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Termit als PDF Download - Kritisches Salzburg

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September 2012<br />

#23<br />

1<br />

TERMIT<br />

Linke Emanzipatorische Flugschrift mit Terminen<br />

2002-2012<br />

10 Jahre staatliche Modeberatung in Österreich.<br />

HAPPY BIRTHDAY VERMUMMUNGSVERBOT!<br />

INKL.<br />

XL<br />

TERMIN<br />

PLAN


2 Impressum/Leitfaden<br />

Wie kann ich mitmachen?<br />

1. Eigene Termine und Veranstaltungen an-<br />

kündigen: Termine auf kritisches-salzburg.net<br />

eintragen.<br />

Redaktionsschluss: 25. des Vormonats.<br />

2. Kommentare, Diskussionsbeiträge und Arti-<br />

kel: Das jeweilige Redaktionsteam entscheidet,<br />

was in die Printversion kommt. Online sind<br />

alle Beiträge (sofern sie nicht Unterdrückungs-<br />

mechanismen reproduzieren) einzusehen:<br />

kritisches-salzburg.net – Forum – <strong>Termit</strong>.<br />

Einreichen: per Mail an: termit@kritisches-<br />

salzburg.net oder online auf kritisches-salz-<br />

Leitfaden zum Schreiben für<br />

den <strong>Termit</strong><br />

Zeichenzahl:<br />

maximal 4000 Zeichen inklusive<br />

Leerzeichen pro Seite (1 Bild eingerechnet)<br />

Text:<br />

Hauptüberschrift<br />

Unterüberschrift (2-3 Zeilen, Einleitung)<br />

Zwischenüberschriften (vor allem<br />

bei längeren Texten) sollen Text in<br />

Abschnitte gliedern<br />

burg.net oder „Old-School“ im Postkasten des<br />

Infoladen oder des SUB.<br />

Redaktionsschluss: 20. des Vormonats<br />

3. Verbreitung: „copyleft“: Der <strong>Termit</strong> lebt<br />

von selbstständiger Verbreitung durch Mund-<br />

und Printpropaganda.<br />

Wo liegt der <strong>Termit</strong> auf?<br />

* Arge WDV, Ulrike-Gschwandtner-Str. 5<br />

* Atelier Sissi<br />

* Bricks, Lederergasse 8<br />

* Denkmal, Nonnthalerhauptstrasse 1<br />

* Infoladen <strong>Salzburg</strong>, Lasserstraße 26<br />

Rechtschreibprogramm drüberlaufen<br />

lassen ist Mindestanforderung<br />

Bilder:<br />

gute Qualität (300 DPI, mindestens<br />

150dpi)<br />

Gendern:<br />

einheitlich, nicht innerhalb des Textes<br />

wechseln<br />

mögliche Varianten:<br />

• Binnen I: StudentInnen<br />

• Unterstrich: Student_innen<br />

* Infoladen Wels, Anzengruberstraße 8<br />

* Jambo, Krotachgasse 7<br />

* Solidaritätskomitee Mexiko <strong>Salzburg</strong><br />

* ÖH <strong>Salzburg</strong>, Kaigasse 28<br />

* Radiofabrik, Ulrike-Gschwandtner-Str. 5<br />

* Rechtshilfe <strong>Salzburg</strong><br />

* schulterratten.wordpress.com<br />

* Studio West, Franz-Josef-Straße 20<br />

* Sub <strong>Salzburg</strong>, Müllner-Hauptstraße 11b<br />

* Jazzit, Elisabethstraße 11<br />

Wollt auch ihr hier vertreten sein? Meldet euch<br />

bei uns!<br />

5475 Tage HLI-Gewalt gegen Frauen:<br />

Wer wagt es, das zu feiern???<br />

Im noblen Palais in der Wiener<br />

City, mitsamt Galadinner feiert<br />

eine der weltweit bestens vom Vatikan<br />

und hohen Klerikern unterstützte,<br />

frauenfeindliche Truppe<br />

von Klerikalfaschisten und<br />

Fanatikern vom 4. – 8. Oktober<br />

2012 seine seit 15 Jahren praktizierten<br />

gewalttätigen tagtäglichen<br />

Angriffe auf Frauen- und Menschenrechte<br />

in Österreich.<br />

Die Grußworte der Bundesbrüder<br />

aus dem Österreichischen<br />

Cartellverband, allen voran Kardinal<br />

Christoph Schönborn, dem<br />

Landeshauptmann von Niederösterreich,<br />

Erwin Pröll und von Vizekanzler<br />

Michael Spindelegger<br />

werden schon jetzt stolz im Fest-<br />

Programm angekündigt.<br />

Die FrauenLesben, Feministinnen<br />

werden diesem unerhörten<br />

fanatischen Treiben Striche durch<br />

die Rechnung machen.<br />

Treiben wir die Reaktion ab! Abtreibung<br />

ist und bleibt Frauenrecht!<br />

• Verdoppelung: Studenten und<br />

Studentinnen<br />

• neutral formulieren: Studierende<br />

Recherche:<br />

Quellen überprüfen! Wir wollen<br />

keine Texte aus sexistsichen, homophoben,<br />

antisemitischen, rassistischen<br />

oder rechten bzw. nicht-emanizipatorischen<br />

Zusammenhängen<br />

4.-8.<br />

Okt.<br />

Wien


Editorial<br />

Der <strong>Termit</strong> hat sich ein Beispiel an dem Lied genommen und hat eine unangekündigte<br />

