Jakob Kindinger
Jakob Kindinger
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Am 8. März lauteten ergänzende Nachrichten im BA:<br />
„Weitere Verhaftungen in Bensheim.<br />
Im Laufe des gestrigen Nachmittags wurden noch die Kommunisten Jaeckel und Schmidt in Bensheim<br />
verhaftet und dem Amtsgerichtsgefängnis zugeführt.“<br />
<strong>Jakob</strong> <strong>Kindinger</strong> wurde bereits nach vierzehn Tagen aus dem Gerichtsgefängnis Bensheim entlassen.<br />
<strong>Kindinger</strong>s Meldekartei erhält die Vermerke: „Bei Wohnsitzwechsel an Staatspolizeistelle geben" und<br />
„18.5.45 v. Konzentrationslager Buchenwald zurück“. 102<br />
Im August 1933 wurden Georg Menges und <strong>Jakob</strong> <strong>Kindinger</strong> sowie Josef Faller 103 in Gronau wiederum<br />
verhaftet und in das Konzentrationslager Osthofen 104 gebracht. „Georg Menges trug Beitragsmarken bei<br />
sich, die er aber noch während des Transportes unbemerkt verschlucken konnte." 105 Nach dreiwöchiger<br />
Lagerhaft wurde <strong>Kindinger</strong> entlassen. „Im August 1933 wurden wir, der Genosse Menges aus Bensheim<br />
und ich, bei Eintreff mit einem Genossen aus einem Nachbarort von Faschisten erkannt und an die<br />
Polizei verraten. Da man uns nichts nachweisen konnte, wurden wir beide ins KZ Osthofen verbracht,<br />
nach 14 Tagen wurden wir beide von dort wieder entlassen.“ 106<br />
Das Konzentrationslager Osthofen<br />
Die Gemeinde Osthofen, zehn Kilometer von Worms entfernt, gehörte vor 1945 zum damaligen<br />
Volksstaat Hessen mit den Provinzen Rheinhessen, Oberhessen und Starkenburg. Bei den<br />
Reichstagswahlen vom 5. März 1933 erzielte die NSDAP in Osthofen 52,8 %. Die Nationalsozialisten<br />
beschlagnahmten am 6. März 1933 wegen angeblicher Steuerschulden des Besitzers eine ehemalige<br />
Papierfabrik und richteten auf dem Fabrikgelände ein provisorisches Lager für politische Häftlinge ein.<br />
Es war das erste Konzentrationslager auf dem Gebiet des damaligen Volksstaates Hessen. Eine<br />
nachträgliche „offizielle“ Anordnung zur Errichtung des KZ erfolgte am 1. Mai 1933 durch Werner Best,<br />
dem Staatskommissar für das Polizeiwesen in Hessen. In dieser Anordnung wurde der<br />
Zuständigkeitsbereich des KZ Osthofen für politische Häftlinge festgelegt, also oppositionelle Kräfte, die<br />
bis dahin den unkontrollierten Angriffen von SA-Hilfspolizisten ausgeliefert waren. Die Verwaltung des<br />
Lagers wurde dem Polizeiamt Worms übertragen. Zum ehrenamtlichen Leiter des KZ Osthofen wurde<br />
Karl d'Angelo ernannt. Er war von Beruf Buchdrucker, Herausgeber der Osthofener Zeitung, SS-<br />
Sturmbannführer und NSDAP-Ortsgruppenleiter.<br />
Aus nahezu allen Gemeinden des Volksstaate Hessen wurden Häftlinge - zum Teil wiederholt -<br />
eingeliefert. Generell wurden die betroffenen Personen nach ihrer Verhaftung erst einmal in<br />
Polizeigefängnissen, Schutzhaftgefängnissen der SS oder in den Parteizentralen der NSDAP („Braune<br />
Häuser“) untergebracht, wo die Häftlinge zunächst verhört und misshandelt wurden. Anschließend<br />
102 Archiv der Stadt Bensheim, Meldekartei <strong>Jakob</strong> <strong>Kindinger</strong>.<br />
103 Faller, Josef, Melker. *15. September 1884 in Neusatz †12. Januar 1975 in Bensheim, ledig. Er wohnte zuletzt in der<br />
Märkerwaldstraße 51, wie aus einer Traueranzeige von Babette Keil hervorgeht. Laut Auskunft des Regierungspräsidium<br />
Darmstadt in Wiesbaden, Dezernat VI 66 (Wiedergutmachung), vom 6. Dezember 2005 ist für Josef Faller kein<br />
Entschädigungsverfahren registriert. Faller – nach dem Zweiten Weltkrieg kommissarischer Bürgermeister für etwa drei<br />
Wochen - wurde in den Angaben älterer Gronauer Mitbürger als „einfach gestrickt“ und hilfsbereit charakterisiert. Er war<br />
bekannt unter den Namen „Edelkommunist“ oder „Schweizer“; denn er kam ursprünglich aus der Schweiz. „Von den<br />
Amerikanern wurde zunächst als kommissarischer Bürgermeister der Altkommunist Josef Faller, der `Schweizer´ eingesetzt.<br />
Ihm folgte für viele Jahre der Landwirt <strong>Jakob</strong> Heß.“ Kühner, Eberhard: Das Dorf in der Grünen Aue. Gronau im Laufe der<br />
Jahrhunderte. Bensheim 1989, S. 169.<br />
104 Am 6. März 1933 wurde in Osthofen, zehn Kilometer von Worms entfernt, eine ehemalige Papierfabrik von örtlichen Nazis<br />
beschlagnahmt und auf dem Fabrikgelände das erste KZ für politische Häftlinge auf dem Gebiet des damaligen Volksstaates<br />
Hessen eingerichtet. In den siebzehn Monaten (März 1933 bis Juli 1934) seiner Existenz waren mindestens 2500 bis 3000<br />
Männer im Lager inhaftiert. Vgl. Meyer, Hans-Georg/Roth, Kerstin: Zentrale staatliche Einrichtung des Landes Hessen: Das<br />
Konzentrationslager Osthofen. In: Benz, Wolfgang/Distel, Barbara (Hrsg.): Instrumentarium der Macht. Frühe<br />
Konzentrationslager 1933-1937. Berlin 2003, S. 189-219; Meyer, Hans-Georg/Roth, Kerstin: Osthofen. In: Benz, Wolfgang/<br />
Distel, Barbara (Hrsg.): Der Ort des Terrors. Geschichte der nationalsozialistischen Konzentrationslager. Band 2: Frühe<br />
Lager, Dachau, Emslandlager. München 2005, S. 181-184.<br />
105 Liebfrauenschule Bensheim: Widerstand gegen das NS-Regime in Bensheim (Wettbewerb Deutsche Geschichte um den<br />
Preis des Bundespräsidenten 1982/83: Alltag im Nationalsozialismus - Die Kriegsjahre in Deutschland).<br />
106 Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv By/1 Nr. 662.<br />
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