 24, Fax 031 372 00 27, admin@konsumentenschutz.ch, www.konsumentenschutz.ch<br />
Konsumentenforum, Grossmannstrasse 29, 8049 Zürich<br />
Telefon 044 344 50 60, Fax 044 344 50 66, forum@konsum.ch, www.konsum.ch<br />
Fédération Romande des Consommateurs, Rue de Genève 7, CP 6151, 1002 Lausanne<br />
Tél 021 331 00 90, Fax 021 331 00 91, info@frc.ch, www.frc.ch<br />
associazione consumatrici e consumatori della Svizzera italiana, via Polar 46, casella postale 165, 6932 Breganzona<br />
Tel 091 922 97 55, Fax 091 922 04 71, acsi@acsi.ch, www.acsi.ch<br />
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