Sommerpause eingelegt, deshalb gab es im August 2012 keine Ausgabe.<br />

Georg Kreisler – Wenn alle das täten<br />

Bleib’n Sie doch mal Ihrer Arbeit fern<br />

Geh’n Sie stattdessen spazieren!<br />

Wenigstens vormittags, das macht doch Spaß –<br />

Schlafen Sie aus oder lesen Sie was!<br />

Alles wird weitergeh’n ohne Sie<br />

Sie würden gar nichts riskieren!<br />

Sie werden sagen: „Wenn alle das täten<br />

Dann wär das ein schrecklicher Schlag!“<br />

Ja – wenn alle das täten, dann hätten halt alle<br />

Einen herrlichen Vormittag!<br />

Wenn alle das täten, dann hätten halt alle<br />

Einen herrlichen Vormittag!<br />

Oder machen Sie grade Ihr Studium<br />

Und macht das Studium Sorgen?<br />

Na, jung und gesund sind Sie, das ist doch fein<br />

Lassen Sie einfach das Studium sein!<br />

Werd’n Sie verhungern? Bestimmt nicht gleich –<br />

Heute verhungert man morgen!<br />

Sie werden sagen: „Wenn alle das täten<br />

Wie soll unsre Welt dann florier’n?“<br />

Ja – wenn alle das täten, wenn alle das täten<br />

Dann würde halt niemand studier’n!<br />

Aber sonst würde gar nichts, aber sonst würde gar nichts<br />

Rein gar nichts den Leuten passier’n!<br />

Deswegen geht die Welt doch nicht unter –<br />

Sie geht eher unter, wenn’s so bleibt wie jetzt!<br />

Mut macht erfinderisch, glücklich und munter –<br />

Nur Angst macht uns hungrig, verwirrt und verhetzt!<br />

Sein Sie doch nicht immer so angepasst<br />

Tun Sie, was andere ärgert!<br />

Andere rechnen, dass Sie sich bemüh’n<br />

Ihnen die Kohl’n aus dem Feuer zu zieh’n –<br />

Finden Sie Kohlen denn wichtiger<br />

Als Ihr eigenes Leben?<br />

Sie werden sagen: „Wenn alle das täten<br />

Dann würden sich viele doch grämen!“<br />

Ja – wenn alle das täten, dann müssten halt Alle<br />

Mehr Rücksicht auf Andere nehmen!<br />

Wenn alle das täten, dann müssten halt alle<br />

Mehr Rücksicht auf Andere nehmen!<br />

Wer sagt hier: „Es muss Ordnung sein!“?<br />

Unordnung ist doch so heiter!<br />

Nicht immer nützlich und schicklich sein<br />

Einmal auch dumm, aber glücklich sein!<br />

Fällt das elektrische Licht einmal aus<br />

Singt man im Dunkeln halt weiter<br />

Und wenn der neue Tag anbricht<br />

Dann ist bestimmt wieder Licht!<br />

Lassen Sie Ihre Karriere doch sein –<br />

Wem soll die je etwas nützen?<br />

Ja, Sie verdienen sich später einmal krumm<br />

Aber bis Sie das Geld haben, ist die gute Zeit um!<br />

Außerdem müssen Sie Tag für Tag<br />

Schuften und schäumen und schwitzen!<br />

Sie werden sagen: „Wenn alle das täten<br />

Dann läge die Menschheit ja brach!“<br />

Ja – wenn alle das täten, dann dächte man über<br />

Das Brachliegen etwas mehr nach!<br />

Wenn alle das täten, dann dächte man über<br />

Das Brachliegen etwas mehr nach!<br />

Steigen Sie aus, und die Sorgen verschwinden<br />

Wer stets zur Hand ist, den kann keiner finden<br />

Ehrbaren Leuten ist schwer zu verzeih’n<br />

Und der Verlässliche werkelt allein!<br />

Werd’n Sie den morgigen Tag noch erleben?<br />

Lieber am heutigen Tage einen heben!<br />

Fortschritt ist tödlich und Geld keine Frau<br />

Planung ist f<strong>als</strong>ch und der Himmel ist blau –<br />

Was nützt ein Eigenheim, wenn man nicht froh ist?<br />

Weiß denn ein Meerschweinchen, was Rokoko ist –<br />

Weiß denn ein Truthahn, warum er bestellt ist<br />

Und weiß denn ein Mensch, warum er auf der Welt ist?<br />

Glauben Sie mir: Das beste gegen Nixon oder Breschnew<br />

oder Strauß<br />

Sie steigen aus, sie steigen aus!<br />

Leb’n Sie doch endlich im Sonnenschein –<br />

Tot sind Sie erst <strong>als</strong> Gerippe!<br />

Geh’n Sie nicht immer im gleichen Schritt<br />

Machen Sie einfach den Tanz nicht mehr mit!<br />

Sicher werd’n andere sauer sein –<br />

Auch Sokrates hatte Xanthippe!<br />

Sie werden sagen: „Wenn alle das täten<br />

Dann würde ja nichts funktionier’n!“<br />

Ja – wenn alle das täten, wenn alle das täten<br />

Dann müssten wir improvisier’n!<br />

Dann gäb’s keinen Krieg, keinen Autogestank<br />

Keine schmutzigen Flüsse, keine Nationalbank<br />

Kein Dies nicht, kein Das nicht – dann gäb’s eigentlich<br />

Nur Menschen wie Sie und mich!<br />

Das Video findet ihr hier auf YouTube:<br />

http://bit.ly/i6avv0<br />

3


4 Fortsetzungsgeschichte<br />

Die wundersame Welt des Weihbischof Laun<br />

Folge #7: Ein AnarchistInnen Leben ist anstrengend…<br />

Weihbischof Laun hat sich in der<br />

Festung Hohen <strong>Salzburg</strong> verschanzt.<br />

Wir schreiben das Jahr 2031<br />

und der Anarchismus herrscht überall.<br />

Der Bischof hat Verbündete gefunden<br />

und steht kurz vor einem Durchbruch.<br />

Derweil schleicht eine kleine<br />

Gruppe dunkler Gestalten durch die<br />

Stadt…<br />

Leise und von Schatten zu Schatten<br />

hastend bewegt sich die Gruppe<br />

durch die Gassen. Ihr Auftrag: Den<br />

Anführer der AnarchistInnen auszuspionieren.<br />

Sie sind unterwegs auf Befehl<br />

von Weihbischof Laun, welcher<br />

den Nazis Gold und die Macht über<br />

<strong>Salzburg</strong> versprochen hat, wenn sie<br />

seine Aufträge getreulich ausführen.<br />

“Den Anführer der Anarchisten finden”<br />

murmelt der Chef der Bande,<br />

“das wird nicht leicht sein.” Zu ihrem<br />

Glück kennen sie den Ort an dem in<br />

<strong>Salzburg</strong> die Revolution geplant wurde.<br />

Da werden sie den Anführer der<br />

Anarchisten finden, da sind sich alle<br />

sicher.<br />

Am frühen Abend sind sie am Ziel<br />

angekommen. “Schau nach, was sich<br />

tut!” Einer der Nazis wird aus der<br />

Gruppe gestoßen. Die dunkle Gestalt<br />

lugt vorsichtig durch die Fenster<br />

in den kleinen Raum. Plakate gegen<br />

Sexismus, Plakate gegen den Kapitalismus,<br />

Plakate gegen Faschismus, …<br />

sind zu sehen, doch es scheint kein<br />

Mensch da zu sein. F<strong>als</strong>ch, ganz hinten<br />

im Eck sitzt einer der verhassten<br />

AnarchistInnen vor dem Computer<br />

und werkt wie wild mit Tastatur und<br />

Maus. Es scheint um etwas Wichtiges<br />

zu gehen, er blickt konzentriert auf<br />

den Bildschirm.<br />

Schnell zieht sich der Späher zurück<br />

und informiert seine Kameraden.<br />

Wer so wichtig mit einem Compu-<br />

ter hantiert, muss wichtige Pläne<br />

aushecken. Sie müssen auf der richtigen<br />

Fährte sein. Nun heißt es warten,<br />

ewig wird dieser Anarchist wohl<br />

nicht in dem kleinen Raum vor dem<br />

Computer sitzen. Stunden vergehen,<br />

die Füße schmerzen. Doch die Gruppe<br />

bleibt ruhig. Wie heißt doch der<br />

schöne Spruch: Ein Nazi kennt keinen<br />

Schmerz (und Gefühle zeigen geht ja<br />

gar nicht). Eine Ewigkeit scheint verstrichen<br />

zu sein, <strong>als</strong> sich endlich etwas<br />

rührt. Die Tür des Hauses geht<br />

auf. Müde streckt der Anarchist seine<br />

Arme nach oben, gähnt und schlendert<br />

langsam davon. Nach einer kurzen<br />

Verfolgung endet die Reise in einem<br />

kleinen Park. Der Anarchist legt<br />

sich in eine rot-blau gestreifte Hängematte<br />

und schließt die Augen.<br />

“Dann los!”, flüstert der Obernazi.<br />

“Was die Juden können, das können<br />

wir schon lange!” Schnell robbt eine<br />

der VerfolgerInnen in eine nahe Hecke<br />

und holt tief Luft: Schrrrrrr tönt<br />

das Blasrohr leise und der kleine Pfeil<br />

bringt den Chip an sein Ziel, in den<br />

Nacken des schlafenden Anarchisten,<br />

der sich nur kurz kratzt und dann<br />

weiterschläft<br />

Hämisch grinsend und fast übermütig<br />

kehren die rechten Verbündeteten<br />

Launs in ihre schimmelverseuchte<br />

Unterkunft zurück. Schnell wird der<br />

neue Computer angeworfen, auf einer<br />

Karte blinkt ein großes schwarzes<br />

gekröntes (A). “Wenn wir wissen wo<br />

der Anführer ist und wohin er sich bewegt,<br />

finden wir sicher heraus was die<br />

Anarchisten planen” gibt der Mann<br />

hinter dem Bildschirm an.<br />

Eine Woche später: Mit gesenkten<br />

Kopf kehren die FreundInnen des Faschismus<br />

zurück zu Laun. Das wird<br />

kein angenehmes Treffen, das wissen<br />

sie schon jetzt. Bei sich haben sie einen<br />

Plan mit dem Bewegungsmuster des<br />

sogenannten anarchisten Führers von<br />

<strong>Salzburg</strong>. Doch mehr <strong>als</strong> eine dicke<br />

rote Linie ist auf der Karte nicht zu<br />

sehen. Der Anfang der Linie zeigt den<br />

Ort an dem der Computer steht und<br />

sie endet… bei der Hängematte. Auch<br />

hat der Mann offenbar viel mehr Zeit<br />

in der Hängematte verbracht <strong>als</strong> an<br />

seinem… nun Arbeitsplatz? Das kann<br />

kein Führer sein, da sind sich die VerschwörerInnen<br />

einig. Doch wer ist es<br />

dann? Die Stadt kann doch nicht ohne<br />

Hierarchien und ohne FührerInnen,<br />

wie selbstverwaltet funktionieren?<br />

Vielleicht weiß Weihbischof Laun eine<br />

Antwort auf ihre vielen Fragen…<br />

Zur gleichen Zeit sieht Weihbischof<br />

Laun von der Festung hinab in die<br />

Stadt <strong>Salzburg</strong>. Er grinst über beide<br />

Ohren, seine Pläne entwickeln sich<br />

und keineR kann ihn aufhalten. Hinter<br />

sich hört er das Tapsen auf steinernen<br />

Stufen. „Wenn das wieder die<br />

kleine vermaledeite Katze ist dann…<br />

„ murmelt er und dreht sich um. Doch<br />

es ist nur Erzbischof Wagner, welcher<br />

sich, wie jeden Tag, die Stufen hinaufquält.<br />

Er keucht angestrengt und<br />

lehnt sich neben Weihbischof Laun<br />

an die Wand. Kurz stehen die zwei<br />

schweigend da. Da zuckt Erzbischof<br />

Wagner zusammen und dreht sich<br />

verwirrt zu Laun um: “Hey Andreas,<br />

was wollen wir denn heute abend machen?”<br />

Und schon kommt die unausweichliche<br />

Antwort von Weihbischof<br />

Laun: “Genau dasselbe wie jeden<br />

abend Gerhard, wir versuchen die<br />

Weltherschaft an uns zu reißen!”<br />

(1) bit.ly/1sX5jx


Von Sexismus und Hundescheiße<br />

„Die Angereisten hätten bewiesen,<br />

welch hohen Wert sie Freundschaft<br />

und Solidarität beimessen.<br />

So sei es zu keinem einzigen unliebsamen<br />

Zwischenfall gekommen. Die<br />

Gemeinde habe sogar wissen wollen,<br />

ob die Libertären im kommenden<br />

Jahr eine Kundgebung abhalten wollten…“<br />

(1)<br />

Dass es in der Selbst- und Außenwahrnehmung<br />

unserer Bewegung<br />

noch einiges zu verbessern gibt, war<br />

uns denke ich schon vor Beginn des<br />

Treffens klar. Dennoch reiste unsere<br />

kleine Gruppe in freudiger Erwartung<br />

an und um es gleich vorwegzunehmen:<br />

Wenn das, was sich in diesen Augusttagen<br />

in St. Imier abgespielt hat,<br />

Anarchie sein soll, dann schämen wir<br />

uns Anarchist*innen zu sein. Selbstverständlich<br />

hätte es noch schlimmer<br />

ablaufen können (da es auch Positives<br />

zu berichten gibt) aber die Rahmenbedingungen<br />

für dieses Treffen hätten<br />

kaum schrecklicher sein können.<br />

Als wir in der Donnerstagnacht ankamen,<br />

erschien uns noch alles recht<br />

nett. Ein kleines, beschauliches Bergstädtchen<br />

mit einer geschichtlich<br />

wichtigen Bedeutung (vor 140 Jahren<br />

wurde in St. Imier die „Anarchistisch/<br />

Antiautoritäre International“ ins Leben<br />

gerufen). Wir fuhren fürs Erste<br />

auf den auf 800 Metern höher gelegenen<br />

Campingplatz und nahmen noch<br />

zwei französische alt Anarchist*innen<br />

mit ihrer Tochter im Auto mit nach<br />

oben, da abends die Zahnradbahn<br />

nicht mehr regelmäßig fuhr. (Es war<br />

etwas nach 22:00 Uhr. Sonst war sie<br />

übrigens in relativ kurzen Abständen<br />

unterwegs und für Anarchist*innen<br />

auf dem Weg zu ihren Campingplätzen<br />

grundsätzlich gratis.) Immer noch<br />

bester Dinge schlugen wir anschließend<br />

unsere Zelte auf, tranken gemeinsam<br />

noch ein Bier und legten uns<br />

schlafen<br />

Am nächsten Tag waren wir sehr erfreut<br />

darüber, Gefährt*innen aus Linz<br />

zu treffen und machten uns gemeinsam<br />

zur Haltestelle der Zahnradbahn,<br />

die etwas unterhalb von unserem<br />

Campingplatz gelegen war, auf. Von<br />

dort aus wollten wir zuerst unseren<br />

Beitrag für das Campinggelände verrichten<br />

und gingen im Zuge dessen in<br />

eines der Veranstaltungs-/Infozentren,<br />

dem „Espace Noir“. Das „Espace<br />

Noir“ ist ein Selbstverwaltetes Zentrum,<br />

in dem sich, wie wir ein wenig<br />

später erfahren sollten, am Vortag<br />

etwas äußerst Komisches zugetragen<br />

hatte. Der allgemeine Konsens für das<br />

Camp und auch für alle Veranstaltungsorte<br />

war, dass aus Rücksicht auf<br />

viele Teilnehmer*innen ausschließlich<br />

vegan gekocht werden sollte. Das<br />

„Espace Noir“ entschied sich dennoch<br />

dafür, den Grill anzuschmeißen<br />

und Würstchen und Grillkäse zu verkaufen!<br />

(Alle anderen VoKü`s waren<br />

auf Spendenbasis) Diese Aktion sollte<br />

allerdings noch ein Nachspiel haben,<br />

denn zum Dank dafür warfen<br />

ein paar Veganer*innen eine Ladung<br />

Hundescheiße auf besagten Grill<br />

Um diese Erfahrung und ein wenig<br />

Schadenfreude reicher, besorgten<br />

wir uns etwas zu Essen bei einer der<br />

wirklich ausgezeichneten VoKüs, die<br />

an allen wichtigen Stationen aufgebaut<br />

waren. (Eine beim Camp, eine<br />

an der Buchmesse, eine beim „Salle<br />

de Spectacle“ und das komische<br />

Ding beim „Espace Noir“) Danach<br />

wollten wir eigentlich gemeinsam<br />

den runden Tisch zum Thema Anarchafeminismus<br />

besuchen, dieser war<br />

allerdings ab diesem Tag nicht mehr<br />

gemischtgeschlechtlich. Das machte<br />

die männlich sozialisierten Personen<br />

aus unserer Gruppe ein wenig traurig.<br />

Sie hätten sich eigentlich auch für das<br />

Thema interessiert. Andererseits war<br />

die Entscheidung für alle verständlich,<br />

da es sich in den Tagen davor die absoluten<br />

„Experten“ des männlichen*<br />

Geschlechts nicht hatten nehmen<br />

lassen, den Frauen* mal zu erklären,<br />

was denn dieser Anarchafeminismus<br />

eigentlich sei und wie das dann auszusehen<br />

hätte.<br />

Ein Problem, das sich übrigens auch<br />

in den allermeisten anderen Vorträgen<br />

zeigte. Frauen* wurden laufend<br />

5<br />

unterbrochen, es wurde ihnen erklärt,<br />

dass über ihre Fragen ja schon vorher<br />

geredet worden sei oder dass dies jetzt<br />

echt zweitrangig wäre – schließlich<br />

gehe es hier gerade um etwas deutlich<br />

wichtigeres. Andererseits war es<br />

scheinbar kein Problem, wenn irgendwelche<br />

Typen mal eben einen zehnminütigen<br />

Monolog führen wollten und<br />

allen anderen Menschen danach dann<br />

gesagt wurde, so wir haben jetzt noch<br />

fünf Minuten dann müssen wir denn<br />

Saal räumen. Auch die Vortragenden<br />

waren in der Regel männlich*, weiß,<br />

der Mittelschicht entstammend und<br />

auch sonst mit ziemlich allen Privilegien<br />

gesegnet, die mensch sich nur<br />

vorstellen kann – allerdings ohne darüber<br />

selbst zu reflektieren, geschweige<br />

denn, die Privilegien einmal in einem<br />

ihrer Vorträge anzugreifen.<br />

Wir selbst kamen uns ganz oft wie<br />

Konsument*innen vor, nirgendwo<br />

konnte mensch sich wirklich einbringen<br />

oder beteiligen. Das führte<br />

glücklicherweise dazu, dass einige<br />

motivierte Individuen anfingen, eigene<br />

Workshops etc. zu starten und so<br />

gab es auf einmal ein komplett im<br />

Do-It-Yourself-Verfahren erarbeitetes<br />

Kontrastprogramm, das von Eigeninitiative<br />

und gegenseitigem Respekt<br />

lebte. In diesen Veranstaltungen musste<br />

übrigens auch nicht, wie in jedem<br />

der von langer Hand geplanten Vorträge,<br />

noch mal extra erwähnt werden,<br />

dass Anarchismus ja heißt gegen<br />

den Staat zu kämpfen. Das wussten<br />

diese enthusiastischen Leute schon<br />

vorher und beschäftigen sich lieber<br />

damit, wie dies in der Praxis aussehen<br />

kann. Es wurden Workshops zum<br />

Thema Ladendiebstahl, Animal Liberation,<br />

Autonome Zentren, staatliche<br />

Repression, Direct Action und vieles<br />

mehr zusammen erarbeitet. Zu weiteren<br />

unschönen und ein paar wenigen<br />

netten Erfahrungen in der nächsten<br />

Ausgabe mehr.<br />

(1) http://bit.ly/PcP5iQ<br />

Reisebericht<br />

Anarchistisches Treffen/Kongress In St.Imier (Schweiz) vom 08.08-12.08.2012


8 Rezension<br />

Nichts Neues beim Känguru<br />

„Kennst du ‚Neues vom Känguru’?<br />

Von Marc-Uwe Kling? Wie nein, das<br />

musst du dir unbedingt anhören/<br />

es lesen etc. etc. Es ist so wunderbar<br />

lustig!“ Wir kennen das Känguru und<br />

wir kennen auch das Entsetzen sehr<br />

gut, das Menschen auslösen, die von<br />

jenem Beuteltier noch nie gehört haben.<br />

Vor etwa einem Jahr haben wir<br />

noch selbst so geredet. Ein wenig<br />

später waren wir nicht mehr ganz<br />

so überzeugt. „Manche Folgen sind<br />

schon blöd…“, haben wir vorgewarnt<br />

und ein paar Titel genannt. „Aber<br />

aufgewogen gegen die guten Teile –<br />

Kein Vergleich“<br />

Marc-Uwe Kling hat es nämlich nicht<br />

so mit dem Anti-Sexismus. Und so ein<br />

wenig gepflegter Sexismus am Rande,<br />

an den sind wir ja sowieso schon<br />

gewöhnt…Ist ja auch nichts Neues…<br />

und wenn sonst alles passt, kann<br />

mensch (man?) ja mal drüber hinwegschauen.<br />

Stimmts?<br />

Jetzt haben wir keine Lust mehr, drüber<br />

hinwegzuschauen! Natürlich finden<br />

wir manche Folgen immer noch<br />

lustig. Aber im Allgemeinen sind<br />

Marc-Uwe Klings Känguru-Geschichten<br />

absolut nicht pro-feministisch und<br />

teilweise offen sexistisch. Und wenn<br />

er behauptet, Anarchist zu sein, dann<br />

ist das nicht unsere Anarchie.<br />

Manchen Menschen mag schon aufgefallen<br />

sein, dass Frauen im ‘Känguru’<br />

nur sehr spärlich und wenn,<br />

dann nur in unwichtigen Nebenrollen<br />

vorkommen. Vielleicht hat sogar<br />

jemand bemerkt, dass im Gegensatz<br />

zur Bekämpfung des Kapitalismus,<br />

des Rassismus, des Antisemitismus…<br />

die Unterstützung des feministischen<br />

Kampfes kaum je behandelt wird. Es<br />

gibt allerdings auch genügend Szenen,<br />

die über bloßes Ignorieren solcher<br />

Themen weit hinausgehen.<br />

In den Känguru-Geschichten werden<br />

Frauen <strong>als</strong> Sexualobjekte dargestellt<br />

und auf ihr Aussehen reduziert. In der<br />

Folge 70 von ‘Neues vom Känguru’<br />

trifft Marc-Uwe Kling auf eine „treudoofe“<br />

junge Touristin, die ihn offensichtlich<br />

kaum interessiert, mit der er<br />

aber nichtsdestotrotz ins Bett geht –<br />

um dann dem wartenden Känguru zu<br />

sagen, es war… naja… „what ever …<br />

you know“. …<br />

Auch in den Känguru-Chroniken hat<br />

sich daran übrigens nicht viel geändert.<br />

Als Marc-Uwe in Folge 51a auf<br />

die Vollversammlung des „asozialen<br />

Netzwerkes“ geht – das laut Känguru<br />

absolut nicht hierarchisch aufgebaut<br />

ist – kann er sich dort mit einem<br />

anderen männlichen Mitglied sofort<br />

über die „niedliche Kleine dort hinten“<br />

und andere „unglaublich scharfe“<br />

Frauen unterhalten. Frauen sind<br />

auch hier kaum vertreten. Sie werden<br />

wenn dann nur wegen ihres Äußeren<br />

wahrgenommen. Und dass ein anderes<br />

Mitglied mit der „niedlichen Kleinen“<br />

unbedingt ungeschützten Sex<br />

haben will, wird kaum beachtet.<br />

Außer <strong>als</strong> Sexualobjekte zu dienen<br />

haben Frauen in der Känguru-Welt<br />

offenbar noch eine weitere Aufgabe.<br />

Sie haben sich um die Verhütung und<br />

mögliche Konsequenzen zu kümmern.<br />

Es mag sein, dass es Marc-Uwe Kling<br />

sehr lustig erschien, sein imaginäres<br />

Ich in Folge 18 von Neues vom Känguru<br />

ins Telefon brüllen zu lassen „Es<br />

ist aus und vorbei, diese Entscheidung<br />

ist endgültig!“ und statt seiner Mutter<br />

aus Versehen seine Freundin an der<br />

Leitung zu haben, die darauf mit „Du<br />

Arschloch, ich bin schwanger!“, antwortet…<br />

Aber wenn besagte Freundin<br />

dann nie wieder vorkommt, wenn ihr<br />

weder für eine Schwangerschaft noch<br />

für einen Abbruch Beistand angeboten<br />

wird… Dann propagiert das eine<br />

Verantwortungslosigkeit, die einen<br />

entspannten und lustvollen Umgang<br />

mit Sexualität (nicht nur) für Frauen<br />

unmöglich macht.<br />

Aber so wichtig scheint das ja alles<br />

nicht zu sein, denn das Känguru hat<br />

den Feminismus verstanden: „Wenn<br />

wir _Eines _aus der Frauenbewegung<br />

gelernt haben“, erklärt es „dann ist es<br />

doch, dass sich Unterdrückungsmuster<br />

schon in der Sprache manifestieren“.<br />

Richtig, liebes Känguru, das ist<br />

eines der Dinge, die wir aus der Frauenbewegung<br />

lernen könnten. Aber<br />

wer sein Känguru von „Schwuchteln“<br />

und „Herzchen“ reden lässt, während<br />

sein eigener fiktiver Charakter<br />

sich über die „Hässlichkeit“ der zwei<br />

Leute, die er regelmäßig beim Sex beobachtet<br />

mokiert… (1) der hat wahrscheinlich<br />

auch das nicht begriffen.<br />

Und so schwer ist Gendern übrigens<br />

auch nicht, Herr Kling.<br />

(1) Hatten keine Lust mehr, für alles die Folgennummern raus-<br />

zusuchen, aber ihr habt sie sicher selbst schon gefunden, nicht<br />

wahr?


Habt Orgasmen!<br />

Pussy Riot<br />

Die drei angeklagten Pussy Riot-Frauen Maria Alekhina, Nadezha Tolokonnikova<br />

und Ekaterina Samutsevich sind am Freitag, den 17. August wegen „Rowdytums<br />

aufgrund von religiösem Hass“für schuldig befunden und jeweils zu zwei<br />

Jahren Arbeitslager verurteilt worden. Die Staatsanwaltschaft hatte zuvor drei<br />

Jahre beantragt, ursprünglich standen sieben zur Debatte. Am 20. August wurde<br />

Einspruch gegen das Urteil erhoben, die AnwältInnen der Frauen bezweifeln allerdings,<br />

dass das Urteil noch geändert werden wird.<br />

Die feministische und (dam<strong>als</strong> noch<br />

vollständig) anonyme Punk-<br />

Band Pussy Riot wurde im Oktober<br />

2011 gegründet. Laut der Website<br />

freepussyriot.org setzt sie sich für die<br />

Gleichberechtigung der Geschlechter,<br />

für Demokratie und Meinungsfreiheit<br />

ein. Es könnte allerdings durchaus<br />

sein, dass damit längst nicht alles gesagt<br />

ist. Bei ihren früheren Aktionen<br />

stürmten die Frauen unter anderem<br />

den Catwalk auf einer Modeschau,<br />

simulierten öffentliche Masturbation<br />

im Schaufenster einer Luxus-Boutique<br />

und sangen Lieder wie „Kropotkin<br />

Vodka“, dessen Text Hausfrauen zur<br />

Revolution aufruft: “Occupy the city<br />

using your frying pans / Take your vacuum<br />

cleaner and get off on it, have<br />

an orgasm” (Besetzt die Stadt mithilfe<br />

eurer Bratpfannen, nehmt den Staubsauger<br />

und werdet high, habt Orgas-<br />

men!) Außerdem traten sie vor einem<br />

Gefängnis auf, mit Texten wie „Death<br />

to Prison, Freedom to Protest!“ (Tod<br />

den Gefängnissen, Freiheit dem Protest).<br />

Am 21. Februar 2012 veranstalteten<br />

sie schließlich ihre Aktion in der<br />

Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau,<br />

die sich gegen Putin und die russischorthodoxe<br />

Kirche und deren enge<br />

politische Zusammenarbeit wandte.<br />

Drei von den fünf aktiv auftretenden<br />

Frauen wurden nun vor kurzem verurteilt.<br />

Die beiden weiteren sind nach<br />

Angabe von dem twitter-account<br />

“Pussy Riot Group” aus Russland<br />

geflohen und „rekrutieren ausländische<br />

Feministinnen um neue Aktionen<br />

vorzubereiten“. Die Flucht der beiden<br />

wurde von Tolokonnikovas Ehemann<br />

bestätigt, der außerdem darauf hinwies,<br />

dass 12 bis 14 Menschen wei-<br />

9<br />

terhin aktiv an der politischen Arbeit<br />

der Band beteiligt seien.<br />

Pussy Riot hat im August eine Single<br />

mit dem Namen “Putin zazhigaet<br />

kostry” (Putin entzündet die Feuer)<br />

herausgegeben, das den Gerichtsfall<br />

behandelt. Im Text heißt es unter<br />

anderem “Putin entzündet die Feuer<br />

der Revolution”, und “Verhaftet die<br />

ganze Stadt für den 6. Mai (1)/ Sieben<br />

Jahre sind noch nicht genug, gebt uns<br />

18/ Verbietet uns, zu schreien, zu gehen<br />

und zu (ver)fluchen!”<br />

Der ganze Text des Liedes ist übrigens<br />

ganz leicht zu googlen mit “Putin<br />

lights up the fires” und das Lied<br />

findet ihr unter dem gleichen Titel auf<br />

youtube.<br />

(1)z.B http://bit.ly/Kze3la


10 Pussy Riot<br />

Wie mit Pussy Riot der Rechtsstaat verteidigt wird<br />

Was vom Urteil gegen die Pussy Riot<br />

Aktivistinnen und der staatlichen Repression<br />

ihnen gegenüber zu halten<br />

ist, das ist allen klar: Ein Staat übt<br />

Willkür aus und bestraft undemokratisch<br />

und menschenrechtswidrig. Hier<br />

überschreitet der Staat, <strong>als</strong>o Russland,<br />

Grenzen und entfernt sich von den<br />

Idealen der Justiz.<br />

“Der Prozess gegen die Frauen von<br />

Pussy Riot ist eine Messlatte für Demokratie,<br />

Freiheit und Menschenrechte<br />

in Russland”, sagt Alev Korun, außenpolitische<br />

Sprecherin der Grünen.<br />

(1)<br />

Mit der Verurteilung zu zwei Jahren<br />

Straflager für die drei Aktivistinnen<br />

von “Pussy Riot” zeigt Russland der<br />

Weltöffentlichkeit, dass es sich von<br />

seinem Weg zu Rechtsstaat und Demokratie<br />

verabschiedet hat. Und das<br />

auch noch ohne jede Scheu. (2)<br />

Bei dieser Sorte von Kritik wird aber<br />

eines geflissentlich übergangen: Was<br />

die Aktivistinnen von Pussy Riot eigentlich<br />

vertreten. Wie ein Artikel in<br />

der New York Times so schön zusammenfasst.<br />

Because what Pussy Riot wants is<br />

something that is equally terrifying,<br />

provocative and threatening to the<br />

established order in both Russia and<br />

the West (and has been from time immemorial):<br />

freedom from patriarchy,<br />

capitalism, religion, conventional morality,<br />

inequality and the entire corporate<br />

state system. (3)<br />

Pussy Riot wird <strong>als</strong>o nicht deshalb<br />

von Solidaritätsbekundungen überhäuft,<br />

weil deren Inhalte von so vielen<br />

Menschen geteilt werden. Nein, Pussy<br />

Riot erfährt soviel Unterstützung,<br />

weil es eines zeigt: Russland ist und<br />

bleibt ein Unrechtsstaat.<br />

Da lacht sich ein Rechtsstaat wie Österreich<br />

oder Deutschland in’s Fäustchen.<br />

Denn DIESE Art von Willkür<br />

gibt es in einer parlamentarischen Demokratie<br />

mit einer (mehr oder minder)<br />

funktionierenden Justiz nicht.<br />

So geraten die “westlichen” Staaten<br />

in den Genuss einer Legitimation, die<br />

sie ganz und gar nicht verdient haben.<br />

Denn um die Bedürfnisse von Menschen,<br />

um deren Wohlergehen geht es<br />

den so lupenreinen Demokratien in<br />

Mitteleuropa genauso wenig wie den<br />

sogenannten Unrechtsstaaten Russland,<br />

China usw..<br />

Wie so ein Staat wie Deutschland beispielsweise<br />

mit den Bedürfnissen von<br />

Menschen umgeht, ist an der Kooperation<br />

mit dem Staat Weißrussland<br />

gut zu beobachten.<br />

Zu den Hilfsleistungen Deutschlands<br />

an die weißrussische Polizei<br />

werden immer neue Details bekannt:<br />

Einem Bericht nach hat die Regierung<br />

über Jahre hinweg Geld auch für die<br />

Ausstattung der Bereitschaftspolizei<br />

des Landes zur Verfügung gestellt. (4)<br />

Amnesty International hat zu diesem<br />

Kooperationspartner Deutschlands,<br />

<strong>als</strong>o Weissrussland, auch etwas zu sagen.<br />

Die Rechte auf freie Meinungsäußerung,<br />

Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit<br />

wurden im Laufe<br />

des Jahres weiter eingeschränkt. Die<br />

Regierung ließ nach wie vor Hinrichtungen<br />

vollstrecken. Gewaltlose politische<br />

Gefangene waren weiterhin in<br />

Haft und wurden gefoltert und misshandelt.<br />

Das Recht auf ein faires Gerichtsverfahren<br />

war eingeschränkt. (5)<br />

Wer sich von einem Rechtsstaat<br />

Schutz der Bevölkerung erwartet,<br />

scheint <strong>als</strong>o grundsätzlich f<strong>als</strong>ch zu<br />

liegen. Wie sollte denn das auch funktionieren?<br />

Ist der Staat mit seinem<br />

Machtmonopol doch die einzige Instanz,<br />

welche auf legitime Art und Weise<br />

Gewalt gegen StaatsbürgerInnen<br />

ausüben darf. Und gerade dieser Staat<br />

soll mit seiner Justiz die Menschen<br />

vor sich selbst schützen?<br />

Zu den Rechten der Menschen im<br />

Staat: Wie und wo darf ich wohnen,<br />

freie Meinungsäusserung und das<br />

Recht auf Leben und körperliche<br />

Unversehrtheit kann pointiert gesagt<br />

werden.<br />

Und dafür soll man dem Staat<br />

dankbar sein?! Weil man nicht nur<br />

lebt, redet, wohnt usw., sondern weil<br />

es diese doch wohl unbestreitbar existenten<br />

Tatsachen zusätzlich auch noch<br />

<strong>als</strong> erlaubte gibt? Aus dieser staatlichen<br />

Erlaubnis kann vernünftigerweise<br />

nur ein Schluß folgen, und der ist<br />

alles andere <strong>als</strong> angenehmen Inhalts:<br />

Die Gewährung all dieser Rechte –<br />

bis hin zum Leben seiner Bürger <strong>als</strong><br />

Recht! – durch den Staat unterstellt<br />

diesen <strong>als</strong> höchsten Schiedsrichter,<br />

der eigene Kalkulationen mit dem<br />

Leben seiner Untertanen anstellt und<br />

die nötige Gewalt hat, um seine Abwägungen<br />

selbst auf das Leben, <strong>als</strong>o<br />

die elementare Voraussetzung aller<br />

Interessen und deren Verfolgung, zu<br />

erstrecken! (6)<br />

Anders ausgedrückt: Was vom Staat<br />

nicht erlaubt ist, das ist auch nicht<br />

Teil der Freiheit. Wie das konkret<br />

aussieht, kann an den legalen Abschiebungen<br />

in Österreich beobachtet<br />

werden. Und klar ist auch: Wer Hunger<br />

und kein Geld hat, darf auch kein<br />

Brot aus den Supermärkten entfernen.<br />

Wer kein Dach über dem Kopf hat,<br />

hat auch kein Recht in verlassenen<br />

Häusern zu wohnen.<br />

Und ganz zum Schluss: Notstandsgesetze<br />

kennt jede parlamentarische Demokratie.<br />

Wenn <strong>als</strong>o die BürgerInnen<br />

ihr Recht auf Freiheit zu ernst nehmen,<br />

werden auch die schon gewährten<br />

Recht entzogen. Dann ist Schluss<br />

mit dem Recht auf freie Meinungsäusserung<br />

und Co.<br />

Also: Wer mit Pussy Riot solidarisch<br />

sein will – der kritisiert den Staat an<br />

sich und schliesst sich nicht der Denunzierung<br />

Russlands <strong>als</strong> Unrechtsstaat<br />

an. Denn das unterscheidet keinen<br />

Staat von Russland: Sie verfügen<br />

alle absolut über ihre BürgerInnen<br />

und nutzen sie zu ihrem Zweck und<br />

keinem anderen.<br />

(1) Alev Korun, außenpolitische Sprecherin der Grünen:<br />

Pussy Riot-Prozess Messlatte für Demokratie, Freiheit und<br />

Menschenrechte in Russland bit.ly/SJpnUC<br />

(2) Süddeutsche Zeitung, Russland und die “Pussy Riots”:<br />

Ungenierter Abschied vom Rechtsstaat bit.ly/PqDATz<br />

(3) NY-Times, The Wrong Reasons to Back Pussy Riot nyti.<br />

ms/RBAlwb<br />

(4) Die Zeit, Deutschland rüstete weißrussische Polizei aus<br />

bit.ly/Rf49s0<br />

(5) Amnesty International bit.ly/MWni5z<br />

(6) Gegenstandpunkt, Der Rechtsstaat bit.ly/Okxx1t


Sudoku<br />

Das politische<br />

Puzzle 1 (Easy, difficulty rating 0.43)<br />

Pussy Riot/alles mögliche<br />

2 7 1 9<br />

1 3 2<br />

1 6 7<br />

5 7 3 4<br />

6 3<br />

1 4 6 5<br />

3 5 7<br />

5 2 3<br />

4 8 1 3<br />

Generated by http://www.opensky.ca/~jdhildeb/software/sudokugen/ on Fri Jul 20 10:50:08 2012 GMT. Enjoy!<br />

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